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Methoden – Stoff

Zentrale Fragen
Was sind Methoden? Wozu? Welche?
• Fragestellungen, Lösungsansätze
• Systematisierung, Rückverfolgung
• Feldforschung, Vergleich, Interview, Experimente (eher selten), Statistik,
Teilnehmende Beobachtung, Tagebücher

Wovon sind Methoden abhängig?


Von der Fragestellung, vom Ziel; schon vorhandene Arbeiten + Forschungen;
Möglichkeiten: Finanzierung, Zeit, Mitarbeiter;
Spezifische Bedingungen: Gesellschaft, Forschungsfeld

T B
M D
Theorie, Begriffe, Methoden, Daten – Zusammenhänge!!!

Begriffserklärung
Aus dem griechischen, meta = nach, über, neben, odos = Weg, Gang =
Nachgehen, Verfolgen

Herausbildung der Kultur- und Sozialanthropologischen


Forschungsmethoden
In der KSA gibt es viele verschiedene Forschungs- und Arbeitsmethoden
(Pluralismus) die eine sehr lange Entwicklung hinter sich haben.
Es kam zu unterschiedlichen nationalen Entwicklungslinien, unterschiedlichen
methodischen Ausrichtungen und Auffassungen und unterschiedlichen
Bezeichnungen der Disziplin

Debatte um die Ausrichtung der Disziplin (Schnittstellen)


• Kulturwissenschaft (UK) vs. Sozialwissenschaft (US)

• Diachron (KSA an zeitliche, diachrone Abläufe und Entwicklungen


interessiert = historisch orientierte Wissenschaft) vs. synchron (KSA an
kulturellen und sozialen Zusammenhängen zu bestimmten Zeitpunkten
interessiert)
=Nicht deckungsgleich mit historisch vs. sozialwissenschaftlich

• Naturwissenschaft vs. Geisteswissenschaft („scientists“ vs. „humanists“)

Kultur- und Sozialanthropologie ist nicht ausschließlich Sozialwissenschaft,


sondern an der Schnittstelle von Sozial-, Kultur- und Geschichtswissenschaft
angesiedelt!!!

Institutionalisierung der KSA


Die KSA hat sich früh als eigenständige Wissenschaft etabliert.
Wann? - Im 19. Jahrhundert
Warum? - Aufgrund der europäischen Expansion und dem Kolonialismus
Wie? - Auf 3 Ebenen (anthropologische Gesellschaften, Museen, universitäre
Verankerung)

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Sammlungen → Museen
Die ethnographischen Sammlungen (von Expeditionen und kolonialistischen
Unternehmungen) waren früher Teil der sog. Wunderkammern der Kaiser und
Könige.
Im 19. Jhd. wurden eigene öffentliche Museen gegründet; zu Beginn oft noch Teil
Naturhistorischer Museen, später eigene anthropologische Museen, heute eine
Tendenz sie zu einem Teil von Kunstmuseen zu machen (Museum für
Völkerkunde = Teil des Kunsthistorischen Museums)

Wissenschaftliche Gesellschaften, z.B.:


Société des Observateurs de l´Homme, Paris 1799
Société Ethnologique de Paris 1839
Aborigines Protection Society 1837 in Großbritannien,
Ethnological Society of London 1844
Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Frühgeschichte 1867
Anthropologische Gesellschaft in Wien 1870
Anthropological Society of Washington 1879

Ende 18., Anfang 19. Jhd.: Bildung bürgerlicher Institutionen und


wissenschaftlicher Gesellschaften.
Diese vereinten Vertreter, die heute unterschiedlichen Fachdisziplinen
angehören.
(z.B.: heutige Anthropologische Gesellschaft in Wien vereint physische
Anthropologie, Ur- und Frühgeschichte, Volkskunde und Völkerkunde)

Lehrstühle und Institute


Im 19. Jhd. entstanden eigene anthropologische Lehrstühle und Institutionen an
den Universitäten:
• 1869 wurde Adolf Bastian erster Universtitätsdozent für Völkerkunde in
Deutschland (Berlin)
• Edward B. Tylor erhielt 1883 den ersten anthropologischen Universitätsposten
im Vereinigten Königreich an der Universität von Oxford, wo er 1895 zum
Professor für Anthropologie wurde.
• Der Deutsche Franz Boas erhielt seine erste akademische Position in den USA
an der Clark University in Worcester Mass. 1896 wurde er Lektor für physische
Anthropologie und 1899 Professor für Anthropologie an der Columbia
University.

Bezeichnungen der Disziplin


KSA = im deutschsprachigen Raum durchgesetzt, da der Begriff Volk negativ
belastet und problematisch ist; bezieht sich auf SA und CA
Sozialanthropologie = aus dem britischen Bereich der „Social Anthropology“
Kulturanthropologie = aus dem US-amerikanischen Bereich der „Cultural
Anthropology“
Ethnologie = Ab dem 19. Jhd. löste die Ethnologie weitgehend den Begriff der
Ethnographie ab
Ethnographie = eigentlich als Gegensatz zur Geographie gegründet; empirisch
basierte akademische Wissenschaft der Kulturen, Sprachen und Völker der Erde.
Völkerkunde= synonymer Begriff für Ethnographie
Volkskunde = Beschäftigung mit den eigenen ländlichen Wurzeln, der eigenen
Kultur, den Bräuchen, der Sprache und der Sammlung von Märchen,
Volksliedern , materieller Kultur etc.

Nationale Entwicklungslinien (Morgan und Tylor)

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Im Laufe der Jahre entstanden unterschiedliche nationalsprachliche
Entwicklungslinien:
Britische, amerikanische, deutschsprachige, französische und auch russische
Traditionen

In den USA wurden hauptsächlich allgemeine Anthropologiedepartments


gegründet
„Four Fields Approach“ = Kulturanthropologie, Linguistik, physische
Anthropologie und Archäologie

Im Allgemeinen ist es aber zu einer disziplinären Trennung zwischen der


physischen Anthropologie (Humananthropologie) und der Kultur- und
Sozialanthropologie gekommen.
Die Situation im deutschsprachigen Raum ist auch durch eine Trennung von
Volks- und Völkerkunde geprägt.

Nach dem Evolutionismus des 19. Jhd. spielte die historische Ausrichtung
besonders in der deutschsprachigen Ethnologie (Diffusionismus, Kulturkreislehre,
Ethnohistorie) und der
US-amerikanischen Anthropologie (historischer Partikularismus) eine zentrale
Rolle, während sich die britische und die französische Tradition einem
funktionalistischen bzw. strukturalistischen sozialwissenschaftlichen Paradigma
verpflichtet fühlten.

Methoden vor der Feldforschung – Armchair Anthropology


Zu Beginn:
Arbeitsteilung zwischen Datensammlern (die ins Feld gingen und vor Ort Daten
erhoben) und Theoretikern (sog. Armchair anthropologists, die daheim aus dem
gesammelten Material ihre theoretischen Schlüsse zogen)
Reise-, Verwaltungs- und Missionarsberichte dienten lange als Grundlage der
Armchair Anthropology. Diese Informationen über fremde Kulturen wurden
zwischen dem 16. u. 19. Jh. größtenteils unsystematisch gesammelt.

Die systematische Sammlung u. das Festhalten von Beobachtungen sowie das


Zusammentragen verschiedener Quellen entstanden in den Naturwissenschaften
ab der Mitte des 18. Jhdts., dabei wurden auch sonderbare Bräuche der Indigenen
festgehalten und mit der eigenen Kultur verglichen.
Das exotische u. sonderbare wurde geschätzt u. ausführlich beschrieben, wobei
die meisten Materialien während kurzer Begegnungen mit anderen Kulturen
erhoben wurden. (kürzere Expeditionen)

Die Expeditionen der Aufklärung waren ein wichtiger Schritt in der Entwicklung
der systematischen Feldforschung. Es wurden systematisch wissenschaftliche
Daten erhoben und Methoden entwickelt.

Anthropologische Gesellschaften und Experten gaben den Expeditionen des 19.


Jhd. Fragebögen mit, welche eine wichtige Rolle in der ethnographischen
Datenerhebung spielten. Ziel war die Verbesserung der wissenschaftlichen
Qualität der Berichte. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass die Qualität
unzureichend war und man am besten selbst die Daten erheben sollte.
z.B.: im deutschsprachigen Raum war Adolf Bastian einer der ersten der selbst
Daten erhob

Franz Boas hatte das Ziel, ethnographisches Material zu produzieren, das den
Geist der beforschten Völker widerspiegelt. Er meinte, dass bevor große Theorien
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entwickelt werden könne, Rohdaten gesammelt werden müssen. Er selbst
sammelte nie Daten sondern beschränkte sich auf die Analyse.

Johann Reinhold Foster und Georg Foster


Die Foster‘s waren Ausnahmeforscher und zentrale Figuren der deutschen
Aufklärung
Sie waren bei James Cooks 2. Entdeckungsreise in den Pazifik dabei und
schrieben Berichte über das Leben der Indigenen im Pazifik (G. Forsters „A
voyage around the world“ 1777)
Ihre Sammlung ethnographischer Objekte bildete die Grundlage für verschiedene
anthropologische
Museen in ganz Kontinentaleuropa (Göttingen, Wien, Florenz)

Weiters wichtig: Alexander von Humboldt und die Brasilien Expedition von Kaiser
Franz I.

Torres-Straits Expedition (1898-1899)


Die Torres-Straits sind eine Gruppe von Inseln zw. Nordaustralien und Papua-
Neuguiena
Adolf Cort Haddon setzte seine Forschergruppe aus Linguisten, Psychologen,
Anthropologen, Musikwissenschaftlern, Pathologen und Zoologen zusammen.
Diese Expedition war sehr wichtig für die Entwicklung ethnographischer
Techniken und führte zu einem Wendepunkt in der britischen
Sozialanthropologie:
• Eigenständige Datenerhebung durch Wissenschaftler vor Ort
• Verankerung von Feldforschung in der anthropologischen Ausbildung und als
zentrales Mittel der Datenerhebung
• Objekt d. Forschung nicht mehr Kultur generell, sondern spezielle lokale
Gesellschaften
• Entwicklung neuer Methoden: Rivers´ genealogische Methode; Kinship terms;
Verwandtschaftsethnologie
• Rivers u. Seligman (beide naturwissenschaftlich ausgebildet) als
Schlüsselfiguren in der Ausbildung der nächsten Generation brit.
Sozialanthropologen

Anfang des 20. Jhd. gab es die ersten anthropologisch geschulten Ethnographen
(z.B.: Malinowski)

Evolutionismus
= ein zentrales Paradigma des 19. Jhd.
= ethno – und eurozentrisch

Wichtige Vertreter:
Johann Bachofen
John Ferguson McLennan
James Frazer
Herbert Spencer

Lewis Henry Morgan (USA)


• Jurist und amerikanischer Anthropologe
• Vertreter eines unilinearen Evolutionismus à „Wildheit“, „Barbarei“ und
„Zivilisation“ als fortschreitende Entwicklungsstadien der Kulturen; Werk:
Ancient Society (1877)

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• Vertrat öffentlich die Interessen der Irokesen u. wurde später in ihre
Gesellschaft aufgenommen à eigenständige Feldforschung bei den Irokesen à
Ethnographie: The League of the Ho-de-no-sau-nee or Iroquois(1851)
• Studie zu Verwandtschaft: Systems of Consanguinity and Affinity of the
Human Family (1871) basierend auf Datenerhebung mittels Fragebogens
• Seine Darstellung der Evolution indigener Gesellschaften beeinflusst Marx u.
Engels

Sir Edward Burnett Tylor (UK)


• Gründungsfigur der britischen Sozialanthropologie
• 1884 erste Vorlesungen zur Anthropologie in Oxford
• 1895: 1. Lehrstuhl für Anthropologie in GB an der Universität von Oxford
• Vertreter des Evolutionismus
• Hauptwerke:
• Researches into the Early History of Mankind and the Development of
Civilization (1865)
• Primitive Culture (1871)

Axiom/Grundannahme:
Die Menschheit durchläuft verschiedene Entwicklungsstufen vom „Einfachen“
zum „Komplexen“.
Diese Entwicklungsstufen seien bei allen Gesellschaften dieselben. (= unilinearer
Evolutionismus)
Die industrialisierte westliche Kultur wurde auf die höchste Stufe gesetzt. Andere
Gruppen müssten, dem Gedanken der klassischen Evolutionisten nach, diese
Stufe der „Zivilisation“ erst noch erreichen.

Methode:
Die Methode beruht auf der Klassifikation ähnlicher ethnographischer Merkmale.
Einzelne kulturelle und soziale Phänomene (Variablen) werden isoliert (außerhalb
des Gesamtkontextes) und aufgrund ihrer Ähnlichkeiten klassifiziert. (Kritik)
Das Klassifikationsschema wird als Stufenmodell konzeptioniert:
Einteilung in Phasen der Menschheitsentwicklung(z.B. Morgan)
• Wildheit
• Barbarei
• Zivilisation

Diffusionismus
• Als Gegenprogramm zum Evolutionismus
• Diffusion, d.h. Ausbreitung von Kulturelementen
• Insbesondere in der deutschen Völkerkunde wichtig
• Ratzels Konzept der Ideenarmut
• Kulturkreise (Frobenius) = Diffusionskreise
• Kulturhistorische Methode zur Feststellung von Kulturbeziehungen
(spekulativ)
• Wiener Schule: P.W. Schmidt ( 3 M’s = Monotheismus, Monogamie, Monogese)

Axiom/Grundannahme:
• Alle Menschen haben gleiches intellektuelles Potential
• Primitive Gesellschaften keine Degeneration der Biblischen Schöpfung
• Im Gegensatz zu anderen Evolutionisten wie Morgan und Spencer mehr an
Religion (Animismus), als Eigentum, Besitz, Produktionsverhältnissen (Morgan-
Marx) interessiert.

