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MASTER

NEGA TIVE
NO. 93-81431
MICROFILMED 1993

COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES/NEW YORK

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A UTHOR

COHEN, HERMANN
TITLE:

LOGIK DER REINEN


ERKENNTNIS
PLACE:
BERLIN
DA TE
1922
Masler Negative #

COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES


PRESERVATION DEPARTMENT
BIBLIOGRAPHIC MICROFORM TAUCHT

Original Material as Filmed - Existing Bibliographie Record

193 C66
S7
Cohen, Hermann, 1842-1918.
Logik der reinen Erkenntnis. Mit einem
Bildnis. c3 Aufl., Berlin, B. Cassirer.'
1922.
xxviii, 612 p. port. 'His System der
Philosophie. 1. Teil)

1. Knowledge, Theory of . 2. Logic

NNC

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THE LIBRARIES

GIVEN BY 1

Eli Ginzberg 1
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HERMANN COHEN
LOGIK DER REINEN ERKENNTNIS
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Hermann Coßen
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SYSTEM LOGIK
DER PHILOSOPHIE DER REINEN ERKENNTNIS
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HERMANN COHEN
LOGIK DER REINEN ERKENNTNIS
MIT EINEM BILDNIS
VON 1

HERMANN COHEN

DRITTE AUFLAGE

BERLIN BERLIN
BRUNO CASSIRER VERLAG BRUNO CASSIRER VERLAG
1922
1922

••i'iiMiiiT- .riiasi
#
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Meiner lieben Frau,

Frau Martha Cohen,


geb. Lewandowski

Mit diesem Buche haben wir unsere gemeinsame Schreib-


arbeit begonnen. Und da es nun von neuem in die Welt geht,
ist der Herr Verleger der Ansicht, es bestehe schon jetzt, bei
Lebzeiten des Verfassers, ein persönliches Verhältnis zwischen
diesen Büchern und ihrem Leserkreise, so daß es nicht zu-
dringlich erscheinen werde, wenn diesem Grundbuche des
Systems die photographische Reproduktion eines in den
letzten Wochen entstandenen Ölbildes beigegeben wird.
Und da ich nun dieser Fiktion eines persönlichen Zu-
sammenhangs, der übrigens unter den eigentlichen Schülern die
höchst erfreuliche Tatsache meines Lebens ist — diese de-
korative Konzession mache, so ergreife ich diesen Zeitpunkt,
um durch eine andere Art persönlicher Symbolik ein wichtiges
autobiographisches Verhältnis mit meinen geneigten Lesern
herzustellen.
. Alle Freunde unserer Sache wissen es, daß ohne den
unermüdlichen Beistand meiner Frau diese Bücher nicht
hätten entstehen können. Sie war mir aber nicht nur die
heitere Genossin der Arbeit, sondern nicht minder auch die
standhafte Trösterin in den langen Jahren des Kampfes, die
dennoch den lauten Erfolg mehr scheute als herbeiwünschte.
Wir haben nun ein reiches Jahr bei meinem 70. Geburts-
tage feiern dürfen. Die meisten unter den Autoren der Fest-
schriften haben Deiner sicherlich mitgedacht. Wir haben
Druck von F. Uihnuin O. m. b. H., Zwickau S«. viel herzliche Anerkennung erfahren, und eine große Dankes-

N0V7-1957 ^

schuld auf uns genommen. Es wird allen Freunden
geziemend
scheinen, daß ich vorab D i r in unseren Büchern das Dank-
votiv aufrichte. .

Und in solchem Gefühle reinster Dankbarkeit rufe ich


nun auch allen Mitarbeitern, meinen lieben ,Marburgern*
innigen Dankesgruß zu, aus der Zuversicht unserer großen
Aufgabe. Lasset uns treu und arbeitsam zusammenhalten, i
von keinem andern Ehrgeiz gestachelt, als von dem um die Vorrede zur ersten Auflage.
Ehre, um den klassischen Geist des deutschen Idealismus:
daß alles, was wir anstreben, vor dieser Norm bestehen
möchte. Mit diesem Richtmaß habe ich meine Laufbahn be- Die Logik, welche in diesem Buche vorliegt, ist die Grund-
gonnen, möge es uns allen niemals entschwinden. legung eines Systems der Philosophie. Wenn anders die Logik
die Gesetze und die Regeln des allgemeinen Vernunftgebrauchs
Berlin, Anfang März 1914. zu lehren hat, so muß derselbe in seinem ganzen Umfang und
in seiner Einheitlichkeit zum Vorwurf dienen.
Die Einheitlichkeit ist jedoch eine Voraussetzung, welche
Einschränkungen erforderlich macht sie darf nicht als Gleich-
;

heit verstanden werden. Denn der Umfang des Vernunft-


gebrauchs erstreckt sich über eine weite Mannigfaltigkeit von
Problemen und demzufolge von Regeln und Gesetzen. Den-
noch aber soll die Einheit der Vernunft alle diese verschiedenen
Aufgaben umspannen. So wurzelt die Logik in der Richtung
auf das System der philosophischen Probleme; die Systematik
ist ihr Ursprung. Und in den ewigen Mustern,
denen ein jeder
neuer Versuch nachzueifern sich bestreben muß, bildet die
k durchsichtige systematische Disposition den klassischen Cha-
rakter.
Die systematische Orientierung hat daher zur Vorbe-
dingung die Präzisierung der Logik in dem Begriffe der
reinen
i Erkenntnis. In diesem Begriffe hat Piaton die Logik be-
gründet, und in ihm hat sie ihre Geschichte vollzogen.
Der
in der
Logik entsteht darin eine andere Beziehung, welche
systematischen eigentlich schon enthalten ist. Wenn die
so ist sie
Logik auf das System der Philosophie gerichtet ist,
damit auf die Richtungen der Kultur bezogen, denen
die
zuvörderst
Glieder dieses Systems entsprechen. Also ist sie
auf die Wissenschaft bezogen. Und Piaton hat die unver-
i
X V(»rrede zur ersten Auflage Vorrede zur ersten Auflage XI
lierbare Weisung erteilt, daß diese Beziehung auf die Wissen- lösbare Aufgabe erscheinen, in den historischen Konfron-
schaft, nämlich auf die Mathematik, die Methode der Logik tationen ein weises Maß einzuhalten.
bestimmt, und für ihren systematischen Ausbau die durch- Daher habe ich mich entschlossen, den vorliegenden Band
c^\
wirkende Grundlage bildet. In seiner Sprache entsteht der zugleich im Hinblick auf einen zweiten Band zu schreiben,
Doppelsinn desselben Wortes für Wissenschaft und Erkenntnis. welcher alle diese Ergänzungen nach der systematischen,
Die KompHkationen der Logik sind indessen mit den nach der sachlichen, wie nach der historischen Seite bringen
Gliedern des philosophischen Systems und mit den Problemen i soll. In ihm will ich es mir auch angelegen sein lassen, mit
der mathematischen Naturwissenschaft nicht erschöpft. Wie den Zeitgenossen unter den Männern vom Fach, wie unter den
die Logik von ihrem geschichtlichen Ursprung in Piaton nicht wissenschaftlichen Forschern eingehend mich auseinander-
abgelöst werden kann, und auch nicht von Piatons Vorläufern, zusetzen.
so verläuft auch ihre innere Systematik im lebendigen Zu- < Aber der Leser, der geneigte wie der ungeneigte, wird noch
sammenhang mit ihrer ganzen Geschichte. Es kann kein eine andere Darlegung an dieser Stelle von mir erwarten. Nicht
sachliches Bild von- der Logik entworfen werden, wenn es erwarten wird er von mir, daß ich über die Qualität des
nicht aus diesem natürlichen Zusammenhange die Grund- Systems, welches ich nunmehr vorlege, Beteuerungen mache;
linien seiner Zeichnung herleitet. Es erscheint unnatürlich, noch auch darüber, wonach man die Qualität eines Sj^stems
einen künstlichen Aufbau der Logik zu versuchen, ohne daß vornehmlich zu taxieren pflegt, näriilich über den Grad der
in den Fundamenten, wie in den darauf errichteten Stock- Neuheit desselben. Man weiß, daß ich die Kraft der Vernunft
werken mit den Maßen gemessen würde, welche die Klassiker >
nicht abgetrennt zu denken vermag von ihrer geschichtlichen
der Logik, die zumeist auch die Erbauer der Wissenschaft Kontinuität. Den Punkt aber habe ich im Buche selbst genau
sind, festgelegt haben. Es sind nicht nur historische Namen, bezeichnet, den mein Grundgedanke in der Geschichte der
mit denen man sich dabei auseinanderzusetzen hätte; diese Logik mir zu bilden scheint. Ich habe jahrzehntelang an
Namen bedeuten zugleich sachliche Grundlagen der Logik dieser Logik gearbeitet, zu ihrer Herausgabe mich aber erst
und Marksteine in ihrer Entwickelung. in dem Momente entschlossen, in dem dieser Grundgedanke
Es ist demgemäß mein Bestreben gewesen, mit diesen die Schärfe der Bestimmtheit und der Klarheit für mich er-
Klassikern bei jeder neuen Wendung Fühlung zu suchen. Ich langt hatte, die man in dem Worte empfindet, welches für
mag nicht darüber reden, ob die sachliche Erörterung von jeden Systembau der Prüfstein sein muß: ddz ^toi izov orw.
«
diesem unaufhörlichen Zwiegespräch mit den führenden Erwarten aber darf man von mir, daß ich mich über das
Geistern Förderung erfahren hat. Ich will vielmehr nur da- Verhältnis dieses neuen Buches zu meinen früheren Büchern
rauf hinweisen, daß die Darlegungen dieses Buches dadurch ausspreche: über mein Verhältnis zu Kant.
von neuem eine Ergänzung fordern. Es läßt sich erwarten, Als ich vor mehr als dreißig Jahren die Rekonstruktion
daß die systematischen Bezugnahmen, daß ferner auch die i des Kantischen Systems begann, und von dem ersten Staunen
sachhchen Ausführungen, insbesondere mit Bezug auf die darüber mich erholt hatte, daß das Verständnis der Grund-
robleme der mathematischen Naturwissenschaft einer Ein- begriffe desselben nicht nur verloren gegangen, sondern eigent-
schränkung in mannigfacher Hinsicht zu unterziehen waren; lich niemals erreicht worden war, da dämmerte mir zugleich
daß die Auswahl durch eine doppelte Rücksicht gebunden war: die historische Einsicht, die Kant einmal Piaton gegenüber
zunächst auf Vertiefung und Klärung im Fortschritt der Ent- aussprach, als Hoffnung auf: daß man einen Autor durch
wickelung, dann aber auch durch die Vorsicht vor Über- die vergleichende Anordnung seiner Sätze besser verstehen
ladung und Vereinzelung. Es könnte aber als eine schier un- könne, als er selbst sich verstanden hat. Von vornherein war
Vorrede zur ersten Auflage XIII
XII Vorrede zur ersten Auflage

'( Und es ist nicht allein mein Glaube an die religiöse Wahrheit
es mir um von Kant's System zu tun. Der
die Weiterbildung des prophetischen Messianismus, der solchen Optimismus in
historische Kant war mir der Eckstein, in dessen Richtung jeder Zeit- und Lebenslage zum Leitstern macht. Es ist zu-
das Weiterbauen erfolgen, der stetige Gang, wie Kant selbst gleich das freudige Gefühl der unmittelbaren Lehrtätigkeit,
von der Wissenschaft sagt, auch von der Philosophie und ihrer als deren Ertrag ich auch dieses Buch betrachten darf, welche
Geschichte zuversichtlich angestrebt werden müsse. Der mich mit der Gegenwart, in der die Zukunft erblüht, in froh-
traurige Ausgang der Originalitäts-Philosophien erklärte sich mütigem Zusammenhang erhält So wird mir im persönlichen
mir aus ihrem desorientierten Verhältnis zu Kant, aus ihrem Erleben der Einklang lebendig, der zwischen der Philosophie
totalen Mißverständnis von dessen Systematik, Methodik und und der Universität innerlichst besteht.
Terminologie. Eine wahrhafte Originalität, eine im Sinne Wenn anders daher die Universität die Wurzel für alle
einer kontinuierlichen Geschichte fruchtbare Produktivität Pflanzstätten des wissenschaftlichen Geistes ist, so darf man
der Philosophie erschien mir an die unerläßliche Bedingung auch hoffen, daß die Wissenschaften in der Philosophie immer
geknüpft, daß man nicht nur im allgemeinen auf Kant zurück- tiefer und williger die Wurzel ihrer Einheit und den Hort ihrer
ginge, und an ihn wieder anküpfte, sondern daß man mit Freiheit anerkennen werden.
vollster Hingabe bis in die engsten Motive hinein in das ganze
große Gefüge seiner Gedankenwelt sich einlebe. Nur wenn H. Cohen.
alle diese tiefen Motive immer wieder und stets von neuem
in strenger und freier Form ausgeschöpft und abgewandelt
werden, wird eine Originalität und Produktivität auf diesem
Gebiete Bestand gewinnen.
Daher darf ich den Sinn und Inhalt meiner Bücher über
Kant im ganzen aufrecht erhalten; und zwar neben der
scharfen Polemik, welche ich in dem vorliegenden Buche gegen
die wichtigsten Pfeiler jenes Systems verfolge. Beides schließt
sich nicht nur nicht aus, und verträgt sich nicht nur zufällig
in mir, sondern es ergänzt sich zur Einheit einer systema-
tischen Arbeit.
Endlich noch ein persönliches Wort, ohne dessen frei- •V

mütige Aussprache ich in dem Momente, da ich einen Teil


meiner Lebensarbeit der Öffentlichkeit übergebe, der Unauf-
richtigkeit mich bezichtigen müsste. Die allgemeine W^eltlage
widerspricht dem Geiste echter Philosophie, den immerdar
die Weltanschauung des Idealismus darstellt. Selbst der
deutsche Sinn ist von seiner weltbürgerlichen Richtung ab-
geirrt. Daher die Hintanstellung von Recht und Gerechtig-
keit hinter Macht und Wohlfahrt, und die Zurücksetzung der
Humanität hinter die Religion. Trotz allen diesen traurigen,
betrübenden und kränkenden Sturmfahnen halte ich die
Zuversicht auf den Sieg der Freiheit und der Wahrheit fest.
0'
Inhalts- Verzeichnis XV
VII. Die Terminologie des Denkens . 23
Die Verbindung (23). —
Kants Synthesis (25). Die Ein- —
heit und ihre Arten (26). —
Die Erzeugung (28). Sein und —
Begriff als Frage (29). —
Das Vor- Sein des Aristoteles (30).
VIII. Die Logik des Ursprungs 31
Inhalts-Verzeichnis. Nikolaus von Kues (31). —
Die Atomistik und die Infini-
tesimal-Analysis (32). —
Die Stellungnahme der Logik zur
neuen Mathematik (34). —
Das Prinzip des Ursprungs (35).
Vorrede
I
ii
— Die Logik des Ursprungs (36).
Einleitung und Disposition.
!^\^*^^ IX. Der Umfang der Logik 38
Der unbestimiüte Umfang des Reinen (38). —Die Kom-
I. Die vierfache Bedeutung von Erkenntnis ...
.
1 pHkation mit dem Bewußtsein (39). — Logik und Psycho-
Die einzelne Kenntnis (1).
— Das Allgemeine —
Das juristische Erkenntnis (1). logie (40). — Die Biologie (41). — Die Geisteswissen-
!l
- und die Einheit (2).— Das Erkennen und schaften (42).
die Komplikationen mit der Psychologie
Erkenntnis
(2). — Die reine X. Das Urteil und die Kategorien 45
(5).
Die Geschichte der Kategorien (45). —
Die Geschichte des
II. Die Geschichte des Begriffs der reinen Erkenntnis Urteils (46). —
Die Kollision mit der Grammatik (47). —
Platon, Kepler, Galilei, Descartes
und Leibniz (6). —
.
Kants Tafel der Urteile und die Kategorien (48). Das —
(7). —»ant (8). — Newton
Die Unterscheidung der beiden Welten Problem der Kategorien (49). —
Das: Verhältnis von Kate-
und die Romantik (9). gorie und" Urteil (50).

III. Das Verhältnis der Logik der reinen Erkenntnis zur XI. Das Urteil und das Denken 52
Kritik der Metaphysik Das Denken der Logik, nicht der Psychologie (52). Die —

11 Vorwegnahmen (53). —
Der Sinn der Phänomenologie (55).
Kants Kritik der reinen Vernunft (12).
— Die Logik der — Die Grenzen der Vorbestimmung des Urteils (57). Die —
remen Erkenntnis (12). Das Geschick der Logik (13)
— — unreinen Bedeutungen des Denkens (58).— Stoff und Inhalt
Die formale Logik (13). Logik und Grammatik (14).* — — Sonderung, Vereinigung, Erhaltung
des Denkens (59).
Die Identität von Denken und Sein
(15). —Der Begriff und — Das Denken Aufgabe — Ausblick auf die Psycho- (60).

die Idee (15). —


Das Bewußtsein (16), —Die Einheit des des Denkens
logie
als
(65).
(62).
— Das Urteil und die Einheit f65).
Bewußtseins m Kants Terminologie (16).
Die Einheit und der Gegenstand (67).
IV. Das Problem der Psychologie XII. Die Arten des Urteils und die Einheit der Erkenntnis
17 68
Die drei Gebiete des Bewußtseins und ihre
Einheit (17) — Die drei Bedeutungen der Einheit (68). Das methodische —
Die drei Objekte und das Subjekt
(17). Problem der Einheit des Gegenstandes (69). Die Erhaltung —
V. Der Begriff des Denkens
............ der Energie und das Grundgesetz des Denkens (71). Das —
18 methodische Problem der Einteilung der Urteile (73). —
Die Unbestimmtheit des Denkens (18). —
Das Denken der Bedenken der sachlichen Methodik (75). —
Die vier Gesichts-
Logik ist das Denken der Wissenschaft (19). —Die Frage des punkte (77).
Zusammenhangs der Wissenschaften (19). —Der geschieht-
hche Begriff des Denkens (19). —
Die Logik als Logik der
mathematischen Naturwissenschaft (20). —
Die Dialektik (21).
Erste Klasse: Die Urteile der Denkgesetze.
VI. Das Denken der Wissenschaft
und die Psychologie. 22 Erstes Urteil: Das Urteil des Ursprungs ....... 79
Der philosophische Anfang der Psychologie
Eigenart und der Eigenwert des Denkens
(22). Die — Das allgemeine und vieldeutige Interesse am Ursprung (79).
— Das ontologische Problem (80). —
Das Problem des Ge-
(23).

k
XVI Inhalts-Verzeichnis.
Inhalts-Verzeichnis xvn
gebenen (81). — Das Sein in — Das
der Frageform (83).
Etwas und das Nichts — (84). Demokrit und Piaton
pt^ bei Mathematik — Werden und Sein, Bewegung und Be-
(85). — Übergang von in oö
bei Aristoteles — (121).
— Der Ursprung und die Infinitesinxalrech.
vativum, die Vorsilben In und Un
y.^
— Piatons i (87).
(86). pri- harrung
nung (123).
(122).

Die Fluxion und das Unendlichkleine (124).

und die Unsterblichkeit — das unendliche Urteil
(87).
ivü7r<5»eTov
Das Infinitesimale und die Kontinuität (125).
Gegen —
den Wissenschaften — Der Mißbrauch in
Anschauung und Ausdehnung (126). —
Das Infinitesimale
— und
(89). das Miß-
verständnis — Das Denkgesetz
(89). Schutz gegen
(90). — Die Namen für das Sein — Die
(127).
das Gegebene - Die Kontinuität und die Wissenschaft-
(91).
als Realität (126).
drei vorbereitenden Problemarten (129).
— Das Tangenten-
liehe Methode — Die Momente des Denkens im Ur-
(92).
Problem (129). —
Die Analogien zum Punkte bei der Reihe
sprungsurteil (93).
und bei der Beschleunigung (130). —
Unterschied von der
Zweites Urteil: Das Substanz (130). —
Die Bedenken gegen die Substanzialisie-
Urteil der Identität 93 rung der endlichen Zahl (131). —
Die Bedenken aus dem
^'l die
i?®1*i*^^
Denken und im Sein (93).
'"^
- „Dasselbe" — Gesichtspunkte der Subjelctivität (132). — Die Ciefahren
und Idee (94). Die „Übereinstimmung- bei Aristoteles
dieses Bedenkens (133). —
Das Schicksal des Realen und
X?'*^J^^"""^
^^^^' ^^« —
Vorstellung und die Einheit die Analysis des Unendlichen (133).

Differenz der infini-
^o^^
n i"T.^® ß^jahung als Affirmatio (96). Die Fragen und — tesimalen Realität vom Ursprung (134). —
Realität und Be-
Bedurfnisse gegenüber dem Einen Identischen (97). N!lcht — —
Realität und Kontinuität (136). Realität —
^atz; nicht Verbindung (von Subjekt
und Prädikat) (97). — harrung (135).
und Einheit (137). —
Die Kategorie der Zahl (138). Die —
pie Terminologie und ihre Geschichte
(100). Identität — Realität als reines Denken (139). —
Die Ordnungen des Un-
^'''^-
"" ^""^ ^^^*^''^"" ^" ^^'• endlichkleinen (139). —
Die Realität der sittlichen Erkenntnis
lLiTäMio''3^''*''''''
(140) Das Analogon der Natur zur Realität (141)- Das —
Drittes Urteil: Das Urteil des Individuum (142). —
Der sprachliche Ausdruck und das
Nicht und Nichts (104).
Widerspruchs
~
Nicht Urteil über ein Urteil (105).
104
Absolute (143). — Die Einheit (143).
144
Wo«^. ffn^.**^'
Instanz (106).
Widerspruchs (106).
— Die Vernichtungs-
Der verbale Sinn des Widerspruchs (108).
- Zweites Urteil:
Vielheit —
Urteil der Mehrheit
Das
Die
(144). Mehrheit und die Korrelation von
Die
-.Verwerfung nicht Unterscheidung (108). Das Privatio — dx und X — Der Inhalt
(145). — Die Idee der Ver-
(146).
- schiedenheit (147) — Die Bedeutung des + " ,^*^
Z
der ^vT^I^
^'^^^-
Entwicklung (110).
Zusammenhang mit dem Problem
~
Das Problem der Veränderung Kategorie der Zeit — Kants Begriff derInhalt
(149).
— Die Zeit und der
Zeit —
--
^^If)'
(150).
und der Gegensatz (111). —
Die Kategorien des Liegens (112) Die Modi der Zeit (151).
— Vorwegnahme
(152).
(154).
~9^^^^^'^^«"^a^t Stellung zum Satze des Widerspruchs Nicht Nacheinander und Folge (153).

^ •
uT"
^as Problem der Veränderung (114).
Piatons — — Das Zeichen +— — Die Stufen der Erzeugung—
(155). in

gegenüber dem Problem des des Inhalts Die Zahl und die Empfindung
(156). (157).
Irrtums (115). —
Stu^?MiJ''"'x?T"°^''^"
Nicht Mangel und Beraubung (115). — Die Zahl und die Einheit — Die Einheit der gebrochenen
(158).
P^"*,^*^™"s (116).
Des-
- Die Kontinuität der Zahl (159).— Die Fortsetzung der Stufenfolge
— Das Additions-Theorem
der Ten-
— in
Mot?ve''?n h'' Weltgeschichte
zl^Xn^Tnnt^ (116). - Zusammenhang denz der Mehrheit (160).
— Zahl, Zeit und Widerspruch
(161).
zwischen Kontmmtät und Widerspruch
(117). — Die Urteils- Der Stellenunterschied
— Verschiedenheit nicht
(161).
— Gegen-
geTeL ai^r"*n ^
^^^ ^-^-^-^-- -d die Denk- (162) Kategorie
- Wiederum die Stufen
(162).

ni? n!
Die
^®''^Vr'^'
i.*k1*
Qualität TUrsprung und die Kontinuität
als Grundlage des Denkens
(119). — satz und Widerspruch
— Die Diskretion
(163).
— Diskretion und Kontinuität
(164).
(164).
(165).
(120).
— Der Gegensatz und die Variabilität — Das Einzelne —
(166).
Zweite Klasse: Die Urteile der
Mathematik.
(168).
— Die Induktion und Ge-
— Die Einzigkeit — Besonderheit,
(170). (170).
societas
Die Besonderheit (171).
Erstes Urteil: Das Urteil der
Realität ... 121 Seilschaft (171).
"^'^ ^'^ Beziehung auf die Drittes Urteil: Das Urteil der Allheit
174 .».-.....
Piysik'^rm!
i-nysik (121). -- Unterschied i"
H^*^'"11*!? der alten und der neuern Das Allgemeine (174). -
Der Syllogismus (174). Das —
Ganze und das All (175). -
Die Zahl (176). Die Irrational- -
I

XVIII Inhalts-Verzeiehnis Inhalts-Verzeichnis XIX


^'^ '"*>• - Die unendliche Reihe
^^'•'* — Die Bedeutung der Unbekannten
?17q>
*

~ 'ir~
^onvergenz und Divergenz.
Gleichung
— (221).
— Statt A + B x= — Das
(222).
180
180 _ Die Gegensätze Allheit und Grenze
_ Gerade X und dx (223).
— Die Dynamiky
jetzt (223).

— Gerade und Krumm (1R1\ mTu UnSe


.
(180). und "-""Seraae Problem der Bewegung (223). Galileis (224).
(l«l).
— Trendelenburgs „konstruktive Bewegung" — Die (225).
finitesimalrechnung (181)
das Iiitecral MS9>
^Der DiLiTn,^?^'^. ^"-
"'"erential- Quotient und
"""^
Bewegung und die Antizipation der — Die Be- Zeit (226).
zum Gegenstand
i^.k u -f
Mehrheit und Allheit im Verhältnis wegung und der Wille — Zwei Arten des Bewußtseins
(227).

ffiuSer
18"^^
Verschiedenheit der Körper (227). — Das Problem der Gegenwart — Der metho- (228).
in der
hang der
Natur äsi^
Vrie».^fZS^rssfZ'^:'i^J^^^^^ dische Begriff der Bewegung — Die Bewegung und
(229). die

_ Vom Substanz — Die Auflösung des Verhältnisses von Zeit


(230).
(186)
Das
Integral zu einerneuen
Raumproblem. Das Innere und das Kateaore nsf» ~ und Raum — Die Auflösung des Raumes
(230).
— in die Zeit-
Äußere m««>'
ü "^»-^""ere — (231). — Bewegung, Veränderung und Erhaltung (231).
Pythagoras und Descarte« m»q> (188).
Die Bewegung imd Koordinaten- Geometrie
die — Die (232).
Stellung als Quellen
RÜmis ä9?,™^
des H "« """•
""«es
^''^-

T Substanz Erhaltung — Die Stufen der Inbalts-


^Qn
schaftliche Obieltte
-
KoL' •'' wissen-
bildung
als
(235).
(233).
— Anstatt Immanenz: Korrelation — (236).
Er.edigu„g'dt%Si;;,fCuVgTu4"^^^^^^^^^
11111 Vereinbarung mit der Kategorie des Ursprungs — Die (237).
geometrische und physikalische Bewegung
die — Ver- (238).
von der Zeit (m) - n£ ~ ^"'"''='»'«<1 «i« Raumes wandlung — Die Trägheit und Beharrung
(239).
— die (240).
l^gi^hen V^ra'r^
«?l"
Die Materie — Die Imponderabilien
(241). — Die (243).
Beharrung und Kontinuität
die — Die Beharrung(243).

samt"n?i\r^^,r;'-r|J--^^^^^^^^^ und Erhaltung


die — Die Selbstverwandlung der
(245).
Raum (200). — ~ Kraft- ^^'^ Substanz — Inhärenz und Akzidenz
(246). — Die (246).
liche
Da<! Pin. „^^ i^ ,V*J
_ lJnteS-h1,H ^^^ X"'* ^as Unend-
'•
"""^ Eigenschaften und das Ding — Essenz und Existenz
(247).
(200)
Spinoza (201). -iTmUeit ITsim'T"'^''' _ '^Ol). (248). — Das kategorische — Subjekt und
Urteil (249).
Recht __ Der Volksfieisfrln^^^ "»'' Prädikat — Subjekt und Objekt
(250). — Das Sub- (251).
Person
(202).
(204). Zi,Jm7.£i ^ ~"^^'^ ^*^^*
* " juristische jekt und Seele
die — Die Handlung und das sitthche
(252).
Subjekt (253).
moralischen Person ^204rnr^n™".?^'" «««'"ät der
Urteils (205). - En DenL"::..^!. ^'J^^'*' '^^' allgemeinen
Zweites Urteil: Das Urteil des Gesetzes . ^ 254
(205). -'Übergang
von den ^'^^*
IlrtM.^'*!,"'' ^" ^"^""tät — Die Gesetze der Be-
zu den Urteilen dir m,tS '«" der
Mathematik Die Substanz als Vorbereitung (254).
Schaft. Die Ouanfit« H. ^'"^""''*" Naturwissen- wegung — Der Nomos
(255). — Die ungeschriebenen
(255).
Prinzip (208)
^"^"*'*" •^«'- Große (207).
Axiom und - Gesetze — Das Axiom
(255). — Die mathematische
(256).
Naturwissenschaft und die Prinzipien — Die Er- (257).
fahrung — Das Gesetz Kategorie
(257). — Die
als
— (259).
^'^
wissÄft.'"''
""^'"^ ''' -athematischen KausaUtät — Die Kraft
(260). — GaUlei (261). (262).
Na.ur-
Leibniz — Die Ursache
(262). — Hume — Die
(264). (264).
Erstes Urteil: Das Urteil der Substanz Sukzession — Die Akoluthie
(267). — Das hypo- (268).
210 thetische Urteil — Die Bedingung
(269). — Lamberts (270).
Ansicht — Kants Synthesis
(272). — Die Verbindung (274).
Substanz bei Aristoteles
(212r ^^^^t^"»"*« (212). Die _ als Gleichung — Die Funktion
(275). — Die Funktion (276).
(213). _
Descartes- analytische 7en^.f " ""."^ Bewußtsein • als Kategorie — Die gegenseitige Abhängigkeit
(278). (279).
Substanz (214) r »ihi- „ °™**"^ ""<• die doppelte — Die Voraussetzung der infinitesimalen Kontinuität (280).
lebendigen' Kra,tl21 5"" Re/ """'"' ""'' '»-'' Prinz.^'^der — Die Verschiedenheit des y (281 — Die Leistungen der — ).

Kants Versetzung
uidv7rwMdlnn"o ""^''".^"'«'« '^16). _ Funktion — Voraussetzung der Erhaltung
(282). (284).
Der Grundzug von
Kants KriHk^of«?''
Substanz (217). _ Die Kausahtät Kategorie
als — Der Zusammenhang
(285).
(219). _ VeLhiedÄ c^iiuciL und VerifnH~
una
^'^"""^
Veränderung (220).
^'='<»«n der Bedingungen (286).— Die unstetigen Funktionen
Die Energie — Energie und Substanz — Die (289).
(287).
Die (288).
XX Inhalts- Verzeichnis Inhalts- Verzeichnis XXI
Energie als Kategorie (291). — Die Eleatische Paradoxie griff des Gegenstandes: das Wesen (350). Der Begriff —
(292). —
Das Problem der Umkehrbarkeit (293). Die — und der Zweck (351). —
Der Zweck bei Aristoteles (353). —
extensive Größe und die intensive Realität (294). Hertz — Der Kampf gegen den Zweck in der Neuzeit (356). Die —
und Boltzmann (296). —
Einstein (296). -— Rückblick (299) Teleologie Kants (357). — Die formale Zweckmäßigkeit
— Das Gesetz in der Ethik (299). —
Die Voraussetzung des und die Kausaütät (359). — Die Nachfolger Kants — (360).
Willens (300). —
Die Freiheit des Willens (301). Die — Die Anpassung der Methoden — Zweck und Begriff
(362).
Moralstatistik (302). —
Das hypothetische Urteil bei Aristo- (363). — Spezies und Idee — Die eigentlichen
(363).
teles (302). —Die Stoa (303). —
Das neue Denkgesetz (304). Begriffe — Die Mittelglieder
(365). — Die Logik (365).
— Leibniz; Grund als Grundlegung (304). Die Termini — der Systematik — Darwin
(366). — Formeln und (367).
für das neue Denkgesetz (306). —
Leibniz gegen Newton Gesetze — Unterschied vom Monismus
(368).
— (370).
(307). — Gott gleich dem Intellekt, nicht gleich dem Willen Der Stoffwechsel — Die physiologische Optik und
(371).
(308). — Der Erfolg Humes (308). —
Das a priori (309). die Physik — Doppelheit von Zweck und System
(371).

Das (372). — Die Induktion — Die Induktion —


(372). als
Drittes Urteil: Urteil des Begriffs

310 Anpassung — Das Problem des Einzelnen
(374). (375).
Die eigene Urteilsart des Begriffs (310).
— Die Kategorien Zusammenhang von Induktion und Zweck — Die (375).
und derBegriff (312).

Die Idee und der Begriff bei Kant
— Logik des Begriffs — Der Psychologismus des Be-
(376).
(313). Fichte, Schelling und Hegel (314).
— Der Begriff griffs (377).— Der Begriff Frage — Unterschied
als (378).
als Kategorie (315). Das Seiende als Allgemeinheit und
— — zwischen System- und Allheit — Die Einteilung und
(379).
als Einzelnes (315). Subjektiv und Objektiv (317).
— Der
— Gliederung — Die Wesentlichkeit der Merkmale
(379). (380).
Gegenstand (318). Der Gegenstand überhaupt (319).
— — Der Stammbaum bei Darwin — Die doppelte Be-
(381).
Der Gegenstand der Erfahrung (320).

Die Einheit des
— deutung der exakten Begriffe — Die Struktur des Be-
(381).
Gegenstands (321). Der Körper (321). Die beschreibende
— griffs im disjunktiven Urteil — Disjunktion, nicht
(382).
Naturwissenschaft und die Chemie (322).
— Die Einheit des
— Kontinuität — Unterscheidung des disjunktiven vom
(384).
Lebens (323). Die Kategorie des Gegenstands (324).
— — hypothetischen Urteil — Disjunktion und Zweck
(384). (385).
Das System (325).
Das Atom als System (327).
Das All und das Ganze (326).

Die Vektoren (328). Der — — Anwendung auf die Geschichte — Die Mannig- (386).
der Begriffe und die Einzigkeit des Sitten-
Pantheismus (328). —
Die Totalität (329). Die Kausalität — faltigkeit sittlichen
— Warum oder Damit — Mittel und
(330). —
Gesetz und Begriff, Bedingung und Gegenstand,
gesetzes
Zweck
(387).
— Der vollendete Sinn der Gliederung — (389).
(390).
Funktion und System (330). —
System in der Dynamik (331).
(389).
Disjunktion und Kopulation — Die Gemeinschaft
— Die gegenseitige Abhängigkeit (332). —
Die äußere Kraft
(391).
— Das Reich der Zwecke und das Reich der End-
(332). —
Die Gegenseitigkeit als Reaktion (333). Der — (392).
zwecke — Das Denkgesetz des disjunktiven Urteils
Fortschritt in den drei Leges Newton's (334). Der Inhalt — (392).
— Unterschied von Non-B und — Was
des dritten Gesetzes (335). —
Die Proportionalität (336). — (392).
Drittes ausgeschlossen wird — Das Denkgesetz des
jitj-B (393).

Die Reaktion, das System, der Gegenstand (336). Die — als


Systems
(394).
— Der Fortschritt der reinen Erkenntnisse
konservative Energie (338). —
Die Kausalität als Sukzession
(395).
— Zusammenhang von
(396).