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Franz Boas und der historische Partikularismus
• Geb. Minden, Westfalen Deutschland
• naturwissenschaftliche Ausbildung in Deutschland (Mathematik, Geographie,
Physik)
• Gründungsfigur der Cultural anthropology in den USA, Vertreter der four-field-
anthropology

• entwickelt den historischen Partikularismus im 19. Jhd. als Gegenprogramm


zum Evolutionismus und dessen vergleichender Methode
• fordert induktives Vorgehen in der Kulturanthropologie (Sammeln von
Rohdaten vor der Entwicklung von Theorien)
• Kulturrelativist = gegen allgemeine Theorien der Evolutionisten; Kulturen sind
eigenständig und unterschiedlich; er ist für die Beschränkung auf eine
bestimmte Kultur

Er kritisiert die Annahme der Existenz von allgemeinen „Gesetzen“ der


Entwicklung menschlicher Kulturen. - Damit geht ein Wechsel der Methode
einher:
• früher waren „identities and similarities of cultures“ ein Beweiß historischer
Beziehungen oder gleichen Ursprungs (Ideenarmut – Diffusion) = gleiche
Dinge haben Beziehungen
• Jetzt sind sie
oein Ergebnis des gleichförmigen Wirkens des menschlichen Geistes
(Bastian-Elementargedanke)
okein Kriterium für gleiche evolutionäre Entwicklungen oder Kulturkontakt
(Diffussionismus)
onicht unbedingt Verbreitung der Kultur sondern gleiche Gedanken der
Menschen (Anlage des Menschen)

Der von Boas etablierte historische Partikularismus:


• Ist partikularistisch & relativistisch, nicht universalistisch
• das Vorgehen ist induktiv (vom Besonderen zum Allgemeinen), nicht deduktiv
(vom Allgemeinen zum Besonderen)
• und diachron, nicht synchron

Boas meint: Das größte Problem ist, dass die gleichen Phänomene auf die
gleichen Ursachen zurückgeführt werden. Phänomene können sich jedoch auf
verschiedene Wege entwickeln. Daher sind die Phänomene nicht auf die gleiche
Ebene zu setzen. Man muss zuerst die Wege der Entwicklung kennen bevor man
vergleichen kann.
- Vergleichbarkeit der Phänomene muss bewiesen werden
Wenn jedoch historische Verbindungen bewiesen werden, können die Daten nicht
als unterschiedliche Evidenz verwendet werden.
- Vergleichbarkeit wird erschwert bis unmöglich
Kulturen sind eigenständige Einheiten, die aus sich selbst heraus verstanden
werden müssen.

Malinowski, Funktionalismus, Feldforschung


• In Krakau geboren
• Studierte Mathematik, Physik und Philosophie; dann in Leipzig Psychologie
bei W. Wundt
• London Anthropologie bei E. Westermarck und C.G. Seligmann
• Argonauten des westlichen Pazifiks (1922)
• Trobriand Inseln (PNG) - Kula

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• Grundlage der modernen Feldforschung

• zählt gemeinsam mit A. R. Radcliffe-Brown zu den Begründern der britischen


Sozialanthropologie.
• gilt als der Initiator der modernen ethnographischen Datenerhebung und des
Funktionalismus als theoretische Strömung innerhalb der Sozialanthropologie.

Die Grundzüge des (strukturalen) Funktionalismus sind:


• richtete sich gegen die spekulativen Rekonstruktionen der Evolutionisten und
die vergleichende Methode der armchair-anthropologists
• Im Gegensatz zu Franz Boas ist der Funktionalismus ahistorisch (synchron)
eingestellt, da die historische Perspektive nur bei Vorhandensein exakter
schriftlicher Belege angestrebt werden kann
• Organismusanalogie: die Gesellschaft wird mit einem biologischen
Organismus verglichen, in dem die einzelnen Organe zusammenwirken
müssen (Funktion), um den Erhalt des gesamten Körpers (Struktur)
sicherzustellen
• Gesellschaften bzw. ihre Teile streben nach Ordnung (Equilibrium) und
verlaufen nach bestimmten Mustern; der harmonische Zustand ist relativ
stabil, Konflikte tendieren zu einem neuerlichen Equilibriumszustand
• Konflikte sollen rasch überwunden werden und führen zu neun Ordnungen –
Harmoniemodell, Gleichgewichtsmodell
• Ziel ist das Herausfinden von Gesetz- bzw. Regelmäßigkeiten des sozialen
Lebens im naturwissenschaftlichen Sinne (das Verstehen)

Methode
Induktives Vorgehen = Sammeln von möglichst viel Material zu Beginn jeder
Forschung
Forschungsgebiet = ehemalige britische Kolonien
Richtlinien für ethnographische Erhebungen:
• Feldaufenthalt über einen längeren Zeitraum
• Planmäßiger Abbruch aller Kontakte zur eigenen Kultur
• Erlernen der „Eingeborenensprache“
• Teilnehmende Beobachtung als Kern der Forschung (Einleben und Verstehen
der fremden Kultur)
• Ziel ist die vollständige Integration des Forschers (Wichtig: Anwesenheit und
Teilnahme)
• Person des Forschers wird zum Messinstrument im Feld

Trennung von Beobachtungen des Forschers und Interpretationen der


Eingeborenen
Trennung von den erhobenen Daten und Analyse dieser Daten

Probleme des Feldeinstieges


• Schwierigkeit Beziehung mit dem Feld aufzubauen
• Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung
• Keine Hilfe vor Ort von Weißen
• Mangelnde Kenntnis der lokalen Sprache
• die daraus resultierende Unmöglichkeit zu lokalen Interpretationen aus der
Sicht der Eingeborenen zu kommen.
• Beobachtungen bleiben totes Material – lokale Einflüsse fehlen

Das Geheimnis der Feldforschung


Er fasst die methodischen Prinzipien in drei Bereichen zusammen:
• den wissenschaftlichen Zielen und Kriterien,
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• den Arbeitsbedingungen vor Ort und
• den Methoden des Sammelns, Aufbereitens und Sicherns der Daten.

passive & aktive Methoden


Feldforschung beschränkt sich nicht nur auf passive Beobachtung im Sinne eines
"deep hanging round", sondern auch teilnehmende Beobachtung (aktiv). Es
kommen vielmehr, im Sinne einer Methodentriangulation, unterschiedliche
methodische Verfahren, wie z.B. Interviews und gezielte Befragungen zum
Einsatz. Ethnographie beruht somit auf dem flexiblen Einsatz verschiedener
methodischer Strategien.
Wichtig: was ist vor Ort möglich? – Das Feld entscheidet wie die Forschung
abläuft und nicht der Forscher mit einem Konzept.

Die Suche nach Ordnung und Gesetzmäßigkeiten


Das primäre Ziel der Feldforschung ist, nach Malinowski, allgemeine Gesetz- und
Regelmäßigkeiten des sozialen Zusammenlebens und der kulturellen Phänomene
zu identifizieren. Auch hier kommt eine positivistische Grundorientierung zum
Ausdruck, deren primäres Erkenntnisinteresse auf Erklärungen in Form
allgemeiner Gesetzmäßigkeiten abstellt.

Das Skelett: die Dokumentation objektiver Daten


=statische Dokumentation
Malinowski geht davon aus, dass zuerst das Skelett zu finden ist, also eine
vollständige Übersicht über die Phänomene zu geben ist, und nicht das
Sensationelle und Einzigartige.
Es geht hierbei um eine systematische und umfassende Dokumentation einzelner
Fälle, die dazu dienen, Ordnungsprinzipien, Regeln und Regelmäßigkeiten die
diesen Fällen zugrunde liegen, zu identifizieren. Es geht also um das Sammeln
von konkreten Belegmaterialien aus dem generalisierende Schlüsse gezogen
werden können.

Das Fleisch: Teilnahme und Deskription des sozialen Lebens


=Beschreibung der Imponderabilien des wirklichen Lebens auf Basis
Teilnehmender Beobachtung
Dem „Skelett“ der Stammesorganisation fehlt allerdings "Fleisch und Blut",
welche die Wirklichkeit des menschlichen Lebens veranschaulichen.
Die erkannten Ordnungen und Regeln müssen durch teilnehmende Beobachtung
ergänzt werden, welche veranschaulicht, wie etwas durchgeführt wird aber auch
ermöglicht, immer auftretende Ausnahmen darzustellen.
Dabei handelt es sich um Phänomene, die "in ihrer vollen Wirklichkeit beobachtet
werden müssen". (Malinowski 1979: 42f) Diese nennt Malinowski die
Imponderabilien des wirklichen Lebens und typischen Verhaltens, welche
dokumentiert und aufgezeichnet werden müssen.
Dabei ist es notwendig "daß dies nicht in Form der Registrierung oberflächlicher
Einzelheiten geschieht, wie ungeübte Beobachter dies gewöhnlich anstellen,
sondern in dem Bemühen, in die Geisteshaltung einzudringen, die in ihnen ihren
Ausdruck findet." (Malinowski 1979: 43)

Der Geist: die Sammlung charakteristischer Erzählungen


= Sammlung charakteristischer Erzählungen und typischer Äußerungen als
Dokument der Mentalität der Eingeborenen
Neben dem Skelett und dem Fleisch sollte auch noch der Geist, d.h. "die
Anschauungen, Meinungen und Äußerungen der Eingeborenen" (Malinowski
1979: 46) festgehalten werden.

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Um die Anschauungen, Meinungen und Äußerungen der Untersuchten
überzeugend zu dokumentieren, ist es notwendig, deren Aussagen wortwörtlich
zu zitieren sowie Begriffe aus der Klassifikation der Eingeborenen zu verwenden.
Hier stellen sich wieder die Notwendigkeit der Sprachkenntnisse und Probleme
der Übersetzung. Malinowski bezeichnet dieses linguistische Material auch als
Corpus Inscriptionum, welcher die Grundlage für unterschiedliche
Interpretationen ist.

Projektentwicklung: Von der Idee zum Forschungsobjekt


Zentrale Differenzen
• Diachron (zeitliche Perspektive, zumindest zwei Zeitpunkte, historisch) vs.
Synchron (gleichzeitig, gegenwärtig)
• Kultur (USA) vs. Sozial (UK)
• Naturwissenschaftlich vs. Geisteswissenschaftlich
• nomothetisch (gesetzmäßig) vs. ideographisch (beschreibend)
• erklären vs. verstehen
• Gesetzmäßigkeiten vs. Nachvollzug des Sinns
• deduktiv vs. induktiv
• quantitativ (strukturierte, standardisierte Methoden, mehr in die Breite) vs.
qualitativ (offene, nicht standardisierte Methoden, kleineres Ausmaß, mehr in
die Tiefe)
• universalistisch vs. partikularistisch

Was ist ein Forschungsprojekt


Ein Projekt ist eine zeitlich begrenzte und zielgerichtete Unternehmung, die zur
Bearbeitung neuer Fragestellungen bzw. Probleme eingerichtet wird und mit
bestimmen Ressourcen ausgestattet ist.

Unter Forschung versteht man ein spezifisches, zielgerichtetes, von einer


Forschungsfrage geleitetes Verfahren zur Generierung von neuem Wissen und
Erkenntnissen.

Die inhaltlich-methodischen Voraussetzungen von Forschungen bestehen aus


einer Verbindung von Theorien, Begriffen, Methoden und Daten.
In allen 4 Bereichen müssen während eines Forschungsprojekts Entscheidungen
getroffen werden.
Man kann z.B. von einer Theorie ausgehen (deduktiv) oder Theorien aus
empirischen Daten ableiten (induktiv); man kann sich auf bestimmte Formen von
Daten spezialisieren; man kann unterschiedliche Methoden anwenden oder
kombinieren; Begriffe dienen als Schnittstelle zwischen Daten und Theorien

Vom Interesse zum Forschungsvorhaben/zur wissenschaftlichen


Fragestellung
Zu Beginn steht meistens das Interesse an zu allgemeinen und unspezifischen
Themen und Phänomenbereichen.
Es kann schwierig sein zu konkreten und bearbeitbaren Forschungsfragen zu
kommen. Wie?
• Phänomenbereich spezifizieren (sachlich, räumlich, zeitlich, sozial)
• Literaturrecherche durchführen (Wonach? –Schlagwörter; Wo?-
Bibliothekskataloge, Zeitschriftenkataloge, Zeitschriftendatenbanken,
Metasuchmaschinen, Internetressourcen)

Eine wissenschaftliche Fragestellung muss:


• Konkret

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• Eindeutig
• Beantwortbar (Methode)
• Erlaubt neues Wissen zu generieren

Von der Fragestellung zum Forschungskonzept


Hat man seine Fragestellung formuliert, ist der nächste Schritt die Erstellung von
Forschungskonzepten bzw. Forschungsanträgen.
3 Funktionen:
• Verankerung des eigenen Forschungsvorhabens im Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnis
• Planung und Strukturierung der zukünftigen Forschungsaktivität
• Als Vorlage für andere, die darüber entscheiden, ob die Forschung in dieser
Art und Weise durchgeführt werden soll bzw. ob sie finanziert wird.