(338). —
Die Monade und das Universum (339). Gesetz und — Die Klassifikation der Urteile
Urteil und Kategorie
(397).
— Das Rätsel im Worte Wahr-
Begriff —Wechselwirkung
(339).
— Die Grenzen der Kausalität nicht— Rückwärtsdrehung (340). heit (399).
(398).
— Erfahrung, Theorie und Forschung — (400).
Neuer Zusammenhang
(241).
von System und Begriff — Die
(342).lebendige Natur.
Die Kritik (402).
Leben, Seele und Bewußtsein — Die
— Die Form Lebewesen
(342). in
Vierte Klasse: Die Urteile der Methodik.
Gattungen und Arten (343). - — Begriff (344).
und Idee: Leben und Bewußtsein — Die Universalien
(344). Erstes Urteil: Das Urteil der Möglichkeit 404
(345).— Identitätsphilosophie, Monismus und Neo- Vitalismus Die Megariker —
Aristoteles' dualistische Substantiali-
(404).
(345).— Der Systemkörper und der chemische Körper sierung der Möglichkeit (404). —
Die Paradoxien bei den
— Das Problem des Lebens — (346).
Die Möglichkeit in—
dividuums — Der Organismus Die Kategorie
(348).
(347). des
— Der neue Be-
(349).
In- wissenschaftlichen Philosophen (405).
der Substanzlehre des Aristoteles (406). — Zusammenhang
«•«••-

XXII Inhalts- Verzeichnis Inhalts- Verzeichnis xxni


mit der Negation (407). —
Unterschied von Essentia und Zweites Urteil: Das UrteJ der Wirklichkeit 454
Substantia (408). —
Leibniz Unterscheidung des Possibile vom
Compossibile (409). —
Das Mögliche und das Praktische Die Möglichkeit analog dem Ursprung (454). — Der Anspruch
(410). — Das ontologische Argument (410). Gott bei — der Empfindung (455). —
Empfindung und Denken als Arten
Descartes (411). —
Die Möglichkeit dei Physik (413). Der — der Bewußtheit (456). —
Demokrit gegen die Empfindung
Sinn von Kants Unterscheidung zwischen Analytisch und (456). —Piatons Idee des Daseins (457). —
Der Himmel als
Synthetisch (413). —
Die systematisch-ästhetische Möglich- Paradigma für die Mathematik (458). —
Das Problem des
keit (415). —Die dialektische Bewegung (416). Fichtes — Daseins für das Sittliche (459). —
Die Unterscheidung von
Selbstbewußtsein (416). —
Kants Einheit des Bewußtseins Leibniz zwischen verites de fait und verites de raison (460).
(417). — Die Stellung der Empfindung (418). Das Ding — — Der Terminus der Erfahrung (460). —
Humes Unter-
an ßich (419). —
Das Bewußtsein als Kategorie (420). — scheidung der relations of ideas und der matters of fact (461).
Unterscheidung von Bewußtsein und Bewußtheit (422). — — Herders Tatsache und Fichtes Tathandlung (462). —
Die Grundrichtungen des reinen Bewußtseins (424). — Die Kants Bezugnahme auf die Empfindung (462). Der syn- —
Bewegung als Verbindung von Denken und Wollen (425). — thetische Grundsatz der Wirklichkeit (463). Die Ver- —
Das ästhetische Bewußtsein (426). —
Die Psychologie als das legung nach außen (464). —
Die Reaktion auf Reize (464). —
systematische Glied von der Einheit des Kulturbewußtseins Die Grenzen der Empfindungen (465). —
Die spezifische
(427). — Die Kritik und die Grundlegung (428). Die — Energie der Sinne (466). —
Die Komplikation der Empfindung
Arbeit der Forschung (429). —
Die Hypothese (430). Die — mit der Vorstellung (466). —
Die Empfindung als Ausdruck
Unterscheidung der Hypothesen (431). —
Die Ermöglichung des Bewußtseins (467). —
Die Wahrnehmung und das
neuer Erkenntnisse von neuen Gegenständen (431). Be- — Schließen (467). —
Die unbewußten Schlüsse (468). —
wußtsein und Denken (432). —
Die Zeit und das Bewußtsein Physiologie, Psychologie und Logik (468). —
Das Desiderat
(433). — Das Problem der Empfindung (434). Wechsel- — des Einzelnen (470). —
Das Einzelne als kritische Kategorie
seitige Beeinflussung von Psychologie und Logik (434). — (471). —Die Anerkennung des Anspruchs bei Piaton (472). —
Die einzelne Leistung und der allgemeine Anspruch der
— Die Isolierung des Einzelnen (473). —
Das Problem der
Empfindung (435). Die Tendenz aller Kategorien auf die
— — Existenz im ontologischen Argument (473). —
Die Einheit
Empfindung (437). Die Möglichkeit des Äthers (438).
— von Essenz und Existenz (475). —
Kants Kritik des onto-
Die Interferenz (438).
— Der Anspruch im Begriffe der logischen Beweisgrundes (475). —
Die Kategorie der Größe
Empfindung (439). Robert Mayers Verhalten zu Substanz,
Energie und Masse (439). — (476). —Größe bei Descartes und bei Leibniz (476). Unter- —
Die unsinnliche Masse von Hein- scheidung zwischen der extensiven und der intensiven Größe
rich Hertz (440). —
Das Atom als Musterbeispiel der Hypo- _ —
Kategorie oder Grundsatz? (478). Die Wirklich-
these (441).— —
Faradays Bestreitung des Atonis (442).
(477).
keit, das Einzelne und die Größe (478). — Unterschied
Faradays Bestreitung der Fernkraft (443).— Der Begriff des zwischen Maß und Größe — Kants Schematismus
Maßes — Das ästhetische Metrum
(443). — Das Metrum (444).
(479).
— Der Sinn der analytischen Geometrie — Die Verein-
(479).

bei Proklus — der Maxima und Minima


(480).
— Das einzelne Raum-
(445). — Gleichheit Die Theorie
(444).
— Der vorausgesetzte Grundsatz
(445).
barung von Zahl ud Raum
— Die Lage und Praecisio
(480).
— Das
die Rechnung
Infinitesimal- — Der gebilde (481). die
— Der Zusammenhang der
(481).

— Das PrinzipUnterschied
füi' (446). Denkgesetz der Gleichheit (482).
zwischen Maß und Zahl
— Das Kräftemaß (446). der Rezi-
— Das Prinzip Größe mit der Gleichheit — Die Formel des ersten
prozität (446).
— Das Problem der
(447). Axioms (483).
(483).
— Das Sein des Dritten im Axiom —1. (484).
der Kontinuität

das Maß
als (447). Der Grundgedanke der Koordinaten- Geometrie — Die (484).
Psychophysik
— Das Vorurteil von derBewußtsein
(448). und Empfindung
Unmittelbarkeit der Empfindung
(449). Strecke — Die Wirklichkeit und Realität
(485). die— (486).
Der Unterschied der kritischen von den naiven Kategorien
(450). — Die Unterscheidung — Die äußere und
(451). — Die Wirklichkeit und der Index der Empfindung
die innere Psychophysik — Die Psychophysik
(451). und
(487).
— Die Qualitäten der Empfindung — Die
die Bewußtheit — Die Unmöglichkeit
(451). — (452).
(487).
Schwingungen und die infinitesimale Kontinuität — (488).
(488).
Der sittliche Glaube an die geschichthehen Möglichkeiten Die Vereinbarung der Größe mit der Kontinuität — (489).
(453).
Die Vereinbarung von Größe und Maß — Die Be-(490).
XXIV Inhalts- Verzeichnis Inhalts-Verzeichnis XXV
gründung durch vereinigte Mathematik erhebt über die (523). — Der falsche Gegensatz von Wissenschaft und
bloße Möglichkeit (490). —
Das Problem der Größe an der Forschung (524). —Das Verhältnis des Allgemeinen zum
Empfindung selbst (491). —
Der falsche Begriff der inten- Einzelnen (524). —
Der neue Weg der Notwendigkeit (524).
siven Größe (492). —Der Ersatz der intensiven Größe durch — Die Zusammensetzung der Urteile für den gesetzlichen
das Äquivalent (493). —
Das Grundgesetz der Energie (494). Zusammenhang des Einzelnen und des Allgemeinen (525). —
— Die Wirklichkeit in den Geisteswissenschaften. Die neue Aufgabe der Verknüpfung, als Deduktion (526). —
Der Spiritismus (495). —Die Geschichte mit der Chronologie Der Beweis (526). — Das apodiktische (apodeiktische) Ur-
(495).— Das oder der Einzelne; das ethische Grundproblem — Die Rechtfertigung der speziellen Gesetze (528).
(496).— Das Zeugnis im Recht (496). —
Die einzelne Person
teil (527).
— Der logische Grundwert des Beweisverfahrens (528). —
und die einzelne Handlung (496). —
Zeit und Raum in der Nachteil der reinen Anschauung (528). — Das Vorurteil der
Geschichte (497). — Die Wirklichkeit in der Ästhetik. Induktion (529). — Unterschied Newtons von Kepler (529).
Die Natur und das Ideal (497). —
Die Anschauung (498). — — Die Entwickelung (530). — Die Teilungsentwickelung
Die Intuition (500). (530). — Die absolute Totalität der Bedingungen (531). —
Drittes Urteil: Das Urteil der Notwendigkeit .... Der Fehler der absoluten Notwendigkeit (531). —
Die Auf-

501
lösung des Motivs der alten Metaphysik (532). —Das Un-
Die ungeschriebenen Gesetze (501).

Der Ursprung der bedingte ist auch nicht aufgegeben (532). — Die Struktur
Tragödie (501).

Demokrits Verbindung von Notwendigkeit des Beweises (533). — Descartes und Leibniz über v^rites
und Logos (502).

In der Idee tritt die Notwendigkeit
— (533). — Das syllogistische Schlußverfahren (533). — Die
zurück (502). Die formale Logik des Aristoteles (503).
— Aufstellung der Induktion gegen die Syllogistik (534). —
Stilunterschied zwischen Piaton und Aristoteles (503).
Die Induktion bei Bacon (535). — Die Folgerung und der
Das „unbeschränkt Allgemeine und das streng Notwendige**
— — Syllogismus (535). — Die Folgerung nach der Qualität (535).
(505). a priori und transzendental (505).

Das Einzelne — Die Folgerung nach der Quantität (536). —Alle als All-

in seiner Mannigfaltigkeit (506). Der allgemeine Fall (506).
Die differentia specifica von Notwendigkeit und Wirk-
heit oder als Allgemeinheit? (536). — Die Allgemeinheit des
lichkeit (507). — Das An sich (507). — Der Modus bei Spinoza
Urteils, aber weder die des Subjekts noch die des Objekts,

(507).— Die Naturgesetze und die reinen Erkenntnisse (508).
ist das neue Problem (537). Die Allgemeinheit im Unter-
— Das Einzelne und die Notwendigkeit in der Mathematik
schiede von der Allheit, wird der Notwendigkeit dienstbar
— — —
(509).— Die Forschung im Versuche (510). — Die Wieder-
(537). S ist X für P (537).
— S ist nicht Anzahl (538).
holbarkeit (510). — Die Induktion (511). —Folgen (sequi)
Das einzelne Urteil (539).

Anstatt der Mehrheit die Be-

und Folgern (512). — Der Organismus (512). — Induktion
sonderheit (540). Die Besonderheit als Kategorie (540.

und Deduktion (513). — Deduktion und Kausalität (513). — Die Besonderheit ist nicht Mehrheit (540).

Unterscheidung
Connexion necessaire (513). — Kausalität und Funktion
des Besonderen vom Allgemeinen (541).
— Einige S. . (542).
.

(514).— Kausalität und Notwendigkeit (514). —Nicht not-


Besonderheit die Fehlerquelle der Folgerung und der
Syllogistik (542). — Alle Menschen werden Brüder: dies
wendige Verknüpfung, sondern Verknüpfung der Funktion
— - Notwendigkeit nicht = a priori (515). — meint jeden Menschen (543). — Die Allgemeinheit schließt
(515). Die eigene
— die Ausnahmefälle aus (544). — Die Grundlage des kategori-
Bedeutung des Urteils der Notwendigkeit (516).
— Die Viel-
schen Urteils (544). — Die Identität der Begriffe und die ge-
deutigkeit des Gesetzesbegriffs (517).
rakter des Axioms (517).— Der logische Cha-
schichtliche Wirklichkeit. (545). — Die Ablenkung der Be-
die Lehrsätze (518). —
Die Prinzipien der Mechanik und
jahung in das kategorische Urteil (545). — Alle Studenten
lichen** bei Kant (519).—
Der „Zusammenhang mit dem Wirk-
sind Menschen (546). — Die fehlerhafte Auffassung der Not-
Erfahrung (519). —
Die allgemeinen Bedingungen der
Das Naturgesetz (520). — wendigkeit (546). — Der Sinn der Notwendigkeit bei den
nur, wo auch Induktion (520). —
Deduktion
Axiomen (547). — Die Koordination der Kategorie und der
nach Zahl und Art der Gesetze (521).
Die Frage der Forschung
— Urteilsart (548).— Die Notwendigkeit erzeugt aus der All-
— Der Sinn der Ge-
gemeinheit die Besonderheit (548). — Die Regeln der Folgerung
setze (521). Zusammenhang zwischen dem Allgemeinen,
dem Gesetze und dem Einzelnen (522). — (548). — Die Äquipollenz (549). — Die Opposition (549). —
geboren (523). — a priori und an-
Der falsche Nebensinn des Empirischen Die Subalternation (549). — Die Kontraposition (550). —
Die
Konversion (550). — Die conversio per accidens (551). —
Die
XXVI Inhalts- Verzeichnis
Inhalts-Verzeichnis XXVII
Umkehrung als Erzeugung der Besonderheit (551). — Die (577). —
Das Verhältnis des disjunktiven zum kategorischen
Korrelativität der Allgemeinheit und der Besonderheit (552).
Obersatze (577). —
Der Fortgang der biologischen Forschung
Die Syllogistik 553 (578). —Der falsche Schein im Entweder-Oder (578). —
Die drei Sätze (553). — Die drei Begriffe (553). — Der Unter- Ein neuer Sinn der Regel der Konversion (578). Die Fragen —
schied des Einzelnen vom Allgemeinen (554). —Keine sym- nach Umfang und Inhalt und dei indirekte Beweis (579). —
bolische Quantität des Einzelnen (555). — Die Figuren (555). Der Stammbaum der Arten (579). —
Eine Frage des psycho-
— Die Modi (556). — Der Mittelbegriff als die Vertretung logischen Vorurteils (579). —
Das Problem des Zufälligen
des Besonderen (557). — Die Vermittelung zwischen dem (580). — Die Unterscheidung wesentlicher und unwesent-
Einzelnen und dem Allgemeinen durch den Mittelbegriff (557). licher Merkmale des Begriffs (580). —
Die Bedeutung der
— Der Begriff des Menschen als besonderes Gesetz (558). — kategorischen Notwendigkeit als Allgemeinheit (580). Die —
Die Skepsis gegen den Obersatz (558). —Der Zusammen- hypothetische und die deduktive Autonomie (581). Die —
hang der drei Kategorien (559). — Die Bedeutung des Syl- disjunktive Gemeinschaft der sittlichen Kultur (582). Die —
logismus für das Einzelne (559). — Das eigene Problem des Stufenfolge der kritischen Urteilsarten (583). Die Dis- —
Untersatzes (560). — Die Leistung des Mittelbegriffs (561). — position des kategorischen Obersatzes für die anderen Arten
Die Bedeutung des Besonderen für das Einzelne (561). — des Syllogismus und die Analogie zum Urteil des Ursprungs
Das Bild des Syllogismus (561 ). —Die Einteilung der Schlüsse (583). —Der logische Charakter des Syllogismus (584).
(562).— Der kategorische Syllogismus (562). —
Der kategori-
sche Obersatz (563). — Die angebliche Erschleichung (563). Beschluss und Begrenzung.
— Der Wert des kategorischen Obersatzes (564). Der — I. Die Logik des Urteils
Subsumtionsschluß als Alternation (564) —
Nicht alle S

585
sind P, sondern alle M sind P (565). —Der Grund des Irrtums,
Begriff und Schluß im

Urteil (585). Der Vorzug des
daß die Mathematik auf Induktion beruhe (565). Der — Urteils (585).

Die Entwickeluuij und ihre geschichtlichen
Vorzug und die Fehler von Fries (566). —
Der kategorische
Motive (586). Die Unterscheidung der formalen Logik
von anderen Arten (587). —
Das Urteil des Ursprungs, der
Syllogismus als die allgemeine Schablone des Schlusses (566).
— Realität und das Gegebene (587). —
Unser Eleatismus (588).
Der kategorische Schluß als die Grundlage für den hjpo-
thetischen und den disjunktiven (567). — — Die Aufgabe der Logik (589). —
Die Energie (589). —
Unterschied des
hypothetischen Obersatzes vom hypothetischen Urteil (267).
Das System der Reaktion (590). —
Der Gegenstand und der
— Zweck (590). — Die Urteile der Methodik der Forschung

Die Vorzugsstellung der hypothetischen Obersätze (568).
Aristoteles' Verwerfung des hypothetischen Schlusses
(591 ). —Streichung des allgemeint^n und des einzelnen Urteils
(568). — Beeinflussung des Proklus (569), —
Die Zerlegung
bei der Quantität und ihre Wiederaufnahme bei der Modalität
— Die Notwendigkeit der
des mathematischen Beweises bei Euklid (569). —
Geschicht-
(593). Deduktion (594).
Uche Bedeutung der Elemente Euklids (569). —
Der Grund Die Logik des Idealismus
des Unterschiedes von Axiom und Theorem (570). —
Unter-
II.
Idealismus, aber nicht des Bewußtseins oder des Selbst-
594
scheidung: 1. zwischen Axiom und Postulat, 2. zwischen
Postulat und Aufgabe; 3. zwischen Aufgabe und Lehrsatz bewußtseins (594). —
Die Verbindung der systematischen mit
(570). -- Die Konstruktion (571). — — der historischen Entwickelung (595). —
Piaton und Aristoteles
Die Definition (571).
Die Implikation des hypothetischen Obersatzes (571). — (595). — Die zwei Gegensätze in der Philosophie (595). —
Die neuen Ober- und die neuen Untersätze im-mathentatischen Descartes und Leibniz (595). —
Kants transzendental-
Beweise (572). — Die Mathematik das Vorbild der apriorischen a priori (596). — Die Logik des Ursprungs (596). Wider- —
Peduktion (572). — Die Induktion wird nicht als Induktions- spruch zum Psychologismus (597). —
Das Ausgehen vom
schluß gedacht (573). — Der disjunktive Syllogismus als der Bewußtsein oder aber von den reinen Erkenntnissen (597). —
der Induktion (574). — Der Vorzug und der Fehler bei Fries Evolutionismus und Nalivismus verbinden sich (598). Die —
— Der Schluß von n auf n+1 (575). —
Der disjunktive Beschränkung auf die Empfindung (598). —
Die Logik und
(575).
Syllogismus ist der der biologischen Induktion (576). Der — die Wissenschaften (599). —
Der Ideahsmus als der wahr-
disjunktive Obersatz (576). —
Der Untersatz als Verwandlung hafte Realismus (599). —
Das falsche Problem der Psycho-
logie (600). — Der Phänomenalismus (600).
XXVIII I nhalts- Verzeichnis

III. Die Logik und das System der Philosophie. . . . 601


Sokrates, der Begründer des Systemgedankens (601). — Die
Einheitlichkeit aller philosophischen Probleme im Schwer-
pnnkte der Logik begründet (601). — Der geschichtliche
Grund für die Logik als Grundlage des Systems (601). — Der
Anspruch auf die Möglichkeit der Lösungen (602). — Die
Einleitung und Disposition.
allgemeine Vernunft (603). — Der xVgnostizismus der modernen
Metaphysik (603). — Die Zweideutigkeit in den Denkgesetzen
(604).— Logik und Metaphysik in Einheit (605). — Der I. Die vierfache Bedeutung von Erkenntnis.
Protestantismus Kants (605). — Die Metaphysik des Ab-
soluten (606).— Logik und Ethik (607). —
Die systematische
Erkenntnis, das wichtigste Wort der Sprache, hat trotzdem
Selbständigkeit der Ästhetik (607). — Die Einheit des Kultur- nicht eine einzige, jede Zweideutigkeit ausschheßende Be-
bewußtseins in der Psychologie (609). —
Die Einheit des deutung im wissenschaftlichen Sprachgebrauch. Es dürften
Kulturbewußtseins als Grundlegung (610). sich vier Bedeutungen des Wortes unterscheiden
lassen. Und diesen vier Bedeutungen dürften vier Stand-
punkte entsprechen, welche dem Problem der Erkenntnis
gegenüber von der philosophierenden Vernunft eingenommen
werden.
Die einzelne Kenntnis. Die Erkenntnis be-
1.
erstens den einzelnen Erwerb der For-
deutet
schung, wie im gewöhnhchen Leben den der Wahrnehmung
und der Kenntnisnahme. Erkenntnis ist hier seinem faktischen
Werte nach gleichbedeutend mit Kenntnis, wenngleich die
Vorsilbe die Ermittelung dieses Inhalts anzeigt. Erkenntnis
bedeutet hier den einzelnen Inhalt des Wissens, ohne den das
Wissen ohne Gehalt und ohne Wert wäre. Es ist daher der
Zur Beachtung! Standpunkt der Induktion, der in dieser Bedeutung der
Erkenntnis sich ausprägt. Alles Wissen und alle Wissenschaft
Dem Text sind am Rande die Seitenzahlen der ersten Auflage bei-
beruhe auf dem selbständigen und zulänglichen, unentbehr-
gedruckt. Der Index von Albert Görland bleibt daher benutzbar.
lichen und unersetzlichen Werte der einzelnen Erkenntnis.
Das Allgemeine könne sich erst auf dem Grunde des Ein-
zelnen erheben. Alles Wissen sei grundlos und alles Forschen
eitel, wenn es nicht durch die Kenntnis des Einzelnen, der daher
auch diesem ihrem Werte nach die Bedeutung der Erkenntnis
zustehe, begründet und gesichert wäre.
la. Das juristische Erkenntnis. Eine Neben-
art unter dieser Bedeutung bildet der juristische Sprach-
gebrauch des Wortes. In diesem heißt das richterhche Urteil
Erkenntnis; gewiß nicht ausschließlich in dem Sinne, daß
dadurch die methodische und ordnungsmäßige Ermittelung
Cohen, Logik der reinen Erkenntnis, ü. Aofl. i
Erkenntnis als Kenninis oder Inbegriff und Einheit Erkennen kein einfacher Bewußtseinsvorgang

des Urteils, sondern vielmehr in dem, daß dadurch die reife, drittens das Erkennen. Der Inbegriff lenkt zum
gültige Lösung der obschwebenden Streitfrage bezeichnet Vorgang und zur Tätigkeit ab. Wenn das Wissen in der Einheit
werde. Man möchte einen Fortschritt in dem Bewußtsein eines Inbegriffs sich soll zusammenfassen lassen, so meint man
wissenschaftlicher Verantwortlichkeit vermuten dürfen in dem an die Einheitlichkeit des Vorgangs, in welchem das Erkennen ^

Wandel des juristischen Sprachgebrauchs von Urteil zu sich vollzieht, sichersten sich halten zu dürfen. Wenn alles
am
Erkenntnis. Wissen eine Einheit haben soll, so glaubt man die Wurzel der-
2. Das Allgemeine und die Einheit. Die selben in dem B e w
u ß t s e i n s v o r g a n g, in der Tätigkeits-
Erkenntnis bedeutet zweitens im Unterschiede vom weise des Erkennens bestimmen zu können. Und man nimmt
Einzelnen das Allgemeine des Wissens. Und wie das diese Bestimmung im Hochgefühl des Psychologismus als
Allgemeine häufig für gleichbedeutend genommen wird mit dem Beschränkung; denn nur soweit sich die Wurzel erstreckt,
Ganze n, so bedeutet Erkenntnis auch das Ganze oder den nur soweit dürfe man verständiger Weise auch die Einheit
Inbegriff des wissenschaftlichen Gutes oder des Wissens annehmen und fordern. Der Einheitswert
überhaupt des menschlichen Wissens. Der Standpunkt der der Erkenntnis erschöpft sich für diese
Induktion wird hier weit überstiegen. Denn es muß schon Ansicht in der Einheitlichkeit des Vor-
fraghch werden, ob im Gebiete und auf dem Arbeitsfelde des gangs des Erkennens. Gibt es denn aber eine solche
Geistes das Ganze gleich der Summe seiner Teile ist. Das Einheitlichkeit Erkenntnisvorganges?
des Darüber müßte
Allgemeine daher nicht schlechthin
ist dann wohl die h o 1 o g i e zu entscheiden haben ?
Psy c

gleich dem Ganzen. Und der Inbegriff des wissen- So wird das Schicksal des Wissens und der Erkenntnis an
schaftlichen Besitzes ist mehr als die Summe der einzelnen die Psychologie überwiesen. Die Erkenntnis aber verliert somit
Tatsachen des Wissens. Dieses Mehr deutet die Erkenntnis alle eigentliche Bedeutung eines Inhalts, einer einzelnen
als die Gesamtheit des Wissens an. Die Gesamtheit Kenntnis, wie vollends des Inbegriffs aller. Aus einem Objekt
wird zur Einheit. wird sie zum Verbum. Kann aber die Tätigkeit dem Ertrage
In dieser Bestimmung wird der idealische Charakter der die Einheit sichern, oder auch nur geben?
Erkenntnis noch unverkennbarer. Wenn schon der Inbegriff Die Tätigkeit des Erkennens ist keines-
nicht die bloße Summe der Summanden sein kann, so kann man wegs eine einfache. Zuerst sind körperliche Gemein-
umsoweniger verstehen, woher die Einheit kommen gefühle zu beachten, welche sich in die abstraktesten
soll. Sie kann sich nicht von selbst ergeben. Somit weist Vorgänge eindrängen. Sodann sind die Vorgänge des Bewußt-
die Bedeutung der Erkenntnis, als Inbegriff und als seins, welche zu jenem Zweck zusammenwirken, sehr
unter-
Einheit des Wissens, auf eine Aufgabe hin, schiedlicher Art. Wie sehr man auch den Unterschied verengen
welche versteckt in dem Worte liegt. Weil aber diese höhere mag zwischen der Einwirkung, die von Außen kommt,
Aufgabe in dem Worte nicht zum deutlichen Ausdrucke gelangt, und der Vorstellung, die von Innen aufsteigt, gänzlich
daß erst eine andere Bedeutung des Wortes
so ist es verständlich, aufgehoben kann er doch nicht werden. Und so kann die
dieselbe zur Erklärung und zur Klarheit bringen muß. Da es angenommene Einheitlichkeit des Erkenntnisvorgangs doch
sich aber hierbei umdas höchste Ideal und um
das tiefste nur bestehen in einer angenommenen Unveränderlichkeit der
Problem handelt, so wird es ebenso verständlich, daß sich noch Mehrheit und Mannigfaltigkeit von Vorgängen, welche bei der
eine andere Bedeutung des Wortes um
diese Aufgabe bewirbt. Erkenntnis zusammenwirken.
3. DasErkennenunddieKomplikationen Der Wert dieser Art von Einheit, bei welcher die mit-
mit der Psychologie. Die Erkenntnis bedeutet wirkenden Elemente verschiedenartig bleiben, muß aber doch
Beine Erkenntnis und Schauen
Mangelhafte Kriterien der Psychologie

wohl fraglich erscheinen. Nur wenn die Untersuchung über 4. Die reine Erkenntnis. Die Erkenntnis be-
das Erkennen es vermöchte, die zum Ganzen des Erkennens
deutet viertens die reine Erkenntnis. Der Ausdruck
„rein** ist von Denjenigen in Griechenland gebraucht worden,
beitragenden Bewußtseinsvorgänge gleichartig zu machen,
welche die Philosophie zugleich mit der Mathematik gepflegt
so daß keine Verschiedenheit bhebe zwischen der sogenannten
haben. Die Pythagoreischen Kreise begünstigen ihn, und
Empfindung und der sogenannten Vorstellung,
nur dann könnte ihr zugestanden werden, eine Einheit der
P 1 a t o n bringt ihn in den Mittelpunkt seiner wissenschaft-
lichen Terminologie. Fern bleibe der profane Verdacht, als
Erkenntnis zu erschheßen. Aber auch andere Bedenken erheben
ob das Reine leer, des Inhalts entledigt wäre. Nur der unreine
sich gegen diese Bedeutung und ihren Anspruch.
Inhalt, der kein wahrhafter Inhalt ist, bildet den Gegensatz
4 Es ist nicht nur eine unreinliche Komphkation, welche
das Erkennen mit elementaren Gefühlen in Verbindung
zum Reinen; aber auch nur in dem Sinne, daß das Reine auf den
unreinen Inhalt erstreckt werde, um ihn in reinen Inhalt zu
bringt, sondern es entsteht zugleich auf diesem Wege eine
verwandeln. Das ist die unweigerliche Beziehung, die das
5
wichtige und eigenartige Weise des Bewußtseins: die ästhe-
Reine auf den Inhalt hat. Ohne diese wird das Reine sinnlos.
tische Vorstellung der Phantasie. Wie unterscheidet sich
In den Anfängen der griechischen Kultur regt sich diese
diese vom Erkennen? Wo liegt das Kriterium des Unterschiedes?
Was unterscheidet die W^ahrheit von der Schönheit ? Tendenz zum Reinen. Die plastische Natur der Griechen
Kann die Psychologie etwa die Kriterien entdecken, oder muß nimmt dennoch Anstoß an der Alleinherrschaft der Emp-
findung. Zugleich mit dem Sinn für die Einheit er-
sie dieselben anderswoher entlehnen? Und ferner: Das Er-
kennen verbindet sich auch mit Strebungen und Be- wacht das Interesse an der Eigenart und daher am eigenen
gehrungen und kompliziert sich zum Willen. Es hat Wert des Denkens. Und während einerseits das Denken
nicht an Schulen gefehlt, welche den Intellekt und den Willen
mit der Sprache in etymologischer Verknüpfung gedacht,
gleichsetzten. Wo liegt das Kriterium für die Möglichkeit und auf dieser Bahn zur Vernunft, zum Logos wird, rankt

Welche Instanz unterscheidet sich eine andere Richtung an den andern sprachlichen Ver-
der Unterscheidung beider?
Wahrheit und Freiheit oder Sittlichkeit? treter der Vernunft an, den derNu s bildet. P 1 a t o n operiert
Man sieht, die Inhalte, auf welche das Erkennen sich bezieht, mit diesen beiden Wortbildungen, und er verschärft die Gefahr,
und mit denen es in Verbindung tritt, oder aber in Kollision indem er die mancherlei Wendungen für das abstrakte Denken
gerät, sind so mannigfach und so verwickelt, daß von diesem
doch wieder mit den mancherlei Ausdrücken für Sehen
Gesichtspunkte aus die Einheit der Erkenntnis nicht und Schauen in Verbindung setzt. Er ermögUcht diese
leicht, nicht sicher hervortreten dürfte. Der Bewußtseins- Verbindung selbst durch den umfassenden und genauen Ge-
vorgang des Erkennens, als solcher, läßt sich nicht so isolieren, brauch, den er vom Reinen macht. Neben dem reinen Denken
daß er die Einheit des Inhalts der Erkenntnis darstellen und gibt es bei ihm auch reines Schauen. Die Sinne werden nicht
so verworfen, daß sie der Reinheit entrückt, der Kompetenz
verbürgen könnte. Die Einheit aber ist dasMittel
zur Herstellung des Inbegriffs. Wie anders der Reinheit entblößt würden.
sollte das Ganze, die Gesamtheit, der Inbegriff der Erkenntnis
Diese kühne Ausdehnung des Reinen auf die Sinnlichkeit
selbst konnte Piaton wagen, und sie konnte ihm geUngen,
weil
zustande gebracht werden können, wenn nicht durch den
er die Erkenntnis durch den Begriff des Reinen zu
einer
Kunstgriff der Einheit? Kann also der Bewußtseinsvorgang
die Einheit nicht durchsichtig machen, so bleibt ihm auch der
plastischen Bestimmtheit gebracht hat. Diese hegt in dem
Inbegriff versagt. Die Bedeutung der Erkenntnis kann daher
Terminus der I d e e. Idee ist der V/urzel nach auch mit dem
nicht in der des Erkennens aufgehen. Sehen verwandt. Dennoch bezeichnet und bedeutet sie, und
Hypotkesis und die Prinzipien
Piatons Idee

nur das wahrhafte Sein, den wahrhaften Inhalt der


sie, Das und das fruchtbarste methodische Mittel, mit
tiefste

Erkenntnis. Gewiß, die Idee wird im reinen Schauen gewonnen. dem dieAstronomen des neuen Weltbildes arbeiten, ist die
Und dieses reine Schauen ist das reine Denken. Aber es ist doch Hypothese. Und wie sehr sie alle, von Köper nikus
des Wortes
also auch umgekehrt wahr, daß das reine Denken das reine bis zu Newton, gegen den verdächtigen Nebensinn
Verständnis,
Schauen sei. Wo liegt nun das Kriterium der sich wehren, es bleibt doch bei dem genialen
Reinheit? Und wo demgemäß das des wahrhaften Seins? welches Kepler von der Platonischen Idee, als H
y p o
-

Oder soll man, um die Reinheit zu erhärten, zu dem anderen t h c s i s, besessen hat. Sie ist die Grundlage, vielmehr die
Wortstamm übergehen, und in der Rede, die die Seele in Grundlegung, welche der Instruktion einer jeden exakten
sich selbst und zu sich selbst hält, die Reinheit erlauschen? Untersuchung voraufgehen muß. Solcher notwendigen
Von allem Anderen abgesehen, geht so der Zusammenhang mit Voraussetzungen sind sich alle die großen Führer der
Renaissance bewußt und, verschieden in dem Grade der
Über-
der Idee verloren. Und es läßt sich ein bedeutsamer Gegensatz
in der Geschichte verfolgen zwischen den SpiritualJsten, windung ihrer genialen Naivetät, lassen sie alle diese Voraus-
setzungen nachdrücklich zu Worte kommen. „M e n t e c o
n-
die den Logos vertreten, und den Kritizisten, die
cipio*\ sagt Galilei. Der Triangel sei eine „Idee
für die Ideen und vor allem für die Idee kämpfen. D i e
Idee, nicht ihre Mehrheit, charakterisiert in nee", sagt Descartes. Leibniz hat das funda-
mentale Werkzeug des Infinitesimalen
geschaffen,
den Idealismus. Der Wert der Ideen, so viele ihrer Hypo-
sind, liegt im Werte der Idee. Durch die Idee erst das Prototyp eine. Raison a priori, wie er jene
erlangt das Reine seinen methodischen Wert. thesis vorzugsweise benannte.
2. Ne w t o n. Und Newton
endlich, der den Hypo-
thesenmachern sein „Hypotheses non fingo" entgegen-
IL Die Geschichte des Begriffs der reinen schleudert, hat nichtsdestoweniger die Hypothese
zum P r n z p
i i

Erkenntnis. gemacht, und als solche sie in sein Werk nicht nur aufge-
L Piaton, Kepler, Galilei, Descartes und nommen, sondern zum Titelbegriffe seines Werkes gemacht.
L e i Also bestimmt die Idee durch die Reinheit den
b n i z. Prinzip war einer der Ausdrücke, unter denen das Pro-
in seinem Zeitalter verhandelt wurde. Wie
Wert der Erkenntnis. Die Idee ist mithin die reine blem der Hypothesis
Prinzipien der Me^
Erkenntnis. Worauf beruht diese Identität? Welches sich die Prinzipien der Metaphysik zu den
Leibnizens
Moment in der Idee bewirkt diese Gleichheit? Die Antwort chanik verhalten, das ist eine der Grundfragen in
Briefwechsel. Newton beschränkt zwar scheinbar im
Titel die
auf diese Frage muß man in der Geschichte suchen, welche die
Prinzipien auf die Mathematik; aber durch die Beziehung
der-
Art und die Fruchtbarkeit weltgeschichtlicher Begriffe, als
weltgeschichtlicher Mächte, enthüllt. Die Wirksamkeit der Philosophia naturalis erledigt sich diese Be-
selben auf die
Defini-
Platonischen Idee ist nicht auf die Platonische Schule be- schränkung von selbst. Ohnehin wird sie durch seine
schränkt, in der sie ohnehin durch Aristoteles durchkreuzt tionen aufgehoben, und vollends durch seine
Gesetze
wurde, noch auch auf das Altertum überhaupt, obschon alle der Bewegung. Wir pflegen heute nicht allein diese
wissenschaftlichen Faktoren desselben in einem intimen Zu- drei Bewegungsgesetze, welche Newton dem Planetensystem
sammenhang mit ihr stehen. Die Renaissance ist vorzugsweise zugrunde legt, als Prinzipien der Mechanik zu benennen;
Sprach-
die Renaissance Piatons. In der Renaissance der Mathematik dennoch darf man gegenüber dem schwankenden
und der Mechanik bewährt sich die treibende Kraft der gebrauch für den Begriff des Prinzips sie vornehmlich als die
der mathc-
Platonischen Idee. Prinzipien, als die reinen Erkenntnisse der neuen,
8 Kants Kritik Die beiden Arten der Gewißheit

malischen Naturwissenschaft in Anspruch nehmen. So hat die Diese Bedeutung der Kritik, die Festlegung der Beziehung
Idee, als Hypothesis, oder als Prinzip, in dessen Wortsinn die zwischen Metaphysik und mathematischer Naturwissenschaft,
Reinheit unmittelbar hervortritt, den neuen Begriff der Er- sie ist die entscheidende Tat Kants, durch welche nach langer
kenntnis geschaffen. Entwickelung, in welcher er von seinen Jugendjahren an das
3. Kant. Von der Tatsache dieser Prinzipien ist K a n t Desiderat der Methode Newtons für die Metaphysik nur all-
ausgegangen. Wie er von seiner Jugend an seine ganze Ent- gemein und noch nicht genau genug, wenngleich dringend und
wickelung hindurch es als die Aufgabe der Philosophie er- energisch fühlte, er endlich zum Systematiker emporwuchs. Das
klärt, „die Methode Newtons" auf die Metaphysik System der Natur brachte ihn zum System der Metaphysik.
zu übertragen, so vollzieht sich seine Reife in der Fortbildung Aber das Mittel war in der Kritik, der Kritik der Prinzipien
und genaueren Festsetzung dieses Verhältnisses zwischen der gelegen. So wurde das System der Metaphysik zunächst zum
Metaphysik und der Methode Newtons. Die Methode Newtons System der Kritik.
hat zum System Newtons geführt. Aber dieses System ist Die Prinzipien, die Grundsätze, sie bilden fortan
nicht in erster Linie das Planetensystem, sondern das System das Problem; die synthetischen Grundsätze, wie Kant
der Prinzipien, also das System der Methoden reiner Natur- gemäß der Bedeutung, die er dem Worte synthetisch gab,
wissenschaft. Das ist der Vorteil, den die geschichtliche Situa-
sie benannte, sie werden der mathematischen Naturwissen-
tion Kant darbot, und darin vornehmHch beruht der Vorzug
schaft zugrunde gelegt in offener, klarer, methodischer Aus-
seiner Disposition. Wie die Methode Newtons als das System
einandersetzung. Diese Prinzipien machen diese Wissenschaft
der Methoden und dadurch erst als das System der Welt ihm zur Wissenschaft und erklären den stetigen Fortgang der-
klar wurde, so änderte sich ihm auch der schwankende Sinn
selben. Sie sind die reinen Erkenntnisse, deren Recht und
8 des Wortes Metaphysik. Sie wurde zur Kritik, und deren Besitz die spekulierende Vernunft von altersher geahnt,
zwar zuvörderst zur Kritik des Systems der Me- behauptet und verteidigt hat. Sie lagen nunmehr in einem
thoden, der Prinzipien Newtons. geschlossenen System als fruchtbare Voraussetzungen vor. Die
Auch Kant faßte zwar die reinen Erkenntnisse aller Art Arbeit der Metaphysik war jetzt nicht etwa getan; aber sie 9
unter dem Namen der Vernunft zusammen hierin folgt;
konnte jetzt auf einem geordneten Boden anfangen. Die
er dem Sprachgebrauch der rationaUstischen Klassiker; denn
Philosophie konnte und sollte, als Kritik, einen neuen Anfang
auch Descartes und Leibniz bezogen die eingeborenen Ideen
nehmen.
und die ewigen Wahrheiten auf den Triangel und die mecha-
4. DieUnterscheidung der beidenWelten
nischen Prinzipien ebenso, wie auf Seele und Gott, und sie
und die Romantik. Die Kritik war nicht nur die
fassen beide Arten unter der Vernunft zusammen. Aber entscheidende Tat in der persönlichen Entwickelung Kants: sie
Kant sonderte trotzdem streng und scharf ist die weltgeschichthche Tat Kants. In ihrer Entdeckung, in
jene verschiedenartigen Interessen und der Ausgestaltung der Methode der Kritik besteht der bleibende
Probleme der Metaphysik. Er sah zunächst von Wert der Kantischen Gedankenwelt. Es soll hiermit nicht die
allerMoralphilosophie und Theologie ab, und somit auch von Meinung behauptet werden, daß dieser Wert in der Methodo-
aller rationalen Psychologie, und konzentrierte die Meta-
logie der Kritik sich schlechterdings erschöpfe. Aber es kommt
physik zunächst ausschließUch auf das Problem von Newtons
für den gesunden, geraden, wissenschaftlichen Fortgang der
System der Prinzipien. Kraft dieser Beschränkung, .dieser
philosophischen Forschung auf die offene und klare Unter-
.

wurde
Präzisierung und Isoherung der Aufgabe die scheidung an zwischen dieser Bedeutung der Kritik, die
Metaphysik ihm zunächst zur Kritik. in der Festlegung des Verhältnisses zwischen Metaphysik
Die Homantik der Intuition 11
10 Doppelsinn der Metaphysik

und mathematischer Naturwissenschaft besteht, und allem aufhob, und der außerhalb der Linie steht, die von Galilei
noch so wichtigen Einzelinhalt der Kantischen Gedanken selbst. ausgeht und durch Descartes und Leibniz zu Newton führt.
Über diese mag Streit sein, und muß freie Bahn offen sein; Die Philosophie sollte wieder, wie in der Scholastik, Reli-
über jene darf kein Streit sein, sofern der Kompaß der Wissen- gionsphilosophie werden. Auch in der Philosophie
schaft nicht verrückt werden soll. Die mächtigen, die schöpfe- ging die Romantik wieder zum Mittelalter zurück.
rischen Geister haben von den Griechen ab zu allen Zeiten Was auch an universeller und an künstlerischer Auffassung
nach diesem Kompaß gesteuert; nur wurde die Fahrt häufig der Geschichte durch die philosophische Romantik der
durch die Nebel gestört, welche die Verschiedenartigkeit der Identitäts-Systeme gewonnen worden sein mag —
nicht nur

metaphysischen Probleme zusammenballte. Das 18. Jahr- Schiller mit seiner Universalgeschichte, sondern auch
hundert hat endlich die Aufrichtigkeit heraufgeführt, welche N i e b u h r übrigens, der JVIethodiker der Geschichte, gehen
in der Einsicht und dem Eingeständnis sich Luft machte, daß ihnen voraus und sind Jünger Kants —
durch das Verlassen
die moralische Gewißheit von anderer Art sei, und Verwerfen von Newtons System der Prinzipien hat die
als die mathematisch-naturwissenschafthche. Philosophie mit dem ehrlichen Herzen zugleich den klaren
Man möchte sagen dürfen, diese Bedeutung der Kritik sei Kopf verloren. Die neuen Wahrheiten wurden Begriffe der
nicht nur ein Grenzstein der wissenschaftUchen Arbeit, sondern genialen Intuition und intellektuale Anschauungen; aber
zugleich ein Scheidepunkt der Gesinnung. Diejenigen, der strenge Begriff der reinen Erkenntnisse, .der sich auf die
welche sich dieser Grenzlinie entziehen, sind nicht nur die Prinzipien der mathematischen Naturwissenschaft beschränkte,
„Vornehmen**, als welche Kant sie entlarvt hat, die nicht für ihn gab es kei^ien Rang und keinen Halt mehr; seine Spur
arbeiten wollen; man darf vielleicht bescheidener und richtiger verwischte sich. Diese Prinzipien aber gehen durch die Welt-
noch sagen, die nicht lernen wollen; sie sind von Kant zugleich geschichte der Vernunft. Ihre Formulierung wandelt sich;
auch als die Feinde der Aufklärung gekennzeichnet jedoch die Motive bleiben dieselben; sie sind gleichsam das
worden, die „Genieschwüngen** nachgehen und Erleuchtungen, ABC der Vernunft. Indem jene Romantiker die reinen Er-
anstatt die Leuchte der Wissenschaft als die alleinige Quelle kenntnisse in dieser präzisen Einschränkung preisgaben, ver-
der Wahrheit anzunehmen. Mephisto verrät den tiefen Spruch, leugneten sie den sichersten Besitz und das höchste Recht der
daß man in der Wissenschaft zugleich die Vernunft verachte. Vernunft. Und was. ^n jenen unseren immerhin systematischen
Darin vor allem besteht der Abfall von Kant, der einen Romantikern gilt, sollte das etwa mindere Geltung haben für
kurzen Aufschwung, aber einen jähen Absturz des philosophi- die metaphysischen Rhapsodien, die in anmaßlichem Gegen-
10 schen Betriebes zur Folge hatte: daß sie die Scheidewand satz zu Kant und zum Idealismus der reinen Vernunft von
wieder einrissen zwischen den verschiedenartigen auswärts neuerdings bei uns eingeführt werden sollen?
Problemen der Metaphysik. Und diese Verschmähung der Auf-
klärung und ihrer Ehrlichkeit, die sie pietätlos verspotteten,
hatte freilich ihren morahschen Grund, oder wenigstens einen III.Das Verhältnis der Logik der reinen Er-
religiösen, um nicht zu sagen, einen kirchenpolitischen. Aber
kenntnis zur Kritik und Metaphysik.
der wissenschaftliche Vorwand lag in der Auflehnung Wir fangenhier wieder von vorn an. Das will sagen, wir
gegen Newton. Die Idee sollte wieder Gott stellen uns wieder auf den Boden der Prinzipien der mathe-
und die Natur zugleich bedeuten, und zwar matischen Naturwissenschaft. Sie sollen von neuem als die
u
nicht, wie Descartes allenfalls diese Einheit erstrebte; sondern reinen Erkenntnisse nachgewiesen, im Zusammenhange der
Spinoza suchte man hervor, der die Metaphysik in Ethik logischen Vernunft wieder entdeckt werden. Wie verhält es
Wir fangen mit dem reinen Denken an 13
12 Kants Anfang mit der reinen Anschauung

dem Anspruch voraufgehen zu lassen. Wir fangen mit dem Den-


sich mit der Aufgabe solcher Nachweisung, mit
auch hier ken an. Das Denken darf keinen Ursprung haben außer-
solcher Entdeckung und Rekognition? Bleibt es uneingeschränkt
haU) seiner selbst, wenn anders seine Reinheit
12

bei der Kritik, deren methodische Bedeutung bei Kant


auf die
Aufgaben und auf die Festlegung der Be- und ungetrübt sein muß. Das reine Denken in sich selbst und
Abgrenzung der Erkenntnisse zur
ausschließlich muß ausschließlich die reinen
ziehung von Metaphysik auf mathematische Naturwissenschaft
Erzeugung bringen. Mithin muß die Lehre vom Denken die
beschränkt wurde* Wir streiten nicht um den Namen;
es
Als solche Lehre
Lehre von der Erkenntnis werden.
handelt sich aber dabei um eine wichtige Sache. sich Lehrevon der
Kants Kritik der reinen Vernunft. Die vom Denken, welche an
1.
Kritik Kants zerfiel in L o g i k und Dialektik. Die Dialektik
Erkenntnis ist, suchen wir hier die Logik
enthielt den negat ven Teil der Kritik; sie betraf die
Psycho- aufzubauen.
und die Theo- 3. Das Geschick der Logik. Wie verschieden
logie, die Kobmologie samt der Freiheitslehre allerdings auch der Ge-
brachte ist das Ansehen, und wie verschieden
logie in den Beweisen vom Dasein Gottes. Die Logik at o n
halt der Logik im Wechsel der Jahrhunderte. Bei P 1
den positiven Teil: die Begründung der mathematischen man Aristoteles als ihren
scheint sie noch so latent, daß
Naturwissenschaft. Dieser Logik aber ging eine Ästhetik
Begründer ansehen konnte. Und doch ist Piaton, abgesehen
vorauf, als Lehre von der reinen SinnUchkeit. GeschichtUch
durchaus ver- von aUem Einzelnen, was er für die Logik geleistet hat, der
ist diese Parteinahme Kants für die SinnUchkeit m
die
Urheber der Idee: gehört die Idee etwa nicht
ständUch. Sie erklärt sich nicht nur aus einem Opportunismus daß
Logik? Das tiefe Mißverständnis der Idee besteht darin,
gegen die englischen Verfechter der SinnUchkeit, son-
dern aus den Schwächen und Blößen, die in der Position
man für sie eine Metaphysik annahm. Freilich ist Pia-
ton nicht ohne Schuld an dieser zweifelhaften Heimat seiner
L e i b n i z ens lagen, und die für uns heute deutlich genug Gebiet
Idee, insofern sie auch in der Ethik ihr natürUches
mit seiner Stärke zusammenhängen. Wie sehr aber die zum Unterschiede zwischen
hat. Es ist aber später nicht sowohl
reine Anschauung Kants mit dem reinen Denken bei
— dann hätte die Idee aus der
Descartes und bei Leibniz innerUch sich deckt: Kant dringt
Ethik und Logik gekommen
Logik nicht ausgewiesen zu werden brauchen— als vielmehr zum
doch darauf, die reine Anschauung vom reinen Denken zu
unterscheiden. Nicht etwa, daß sie getrennt bleiben sollten,
Unterschiede zwischen Metaphysik und Logik
ob-
Aristoteles hat diese Unterscheidung herbeigeführt;
sondern vielmehr damit sie sich verbinden und zur Verbindung methodischen
geeignet werden. Durch diesen Plan seiner methodischen Ter- wohl stets Streit darüber gewesen ist, in welcher
minologie ist aber, von der Anschauung abgesehen, dem Denken Tendenz seine Logik gemeint sei. Er behandelt in den zw^ten
soUte ihn
ein innerUcher Schaden zugefügt worden. Analytiken die Methodologie der Erkenntnis. Dies
schon von dem Verdachte reinigen, als ob seine Logik
die
Dem Denken ging so eine Anschauung außer
voraus. Auch diese ist rein, also ist sie dem Denken ver- sachlichen Ansprüche der wissenschaftlichen Forschung
acht Ueße. Aber er entwirft eine aparte Lehre
vom Sein,
wandt. Aber das Denken hat doch seinen Anfang in Etwas
außerhalb seiner selbst. Hier liegt die Schwäche in der deren methodische Zweideutigkeit durch einen zweideutigen
Metaphysik
Grundlegung Kants. Hier liegt der Grund für den AbfaU, der Buchtitel noch gesteigert wurde. So wurde die
ihrer methodischen Grundlagen beraubt, und die
Logik verlor
alsbald in seiner Schule hereinbrach.
2. Die Logik der reinen Erkenntnis. Indem die natürUche Beziehung auf ihre sachliche Geltung.
Ge-
wir uns wieder auf den geschichtUchen Boden der Kritik stellen, 4. Die formale Logik. So entstand das
spenst einer formalen Logik. Freilich war damit keine
lehnen wir es ab, der Logik eine Lehre von der Sinnlichkeit
Denken und Sein 15
14 Logik und Grammatik

Herabsetzung der Logik beabsichtigt. Denn die Form war imnft. Die Formen dieses Inhalts aber, das sind letztlich die
ja in der einen des Aristoteles
Seele gleich dem Wesen, Erkenntnisse. Also können die Formen der Sprache nicht im
wenngleich seine andere
Seele sich für das Wesen an die Gegensatz zu den Erkenntnissen die Formen der Vernunft be-
Materie, als an die Sache, hielt. Aber wie die Zweideutigkeit deuten. Sie können diese Bedeutung aber auch nicht etwa
m
Wollte
dieser Terminologie bei aller Förderung, die sie der Varia- Identität mit den reinen Erkenntnissen in sich tragen.
bilität des wissenschaftlichen Denkens verlieh, oft genug man daher die grammatischen Formen der Sprache den Er-
13 den Wert der Philosophie zweifelhaft machte, so hat sie kenntnissen gleichsetzen, so wäre der Fehler schlimmer noch
als bei der Psychologie des Erkennens. Man
müßte alsdann
auch die Bedeutung der Logik verwirrt. Kann es Formen
in ihren Grundlagen die ganze mathematische
Naturwissen-
geben dürfen, die nicht die Sache bedeuten? Die Sache ist
schaft in den Inhalt der Grammatik hinübernehmen. Denn
und bleibt die Erkenntnis. Also können die Formen der Logik u
durchaus nichts anderes als die Formen der Erkenntnis sein. nicht um ihren sprachlichen Ausdruck allein handelt es sich
5. Logik und Grammatik. Ein Nebenumstand bei den Formen der Sprach-Vernunft, sondern um die Grund-
hat noch auf einen andern Abweg verleitet. Der Zusammen- legung der Erkenntnisse, um die Entdeckung und so allerdmgs
liang von Vernunft und Sprache ist früh beachtet auch um die rechte Benennung der reinen Erkenntnisse.
worden. Im Worte Logos tritt er zutage. Aristoteles zu- 6. Die Identität von Denken und Sein.
mal mißachtete keine konventionelle Macht. Der Sprach- Es muß daher unweigerlich zugestanden werden, daß der
ent-
gebrauch gilt ihm als ein legitimer Tyrann. Ohnehin hatten Logik das Interessengebiet der alten Metaphysik nicht
die Sophisten vielleicht ihre redlichste Arbeit an der Gram- rückt werden darf; genauer, daß die Logik die Lehre von
den reinen Erkenntnissen sein müsse. Denn
matik versucht. So brachte er die Formen der Sprache, die
Redeteile und die Formen des Satzes mit der Logik in Ver- daß Logik sich über das Gebiet der mathematischen Natur-
die
hältnis; und die formale Logik wurde zum guten Teile eine wissenschaft hinaus auch auf die Geisteswissen-
allgemeine Grammatik. Der Schade, der dadurch schaften beziehen müsse, ändert nichts an der grund-
legenden Beziehung der Logik auf die Erkenntnisse der
mathe-
der Grammatik zugefügt wurde, dürfte doch gering sein
gegenüber der Entstellung, die dadurch der Logik widerfuhr. matischen Naturwissenschaft. Denn die Geisteswissenschaften
sind nicht ohne methodischen Zusammenhang mit
jenen Er-
Der Naturlaut der Sprache wurde damit zum Quellgebiet
der Vernunft gemacht. Nicht Vernunft, Geist und Gefühl be- kenntnissen, die sie vielmehr voraussetzen. Es muß daher bei
der Relation verbleiben, die P a r e n i d e s als Iden-
m
seelen den Naturlaut, sondern umgekehrt die natürlichen
Ausgeburten des Lautes sollen die ewigen Formen der Ver- tität von Denken und Sein geschmiedet hat. Das
imnft darstellen und ausprägen. Die Sprache aber ist mehr Sein ist Sein des Denkens. Daher ist das Denken, als
als der L a u t. Und was sie mehr ist, das gibt ihr die Ver- Denken des Seins, Denken der Erkenntnis.
nunft. 7. u n d d i e I d e e. In dieser sach-
D e r B eg r i f f

Ob die Vernunft zum Ausdruck und lichen der Begriff als das große Frage-
Bedeutung ist
zur Ausbildung ge-
langen könnte ohne den Laut, das ist eine Frage von weit- zeichen des Seins: Was
ist? (HIoti;) entdeckt worden;
Frage.
tragender Bedeutung. Und diese Frage darf als entschieden und die Idee ist die tiefere Antwort auf diese
gelten zugunsten der Naturkraft des Lautes. Keine zulässige Denn der sokratische Begriff fragt nur, und weiter geht
nicht.
Frage aber ist es, ob der Laut selbständig und vollständig den auch die wohlverstandene Bedeutung des Begriffs
Geist formen könne. Logos bedeutet Sprache und Vernunft, Die Idee dagegen ist das Selbstbewußtsein des
das will sagen: der Gehalt der Sprache ist der Inhalt der Ver- Begriffs. Sie ist der Logos des Begriffs; denn sie gibt
Einheit des KuUurbeivußtaeina 17
16 Einheit des Befwußtetina.

Rechenschaft vom Begriff. Und im Zusammenhang IV.Das Problem der Psychologie.


mit demZeitwort Geben bedeutet der Logos in der Tat Rechen-
schaft (Xmov öidbvai). Diese rechtliche Bedeutung wird nun- 1. Die drei Gebiete des Bewußtseins und
mehr tiefste Grundlage der Logik. Die Idee ist die ihre Einheit. Indessen das Bewußtsein ist nicht nur das
Rechenschaft des Begriffs. In den Grundlagen wissenschaftliche Bewußtsein; Sittlichkeit und Kunst sind
nicht minder seine legitimen Gebiete. Es kann daher nicht
oder den Prinzipien der reinen Erkenntnisse legt die Vernunft
dabei bleiben, das Bewußtsein lediglich auf mathematische
in der mathematischen Naturwissenschaft ihre Rechenschaft ab.
Das Bewußtsein. Die Renaissance er- Naturwissenschaft zu beschränken. Aber die Verwischung
8.
am Individuum, des Unterschiedes darf nicht der Preis werden, um den die er-
wacht mit dem Interesse an der Person,
am Bewußtsein. Daher werden die Grund-
mithin forderliche Erweiterung zu erstehen wäre. Es ein muß
lagen der Erkenntnis zu Grundlagen des eigenes, ein besonderes Problem der Philo-
Bewußtseins. ImMoi-meme findet Descartes sophie werden, den Zusammenhang, die Kollisionen
einen der Ausdrücke, mit denen er den Grund der Gewißheit und den Einklang der drei Gebiete des Bewußt-
der Erkenntnis bezeichnet. Und L e i b n i z erfindet die seins zur Prüfung, zur genetischen Entwickelung und zur
Apperzeption in dieser Richtung der Probleme. Auf einheitlichen Darstellung zu bringen. Dieses Interesse
diesem Zusammenhang von Erkenntnis und Bewußtsein aus an der Einheit des Kulturbewußtseins muß
dem Gesichtspunkte der Grundlage beruht die Bevorzugung, als ein systematisches Interesse der Philo-
16 welche Kant der Einheit des Bewußtseins zu- sophie erkannt werden. Das System der Philo-
erteilte, indem er sie als Grundlage und als Einheit ier Er- sophie kommt nicht ins Gleichgewicht, wenn es nicht dieses
kenntnisse in den Mittelpunkt seiner systematischen Termino- Problem einer wahrhaften Einheit des Bewußtseins bewältigt
logie stellte. hat Aus der Ahnung eines solchen philosophischen Eigen-
Die Einheit des Bewußtseins in Kants
9. wertes der Psychologie erklären sich die sich stets
Terminologie. Indessen dieser Ausdruck erleidet eine wiederholenden heftigen Ansprüche derselben. Der Wert
wichtige, man möchte denken, entscheidende Einschränkung. der Psychologie besteht nicht in dem Abschnitt, den sie inüer- i«

Die Einheit des Bewußtseins steht keineswegs überhaupt im halb der Physiologie bildet. Und wenn sie dadurch allein
Mittelpunkte des Kantischen Systems; nicht einmal in dem Wissenschaft werden könnte, so würde sie damit aufhören,
der ersten Kritik; denn sie bezieht sich nicht auf die Probleme zur Philosophie zu gehören, geschweige die Philosophie zu sein.
der Dialektik. Und sie bezieht sich auch positiv weder auf die 2. DiedreiObjekte und das Subjekt. Der
Ethik, noch auf die Ästhetik. Dieser scheinbare Fehler in der Wert der Psychologie besteht vielmehr in dem Problem der
Terminologie; die Einheit des Bewußtseins ni^ht zu erstrecken Einheit des Kulturbewußtseins, welches sie allein im Ge-
auf Sittlichkeit und Schönheit, ist jedoch ein Vorzug der Kanti- samtgebiete der Philosophie zu verwalten hat. Somit ge-
schen Wahrheit geworden. Denn die Einheit des Bewußtseins hört sie zum System der Philosophie, und
beruhte nunmehr strengstens in den Grundlagen derjenigen wenn das System darüber vier Teile erlangen muß. Die drei
Erkenntnis, in denen sie sich präzis betätigte; in denen sie Glieder, welche voraufgehen, behandeln drei Ob-
sich in dem sachlichen Wert von Grundsätzen entfaltete. Die jekte: die Natur, die Kultur der Sitthchkeit und die Kunst.
Einheit des Bewußtseins definierte sich Die Psychologie allein hat zu ihrem ausschließUchen Inhalt
als die Einheit des
wissenschaftlichen Be- das Subjekt, und in ihm die Einheit der menschlichen
wußtseins. Kultur. Für diese Einheit des Kulturbewußt-
II. Anfl. •
Cob«B, Logik d6r reinen Erkenntnis.
Zueammenhang der Wissenschaften in den Methoden 19
18 Denken in Versen 3

Ausdruck der Welches nun diese ur-


seins reservieren wir den die anderen Gebiete statthaft wird. ist

Einheit des Bewußtseins. Die Logik handelt sprüngliche Beziehung? Darüber kann kein Zweifel entstehen.
nicht von der Einheit des Bewußtseins; sondern von der Ein- 2. Das Denken der Logik ist das Denken
heit des Denkens, als des Denkens der Erkenntnis. derWissenschaft.
Die Bedeutung der Wissenschaft ist uns nicht mehr un-
bestimmt. Zwar ist die Wissenschaft in eine große Vielheit
V. Der Begriff des Denkens.
geteilt, und wie es scheinen könnte, gespalten. Und
auch der
1. Die Unbestimmtheit des Denkens. Wie Schein ist nicht abzuweisen und nicht bedrohlich, daß immer
das Wort Erkenntnis mehrdeutig ist im wissenschaftlichen neue Wissenschaften zur Entstehung gelangen. Und endlich
Sprachgebrauche, so nicht minder auch das Wort Denken. ist es gar nicht als eine begründete Aussicht
zu betrachten,
Und diese Unbestimmtheit des Denkens ist für die Logik ver- daß alle die verschiedenen Wissenschaften in Eine Wissen-
hängnisvoll geworden; ist sie doch das untrügUche Symptom schaft einmünden müßten, weil sie etwa aus Einer erflossen
des Mangels und der Schwäche in der bisherigen logischen wären. Alle diese Ansichten irren in dem einen Punkte, daß
Bestimmung des Denkens. Auf welches Denken bezieht sich sie die Wissenschaft nach den Inhalten
denken, und
die Logik? Auf das Denken in Tönen? Nein; das nicht vornehmlich nach der Methode. Ist die Methode
wird dem Generalbaß zugewiesen. Und dessen Verwandtschaft einer Wissenschaft die unentbehrliche Voraussetzung für alle
mit der Logik wird durch die Mathematik vermittelt. Was das anderen Wissenschaften, so besteht ein notwendiger Zu-
Denken in der Musik sonst noch etwa zu bedeuten haben sammenhang zwischen der ersteren und den letzteren.
sollte, gehört auch nicht in die Logik, sondern allenfalls in eine
3. Die Frage des Zusammenhangs der Wissen-
Ästhetik, wie man diese immer auffassen, und wie man in der- —
schaften denn nur so wird man ihre angebliche Einheit
zu verstehen haben — ist die Frage des Zu-
selben auch das Verhältnis der Musik zu anderen Künsten,
insbesondere zur Poesie, bestimmen mag.
Oder ist das Denken etwa das Denken in Versen? Ist es
sammenhangs ihrer Methoden. Alle Methoden
Satze
aber operieren mit dem Denken. Indessen, in diesem
das Denken der Poesie? Nun freilich, die Poesie hat
schon wieder die beregte Unbestimmtheit im Worte
liegt
ihren natürlichen Quell im Mythos, und so wurzelt sie aller-
Denken. kann nur überwunden werden, sofern es zulässig
Sie
dings in dem Triebe nach Wahrheit. Aber allmählich hat sie auszugehen: deren
ist, von einer bestimmten Wissenschaft
sich doch ein eigenes mächtiges Bett gegraben; und das Land
Methoden die Bestimmtheit dieses Denkens zur Ent-
t7 der Schönheit ist ein Gebiet, das durch eigene und eigenartige bereits die
faltung bringen. Als diese Wissenschaft hat sich
Quellen befruchtet wird. Man nimmt allgemein an, daß es
mathematische Naturwissenschaft herausgestellt.
verdorren müßte, wenn das Denken der Wahrheit allein seine
Quellen zu speisen hätte. So wenig die Schönheit einerlei ist 4. Der geschichtliche Begriff des Den-
mit der Wahrheit, so wenig ist das Denken der Poesie, wie kens. Nun könnte die Frage entstehen, daß die mathe- 18

überhaupt das Denken der Ästhetik, das Denken der Logik. matische Naturwissenschaft doch erst durch Newton
zu
gelangt sei,
Ein genau bestimmtes, von einem eingeschränkten Inter- einer Systematik ihrer Prinzipien und Methoden
;]

esse geleitetes Denken ist es, auf welches die Logik ursprüng- während schon die Logik in den Anfängen der theoretischen
lich Bezug nimmt. Die etwaigen Bezugnahmen dieses Denkens Kultur der Griechen entstanden ist und Gestalt erlangt hat.
auf andere Gebiete werden erst zulässig, wenn und sofern die Der Einwand ist jedoch hinfällig. Denn wie ein Zusammen-
Übertragung der ursprünglichen, grundsätzlichen Beziehung auf hang besteht zwischen Newton einerseits und Euklid
20 Daa Denken des Seins Dianaia und Dialektik 21

undArchimedes andererseits, so besteht er auch zwischen 6. Die Dialektik. Unter den Ausdrücken, mit
Newton einerseits und Pythagoras und P a r me- denen Platon das Denken kennzeichnet, ist daher der der
n i d e s und Pa t o n andererseits. Alle Drei aber sagen,
1 D i a n o i a besonders charakteristisch. Erstlich waltet die 19

das Denken das Denken des Seins.


sei Pythagoras Tendenz ob, diesen Ausdruck für das Denken der Mathe-
sagt es von einer bestimmten Art des Denkens, von der Zahl, matik auszuzeichnen und zu isolieren. Schon dieser Wort-
indem er sie zur Substanz macht. Parmenides, wie wir gebrauch läßt den Zusammenhang erkennen, den Platon
schon sahen, drückt die Relation zwischen Denken und Sein zwischen der Logik und der Mathematik festzustelen bestrebt
unter dem Zwangsgedanken der Identität aus. Und in ist. Wie ein Hauptgebiet der Ideen als „das Mathe-
derselben Richtung urgiert auch P 1 a t o n die Idee als das matische** ftä fta^ßiatifca) bezeichnet ist, so ist eine Art des
wahrhafte Sein. Aber er schüttelt die Naivetät seiner Vor- Denkens, als die des mathematischen Denkens, von den
gänger in der Ernüchterung ab, die den ewigen Grundgedanken anderen Arten des Denkens unterschieden. So prävalierend,
der wissenschaftlichen Vernunft an das Licht bringt: das so grundlegend, so maßgebend ist diese Art.
Denken erschafft die Grundlagendes Seins. Aber die Wahl des Ausdrucks bezeichnet noch ein Anderes.
Die Ideen sind diese Grundlagen, diese selbstgeschaffenen Die Stammsilbe gehört der Grundbedeutung des Denkens an.
Grundlegungen. Die Vorsilbe aber bringt das Gegen
und das Durch
5. Die Logik als Logik der mathematischen hinzu. Das Denken kommt in Gegenbewegung und in Kampf.
Naturwissensc h^ f t. Das Mißverständnis der Platoni- Und der Sieg aus diesem Kampfe ist die Klarheit, die das
schen Idee bei Aristoteles erklärt sich aus dem Mißver- Denken über sich selbst über die Voraussetzungen
erlangt,
hältnis des Aristoteles zur Mathematik seiner Grundlagen und über die die ihm zu Gebote
Mittel,
und zu der auf der Mathematik begründeten Naturwissen- stehen. Wahrlich, die Dialektik ist keine äußerhche Gebarung
schaft. Und das fortgesetzte und fortdauernde Mißverständnis des dialogischen Stils; sondern sie spiegelt den Wogenkampf
der Platonischen Idee verrät sich so als das Mißverständnis der Gedanken ab; das Gegeneinander und die Durchführung
der mathematischen Naturwissenschaft und der Mittel, welche der Dianoia.
ihr zur Ermittelung des Seins, zur Entdeckung der Natur Indessen ist bei Platon selbst die Dianoia keineswegs der
gegeben sind, oder von ihr aufgebracht werden. Die Logik abschließende Ausdruck geblieben für die Bestimmung des
aber, wie sie in der Platonischen Idee ihren ersten Höhepunkt Denkens, als des Denkens der Wissenschaft. Allerdings be-
erreicht, ist somit von Anfang an die Logik derMathe- hauptet sich dagegen vornehmlich der ihm ursprüngliche Aus-
matik und der mathematischen Naturwissen- druck des reinen Schauen s. Und dieser wiederum hat
schaft gewesen, und nur wo sie dies geblieben ist, ist sie es mitverschuldet, daß das Denken seines in der Dianoia ge-
Logik gebheben. In der Idee Piatons gelangt das Denken wonnenen prägnanten Charakters bei der Menge der Ideen-
als wissenschaftliches Denken zu seiner Reife und Bestimmt- verächter wieder verlustig ging. Das Reine ließ man als be-
heit. Die Naivetät des instinktiven, gleichsam mythischen langlos fort, und das Schauen wurde so zu einem inneren
Schaffens von Gedanken wird abgetan. Das Denken geht in Sehen. Damit aber wurde das Denken trotz der nachdrück-
sich, zieht sich selbst zur Rechenschaft. In der Intuition selbst lichen Tendenz der seelischen Auszeichnung dennoch unver-
aber, das ist, in der als solche mißverstandenen Idee kann meidlich auf das Niveau der Vorstellung herabgezogen.
die Rechenschaft nicht erkannt werden. So wird das Denken Und so verlor die Logik die Abgrenzung, die sie sich mühsam
in seinem innerlichen Tun dialogisch. So wird das genug gegen die dabei zur Entstehung kommende Psychologie
Denken, so wird die Logik Dialektik. eroberte.
Denken nicht Verbindung 23
22 Logik und Psycfiologie

Das Denken ist nicht Vorstellung, auch wenn man der


Vorstellung noch ein logisches Attribut liehe, und sie
zur
VI. Das Denke 11 der Wissenschaft und die Oder wenn Berkeley
geraden, rechten Vorstellung machte.
Psychologie.
die Idee als general idea mißversteht, bleibt sie
trotz
1. Der philosophische Anfang
der Psychologie. zugemuteten Allgemeinheit dennoch nichts mehr als
der ihr
Wir müssen hier nochmals auf das Verhältnis Vorstellung. Sie bleibt auf solche Weise nur ein Gebild
der
der Logik zur Psychologie zurückkommen. Psychologie. Die Schöpferkraft des Denkens kann
Man bedenke nur, so wenig es eine Logik gab, die sich viel- dagegen nur von der Logik erst zur Offenbarung
mehr erst schrittweise zu bilden hatte, so wenig auch, noch gebracht werden. Nur im Zusammenhange mit der
weniger sogar gab es eine Psychologie. Man wird nicht meinen, Wissenschaft, mit dem Prototyp der Wissenschaften
entdeckt
der Mensch sei sich näher, als ihm die Natur sei. Vielmehr die Logik die Eigenart und den Eigenwert des Denkens.
Die Eigenart und der Eigenwert des
selbst
20 lernt er erst aus der Natur sich selbst erkennen, sich 2.
M
auch nur beobachten. Die ersten Mathematiker Denkens. Der Eigenwert des Denkens ist bereits be-
und Physiker unter den Griechen, sie sind zeichnet: er besteht in der Erkenntnis. Die Erkenntnis ist
die
auch die ersten Psychologen. Mit aller Mytho- Grundlage, das Prinzip der Wissenschaft. aberWas be-
logie und mit der Poesie, mit dem Drama selbst werden zwar deutet die Eigenart des Denkens gemäß diesem
grelle und helle Streiflichter auf die Seele des Menschen
ge-
ihrem Eigenwerte? Bei dieser Frage eben scheint die Kollision
worfen; aber theoretische Einsicht in die Verschlungenheiten n
mit der Psychologie unvermeidhch. Gibt es ein Mittel und
seines Wesens, und Sammlung und Disposition der Grund- einen Weg, die Eigenart des Denkens, als die des Denkens der
richtungen seines Bewußtseins wird dadurch nicht erzielt. Die Erkenntnis, zu bestimmen, ohne mit den Interessen und Auf-
methodische Kontrolle, die nur in der wissenschafthchen gaben der Psychologie in Berührung, geschweige in Konflikt
Untersuchung angestellt werden konnte, sie erst führte zur zu geraten? Freilich ist der Schein der Berührung nur schwer
zu zerstreuen denn das Denken ist, als Vorgang des Erkennens,
Psychologie. ;