Zentrale Inhalte:
• Ziele
• Konkrete Fragestellungen
• Theoretische Einbettung (Verankerung mit dem aktuellen wissenschaftlichen
Forschungsstand)
• Methodische Vorgehensweise (Datenerhebung, Datenanalyse)
• Forschungsablauf ( zeitliche Strukturierung, Zeitaufwand, Ressourcen,
Finanzierung,…)
• Benötigte Ressourcen ( Zeit, Geld, Mitarbeiter, Infrastruktur, Sachmittel,
Institutionelle Anbindung)
• Finanzplan

Kontexte des Forschungsprojektes


Forschungsprojekte können in unterschiedliche Kontexte bzw. Zusammenhänge
eingebettet sein:
• Entdeckungszusammenhang = Anlass für ein Forschungsprojekt
Empirisches Problem
Theoretische Probleme
Soziales Problem
Auftrag
• Begründungszusammenhang = Methodologische Schritte mit deren Hilfe das
Problem untersucht wird
Wahl der Methoden
Auswertungsverfahren
• Verwertungszusammenhang= Effekte der Forschungsaktivität
Interventionsmöglichkeiten, Applied Anthropology
Publikations- und Verbreitungsstrategien
Interessen des Auftraggebers
Auswirkungen

Ethik der Forschung


= Frage nach der Ethik und den legitimen Grenzen des professionellen Handelns
als Sozialforscher
Bis heute gibt es keine einheitlichen und weltweit anerkannten Standards im
Bezug darauf, vielmehr wurden von mehreren Vereinen und
Interessensvertretungen Richtlinien aufgestellt.

Ethik gegenüber den Untersuchten


Vor Schaden bewahren, Persönlichkeit und Privatheit schützen, keinen Nachteilen
und Gefahren aussetzen, Zustimmung einfordern, im Vorhinein informieren
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Ethik im Umgang mit Ergebnissen
Man muss sich genau überlegen was und wie man publiziert. Es ist eine
Herausforderung gleichzeitig die Persönlichkeit und die Privatheit der
InformantInnen zu schützen und der Öffentlichkeit das Recht auf Zugang zu den
Forschungsergebnissen zu gewähren.

Ethik gegenüber der wissenschaftlichen Gemeinschaft


Die Fachkollegen müssen auf meine genaue Arbeit vertrauen können!
Wissenschaftliche Integrität und Objektivität, Einhaltung wissenschaftlicher
Standards, Veröffentlichung ohne Auslassungen, Darstellung der Methoden und
Finanzierungsquellen, richtige Angaben von Quellen, richtiges Zitieren,
Vermeidung von Plagiaten, ordentliches Verhalten im Feld und guter Umgang mit
den Beforschten

Ethik gegenüber der Öffentlichkeit


Wahrung der professionellen Integrität, Berücksichtigung widersprüchlicher
sozialer Interessen (Konsequenzen), möglichst unverzerrte Darstellung der
Ergebnisse

Ethik gegenüber Sponsoren, Geld- und Arbeitsgebern


Verpflichtungen abklären, bereits vor Beginn des Projekts Rollen, Rechte und
Pflichten abklären, Konditionen aushandeln, nicht allen Bedingungen zustimmen,
Vertrage ethisch vertreten können, Interessenskonflikte vermeiden, eigene
Rechte und Möglichkeiten bewahren, nichts verheimlichen

Ethik gegenüber Regierungen


Aufrichtig gegenüber der eigenen und anderen Regierungen sein, sich nicht
ausnutzen lassen um Genehmigungen zu erhalten, Verantwortung tragen,
rechtliche und administrative Regelungen beachten, politische Rolle von
sozialwissenschaftlicher Forschung

Theorienbildung und Forschungsablauf


Wissenschaftstheoretische Grundlagen der emp. Sozialforschung
Grundfrage: Wie ist Erkenntnis möglich?
Philosophische Probleme:
• Was kann man über die Welt wissen?
Ontologie = Annahmen über die Beschaffenheit der Realität und über die
Grundstrukturen des Seins
• Welche Erkenntnisse gelten bei welcher Beweisführung als wahr bzw. als
sicher?
• Was ist Wirklichkeit?
• Was ist Wahrheit?

Frage der Methodik: Wie kann man das Wissen über die Welt in Erfahrung
bringen bzw. erfassen?
Verschiedene Auffassungen als Antworten: Positivismus, Neo-Positivismus,
kritischer Rationalismus, Pragmatismus, Hermeneutik

Was ist eine Theorie?


= Eine Aussage über einen Aspekt der Wirklichkeit, die Begrifflichkeiten
miteinander verbindet
= Eine Menge logisch miteinander Verknüpfter Aussagen, die einen bestimmten
Ausschnitt der Welt erklären

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Aus Theorien können Hypothesen abgeleitet werden

Arten von Theorien


Es gibt Theorien auf unterschiedlichen theoretischen Stufen/ Abstraktionsebenen:

Beobachtung empirischer Regelmäßigkeiten


– bloße Beobachtung, rein deskriptive Feststellung von Erscheinungen, noch
keine theoretische Erklärung über deren Entstehung
z.B.: Hamster im Laufrad, Fische im Aquarium

Ad-hoc Theorien (vs. Alltagstheorien)


Diese erlauben räumlich und zeitlich beschränkte Aussagen über bestimmte
Phänomene, ohne daraus Erkenntnisse allgemeiner Art abzuleiten.
Es gibt unterschiedliche Alltagstheorien, mit denen wir das, was um uns herum
passiert, interpretieren. Diese Alltagstheorien sind oft Gegenstand der
wissenschaftlichen Forschung (auch häufig in der KSA)
z.B.: Bedarfsforschung, Umfragen, Annahmen im Alltag

Theorien mittlerer Reichweite (Begriff von Robert Merton)


Bezieht sich auf einen empirisch eingegrenzten Gegenstandsbereich, einen klar
abgegrenzten Aspekt der sozialen Realität. D.h. diese Theorien gelten nicht für
die Allgemeinheit sondern nur für ausgewählte Bereiche
= Grundlagenforschung empirischer Art; in den Sozialwissenschaften werden
diese Theorien am häufigsten verwendet

Theorien höherer Komplexität


= allgemeine Aussagen
Sie sind jedoch schwer zu überprüfen, weil die Abstraktion sehr hoch ist – daher
kaum in der empirischen Forschung verwendet

Deduktive Theorien = überprüfend


Induktive Theorien (von Daten ausgehend) = degenerierend

Emisch und Etisch


Die Unterscheidung geht auf den linguistischen Anthropologen Kenneth Pike
zurück und wurde vom Kulturmaterialisten Marvin Harris im anthropologischen
Diskus popularisiert.

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Im Kern handelt es sich dabei um die Unterscheidung von Kategorien, die
entweder
o von außen an einen Untersuchungsgegenstand herangetragen werden
(etisch)
o oder von den Untersuchten selbst zur Benennung und dem Verständnis
von Phänomenen herangezogen werden (emisch).

In dieser Unterscheidung kommen auch unterschiedliche


Wissenschaftsauffassungen zum Ausdruck. Eine etische Herangehensweise zielt
auf die Formulierung allgemeiner Gesetzmäßigkeiten auf Basis einer
wissenschaftlichen Terminologie ab, während ein emisches Verständnis versucht
die kulturspezifischen Logiken und Unterscheidungen zu erforschen.

Die Darstellung kultureller Phänomene hat immer auch mit der Übersetzung und
Transformation kultureller Besonderheiten in eine andere, für die Leserschaft
verständliche Terminologie zu tun.
Ziel der KSA sollte die Entwicklung einer Terminologie sein, die zwischen diesen
beiden Positionen vermittelt.

Ethisch: wissenschaftlich, abstrakt


Emisch: Ausdruck des Alltagsverständnisses

Hypothesen
„Je länger Studierende arbeiten müssen um sich das Studium zu finanzieren,
desto länger ist die Studiendauer“ =typische Hypothese
Definition Hypothese:
• ist ein mit Begriffen formulierter Satz
• ist eine Aussage- keine Frage, kein Befehl.
• die Aussage enthält mindestens zwei semantisch relevante Begriffe
• die Begriffe sind durch einen logischen Operator (wenn – dann) verbunden
• die Aussage ist widerspruchsfrei
• die empirischen Geltungsbedingungen sind aufgezählt
• die Begriffe sind auf Wirklichkeitsphänomene hin operationalisierbar
• die Aussage ist falsifizierbar
„je mehr….desto…“; „wenn…dann…“
= Konditionalsätze = oft verallgemeinernd

Forschungsablauf
In der Sozialforschung kann man zwei Formen des Ablaufs von
Forschungsprojekten unterscheiden, die sich in vielfacher Hinsicht voneinander
unterscheiden.

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Der lineare Forschungsablauf
Primär quantitativ und deduktiv
Man geht von existierenden Theorien aus, formuliert vor deren Hintergrund
explizite Hypothesen, welche im Zuge der Forschung getestet werden.
Ziel: das Prüfen und Testen von Theorien

Aufeinanderfolgende Phasen des Projektablaufs:


• Problemdefinition (Ursprung, Phänomenbereich, Schlüsselbegriffe, Ziele)
• Literaturrecherche (bereits existierende Arbeiten, Theorien, Hypothesen
ansehen)
• Hypothesenbildung (Definition zentraler Begriffe, Festlegung der Beziehung
zw. messbaren Variablen)
• Festlegung der Untersuchungseinheit (wer = Personen, Gruppen; was =
Bezirke, Regionen; wie = Methoden, Strategien)
• Wahl des Untersuchungsplanes (Forschungsdesign, Methoden der
Datenerhebung)
• Datenerhebung (Kontakt mit dem Feld)
• Datenanalyse (Auswertung der erhobenen Daten, Bewertung der im Vorfeld
formulierten Hypothesen)
• Schlussfolgerungen (Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse,
Vergleiche mit anderen Untersuchungsergebnissen, allgemeine Aussagen und
Theorien formulieren)
• Verwendung von Ergebnissen (Verbreitung der Forschungsergebnisse)

Der zirkuläre Forschungsablauf


Primär qualitativ und induktiv
Man hat zu Beginn der Forschung nur ein vages Vorverständnis des Feldes bzw.
des Phänomens. Während der Forschung wird dieses systematisch verfeinert und
vertieft, um schließlich allgemeinere Aussagen in Form von Theorien und
Hypothesen zu formulieren.
Ziel: Theorienentwicklung

Datenerhebung und Datenanalyse werden bei der zirkulären Form nicht strikt
getrennt sondern man arbeitet mit einer prozessualen Integration von
Datenerhebung, Analyse und Theoriebildung. (Analyse nicht erst am Ende der
Forschung sondern „permanente Abfolge von Erhebungs- und
Auswertungsphasen“)
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Der im Vorfeld festgelegte Untersuchungsplan dient nur als Rahmen; Was, wer
und wie untersucht wird passt sich den Bedingungen im Feld an. Man arbeitet
mit einer impliziten Methodentriangulation (=Methoden werden immer wieder
neu an die Situation angepasst)
Bsp.: Grounded Theory

Schlussfolgern
Von Daten auf Methoden schließen:
Personen auswählen – Datenerhebung – Analyse
Aber: Im Prozess der Datenerhebung analysieren! [dieser Fehler wird oft
gemacht]
Ansonsten hat man sehr viele Daten und weiß nicht, wo man beginnen soll!
• Was weiß ich schon?
• Was will ich noch?
• Muss ich Strategien ändern?
• Muss ich mit anderen Personen (-gruppen) arbeiten?

Zirkulärer Prozess: Daten analysieren; Methoden/ Vorgehen ändern, wenn dies


dem Sinn der Sache dient; Entwicklung von Hypothesen, Theorien,…vorantreiben

Linearer Prozess: mit deduktiven Verfahren im Zusammenhang


Drei Formen des Schlussfolgerns:
Induktion(vom lat. inductio = hineinführen)
Ist eine Art des Schlussfolgerns, die vom Besonderen auf das Allgemeine schließt.
Es werden aus Einzelfällen allgemeine Theorien abgeleitet.
Induktiv: Daten erschließen, Begriffe erklären, Theorien entwickeln

Deduktion(vom lat. deducere = herabführen)


Ist eine Art der Schlussfolgerung, die vom Allgemeinen auf das Besondere
schließt.
Es werden aus allgemeinen Theorien Einzelfälle abgeleitet.

Abduktion(lat. abductio = Wegführung; engl. abduction)


Ist eine von Charles S. Peirce formulierte Schlussweise: „wegführen“, „neu
hinbekommen“
Man sucht aufgrund von überraschenden Fakten nach einer sinnhaften Regel,
welche das Überraschende an den Fakten beseitigt und klar macht, was Fall ist.
Die neue Regel lässt sich nicht logisch aus dem überraschenden Ereignis
ableiten. Ihre Gültigkeit entsteht daher erst durch die empirische Überprüfung!

Es handelt sich dabei also um ein hypothesen- bzw. regelgenerierendes


Verfahren, welches im Gegensatz zur Deduktion nicht von existierenden Theorien
ausgeht, sondern bislang noch nicht bekannte Regeln bzw. Hypothesen
formuliert, die gleichzeitig ein Fallverständnis ermöglichen.
Die Abduktion schließt somit von einer bekannten Größe (überraschende Fakten)
auf zwei unbekannte Größen, nämlich auf die Regel und den Fall.

Man hat einen Fall – wie sind die Regeln?


Man versteht etwas noch nicht – wie kann ich diesen Prozess generieren?
„abduktiver Blitz“ = Eingebung (nicht unbedingt durch logische Schlussfolgerung)
Muster erkennen, aber Problem ist noch nicht gelöst.
Dann: Eingabe empirisch überprüfen – allgemeine Regeln aufstellen
Dieser Prozess ist für viele das kreative in der Wissenschaft bzw. Forschung

2 Logiken der Überprüfung in der empirischen Sozialforschung


15
Falsifizieren: (= für falsch erklären)
Sir Karl Poppers „Die Logik der Forschung“: wandte sich gegen den Zwang, eine
Aussage zu verifizieren, weil man nicht alle Fälle kennt
Hypothesen sollte man so formulieren, dass sie falsifizierbar sind = Fortschritt in
der Wissenschaft
Hypothesen sind so lange wahr und gültig, bis sie falsifiziert werden
Pragmatismus: Wahrheit ist, was Akteure als wahr sehen

Stichprobe (Sample):
Unter einem Sample versteht man die Auswahl der zu untersuchenden Fälle aus
einer Grundgesamtheit.