Der Urheber der klassischen Logik, P 1 a t o n er ist zu-


,
ein Vorgang des Bewußtseins. Und die Beschreibung
und Be-
gleich der erste Psychologe im großen, im methodischen Stil.
leuchtung der Vorgänge des Bewußtseins ist unweigerlich
Er schuf auch die Ethik. Also konnte es vor ihm keinen Willen Sache der Psychologie. Aber es kommt auf die Schärfe des
geben. So mußte er die Psychologie des Willens entwerfen.
Gesichtspunktes an, um die Selbständigkeit beider Wege rein
Und ebenso hat er, als der Schöpfer der Logik, das Denken und sicher zu behaupten. Freilich gilt es dabei, von den her-
herausarbeiten müssen aus der Wahrnehmung und aus der
gebrachten Auffassungen des Denkens auch weiter noch sich
Vorstellung. ErmußtediePsychologiederVor- loszusagen. Es genügt nicht, die Einerleiheit von Denken und
stellung erarbeiten, um zum reinen Denken Vorstellung fallen zu lassen; das Bild der Vorstellung wirkt
durchdringen zu können. Es besteht somit ein noch in anderen Ansichten vom Denken verführerisch, in denen
innerhcher Zusammenhang, ein unvermeidliches Zusammen- vermuten würde.
man es nicht
wirken der logischen Rücksicht und der psychologischen Klein-
kunst. Aber dieses Zusammenwirken bhebe nicht ein solches,
wenn es mit dem Zusammenfallen endete. Dann würde viel-
VII. Die Terminologie des Denkens.
mehr logischen Rücksicht, welche jene Kleinkunst zu
der
und die Logik würde in Psy- 1. Die Verbindung. Am ungefährlichsten ct-
leiten hat, der Garaus gemacht, Verbindung
scheint die Ansicht, daß das Denken sei;
chologie verschwinden.
Kants SynÜieais 25
24 Denken als Unterscheidung

bindung denn wer heißt uns bei der Verbindung nur an


sei
denn Verbindung scheint diejenige Leistung des Denkens zu
;

die positive Richtung derselben zu denken, und nicht ebenso


sein, von welcher das Erkennen und somit die Erkenntnis
schlechterdings abhängt. Wäre nun aber bei dieser Bestim-
bestimmt an die negative? Diese Bevorzugung der positiven
Seite verrät nur das Vorurteil und den Aberglauben, in den
mung die Berührung mit der Psychologie unausweichhch, so
die Psychologie die Logik verstrickt hat: als ob die Verbindung
dürfte dies dennoch gegen die Aufnahme dieses Versuches zur
logischen Charakteristik des Denkens nicht den Ausschlag
mit Fäden erfolgte, die doch Fäden blieben, wie fein sie auch
geben. Vielmehr würde die logische Tendenz der Verbindung gesponnen würden. Wenn anders jedoch die Verbindung nur
die Gegeneinanderhaltung bedeuten darf, so würde
einen eigenen Weg vorzeichnen, der sich von dem Wege der
Verbindung im Plane der Psychologie scharf und genau unter- diese sich ebenso wirksam in der Unterscheidung bewähren

scheiden müßte. So unbedenklich könnte demnach das Denken Das kann man alles zugunsten der Verbindung aner-
als Verbindung erscheinen.
kennen, und dennoch die Charakteristik des Denkens durch
sie ablehnen zu müssen glauben. Schon der eine Punkt sollte
Indessen hat die Geschichte der Logik, wie die der Psycho-
logie, diese Zuversicht Lügen gestraft; denn die Verbindung zur Vorsicht mahnen daß das Ziel des Denkens, die Erkenntnis,
:

hat als Assoziation die gesamte englische Psychologie dadurch in den Hintei^und rückt; nicht als das eigentliche
gefangen genommen, und mit ihr geglaubt, das ganze Festungs- Ergebnis in der Tätigkeit des Denkens deutlich hervortritt. Es ist,
werk der Logik erobert zu haben. Die fundamentalen Prin- als ob es sich um die Tätigkeit, um den Vorgang selbst handelte,

zipien, wie das der Kausalität, sie sollten nichts sein als As- und nicht vielmehr um das, was dabei herauskommt und er-

zielt wird. So bestechend ist eben das Bild der Verbindung,


soziationen; nicht aber notwendige Konnexionen. So hat die
Assoziation als customary combination die con- daß sie selbst als ein abschließender Inhalt und als ein letztes
nexion necessaire Descartes', die Hume in Ziel des Denkens sich darzustellen vermag. Wir müssen daher
sein Englisch übersetzte, aus dem Felde geschlagen. Und das dieser Illusion noch weiter nachgehen.
Ansehen, in dem innerhalb der Psychologie die Assoziation Kants Synthesis. Wir müssen ein ehrwürdiges
2.
25

noch immer steht, sollte daher eine Mahnung sein, allen den Gliedim Inventar der Kantischen Terminologie in Anspruch
Beschreibungen des Denkens aus dem Wege zu gehen, welche, nehmen; das Vorurteil könnte es für das ehrwürdigste halten.
wie entfernt immer, mit ihr zusammenhängen. Der Weg des Kant hat das Denken als Synthesis bestimmt. Und
Denkens muß sich zur Erkenntnis hinführen lassen, ohne daß durch die Synthesis hat er alle seine systematischen Begriffe
er durch die hauptsächliche Leistung der Verbindung vorge- definiert und formuliert. Hierin aber liegt schon wieder die
zeichnet würde. Abschwächung des Arguments der Synthesis für das Denken
Ist es denn überhaupt die vorzügliche Leistung des Denkens, selbst. Nicht sowohl das Denken als vielmehr eigentlicherweise

Verbindung zu stiften ! Ist nicht die Unterscheidung das Erkennen wird durch Synthesis bestimmt. Also ist die
ebenso wichtig und ebenso bedeutsam? Das Denken betätigt Synthesis letztlich und eigentlich die des Denkens mit
sich doch nicht allein im Anhäufen und Zusammenschichten; der Anschauung.
sondern doch wohl ebenso eigentümhch im Sondern und Aus- Indessen hat doch Kant das Denken selbst auch als Syn-
einanderhalten. Daher ist ein anderer Weg in der neueren thesis charakterisiert. Und er hat Arten
der Synthesis
Psychologie eingeschlagen worden, nämlich mit der Unter- unterschieden. Es hat daher der Vorwurf gegen ihn sich er-
scheidung zu beginnen, und in ihr den Leitfaden festzuhalten heben können, daß er das Denken auf das Niveau einer mecha-
für den gesamten Aufbau des Bewußtseins. Nun könnte man nischen Zusammensetzung erniedrigt habe. Der Vorwurf in
zwar meinen, daß auch die Unterscheidung eine Art von Ver- seiner Ungeheuerlichkeit wäre doch nicht möglich geworden.

^
Gegeben 27
26 Mehrheit und Einheit

wenn man nicht über dem Vorgang die Sache, über der Tätig-
schauung zu ihrer Voraussetzung. Auf diese Relation
Zusammensetzen muß die Synthesis gespannt sein gemäß der Relation,
keit das Ziel derselben übersehen hätte. Das
welche zwischen Denken und Anschauung festgelegt ist. Wir
macht nicht die Synthesis aus; sondern das Ergebnis desselben
Dieses aber schließt wissen es schon, diese Anschauung ist reine Anschauung; ist
soll vielmehr erst Synthesis bedeuten.
denn nicht etwa Wahrnehmung oder Empfindung. Die SinnUchkeit
jeden entferntesten Schein der Zusammensetzung aus;
Synthesis ist Synthesis der ist reine Sinnhchkeit. Wenn aber gleich alle diese Unter-
es ist die Einheit.
Einheit den Gegensatz zu aller scheidungen, welche die Anschauung dem Denken näher
Einheit. Und daß die
bringen sollen, nach Gebühr beachtet sind, so bleibt dennoch
Art von Zusammensetzung bildet, das brauchte man
:| nicht
hätte man von Leibniz unverkürzt der Einwand stehen: daß dadurch die ur-
erst von Kant zu lernen; das
eigene Selbständigkeit des Denkens be-
lernen können. Von dieser Seite aus ist also die Bestimmung
einträchtigt sei. Das Denken ist Synthesis. Die Syn-
des Denkens, als Synthesis, einwandfrei. Das Denken
ist die
thesis ist Synthesis der Einheit. Aber die Einheit setzt die
Synthesis der Einheit.
Emen Mehrheit voraus. Und diese Mehrheit hat das Denken nicht
2a. Die Einheit und ihre Arten. zu schaffen, also auch nicht zu verantworten. Sie ist ihm
der
schwereren Anstoß müssen wir aber gerade angesichts
Schon in den alten „gegeben"; das ist der verhängnisvolle Ausdruck. Er be-
Einheit an der Synthesis nehmen.
der zeichnet die Schwäche durch welche Kant mit seinem eng-
Zeiten der griechischen Mathematik und demzufolge
Aus- lischen Jahrhundert zusammenhängt. Ein Zeichen derselben
griechischen Philosophie hat man für die Einheit zwei
Newton erkennen lassen.
dürfte sich auch bei
drücke angenommen: die Einheit (h) und die Monade (ßovdg). Es fehlt wahrlich nicht an klaren und scharfen Aus-
Die eine Einheit ist der Anfang der Zahlreihe; die andere
liegt
drücken, durch welche sich Kant von dieser Voraussetzung des.
außerhalb derselben. Was kann sie in diesem Jenseits leisten
erörtern sensuaUstischen und wissenschaftUchen Empirismus sich frei
sollen? Wir werden diese Frage später gründlicher zu
hinzuweisen, daß die erste Art zu machen, den Schwung gibt. So sagt er. Gegebensein heiße
haben. Hier genüge es, darauf
Art auf Erfahrung bezogen werden. Und die Erfahrung ist hier der
der Einheit zur Me h r h e i t weitergeht. Aber auch jede
Teil derselben, den die Mathematik vertritt. Aber die Mathe-
von Mehrheit und jedes Individuum derselben muß eine Em- matik vermag nur durch ihre reine Anschauung das Geben zu
Hierfür schon hat die andere Art der
heitsein.
leisten: als ob ihr das Denken versagt wäre. Auch die Syn-
24 Einheit einzutreten. Wie ist dieses Eintreten zu thesis im Ziehen einer Linie ist nicht sowohl Denken als viel-
25

verstehen? Wird sich der Begriff der Einheit auch auf die
Oder soll die Mehrheit mehr Anschauung. Und so bleibt es dabei, daß auch unter
Mehrheit zu erstrecken haben? dieser Bedeutung des reinen Gegebenseins kraft der Synthesis
schlechterdings als Voraussetzung der Einheit hinzunehmen
schwere dasselbe nicht vom Denken herkommt. Das ist der Grund-
sein? Ist aber das letztere der Fall, so entsteht das fehler der Sache in der Anlage der Synthesis. Dieser Fehler ist
Bedenken, welches sich gegen die Synthesis erhebt: sie
geht
hat für die- mit den Mitteln der Kantischen Terminologie nicht zu kor-
zwar auf die Einheit aus; aber sie
rigieren. Und es ist nicht allein die Terminologie, in welcher
selbe die Mehrheit zu ihrer Voraussetzung. die Wurzel des Übels läge, so daß man nur sie zu verbessern
ent-
Diesem Bedenken gegen das vorausgesetzte Material suchen müßte; sondern es ist dies ein Mangel in der ganzen
Synthesis
zieht sich auch die Kantische Terminologie der methodischen Disposition.
nicht; und sie kann sich ihm nach ihrem
ganzen inner-
Synthesis Wir wissen, die Kritik besteht in der Messung der Er-
hchsten Gefüge nicht entziehen: die Einheit der kenntnis an den Prinzipien der mathematischen Naturwissen-
des Denkens hat das Mannigfaltige dtfr An-
Erzetigung 29
26 Veränderung des Begriffs der Zahl

Prinzipien ein- Mehrheit, die etwa für die Einheit als Voraussetzung dient,
Schaft. Diese Messung aber, so tief sie in die wenn anders sie als solche Voraussetzung brauchbar ist, selbst
drang, stand doch hierin einseitig unter
dem Einfluß Newtons.
zwar als eine erzeugt, also auch selbst als Einheit gedacht werden muß. Die
So wurden die Grundbegriffe der Mathematik
und Ansicht, daß die Mehrheit von anderswoher dem Denken ge-
ArtvonPrineipia mathematica ausgezeichnet,
geben werden könnte, ist vorerst wenigstens bereits erledigt.
Naturwissenschaft, der Philo-
^i'

von denen der reinen


aber die Unterschei- Ferner aber kann der bildliche Ausdruck des Erzeugens
sophia naturalis unterschieden;
Denkens schon deshalb nicht schädigen,
die Charakteristik des
und ihre viel-
dung wurde nicht auf die einzelnen Prinzipien weil es bei dem Erzeugen nicht sowohl auf das Erzeugnis an-
seitige Bedeutung selbst durchgeführt. Zahl und Große
jener Seite kommt, als vor allem auf die Tätigkeit des Erzeugens selbst.
erschienen auf jener Seite; und sie bUeben auf Die Erzeugung selbst ist das Erzeugnis. Es
d er
stehen. Das Wichtigste aber ist: d er B egr i f f gilt beim Denken nicht sowohl den Gedanken zu schaffen, so-
Zahl erschien in einerlei Gestalt: als ob ihn dem Denken herausgesetztes
fern derselbe als ein fertiges, aus
L e b n z und Newton
i i nicht verwandelt hätten.
Ding betrachtet wird; sondern das Denken selbst ist das Ziel
Es ist also ein Mangel in dem
Zurückgehen auf die ein-
Mathematik, also ein schlichter
und der Gegenstand seiner Tätigkeit. Diese Tätigkeit geht
zelnen Prinzipien der neueren
vi)

Methode
der nicht in ein Ding über; sie kommt nicht außerhalb ihrer selbst.
Mangel in der klaren Durchführung der Sofern sie zu Ende kommt, ist sie fertig, und hört auf, Problem
Kritik, auf welchen zurückzuführen sind: das Festhalten am
zu sein. Sie selbst ist der Gedanke, und der Gedanke ist nichts
Vorurteil des e nsei ns, die Lücke in der Be-
Gegeb
stimmung der Synthesis —
denn die Ausfüllung der- außer dem Denken.
Durch diese beiden Momente also, daß das Erzeugen ein
selben durch das Zurückgreifen auf die Kompetenzen der An-
Erzeugen der Einheit sei, welche Grundbestimmung nicht
schauung macht die Lücke für das Denken nur noch klaffender
minder auch für die Mehrheit gelten müsse; und daß das Er-
— und endlich die Beeinträchtigung derUrsprünglich-
zeugen zugleich das Erzeugnis sei, begründet sich die Tendenz,
keit und voraussetzungslosen Selbständigkeit des Denkens,
Denkens. das Denken als Erzeugung zu bestimmen. Indessen fehlt doch
also die nicht erschöpfende Bestimmung des
noch viel, um diese Tendenz zu scharfer und klarer Durch-
3. D i e E r z e u g u n g. Es ist für das Denken in der
philosophischen, führung zu bringen. Es erhält sich der Schein, daß die Kraft
Literatur, in der mathematischen, wie in der
zwar ebenso be- des Gedankens in dem Gleichnis wurzele, und daß nur die
noch ein anderer Ausdruck bemerkbar, und
Richtung auf tunUchste Selbständigkeit und reinliche Ab-
Zeit, und freiUch auch
reits im Altertum, wie in der neueren
hat zwar scheidung der Nebenmotive dadurch vorgeschrieben werden
nicht allein in der wissenschaftlichen Sprache. Er solle. Wir jedoch suchen hier streng und buchstäblich die
nicht die zentrale Bedeutung erlangt, wie die
Verbindung und
Stellen Unabhängigkeit des Denkens von allen Gaben, auf die es für
die Synthesis, aber er läßt sich doch an entscheidenden
Das Erzeugen seinen eigenen Anfang angewiesen wäre, festzustellen. Wir
aufspüren: der Ausdruck des E r z e u g e n s.

zum bild- müssen daher für die Erzeugung eine genauere Bedeutung
S6 bringt die schöpferische Souveränität des Denkens ausfindig machen.
Uchen Ausdruck. Das Bild freihch ist das Schlimme daran; 4. Sein und Begriff als F'rage. Die wissen- 27
Voraus-
denn es lockt wieder den Nebensinn jener latenten schafthche Philosophie begin .1, so kann man wohl sagen,
genauer be-
setzung herbei, die wir beseitigen müssen. Aber mit P a r m e n i d e s. Er hat nicht nur das Denken ein-
wissen
trachtet kann das Bild doch nicht schaden; denn wir
geführt, sondern es auf das Sein, und zwar durch Identität
bereits, daß es sich bei dem Denken, also bei
dem Erzeugen,
fixiert. Pia ton geht über ihn hinaus, indem er zunächst
um die Einheit handelt. Daraus folgt aber, daß auch die
n
«I.. Vor-Sein 31
30 SoJcrates und Aristoteles

und Kosmogonien. Die Metaphysik des Aristoteles wird


auf Pythagoras zurückgeht und auf Sokrates. Die bei den Terminus des absoluten Prius be-
durch
Pythagoras mathematisch formuUerte Substanz war durch herrscht, (jiQöxsQov Tß <pvott, jtgotsQov anX&q) im Unterschiede
Sokrates zum Begriffe geworden. Und dieser Begriff sollte nun Und dieser Grund-
von jeder psychologischen Relativität.
von sich selbst Rechenschaft geben. So entstand die I d e e, begriff seiner Metaphysik erstreckt sich auch auf seine Logik.
alsHypothesis. Die Grundlegung des Denkens ward Wäre es nur durch diesen Begriff, so würde der Zusammenhang
also zur Grundlage des Seins. Das „wahrhafte Sein",
das
seiner Logik mit seiner Metaphysik unzweifelhaft begründet
„seiende Sein" nannte Piaton im Anklang an Demokrit
und befestigt sein. Was war? Die
Frage bedeutet: der Grund
dieses seinSein im Denken. des Seins muß Gegenwart gelegt werden. Es
jenseits seiner
Aristoteles dagegen verläßt mathe-
freilich diese
genügt nicht, das Sein durch das wahrhafte Sein, das seiend
matische Richtung des Denkens. Aber der Empirismus ist Seiende zu bestimmen; ein Vor-Sein wird gesucht, und
doch nur die eine der beiden Seeleu in ihm. Die Logik ist in ihm das Sein gegründet und gesichert.
ihm nicht nur Technik; die Metaphysik läßt ihn auch in der Dieser Gedanke erklärt vielleicht nicht zum mindesten die
Logik nicht in Ruhe. Sokrates besonders kann er nicht genug lebendige Verehrung, welche auch bei tiefen Denkern des
mit geschichtlichen Ehren auszeichnen. Er macht ihn zum Mittelalters Aristoteles genoß, bei denen Piaton selbst sie mit
Entdecker des Begriffs. Da mag die Frageform, in welcher
ihm teilen mußte. Die andere Seele des Aristoteles hat sich
Sokrates den Begriff formulierte, ihn vorzüglich angeregt und unvertilgbar in diesem mystischen Worte ausgedrückt. Die
angesprochen haben. „Was ist?" (xHau;), Diese Frage
Selbständigkeit und Ursprünghchkeit des Denkens war allem
sollte zugleich die Antwort sein.
subjektiven, psychologischen Prius gegenüber durch dieses
In der Tat das Wesen und der Wert des Begriffs da-
ist
absolute Prius hoch- und festgehalten und proklamiert. Das
durch getroffen. In den höchsten und komphziertesten Ge- Sein ruht nicht in sich selbst; sondern das Denken erst läßt
staltungen selbst muß der Begriff immer doch Frage sein, und es entstehen. Nicht was ist, ist das Sein, sondern was war,
Frage bleiben. Bei Sokrates aber bleibt das Interesse am Be- macht das Sein aus. Nicht auf die Vergangenheit etwa wird
griffe selbst stehen; auf das Sein in seinen vielfachen Bedeu-
dadurch das Sein zurückversetzt; sondern auf einen Ur-
tungen geht sein Blick wohl hin, vielleicht auch mehr als sprung seiner selbst soll es verwiesen werden. Und
dilettantisch schweifend; aber mit der schöpferischen Energie
wo könnte dieser Ursprung, der jenseits des Seins liegen soll,
des Genius haftet sein BHck ausschließlich auf der einen Art anders liegen als im Denken? So ist diese Frage und dieses
des sittlichen Seins. Worin dieses seinen Grund und
Interesse trotz aller Schöpfungs-Theologie im Mittelalter wach
Quell habe, das weiß er zu ergründen. Aber den Grund der
gebheben. Und vielleicht hat sich der Glaube an die Ewigkeit
Natur zu erforschen, stellt er resigniert dem Anaxagoras vornehmlich dadurch erhalten. Es spricht sich in diesem
anheim. Vielleicht läßt sich nun von hier aus das Rätselwort Glauben die freie Zuversicht auf die Ewigkeit des Denkens
einigermaßen erklären, mit dem Aristoteles den Grund oder, was sie hier bedeutet, auf die Souveränität des Denkens
des Seins bezeichnet. Das unübersetzbare Wort t6 t/ ^v elvai
aus. Das Denken kann, das Denken soll das Sein entdecken.
bezieht sich vielleicht auf das Fragewort des Sokratischeif Be-
griffs; nur wird aus dem „Was ist" bei ihm „Was war"; und
auf dieses Fragewort „Was war?** wird das VIII. Die Logik des Ursprungs.
Sein nunmehr begründet. 1. Nikolaus von Kues. Das war die Aufgabe,
28 5. DasVor-Sein des Aristoteles. Wahrlich,
durch deren wissenschaftliche Formulierung die Renaissance
die Frage hat hier nicht den Sinn, wie in den Theogonien
32 Gtua und das UnendUehe Infinitesimal-Analysis 38

das Mittelalter ablöste. Und die Frührenaissance bewährt ander. Die eine Richtung ist die der antiken Atomistik, welche
u f9 auch hierin ihren evangelistischen Charakter. Ein deutscher die neue Zeit erneuert hat. Sie war aus der Identität des
Mann, in dessen römischem Bischofssitze alle Fäden der wissen- Parmenides hervorgegangen. Den Grund des Seins
schaftlichen und der künstlerischen Renaissance sich knüpfen, D m
legt e k r i t in den Atomen.
Sie sind unteilbar, sie
findet den Ariadnefaden der wissenschaftUchen
Philosophie stellen Ganzheiten dar; aber die Teile und alles, was teilbar 30

wieder auf, und wird nicht nur zum ersten deutschen großen ist, soll aus ihnen erklärbar, erzeugbar werden. Sie liegen
Philosophen, sondern zum Begründer der deutschen Philosophie. also zwar noch innerhalb des Seins, aber an der Grenze des-
Nikolaus von Kues umfaßt in seinem modernen selben, und sie sollen den Grund und den Ursprung des Seins
Geiste Interessen der systematischen Philosophie, nicht
alle darstellen und vertreten. Diese Hypothesis ist die Voraus-
zum mindesten auch die der Religion und der Ethik. So gibt setzung der Chemie geworden. Aber sie wollte von Anfang an
er auch dem Freiheitszuge der Mystik
die Richtung des in dieser Einschränkung auf die Chemie nicht verstanden sein.
Pantheismus, der ja doch ohnehin in der Parmenideischen Die andere Art des ,, wahrhaft Seienden", welche Demokrit
Identität von Denken und Sein seinen antiken Grund hat. neben den Atomen annahm, war das Leere. Diese Hypo-
Aber diese religionsphilosophischen Fiorituren sind nur das thesis galt offenbar der Bewegung, also der Physik. Sie
Ornament in seinem Bau. Das konstruktive Element, das hat sich bei der Erneuerung der Physik durch F a r a d a y
Fundament desselben ist die legitime wissenschaftliche An- als eine fruchtbare Macht bewährt.
wendung, die er von der Identität zwischen Denken und Sein Aber die Physik ist den- Weg der Mathematik gegangen,
macht. Er geht und führt wieder den Platonischen Weg der zur Hypothesis des Unendlichen
führte. Aus
zur Mathematik. der Bewegung sollte das Seiende, Masse und Kraft zur Be-
Er „Wir haben nichts Gewisses als unsere
spricht es aus: stimmung gelangen. So fiel dem Begriffe des Unendlichen die
Mathematik*' (nihil certi habemus in nostra Aufgabe zu, das Seiende zu entdecken. Diese Entdeckung ist
scientia nisi nostrammathematica m). Er
'tl

die wahrhafte, die wissenschaftliche Erzeugung. Die I n -


sucht Gewißheit der Erkenntnis, und er findet das Prinzip finitesimal-Analysis ist das legitime In-
der Gewißheit in der Mathematik, deren Erneuerung er her- strument der mathematischen Naturwissen-
beiführte. Der mathematische Begriff des Unendlichen schaft. Auf ihr beruhen alle ihre Methoden. In ihrer Ge-
wird ihm der Angelpunkt wissenschaftlicher Erkenntnis. So wißheit ruht die Gewißheit der Wissenschaft. Das Proble-
geht von ihm die zwar in ihren Kanälen verschüttete, nichts- matische auch, das ihr noch anhaftet, enthält den Grund und
destoweniger aber sichere Strömung zu Galilei und den Grad des Problematischen, der noch für die mathematische
L e i b n i z. Das Endliche wird am Unendlichen gemessen. Diese mathematische
Naturwissenschaft obwaltet.
„Die U nien dlichkeit selbst nenne ich das Erzeugung der Bewegung und durch sie der
Maß von alle m.*' Cusa spricht in Kernsätzen. Das Natur ist der Triumph des reinen Denkens.
Maß bedeutet ihm nicht nur, daß das Endliche durch das Aber der Sieg, so sonderbar es klingen mag, ist doch noch
Unendliche gemessen wird; sondern er erkennt es als das nicht gesichert. Wir haben ja eben auch einen Anteil am
Mittel und das Instrument seiner Entdeckung. Problematischen für das Prinzip des Unendlichen eingestanden.
2. Die Atomistik und die Infinitesimal- Man spottet zwar nicht mehr, wie Berkeley
charakte-
Anal y s Zwei große Richtungen lassen sich in der Ge-
i s. ristischerweise es tat, über die infinitesimalen Elemente, als
schichte der wissenschaftlichen Vernunft füi dieses ihr tiefstes über die ,, Geister abgeschiedener Größen". Aber was schlimmer
Problem unterscheiden. Beide kämpfen noch heute mitein- ist, man sucht sie zu umgehen und zu entwerten. Welcher
Cohen, Ix>gik der reinen Erkenntnis. II. Aufl. t
Problem des Ursprungs 35
NattirwisteiudtaH^
34 Logik tkr matlttmatüchen
Bedeutung des infinitesimalen Prinzips nicht erkannt hat. Und
Arithmetik entstehen mag. ihr Zu- wenn es noch einer Erklärung dafür bedarf, daß auch die
Kntzeii daraus immer der
irimenhanß minder Mechanik wd
dadurch Das
zerrissen Kritik der reinen Vernunft nicht nur zur Zeit ihrer Entstehung,
1u entscheidender Weise instruktiv für die Logik sondern auch in unserer Zeit bei dem Versuch ihrer Erneuerung
BeTsSl ist
Logik der
Hnß sie nicht ausschließlich eineeinheitlich der und Verjüngung nicht zu einmütiger Aufnahme durchzudringen
Mathemäuk sein dürfe, sondern vermochte, so dürfte sie letzthch darin gesucht werden, daß
mathematischen Naturwissenschaft. Kant an diesem Wendepunkte die orientierende Fährte
Stellungnahme der tLogiK
„ „ k zur :

verlor. Es fehlt wahrUch nicht an kräftigen Anzeichen,


daß der
q nie
die Logik sich aber Grundbegriff der neuen Größenlehre nach seiner Bedeutung
iiber-
neuen Mathematik.^ Ist
Aufgabe bewußt geworden?
hauDt dieser ihrer eigentlichen für die R
e a 1 i t ä t von ihm erkannt worden sei; aber er ist
Frage bietet das Prinzip des
Un- Und keine geringere
ÄntsXidung di Jer nicht der Hebel der Kritik geworden.
31
Hat das Pfinzip der Bedeutung kommt ihm zu. Und keine andere Beleuchtung
endlichen die sichere Auskunft. M
gebührende zen- Hätte das
Infinitesimal -Methode die ihm diese Frage nicht
kann diesem fundamentalen Problem genügen.
i^le Stelle m der Logik gefunden? Wenn infinitesimale Prinzip die ihm zukommende Stellung in der
die voraufgehende Frage
verneint dem Denken die Sinnlichkeit nicht
Saht wden kann, so muß Kritik gefunden, so würde
festgestellt, daß die Logik ihre e.gent-
haben zuvorkommen können; würde das reine Denken
so in
werden und so wäre es neue
eigentliche Problem, das die Selbständigkeit nicht geschwächt worden sein.
Hche Aufgabe verfehlt, das seiner
hat. in diesen Jdiren.
Das Frage, das ist die Angelegenheit, um die es
ist die
W?ienschaft ihr gestellt
die seitdem verflossen sind,
noch immer ^-[f -Jf sich bei Infinitesimalen für die Logik handelt: die un-
dem
In einem anderen Sinne, Kant gemeint war^
als es von^f'^f^'J^^^'^^, geschmälerte Sicherung, die uneingeschränkte, schöpferische
und mit einem anderen Rechte, au^ Selbständigkeit des reinen Denkens. Nicht darauf also etwa
ließe sich dann das Wort, Sclmtt vor
daß die Logik seit Ansto eles keineii beschränkt sich die Bedeutung der neuen Rechnung für die
sprechen,
wenn sie verabsäumt hatte, an dem ge- Logik, daß an diesem Musterbeispiel der Infinitesimal-Rechnung
wärts getan habe,
Unendlichen die einwand- der Triumph des reinen Denkens zu demonstrieren
wäre;
waWgen Muster der Analysis des kritisieren. Wenn
te Fruchtbarkeit des reinen Denkens zu sondern die präzise Frage und die erlösende Antwort auf eine
Natur-
unerläßliche und unersetzliche Bedeutung des Denkens,
der mathematischen als
die Logik Logik der
Wissenschaft,
Logik
wissenschaft prinzipaliter ist. so muß sie vorzugsweise die Erzeugung, ist aus der Analyse des Unendlichen zu gewinnen.
sein Kommt da- Es ist das Problem des Ursprungs, welches
des Prinzips der Infinitesimal-Rechnung Natur- das
der mathematischen die neue Rechnung aufgerichtet, und welches zugleich
ßSerdas entscheidende Prinzip m
ihr mch
Snschaft nicht in ihr zur Lösung, und steht e« Denken, als Erzeugung, zur Klarheit und zur Genauigkeit
in ihrem Mittelpunkte, so
hat sie selbst ihren Mittelpunkt bringt. ^ tt
noch nkht gewonnen; so steht sie noch im Schwerpunkt
der
4. Das Prinzip des Ursprungs. Ur- Der
Denken das enige. welches seit Die Wissenschaft der Griechen
alten Zeit Das neue ist sprung bildet eine alte Frage.
Ganiei'. Leibniz und Newton in systematischer beginnt mit ihr, und nach alter Weisung auch ihre Philo-
Wirksamkeit ist. . - sophie. Im Anfang zwar steht das Wasser für den Ur-
Logik, nicht nur wie «e Und doch ersteht in diesem Ursprung
Ein Blick auf die Literatur der sprung der Dinge.
in den Lehrbüchern der Logik,
auch in den besten^ sondern schon die Abstraktion des Stoffes. Bald aber tritt das Un-
Systemen der metaphysischen Logik vorhegt endliche auf den Plan, als neue, als echte Art des
Ursprungs.
auch wie sie in den logische
Logik die entscheidende
läßt es erkennen, daß die
Nicht Erkenntnis-Theorie, noch Kritik
37
36 Logik des Ursprungs

Prinzips niemals Das ist die neue Gestalt, die wir hier versuchen wollen,
Und SO der Ausdruck des Anfangs, des
kommt der Logik zu geben. Und nicht allein eine neue Gestalt
soll
Richtungen ver-
von der Tagesordnung; und wie sehr sich die ihr damit werden; -sondern ein neues Fundament
soll ihr gelegt
bleibt doch immer das Problem. Wir
zweigen, der Ursprung werden: ein Fundament, welches in der neuen Wissenschaft
Erkenntnis. Das Prinzip aber
wissen es, das Prinzip ist die der bisherigen
U den Ursprung kann in anerkanntem Gebrauche ist, welches jedoch in
bedeutet uns jetzt den Ursprung. Ohne
werden. Die allgemeine Bedeutung Logik als Fundament nicht erkannt ist. Gelänge es uns nicht,
das Prinzip nicht prägnant festzulegen, so
sich zur Grundlegung dieses Fundament als Fundament der Logik
des Prinzips, als Grundlegung, sie muß darum über das Schicksal des Problems nicht entschieden.
In dieser Hinausführung wird
das wäre
des Ursprungs vertiefen.
der neuen Zeit. Es müßte nur neuer Bearbeitung harren; aber das Problem
Prinzip das Selbstbewußtsein
des Ursprungs bliebe unerschüttert.
Wenn also die Erkenntnis gleich dem Prinzip ist, so das
ist

den Ursprung bedingt. Und wenn Wir können das Verhältnis des hier entstehenden Werkes
sie nunmehr durch noch genauer
Ausgang zu dem hier proklamierten Problem der Logik
Denken das Denken der Erkenntnis ist, so hat es seinen bezeichnen. Die Lösung, die hier versucht wird, ist
nur ein
dem Denken des Ursprungs. So lange das Er-
und Grund in Beitrag, und kann nur ein Beitrag sein. So gewiß die Logik
Ursprungs
zeugen nicht in dieser Prägnanz als das Erzeugen des Prinzip des Ursprungs
auch durch das h.r- eine ewige Geschichte hat, so gewiß ist das
m <tefaßt wurde, so lange konnte das Denken Logik noch
gelangen. Der das ewige Prinzip der Logik. Aber so lange die
zeugen nicht zu klarer methodischer Bestimmung Erkenntnis des Ursprungs ihren Mittel- 34
Man kann jetzt nicht in der reinen
Schein des Gleichnisses bUeb auf ihm sitzen.
punkt befestigt hat, so lange hat sie sich der Ewigkeit
ihrer
den bildlichen Ausdruck ganz fallen lassen. Denken ist
Beitrag eme neue
Aufgabe noch nicht versichert. Daher ist der
Denken des Ursprungs. Dem Ursprung buchstäblicher
darf nichts ge-
Grundlegung. Kraft des Ursprungs, als der reinen
Erkenntnis
geben Das Prinzip ist Grundlegung in
sein.
Logik die Logik der reinen Erkenntnis.
Der Grund muß Ursprung werden. Wenn anders xar« iBoxvr, ist die
Genauigkeit. unmittelbare Verhältnis zwischen
hat, so darf Demgemäß ist dieses
das Denken im Ursprung das Sein zu entdecken Es darf nicht
andern Grund haben, als den Logik und Erkenntnis genau zu formuUeren.
dieses Sein keinen, keinerlei
Ursprungs eine andere Disziplin, eine andere Unter-
das Denken ihm zu legen vermag. Als Denken dfis
erst wird das reine Denken wahrhaft.
suchungsart der Logik zur Seite gegeben
Die Logik des Ursprungs. Die Logik
5
werden. Sie kann keine Meisterin brauchen, und auch keine
unklarer
Eine sogenannte Erkenntnis-Theorie ist ein
muß demnach Logik des Ursprungs werden.
Anfang
Gehülfin.
Titel. Die Erkenntnis wird da gar leicht* in der dritten
Be-
Denn der Ursprung ist nicht nur der notwendige 3 verstanden oder nicht
deutung des Erkennens (oben S. f.)
Denkens; sondern in allem Fortgang muß er
sich
des
als das treibende Prinzip betätigen. Alle reinen verstanden, aber behandelt. .^i . .
i

Aber auch die Kritik und die Erkenntniskritik


Erkenntnisse müssen Abwandlungen des
können nicht stichhalten. Kant konnte, mußte
die Kritik
Prinzips des Ursprungs sein. Andernfalls hätten herbeiziehen, weil er der Logik eine Lehre
von der reinen
keinen selbständigen, wie keinen reinen Wert.
Die Logik
sie
vorausschickte. Wir aber dürfen, wir müssen
des Ursprungs muß sich daher in ihrem ganzen Aufbau als Sinnlichkeit
die Logik selbst als Kritik zur Geltung
bringen. Denn sie
solche vollziehen. I n a 1 1 e n r e i n e n
Erkenntnissen, den Ursprung
bedeutet uns die Logik des Ursprungs. Und
die sie als Prinzipien beglaubigt, muß das Das Denken ist
fordern wir in allen reinen Erkenntnissen.
Prinzip des Ursprungs durchwalten. So wird Dadurch ist das Denken das
des Ursprungs zur Logik der reinen Erkenntnis,
das Denken des Ursprungs.
die Logik
39
Haturguette dt» Denhen$1

Mordliaehe Oewifiheit
38 fr«h
Eine dritte Art der Kultur taucht it /ii^
"I , Und .,
ist es
die es etwa Willkür, die sie hervorzaubert?
Denken der Erkenntnis. Und wenn anders die Logik auf. Ist
Geschichte der Menschheit erhalt? Be-
sie an sie in der
sie. und nur sie und Willkür, die
LoS des Denkens ist. so ist
reinen Erkenrtnis Das Denken friedigt für diese Frage etwa die
Annahme eines Naturtriebes?
sich sefbi die Logik der den Instinkt verantwortlich
diese durchschlagende In gleicher Weise könnte man auch
d^ UrSrungs hat dem reinen Denken
Durchführung dieser Gerecht- machen für den Plan sittlicher Gesetze.
Und wenn man dem
K^mpetrz erteilt. Und die
Naturtrieb das Brutale nimmt, wird «r «tw« "»tei
der Logik der reinen Erkenntnis. instinküven
sa^ ist die Aufgabe Naturgesetzes eine P/^zisere Instanz?
dem humanen Schein des
dem Naturgesetz könnte man auch die Logik behandeln
Mit
IX. Der Umfang der Logik. vielmehr erledigen. Denn das Denken verlöre damit seine
notwendige Relltion zur Wissenschaft und
ihren Gesetzen Jur
des Reinen.
Der unbestimmte Umfang erlangt, entdecken hat. D»« Gesetze
1
von dem welche die Logik die Grundlagen zu
Schwerpunkt
Die Logik hat nunmehr ihren wären dann nicht die in der Wissenschaft zur Entdeckung
Erkenntnis behandelt werden, von dem
aü; aUe Probleme der
sondern im Bewußtsein würden sie an-
aus dem zur Lösung kommen müssen, kommenden Gesetze,
sk au strahlen und sie
grommen. Und aus dem allgemeinen Gebiete
der Wissenschaft
entsteht nun »ber eine neue
diesem Archimedischen Punkte

Ä
Aufsähe Wir haben

worden war Und wie


gesehen,

es bei P
daß

1 a
von
das Prinzip nicht ausschUeßlich

1 n
Anfang
für die
ES^sLschaft: nicht einmal für die Mathematik
war,
an die Grund-
mathematische

so
gedacht
wiederholt es
lürde

se
die
i
2.
n.
spezieUes das des B e w u ß t s e i
als ein

methodische
Die Komplikation mit dem
Wurzel der mathematischen
großer und
Be^«"^),-

tiefer
n s abgezweigt.

Bewußtseins noch
Gilt denn aber für diesen Zweig
d«^«
Natu^>ssens*aft ?
Streit? Und kann
Wir erkannten in dieser unkontrolherten Ist darüber nicht gerade
Tich bei Des carte s. der E^kennt"^^ d eser Streit auf anderem Wege geschlichtet werden al auf
Ausdehnung der Grundlage und demgemäß Geschichte der Probleme,
der
Verwirrung m der dem Wege der Logik? Ist es nicht eine Tautologie des Denkens
den allgemeinsten Grund der Gesetzen »6
35
allgemein an als die wenn man die Logik die Lehre von den
Logik Erst die neue Zeit kündigt sich Was sind denn Gesetze?
vielmehr das
SoU nicht
Bewußtseins der Aufrichtigkeit und des nennt?
Morgenröte dieses
Gewißheit von anderer Denken den Begriff des Gesetzes zur ^.^^''^'^^''l^'^^;
MutS: daß die moralische Der Schein der Tautologie versteckt sich
hinter die lUus on,
Art sei als die mathematische. Naturgesetze des Denkens sein soUen.
verschieden daß diese Gesetze die
Wenn nun aber gleich die Arten der Gewißheit sind ja gerade das Problem^
damit zugleich auch das m o r a 1 1 s c he
De n k e n Aber die Naturgesetze
Logik von dem
sind, soll
verlustig gehen? Vermag es nicht an seinem Und zur Lösung dieses Problems geht die den Gesetzen
aller Gewißheit Einsicht aus. daß
wie Einrichtungen Grundgedanken iesichichtlicher
Se sowohl Lehrgebäude aufzurichten,
Kultur herbeizuführen, welche an Ge- der Natur Erkenntnisse oder Prinzipien zugrunde hegen, und
und Stiftungen der entdecken habe Das
mit den Schöpfungen der Natur wett- daß das Denken diese Grundlegungen zu
schlossenSnd Macht zur Logik. Der verkehrte
und Gesetze walten, so herr- Problem der Naturgesetze also führt
eifern? Wie in der Natur Kräfte Logik bereits angebhche Natur-
Gewalten und Normen, die man Weg wäre es demnach, in der
schen in der sittUchen Kultur
wechselnder Personen in ihrem gesetze des Denkens anzunehmen,
um von diesen aus hinterher
nicht auf den zufälligen Einfluß aufzusteigen. D ew
wird zurückführen wollen. Auch da erhebt erstzu dem Begriffe eines Naturgesetzes
ktzten Grunde Denken ausschheßlich
Forderung eines G e s e t z es , una Verkehrtheit wäre unmögUch. wenn das
sich der Gedanke und die und nicht vielmehr als das
Problem eines Prinzips und einer Grundlegung für auf die Erkenntnis bezogen würde,
also das
die MdgUchkeit solcher Gesetze.
Aristoteles und die Biologie 41
40 Drei Grundrichtungen der Kultur

sei
Man könnte meinen, zur Logik der Geisteswissenschaften
Bewußtseins nivelliert, und gerade, wie wir der Psycho-
Erkennen zu einem Vorgang des sie brauchbar und hinlänglich. Und
geworfen würde, welche haben, könnte man, von
in den Mischmasch der Probleme logie einen neuen Inhalt aufgegeben
bisher das Gebiet der Psychologie
ausfüllen. absehend, die Be-
zurück, so der mathematischen Naturwissenschaft
Gehen wir nun zu den ursprüngUchen Fragen rechtigung dieser Beziehung begründet und
anerkannt glauben.
ebensowenig für die mathematischen
sind die Naturtriebe als Naturgesetze, Dabei würde man aber, ganz abgesehen von der
methodisches Prinzip, wie für
Ästhetik und für die Ethik ein Naturwissenschaft, die Hauptsache fallen
lassen.
erhebt sich die Forderung
Wenn wir hier die Ausdehnung der Logik auf die G e i s t e s
-
die Logik. Nichtsdestoweniger aber
eines Gesetzes für alle diese drei G r u n d r i c h t u n gen Wissenschaften ins Auge fassen, sc ist es keineswegs
K u 1 1 u r. Sie erhebt sich unter dem methodischen Aus- inhaltlich die Bestimmungen und
der
einer Erkenntnis, die Meinung, daß die Logik
druck einer Grundlegung, eines Prinzips, Reeeln zu erzeugen hätte, welche dort walten mögen; sondern
Verschiedenheit, dennoch
welche bei scharfer Reinhaltung der
methodisch soll sie die Anlage der zu fordernden Grund-
nur
einer Quelle, die Gemein- Diese metho-
die Gemeinsamkeit einer Wurzel oder legungen vorbereiten und zubereiten.
zu bedeuten vermöchte. ^^^ hat>en Be-
samkeit eines Ursprungs
von der Vorstellung dische Disposition allein wird in der
das Denken, um es von der Phantasie und ziehung auf die Logik angenommen.
Erkenntnis bezogen. Der methodische
zu unterscheiden, auf die
war dies Wenn dagegen die Psychologie den Geisteswissenschaften
Zweck hat diese Unterscheidung geleitet. Nicht aber als leitende DiszipUn vorgesetzt wird, so ist der S»^il,^fabei,
Denken als
etwa die Meinung, daß nur das mathematische daß die Psychologie auch inhaltlich jene Normen
der Sittlich-
Denken verstanden werden dürfte. habe. So geht die
keit zu erklären und zu vertreten
Auch auf die Sittlichkeit und auf die Kunst
be-
Auch in der Sittlichkeit
Selbständigkeit der Ethik und ^^r Ästhetik
an die Psychologie verloren. U"d Ethik und
zieht sich mit Fug das Denken. die Folge
und in der Kunst walten Bestimmungen und Regeln, die würde sein, daß der Begriff des Gesetzes
in der
den Charakter von Gesetzen an sich tragen.
Wenn dieses
eitel würde. Denn so
Regeln auf vollends in der Ästhetik zunichte und
Ansehen kein leerer Schein ist, so müssen diese wenig die Psychologie Gesetze des Denkens
zu erzeugen ver-
lassen, die zwar unter- Sitthchkeit und
87 Grundlegungen sich zurückführen mag, ebensowenig kann sie Gesetze für
werden mögen von denen der mathematischen
schieden Kunst gewährleisten.
Wert
Naturwissenschaft, die aber dennoch den methodischen
.

jetzt klar, in welchem as


4 Die Biologie. Wir sehen
von Grundlegungen zu behaupten haben. Und
wenn jene Erstreckung der Logik auf die
den Erkenntnissen rein methodischen Sinne eine
Regeln der Sittlichkeit und der Kunst auf Vor den Geistes-
so muli
Geisteswissenschaften hier gefordert wird.
analoge Grundlegungen zurückführbar sein
sollen,
meldet sich noch von der Seite der Natur-
Grundlagen wissenschaften aber
das Denken auch auf sie Bezug gewinnen. Denn Zugleich namlich
wissenschaft ein natürUcher Anspruch
an.
des Denkens
zu erzeugen, das ist und bleibt die Aufgabe mit der mathematischen Naturwissenschaft
hat sich im griechi-
Also muß die Logik auch zur Ethik und d Naturwissenschaft er-
schen Altertum die b e s c h r e i b e n e
zurÄsthetik in Beziehung gesetzt werden. hoben, und A r i s t o t e 1 e s der
, die Methodik der Mathe-
3 Logik und Psychologie. Hier könnte der Eine Eigenart
Beziehung zwischen matik verfehlte, hat die Biologie ausgebaut.
Einwand entstehen, daß an Stelle dieser
des Denkens wird auf diesem
Gebiete begünstigt, bevorzugt,
der Logik und den Geisteswissenschaften samt der Kunst die Wn
der man möchte sagen, zu einem Eigenwerte ausgeprägt.
Psychologie eintreten dürfte, die von der Logik genommen, mit welchem
mag. haben soeben auf den Ausdruck Bezug
mathematischen Naturwissenschaften geschieden bleiben
43
Ihr Ztuammenhang mit der Logik
42 Selbständigkeit d%r OeisteswisaenschafUn

Logik auf die Geistes-


Naturwissenschaft die Be- Gedanken, in welchem Sinn und Maß der
besonders in der mathematischen zu verstatten sei. Aber es kann
Regelmäßigkeiten bezeichnet werden, den Wissenschaften Beziehung
stimmungen und Beziehung gefordert, daß die Art
jedoch g^nz aU^mem für keine Frage sein, daß diese
Ausdruck der G e s e t z e der ,

und das Maß derselben bestimmt werden


wird. Wirlialten Richtung
Recht und PoUtik in Anspruch genommen und die
welche von vornherein auf das Problem
unsere Betrachtungen, den wir schon
unter Vermeidung dieses Aus- """'teitend muß hierbei der Gedanke sein,
des Gesetzes gerichtet waren, gegenüber ausgesprochen haben. 1^1« />«">;
Terminus der E r k e n n t n i s angesponnen. der Psvcholosie
drucks an den der eigene Inhalt kann und
darf
Wir sahen aber, wie die Erkenntnis durch den
B e g ri f f zur s^nSeit, die Eiienart,

Entwicklung kam. xT„t..„


d?n P&en der Geisteswissenschaften auch von
als von der Psychologie
der Logik
Aber
mit dem vorzugsweise die Natur- nicht gegeben werden, so wenig
Der B e g r i f f ist es,
diesen Grundlagen niüssen ferdinf
den die Dispositionen zu
wissenschaft der Organismen operiert, und an sie
innerhalb der Logik hegen.
Unmittelbar naheliegend ist hier
sich in der S p e z i e s anklammert.
Der Begriff ist unter-
Wissenschaften ja schließUch menschliches
Aber das Gesetz hat doch notwendiger- der Gedanke, daß alle
schieden vom Gesetz. Begründung scheint,
so ist im
weise den Begriff zur Voraussetzung. Und Denken seie^. Indessen so plausibel diese
von leiten lassen. Da» Denken
Begriffe die beschreibende Naturwissen- so dürfen wir uns doch nicht ihr
menschliches Denken. In dem Begriffe
schaft mit der mathematischen Natur- gilt uns hier nicht als
Verwandtschaft gesucht werden^
wissenschaf t so verbunden, ais8«8^V*v": der Erkenntnis-allein darf die
statthaft ist, stellt Und durch ihn wird auch der Kern des Richtigen, der in dei
Die Verbindung im Begriffe, so weit sie Denkens liegt, getroffen, ohne daß
zugleich die Verbindung des Denkens her in
beiden Gebieten. Annahme des menschlichen
Logik auf das Gebiet der be- er irreführend werden kann.
Und so ist die Ausdehnung der Mathematik ist auch
gerechtfertigt. Ohnehin Die durchgreifende Bedeutung der
schreibenden Naturwissenschaft vorerst
unbestreitbar. Die ue-
keineswegs in einem für die Geisteswissenschaften
verharren die Methoden dieses Gebietes Chronologie Die politische
Gegensatz zur mathematischen Naturwissenschaft,
sondern sie schichte beruht auf
Rechtswissenschaft
und dem sie Ökonomie auf Statistik. Die
betrachten diese als ihr Ideal, dem sie zustreben,
Wurzeln in dem Begriffe der
hat zum mindesten eine ihrer
ihre Methoden anpassen. E i n h e t ist ein wichtig^
5 Die Geisteswissenschaften.
Anders steht B e d n g u n g. Und
i
schon die i

könnte niandie Logik


Hier liegen die Problem in ihn Die Religion endlich
e* mit den Geisteswissenschaften. So umfassend ist das Prinzip des
Zwecks
so nahe, wie dort. Und gerade des Zwecks nennen.
Verbindungen bei weitem nicht
Fragen. Durch den Zweck hangen
gefährlich. Und es die Grundlage bei allen ihren
der Schein der Nähe ist verführerisch und zusammen. Aber es ist nicht die niathe™at;«äk
welche die Jahrtausende S^tt und Natur
ist der Aberglaube einer Spekulation, auf welche der Zweck
genährt wird. Die Id e n 1 1 - Natur, sondern vielmehr die biologische,
durchzieht, durch den diese Illusion aber wurde nicht
Bewußt- bezog;n werden kann. Diese Unterscheidung
tat von Natur und Geist, von Materie und erkannt. Seit A'-istoteles
hatte
ke, in dem sich SpirituaUsmus und zugeftanden, nicht
39 sein ist ein Sehnsuchtsgeda: und die Erkenntms aus-
es nicht eine daher die Wissenschaft überhaupt
Materialismus begegnen. Und immer wieder soll Charakter.

Forschung teleologischen
Jenseitshoffnung bleiben, sondern auf dem Boden der
schließlich r^o^nf der
d-r
beruht der Kampf
in Trennung Auf dieser erwachenden Einsicht
wird der Zauber zu lösen versucht, der beide Reiche den Zweck. Und doch ist
obschwebendcn neuen Zeit gegen Aristoteles und gegen
bannt. Angesichts dieser auch jetzt wieder unentbehrliche Grund-
der Zweck eine unvermeidliche, eine
Gefahr ist Behutsamkeit erforderlich und Vorsicht für den
Gegensätze und Kategorien 45
44 Verbindung im 2iwecM)egr%ff

so wenig, wie Wahrheit 4i


keine sogenannte Vermiitelung geben;
läge, wenn sie in einer genauen methodischen Grundlegung verträgt mit Unwahrheit. So sind die Grund-
eine solche
hängen im Zweck die Geistes-
gewonnen wird. So pfeiler des Denkens ebenso sehr die Voraussetzungen in den
wissenschaften zunächst durch die be- Geisteswissenschaften, wie in dem Denken
der Erkenntnis.
schreibende Naturwissenschaft mit der
Logik zusammen. Die Logik muß die Art von Ordnung
bestimmen, und ihr Gebiet begrenzen, als welche im
Unter- X.Das Urteil und die Kategorien.
Naturwissen-
schiede von den Gesetzen der mathematischen 1 Die Geschichte der Kategorien. Die
schaft der Zweckbegriff wirksam und fruchtbar
ist. und zwar zuerst
U Elemente der reinen Erkenntnis sind früh,
Was ferner wäre die E t hi k ohne den Begriff des r- als B e ö r i f f e zur Auszeichnung und Aufstellung gekommen.
1 i

sprungs? In ihm liegt die Wurzel für die Grundlage der


in einem Die Pythagoreische Tafel der Gegensätze
Ethik: das Prinzip der F r e i h e i t. Sie aber liegt enthält beinahe schon das ganze
Inventar, das die Folgezeit
alten Streite mit der Notwendigkeit, und so
wird schon zur Terminis im Ausdruck ver-
I erforder- gebraucht, und nur in einigen
Sicherung der Freiheit das Denken der Notwendigkeit ändert hat. Aristoteles sodann hat diese Grundbegriffe
die Freiheit die methodische Grundlage der
Ethik Gedanke der
lich. Wie vom Schema der Gegensätze befreit; denn der
um die Begriffe Gemein-
bildet, so dreht sich ihr Inhalt kosmogonischen Kich-
Gegensätze gehörte einer anderen, mehr
schaft und Individuum. Und so hängt sie wiederum Lung an. Aber er hat zugleich bei aller sonstigen
Überein-
dynamischen üb st an z
mit den logischen Begriffen der Einheit und der stimmung durch die Voranstellung des Begriffs der S
Gemeinschaft zusammen. vorgenommen. Gerade Pytna-
eine wesentliche Veränderung
Auch die Ästhetik endlich muß im Ganzen ihres
cjoras hatte die Substanz
entdeckt, dennoch sie aber m die
Entwurfs, wie in einzelnen Grundbegriffen auf die Logik zurück- Tafel nicht aufgenommen es
: fehlte und mußte ihr der Gegensatz
gehen. Hierfür ist schon entscheidend, daß eine
der Voraus-
fehlen Erst Parmenidcs hat im Denken das einzige
setzungen der Kunst die Natur ist, und wahrlich
nicht
Korrelativ dazu entdeckt. Aber die Veränderung, die
allein und schlechthin die biologische Natur. Zahl und
vollzog, betraf einen noch
Normen. Aristoteles an den Grundbegriffen
Größe sind ihre Maße. Das Ganze und die Teile ihre
Proportion? Und alleemeinern Punkt.
Und was Harmonie anders als eine Erkenntnis
ist die
Somit hängt
Verhältnis? Die Grundbegriffe sollen Elemente der reinen
was ist die Proportion anders als ein nach Parmenides ebenso sehr Elemente
mit der Logik sein. Mithin sind sie
die Ästhetik im Grundbegriffe der Relation darf kein Zweifel bestehen,
des Seins, wie des Denkens. Und es
l't
zusammen. Logik ihnen diese
daß Aristoteles in seiner metaphysischen
Gemeinsam aber ist allen Geisteswissenschaften mit der Doppelbedeutung zugedacht hat. Aber er hat einen eigenen
mathematischen Naturwissenschaft die Voraussetzung, daß das gegeben, der ihnen bis auf unsere Tage geblieben
Namen ihnen
Denken festgeprägte, unveränderliche Erzeugnisse zu geben obwohl in diesem Namen die Schwierigkeiten in der Be-
und zu sichern vermag. Die Identität desParmenides
ist
verkörpert sind. Die
und aller Forschung, deutung und Behandlung der Logik
ist der Polarstern aller Wissenschaft die A u s s a g e. Die Wahl
Kategorie bedeutet sprachlich
alles Denkens. Und wie die Identität das schlechthin herrschende des Wortes läßt sich gut verstehen.
Alle Aussagen beruhen,
Prinzip ist, so ist ihr Widerspiel, der W
i d e r s p r u c h das
,

bewegen sich in diesen Grundrichtungen, welche


die Kategorien
Grundgesetz der Verwaltung in allen Gebieten der Forschung, Alle Aussagen in allen Arten und Inhalten des
bezeichnen.
Recht muß Recht bleiben. Und Unrecht kann niemals Recht wissenschaftlichen Denkens sind daher durch diese Grund-
darf es
werden. Gut ist gut, und schlecht ist schlecht. Hier
, U

47
Das Urteil Orundform des Denkens
46 Aussage und Urteil

Begriffe {^yrouxi
1, o«i,offPt.
anhaftet <iondern auch als natürliche
^ond^^^^^^^^^
geruch
formen der Aussage bedingt. Sie alle in ihrer
unabsehbaren g,^^ .^ .^en diesen Fragen
Mannigfaltigkeit sind daher nur als
Abwandlungen zu be- ist <iurch dies^^^^^^^^^
Terminus
Äatio'iaismlt^^ Se neuere Zeit
trachten von jenen Motiven. So läßt sich also der
Erkenntnis verstehen
Kategorie für die Elemente der reinen 43
und rechtfertigen. a:r'ich auch ^er ein
Indessen ist der Ausdruck Aussage ein
Hinweis auf die ^^^f^^^^}^^^^
Wir kennen im L o g o s den innerhchen Zu-
Sprache. die Lehre
und Vernunft. Der Hinweis auf derselben
sammenhang von Sprache Und haben bei der Einteilung
die Sprache ist kein fremder, kein
äußerlicher, und dennoch
sie
^or Le^^e
:i der
TT vomBegriiievoraui
T phre vom g
Die Logik konnte
vom Urteil
*
^^^^^^^ ^^^
enthält er eine gefährliche Ablenkung. gehen
Grammatik sich zu ^l^^r'.J^\^''^^'iL, Richtung schon vor-
dadurch verleitet werden, auf die
auf die remc a^ die des Sei^
stützen Sie würde damit aber die Orientierung
verlieren.
SSnrt w. "^Die Ei:meat: des Denkens,
verzeichnet.
Begrtffe
Erkenntnis, als die Grundlagen der Wissenschaft,
als
noch großer
?L bei ihm nicht ausschließlich
Diese Schwierigkeit ist für die Logik dadurch d e
abzulenken
""'Sie'Wutdform des S ei u s,also da s ist i
geworden, daß sie vom rein sprachlichen Interesse
nicht d
Schon Aristoteles hat diese Abwendung Gru'^.dform des Denkens
an- ist
schien.
gebahnt, indem er die Aussage auf die Wahrheit bezog.

r
"
d ! : r m d e : ü r^:^
S ist Ju^ 4t Bezug auf
Aber wie schon Pia ton auf die Bildung des
Gedankens '^

gntbe -
im Worte, ja in der
Ausdruck Verflechtung
Silbe Rücksicht
(«v^^ox^)

er hat hierbei den Nachdruck auf den


Denkens gelegt, auf die „Synthesis
nahm
gebrauchte,
Aristoteles mit dem Ausdrucke S y n t h e s i s

zur
und
so
hierbei den

gefolgt.
ist

Inhalt und Wert des


Einheit"
ihm
Auch

{oM^ai, elc ^).


Je^InhalVu^nd dtrErgebnis des

srtrsjotiet ^r oX -de. z:To£


vor und konnte
Kate
Denkens

vo„ ihm .^ernt


^ die

Die
J

Er ist also keineswegs bei der psychologischen


Synthesis stehen geblieben. Dennoch aber hat
Bedeutung der
sich der gram-
foXa^ielm^h? dirOrt
in
dformln.
denen das "^^ed ^h ^^^^^^^^^^
^Uz.^^^^^^^
Grund.üge
matische Ausdruck verhängnisvoll erwiesen. Das
Prädikat
Grund-
schlechterdings zum Satz geworden; durch die Charakteristik der
die Aussage ist zwar nicht und wideflgt werden als
de. Urt«K
aber zum —U r t e i 1. Kategorie ist nicht nur der
Ausdruck
Segriffe. alf Kategorien, als Betätigungswe^en
den Grundbegriff, sondern zugleich der Hinweis auf das •

npr Gründbesriff besteht mcht in emem Re^iiltat, sonaern


also
für
Urteil, auf die Grundformen des Urteils. S^einrÄung. So enthält die Kategone sc^^^^^^^^
2 Die Geschichte des Urteils. Auch
hier ist
Namen die sicherste Abwehr g^en der^^alschen^Nati.
^
h die Gefahr von einem Vorteil begleitet. Von
Anfang an war der
oder
Gedanke des Grundbegriffs mit dem Vorurteil bedroht,
als
Trotz"diesem großen den die doppelte Bedeutung
Vorteil,
mit sich bracMe »s «e
und ein erblicher Kategorie
ob er fix und fertig dem Verstände eingeboren wen\gst^'s Brehung der die o 1 K
Besitz desselben sei. Dieses Vorurteil hat sich forterhalten. rSrLits schädlich'geworde.. Ersthch entsUnd
Als die Stoa Axiome auszeichnete, benannte sie dieselben
nicht nur als allgemeine Begriffe (Ä'^om« xotrai), obschon dem t/n7..h^re\^d"aietuXg-.^^^^^^^
Gemeinsamen (;.o»^) schon von Hera klit her der Natur-

h
Mathematik und Metaphysik 49
48 KarUa dreigliedrige Tafel

Begründung
Urteils- sondern vielmehr nur in seiner transzendentalen
von den Redeteilen gerieten, entstand für die und Ermöglichung, so ist damit zugleich die Gefahr
bezeichnet,
f ormen der Schein einer solchen
Abhängigkeit von den Au s -
Einteilung der
die in dem Ausgehen von der traditionellen
drucksformen des Urteils. Die erste Art der Abhängig-
Urteile für Kant gelegen war.
war, konnte doch nicht so eingreifend Sollen wir Kategorien.
keit, wie gefährlich sie
der Ge- 5 Das Problem der
gedacht werden, wie die zweite. Denn jetzt konnte nun von der Tafel der Urteile gänzhch absehen, und
die Elemente
daß nur so weit und nur in der Weise, als das als Grundbegriffe
danke entstehen,
der reinen Erkenntnis allein als Kategorien,
Urteil sprachlichen Ausdruck gebracht werden kann, eine
zum Woher aber diese nehmen ? Aus welchem
zu ermitteln suchen?
Art des Urteils berechtigt sei; daß daher, wo die
Satzform aufsuchen? Man
Gesichtspunkt und auf welchem Gebiete sie
ausgebildet oder verstümmelt ist, die etwa entsprechende der mathema-
nicht
der wird freilich sagen, im Gebiete der Prinzipien
44 Urteilsform ausfallen müsse. Und von der Urteilsart geht tischen Naturwissenschaft. Aber diese
Prinzipien sind nirgends
Schluß weiter auf den Grundbegriff, auf das Element
der Ghederung
Gefahr liegt immerhin auch nur mit dem Anspruch einer definitiven
Eine so schwere dem Titel den Anspruch
reinen Erkenntnis.
in dem Aus-
aufgestellt. Newton hatte schon auf
für die Ermittelung der Elemente der Erkenntnis eingeschränkt gemäß dem Losungsworte
Galileis: „Im
gehen vom Urteil.
Buche der Natur ist die Philosophie mit
mathematischen 46

KantsTafel der Urteile und der Kate-


4.
Buchstaben geschrieben*'. Diese Losung ist jedoch nicht
gorien. Kant hat diese Gefahr gesteigert. Zwei Ge- ohne Zweideutigkeit. Enthält denn etwa nur
und ausschheßhch
sichtspunkte beherrschen seine Ableitung der Elemente
der scheint
die Mathematik diese Buchstaben? In Newtons Titel
Erkenntnis. Der eine Gesichtspunkt hegt in seinen synthe- Prinzipien zu erschöpfen. Zwar hefert sie die Prinzipien
sie die
Grundsätzen, seinem Ausdruck für die Grund- wie auch bei Galilei
tischen
Der andere aber liegt
fürdiePhilosophia naturalis,
lagen, die Prinzipien der Erkenntnis.
durch die mathematischen Buchstaben im
Buche der Natur
in der „allgemeinen
in den F o r m e n des Urteils, wie solche Dennoch aber war damit
Logik, traditionell die Philosophie geschrieben wird.
Logik", seinem Ausdruck für die formale über die richtige \er-
der vielfach herrschenden Unklarheit
verzeichnet sind. Die beiden Gesichtspunkte entsprechen Prinzipien Vorschub geleistet.
Die Grundsätze teilung der Anteile an den
seinen beiden Ansichten vom a p r i o r i. Während mächtige und tiefe Förderer der
Mechanik in
die Ur-
vertreten das T ra n s z e n d e n t a 1- a priori; jenem an dem Anteil der Metaphysik fest-
Zeitalter
teilsartendas metaphysische a priori. Beide
suchten Diejenigen, welche genauere Präzision
von der
werden zusammengefaßt in der Einheit des Bewußt- hielten,
Beziehung auf die Mathematik erstrebten,
ausschließhchen
seins. •
J T> die Metaphysik ganz auszuschUeßen,
und scheuten es nicht,
Aber auch dieser Ausdruck birgt in sich jene beiden Be- dafür den vagen Ausdruck der Erfahrung
einzutauschen.
deutungen. Er bedeutet einmal gemäß der beherrschenden zu einer reinen Aussonderung
Wo also sind die Prinzipien
Bedeutung, welche in der neuen Zeit und zumal seit L e i b ni
z

dem Bewußtsein zusteht, vorzugsweise die Einheit der allein


^^^^Di^Tchwierigkeit liegt tiefer. Es handelt sich nicht
Grundsätze; zugleich aber auch die Einheit des um die Unterscheidung von Mathematik und Metaphysik
für
Selbstbewußtseins. Der metaphysischen Deduktion die Prinzipien. Denn in der a t h e m a 1 1 k s e Ib s t
M
der Kategorien, mit welchem Namen Kant allein die
Grund-
ist Metaphysik enthalten. Man muß
daher vorerst
begriffe benennt, entsprechen die Formen des Urteils. Da von der Metaphysik in der
die Metaphysik in der Mathematik
nun aber in der metaphysischen Bedeutung des a priori der Physik unterscheiden, um zu den Prinzipien der
Mechanik, als
gipfelt.
Wert desselben in Kants kritischem Sinne keineswegs Cohen, Loijik der reinen Erkenntnis. 11. Aufl.
Anzahl der Kategorien und Einteilung der Urieile 61
Denkens
50 OaehidUe des inuetuehafüiehen
Gallerie der
Welt der Griechen ist nicht nur in der Kunst die
zu können PhUosophie
den Grundlagen der reinen
Erkenntnisse vordringen VorbUder; auch für die Wissenschalt enthält ihre
Zeit ist am hervorragenden
Beispiel
alle Grundlagen und alle Motive zu den ewigen Ab-
Auch in der neueren
R o11z m
a nns der Fehler zu bemerken, daß bei der Begrün- wandlungen derselben. In der Einteilung der Urteile
dung der Mechanik abgesehen wd
von der Begründung der hat zwar erst die Nachblüte der Antike die Übersicht
erweitert;
sich ihnen folge-
aber sie ist den alten Spuren gefolgt und hat
**'* Vorbilde die
mnfnun aber nach dem Pythagoreischen
Ermittlung ihrer reinen
richtig eingefügt.
Wenn sonach das Bedenken von der Anzahl sich erledigt,
.... , ,- .,

Begründung der Wissenschaft, die nehmen muß so zwischen Kate-


fennSe Mathematik ihren Anfang so bestehen doch noch andere Mißverhältnisse
1 tli der
s a r t eine
wird der Bück unabwendlich
wiederum auf das Urteil zuruck- und Urteil. Darf in einer ü r t e
gorie i 1

Iknkt- und der Gedanke stellt sich wieder ein. ob es


recht und Mehrheit von Kategorien zur Ausnebung
mögUch sei. dem Urteil zu entsagen und der Orientierung an ihrn^ gelangen? Wenn wir auf die traditionelle Anzahl uns
dieser Abhängigkeit ge- muß eintreten.
dieses Bedürfnis
Some sich nicht die Gefahr, die bei nicht beschränken wollen, so
ohne daß man .^er Anle'tun Wird nirht aber dadurch die Bedeutung des UrteUs uadurch-
ir IZl t beschwören lassen,
methodischer Vorsicht in den Urteils- wie prägnant auch und vielseitig es dadurch
werdeii
fiänzlich enträt. die bei .sichtig,
Bedenken gegen sie doch gelegen zu «ein mag? Indessen schlägt dieses Bedenken gerade zum Vorteil
formen trotz aUer
schdnt? Prüfen wir einmal vorläufig
die allgemeine Schwierig- So wird die Urteilsform wieder
für das Urteil aus.
keit in dem Verhältnis zwischen Kategone
meij. ""«1 flüssig und urbar gemacht. Kein fester, unver-
Das Verhältnis von Kategorie "id
Urteil. werden; und fixiert
6. änderlicher Inhalt soll in ihr abgelagert
ob die A n z a h beiden in QueUgebiet sich zu bewähren haben,
sie soll als ein
Erstlich kann die Frage entstehen,
1
4, sondern
genommen werden befruchten kann.
Sprechend angenommen oder in Aussicht das neue Ansammlungen von Problemen
Kategorien von Mehrheit
Und die innere Abfolge der Kategorien, die in ihrer
4?
dalr Es als ob für die armen
will scheinen,
m gedient hatte
zum Maß Sollten Urteilsart entspringen, hat an ihr einen Leit-
Anfang an ein Prokrustesbett aus der einen
sie sich auf die heilige
Zehn- Zusammenhang gesichert
fhrS Wirklich so wenige sein, daß faden, durch den ihr genealogischer
Dutzend reduzieren heßen? Wenn
zahl oder auf das knappe bleibt. , , 1 j
angenommen wurde, geben sollte^ schwierigste Bedenkenc darf te aber das folgende
sein.
ea ihrer aber mehr, als bisher Das
traditionell gegebenen Urteüs- Kerneiner Kategorie kann scheinbar in
^en müßte, so bildeten die Der eigentliche
Z
Itn Wurzelung
ih^er in der Sprache ein
Hemmnis Soll man. entsprechend den etwaigen
autontativ«.
neuen Kate-
einer Urteilsart liegen, während
bei besserer Einsicht eine
andere sich als Wurzel erweist. Die Kategorie
ist vieUeicht

S. neue Urteilsformen aufstellen?


ite ^hablone der Urteile neu
Oder überhaupt etwa
gestalten? Das Problem ^e,
erstim Verlaufe der wissenschaftlichen Entwicklung zu ihrer
Bedeutung gediehen, und daher auch erst deutliches
tieferen
Ursprungs, als das neueGrundproblem der Logik, konnte dazu Problem geworden. So konnte man sich in der
angemessenen
Hier scheint
anzuregen scheinen^ Urteilsunterlage irren, oder sie ganz verfehlen.
^^^^ halten wir an der histo- sich eine unausgleichbare Differenz
zwischen Kategorie und
die echten
rischen 'Ansicht fest, daß wissenschaft- Urleil aufzutürmen. ^
Schwierigkeit ist
,-.,., •.»
schöpferischen Elemente des Indessen schon in der Erörterung der
ch t e d es entsprechend
lichen Denkens in der Ge seh Wie hätte sich,
die Ausgleichung angebahnt.
i

wissenschaftlichen Denkens sich offen- der neuen Kategorie, eine geeignetere Urteilsart für deren

baren, und also in der Antike wurzeln. Die


Erzeugung als Erzeugnis 53
Kategorie und UrUil^_
52 Wechselseitige DirekUve van

ist nicht nur unbestimmt bezüghch seines Inhaltes, sondern


neue Bedeutung auffir.den
nicht g^jindsatzlich
lassen, wenn auch dementsprechend als Vorgang und Tätigkeit des Be-
Korrelation zwischen Kategorie und Urteil bestände ? wußtseins. Die Kollision mit der Psychologie ist für die
I efne solche
dunklen Drange auf Das
me ÜrSsform hat vielmehr in ihrem Logik noch gefährUcher als die mit der Grammatik.
Sn^Ul logiert, das die spätere Denken darf nicht nivelliert werden zur Vorstellung
^^^-^^'^f^'^^lZZl
Tages gebracht hat. So gewiu anei Die Unterscheidung von Denken und Vor-
Schaft an das Licht des zusammenhangt so
(oben S. 23).
dem alten Kern stellung hat dieser Gefahr keinen hinreichenden Widerstand
die neue Fassung mit vorgezeichnet
Urteilsart die Richtung
einer So muß es als ein günstiger Umstand betrachtet
Sliß muß auch i^i
Kategonenmotivs.
geleistet.
seiTi für die neue Ausprägung
des werden, daß das Denken für den Behuf der Logik als Urteil
von Kategorie und Und wir haben nunmehr die Bedeutung
Indem wir also an dem Verhältnis quaUfiziert wurde.
nehmen wir keine Scheidung unter ihnen betrachten, die dem Denken, als Urteil, zukommt.
Urtel festhalten, zu
dergestalt an, daß nur die Reihe
und die Gliederung derfxen. Das Denken, als Denken der Erkenntnis, hat sich uns als
Leitfaden
Urteile oder die der Kategorien
zum Erzeugung erwiesen. Wir bedurften dieser vorläufigen
feTes dt d^; w r nehmen e ne
für die andere werden
müßte; sondern i
Charakteristik des Denkens, weil wir unsere Logik als die
^^ « ch e u ih n e n
durchgängige KorrelationUrteilsart >
Logik des Ursprungs proklamieren wollten. Das Erzeugen
eine Mehrheit
a n Demnach kann nicht nur eine aber bleibt unbestimmt, wenn es nicht als Erzeugen des Ur-
auch eine Kategone kann Auch die Erklärung des Ausdrucks
von KatSor'en enthalten; sondern Die Ver-
sprungs gedacht wird.
enthalten sein. reine Erkenntnis forderte diese Charakteristik des Denkens.
lucleich in mehreren Urteilsarten
erweitert zugleich sein
und Verästelung des Motivs Wir sahen auch, die Erzeugung selbst ist das
XSg
zweigung