Beispiel: Wenn die Studierenden der Universität Wien untersucht werden sollen,
so sind diese die Grundgesamtheit. Eine Untersuchung wird im Normalfall keine
Totalerhebung dieser Grundgesamtheit durchführen, sondern eine Auswahl der
zu untersuchenden Studierenden treffen.

Quantitative Forschung:
In der quantitativen Sozialforschung ist die Repräsentativität der Stichprobe ein
zentrales Qualitätskriterium. Eine Stichprobe ist dann repräsentativ, wenn sie ein
verkleinertes unverzerrtes Abbild der Grundgesamtheit darstellt. Dies ist die
Voraussetzung um von einer untersuchten Stichprobe mit einer gewissen
Irrtumswahrscheinlichkeit auf die Gesamtpopulation (Grundgesamtheit) schließen
zu können.

Bei der quantitativen Sozialforschung gibt es verschiedene Verfahren um


repräsentative Stichproben zu erhalten:
• Zufallsauswahl (random sampling)
• Geschichtete Zufallsauswahl
• Klumpenauswahl
• Mehrstufige Stichproben
• Quotenverfahren
• Systematische Auswahl

Wie komme ich zu einer vernünftigen Stichprobe?


Normalfall: ca. 400-800 Personen = Stichprobe für Österreich
Sind diese Personen repräsentativ für Österreich?
Ja, wenn sie ein verkleinertes, unverzerrtes Abbild einer Gesamtheit darstellen

Qualitative Forschung:
Kleine Fallzahl, keine repräsentativen Ergebnisse
Konzept der theoretischen Auswahl: Auswahl, die einen in der eigenen Frage am
besten weiterbringt – gibt Linie für weiteres Handeln vor

Bei der qualitativen Sozialforschung werden in der Regel keine repräsentativen


Stichproben verwendet. Man beschäftigt sich mit der verstehenden Analyse von
wenigen Fällen und die Auswahl erfolgt nach theoretischen Überlegungen
(theoretical sampling)

Qualitätskriterien in der empirischen Sozialforschung


In der Sozialforschung gibt es Beurteilungskriterien, die Regeln und Kriterien
formulieren, um ein Maß für die Qualität sowohl einzelner Instrumente, als auch
ganzer Erhebungen bereitzustellen.

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Quantitative Qualitätskriterien:
Objektivität
Die Objektivität besteht, wenn die Ergebnisse unabhängig von der Person sind,
die das Messinstrument anwendet (wenn zwei Anwender, mit demselben
Instrument zum selben Ergebnis gelangen)

Validität (Gültigkeit)
Die Gültigkeit bedeutet, dass das gemessen wird was man zu messen
beabsichtigt.
Die Frage ist also ob die gewählten Indikatoren, die herangezogen um ein
Konzept zu operationalisieren dieses wirklich valide messen.
Es gibt unterschiedliche Formen der Validität: empirische Validität,
Inhaltsvalidität, Kriteriumsvalidität, Konstruktvalidität

Reliabilität (Zuverlässigkeit)
Die Zuverlässigkeit bedeutet, dass eine Wiederholungsuntersuchung, bei
unveränderten Bedingungen, zu den gleichen Ergebnissen kommt. D.h. die
Reliabilität ist ein Maß für die Reproduzierbarkeit von Messergebnissen.
Die Zuverlässigkeit einer Messung ist jedoch kein Beweis für ihre Gültigkeit oder
Objektivität.

Repräsentativität
Bei der Repräsentativität geht es um die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse

Qualitative Qualitätskriterien
Bei der qualitativen Forschung ist man sich nicht einig welche Kriterien zentral
sind. Hier einige, oft thematisierte:

Transparenz und Nachvollziehbarkeit


Dies meint den Forschungsprozess explizit zu machen, die einzelnen Schritte und
zentralen Entscheidungen zu verdeutlichen.

Prozesshaftigkeit und Offenheit


Ein zentrales Kriterium qualitativer Forschungsprozesse ist der nicht im Vorfeld
festgelegte Forschungsablauf, sondern die offene Prozesshaftigkeit der
Forschung in Auseinandersetzung mit dem untersuchten Feld. Offenheit bezieht
sich allerdings nicht nur auf den Forschungsprozess, sondern auch auf die
Ergebnisoffenheit Theorie und Hypothesen entwickelnder Forschung.

Flexibilität
Aus diesen beiden Kriterien ergibt sich die Notwendigkeit der Flexibilität im
Rahmen qualitativer Sozialforschung im Sinne einer permanenten Anpassung an
neue bzw. veränderte Bedingungen und Erkenntnisse.

Kommunikation als Basis


Im Rahmen qualitativer, insbesondere ethnographischer Forschung werden das
Ausmaß und die Intensität der kommunikativen Beziehung zum untersuchten
Feld zu einem zentralen Qualitätskriterium. Diese kommunikative Beziehung
kann im Sinne einer kommunikativen Validierung auch zu einer Überprüfung der
Ergebnisse durch die Untersuchten vor Ort führen.

Authentizität
wurde mit den Äußerungen der Untersuchten und deren Wertstrukturen
sorgfältig umgegangen, wurden die multiplen Konstruktionen der Untersuchten
angemessen erhoben, und diese kommunikativ validiert.
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Triangulation
Der Einsatz verschiedener Methoden, Theorien und Daten wurde lange Zeit als
ein Kriterium zur Erhöhung der Gültigkeit (Validität) betrachtet. Dabei ging man
davon aus, dass Daten die mittels verschiedner Methoden (z.B. quantitativer
Fragebogen, teilnehmende Beobachtung) erhoben wurden und auf die gleichen
Phänomene und Besonderheiten verweisen, besonders gültig seien. Eine andere
Auffassung, die insbesondere auch für die ethnographische Feldforschung
relevant ist, geht im Gegensatz dazu davon aus, dass Triangulation zu einer
breiteren Dokumentation und zu einem umfassenderen Verständnis des
Untersuchungsgegenstandes führt.

Plausibilität
Plausibilität wird in der qualitativen Sozialforschung im Sinne einer
intersubjektiven Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses und der daraus
folgenden Bewertung der Ergebnisse verstanden. Dies steht im Gegensatz zu
einer Überprüfbarkeit und Replizierbarkeit quantitativer Untersuchungen und
trägt dem Umstand Rechnung, dass eine identische Wiederholung einer
Untersuchung wegen der begrenzten Standardisierbarkeit qualitativer
Forschungsvorhaben nicht möglich ist.

Gegenstandsangemessenheit
Das Kriterium der Gegenstandsangemessenheit bezieht sich nicht nur auf die
Datenerhebung und die Methodenauswahl, sondern auf den gesamten
Forschungsprozess und besagt, dass Forschungsprozesse insbesondere dann
qualitätsvoll sind, wenn sie sich auf eine angemessene und verständnisorientierte
Art und Weise dem Feld annähern.

Limitation
Unter Limitation versteht man die Notwendigkeit die Grenzen der Aussagen
anzugeben, die in Forschungsberichte Eingang finden. Es geht also darum, den
Geltungsbereich und das Ausmaß der Verallgemeinerbarkeit von Aussagen,
Hypothesen und Theorien explizit zu machen.

Daten und Methoden der Datenerhebung


Methode, Methodik, Methodologie
Diese drei Begriffe sind im deutschen sehr eng miteinander verbunden!
Begriff der Methoden auf zwei Ebenen:
• Methoden der Datenerhebung (Befragung, Beobachtung, etc.)
• Methoden der Datenanalyse (Analyseformen)

Methodik = die Gesamtheit der Techniken der wissenschaftlichen


Vorgehensweisen

Methodologie = die Lehre von den wissenschaftlichen Methoden


Dazu gehören Aussagen und Kriterien,
• welche Methode für eine bestimmte Anwendung geeignet ist
• warum eine bestimmte Methode angewandt werden muss
• wieso eine bestimmte Methode angewendet wird und keine andere.

Der Begriff Methodologie wird oft auch unpräzise für „Methodik“ gebraucht (Die
vorliegende Studie bedient sich folgender Methodologie…)
In anderen Sprachen gibt es die Unterscheidung zwischen Methodik und
Methodologie nicht (z.B.: mehtodology im Englischen steht für beide Begriffe)

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Hermeneutik
= Die Kunst des Verstehens und Deutens von Texten, Verhaltensweisen und
Kulturmustern
Es existiert keine objektive Realität, sondern nur verschiedene Interpretationen
bzw. Auslegungen von Phänomen, Texten und Handlungen.

Daten
Was sind Daten?
• Daten sind im Allgemeinen "aus Messungen, Beobachtungen und Ähnlichem
gewonnene Angaben und Informationen."
• Daten sind kein "Ding an sich", sondern entstehen erst als dokumentierte (z.B.
verschriftlichte) Beobachtungsleistung.
Wissenschaftliche Daten beruhen auf systematischer Datendokumentation!

Qualitative und quantitative Daten


Qualitativ = nicht standardisiert
Hierbei werden mittels bestimmter Verfahren (Beobachtung, Befragung,
Feldforschung, Experimente) Wahrnehmungen, Aussagen und Erfahrungen zu
Daten transformiert.
z.B. in Form von Transkripten oder Feldnotizen

Quantitativ = standardisiert, numerisch


•Nach menschlichen Sinnen: Visuell, akustisch
•Nach der Art der Datendokumentation: Deskriptiv, auditiv, visuell,
audiovisuell

Primär-/Sekundärdaten
Primärdaten = selbsterhobene Daten
Sekundärdaten = bereits vorliegende oder von anderen erhoben Daten die einer
(Sekundär-) Analyse unterzogen werden. Dazu gehören z.B.:
•Dokumente
•Akten
•Artefakte
•Tagebücher
•historische Quellen
•Teilbereiche unterschiedlicher Medien, wie Zeitungen, Fernsehen, Filme,
Internet
•aber auch vorliegende Daten aus anderen wissenschaftlichen
Untersuchungen, die einer Re-Analyse unterzogen werden können.

Methoden der Datenerhebung


Welche gibt es? Was kann man tun um zu Daten zu kommen?
Bei der KSA ist die ethnographische Feldforschung das methodische Kernstück
der Datenerhebung. Hierbei handelt es sich um eine Methodentriangulation von
unterschiedlichen Erhebungsstrategien.
(teilnehmende Beobachtung, Befragungen, Analyse und Dokumentation)

Spezifische und gezielte Anwendung und Weiterentwicklungen von


Alltagsstrategien:
Befragen, Beobachten, Teilnehmen, Fotografieren, Filmen, Zeichnen,
(Be-)Schreiben, Experimentieren, Testen, Sammeln von Objekten/Artefakten,
Lesen,…

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Methoden der in-Beziehung-Setzung zum Feld
• Dauer
• Intensität
• im natürlichen Feld/schaffen eines künstlichen Kontextes

Dauer/Intensität Natürlich/Künstlich Forscher/Beforschter

Non-Reaktive Verfahren
Verfahren bei denen Forscher und Betroffene nicht Kontakt treten.
Der Forscher beeinflusst nicht das Verhalten anderer und bezieht sich nur auf:
Physische Spuren, Schilder, Wegweiser, Archive, Verzeichnisse, Statistiken,
Einzeldokumente, reine Beobachtung, Lesen,…

Die Befragung
Was ist eine Befragung?
Grundlage einer Befragung ist mittels sprachlicher Interventionen (mündlich bzw.
schriftlich) Reaktionen bei den Interviewten auszulösen, mit dem Ziel, bestimmte
inhaltlich thematische Angaben und Informationen zu gewinnen.

Formen der Befragung


Zentrale Dimensionen, die den verschiedenen Befragungsarten zu Grunde liegen
sind:
• Art und Ausmaß der Standardisierung
• Stil der Kommunikation
• Einzel- vs. Gruppeninterview/-diskussion
• Form und Medium der Befragung
• Zielsetzung des Interviews

Art und Ausmaß der Standardisierung/Strukturierung


• informelle Gespräche (ungeplant)
• Nichtstrukturierte Interviews (geplant)
• Teilstrukturierte Interviews (geplant)
• Vollstrukturierte Interviews (geplant)

Je weniger eine Befragung vorstrukturiert ist, desto mehr


Strukturierungsmöglichkeiten bleiben dem Interviewten während der Befragung.
Bezeichnungen für informelle Gespräche: informelles Interview, rezeptives
Interview, ero-episches Interview
Bei nichtstrukturierten Interviews (z.B. narratives Interview) wird nur das Thema
festgelegt und ein Einstiegsstatement formuliert.
Bei teilstrukturierten Interviews verwendet man einen Interviewleitfaden, der die
Fragen aber nicht die Antwortmöglichkeiten vorgibt.

Stil der Kommunikation (= Interviewverhalten)


• Weiche Interviews (versucht ein Vertrauensverhältnis zum/zur Befragten
herzustellen)
• Harte Interviews
• Neutrale Interviews (betont den unpersönlich-sachlichen Charakter der
Befragung und die soziale Distanz der Befragungspartner)

Einzel- oder Guppeninterview


Man kann Einzelpersonen oder Gruppen befragen.

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Bei Einzelinterviews soll man darauf achten, dass diese außerhalb des üblichen
sozialen Umfelds statt finden (z.B.: um die persönliche Meinung oder Hierarchien
in Gruppen zu erkunden)
Bei Gruppenbefragungen werden immer auch die soziale Dynamik und die
sozialen Beziehungen innerhalb der Gruppe sichtbar.
In der KSA wird meistens versucht Gruppeninterviews im natürlich
vorkommenden sozialer Gebilde zu führen.

Form und Medium der Befragung


• schriftlich(asynchron = Brief, Email, Foren oder synchron = Chat)
• mündlich(face-to-face Interaktionen, Telefoninterviews ,…)

Frageform
• Geschlossene Fragen (eher quantitative Sozialforschung)
Antwortmöglichkeiten sind vorgegeben
• Offene Fragen (eher qualitative Sozialforschung)
Keine Antwortmöglichkeiten sind vorgegeben, größerer Spielraum für eigene
Formulierungen
• Halboffene Fragen

Zielsetzung
Quantitativ: Feststellung der Häufigkeit
Qualitativ: Erschließung von Lebenswelten, Sichtweisen und emischen Kategorien
• Einstellungs- und Meinungsfragen
erwünscht/unerwünscht, lehne ab/stimme zu, gut/schlecht, sollte/sollte
nicht, richtig/falsch, wahr/falsch
• Verhaltensfragen
nie/selten/gelegentlich/oft/immer, nicht/wenig/mittelmäßig/ziemlich/sehr
• Wissensfragen
• Fragen nach Eigenschaften
Die „10 Gebote“ der Frageformulierung bei der Fragebogenkonstruktion
1. Du sollst einfache, unzweideutige Begriffe verwenden, die von allen Befragten
in gleicher Weise verstanden werden!
2. Du sollst lange und komplexe Fragen vermeiden!
3. Du sollst hypothetische Fragen vermeiden!
4. Du sollst doppelte Stimuli und Verneinungen vermeiden!
5. Du sollst Unterstellungen und suggestive Fragen vermeiden!
6. Du sollst Fragen vermeiden, die auf Informationen abzielen, über die viele
Befragte mutmaßlich nicht verfügen!
7. Du sollst Fragen mit eindeutigem zeitlichen Bezug verwenden!
8. Du sollst Antwortkategorien verwenden, die erschöpfend und disjunkt
(überschneidungsfrei) sind!
9. Du sollst sicherstellen, daß der Kontext einer Frage sich nicht auf deren
Beantwortung auswirkt!
10. Du sollst unklare Begriffe definieren!

Zweck der Fragen


Trichterfragen
Von allgemeinem Inhalt zu besonderen Fragestellungen
Tunnelfragen
Von ganz konkretem Inhalt zu allgemeineren Aspekten
Filterfragen
Fragebatterien
Sollen gemeinsame Zieldimension messen, wenn einzelne Frage nicht
ausreichend ist.
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Paarvergleichsfragen
Ein Vergleichstest, bei dem den Probanden die zu bewertenden Aspekte
paarweise vorgelegt werden, verbunden mit der Aufforderung, sich jeweils entlag
bestimmter Dimensionen (z.B. Schönheit) für eine der beiden Alternativen zu
entscheiden.
Kontrollfragen
Zur Überprüfung und Absicherung bereits vorher im. Fragebogen gewonnener
Informationen.

Das narrative Interview


Bei dieser Interviewform wird vom Befragten eine Erzählung erwartet. Der
Interviewstil ist weich bis neutral und im Idealfall gibt es kein festgelegtes
Konzept.
Der Interviewablauf:
• Erklärungs. Und Einleitungsphase:
Exemplarischer Erzählimpuls: "Mein Interesse liegt an Ihrem ganzen Leben, so
von Anfang an, und zwar in Bezug auf ... (das zu erforschende Phänomen).
Das Interview selbst hat zwei Teile. Im ersten Teil sind erst nur Sie dran. Da
können Sie erzählen, frei weg, so wirklich von Anfang an, wie alles passiert ist,
wie alles gekommen ist. Und dann im zweiten Teil stelle ich Ihnen noch ein
paar Nachfragen, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Ich würde gerne -
wenn es Ihnen recht ist - ein paar Notizen machen, wenn Sie erzählen, damit
ich später noch weiß, was ich nachfragen wollte."

• Erzählphase:
o Interviewer verhält sich anregend und zugleich zurückhaltend, offene
Gesprächsführung
o die erzählende Person nicht unterbrechen
o durch Erzählungen werden Orientierungsmuster des Handelns deutlich
o erzählende Person signalisiert Ende ("So, das war's, mehr weiß ich
nicht."),

• Nachfragephase:
o der Interviewer beginnt mit seinen Nachfragen, nachdem er die
Erzählbereitschaft des Informanten honoriert hat
o Nachfragen um sich der Orientierungsmuster und der Interpretationen
versichern
o Interviewstil weich bis neutral, im Wesentlichen überlässt man den
Detailierungsgrad der Erzählung den Interviewten

• Bilanzierungsphase:
o Annahme: durch Erzählungen kommt es zu einer realitätsgerechteren,
plausibleren Rekonstruktion des früheren Handelns

Das problemzentrierte Interview


• ist Teil einer Methodenkombination (induktiv und deduktiv)
• vermittelt zwischen quantitativem und qualitativem Interview
• beginnt meist mit einem Kurzfragebogen über die sozialen Eckdaten oder
einer einleitenden Eingrenzung des Problembereichs,
• dann folgt eine vorformulierte Einstiegsfrage bzw. ein Erzählbeispiel, auf die
der Interviewte antworten und seine Sicht erläutern kann

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Im Leitfaden sind zu erfragende Forschungsthemen und Rahmen enthalten, um
die Interview später vergleichen zu können, der Interviewer reagiert auf
Erzählsequenzen und stellt weiter Fragen, um einen roten Faden zu erhalten
• Postskript: Angaben über Inhalt der Gespräche
• Man geht mit theoretischem Konzept ins Feld
• Dominanz der Konzeptgenerierung durch Befragten bleibt erhalten
• Theoretischen Konzepte werden laufend durch das Interview modifiziert
• Theoretisches Konzept wird nicht mitgeteilt

Das ethnographische Interview


Das ethnographische Interview ist an die Feldforschungssituation angepasst und
gibt methodische Anweisungen wie freundliche Unterhaltungen und sich
ergebende Gespräche im Feld zu systematischen Interviews gestaltet werden
können.

Ausgehend von einer informellen Gesprächssituation versucht man sowohl einen


expliziten Zweck des Gespräches einzuführen, wie die GesprächspartnerInnen
über das Ziel des Projektes zu informieren.
Im Gegensatz zu einer freundlichen Unterhaltung oder einem rezeptiven
Interview übernimmt im ethnographischen Interview allerdings der/die ForscherIn
die Strukturierung des Gesprächs und stellt fast alle Fragen.

Ein Ziel des ethnographischen Interviews ist, das sich im Zuge eines Gesprächs
oft einstellende Gefühl eines (scheinbaren) gegenseitigen Verständnisses, durch
den Einsatz von Wiederholungen und verschiedenen Fragearten zu unterlaufen.
Durch den bewussten Einsatz von Wiederholungen (von Fragen und Aussagen
des/der InformantIn), statt deren im normalen Gespräch üblichen Vermeidung.
Ziel dieser Wiederholungen ist es, weitere Ausführungen und Explikationen
anzuregen. Anstatt sich kurz zu halten, regt der/die EthnographIn die
InformantInnen dazu an, möglichst ausführlich und detailreich zu erzählen.
Die Interpretation des Gesagten wird somit nicht zu einem anderen Zeitpunkt
und wie manche Interpretationsstrategien vorschlagen, von anderen Personen
vorgenommen. Vielmehr wird diese in Auseinandersetzung mit den
InformantInnen im Zuge des ethnographischen Interviews von diesen selbst
vorgenommen.

Spradley unterscheidet drei zentrale Arten von Fragen:


• deskriptive Fragen
• strukturelle Fragen und
• Kontrastfragen

Bei den deskriptiven Fragen ist es notwendig zumindest einen Bereich zu kennen,
in dem der/die InformantIn routinemäßige Handlungen ausführt und sich diese
beschreiben zu lassen.

Ziel von strukturellen Fragen ist es herauszufinden, wie der/die InformantIn


sein/ihr Wissen in bestimmten kulturellen Bereichen (domains) organisiert.
z.B: Sie haben erwähnt Taube nutzen verschiedene Arten zu kommunizieren,
welche gibt es da? Gibt es noch andere?

Bei den Kontrastfragen geht es darum herauszufinden, was der Informant mit
den verschiedenen Begrifflichkeiten meint, die er in seiner Sprache verwendet
und wie sich diese von einander unterscheiden.

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Grundlage: die Bedeutung eines Symbols kann eruiert werden wenn man
herausfindet wie es sich von anderen unterscheidet.

Spradley schlägt folgende Schritte für eine taxonomische Analyse von


Alltagsbereichen vor:
• Auswahl eines Bereiches für die taxonomische Analyse
• Identifizierung eines angemessen Rahmens für die Analyse alternativer
Subkategorien auf Basis der zentralen semantischen Beziehung zwischen
übergeordneten und einem untergeordneten Begriff
• Suche nach möglichen Subkategorien der untergeordneten Begrifflichkeiten
• Die Suche nach möglichen größeren, inklusiveren Bereichen, die den Bereich
den man analysiert inkludieren
• Konstruktion einer vorläufigen Taxonomie
• Die Formulierung struktureller Fragen, um die taxonomischen Beziehungen zu
verifizieren und neue Begrifflichkeiten zu eruieren
• durchführen zusätzlicher struktureller Interviews
• Konstruktion der vollständigen Taxonomie

Die Beobachtung
Die Beobachtung ist ein Akt der Kenntnisnahme eines Phänomens und des
Sicherns von Eindrücken und Kenntnissen für wissenschaftliche oder andere
Zwecke.
Diese Kenntnisnahme kann auf Basis aller menschlichen Sinne (sehen, hören,
riechen, tasten, schmecken) erfolgen, aber auch mittels technischer Hilfsmittel
wie Photographie, Audio- und Videoaufzeichnungen.
Bei der Feldforschung liegt der Schwerpunkt auf der teilnehmenden, direkten und
offenen Beobachtung! Die Methoden sind abhängig von Ziel, Thema, Feld,…

Unterschiedliche Formen der Beobachtung:


Standardisierte Beobachtung
Hierbei werden im Vorfeld die relevanten Indikatoren und Kriterien festgelegt und
in Form von Beobachtungsbögen verschriftlicht.

Nicht-standardisierte Beobachtung
Kommt häufig innerhalb der ethnographischen Methoden zum Einsatz.
Es gibt keine vorgefertigten Kategorien oder Indikatoren. Es handelt sich um
lockere Notizen, die zur deskriptiven Dokumentation im Feld dienen.

Offene Beobachtung
Den Beobachteten ist bewusst, dass sie beobachtet werden und wer der
Beobachter ist; Sie werden aktiv in den Forschungsprozess einbezogen.

Verdeckte Beobachtung
Die Beobachteten sind nicht über die Forschungstätigkeit aufgeklärt; die
Forschung erfolgt verdeckt. Hier stößt man auf das Problem der Ethik in der
Forschung, da man auf private und öffentliche Grenzen achten muss.

Teilnehmende Beobachtung
Hierbei nimmt der Forscher völlig am Geschehen im Feld teil; d.h. intensiver
direkter Kontakt, emotionale Beziehungen und persönliche Auseinandersetzung
mit Personen im Feld.
Folge: oft Reflexion vernachlässigt, nur persönliche Erfahrungen

Nicht teilnehmende Beobachtung

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Hierbei beobachtet der Forscher aus einer distanzierten Haltung; d.h. keinerlei
direkter Kontakt, emotionale Beziehungen und persönliche
Auseinandersetzungen mit Personen im Feld.
Folge: Festhalten an eigenen Beobachtungskategorien

Direkte Beobachtung
Der Forscher ist für die Beforschten wahrnehmbar

Indirekte Beobachtung
Die Präsenz des Forschers ist für die Beforschten nicht wahrnehmbar; er befindet
sich nicht an einem bestimmten Ort; z.B.: Videoaufnahmen, -übertragungen,
Laborversuche,…

Beobachtungsrollen:
Während einer Feldforschung nimmt man zu unterschiedlichen Zeitpunkten
verschiedene Rollen ein:
• völlige Teilnahme (going native)
• teilnehmende Beobachtung
• beobachtende Teilnahme
• nicht-teilnehmende Beobachtung
Durch diesen Rollenwechsel entsteht ein umfassendes und vielschichtiges Bild
des untersuchten Feldes.
Extrem heterogene Formen des ersten Feldzugangs à Bsp. Notenumblättern bei
Gottesdienst

Ethnographische Erfahrungen und Daten dokumentieren


Während einer Feldforschung macht man bewusste, ethnographische
Erfahrungen (headnotes, sich verändernde Erinnerungen) und eignet sich
explizites und implizites Wissen an. Implizites Wissen (tacit knowlege) ist
verinnerlichtes Wissen, das zum Teil der Persönlichkeit geworden ist.

Transformation ethnographischer Erfahrung in Daten


• Ziel = die ethnographische Erfahrung festhalten, verschriftlichen, festhalten
d.h. Fieldnotes zu produzieren
• schriftliche Aufzeichnungen der Beobachtungen und Erfahrungen = mehr als
nur das Schreiben eines Tagebuches

Feldnotizen
• dienen als Reflexionsinstanz
• veranschaulichen die eigenen Sensibilitäten
• beinhalten Informationen, Beschreibungen, Aussagen über ein Feld und die
Art der Beobachtung
• beinhalten intime Informationen über den Forscher
• machen die Rollendefinition des Forschers klar
• können ethnographische Erfahrungen nie ungefiltert wiedergeben

Das Verfassen von Feldnotizen ist eines der zentralen ethnographischen


Verfahren der Datendokumentation.