S Grenlen
So fließend müssen den
der Urteilsarten
Kategonen
gedacht werden, ohne daß s
gegen"b«
Erzeugnis (ob. S. 28 f.). Der Nebensinn des Gleichnisses
wurde damit abgewiesen. Die Tätigkeit selbst ist der Inhalt,
dürfen. Die DireKiion
deshalb ihre eigene Gliederung verlieren D. den es zu erzeugen gilt.
ziten Ka4orie und Urteil ist eine -chselseU^ der we„ Auch die Einheit wurde als der Inhalt des Denkens
Urteil ist
Kategorie ist das Ziel des Urteils, und das hervorgehoben. Und die Mehrheit wurde ebenfalls als
der Kategorie. Einheit der Erzeugung gedacht. Verkehrt und irreführend
ist die Meinung, als ob das Denken darin bestände
und darin
«s XL Das Urteil und das Denken. seine eigene Leistung zu vollführen hätte, daß es an dem Mannig-
im Worte Kategorie
Den Wert des Urteils haben wir faltigen der Mehrheit eine sogenannte Einheit herstellt. Diese
49
.1:

A u s sa ge liegt wegen der


erwo^eT Das Bedenken, das in der
andere Einheit ist eine Art von Ordnung, von Sammlung und Gruppen-
den S a t z. hat sich durch die
Skrung des Urteils inerledigt. bildung, die freilich auch zur Tätigkeit des Denkens gehört,
Bedeutunfi der Kategorie
Das Urteil, das sich ohnehin aber keineswegs dieselbe ausmacht, oder gar erschöpft. Das
von der schUchten Rede.
Jurch^ie Beziehung auf die Wahrheit Vereinigen, in dem die Erzeugung der Einheit sich vollzieht,
unterscheidet, ist durch die Immanenz hat eine strengere, prägnantere Bedeutung. Die Vereinigung
Sern Logofder Sprache und damit
derKaregorie in ihm auf die Erkenntnis bezogen, erstreckt sich nicht allein auf die Einheit, sondern sie bleibt
aUer Abhängigkeit von der ^r a a t.k mm
entrück •

ebensosehr auf die Mehrheit bezogen. Auch die Mehrheit ist


1 TiQcnpnken der Logik, nicht deri'syciiu und bleibt Aufgabe der Erzeugung.
1 o a e Es mSt sich v»^
noch ein anderer methodischer
Urteil entnehm^^^^^ W^r
2. Die Vorwegnahmen. Indessen entsteht dem
VXtde^RxLng des Terminus
D e n k e n behaftet ist.
bs Denken und damit der Fundamentierung der Logik eine neue
kennen die Gefahr, mit der das
KoUiaion mU der Psychologie 55

54 Sdtwierigkeü htgriffKcher Vorwegnahmen


ringste denn die Vorstellung gilt doch wenigstens
Gefahr;
vorlaufigen Charakte- auch auch eigene und spontane
als eine innere, also vielleicht
große Gefahr aus diesem Beginnen einer
bevor diese in dem Aufbau der Logik selbst Tätigkeitsweise des Bewußtseins. Aber warum sollte man bei
ristik des Denkens,
sich entfaltet. Schon die Erzeugung ist eine Vorweg- dieser Gleichsetzung von Denken und Vorstellung stehen
eine solche des schlechthin
ersten Grund- bleiben müssen, und nicht vielmehr auch auf die Emp-
nähme, und zwar
steins. Und nicht minder ist die E i n h e 1 1 eine
solche findung zurückgreifen dürfen und auf die verwandten Be-
Vorwegnahme; sie waren alle aber unvermeidhch, Problems
um die ziehungen, die zwischen ihr und dem Denken obwalten, und
Ankündigung des U r s p r u n g s als . des neuen durch den ganzen Vorgang des Erkennens sich hindurch-
vorzubereiten. Auch schhngen? Damit aber würden wir an den Anfang der Kämpfe
und des Leitprinzips dieser neuen Logik
Stellungnahme zur S y n t h e s i s war aus diesem Grunde uns zurückversetzen, in denen innerhalb der allgemeinen Philo-
die
sophie auch die Logik entstand.
""Tedenkth ist nun aber schon die
bloße Erwähnung der Zeigt es sich nun bei Unvet-meidUchkeit der Aufnahme
Mehrheit und des Problems, das vom Gesichtspunkte des Denkens zugleich als unmögüch, in einer vermeintUch un-
Demnach wird sie nicht parteiischen Bedeutung es zu fassen, so bleibt nur der andere
der Erzeueung aus in ihr steckt.
als eine Einheit, nicht als eine Verbindungsweise des Weg gangbar: auf dem die angebüchen Mitbedeutungen des
lediglich
der Erzeugung, mithm Denkens hervortreten, und daher zu einer wie sehr immer vor-
Denkens gedacht, sondern als eine Quelle
da die Emugung und daher nur vorgezeichneten Beschreibung kommen.
Sah als eine Quelle des I n h a
zugleich das Erzeugnis ist. so muß
1 1 s;
ihre
denn
Quelle 2"fl«<=h/'«.^es
läufigen
3. Der Sinn der Phänomenologie. Gegen
ii Denkinhalts sein Durch diese Beziehung
auf den Inhalt nahern diesen Ausweg erheben sich nun aber Bedenken, die sdt dem
immer fühlbarer und unentwegter der Logik. ersten Erscheinen dieser Logik nur noch an Gewicht sich ver-
wir uns zwar
die Erzeugung ist so stärkt haben. Bisher war es nur die Kollision mit der Psycho-
Aber da das Erzeugnis doch zugleich
der Quelle zurück gegen den welche zu besorgen war, wenn in eine genauere Erörterung
tritt der bildliche Ausdruck
logie,
Und Einheit selbst, dieser der Begriffe Erzeugung und Vereinigung, der Begriffe Einheit
genauen der T ä t i g k e i t. die

universellste Bannerträger des Denkens, wird nur


als die und Mehrheit für die vorauszuschickende Beschreibung des
Tätißkeit der Vereinigung zur
Bestimmtheit kommen, üben Denkens eingetreten werden sollte. Das war die alte Gefahr
nur als Vereinigung wird schUeßUch auch der Erzeugung die und Verlegenheit, die unausweichlich schien, dieweil ja das
Lösung zuerkannt. Damit Denken eine Tätigkeit des Bewußtseins ist, und dieser Typus
Losung und die Wirksamkeit als
aber erneuert sich die Gefahr der alten Synthesis. der Tätigkeit dem Denken auch dann unverlierbar sein muß,
Was ist nun an diesem Kr euzpu nk t e z u wenn es als Erzeugung, dem Erzeugnis gleichgesetzt, oder wenn
Sollen wir uns aUer vorläufigen Wertung
des Denkens die Tätigkeit selbst zum Inhalt bestimmt wird. Nur um so höher
tun? ganzhch Denn
und aller Beschreibung seines Erkenntnisstempels scheint demnach der Wert der Psychologie zu steigen.
enthalten? Dann wäre jedoch jede Erwähnung des D
e n k e n s der Inhalt wird in die Tätigkeit aufgehoben, in ihr
begründet
_ und ließe sie völlig sich vermeiden?
- nur der Gebrauch und objektiviert. So erklären sich alle die Schwierigkeiten, mit
mit dem geheimen Vorbehalt mit
einer Spielmarke, allerdings aber denen die reinen Erkenntnislogiker den Zusammenstößen
doch ein konventioneU anerkannter sei. Damit der Psychologie in den Worten, wie in den methodischen Aus-
daß ihr Wert ja
aber entlarvt sich diese Operation als eine um
so gefahrhchere führungen, zu begegnen suchten, sowie nicht minder alle die
in der unverfänglichen leidigen Kontroversen und Mißverständnisse, welche
auf weite
Antizipation. Denn wenn das Denken
wird so bildet die Strecken an diesem Punkte festgelagert sind.
Bedeutung einer vox media gebraucht
Verwechselung von Denken und Vor st eil u ng die ge-
Urmaierial der wissenachafüichen ErkenrUnis
57

56 VortnhaU der Phänomenologie


richtigen Kern
sollte,gar nicht paßte, so kann er in seinem
hat sich neuerdings aber, und
zwar in der unbestreit- Warnung übernommen werden.
Nun hier zur
baren Gestalt einer ernsthaften und subtilen Gedankenarbeit,
Das Denken der Erkenntnis kann durch-
Vorhof der Logik aufgetürmt
eine neue Schwierigkeit in diesem aus nur an den Problemen der wissenschaft-
welche die alte Gefahr der Psychologie um so mehr nur noch lichen Erkenntnis beschrieben, bestimmt,
steigert, als diese Methodik von der Psychologie sich zu
selbst
entdeckt, ausgemessen und ausgemeißelt
unterscheiden, den Anspruch erhebt. ,„,„phmpn werden. ,, j
Versuch unternehmen x
an da3
,. , ,

Es wäre verkehrt, wenn wir den «»t einer Es gibt keine andere methodische Möglichkeit,
zu beginnen als welche
Problem des Gegenstandes heranzukommen,
wollten, den Aufbau unserer Logik
Kritik der neuen Scholastik, >^elche
sich P h a n om e n o
der Vieldeutigkeit und Eindeutigkeit des
die Wissenschaft in
nun aber nicht allein der Her- Kopernikam-
1 o g i e benennt. Es entspricht Objektbegriffs zur Offenbarung bringt. Von der
historische Z"^«?""^ «" auszugehen; sonst bleibt der Gegenstand,
kunft dieser Metaphysik, daß ihre schen Drehung ist
wie Tadel verstanden werden durfte ^es bei der phänomeno-
für die reine Erzeugung ebenso unpräpariert
die Scholastik nur ein
Differenzpunkt mit historischer Bestimmt- Annahme als einer em-
soll damit nur der logischen Bearbeitung, wie bei seiner
bezeichnet werden, der zwischen jener Trennung der Log k
heit pirischen Gegebenheit.
Beginnen besteht, die Logik timmu n g d es
4. Die Grenzen der V
von der Psychologie und unserem erb es
auf eigenem Urboden aufzurichten.
Jene Phänonienologie ist in Indem wir nun aber die neue Gefahr an diesem
proklamiert; günstigsten-
Urteils.
selbst auch auch das
der Tat, wie sie sich jetzt
wenn sie durch- Kreuzungspunkte erkennen, gewinnen wir vielleicht
Teil der Metaphysik, machen. Besinnen wir uns
falls Ontologie, als erster Mittel, sie für uns unschädhch zu
pVchologie sein will ""^ soll. Es kommt
hierbei
auMht getrost auf unseren eigenen Weg, der uns schon zum U r t e 1
Probleminhalt sich mit dem alten der
nicht daraut an. ob der geführt hat, zur Anfassung des Denkens
im Urteil. Jetzt ist
sondern entscheidend ist ihr verbundenen
Ontologie mehr oder weniger deckt, aller Gedanke an die Vorstellung und alle mit
daß dem Inhalt der Logik «n Vor- vieldeutige An-
hier der Gesichtspunkt: Gespenster verscheucht, vor allem auch an die
die Logik sofern s^ m
Tn h a 1 1 zugemutet wird. Während sich selbst schauung; jetzt ist das Denken vermittelst des Urteils der
B«griffsmhalt Kategorie
selbständig werden soll, ihren vollen Kategorie verankert. Indessen ist ja aber die
dort e ne
zu erstellen und zu entwickeln hat, sol ausdrücklich Floß, ein Vehikel, wie das
kein Anker, sondern vielmehr ein
überliefert werden. So wird will. Wenn nun dennoch die
Vorarbeit geleistet und der Logik Urteil selbst doch nichts Besseres sein
nicht abgewehrt, daß die Logik sich als em als ein Vorsprung
zwar die Aussicht
jedoch niemals ohne Obiektivierung des Urteils in der Kategorie
und kann, des
so ist dieser Vorteil in der Bedeutung
Lehrgebäude erheben erhalten
h:|i
erscheinen dürfte,
unablässig Material zu be- Wir
von einer besonderen Werkstatt Urteils auch für das Denken in Anwendung zu bringen.

^'^ werden demgemäß die vorläufige Musterung des Denkens nur


>^ürde diese Neu-
Wenn diese Auffassung richtig wäre, insoweit anzustreben haben, als sie der vorgefaßten
Korrelation
für
Scholastik eine weit größere Gefahr
bilden, als jemals von der Psychologie
"
f
gedrohtf hat.f Und wenn
l^^f^^^^^^^^ von Urteil und Kategorie entspricht, oder
reine Erzeugung gefordert wird. Von
als sie durch die
dieser mußten wir aus-
Lotze vor vierzig Jahren gegen de Wie
der doppelte Witz, den
er sie gehen und an sie müssen wir immer wieder anknüpfen.
aufkeimende Erkenntnistheorie zum besten gab, als jeder Schein eines psychologischen Wertes
vor dem Konzert von der Erzeugung
einmal mit dem Stimmen der Instrumente als fremdartig absteht, so dürfen wir
auch erwarten, die logische
mit dem Wetzen der Messer, bevor es etwas zu zu erbringen.
und ferner
was getroffen werden Selbständigkeit für alle die Entwickelungen
schneiden gibt, verglich, zwar auf das,

Pf
58 &ffii0iMM auf diB ZenirtUpunkie Stoff des Denkens und üratoff des Beioußtseins 59

weiche aus dem Gesichtspunkte der Erzeugung für das Denken, wir auch die Mehrheit als eine zu erzeugende Einheit; als
als das Kategorienurteil, sich herieiten lassen. Eine eine Einheit, die, als solche, zu erzeugen ist, und nur durch reine
solche Ableitung aber wird unumgänglich sein, wenn anders die Erzeugung entstehen kann. Auch für die Mehrheit gilt die
Erzeugung das Leitmotiv für die Urteile, wie für die Kategorien, Aufgabe der Erzeugungs Vereinigung. In dieser Bestimmt-
sein und bleiben n^uß, wenn anders ferner aus der reinen Er- heit verstehen wir den Satz, daß die Tätigkeit den
zeugung auch die Einteilung und Ordnung der Kategorien, Inhalt erzeuge. Der ganze, unteilbare Inhalt des
also des Denkens in seiner wissenschaftlichen Entfaltung sich Denkens muß Erzeugnis des Denkens sein. Und die ganze
ergeben soll. unteilbare Tätigkeit des Denkens selbst ist es, welche den Inhalt
Ebenso wie wir die Verbindung und die Synthesis für die bildet. Diese Einheit von Erzeugung und Erzeugnis fordert
erste Bekanntschaft mit dem Denken der Logik ablehnen der Begriff des reinen Denkens. Die Beziehung des Denkens
mußten, ebenso wird es uns auch nicht beirren dürfen, wenn auf die Erkenntnis hat diese Bedeutung des Denkens gefordert
wir, der Verbindung entgegen, andere Begriffe aufzustellen und gefördert. Sehen wir jetzt nun, wie sich diese Charakte-
versuchen, um das Denken als Urteil zur Bestimmung zu ristik des Denkens aus dem Gesichtspunkte des Urteils zu
bringen; um es auf den Gesichtspunkt einzustellen, von dem genauerer Bestimmung bringt.
aus sein Machtgebiet, seine Machtbefugnis als reine Erzeugung Die Unterscheidung des Denkens von der V o r s t e 1 1 u n g,
einleuchtend und übersichtüch wird. welche durch das Urteil gefördert wird, hat eine andere Unter-
Wenn es dahingegen zunächst scheinen könnte, als ob wir scheidung zur Folge. Es scheint eine unauflösliche, abenteuer-
in den vorgefaßten Bestimmungen Vorgriffe gegen die Selbst- liche Paradoxie, daß das Denken seinen Stoff
entwicklung der Logik unternähmen, so wird sich zeigen, daß sich selbst erzeugen soll. Und aller Verdacht und
diese Vorgriffe vielmehr Hinweise sind auf die Zen- aller Spott, dem von jeher der falsche Apriorismus verfallen
tralpunkte dieser Entwickelung; daß sie daher an jenem war, scheint hier herausgefordert zu werden. Man möchte sich
Mittelpunkte erst zu ihrem vollen Lichte kommen werden, daß demgegenüber lieber für die alte aristotehsche Unterscheidung
sie ebenso aber auch durch diesen ihren vordeutenden Sinn zwischen Materie und Form begeistern, um die Form
zugleich den zentralen Wert jener Grundbegriffe, auf die sie allein zu wahren, die Materie aber der
dem Denken Emp-
hinweisen, vorwegnehmend hervorheben. Wenn es kein Irrtum findung vorzubehalten. Wir wissen bereits, daß dadurch
sein sollte, daß es ob aller formalen Einteilung der Kategorien das reine Denken in derjenigen Bedeutung, in der wir es fordern,
solche inneren Angelpunkte für sie geben dürfte, so wäre es er- preisgegeben wird. Aber man zieht es vielleicht vor, dieser
kläriich, und nur der Sache entsprechend, daß auch für die strengen Bedeutung der Reinheit sich zu begeben, um dem 50

vordeutende Grundbestimmung des Denkens im Urteil solche Schwindel zu entgehen, von dem man bei jener Forderung er-
zentrale Merkmale anzunehmen und auszuzeichnen sind. Erst faßt wird. Hier mag nun die Unterscheidung helfend eintreten,
mit ihrer Klarstellung würden wir das Vorurteil vom Denken, welche durch das Denken, als Urteil, begünstigt wird.
als Verbindung, entwurzeln und überwinden. Stoff und Inhalt des Denkens. Der
6.
5. Die unreinen Bedeutungen des Den- Stoff des Denkens ist nicht der Urstoff des
kens. Die verkehrte Ansicht, daß das Denken, als Ver- Bewußtseins. Nicht um den psychologischen Inhalt
'.»^ einigung, im Bilden von Ordnungen bestehe, hat ihren handelt es sich, und nicht um den psychologischen Vorgang.
Grund in dem fundamentalen Vorurteil, daß dem Denken sein Das reine Denken ist nicht Vorstellung, wird nicht als Be-
Stoff von der Empfindung gegeben werde, und daß das wußtseinsvorgang gedacht. So ist auch der Inhalt des Denkens
Denken diesen Stoff nur zu bearbeiten habe. Dagegen denken überhaupt nicht Stoff, sondern eben Einheit. Und alle Mehrheit
60 Sonderung und Vereinigung
Erhaltung 61

muß selbst wieder Einheit sein. Der Stoff ist also nicht nur
Aus diesem Bedenken aus dieser Schwierigkeit soll nun
eine heterogene Voraussetzung, als ein Stoff der Empfindung;
das Urteil heraushelfen. In ihm vollzieht sich nach dem Aus-
sondern der Stoff des Denkens kann nur In- druck des Aristoteles, den Kant festhielt, die ,,Svn-
halt, und das will sagen, nur Einheit sein. Welche thesis zur Einheit" (oben S. 46). Aber wir haben diese Syn-
Forderungen man anderweit von anderen Gesichtspunkten thesis jetzt zugleich als Sonderung, als Scheidung erkannt.
aus an diesen Inhalt zu stellen habe, bleibt hier gänzlich außer Was kann die Scheidung zur Einheit bedeuten? Und doch ist
Betracht. Hier ist nur die Logik in Frage: nur das Denken
die Synthesis nicht nur die Operation mit der gewöhnlich so
der Erkenntnis, nicht die Psychologie mit ihren Bewußtseins-
genannten Einheit. Die Synthesis der Einheit ist ebenso
vorgängen. Das Denken der Erkenntnis fordert das Denken
Sonderung, wie Vereinigung.
als Einheit und nur als Einheit. Diese Bedeutung und dieser
Aber diese Korrelation überhaupt bedarf genauerer Be-
Wert läßt sich aus dem Satze gewinnen die Tätigkeit
:
stimmungen. Es kann doch wohl nicht die Meinung sein, daß
selbst ist der Inhalt. Die Erzeugung selbst ist das Wechsel zwischen Sonderung und
ein beliebiger
Erzeugnis. Die Vereinigung ist die Einheit. So weit läßt sich
Vereinigung stattfinden dürfe; daß das Denken von
die Charakteristik des Denkens schon aus dem Gesichtspunkte
der einen zu der anderen Tätigkeitsweise überspringe, und daß
der reinen Erkenntnis hinausführen. Der Terminus Urteil
in dem Reiz dieser Abwechselung die Energie des Denkens
bringt noch weitere Klarheit über diese tiefsten Schwierig-
sich behaupte. Das psychologische Interesse am Bewußtseins-
keiten.
vorgang des Denkens schleicht sich hier in die logische Prüfung
7. Sonderung, Vereinigung, Erhaltung. ein, und stumpft sie ab. Der Wechsel kann hier nicht er-
als eine ganze, unge-
Wir bezeichneten oben das Denken
götzen. Er kann nur als Störung betrachtet werdeft; und das
teilte Tätigkeit. Diese Bezeichnung aber scheint der üblichen
Urteil stellt das Problem unverkennbar auf, daß es sich um
Ansichtvom Denken zu widersprechen. Schon Aristo- etwas ganz anderes hierbei handele als um den Wechsel
teles unterschied die Abstraktion und die Deter-
zwischen Sonderung und Vereinigung. Nicht darf einmal die
mination im Denken, gleichsam als eine negative und
Sonderung auf den Plan treten, um alsbald der Vereinigung
Richtung des Denkens. In der Tat darf die erstere
eine positive
den Platz einzuräumen, die selbst wieder gegen die Sonderung
nicht übersehen werden. Die falsche Etymologie, nach der
eine Weile zurückzutreten hätte. Nicht als einen solchen
man das deutsche Wort Urteil versteht, hebt sie hervor: das
Szenenwechsel darf man das Schauspiel des Denkens sich
Teilen, Sondern. Die Sonderung muß der Vereinigung
vorstellen. Der Titel des Urteils warnt davor, und hütet davor
voraufgehen; vielmehr sie ist selbst eine Art der Einigung.
Die Rettung, die wir vor dem Schicksal eines solchen
Aber es genügt nicht, die Mehrheit als Einheit zu denken. E s
Wechselsermitteln, und das Gebiet, auf dem wir diese Aus-
muß auch gefordert werden, daß die Ein- kunft suchen, beschwichtigt zugleich aber den Verdacht,
heit nicht minder als Mehrheit gedacht als ob wir das Geschäft der Psychologie hier auf uns
werde. So auch genügt es nicht, die Vereinigung als Sonde-
nähmen. In der neueren Wissenschaft tritt besonders seit
rung zu denken. Die Sonderung ebenso sehr muß Descartes ein Ausdruck hervor, dessen sich die neueste
und ebenso bestimmt als Vereinigung gedacht
Zeit fürdas einheitliche Grundgesetz der mathematischen
werden. Ohne diese Korrelation kommt die Tätigkeit des
Naturwissenschaft bemächtigt hat: der Terminus der Er-
reinen Denkens nicht zu durchsichtiger Bestimmtheit. Nach
dieser Korrelation aber scheint diese Tätigkeit eine gespaltene,
haltung. Und Erhaltung dürfte nun auch der Begriff
sein, der die Korrelation der beiden Tätigkeitsrichtungen im
zwiespältige. Und wir nannten sie doch eine ungeteilte.
Urteil zur Bestimmung bringt.
62 Denken als Aufgeben Gegenwart und Zukunft 63

Nicht ein Wechsel findet statt; son- die Einheit sich erhält? Wie kann diese gleich-
dern Erhaltung zugleich für Sonderung zeitige Forderung verständlich werden?
und Vereinigung. In der Sonderung erhält sich die Welche neue Forderung oder welche Bedeutung der For-
Vereinigung, und in der Vereinigung erhält sich die Sonderung derung kann sie verständlich machen? Die Antwort hat
Bei der Tätigkeit läßt sich dies leichter verstehen; den Schein einer psychologischen Erklärung für sich. Sie 5S

denn die Sonderung ist selbst ja Vereinigung, nur eine andere würde ihn aber, da es sich hier um die logische Charakteristik
Richtung derselben. So kann sich freilich die Vereinigung handelt, vielmehr gegen sich haben. Daher dürfen wir uns
in ihr erhalten, da sie selbst ja Vereinigung ist. Und dennoch voii dem psychologischen Schein nicht berücken lassen.
muß die Vereinigung, als eine eigene Richtung, von ihr unter- Um Forderungen handelt es sich, die einander zur Durch-
schieden werden. Also nur die andere Richtung hat sich zu führung des Problems fördern sollen.
behaupten, wenn die eine Richtung sich vollzieht. Diese Wir sagten oben, daß wir für die Tätigkeit die frische,
Bedeutung der Erhaltung ist für die Tätigkeit des Urteils aktuelle Gegenwart fordern. In dieser Beziehung auf die
eher zu begreifen, und ihre Forderung erscheint nicht un- Gegenwart liegt schon eine unbewußte Rücksicht auf den
erfüllbar. Anders dagegen steht es, wenn die Erhaltung psychologischen Vorgang. Die Gegenwart muß
auf den Inhalt bezogen wird. Und diese Beziehung indessen zur Zukunft werden. Und diese Kor-
ist unausweichlich; denn die Tätigkeit ist ja zugleich der rektur ist keine zeitliche —dann wäre sie eben eine psycho-
Inhalt. Es ist demnach zu fordern, daß in der Mehr- logische— was bedeutet sie aber, als eine logische? Die lo-
heit die Einheit, und in der Einheit die gische Bedeutung der Korrektur, der zufolge die Mehr-
Mehrheit Erhaltung behaupte. heit, nicht lediglich als Gegenwart ge-
8. Das Denken als Aufgabe. Hier liegt die dacht, sondern in die Zukunft gehoben
Schwierigkeit. Die Mehrheit soll nicht in die Einheit zu- wird, soll uns den Terminus der Erhaltung, und dadurch
sammenfallen. Und die Einheit soll nicht in die Mehrheit die Bedeutung des Urteils zur Klarheit bringen.
sich abspalten. Die Mehrheit soll, als Einheit freilich, Mehr- Freilich sehen wir hier noch mehr als bei der Mehrheit
heit bleiben. Und die Einheit soll als Einheit sich erhalten. und der Einheit, daß wir logische Bestimmungen vorweg-
Und beide sollen nictit nebeneinander lagern, so wenig, als nehmen müssen, wo wir logischen Verlegenheiten aus dem
ineinander übergehen. Eine Durchdringung, wie man sie sich Wege gehen wollen. Und wenn es vorläufig, nämlich bevor
dynamisch nicht vorzustellen vermag, wird für die Erhaltung der streng logische Zusammenhang dieses Vorwegnehmen ins
gefordert. Die psychologische Ansicht, nach welcher das Denken Klare gekommen sein kann, scheinen mag, als ob damit
nur eine Bahnung sei in den Spuren der Empfindung, eine Anleihe bei der Psychologie gemacht würde, so ist an
zeigt hier ihren verwirrenden Einfluß. Nicht die Spuren haben diesem Mißverständnis die grundsätzliche Unklarheit schuld,
sich zu erhalten; sondern für die Tätigkeit in ihrer frischen welche über das Verhältnis der systematischen Disziplinen
Lebendigkeit und Gegenwart fordern wir die Erhaltung. Aber der Philosophie zur Psychologie überhaupt besteht.
gerade die Gegenwart enthält eine Illusion, einen Was könnte die Psychologie vom Denken selbständig
Anstoß zum Irrtum. Und durch die Beseitigung dieses An- wissen, wenn es ihr nicht vielmehr von der Logik zur Ein-
sicht gebracht wird? Was bliebe für die Psychologie vom
stoßes kann auch die Erhaltung als Durchdringung genauer
bestimmt werden. Denken übrig, wenn sie auf die Belehrungen der Logik
Wie kann es verständlich gemacht werden, daß die Mehr- darüber verzichten wollte? Es muß der Logik in ihrem
heit als Inhalt sich erhalten müsse, während in der Vereinigung
Aufbau zugemutet und zugesprochen werden, daß sie durch
64 Beide Richtungen Aufgaben der Zukunft VerhäUnia von Sonderung und Vereinigung 65

die Ta't der Lösung allen Rest dieses Vorurteils aufräume gaben bleiben. Aber nur die Logik kann solche Auf-
und beseitige. Der Einwand jedoch bleibt bestehen: daß gaben stellen und lösen.
eine Vorwegnahme überhaupt stattfindet. Diese ist aber 9. Ausblick auf die Psychologie des
schlechterdings nicht zu umgehen. Sie liegt schon in der Denkens. Die Sonderung darf nicht Zerreißung
Aufnahme des Urteils. Dieses ist ein Terminus der Logik, des Zusammenhangs werden. Das würde sie aber, wenn die
und kann daher nur aus seiner logischen Entfaltung heraus Sonderung zum Abschluß kommen dürfte. Die Vereinigung
verstanden werden. So erscheinen denn diese Vorwegnahmen muß sich in ihr erhalten. Und immer neue Sonderungen, b4

weniger anstößig, da sie das mindeste sind, was zur Legiti- und immer feinere und innigere gilt es zu vollziehen. J e
mation des angesprochenen Urteils angekündigt werden muß, feiner die Sonderungen werden, desto
wenn das Urteil selbst nicht ein bloßes Wort ohne logischen weniger wird die Vereinigung bedroht.
Charakter bleiben soll. Dieser Gedanke dürfte ein Grundgedanke sein für den psycho-
Fahren wir nunmehr aber in diesem unumgängHchen logischen Aufbau des Bewußtseins. Und es ist ein lehrreiches
Signalement des Urteils fort, so erkennen wir alsbald, daß der Merkmal für die natürliche Abhängigkeit der Psychologie
Schein einer psychologischen Entlehnung gänzlich hinfällig ist. des Denkens von der Logik: daß die Psychologie dessen
Wir denken nämhch bei der Richtung der Sonderung Grundgedanken von der Logik entnehmen kann. Uns
an den Akt, der und sofern er sich vollzieht. Und ebenso geht hier nur die logische Charakteristik des Urteils an. «-So
bei der Vereinigung. Und rücksichthch des Inhalts gilt daher wird hierdurch auch zugleich verständlich, daß dieVer-
der Akt als vollzogen. Demgemäß auch denken wir einigung nicht zum fixen Abschluß kom-
die entsprechenden Inhalte als abgeschlossene. Hierin hegt men darf, sondern zur Mehrung und Befestigung ihres
der Fehler. Beide Tätigkeiten und ebenso ihre Inhalte sind eigenen Wertes in sich selbst die Sonderung fordern muß.
nicht in einer Gegenwart zu stabilieren, sondern aus der Denn die Vereinigung darf nicht niedergeschlagen werden
aktuellen Gegenwart in die Zukunft, zur Zukunft in Beziehung in eine Einheit, die keine Einheit, sondern nur ein Eins wäre.
zu setzen. Die Vereinigung ist nicht als ein Ereignis zu Die Erhaltung leistet jenem Niederschlage Widerstand, und
denken, dessen Vollzug zum Abschluß gekommen wäre; rettet und sichert so den Wert des Urteils, als reinen Denkens.
sondern als eine Aufgabe, und als das Ideal einer Auf- 10. Das Urteil und die Einheit. Diese
gabe; wie nur die Logik eine solche Aufgabe stellen, ein solches gegenseitige Erhaltung, welche sonach das Urteil ermöglicht,
Ideal aufstellen kann. Denn die Aufgabe, die dem Denken bestimmt daher auch einen fundamentalen Begriff, mit dem
im Urteil gestellt wird, darf niemals als zur Ruhe, zur Voll- wir von Anfang an und besonders eingehend hier operiert
endung gekommen betrachtet werden. haben: den Begriff der Einheit. Wir wissen bereits,
Ebenso steht es bei der Sonderung. Beide Rich- daß er zu den Grundbegriffen des antiken Denkens gehört.
tungen heben sich in die Zukunft hin- Bei Pythagoras wird er als das Zentrum bezeichnet.
e i Die Sonderung, die niemals als abgeschlossen gedacht
n. Und P 1 a t o n bestimmt seine Idee durch ihn {fiia tu tSia
werden darf, bleibt somit Vereinigung. Die Vereinigung gemäß dem «v w ywxvs)- Das Verständnis des Urteils ist
erhält sich in ihr. Und die Vereinigung, die nicht abgeschlossen durchaus bedingt durch las genaue Verständnis der Einheit.
i gedacht werden darf, erhält sich dadurch als Sonderung. Denn sie verbürgt den Inhalt des Urteils. Und sie ver-
So läßt sich die Durchdringung beider Richtungen kraft der antwortet, daß die TätigKcit zugleich den Inhalt bedeute.
Erhaltung verstehen. Beide Richtungen sind Hier könnte nun auch die Frage wieder auftauchen:
Aufgaben, und müssen unaufhörlich Auf- wenn alles Denken, als Urteil, durch die Einheit bedingt
Cohen, Locik der reinen Brlcenntnis. II. Aofl. 5

P
Einheit der Erkenntnis und des Gegenstandes 67
66 Vereinigung und Einheit

mußnicht alsdann das Urteil selbst, und vielleicht sogar


mittel der Erkenntnis. Die Erkenntnis ist Einheit
ist,
der Erkenntnis. Diese Einheit wird für den Begriff
eine besondere, eigene Art des Urteils diesen Grundcharakter gefordert. Der Begriff aber ist nur ein Ausdruck, man möchte
allen Urteils zur Erzeugung und zur Beglaubigung bringen? sagen, nur einer der Ausdrücke für die Erkenntnis. Der
Und wenn dieser Einwand richtig ist, so würde er schwerer
methodische Wert der Erkenntnis ist bedingt durch die Einheit
wiegen als die Bedenken gegen die sonstigen Vorwegnahmen, derselben. Es ist nicht nur der formale Zusammenhang, der
wie besonders gegen die der Mehrheit. Denn diese vertritt durch die Einheit für die Erkenntnis gefordert wird.
nur eine Urteilsart, die Einheit dagegen gehört allen an. diese Ordnungseinheit würde nicht viel Streit sein.
Um
Indessen ist in der Frage selbst die Antwort schon ent- Eine
sachliche Bedeutung der Einheit der Erkenntnis steht in Frage,
halten. Gerade eben, weil die Einheit das Urteil überhaupt und bildet die Schwierigkeit.
ausmacht, unterscheidet sie sich in dieser UniversaUtät von 11. Die Einheit und der Gegenstand. Ohne
der Mehrheit. Und von der Logik ist daher im Kapitel vom diese sachliche Bedeutung der Einheit der Erkenntnis
Urteil nur noch die Aufklärung zu erwarten, welchen Einfluß gäbe
es überhaupt keine Sache. Was ist denn das Ding?
dieser allgemeine Einheitscharakter des Urteils auf die Ent-
Es ist
doch nicht etwa in der Empfindung schon gegeben? Dann
faltung der Urteilsarten haben dürfte. Wenn die Einheit
freiUch bedürfte man zu seiner Entdeckung keiner
nicht einer besonderen Urteilsart zugewiesen werden darf, Physik
und keiner Mathematik. Wenn anders also das Ding erst
so folgt daraus nicht etwa, daß sie in den Urteilsarten latent wissenschaftlich zu entdecken ist, so muß das Urteil das
wird, sondern es erhebt sich die MögHchkeit, daß ihre durch- Schema enthalten, nach und in welchem diese Entdeckung
wirkende Bedeutung für mehrere oder gar für alle Urteils- sich vollziehen könne. Und so muß die Einheit des
Urteils
arten geltend gemacht werden kann.
Es gibt ein drastisches Mittel, diese aktiven Bedeutungen
die Einheit der Erkenntnis vollziehen. Und
in dieser
Einheit der Erkenntnis muß diejenige
der Einheit klarzustellen: Einheit bestehen, welche das Problem des
Die Einheit ist nicht die Eins; nicht Dinges bildet.
ein Ding, sondern eine Tätigkeit, die einzige Tätigkeit des
Bisher wurde ^Uer Inhalt in Tätigkeit aufgehoben. Und
Urteils.Alle Leistungen des Urteils beruhen auf diesem Cha- durch die Erhaltung wurde die Einheit dieser Tätigkeit,
rakter und Grundzug seiner Tätigkeit. Daher können und und
damit die Einheit des Inhaltes gewährleistet. Jetzt gilt es,
müssen wir die Einheit selbst von der Ver- den Inhalt hervorzukehren. Der Tätigkeit muß endlich
einigung, als einer der beiden Richtungen, unter-
ein Gegengewicht geboten werden, ohne sie selbst etwa
scheiden. Die Tätigkeit des Urteils, die sich kraft der darum
aufzugeben. Vielleicht darf man die Erhaltung in Rücksicht
Erhaltung vollzieht, ergeht sich in Sonderung und Vereini- auf den Inhalt durch ein stofflicheres Wort vertreten lassen.
gung. Beide im Verein machen das Urteil aus. Diesen Wenn die Einheit nicht lediglich in der Tätigkeit schweben
Verein bezeichnet die Einheit. Durch diesen
soll,sondern an einem Ding sich bezeugen, so mag die Er-
Verein, den die Erhaltung gewährleistet, vollzieht sich das haltung als Bestand gedacht werden. Und dieser Bestand
Urteil als Einheit. Das Urteil ist daher zu denken als mag als Widerstand leistend gedacht werden gegen
Einheit des Urteils. So kommt der Grundbegriff der Ein- jene schwebende Tätigkeit. So wird das Ding
heit dem Urteil statten. Oder richtiger, so begründet das zum
Gegenstand. Und während dem Dinge nicht eigentüch
Urteil vermöge seiner Einheit den Grundbegriff der Einheit. eme Einheit zukommen könnte, vollzieht sie sich nun in der
56 Diese Bedeutung der Einheit, als Durchdringung von Einheit des Gegenstandes.
Sonderung und Vereinigung, macht das Urteil zum Grund-
68 Objekt und Subjectum Dreifache Einheit 69

56 Auch an dem Problem des Gegenstandes lassen sich die Richtungen, der Sonderung und der Vereinigung, bestimmt.
Zeitalter unterscheiden. Bei den Griechen heißt er das Und die Einheit, welche in diesen beiden Richtungen sich
Seiende (t6 ov). Und zu seiner wissenschaftlichen Be- erhält, bildet die Einheit des Urteils. Die Tätigkeit aber sollte
stimmung wird das wahrhaft Seiende (Svx<as oV) und die zugleich den Inhalt darstellen; die Erzeugung das Erzeugnis. 57

Substanz (waia) zugrunde gelegt. Im Mittelalter behauptet So hat die Einheit des Urteils zugleich zu bedeuten die Einheit
sich nach der lateinischen Übersetzung des Seins, als Grund- seines Inhalts.
lage {vnoxsifiewv), duFch die Substauz und das Sub- Der Inhalt aberist nicht schlechtweg das Ding, sondern
jectum der substanzielle Charakter des Gegenstands. Und der Gegenstand. Dieser aber kann nur in der Erkenntnis
je nachdem man die Substanz auffaßte, stellte sich auch dem- bestehen, gewonnen und gesichert werden. Der unmittel-
gemäß die Ansicht vom Gegenstand. Das Objekt aber bare Inhalt des Urteils muß daher die Erkenntnis sein.
galt durchweg als das im Geiste objizierte, also als die Vor- Ist doch das Urteil Denken, und das Denken Denken
^
der
stellung des Gegenstands, während das Subjectum
nicht Erkenntnis. Da nun das Urteil Einheit des Urteils ist,
das Subjektive, sondern das sachlich zugrunde Liegende so muß diese ihrem Inhalte nach Einheit der Erkenntnis
bezeichnete. Der skeptische, vielmehr kritische, der wissenschaf t- bedeuten. Wir sagten oben, diese Einheit der Erkenntnis habe
Hche Charakter der neueren Zeit prägt sich darin aus, daß diese nicht nur formale Bedeutung. Ohnehin hat sich der Begriff der
steinerne Selbständigkeit von dem Subjekt abgewälzt wurde, Einheit von schwerster Prägnanz erwiesen. Die Einheit der Er-
und daß man dem Objekt andererseits die Maske derVorstellung kenntnis wird gefordert zur Einheit des Gegenstands. Und so
abriss, und ihm dennoch kein gediegeneres Dasein zusprach wurde die Einheit als eine dreifache bestimmt: die des
als das des Vorwurfs. Das Objekt ist der Vorwurf. Urteils, die der Erkenntnis und die des Gegenstands.
Diesen Vorwurf, dieses Problem des Dinges gilt es zur 2. Das methodische Problem der Ein-
Bearbeitung, zur Lösung zu bringen. Und der Weg dieser heit des Gegenstands. Durch diese dreifache Einheit
Lösung, die Voraussetzung dieser Bearbei- wurde die allgemeine Leistungund Bedeutung des Urteils
tung ist das Urteil. Die Einheit des Urteils vollzieht abgegrenzt. Die Einheit des Urteils wurde als Tätigkeit zu
und gewährleistet die Einheit des Gegenstands. Denn die genauer Bestimmung gebracht. Nicht dasselbe dürfen wir
Einheit des Urteils erzeugt die Einheit der Erkenntnis. Und es von den inhaltlichen Einheiten sagen, weder von der der Er-
gibt keine andere Möglichkeit, den Gegenstand zu entdecken, kenntnis, noch von der des Gegenstands. Gibt es überhaupt
als welche die Einheit der Erkenntnis bietet. Sie vertritt die und darf es eine Einheit des Gegenstands geben? Wenn aber
Einheit des Gegenstandes. Und die Einheit der Erkenntnis nicht, so ist dieselbe Frage auch bezüglich der Einheit der
wird erzeugt in der Einheit des Urteils. So gewinnen wir Erkenntnis entschieden. Denn auf der Einheit der Er-
diese Bestimmung des Urteils: Die Einheit des Ur- kenntnis beruht die Einheit des Gegenstands, und für den
teils ist die Erzeugung der Einheit des Gegenstand wird sie angenommen. Die Frage darf nicht so
Gegenstands in der Einheit der Erkenntnis. verstanden werden, als ob die unübersehbare Vielheit der
Dinge der geforderten Einheit des Gegenstands widerspräche.
Jene Vielheit der Dinge ist nicht an sich eine Vielheit der
XIL DieArten des Urteils und dieEinheit Gegenstände. Jene Vielheit der Dinge könnte sehr wohl in die
der Erkenntnis. Einheit des Gegenstands sich vereinigen lassen.
1. Die drei Bedeutungen der Einheit. Aber das darf gefragt werden: ob im methodischen
Das Urteil ist, als Erzeugung, als Tätigkeit in seinen beiden Sinne der Wissenschaft e n die Einheit des Gegenstands eine
Erhaltung und Verwandlung 71
70 Pythagoras und die Eleaten

mathematisch formulierbaren Seins ist durch das Gesetz


von
zulässige Forderung bilde. Sehen wir vorerst einmal der Energie über die gesamte Physik erweitert, zum Grund-
ab:
dem Organismus, als dem Gegenstande der Biologie, gesetze der Natur geworden. Diese Einheit der Erkenntnis
der mathematischen Natur-
bilden denn die Disziplinen gewährleistet unserem modernen wissenschaftlichen Bewußt-
wissenschaft einen einheitlichen Gegenstand ?
Lassen sich die sein die Einheit des Gegenstands.
Mathematik mit denen der
verschiedenen DiszipUnen der 3. Die Erhaltung der Energie und das
daß die Einheit des
Naturwissenschaft dergestalt vereinigen,
Antwort hegt
Grundgesetz des Denkens. Gerade das Energie-
Gegenstands möglich und notwendig wird ? Die gesetz aber ist über das Problem der Arten des
geeignet,
die reinen Erkenntnisse,
bei der andern Frage: sollte es für Urteils, vor dem
wir hier stehen, uns zu orientieren. Es be-
58

von deren faktischer Geltung unsere Logik ausgeht, —


ähnlich,
deutet die Einheit der Prinzipien samt den aus ihnen er- 59
faktischen Geltung
wie Piaton und Kant ausgehen von der fließenden Gesetzen. Die Einheit der Erkenntnis,
der Mathematik —
sollte es für sie nicht einen Inbegriff, eine
dieesbildet, schließt n c h t d e M e h r h e t
i i i
Ist ^les
Einheit geben müssen, aus der sie hervorwachsen? von Erkenntnissen, von Gesetzen aus, son-
des Gegenstands dadurch
aber der Fall, so ist die Einheit dern vielmehr ein. Das ist der nächste Sinn der
cfesichert. Einheit der Erkenntnis.
so kann uns
Gehen wir wieder vom Gegenstande aus,
Sie ist ferner aber auch nicht die Summe, zu der sich die
schon Pythagoras orientieren. Seine Substanz stellt
Mehrheit der Erkenntnisse zusammenzählen, in die sie sich
die Einheit des mathematisch formulierbaren Seins dar. Und aufheben ließe. Sie ist die Einheit in dem lebendigen, schöpfe-
diese mathematische FormuUerung
hatte durch ihn selbst rischen Sinne, demgemäß die Prinzipien und durch deren
bereits angefangen, die Physik zu erobern.
Aber es blieb nicht Vermittelung die Gesetze in ihr ihren Ursprung haben. Sie ist
mathematischen Formulierung allein und isoliert.
bei der die geistige Potenz, durch die jene zum präzisen Ausdruck
Und man brauchte nicht auf die neue Zeit zu warten, des Gedankens gelangen. In jedem einzelnen Naturgesetz
die vielmehr nicht hätte kommen können,
wenn die Alten bewährt sie sich und bringt sich zur Geltung. Und so auch
Mathematik hätten bewenden lassen. Die
es bei der bloßen in jedem Körper, als dem Gegenstande des entsprechenden
als die
Eleaten schon ersannen andere Begriffe, die sich, sollten. Gesetzes. So ist also auch hier die Einheit nicht eine absolute,
Zeit gekommen war, reine Erkenntnisse bewähren
als sondern vielmehr eine solche, welche die Mehrheit fordert und
Naturwissenschaft
Sie sind die Prinzipien der mathematischen voraussetzt.
mathematischen
geworden. Indessen ist die Entwickelung der Mehr als jedes andere Naturgesetz macht diesen Sach-
bei der Mehrheit von Formu-
Naturwissenschaft doch nicht verhalt das Gesetz der Energie deutlich. Denn
mechanischen
herungen, sei es der Bewegungsgesetze, sei es der der eigentliche Sinn des Gesetzes ist die Korrelativität zweier
Prinzipien stehen gebheben. Vielmehr ist sie
von einem Triebe Erhaltung
Begriffe, die sich auszuschließen scheinen:
worden. Der Trieb
nach Einheit, wie man sagt, geleitet
und Verwandlung. Es geht aber, wie bei der Son-
sondern eben nur treiben. Und so
aber kann nicht leiten, derung und der Vereinigung. Die Verwandlung wirkt bei der
enthält auch der Monismus keine sichere
Führung. Logik ist
Erhaltung. Und die Erhaltung waltet in der Verwandlung.
welche Einheit fordert, als Einheit der Erkenntnis.
Die Erhaltung beschränkt sich auf das Sein, auf die Einheit
es,
Diese Einheit der Erkenntnis wurde nun auch
m dem
des Gegenstands. Aber das Sein duldet und fordert die Ver-
modernen Grundgesetze der Erhaltung derEnergie wandlung, die seine Einheit keineswegs verletzt. Die ver-
Erkenntnis
gesucht. Dieses Gesetz bedeutet die Einheit der schiedenen Disziplinen der Naturwissenschaft fordern die
Gegenstands. Die Einheit des
und durch sie die Einheit des
72 Arten des Urteils Arten der reinen Erkenntnisse IS

Verwandlung, fordern die Mehrheitlichkeit des Gegenstands. annahmen, da haben sie dieselben aus ihrem Gesichtspunkte
Sie alle aber haben ihre gemeinsame der reinen Erkenntnis vertieft und ausgebaut. Vor allen
Grundlage in der reinen Erkenntnis der gilt dies von Kant.
Energie, als der Erhaltung des Seins in 4. Das methodische Problem der Ein-
der Verwandlung seiner Formen. So lehrt teilung der Urteile. Wie sehr wir daher auch gemäß
also das Gesetz der Energie, daß die Einheit der Erkenntnis unserem neuen Prinzip in der Reihenfolge, der Gliederung,
eine Mehrheit der Erkenntnisse und eine Mehrheit der Gegen- der Benennung und der Ausprägung und Auswertung der
stände in seiner eigensten Bedeutung fordert. einzelnen Arten des Urteils von Kants Tafel der Urteile werden
Nachdem wir nun als allgemeine Bedeutung des Urteils die abweichen müssen, so dürfen wir doch an den vier Rück-
Erzeugung des Gegenstands in der Erkenntnis, und jetzt die sichten festhalten, die er selbst von der allgemeinen Logik
Bedeutung der Einheit erkannt haben, wie sie für die Er- übernommen hat. Die Abweichungen werden aber schon
kenntnis und für den Gegenstand zu verstehen sei, gilt es, deshalb unabwendbar, weil wir die Korrespondenz je
dieselbe Bedeutung für die Einheit des Urteils zur Ausführung einer Kategorie mit je einer Urteilsart
zu bringen. Auch die Einheit des Urteils muß werden aufgeben müssen. In Wahrheit jedoch ist Kants
60 sich in eine Mehrheit von Arten des Ur- Tafel der Urteile nicht, wie es den Anschein hat, nach seiner
teils entfalten. Diese Arten des Urteils entsprechen Tafel der Kategorien orientiert; sondern nach seiner Tafel
den Erkenntnissen oder Gesetzen, und demzufolge den Gegen- der Grundsätze. Wie sehr wir nun aber auch nicht nur
ständen, als den Verwandlungsformen des Seins. in deren Formulierungen abweichen, sondern auch von
Wie das Urteil, als Gattungscharakter, die Erkenntnis ihrer Aufstellung überhaupt absehen
und dadurch den Gegenstand erzeugt, so müssen die Arten müssen, so halten wir nichtsdestoweniger ihren Geist in
des Urteils die Erkenntnisse und die Gegenstände erzeugen. den reinen Erkenntnissen fest. Die Arten des Urteils
Diese Forderung müßte gestellt werden, auch wenn vorerst müssen aus den Arten und Richtungen der 61

gar keine bestände, sie zu einer befriedigenden


Aussicht reinen Erkenntnisse abgeleitet werden.
Lösung zu bringen. Indessen bildet diese Gefahr kein ernst- Gibt es denn aber auch Arten und Richtungen der Er-
liches Bedenken. Und wir sind keineswegs, was der ober- kenntnisse, die aus der Einheit der Erkenntnis sich entfalten,
flächhche Schein vermuten läßt, an die Schabloneder ordnen und gliedern? Gibt es nicht nur eine Mehrheit von Er-
traditionellen Logik Die Gründe und
überliefert. kenntnissen, sondern auch eine Mehrheit von Arten der Er-
Gesichtspunkte für die Einteilung der Urteile sind auch nicht kenntnisse? Die Antwort hat sich bereits ergeben. Von vorn-
als Schablone entstanden. herein hatten wir die mathematische Naturwissenschaft als
Schon in der griechischen Philosophie kann man auch bei die Einheit einer Wissenschaft in Anspruch genommen, welche
diesen Fragen den Zusammenhang von Denken und Er- aus Mathematik und Naturwissenschaft besteht. Schon diese
kenntnis erkennen; nicht nur bei der allgemeinen Charakte- Bestandteile der mathematischen Naturwissenschaft lassen
ristik, sondern auch bei der Einteilung des Urteils. Die das Problem hervortreten, daß die Erkenntnisse, da sie zum
Schabionisierung hat dagegen keineswegs mit dem Mittelalter Teil in der Mathematik, zum andern Teile aber in der Natur-
aufgehört. Aber Diejenigen, welche die Logik der reinen Er- wissenschaft wurzeln, schon deshalb von verschiedener Art
kenntnis zu ihrem Problem gemacht haben, sie alle haben die sein müssen. Das war ja gerade die Schwierigkeit, mit der
Einteilungsgründe des Urteils aus dem Gesichtspunkte der selbstNewton kämpfte, und die seine Anhänger zu heben
Erkenntnis aufgestellt. Und wo sie die alten Distinktionen oder zu mildern suchten über die aber auch L e i b n i z
:
74 Koordination oder Subordination Begriffe der Mathematik und die der Mechanik 75

seine Anhänger und seine Korrespondenten nicht hinauszu- dieser Elemente stellt, bildhch gesprochen, eine Seite des
heben vermochte. Gegenstands dar.
Die Verschiedenheit der Prinzipien haben sie alle deutlich Verschmähen wir das Bild, so erscheint das Element der
erkannt; aber sie konnten für diese Verschiedenheit nicht die reinen Erkenntnis genau als das methodische Mittel, an seinem
Einheit finden, weil sie die Notwendigkeit der Teile den Gegenstand zu erzeugen. Wenn aber diese Teile,
Verschiedenheit nicht anerkannten. Und die vielmehr Anteile sind, erst in der Vereinigung der durch
hierin irren auch die Neueren, welche die Prinzipien der sie vertretenen Methoden in den einzelnen Disziplinen der
Mechanik erörtern, ohne dabei von denen der Mathematik mathematischen Naturwissenschaft die Einheit des Gegen-
auszugehen. stands erzeugen, so ist dadurch keineswegs festgestellt, daß
Und auch Mathematiker dürften irren, indem sie die
die diese methodischen Anteile gleichwertig wären an
isolierten der Mathematik aufstellen, ohne sie
Prinzipien methodischer Kraft und Bedeutung. Und so könnte Sub-
auf ihre etwa immanente Bedeutung für die Mechanik zu ordination der Arten des Urteils ebenso stattfinden müssen,
projizieren. Beide Arten sind verschieden; aber sie gehören wie Koordination. Vielleicht auch könnte Einer Art des
zusammen; sie gehören als Arten zusammen. Sie bilden eine Urteils die Bedeutung eines Mittelpunkts zukommen, um den
Einheit; und ohne auf die Einheit dabei auszugehen, kann man sich die anderen konzentrisch angliederten. Es könnte aber
die Verschiedenheit der Arten, kann man also die Arten auch teils Subordination, teils Koordination anzunehmen
der Prinzipien nicht finden. Und die Arten der sein: die Subordination gemäß einer Stufenfolge von Methoden,
Prinzipien liegen in den Arten des Urteils. die zur Konstituierung des Gegenstands zusammenwirken,
Aus dem Gesichtspunkte der Arten der Erkenntnisse müssen deren Zusammenwirkung aber die genetische Stufenfolge
die Arten des Urteils bestimmt werden. zur Voraussetzung hätte; und anderenteils die Koordination
Es könnte die Frage entstehen, ob die Arten des Urteils gemäß dem engeren Zusammenhange der Methoden in einer
auf dem Wege der Koordination, oder vielmehr auf Disziplin. So würde eine Gruppe von Arten, eine Klasse
dem der Subordination zu ermitteln seien. Dieses gemäß der Koordination zu bilden sein. Und gemäß der Sub-
Bedenken ist keineswegs durch die allgemeine Bestimmung ordination würde eine Stufenfolge von Klassen entstehen
des Urteils, Erzeugung des Gegenstandes zu sein, erledigt. müssen.
Denn diese Bestimmung bedeutet nicht, daß jede Art des 5. Bedenken der sachlichen Methodik.
Urteils den ganzen Wert des Gegenstands erzeugen solle oder Werfen wir jetzteinen Bhck auf den methodischen Zu-
könne. Die Bestimmung betrifft vielmehr nur die des Gat- sammenhang der einzelnen Disziplinen, auf denen und in denen
tungscharakters des Urteils. Die Gattung die Einheit der mathematischen Naturwissenschaft beruht
« aber enthält in ihrem Begriffe die Forderung der Arten. und besteht, so tauchen neue Bedenken auf. Es lassen sich
Folghch kann keine Art den Begriff des Gegenstands er- nämlich erstUch die Begriffe der Mathematik nicht streng
schöpfen; sondern sie alle in ihrer methodischen Vereinigung scheiden von denen der Mechanik. Es lassen sich ferner die
erst ergeben den einheitlichen Begriff des Gegenstands. Begriffe der einzelnen Disziplinen der Mathematik nicht
Die Einheit des Gegenstands beruht und besteht in der Einheit streng voneinander abtrennen. Und endlich lassen sich beide es

der Erkenntnis. Diese aber besteht in der Mehrheit der Ele- Arten von Begriffen nicht streng und genau unterscheiden von
mente der Erkenntnis, deren jede freiUch eine Einheit sein den Begriffen der allgemeinen, gewöhnhch so genannten Logi,k
muß. So erzeugt jede Art des Urteils ein noch auch von den allgemeinen philosophischen oder engeren
Element der reinen Erkenntnisse. Und jedes metaphysischen Begriffen.
76 Verhältnis zur formalere Logik Vier Rückeichter^ der Einteüung 11

Wir werden diese Sachverhalte zu entwickeln, und ihnen


gemäß unsere Anordnungen zu treffen haben. Die genaue
Standsbegriff des geschieh tUchen Objekts betreffen, — dieser
dürfte nicht ohne die Mitleistung der Ethik zu erfassen
Feststellung der einzelnen Elemente der reinen Erkenntnis sein —
sondern sie erstrecken sich auf die Kennzeichnung
hängt von der Genauigkeit ab, mit welcher das Erzeugungs- solcher Merkmale des geschichthchen Gegenstands, welche,
gebiet derselben, die Arten des Urteils, zur Anordnung ge- wie die Einzigkeit, die >Äächtigsten Probleme der Ge-
langen. Und wenn hier versucht wird, die Logik in einem schichtswissenschaft in ihrer technischen Methodik betreffen.
umfassenderen Sinne zur Entwicklung zu bringen, so entsteht Von solcher Logik der Geschichtswissenschaften müssen wir
daraus nicht die Gefahr, die Eigentümlichkeiten der formalen uns fernhalten, auch wenn sie nicht die unerläßhche Mit-
Logik zu verwischen. Vielmehr wird sich zeigen, daß das wirkung der Ethik außer Kraft setzte, und darin schon
neue Prinzip der Logik der reinen Er- den allgemeinen Gegen Standsbegriff der Geschichte ein-
kenntnis auch für die formale Logik als schränkte. Dahingegen schaffen wir schon in unserer ersten
neues Prinzip sich fruchtbar erweist. Gruppierung Raum für eine nicht den Einzelproblemen vor-
Und ferner wird die Eigenart der formalen greifende Logik der Geschichte.
Logik dadurch zu genauer und klarer Bestimmung gelangen.
Indem wir die Urteile der formalen Logik an erster Stelle bei Nach Feststellung dieser nunmehr bereicherten und ver-
der neuen Einteilung berücksichtigen, entsteht uns zugleich ein tieften Eigentümhchkeit der formalen Logik werden sodann
Vorteil von der allergrößten und allerweitesten Bedeutung. die Eigentümhchkeiten sowohl der mathematischen Arten
Denn der unersetzliche Vorzug der formalen Logik vor aller des Urteils, wie der mechanischen gewahrt werden können.
wissenschaftlichen und erkenntniskritischen, scheint in ihrer Die genaue Bestimmung des methodischen Anteils der ein-
unbeschränkten Allgemeinheit zu bestehen. Und diese All- zelnen Arten des Urteils an der Erzeugung des Gegenstands
gemeinheit bezieht sich keineswegs allein auf das populäre, nach der Mannigfaltigkeit und Besonderheit seiner Bedeu-
allgemein menschliche Denken in seiner Verstandesmäßigkeit, tungen wird sich als der leitende Gesichtspunkt bewähren.
sondern nicht minder auch auf das ganze große Gebiet der
Geisteswissenschaften, und 6.Die vier Gesichtspunkte. So ergeben
insbesondere auf die sich uns für die vier Gesichtspunkte, nach denen
Geschichtswissenschaft. die Arten des Urteils zu ermitteln sind, die folgenden Be-
Wenn diese jedoch in neuester Zeit durch eine be-
deutungen. Die erste Rücksicht entspricht der traditio-
sondere Logik von der allgemeinen unterschieden wird, nellen formalen Logik, der wir jedoch ein neues
so liegen darin doppelte Irrtümer. Erstlich mißver- Denkgesetz, das des Ursprungs zugrunde legen.
steht man unsere, an dem Werdefaktum der mathema-
tischen Naturwissenschaft orientierte Logik dahin, daß sie
Dieses Denkgesetz des Ursprungs er-
streckt seine Fruchtbarkeit und Kom-
der Logik der Werte nicht zugänglich, nicht zulänglich
petenz auf alle anderen Rücksichten.
wäre. Der faktische Beweis des Gegenteils wird auf
Ihnen allen zufolge soll ja reines Denken der Erkenntnis
Grund des Vorurteils nicht sowohl bestritten, als ignoriert.
zur Entfaltung kommen. Das reine Denken der Erkenntnis
Zweitens aber wird dadurch der logische Geist aber hat die Erkenntnis des Ursprungs zur Voraussetzung.
der Geschichte in seinen methodischen Eigenwerten
Und diese Voraussetzung entspricht den anderen Urteilen,
angetastet. Die Begriffe, welche auf jener Seite der Ge-
welche die formale Logik an die Spitze stellt. Wir fassen
schichtswissenschaft untergelegt werden, sind im besten Falle
diese Urteile daher unter dem alten Titel als Urteile der
solche, welche nicht den allgemeinen, methodischen Gegen-
Denkgesetzezusammen.
78 Erkenntnis und Forschung

Unter der zweiten Rücksicht entstehen die Arten


des Urteils der Mathematik, von der
geleitet
Anwendung, welche die Erkenntnis des Ursprungs auf die
64 Mathematik macht. Alle Disziplinen der Mathematik müssen
durch diese Klasse von Urteilen vertreten werden, wenn
Erste Klasse:
anders der der Koordination trotz dem Unter-
Zusammenhang Die Urteile der Denkgesetze.
schiede in den Methoden der Analysis und der synthetischen
Geometrie angenommen werden darf. Und für die Einheit Erstes Urteil: Das Urteil des Ursprungs.
des Gegenstands muß dieser Zusammenhang der mathe- 1. Das allgemeine und vieldeutige Inter-
matischen Methoden angenommen werden. esse am Ursprung. Das wissenschaftliche Denken
Die dritte Rücksicht läßt diejenigen Arten des Urteils beginnt seine Geschichte mit dem Begriffe des Ursprungs.
entstehen, welche für die Mechanik und die sich ihr an- So dürfen wir äexv besser übersetzen als mit Anfang. Es ist
gliedernde Naturwissenschaft erfordert werden. Wir nennen ein bedeutsames Zeichen, daß Thaies, der Erdenker des
sie die Urteile der mathematischen Natur- Ursprungs, als Urheber der Forschung und der Philosophie an-
wissenschaft. Auch sie werden von der fundamentalen genommen wird. Danüt erst fängt das Seiende an, als ein
Bedeutung geleitet, welche die Erkenntnis des Ursprungs Seiendes Problem zu werden: daß nach seinem Ursprung
in dieser Richtung erschließt.Und es wird sich hier ein gefragt wird. Bis zu dieser Frage hjcstehen nur einzelne Dinge
charakteristischer Zusammenhang herausstellen für den Blick des Menschen; und sie bleiben dies, auch wenn
zwischen dieser Klasse und der ersten, nach ihrer Entstehung gefragt wird; erst mit der Frage nach
somit zwischen dem Problem der Bewegung und dem dem Ursprung treten die einzelnen Dinge in einen Zusammen-
Problem des Denkens. Über diese drei Klassen ver- hang mit einander. Dieser Zusammenha^ng ist das
breiten sich die Elemente der reinen Erkenntnis. Seiende, im Unterschiede von den Dingen. {x6 Sr, xä ovra.)
Der vierten Rücksicht entsprechen diejenigen Arten, Wie nun die Wissenschaft mit dem Mythos zusammen-
welche die Bearbeitung und methodische Behandlung der hängt, nur eine Fortführung seines Ernstes durch die Ablösung
Forschung nach den Entwicklungsstufen derselben be- von den subjektiven Momenten des Affektes ist, so hängt
treffen. Es wird sich aber dabei ein genauer Zusammenhang auch im Ursprung die Wissenschaft mit dem Mythos zu-
zwischen den Voraussetzungen der Erkenntnis und den sammen. Der Gedanke des Chaos bezeugt das Interesse, das
methodischen Stufen der Forschungsarbeit herausstellen, der der kosmogonische Mythos an der Frage des Ursprungs nahm.
auf die voraufgehenden Rücksichten neues Licht wirft und Und die mosaische Genesis, welche das Interesse des Ur-
neue Aufschlüsse bringt, welche diese Arten als die der kri- sprungs durch die Schöpfung befriedigen will, vermag es
tischen Urteile bewähren. Wir nennen sie die Urteile dennoch nicht gänzlich zu unterdrücken: in dem Anfang,
der Methodik. den man vielmehr auch besser mit Ursprung übersetzt, lugt
es hervor. So ist es zwar auf die Zeit beschränkt, aber es
behauptet auch in dieser Beschränkung seine Sphinxnatur.
Das Wort des Thaies, oder vielleicht auch erst des A n a x i -
m a n d e r hat immer abstraktere Bedeutung erlangt. Bei
Thaies war es, als Wasser, der Ursprung des Stoffes, und 65

zwar auch der Ursprung des Begriffs vom Stoffe.


Denken als Erzetigen 81
80 D(i8 otiiologiache Probltm

daher nicht vollständig gewährleisten. Worauf beruht es?


Bei Anaximander aber wird das Unendliche als Ur- Man sieht, das Für und Wider beim ontologischen Argument
sprung bezeichnet. So wird der Ursprung zum Ursprung eines betrifft im Grunde nichts anderes als das Prinzip
des Ur-
geistigen Seins. Und je mehr das Sein im Denken ge- sprungs. Und so ist dieses in der alten Metaphysik
zwar ver- 6?
gründet wird, desto einseitiger wird der Gebrauch des Ur- kleidet, aber keineswegs untergegangen.
sprungs für das Denken. So entsteht allmählich diejenige
Indessen gerade die Geschichte des ontologischen Ar-
Bedeutung des Wortes, welche im modernen Sprachgebrauche
guments legt den Schaden bloß, den die Metaphysik und die
durch das lateinische Wort des Prinzips allgemein und
Logik dadurch erlitten haben, daß das Problem des Ursprungs
mit scheinbarer Sicherheit bezeichnet wird.
die Führung verloren, und in andere Fragen
Durch diese Vergeistigung des Wortes ist hinwiederum unter anderen
Formulierungen verteilt und zerstreut worden ist. Niemals
aber das urmenschhche Interesse an der Frage des Ursprungs
hätte man von der Grundformel des Parmenides
verdeckt und verdrängt worden. Und die Wissenschaft muß so
weit abirren können, daß man für das Denken
dieses auf verschiedenen Wegen und in verschiedenem Aus- in der
druck erst wieder entdecken und zu neuer Geltung bringen.
Empfindung eine Ergänzung anerkannte, wenn man das
Prmzip des Ursprungs für das Denken festgehalten hätte.
Diese Neuheit erscheint dann lange so befremdend, daß man
die alte Frage in der neuen Antwort nicht immer sogleich
Nur das Denken selbst kann erzeugen,
wiedererkennt.
was als Sein gelten darf. Und wofern das Denken
nicht in sich selbst den letzten Grund des Seins zu graben
Den größten Schaden hat von dieser Abdämpfung des
vermag, kann kein Mittel der Empfindung die Lücke aus-
Faustischen Sinns der Frage in die Beruhigung, die das
füllen. Alle Streitigkeiten der Standpunkte erklären sich
Prinzip bietet, die Logik erlitten: das Interesse am Ursprung
aus der fundamentalen Bedeutung dieses Gedankens. Man
ist in ihr nahezu erstorben. Und was davon noch etwa übrig
bheb, das wurde der Metaphysik zugeschrieben. Da
müsse dem Denken die Existenz hinzu-
diese aber mit der Schöpfung nicht außer Verkehr blieb, so
fügen. Man müsse dem Begriffe die Existenz
konnte sie sich auf diesem Wege mit dem Ursprung abfinden. beilegen. Woher aber sie nehmen, so daß sie verwendet
werden kann? Dem Denken, als reinem Denken, muß solches
Es ging auch nicht besser und nicht tiefer, wenn der Pan-
theismus das Wort führte auch dabei erdrückte das
:
Hinzufügen und Beilegen als. unerlaubt gelten. So können
wir aus dem Gesichtspunkte des Ursprungs in das Innerste
Ganze in seiner unendlichen Größe den Anfang im kleinen.
Und ohnehin vertrat der allgemeine Gott auch hier den letzten auch der neueren Metaphysik hineinsehen, und die Schwächen
ihrer Lösungen, wie ihrer Thesen durchschauen.
und den ersten Grund des Seins.
2. Das ontologische Problem. Aller Streit 3. Das Problem des Gegebenen. Der Irrtum,
um das ontologische Problem, das älter ist als daß man dem Denken Etwas geben dürfe, oder geben könne,
seine Definition, läßt sich aus diesem Gesichtspunkte ver- was nicht aus ihm selbst gewachsen ist, wird durch das Vor-
stehen. Man glaubte alles Sein im Denken gegründet und urteil genährt, welches in dem Worte
verbürgt, alle Art von Sein. Wenn dagegen Einspruch erhoben
„g e g e b e n** sich
behauptet. Dieses Wort ist förmlich zu einem logischen
wird, so richtet er sich gegen die unterschiedslose Beziehung Terminus geworden, zumal da auch Kant es nicht verschmäht
des Denkens auf alle und jede Art des Seins. Bei der Natur hat. Es finden sich zwar sichere Anzeichen, daß
er die Ge-
glaubte man sich die Identität gefallen lassen zu dürfen, weil fahren erkannt hat, welche dem Apriorismus von diesem
hier die Wahrnehmung die Lücke ergänzte. Bei Gott dagegen Worte her drohen; aber er hat sie auch bei solchen Anlässen
fehle diese ergänzende Kraft. Das Denken könne dieses Sein Ooh«n, Logik der reinen Erkenntnis. II. Aufl. «
Denken und Sein in Frageform 83
82 Gegeben oder i/efunden werden können

Wort Genüge leisten den Ursprung seines ersten


nur umgangen, nicht beseitigt. Und doch hat dieses
:

Elementes zu beglaubigen; andernfalls kann das


eine ganz entgegengesetzte Geschichte.
Element nicht als Erzeugnis gelten dürfen.
Der Ausdruck „gegeben" ist in der mathematischen Freilich, wenn man das Element
Sprache entstanden, vermutUch in der analytischen Methode
des Denkens mit dem
Buchstaben A bezeichnet, so läßt sich keine Mögüchkeit
Piatons. Die Bedingungen für die Konstruktion der absehen, seinen Ursprung zu entdecken. Schon die Frage
Aufgabe heißen „gegeben". Euklid hat ein besonderes Buch nach dem Ursprung wird unter diesem Zeichen verschüttet.
unter dem Titel der Data {Aedoiäva) geschrieben. Was
Definition: „Punkte, Denn A bezeichnet schon einen bestimmten Wert, dessen Be-
68 er darunter versteht, zeigt sich in der 4. stimmtheit den Wert über alle Fragen nach seiner Herkunft
Linien und Räume heißen der Lage nach gegeben,
wenn sie . . .

abschneidet. Dieses Zeichen A ist daher ein diesen Notstand


entweder wirküch dargelegt werden, oder gefunden deklarierendes Symptom. Die Mathematik dagegen gebraucht
werden können." Also wenn sie gefunden werden für Werte, an denen sie Erzeugungen bewirken, nicht nur
können, heißen sie auch gegeben. Gefunden aber können
sie
sie gegeben.
Kombinationen herstellen will, das Zeichen: x. Dieses
nur vom Denken werden; und darum heißen
Zeichen bedeutet nicht etwa die Unbe-
Die Data der Analysis heißen gegeben. Die Data des reinen stimmtheit, sondern die Bestimmbarkeit.
Denkens, vielmehr die Ergebnisse, die das reine Denken
auf-
diesem klassischen Sinne der Es ist daher gleichbedeutend mit dem echten Sinne des Ge- 6»
zufinden vermag, heißen in
Dem Denken darf gebenen. Denn im x liegt schon die Frage, woher es komme,
mathematischen Forschung gegeben.
nur dasjenige als gegeben gelten, was es
worin es entspringe. X
ist daher auch für die Logik brauchbar
als das richtige Symbol für ein Element des reinen Denkens.
selbst aufzufinden vermag. Aber wenngleich sein Gebrauch vorwiegend im Gebiete der
Dies muß daher zum ersten Anliegen des Denkens Mathematik Hegt, so wollen wir jetzt vorerst das Interesse
werden: den Ursprung alles Inhalts, den es zu erzeugen vermag,
betrachten und entfalten, das innerhalb der allgemeinen,
in das Denken selbst zu legen. Wenn A als
fragen: formalen Logik an die Frage des Ursprungs geknüpft ist. Und
Zeichen des einfachsten Inhalts gilt, so ist vor allem zu wir werden dieses Interesse deutlicher bezeichnen können,
woher dieses A? Nicht darf man anfangen, mit diesem wenn wir an den Ausdruck der alten Metaphysik, den das
A zu operieren, und hinterher erst versuchen, es in seinem Etwas bildet, anknüpfen. Woher kommt, worin entspringt
Werte zu beglaubigen. Solche nachträglichen Bemühungen das Etwas?
können keinen abschließenden Ertrag bringen; können aber Das Sein
werden, daß es 4. in der Frageform. Es scheint
als verdächtige Symptome dafür betrachtet
aussichtslos, Etwas einen Ursprung zu entdecken;
für das
im ersten Anfang nicht rechtmäßig zugegangen sein dürfte. sogar der Psychologe würde hier glauben, ratlos werden zu
Ur-
Sobald A auftritt, muß nach der Rechtmäßigkeit seines müssen. In der Tat ist es kein psychologischer Ausweg, den
Wenn in der Wissenschaft
sprungs geforscht werden. wir betreten, indem wir die Frageform, als eine Art des Urteils,
Prinzipien, Axiome, Definitionen und For- in diesem Betracht in Anspruch nehmen. Was ist? (« iaxt;)
derungen unterschieden werden, so dürfte in einem
Forderung fragte Sokrates, und formulierte in dieser Frage den
allgemeineren Sinne diese Frage als
zu denken sein. Es ist die erste Schuld, die das Denken begeht,
Begriff. Was war das Sein? (t6 « ^v ehai) fragte
Aristoteles, und machte Frage zum bedeut-
diese
und die es zu tilgen hat; die erste Verpflichtung, die es eingeht. samsten Ausdruck seiner metaphysischen Terminologie. So
Wenn es zu wahrhafter Reinheit gelangen soll, muß es, bevor zeigt sich an diesen hervorragenden Beispielen die logische
es positive Arbeit zu machen beginnt, dieser
Forderung
84 Etwas und Nichts
fit] 85
Bedeutung der Frage, als eines Hebels des Ursprungs.
Je weniger die Frage zu einer Satzform ausgebaut ist, desto doch aber nicht bis zur Verzweiflung an der Erfassung des
wichtiger ist ihre Bedeutung, als einer Art des Urteils. Sie ist Seins sich entmutigen läßt.
der Anfang der Erkenntnis. Der ihrer Tätigkeit entsprechende 6. firi bei Demokrit und Pia ton. Die Sprache
Affekt ist das Wunder. Und mit dem Wunder läßt auch der Griechen, in welcher nicht zufälhg und nicht aus intellek-
Piaton die Philosophie beginnen. So ist die Frage die tuellem Leichtsinn der Logos zugleich dieVernunft bedeutet, läßt
Grundlage des Urteils, man möchte sagen, der auch hier eine tiefsinnige syntaktische Bildung erkennen die- :