Formen des Schreibens bzw. Textsorten:


• Aufschreiben (einer Beobachtung oder Aussage um sich daran zu erinnern)
• Transkribieren (verschriftlichen von Erzählungen, Mythen, Erklärungen mit
Hilfe von Informanten oder vom Band)
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• Beschreiben (Repräsentation der beobachteten Realität)

Headnotes und Fieldnotes


• fieldnotes: sind verschriftlichte Daten - bleiben gleich – auch nach 20 Jahren –
und sind daher noch verwendbar für Recherche
• headnotes: sind eigene Erfahrungen und Erinnerungen – verändern sich mit
der Zeit – daher muss man sie aufschreiben

Was (be-)schreibt man?


• Man beschreibt Beobachtungen und Erfahrungen, die man macht während
man sich einem Feld aussetzt.
• Dabei geht es nicht nur um eine bestmögliche Beschreibung von dem was
geschehen ist.
• Es gibt keine „objektive“, „beste“, oder „korrekte“ Art zu Beschreiben
• Aber es gibt bessere und schlechtere, dichtere und dünnere Beschreibungen
• Beschreiben involviert immer (selektive) Wahrnehmung und auch
Interpretation

Was bedeutet es zu Erfahrungen zu verschriftlichen?


Man „kopiert“ nicht nur „Fakten“ oder „was passiert ist“ in ein schriftliches
Format
Der Prozess involviert immer auch
• Interpretation und den Versuch dem Beobachteten oder Erlebten „einen Sinn“
zu geben.
• Man filtert: gewisse Dinge werden als „wichtig“, „zentral“ bzw. zumindest
„erwähnenswert“ angesehen,
• andere aber finden keinen Eingang in die Aufzeichnungen.
• D.h. man reduziert unweigerlich Komplexität wenn man Verschriftlichungen
der sozialen Welt anfertigt

Was gewinnt man dadurch?


Man produziert Verschriftlichungen, die
• Ereignisse festhalten
• wieder konsultiert werden können
• analysiert werden können
Sie enthalten das zum jeweiligen Zeitpunkt unvollständige Verständnis und die
unvollständigen Einsichten des Forschers und werden im Laufe der Forschung
immer mehr: sie wachsen

Stichwörter
• mentale Stichwörter (sich Erinnerungstechniken aneignen)
• Schriftliche Stichwörter(Schlüsselwörter und -phrasen)
• Um dann zu Hause Beschreibungen der Ereignisse u. Szenen anfertigen zu
können
• z.B. kleine Notizblöcke oder Diktiergerät
• Man muss entscheiden wann, wo, wie, wie oft man solche Notizen schreibt
• Welche Probleme können dabei auftauchen? Welche Entscheidungen sind zu
treffen?

Wovon sollte man Stichwörter machen?


• Erste sinnliche Eindrücke (Geräusche, Gerüche, Empfindungen, …)
• Wirkung der physischen Struktur des Ortes (Größe, Raumempfinden, Farben,
Ausstattung, Bewegungen, …)
• Der Menschen im Raum (Anzahl, Aussehen, Herkunft, Kleidung, …)
• Deren Bewegungen im Raum (ihr Verhalten, ihre Geräusche, …)
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• Die Gefühle die sie Auslösen
• Änderungen der Wahrnehmung (Vieles von dem was am Anfang an
Eindrücken wahrgenommen wird, wird im Laufe der Zeit selbstverständlich
werden und wird deshalb kaum mehr wahrgenommen)
• Zentrale Ereignisse oder Vorfälle
o z.B. Überraschendes, Unerwartetes, Erfreuliches, Schockierendes,
Sympathisches, Abstoßendes, Ärgerliches, etc.)
o Wieder: Gefühlsebene, Eindrücke, Interaktionen, verbal & nicht verbal
beachten
o Gefühle nicht aussparen, sondern aufzeichnen,

Eigene vs. Bedeutung für andere?


Man sollte versuchen eine Sensibilität dafür zu entwickeln, was für die anderen
„wichtig“ und „signifikant“ ist.
Man sollte nicht davon ausgehen, dass die eigenen emotionalen Reaktionen auch
die von anderen sind!!!

Lokale Bedeutungen & Ethnographie


Gefahren:
• Kategorien, Bedeutungen, Standards von einer Kultur auf die andere
übertragen: Klassischer Ethnozentrismus
• Kategorien, Bedeutungen, Standards von einer Gruppe im Feld auf die andere
übertragen
• Eine abwertende Haltung gegenüber den lokalen Bedeutungen einnehmen:
fehlerhaft, widersprüchlich, scheinheilig, trügerisch,…

Externes Wissen & Ethnographie


Gefahren:
• Fieldnotes reproduzieren nur Erwartungen und Standards, dass was sein
sollte… (Ritual im Verschwinden, …)
• A priori berufen auf theoretische Kategorien (Mythen, Legenden, Märchen)
• Beschreibung in dichotomisierten Begriffen, kann auf externe Kategorien
verweisen

Stichwörter als Erinnerungshilfe


Man sollte üben und lernen auch
• Details festzuhalten, die eine lebendige und scharfe Beschreibung erlauben
• Was und wie kann darüber geschrieben werden?

Notieren sie auch Details von zentralen Szenen und Interaktionen.


• z.B. wenn sich die Art zu sprechen ändert, weil jemand hinzustößt…

vermeiden Sie Generalisierungen,


• z.B. ein Touristguide „erzählt über den Platz“
• Was? Wie erzählt er? Wie wird es aufgenommen?

Notieren Sie sensorische Eindrücke in Bezug auf Aktionen und Gespräche


• Ethnographen „zeigen“ oft an Hand von Details
• Also nicht nur jemand „flucht“, sondern was wird gesagt, welche sensorischen
Details, Gesten, Gesichtsausdruck,…
• Damit zeigt man „Ärger“
• Vermeiden sie ein vorzeitiges „Warum“…

Ausarbeitung der Feldnotizen


• Für Feldaufzeichnungen benötigt man viel Zeit und hohe Konzentration.
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• Um Beobachtetes nicht zu vergessen, sollte die Zeit im Feld auf ca. 3-4
Stunden limitiert werden.
• Um zu verhindern, dass möglichst wenig verloren geht, sollte man so schnell
wie möglich die Feldnotizen übertragen.
• Ist dies nicht möglich sollte man genaue Notizen machen oder ein Diktiergerät
benutzen.
• Sobald Ethnograph vom Setting zurück ist, sollte er Beobachtetes am
Computer festhalten, da man einerseits schneller ist und es auch ermöglicht
eine Modifikation der aufgeschriebenen Wörter und Sätze durchzuführen.
• Wichtig ist, dass Beobachtete zuerst aufzuschreiben bevor man mit jemanden
darüber spricht.

Beschreibungen aus der Perspektive der 1. Person


• Beschränkt sich auf das Wissen und die Erfahrung des Erzählers.
• Ist effektiv wenn der Beobachter Teil der Gruppe ist und ermöglicht das
Setting durch die Augen eines participiant zu sehen.
• Es kann dadurch beides portraitiert werden sowohl die Erfahrung des
Forschers als Mitglied der Gruppe als auch die Reflexion eines beschreibenden
Ethnographen.

Beschreibungen aus der Perspektive der 3. Person


• Ist effektiv um Gesagtes und Handeln der Gruppe u. einzelner Personen zu
beschreiben.
• Es muss aber nicht vollkommen auf die Verwendung der 1. Person verzichtet
werden, da der Forscher auch als teilnehmender Beobachter im Feld involviert
ist.
• Auf wahrnehmbares fokussieren!
• Es kann auch zwischen den Standpunkten hin und her gewechselt werden.
• Fokussieren auf dass, was die Person tut und sagt, nicht Gedanken
hineininterpretieren

Die omnipresente Perspektive


• Der Ethnograph benützt einen objektiven Ton und Stil um Beobachtetes
wiederzugeben.
• Es werden mittels privilegierten Wissen nicht nur Interaktionen und Gespräche
beobachtet sondern auch die Gedanken, Gefühle und die Motivation der
Mitglieder berücksichtigt
• Eigene Notizen und Informationen von Anderen (Mitglieder der Gruppe)
können dieses komplexe Verstehen verdichten.

Kombination der Perspektiven


• Welcher dieser Formen benutzt wird hängt von der Erfahrung des
Ethnographen ab.
• Diese Perspektiven können von einem zum anderen wechseln.
• Der Ethnograph kann und soll nicht verleugnen, dass er selbst im Feld
involviert ist.

“Real-Time“ and „End-Point“ Beschreibungen


• „real time“: Der Forscher charakterisiert und beschreibt was er tatsächlich
beobachtet hat in der Abfolge der Ereignisse. Man lässt den Leser an der
Entwicklung der Ereignisse und den eigenen Stufen des Erkenntnisprozesses
teilhaben.

28
• “end-point”: Beschreibung in denen man bereits eine Interpretation bzw. das
Ergebnis einer Ereignisses voraussetzt, der zum Zeitpunkt des Geschehens
noch nicht vorgelegen hat. Man beschreibt vom jetzigen Kenntnisstand – vom
Endpunkt - aus, nicht vom Kenntnisstand den man im Verlauf der Situation
hatte

Die Transkription von Interviews


Einige einfache Regeln:
• Zeilennummerierung
• die Kodierung der GesprächsteilnehmerInnen z.B. für InterviewerInnen I1, I2...;
für Befragte B1, B2,...)
• Pausen (Pro Sekunde ein Punkt) = . . . . (oder Zeitangabe)
• Nichtverbale Äußerungen wie lachen oder husten in runder Klammer angeben
= (B1 lacht)
• situationsspezifische Geräusche in spitzer Klammer angeben = >Telefon
läutet<
• Hörersignale bzw. gesprächsgenerierende Beiträge als normalen Text
angeben = mhm, äh
• Auffällige Betonung unterstreichen = etwa so
• Unverständliches als Punkte in Klammer, wobei jeder Punkt eine Sekunde
markiert = (. . .)
• Vermuteter Wortlaut bei schlechtverständlichen Stellen in Klammer schreiben
= (etwa so)
• sehr gedehnte Sprechweise mit Leerzeichen zwischen den Buchstaben = e t w
a so

Analysestrategien
Daten sprechen nicht für sich selbst. Man muss sie auswerten und interpretieren.
Es gibt eine Vielzahl verschiedener Strategien:

Faktoren zur Auswahl


• Interesse und Art der Datenerhebung
• Theoretische Ausrichtung des Projekts
• Arten der Daten

Quantitativ/Qualitativ
Numerisch/nicht numerisch
visuell (Foto, Film)/deskriptiv (schriftliches Dokument)

Ebenen der Analyse


Auf der syntaktischen Ebene geht es um die Beziehung zwischen den Zeichen.
D.h. es handelt sich um eine formale Textanalyse, die z.B. auf grammatikalischen
Strukturen (Phonetik, Lehre vom Satzbau etc.) und die Mittel der
Zeichendarstellung abstellt, aber auch den spezifischen Stil von
SprecherInnen/AutorInnen untersuchen kann.
Der Text wird als Text betrachtet. Es geht um Fakten und Daten die im Text
vorhanden sind.

Auf der semantischen Ebene geht es um die Beziehung zwischen den Zeichen
und dem Bezeichneten.
Es steht die Frage nach der Assoziation der Zeichen zu bestimmten Objekten,
Ideen und Begriffen und ihrer Bedeutung im Zentrum. Unter diesem Aspekt
würde man einen Text z.B. auf die in ihm vorkommenden Themen und ihre

29
Bedeutung hin analysieren, wie es z.B. auch im Rahmen der interpretativen
Anthropologie der Fall ist.

Auf der pragmatischen Ebene steht die Frage nach der Beziehung von Zeichen
und ihren Benutzern sowie der Situation im Vordergrund.
Es geht also um die Wirkung der Zeichen in der sozialen Praxis. Hier können
einerseits Analysen der Folgen und Wirkungen von Kommunikation durchgeführt
werden, andererseits aber auch der Frage nach gegangen werden, wie mit
Kommunikation Macht-, Ungleichheits- und Herrschaftsverhältnisse verschleiert,
legitimiert und aufrecht erhalten werden können (z.B. kritische Diskursanalyse).
Es geht also um Sprache als eine Form sozialer Praxis, oder - mit John Austin
(1967) formuliert - um die Frage "how to do things with words".

Analyseformen
Kode-Indikator-Modell
• In dieser Logik werden einzelnen Datenausschnitten abstraktere
Begrifflichkeiten (Kodes) zugeordnet und in weiterer Folge Beziehungen
zwischen den Kodes entwickelt.
• Dies ist etwa im Rahmen der Grounded Theory, der qualitativen
Inhaltsanalyse oder häufig bei der ethnographischen Analyse von Feldnotizen
der Fall.
• Eine solche Analyse bricht die zeitliche Struktur der Ereignisse auf und
verbindet entlang allgemeinerer Konzepte Daten miteinander, die von
unterschiedlichen Beobachtungen und aus unterschiedlichen Kontexten
stammen können.
• Im Zentrum steht die Entwicklung von Kodes und Konzepten und der
Beziehungen zwischen diesen im Zuge der Theorieentwicklung

Eigene Worte: man kodiert den Text und ordnet bestimmten Abschnitten des
Textes Begrifflichkeiten zu = Kodes – dann entwickelt man Beziehungen zwischen
den Kodes. Es werden allgemeine Konzepte gebildet, welche Ereignisse aus
verschiedenen Zeiten verbiden.
Grounded Theory: wird aus den vorhandenen, empirischen Daten entwickelt
(=geerdet) – sie arbeitet mit dem Kode-Indikator-Modell

Sequenzanalyse
• Dem stehen Verfahren gegenüber, die sich am Ablauf bzw. der Abfolge von
Ereignissen orientieren und davon ausgehen, dass ein adäquates Verständnis
nur entlang der sequentiellen Abfolge der Ereignisse erreicht werden kann.
Dazu gehört etwa das sequenzanalytische Vorgehen im Rahmen der
objektiven Hermeneutik (Reichertz 2000),
• Im Zentrum steht im Sinne der Hermeneutik, die Interpretation von
Sinneinheiten.
• Die Hermeneutik ist die "Kunst" des Verstehens und Deutens von Texten,
Verhaltensweisen und Kulturmustern. Sie ist nach dem griechischen Gott
Hermes benannt, der das Verstehen zwischen Göttern und Menschen und
damit auch zwischen Menschen und Menschen gefördert hat.

Eigene Worte: Gegenbild zur Kode-Indikator-Analyse


Ereignisse können nur entlang der sequentiellen Abfolge analysiert werden.
Diese Analyse orientiert sich an der Hermeneutik (Auslegung von Texten,
Interpretation von Texten, Kunst des Verstehens und Deutens von Texten,
Verhaltensweisen und Kulturmustern)

30
= zwei unterschiedliche Analysen die verschiedenen Zugriff auf Daten bzw. Texte
ermöglichen und wahrscheinlich zu verschiedenen Ergebnissen führen.

Inhaltsanalyse
fokussiert auf manifeste Kommunikationsinhalte, mit dem Ziel von den
Textmerkmalen auf den Kontext (auf den Autor, die Situation bzw. die
Rezipienten) zu schließen.
Was ist der Inhalt des Textes?

Diskursanalyse
Der (post)strukturalistische Diskursbegriff, in Anschluss an Foucault, stellt die
Frage, wie gesellschaftliche Interaktionen Gegenstände, Themen, Begriffe etc.
konsituieren und wie sich diese, im Sinne einer historischen Diskursanalyse, im
Laufe der Zeit verändern.

Zentrale Fragestellungen sind


• die kommunikative Konstitution von Wirklichkeit,
• Veränderungen dieser Wirklichkeitskonstruktionen,
• das soziale Wissen bestimmter Gruppen oder der Gesamtgesellschaft
• diskursive Machtwirkungen: Was darf gesagt werden? Was darf nicht gesagt
werden?

Synchrone Weiterentwicklungen der Diskursanalyse stellen die unterschiedlichen


Ansätze der so genannten kritischen Diskursanalyse dar. Diese beziehen sich
neben Michel Foucault insbesondere auf Theorien von Antonio Gramsci und der
Frankfurter Schule, d.h. des Neomarxismus.

Eigene Worte: Die historische und kritische Diskursanalyse geht zurück in den
historischen Kontext – Veränderungen von Diskursen in der Gesellschaft und
dadurch Veränderung in der Gesellschaft

Konversationsanalyse
ist im Rahmen der US-amerikanischen ethnomethodologische Tradition
(Garfinkel) entstanden und fokussiert auf Mikro-Analysen des Ablaufs, der
Themenorganisation und der Rollen in face- to-face-Gesprächen.

Eigne Worte: gemeinsame Realitätskonstruktion durch Kommunikation mit


Partnern. Wenn man etwas sagt legt man für den Kommunikationspartner einen
Handlungsspielraum fest! Z.B.: „Wie geht’s“/ Analyse von Abläufen von
Gesprächen

Methodenspezifische Analyseverfahren vs. integrative


Analysestrategien
• Methodenspezifische Analyseverfahren gibt es viele…
• Integrative Analysestrategien betreiben implizite Datentriangulation
• Wobei Triangulation im Sinne von Flick, der sich hier auf Fielding und Fielding
(1986: 33) beruft, nicht als „Strategie der Validierung sondern vielmehr als
Alternative dazu“ (Flick 2004: 18f) aufgefasst wird. Die zusätzliche
Geltungsbegründung wird „über eine größere Angemessenheit und
umfassendere Gegenstandsabbildung durch die eingesetzte Methodenvielfalt
und nicht über die einseitige oder wechselseitige Validierung der
Einzelergebnisse angestrebt.“ (Flick 2004: 19).
• D.h. die Geltungsbegründung ergibt sich aus dem umfassenderen,
komplexeren und multidimensionaleren Bild, welches sich aus dieser Vielfalt

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der Beobachtungsstandpunkte ergibt. Sie ist keine Strategie die die
Überprüfung der Gültigkeit von einzelnen Teilerergebnissen zum Ziel hat.
• Insbesondere im Zuge der Bearbeitung von Feldnotizen relevant.

Eigene Worte: Triangulation kommt eigentlich aus der Schiffsfahrt: Daten sind
dann besonders gültig wenn ich mit unterschiedlichen Methoden auf das gleiche
Ergebnis komme – Absicherung
Die Meinung zur Triangulation hat sich geändert: Triangulation soll nicht zu mehr
Kontrolle führen sondern es soll ein Phänomen durch mehrere Methoden
umfassender abgebildet werden. Also: Triangulation führt zu mehr Sicherheit und
umfassenderen Darstellungen = wichtig für die Bearbeitung/Ausarbeitung von
Feldnotizen.

Analyse von Feldnotizen


Zu einer ersten Analyse der eigenen Feldnotizen gehört:
• das Lesen des gesamten Korpus der Aufzeichnungen
• das Codieren der Feldnotizen
• das Stellen von Fragen an die Fieldnotes
• das Verfassen von Memos

Wann sollte die Analyse stattfinden?


Keine strikte Trennung von Erhebungs- und Analysephase
Analyse nicht nur am Ende der Feldforschung sondern auch Zwischenanalysen
machen.

Das Lesen der Fieldnotes


Fieldnotes werden diese im Zuge der Analyse als Datenset behandelt und
analytisch, d.h. mit einem Blick von außen gelesen.
• Dies impliziert eine emotionale Distanz.
• Dieses gründliche und systematische Lesen dient dazu Themen, Muster und
Variationen innerhalb der Fieldnotes zu identifizieren.
• Analoge Ereignisse bzw. Phänomene können nun durch Codes miteinander in
Verbindung gebracht werden.
Das close reading ermöglicht in einem relativ kurzen Zeitraum aufzunehmen, was
alles beobachtet und aufgezeichnet wurde.
Es ermöglicht
• Muster zu erkennen
• zu vergleichen
• neue Einsichten, Hypothesen und Interpretationen zu generieren
• Lücken im Datenmaterial und
• neue Fragestellungen zu identifizieren, welche die weiteren
Forschungsschritte anleiten.

Kodieren
Das Kodieren von Fieldnotes
Vorteil: man kann wichtige Stellen leichter und schneller ausfindig machen
• Beim Codieren der gesammelten Daten werden Teile der Daten z.B.
bestimmte Textausschnitte mit ausgewählten Begriffen bzw. Kategorien
verknüpft.
• Diese Begriffe bzw. Kategorien werden Codes genannt. Sie ermöglichen eine
Indizierung des Materials und machen relevante Stellen rasch auffindbar und
miteinander verknüpfbar.
• In der Bezeichnung des Codes kommt der Inhalt des Datenausschnitts auf
eine kurze, prägnante und vergleichsweise abstrakte Weise zum Ausdruck.

32
• Codes können von außen, als etischer Kategorien, an das zu analysierende
Material herangetragen werden. In diesem Fall werden die Kategorien aus
bestehenden Theorien übernommen oder bereits existierende standardisierte
Codeschemata verwendet (z.B. das Outline of Cultural Materials).
• Analysestrategien, die an der Entwicklung von Theorien bzw. an der
ethnographischen Analyse lokal verwendeter, emischer Kategorien und
Verhaltensweisen interessiert sind, entwickeln eigene Codeschemata.

Codes können also auf


• externe Ordnungslogiken und Theorien, die an die Daten herangetragen
werden,
o Aus einer ethnographischen Perspektive besteht beim Herantragen
externer Ordnungslogiken, Begriffe und Theorien die Gefahr lokale
Bedeutungen, Ordnungslogiken und Theorien zu ignorieren oder zu
verkennen und deshalb eurozentristisch zu interpretieren.
• ethnographisch auf Konzepte lokaler Akteure und emische Kategorien als
Ausdruck einer spezifischen Kultur
• und können zur Entwicklung gegenstandsbezogener Theorien im Sinne der
Grounded Theory genützt werden
• spezifische Betrachtungsweisen des Inhalts, d.h. sie bringen eine analytische
Perspektive zum Ausdruck.
• Textstellen können auch mit mehreren Codes belegt werden

Unterschiedliche Kodierstrategien
• das offene Kodieren (Begriffe zuordnen)
• das Kodieren vor dem Hintergrund von Fragestellungen (mit Zielen)
• vor dem Hintergrund der Konzeptualisierung einer ethnographischen
Erzählung

Das offene Kodieren


• Lesen der Texte und das Markieren von Textstellen durch kurze, prägnante
und vergleichsweise abstrakte Konzepte (Kodes), die den Inhalt der jeweiligen
Textstelle charakterisieren.
• Dabei entwickelt man eine Vielzahl von Kodes und ordnet sie einzelnen
Textstellen zu. Die resultierende Liste von Kodes bildet die zu analysierenden
Phänomenbereiche ab.
• Wenn man verschiedenen Textstellen den selben Kode zuweist, stellt man
systematische Beziehungen zwischen unterschiedlichen und bis dato nicht
miteinander verbundenen Datenausschnitten her
• Der Kode kann aus einem einzigen Wort oder aus mehreren möglichst
prägnanten Wörtern bestehen.
• Kodes sollten möglichst einheitlich und eindeutig verwendet werden.
o präzise definieren d.h. festzulegen welche Datenausschnitte mit
solchen Kodes belegt werden können.
o die Bedeutung einzelner Kodes kann sich im Laufe der Analyse
verändern
o Kodenotizen

Eigene Worte: Man kommt extrem schnell zu einer großen Vielzahl von Kodes.
Welche sind interessant und gut konzipiert?...Kodes sollten möglichst eindeutig
definiert werden – Definitionen können sich während der Analyse auch
verändern.

Axiales und thematisches Kodieren

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• In der Grounded Theory legt die Strategie des axialen Kodierens nach Anselm
Strauss bereits einen spezifischen Analysefokus fest.
• Für vergleichende Analysen hat Uwe Flick die Strategie des thematischen
Kodierens entwickelt.
• Anhand von Fragestellungen fokusiert vorgehen!

Axiales Kodieren
Im Gegensatz zur Ergründung lokalspezifischer, emischer kultureller Konzepte
stellt die Grounded Theory auf die Entwicklung gegenstandsbezogener Theorien
ab. Dies tut sie ausgehend von Phänomenen, an welche nach Anselm Strauss und
Juliet Corbin (1996) folgende Fragen gerichtet werden (5 Achsen, 5 zentrale
Fragen):
• Was sind die ursächlichen Bedingungen des Phänomens?
• Was ist der Kontext?
• Was sind die intervenierenden Bedingungen?
• Was sind die Handlungs- und interaktionalen Strategien?
• Was sind die Konsequenzen?

Diese Fragen bringen das sogenannte Kodierparadigma zum Ausdruck.


Ausgehend von einem Phänomen werden dabei unterschiedliche
Kodes/Kategorien miteinander in Beziehung gesetzt. Dieses In-Beziehung-Setzen
unterschiedlicher Kodes und Kategorien ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur
Entwicklung einer gegenstandsbezogenen Theorie.

Thematisches Kodieren
• Ausgehend von einer Fragestellung vorab festgelegte Gruppen vergleichend
untersucht
• Annahme, dass in unterschiedlichen sozialen Welten bzw. Gruppen
differierende Sichtweisen anzutreffen sind.
• D.h. das Sampling orientiert sich nicht am jeweiligen Stand der Interpretation
(Grounded Theory) bereits analysierter Daten
• Es steht aber auch im Gegensatz zur klassischen Ethnographie, die ihre
Samplingstrategie an der Dynamik, den Akteuren und den Strukturen des
jeweiligen Feldes ausrichtet.
• Das thematische Kodieren orientiert sich an einer vertiefenden Analyse
einzelner Fälle
• Zuerst wird ein Kategoriensystem für den einzelnen Fall entwickelt
• in einem nächsten Schritt wird dieses zwischen den einzelnen Fällen
abgeglichen, woraus eine thematische Struktur resultiert, die für die Analyse
weiterer Fälle zu Grunde gelegt wird.
• Die Struktur wird also aus den ersten Fällen entwickelt und an allen weiteren
Fällen überprüft und weiter modifiziert und dient dem Fall- und
Gruppenvergleich.
• Im Gegensatz zum Vorgehen der Grounded Theory werden im ersten Schritt
fallbezogene Analysen und erst im zweiten Schritt fallübergreifende
Gruppenvergleiche durchgeführt.

Es gibt Fragestellungen und festgelegte Gruppen = sinnhaft bei Vergleichen =


Alternative zum axialen kodieren.

Memos
• dienen der Entwicklung allgemeiner ethnographischer u./o. theoretischer
Aussagen.
• schriftliche Protokolle, die den jeweiligen Stand der Analyse in Bezug auf
bestimmte Phänomene, Kategorien bzw. Ereignisse darstellen.
34
• Initial- und Integrationsmemos
• Initialmemos kommen in frühen Phasen der Datenanalyse zum Einsatz, wo zu
einer Reihe separater Phänomenen, Themen und Kategorien anfängliche
Ideen und Einsichten ausgearbeitet werden.
• Integrationsmemos werden zu einem späteren Zeitpunkt im Forschungsablauf
verfasst, wenn bereits eine Themenauswahl stattgefunden hat und vor deren
Hintergrund selektiv kodiert wurde. Integrationsmemos haben einen
fokussierteren Charakter und verbinden u. integrieren früher getrennte Daten
und Analysepunkte

In Grounded Theory werden z.B.


• Theoretische Memos, die "die Produkte des induktiven und deduktiven
Denkens über tatsächlich oder möglicherweise relevante Kategorien, ihre
Eigenschaften, Dimensionen, Beziehungen, Variationen" etc. enthalten und
• Planungsnotizen unterschieden, die Handlungsanweisungen beinhalten,
welche z.B. die Fallauswahl, die Interviewgestaltung mögliche Vergleiche und
weiter zu verfolgende Ideen enthalten (ebd.).

Eigene Worte: Memos produzieren einen umfangreicheren Zwischenstand der


Analyse – man erfährt was man alles nicht weiß

Weiterentwicklung der ethnographischen Forschung


Extended-Case Method
In der britischen Sozialanthropologie kam es ab den 30er Jahren des 20.
Jahrhunderts zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem vorherrschenden
funktionalistischen Paradigma (B. Malinowski und A. R. Radcliffe- Brown)

Dieses stellte auf vermeintlich stabile soziale Strukturen ab und direkte


Beobachtungsdaten und indigene Klassifikationen dienten primär dazu, diese
allgemeinen Ordnungsmodelle zu illustrieren und möglichst anschaulich zu
vermitteln. Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde zunehmend deutlich, dass
aktuelle Phänomene, wie antikoloniale Bewegungen, Industrialisierung und
Urbanisierung neue Herausforderungen an das methodische Vorgehen stellten.

Eine methodische Antwort auf diese Herausforderung war die Entwicklung der
extended-case method (ECM), die insbesondere von Max Gluckman
vorgenommen wurde und mit der so genannten Manchester Schule der britischen
Anthropologie in Zusammenhang steht.

Die zentrale Umorientierung besteht darin, nicht vermeintlich stabile


Ordnungsstrukturen ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen, sondern "den
Wettbewerb individueller Akteure um Ressourcen und Status im Rahmen
widersprüchlicher, inkonsistenter Normen und Regeln" (Rössler 2003: 144).

Im Zentrum der ethnographischen Darstellung stand "das alltägliche Handeln


konkreter Personen in der sozialen Praxis" (ebd.) und nicht eine abstrahierte
Struktur.
Dieses Verfahren stellt darauf ab, die Entwicklung sozialer Konflikte, das
Aushandeln individueller Interessen, die unterschiedliche Interpretation sozialer
Regeln und Normen darzustellen.
Zeitliche Dimension gewinnt im Gegensatz zur rein synchronen Betrachtung eine
zentrale Bedeutung. Dies führt zur Durchführung von Langzeit- und
Wiederholungsstudien, welche es erlauben, den Wandel in den sozialen
Beziehungen zu dokumentieren.

35
Wandel, Abweichung und divergierende Interessen werden nun nicht mehr als
dysfunktionale Abweichung von im Prinzip harmonischen Strukturen betrachtet,
sondern als zentraler Bestandteil des sozialen Lebens.
Es stehen nicht mehr die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten im Zentrum. Diese wird
durch eine Konfliktorientierung der ethnographischen Vorgangsweise abgelöst.
Die extended-case method wurde aus der Analyse von Rechtsfällen (cases)
entwickelt und ist akteurs-, handlungs- und prozessorientiert.

Mitchell (1983: 193f) schlägt folgende ethnographische Verfahren vor:


• Die angemessene Illustration (abt illustration) eines einzelnen Ereignisses,
welches ein generelles Prinzip illustriert.
• Die Situationsanalyse, welche mehrere miteinander verbundene Situationen
innerhalb eines begrenzten Zeitraumes miteinander verbindet.
• Die extended-case method, welche solche Situationen mit denselben
Akteuren über einen längeren Zeitraum hinweg miteinander verbindet.
• Die Analyse sozialer Dramen, welche Mitchell als inhaltlich und zeitlich
beschränkte extended-case method bezeichnet.
bei den letzten drei Punkten handelt es sich um das selbe methodische Prinzip
mit unterschiedlicher zeitlicher Tiefe und der Komplexität der dargestellten
sozialen Beziehungen. Alle genannten Verfahren 2-4 können als ECM bezeichnet
werden (Rössler 2003: 146)

Zu den methodischen Problemen der ECM gehören


• der besonders hohe Zeit- und Arbeitsaufwand
• die Notwendigkeit Informationen zur Vorgeschichte der einzelnen Fälle zu
erheben, wobei man auf die selektiven Aussagen der Informanten angewiesen
ist.
• die Frage der Repräsentativität der Fälle und deren Auswahl. Einerseits
erfordert die detaillierte Dokumentation ausgewählter Fälle eine Auswahl,
andererseits will laut Rössler (2003: 149) die ECM nicht die gesamte
Gesellschaft erfassen sondern auf der Mikroebene exemplarische Akteure und
ihre Handlungen dokumentieren. Es geht um "bewusst nach räumlichen und
zeitlichen Kriterien definierten Ausschnitten der alltäglichen Praxis" (ebd.).
• Als weiterer methodisch problematischer Punkt wird die unvermeidbare
Einbindung des Ethnographen als Mitwisser in Krisen- und Konfliktsituationen
genannt, welche besondere ethische Probleme mit sich bringt.

Interpretative Anthropologie (Clifford Geertz)


Clifford Geertz
• Clifford James Geertz (* 23. August 1926 in San Francisco; † 30. Oktober 2006)
• ein US-amerikanischer Ethnologe.
• bedeutendster Vertreter der interpretativen Ethnologie.
• Forschungen in Asien (Indonesien, Bali) und Nordafrika (Marokko).

Interpretative Anthropologie
• Wende zur Hermeneutik -> Interpretive Anthropolgie
• Veränderung im Objektverständnis
• Neubestimmung des ethnographischen Tuns
• Zentrale Position von Bedeutung (meaning)
• Bedeutungstheoretische Fundierung vs. Verhaltensbeobachtung

Welt immer schon interpretiert, auch bereits von den Handelnden - Mensch
verleiht der Welt immer einen Sinn (Max Weber)

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"Ich meine mit Max Weber, dass der Mensch ein Wesen ist, das in selbst
gesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist, wobei ich Kultur als dieses
Gewebe ansehe" (Geertz 1983: 9).
Max Weber: Soziologie als „Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend
verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich
erklären will“.

• Der Begriff soziales Handeln bedeutet in der Soziologie ein „Handeln“ (Tun,
Dulden oder Unterlassen), das für den Handelnden (den "Akteur") subjektiv
mit "Sinn" verbunden ist und sich am Verhalten Anderer orientiert.
• Bedeutungen sind den Angehörigen einer Gesellschaft sozial verfügbar und
dem Feldforscher, der sich diese aneignen will, zugänglich.
• Deutung der Symbolsysteme statt Empathie
• Semiotischer Kulturbegriff: allgemeine Lehre von den Zeichen,
Zeichensystemen und Zeichenprozessen
• es geht nicht darum, den Standpunkt der Anderen einzunehmen, sondern die
kulturell verfügbaren Handlungsorientierungen aufzudecken

Analyse des sozialen Handelns fokussiert auf:


• Handlungsorientierung und Handlungsethos, sowie die Bedeutungen,
• nicht aber auf die Handlungspraxis
• Es handelt sich um keine Theorie der Praxis (Bourdieu)

Fordert eine Wissenschaft, die nicht nach Gesetzen sucht, sondern interpretiert
und Bedeutungen finden will.
Gegen die Annahme: ethnologische Forschung sei eine Sache der Beobachtung
und weniger eine der Interpretation
Nicht die Beobachtung, sondern viel mehr die Interpretation und Analyse des
Beobachteten und die darin enthaltenen Bedeutungsstrukturen sind
Hauptbestandteil der ethnographischen Beschreibung

Ethnographische Analyse = Herausarbeiten von Bedeutungsstrukturen und das


Bestimmen ihrer gesellschaftlichen Tragweite.

Ethnographie = dichte Beschreibung

Geht nicht darum, lineare Ereignisse zu erklären, sondern „übereinander


geschichtete“ und willkürliche, keinen Gesetzen und Reihenfolgen folgenden
Phänomenen.
Es ist die Aufgabe des/ der ForscherIn „dem Ganzen“ eine vermutete Bedeutung
zu verleihen, diese zu bewerten usw.
Die Untersuchung von Kultur besteht darin, Vermutungen über Bedeutungen
anzustellen, diese Vermutungen zu bewerten und aus den besten Vermutungen
erklärende Schlüsse zu ziehen

Interpretationen sind Fiktionen in dem Sinn, dass sie etwas „Gemachtes“ oder
etwas „Hergestelltes“ sind.

In der Analyse von Kultur ist es ebenso wenig wie in der Malerei möglich, eine
Grenze zwischen Darstellungsweise und zugrunde liegendem Inhalt zu ziehen.
• Darstellungsweise problematisiert

Geertz sagt, ethnographische Studien können nicht losgelöst von ihrem


Entstehungsort betrachtet werden, ohne eine Schmälerung der Studie zu
bedeuten.
37
• Partikularistisch
• Kulturrelativistisch

Geertz beharrt allerdings auf der Vorstellung von Kultur als einer gegebenen
abgrenzbaren Einheit und einem möglichen verstehenden Zugang

Nicht mehr nur: Was tun die Menschen?


Sondern: Welche Bedeutung hat das Tun der Menschen?

Die 4 Merkmale der Ethnographie nach Geertz


1. sie ist deutend
2. das was sie deutet, ist der Ablauf des sozialen Diskurses
3. das Deuten besteht darin, das „Gesagte“ eines solchen Diskurses dem
vergänglichen Augenblick zu entreißen.
4. Sie ist mikroskopisch.

Multi-sited Anthropology
Multi-Sited Ethnography. Ethnography in/of the World System George Marcus
1995
• ist eine empirische Methode diese neuen Prozesse aus interdisziplinärer
Perspektive zu analysieren.
• versucht lokale Subjekte und Gesellschaften durch Beziehungen und
Assoziationen mit dem Weltsystem in Verbindung zu bringen und in seine
Strukturen einzubetten
• neue Lebenswelten, die transnational und global agieren,
• „multi-sited ethnography“ als Notwendigkeit, da „any ethnography of a
cultural formation in the world system is also an ethnography of the system,
and therefore cannot be understood only in terms of the conventional single
site mise-en-scène of ethnographic research...(Marcus 1995:83).
• Verbindungen von Lokal- und Globalebene werden thematisiert

„The object of study is ultimately mobile and multiply situated, so any


ethnography of such object will have a comparative dimension that is integral to
it, in the form of juxtapositions of phenomena that conventionally have appeared
to be (...) “worlds appart”.

• Follow the people: Damit ist die Recherche von Entwicklungen von einer
bestimmten Gruppe gemeint.
• Follow the Thing: Hier ist das Nachspüren von Zirkulationsprozessen von
beispielsweise Dingen wie Waren, Geschenken, Geldflüsse oder Kunst,
gemeint.
• Follow the Metapher: Es werden Signale, Symbole und Metaphern benützt,
die die Herangehensweise der Ethnographie determinieren.
• Follow the Plot, Story, or Allegory : Geschichte, Erzählung steht im
Mittelpunkt
• Follow the Life or Biography : Die Lebensgeschichte einer Person wird für
die Gewinnung von Datenmaterial verwendet. Dieser Punkt kann als ein
Unterpunkt der „Geschichtenverfolgung“ gesehen werden.
• Follow the Conflict: Dabei geht es um die ethnographische
Herangehensweise, die den Konflikt nachspürt. (vgl.: Marcus 1995: 90ff)

Transnational Anthropology
Während die interpretative Anthropologie und die postmoderne Kritik und die
daraus resultierenden Überlegungen zur multi-sited Ethnography selbstreflektive
Mikroanalysen ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit stellen, steht die transnationale
38
Anthropologie in einem stärkeren Naheverhältnis zu einem Projekt der
Makroanthropologie, welches auch die übergeordneten Strukturen der globalen
Transformation der Welt in den Blick nimmt.

Vorläufer: die Weltsystemtheorie Immanuel Wallersteins und die aus einer


anthropologischen Perspektive darauf reagierende Untersuchung Eric Wolfs "Die
Völker ohne Geschichte" zu nennen, sowie in späterer Folge die Arbeiten von
Arjun Appadurai (1996) und Ulf Hannerz (1992, 1996).

Transnationale Forschung (vgl. Hannerz 1998) überschreitet die Grenzen politisch


definierter Einheiten und setzt räumlich gesehen weit entfernte Örtlichkeiten
miteinander in Beziehung.

Sie fokussiert insbesondere auf die Verbundenheit, den Austausch, die Mobilität
und die Interaktion zwischen unterschiedlichen Örtlichkeiten, sowie die
Besonderheiten nationaler bzw. lokaler Aneignungen und Kontextualisierungen
von Phänomenen. Sie hat somit auch eine vergleichende Dimension, ohne aber -
wie die traditionelle vergleichende Anthropologie - von unabhängigen oder
abgeschlossenen Untersuchungseinheiten auszugehen.

Methodisch basieren diese transnationalen Forschungen auf klassischen


Verfahren
• teilnehmende Beobachtung,
• dem Arbeiten mit Informanten,
• der Aufnahme von Lebensgeschichten,
• unterschiedlichen Interviewtechniken und
• textanalytischen Verfahren.
• Darüber hinaus stellt die Untersuchung von Medien und medialen Produkten
einen wichtigen Bestandteil dieser Untersuchungen dar. (siehe Hannerz
1998).

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