Grundstein zur Grundlage. jenige durch die Partikel ^Ij. Es scheint, als ob diese Wendung
des Satzes schlechthin Negation bedeutete. Aber warum hat man
5. Das Etwas und das Nichts. Indessen die
es denn nicht bei der Partikel oi belassen? Mögen immerhin
Frage doch nur deshalb von so grundlegendem Werte,
ist
syntaktische Feinheiten mancherlei Art die Ausbildung dieser
weil sie und sofern sie zur Antwort führt; zu einer Antwort, Satzrichtung begünstigt haben, so ist damit doch nicht erklärt,
welche zur Aufstellung des Etwas führt. Der Weg dahin weshalb die griechische Spekulation ihre fundamentalsten
kann jedoch kein gerader sein; denn in dem Etwas selbst Begriffe an diese prekäre Partikel verschwendet, und die
kann der Ursprung des Etwas nicht zu suchen sein. Das Urteil bedeutsamsten Formulierungen mit ihr und an ihr ver-
darf daher einen abenteuerhchen Umweg nicht scheuen, wenn sucht hat.
anders es in seinem Ursprung das Etwas aufspüren will. Dieses Demokrit hat, wie im Übermut grundlegenden
Abenteuer des Denkens stellt das Nichts dar. Auf dem Denkens, das Nichts unter Benutzung dieser Partikel zu
Umweg des Nichts stellt das Urteil den einem fundamentalen Terminus von höchstem Eigenwert
Ursprung des Etwas dar.
proklamiert. Und er hat es dem Etwas gleichgestellt. Auch
Es scheint absurd, um das Etwas zu finden, sich an das der Satz, in dem er es tat, läßt den Frohmut der Polemik
Nichts zu wenden, das den wahren Abgrund für das Denken zu erkennen. „Nicht mehr ist das Ichts als das
70 enthalten scheint. Wie könnte diese Mißgeburt des Denkens Nichts" iin'rj fiaXXov z6 6kv fj x6 firjdev elvai). Vielleicht hätte
als Ursprungsbegriff des Etwas dienlich sein? Indessen wir er doch sprachhch diesen Spott nicht wagen können,
stecken nun einmal in tiefster Not. Aus dem Etwas kann das wenn das griechische Ohr in der Partikel schlechter-
Etwas nicht erzeugt werden. Das wäre idem per idem. Wir dings, nur die Negation hören müßte. Er hat es nicht bei
müssen daher wohl oder übel zu seinem Widerspiel unsere diesen Ausbrüchen polemischer Laune bewenden lassen: er
Zuflucht nehmen. Es warnt uns zwar der alte Spruch: hat seine Grundbegriffe, welche die Jahrtausende hindurch n
Ex nihilo nil fit. Vielleicht aber: ab nihilo. Es in der Wissenschaft sich behauptet und stets von neuem sich
soll ja nicht der Ursprung des Nichts, sondern der des
Etwas verjüngt haben, insbesondere das Leere, das er neben
gefunden werden. Das Nichts soll nur eine Station auf diesem seine Atome gestellt hat, durch diese monströsen Begriffs-
Wege vorstellen. Wir kennen bereits die logische Richtung bildungen definiert. Und indem er das Leere als das.Nicht-
dieses Weges. Es ist die Frage, welche zum Etwas führen soll. seiende definierte, hat er für das Seiende selbst erst den Aus-
Und eine Station auf diesem Weg der Frage, eine verstärkte druck der Wahrheit gefunden. Sie ist das Nichtseiende; denn
Frage, nichts Anderes bedeutet der Kreuzweg des Nichts. sie entzieht sich der Wahrnehmung, wie auch die Atome ihr
Nicht etwa die Aufrichtung eines Undings, welches den Wider- entrückt sind; darum aber gerade sind das Leere und die
spruch zum Etwas bezeichnen sollte, ist das Nichts; sondern Atome das wahrhaft Seiende (iten Sv). So hat
vielmehr eine Ausgeburt tiefster logischer Verlegenheit, die auch bei Demokrit das Nichtseiende zum wahrhaft Seienden,
das Nichts zum Etwas geführt.
Unendlich nicht unbestimmt 87
86 t*ij und ov hei Aristoteles

wird dicse Mißbildung hier benannt. Und es kann


{döQtazoy)
P1aton zeigt den tiefsten Zusammenhang mit Demokrit,
in der Tat nichts Unbestimmteres gedacht werden als das-
indem wahrhaftem Sein sein „seiend Seiendes"
er aus dessen
jenige, was sowohl auf Nichtseiendes, wie auf Seiendes, sich
(Syxcos Sv) Er läßt es aber bei diesem Zeugnis des
macht.
beziehen soll. Und dennoch hat diese Verfälschung der ur-
Zusammenhanges nicht bewenden. Der ganze Dialog
sprünglichen Tendenz des bedeutsamen Begriffswortes ^^
Sophistes ist dem Begriffe des Nichtseienden gewidmet.
nicht lediglich dialektisches Unheil angerichtet; sondern sie
Und die wichtigsten Aufschlüsse über die Bedeutung und die
hat auch wenigstens dazu dienen können, die Spur jenes
Verwendung der Ideenlehre werden an diesem Motiv ab-
fundamentalen Weges nicht unwiederbringlich untergehen
gewandelt. Auch hier führt das anscheinende Nichts wenigstens
zur Entwickelung der zu lassen. Das Unbestimmte (dogtarov) wurde zum I n -
zur EntWickelung des Etwas,
f i n i t u m. Und so entstand das unendliche Urteil.
Beziehungen unter den Arten des Seienden; 8. a privativum, dieVorsilben In und Un.
wenngleich Piaton es nicht zu der tiefen Charakteristik des
Die deutsche Wortform des Unendlichen ist selbst ein Aus-
Seins benutzt, zu welcher Demokrit sich entschloß, der nicht,
druck und Ergebnis des Urteils, das sie bezeichnet. Auch das
wie Piaton, mit den Grundlegungen der Mathematik operierte.
7. Übergang von in ov bei Aristoteles. lateinische Infinitum bildet ein Beispiel dafür. Wie im Grie-
fiii

Es ist nicht nötig, auf die Abwege einzugehen, welche die chischen das a privativum, so geht im Lateinischen die Vor-
Sophisten mit dieser merkwürdigen Wortbildung her-
silbe I n und im Deutschen die Vorsilbe Un in dieser
Richtung. jedoch vertauschen sich Un und
Im Deutschen
richten. Ihnen kam es freihch sehr gelegen, da es ihnen, die
Nicht, so daß manchmal nur durch Nicht im Gegensatz zum
nicht für die wissenschaftliche Wahrheit die logischen Probleme
bedachten, —
und gerade hierbei sollte das sonderbare Wort zu Un diese Richtung betreten wird. Im tiefsten Anfang der
Anaximander
Hilfe kommen —
daher als das Musterbeispiel des Widersinns
griechischen Spekulation ist, so bei
bei Pythagoras, der Begriff des Unendlichen
und
erscheinen konnte, in dem das angeblich wissenschaftliche
Aber auch für Aristoteles gebildet worden mit der Richtung auf die Grenze
:
Denken sich tummele.
{ojteigov, ndßag).
scheint an entscheidenden Punkten der methodische Sinn
des markanten Ausdrucks verloren gegangen zu sein, trotzdem
Und auch Demokrit hat nicht nur das Nichtseiende
er Demokrit so viel hervorhebt, und nicht nur benutzt, sondern
so gebildet, um eszum wahrhaft Seienden zu proklamieren;
sondern er hat auch die erste Art des wahrhaft Seienden,
auch in seiner Tendenz gut beurteilt. Den Platonischen
Sophistes freilich hat er überhaupt für das Verständnis der
das Atom, in dieser Urteilsrichtung formuliert. Parmenides

Ideenlehre schlecht benutzt. So ist bei Aristoteles die termino-


hatte den Kosmos, das Sein als Ganzes
gedacht. Wodurch
logische Begriffsbildung entstanden, in welcher die Partikel fitj,
kann nun aber dieses Ganze zur Bestimmung gebracht werden?
in welcher die Negation zum Nebensinn wird, verschwunden,
Parmenides hatte es auch als Einheit gedacht. jedoch Um
diesen Gedanken wirksam und fruchtbar zu machen, mußte
und an ihre Stelle die strikte Negationspartikel oi getreten ist.
die Vielheit hinzugenommen werden. So mußte der
72 Und nicht nur am
Seienden vollzieht sich dieser Gebrauch
der Partikel, sondern schlechterdings an jedem behebigen Gedanke des Ganzen die Richtung auf die Teile einschlagen.
Worte. So entsteht der Nicht-Mensch (ovx äv^gcoTtot). „Der
Und in der Abwehr der Teilung entstand
Nicht-Mensch ist nicht ein Name nicht eine Rede und
*
. .
das Atom.
nicht eine Verneinung. Aber er sei ein unbestimmter
9. Piatons drvadenor und die Unsterblich-
Name, weil er gleicherweise von Jeglichem, was ist, keit. Auch P l a t o n gibt sich an einem Wendepunkte 73

seiner Ideenlehre dem Einfluß dieses Urteils hin. Die Idee


oder was nicht ist, gilt" (de interpr. c. 2). Unbestimmt
88 JDcM Absolute
Oute und schlechte Beispiele
89

ist die Hypothesis. Das mag für die Mathematik un- Seele des Menschen der Ursprung des
bedenklich gelten. Wie aber, wenn es sich um den letzten We Geistes auf. Auch die
1 s e e 1 e hat dazu geholfen, die Richtung
1
Grund der Sittlichkeit handelt? Soll auch da der Ankerwurf gegen das
Sterbhche zu verstärken.
der Grundlegung den Boden sichern ? Die Idee des
10 DasunendlicheUrteil in denWissen-
Guten sollte indessen mehr zu bedeuten haben als alle s c h a f t e n. So zeigt sich in allen
Wissenschaft zu leisten vermag. So soll sie denn „j e n s e i t Gebieten des wissenschaft-
lichen Denkens das Mittel des
des Seins" Wahrheit vertreten; jen- unendlichen Urteils in
An-
(inixeiva xris ovaias)
des Seins, welches letztlich durch die Wissenschaft der
wendung. Von seiner fundamentalen Anwen- 7*
seit
düng in der Mathematik sehen wir
noch ab
Idee gewährleistet wird. In dieser Tendenz auf eine Be- Auch von derjenigen, welche auf Grund der
gründungsweise der Ethik, welche Kant m
als „P r i a t der Physik möglich
Mathematik in
der praktischen Vernunft" bezeichnet hat, ent- wird. In den Geisteswissen-
schaften ferner
aber ist es allenthalben in eminentem
steht bei Piaton die gewaltige Resignation auf das tiefste
Gebrauch, und zwar gerade auch in der R
Mittel, über das er zu verfügen weiß. Er verzichtet auf das e c h t s w i s s e n -
Grundlegen, weil er für die Idee des Guten nach einem tieferen ^^ rf V..^^ welcher am meisten es auf scharfe Bestimmung
der Begriffe ankommt. Es sei hierfür
Grunde verlangt. So wirft er sich dem unendhchen Urteil in nur an den Begriff des
Arme, und bildet den
1 n d e b 1 1 u m
erinnert. An hervorragenden Beispielen
läßt
die Begriff, den man ungenau durch es sich erkennen, daß auch hier
„das Unbedingte" der Umweg des unend-
zu übersetzen pflegt, der aber auch lichen Urteils da beschritten wird, wo
es sich darum handelt,
nur fälschlich als das Urbild des Absoluten gilt. Das durch den unendlichen Inhalt den
avv7to'»stov ist der Versuch der Bildung eines Etwas, welches
Ursprung des-
jenigen Be g r i ff s z u r D e fi n i t i o n zubringen,
durch die Umgehung, die Überwindung, das Übertreffen der das Problem bildet. So wird das sogenannte,
der Hypothesis charakterisiert werden soll. Also aber keineswegs so zu verstehende
auch die Idee des Guten, das Prinzip der Ethik, ist unter Be- Nichts
rationsmittel, um das j e d e s m a 1 i g e Etwas, Ope- zum
nutzung des unendlichen Urteils zur Beleuchtung gekommen. das
m Frage steht, in seinem Ursprung, und dadurch
erst eigentUch
Von minder fundamentalen, doch aber sehr wichtigen zur Erzeugung und zur Bestimmung zu
und bedeutsamen Begriffen sei nur an die Idee der Unsterb- bringen.
lichkeit erinnert. Auch sie ist ein Beispiel des unendlichen ,..^^- ^.^^Miß^rauch und das Mißver-
s t a n d n Indessen muß doch selbst angesichts
1 s.
Urteils. Und wie man auch über die Beweise denken mag, tiger Proben das Bedenken sich
so wich-
die von ihr möghch seien, so ist ihr Wert unbestreitbar für die erhalten, welchen Schutz
das Urteil dieses Umweges gegen
Entwickelung des Prinzips der Seele und da- gänzliche Verirrung besitze;
welche Sicherheit gegen Willkür und Aberwitz;
durch auch für das der Vernunft und des daß nicht an einem falschen Ende der Anfang
welche Gewähr,
Geistes. Die Seele ist ursprünglich beinahe mehr ein Prinzip gesucht werde.
Dieses Bedenken hat das ganze vorige
des Todes als des Lebens. Durch das Schattenbild wird sie Jahrhundert hindurch
das unendliche Urteil in Mißachtung
allmählich zum Prinzip des Lebendigen. Aber sie ist dies gebracht. Freilich hat
sich dieselbe in einer verräterischen
zunächst nur für den lebendigen Leib, dessen Lebens- Weise geäußert, nämhch
in i>paßen, die bei so wichtigen
erscheinungen sie in einer Einheit versammelt. Daß die Seele Fragen nicht bloß schlecht
angebracht sind, sondern auch bei der
endlich auch zum Prinzip des Geistes werden konnte, groben Natur dieser
Scherze kern Zeichen von geistiger
verdankt sie der abwehrenden Richtung auf das SterbUche. Freiheit sein dürften.
Hegel hat m
diesem Tone
angefangen, und L o t z e
Aus dem sterbHchen Tier tauchte so im Menschen, in der Hat den Spott in derselben Tonart
nachgeahmt
90 Warnung Occam*a Kontinuität als Denkgesetz 91

Sie scheinen z. B. nicht bedacht zu haben, daß auch


der Zeit dämmert die umfassendere Bedeutung der Kontinuität
Materialist sagen kann die Seele ist nicht sterblich. Dagegen
: auf: so daß auch für das Denken ihre fundamentale Bedeutung
kann nur derjenige sagen: die Seele ist unsterblich, der die einleuchtend wird.
Seele als ein Prinzip des Geistes aufrecht hält. Und so
steht L e i b n i z der Systematiker der Harmonie, bezeichnet
,

es mit dem Begriffe des Immateriellen überhaupt. sich mit Vorliebe als Auteur
du p-rincipe oder
Denn Nicht-Mensch kann noch etwas Anderes bedeuten als de la loi de la continuite. Und man darf sagen,
die Unterscheidung von Tier oder Engel, die übrigens
auch daß sein logisches Prioritätsrecht
an der Entdeckung der In-
nützhch werden kann; so z. B. die des Menschen vom Über- finitesimalrechnung in diesem Prinzip besteht. In einem
menschen, als von einem Unmenschen. Und was die Spaße Briefe an Arnauld (1690) sagt er: „Chacune de ces sub-
betrifft, so hat ihnen schon O c c a m
vorgebeugt durch sein stances contient dans sa nature legem continuatio-
treffendes Beispiel, das Prantl anführt: „Differentia est inter nis seriei suarum operationu m." Auf die
praedicatum infinitum et inter praedicatum priva- Reihe werden wir später bei der anderen Entwickelung
75 t i V u m. Injustum non potest dici de quolibet, quod non des unendlichen Urteils zurückkommen. Die mathematische
est justum, quia non dicitur de asino, sed tantum de
homi- Rücksicht bleibt hier noch außer Betracht. Für die allgemeine
nibus." Das Quodlibet also ist ausgeschlossen, und voraus- Charakteristik des Denkens achten wir auf den Ausdruck der
gesetzt wird die Beachtung des Begriffsproblems, um
das „Operationen" und auf „das Gesetz der Operationen.** Die
bildet.
es sich handelt, welches das voriiegende Desiderat Kontinuität wollen wir für das Denken, für das Urteil als
Doch diese Kautelen bedürfen offenbar genauerer Fassung, das Gesetz der Operationen auszeichnen. Die Kontinuität
ist, als
die übrigens noch zu positiveren Dingen erforderiich betrachten wir daher nicht als eine Kategorie, welche durch 76

zur Abwehr schlechter Witze. das unendliche Urteil des Ursprungs erzeugt würde; sondern
12. Das Denkgesetz. Der abenteuerliche Weg es muß ihr, der Bedeutung des Urteils des Ursprungs gemäß,
zur Entdeckung des Ursprungs bedarf eines Kompasses. eine sich tiefer und weiter erstreckende Bedeutung zuer-
Ein solcher bietet sich in dem Begriffe der Kontinuität kannt werden. Eine solche behauptet von altersher das Denk-
dar. Die Kontinuität bedeutete im Altertum dem Wort- gesetz gegenüber der Kategorie. Die Kontinuität
laute nach das Zusammenhaltende (»o awex^e, ow^z««»)-
tj
ist ein Denkgesetz.
Diese Synechie bedeutet Zusammenhaltung, allenfalls
Zu-
13. Schutz gegen das Gegebene. Als
sammenhang. Auch dieser Begriff ist schon bei Parme- Gesetz des Denkens wird die Kontinuität zuvörderst un-
nides vorhanden, zur Bestimmung des Einen Seins er- abhängig von der Empfindung, für die es
dacht. Nicht zur Bestimmung der Einheit des Denkens nur Diskretion gibt, oder gar nur die Einheit eines Haufens.
dient er, sondern zur Einheit des Seins. Die Anlage- Das Denken erzeugt Einheit und den Zusammen-
rung der Atome wird dadurch vorbereitet. hang von Einheiten. So ist das Denken, als das
vor-
Im Altertum ist nun die mathematische Kontinuität Denken der Einheit, durch den Zusammenhang
zugsweise auf die Geometrie beschränkt. Aristo- bedingt. Und da das Denken Erzeugung des Ursprungs
teles bezieht sie zwar in tiefen Untersuchungen auch auf ist, so ist der Ursprung durch den Zusammenhang bedingt.
die Z e i t; aber obwohl mit der Zeit die Zahl bei ihm
zu- Kein Schreckbild des Nichts unterbricht diesen Zusammen-
sammenhängt, so bleibt die Anwendung auf die Arithmetik hang der zu erzeugenden Ursprungseinheiten. Nirgend darf
doch aus; sie wird wenigstens nicht, von der Geometrie iso- ein Abgrund gähnen. Das Nichts bildet überall den wahren
bei der Arithmetik durchgeführt. Erst in der
neueren
üert, Übergang; denn es ist die Abwehr des Etwas,
Sonder ung und Einigung im Ursprungsurteü 93
92 Kontinuität und Ursprung.
die prägnante Bedeutung für das Denken der Erkenntnis.
als eines Gegebenen, der Empfindung, sei es
sei es in
Die Kontinuität Denkgesetz der Erkenntnis.
ist das
sonstwie. Diese Abwehr allein führt zum Ursprung hindurch.
15. Die Momente des Denkens im Ur-
Wenn der Begriff überhaupt die Frage: ist?Was sprungsurteil. Beachten wir zuletzt, wie in dem Urteil
und somit die Grundlegung des Seins im des Ursprungs der Gattungscharakter des Urteils
Denken bedeutet, so mag das Urteil, das den Begriff sich bewährt. Es Mehrheit
gibt noch nicht etwa eine
Was ist nicht? von Elementen; sondern das x selbst und allein soll aus seinem
doch erst erzeugt, die Frage sein :

Aber das Nicht muß dem entsprechen.


fxrj So wird der Um- Ursprung erzeugt werden. Dennoch vollzieht sich auch hier
weg als der gerade Weg gerechtfertigt. Und darin bewährt schon eine S o n d e r u n g , nämhch von dem Operations-
sich die tiefe Kraft des Zusammenhangs: daß die begriffe des Nichts. Dieser ist nicht als ein gleichwertiges
Kontinuität durch dieses Nichts hindurchgeht. Sie besagt, Denk Clement anzusehen; er bezeichnet vielmehr nur einen
sie enthält die Leitung: es gibt einen Zusammen- Durchgang, der kraft der Kontinuität gangbar
hang unter den Elementen, wenn sie nur und zulässig ist. Das Sein selbst soll durch das Nichtsein
als zuerzeugende und nicht als gegebene seinen Ursprung empfangen. Das Nichtsein ist nicht etwa
ein Korrelativbegriff zum Sein; sondern das relative Nichts
gedacht und gefordert werden. Die Kon-
tinuität ist sonach das Denkgesetz desjenigen Zusammen- bezeichnet nur das Schwungbrett, mit dem der Sprung kraft
hangs, welcher die Erzeugung der Einheit der Erkenntnis der Kontinuität ausgeführt werden soll. Aber im Abstich
und dadurch der Einheit des Gegenstands
ermög- gegen dieses künsthche, abenteuerliche Gebild vollführt sich
licht und zur ununterbrochenen Durchführung bringt. die S o n d e r u n g. Und so bewährt sich diese zugleich
14. Die Kontinuität und die wissen- als Einigung.
schaftliche Methode. — Kraft der Konti- Denn das relative Nichts fixiert sich gänzlich und ohne
nuität werden alle Elemente des Denkens, Nebensinn auf sein Ichts. In der Erhaltung der beiden
insofern sie als Elemente der Erkennt- Richtungen vollzieht sich und besteht diejenige Vereinigung
nis gelten dürfen, aus dem Ursprung er- oder Einheit, welche das unendhche Urteil als das Urteil
zeugt. Von der Einheit des Denkens aber, als derjenigen des Ursprungs darstellt. Und die Erhaltung selbst
der Erkenntnis, führt der gerade und der unvermeidliche Weg hat in der Kontinuität einen neuen Ausdruck und eine tiefe
zur Einheit des Gegenstands; zum Gegenstand, der nur Prägnanz gewonnen. Wie genau und umfassend zugleich
als Einheit, im Denken, in der Erkenntnis Gegenstand wird. durch die Erhaltung das Urteil charakterisiert wird, das macht
Von der Einheit des Gegenstands
werden wir die Kontinuität deuthch, die daher eben als ein D e n k g e s e t z
77 nun aber sehen, wie alle Methoden der Wissenschaft, durch festgesetzt werden muß. Sie beschreibt und regelt nicht nur
deren Verbindung die Konstituierung des Gegenstands zu- einen, sondern den ersten Grundzug des Denkens, der auf den
stande kommt, in der Kontinuität gegründet sind. Aber Ursprung abzielt. Sie darf daher nicht auf engere und spe-
nicht nur eine jede dieser Methoden muß an und für sich ziellere wissenschaftliche Verfahrungs weisen beschränkt werden.
in der Kontinuität gegründet sein; sondern die Möglich-
keit ihrer Verbindung ist durch die Kontinuität Zweites Urteil: Das Urteil der Identität, n
bedingt. So verbürgt die Kontinuität, als Denkgesetz, zu-
gleich den Zusammenhang aller Methoden 1. Die Identität im Denken und im
und Disziplinen der mathematischen Sein. Die Erzeugung des ersten Elementes war eine ab-
Naturwissenschaft. Das Denkgesetz hat also
94 Dasselbe Unterscheidung von Empfindung und Vorstellung 95

sonderlich künstliche. Sie hat sich zwar unter den Schutz istdagegen die Art, wie Aristoteles den Satz f or-
der Kontinuität flüchten können; aber es erscheint dies muUert. „Es muß alles Wahre selbst mit sich selbst
doch wie ein Zirkelgang; d«nn die Kontinuität stiftet den übereinstimmend sein nach jeder Richtung.** 7»

Zusammenhang mit jenen fragwürdigen Nieten. So scheint (J«r nar x6 dltjOis avro iavxfß IndeSSeU
Sfwloywfutvoy elvcu advxff.)

das Element auf Flugsand gebaut. Und es hat historischen die Übereinstimmung stumpft die Identität ab. Nicht
Zusammenhang, daß die Angriffe der Sophisten auf das Denken nur Übereinstimmung ist zu fordern, bei der nicht abzusehen
und seine ^angebUchen absoluten Werte jene Ungeheuer- ist, wo sie ihre Schranken haben dürfte; sondern schlechter-

lichkeiten des Nichtseienden zur Zielscheibe nahmen. Dennoch dings Identität ist für das Denken zu fordern, als das Denken
aber hat, wie wir sahen, im Atom, wie in anderen Bildungen des Wahren. Auch hier mag sich der Dünkel sophistischer
des Unendhchen, das Nichtsein seinen Siegeslauf durch die Bildung gegen die Anmassung des Denkens sträuben. Und
Wissenschaft der Jahrtausende fortgesetzt. Aber freihch die sensualistische Spielart der Sophistik mag den Gedanken
sind die antiken Klassiker nicht bei diesem Kunstgriff stehen unvermeidlicher Unfruchtbarkeit bezichtigen. Es muß den-
geblieben; sondern sie haben das Denken durch andere noch mit rückhaltloser BychstäbUchkeit die Identität dessen
Kautelen gesichert, und auch durch andere Hebel bewegungs- behauptet und gefordert werden, dessen Sein im Denken be-
fähig gemacht. Wiederum haben wir hier auf P a r m e - gründet ist. Wir dürfen hier eines Buchstabens uns bedienen,
n i d e s zurückzugehen. Wie er das Denken mit dem Sein der als Symbol der Bestimmtheit, nicht nur der Bestimmbarkeit
in Identität versetzt, so hat er dadurch vorzugsweise das dient. A ist A.
Denken durch die Identität charakterisiert. Es könnte nicht 4. Die Vorstellung und die Einheit.
auf das Sein durch Identität bezogen sein, wenn ihm diese Wie die Kontinuität das Urteil von der
nicht an sich selbst beiwohnte. Die Selbigkeit des Empfindung scheidet, so scheidet die
Seins ist ein Reflex der Identität des Denkens. Identität das Urteil von der Vorstellung.
Diese erst vermag ihre Identität auf das Sein zu erstrecken. Die Veränderungen, denen die Vorstellung unterliegen mag,
2. „Dasselbe" und die Idee. Einen ent- tangieren das Urteil nicht. Die Werte, die dem Urteil ent-
scheidenden Schritt tut auch in dieser Frage P 1 a t o n. Die springen, sind unveränderlich; sie werden von dem Wechsel
Idee ist ein Doppelwert. Sie bezeichnet und stempelt das der Vorstellung nicht betroffen und nicht berührt. Man
wahrhafte Sein. Aber der Prägestock hegt im Denken, im sagt, diese Identität bedeute 'nichts als Tautologie. Das
reinen Denken. Die Hypothesis bildet die Verbindung: Wort, durch welches der Vorwurf bezeichnet wird, verrät
die Grundlegung wird Grundlage. Die Idee die Unterschlagung des Prinzips. Freilich bedeutet die Iden-
fordert daher vor allem die E r h a 1 1 u n g als den Bestand
, tität Tautologie: nämlich dadurch, daß durch Dasselbe
der Unveränderhchkeit. Ohne Sicherung der Unveränder- (rovio) das Denken zum Logos wird. Und so erklärt es sich,
lichkeit des reinen Denkens gäbe es keine Bürgschaft für das daß vorzugsweise, ja ausschließlich die Iden-
wahrhafte Sein. Parmenides proklamierte „Dasselbe** {xavtö). tität als Denkgesetz stabiliert wurde. Sie
Piaton kann sich nicht genug tun in Häufung der Ausdrücke macht das Urteil zum Urteil. Sie unterscheidet seine Art
für die Identität der Idee und der Substanz. Sie ist „immer und seinen Wert von dem Geschlecht und dem Schicksal
in bezug auf dasselbe in gleicher Weise sich verhaltend**. der Vorstellung.
{del xara xavxa utaadxwg txov). Daher gesellt sich zur Identität in der Plato-
3. Die „Übereinstimmung** bei Aristo nischen Idee die Einheit. Die Idee kann nur
tele« und die Vorstellung. Nicht belanglos Eine sein, auf welches Problem immer sie sich beziehe. Diese
96 Bejahung als Versicherung
Sicherung des A 97
Beziehung auf das Problem bezeichnet die Partikel xtg,

die zu der Einheit {^ia «?) hinzutritt. Wie oft sie gedacht Dem Griechen liegt überhaupt in Wissenschaft
werden mag, das geht den Bewußtseinsvorgang an, in welchem und PoHtik der Platonische Zug der Dialektik im Blute.
dieses Denken sich ereignen muß: ihr Wert, ihr Inhalt wird Dem Römer dagegen verwandelte sich diese Dialektik
davon nicht berührt. A ist A, und bleibt A, so oft es auch ge- in die Digesten des Rechts. So mag die Sicherung zur inneren
dacht wird. So oft es gedacht wird, so oft wird es Sprachform der Bejahung bei ihnen geworden sein. In der
m vielmehr vorgestellt; gedacht wird es nur als biblischen Sprache hat das Ja, Ja den sittüchen Wert
die eine Identität. Seine Wiederholungen sind psychische der Behauptung und Beteuerung. Und so ist auch von dieser
Vorgänge; sein logischer Inhalt verharrt in Identität. Es Seite der Bejahung das Interesse der Sicherung zugewiesen
kann ihm nichts abgezogen und nichts zugefügt werden. worden. Und so hängen Bejahung und Identität in demselben
Er kann nicht verstärkt und nicht abgeschwächt werden. Interesse zusammen. Es gilt die Sicherheit des Denkens, die
Die Blässe des Gedankens kränkelt ihn nicht an; denn diese Sicherheit des Urteils. Das Urteil der Bejahung hat nichts «1
ist vielmehr die Farbe der Vorstellung und der Erinnerung. Sicherung des A.
anderes zu besorgen als die
5. Die Bejahung als Affirmatio. Das 6. Die Fragen und Bedürfnisse gegen-
Urteil der Identität ist das althergebrachte Urteil der Be- über dem Einen Identischen. Das ist keine
jahung. Es könnte scheinen, als würde die Unfrucht- geringe Leistung, keine geringe Aufgabe. Das Denkgesetz
barkeit der Identität noch durch die triviale Unwirksamkeit der Identität besagt A ist A. Aber was bedeutet diese Formel ?
:

der Bejahung übertroffen. Freihch, wenn man die Bejahung Welcher Ausdrücke bedient sie sich? Die Identität bedeutet
für J a sagen hält, in dem Nebensinn der eigenen Unselbst- Unveränderlichkeit. A ist immer und ewig dasselbe Eine A.
ständigkeit und Untätigkeit. Bejahung bedeutet dahingegen« Wie kann aber, wie könnte das wissenschafthche Denken
Versicherung (Affirmatio). Das ist kein Epitheton der Mehrheit von A entbehren wollen? Wird es nicht
ornans; es ist nicht weniger als die Hauptsache des Urteils. vielmehr, um die Mehrheit von Bewußtseinsvorgängen des
Der Wert und das Schicksal des Urteils steht bei dieser Ver- Denkens zu beglaubigen, die Mehrheit, und also auch die
sicherung in Frage. Mehrheit von A zu erzeugen haben? In der Formel des Satzes
Wann mag der Terminus der Affirmatio entstanden selbst durfte es nicht vermieden werden, das doppelt auf- A
sein? Bei Aristoteles wird die Bejahung durch die lokale treten zu lassen. Und doch soll es das Eine identische A
Partikel xata als Aussage qualifiziert. An die Befestigung bleiben.
wird in der griechischen Terminologie nicht gedacht. Viel- Aber das eben ist es, was das Urteil zu leisten hat daß :

leicht ist diese Tendenz des Terminus aus dem juristischen es gegenüber jener anderweit notwendigen Mehrheit nicats-
Sprachgebrauche zu erklären, in welchem die ökonomisch- destoweniger die Identität befestigt. Der Sinnenschein ist
rechtliche Sicherung herzustellen und zuverlässig zu machen dawider. Die Erfahrung des Bewußtseins sträubt sich dagegen.
war. So ist affirmare jurejurando entstanden. Um so energischer, um so zielbewußter muß das Urteil diese
Dabei mußte die Aussage vor Gericht bekräftigt werden. Voraussetzung des reinen Denkens in Schutz nehmen. Die
Der Prätor fragte, und der Kontrahent mußte J a sagen, Bejahung sichert durch die Identität nicht nur dem A seinen
und dadurch bekräftigen. So würde auch hier die Frage Wert, sondern schlechterdings dem Urteil selbst. Ohne die
den Ausgang des Urteils bilden. j o
Vielleicht der
ist A Identität zu sichern, ist das Urteil nicht Urteil. So bedeutet
ursprüngliche Terminus der Bejahung, wie das griechische Affirmation des Urteils.
die Identität die
J a {vai) die Antwort auf die Frage bedeutet. Nicht Satz; nicht Verbindung (von
7.
Subjekt und Prädikat). Diese EigentümUchkeit
Oohtn, Logik der reinen Erkenntnis. II. Aufl. T
98 Verbindung das allgemeine Problem Vereinigung das logische Problem 99

der Leistung des Urteils der Bejahung wird verwischt, indem Aufgabe einer einzelnen Art des Urteils werden, schon deshalb
man die Bejahung als Verbindung auffaßt. Aber dieser nicht, weil allen Arten des Urteils ohne Ausnahme alsdann
Irrtum wird durch andere ebenso fundamentale Irrtümer diese Aufgabe obliegt. Entsteht ihnen aber damit nicht die
unterstützt. Verwirrend ist vor allem die Annahme, daß Gefahr, daß sie alle nur dasselbe zu leisten hätten? Wir
Subjekt und Prädikat die Elemente des Urteils haben dieselbe Erwägung schon oben an den Begriffen der
seien. Dieser Irrtum beruht auf der Verwechselung des Urteils Vereinigung, der Sonderung, der Erhaltung
mit dem grammatischen Satze. Seine natürUche Folge ist die angestellt:Das Urteil des Ursprungs bildet keine Instanz
Ansicht, das Urteil bestehe in der Verbindung von S und P. dagegen; denn wenn zwar jede Urteilsart nach dem Prinzip des
Aber auch die Verwechselung des Urteils mit der Vor-
m stellung begünstigt diesen Irrtum. Ist doch die Vor-
stellung selbst das Grundelement der Psychologie, auf
Ursprungs verfahren muß, so heißt dies nur, daß sie desselben
sich bedienen und es zu neuer Anwendung bringen muß.
Von hier aus läßt sich daher das Vorurteil der Verbindung
welches das gesammte Spiel der Bewußtseinsvorgänge über- entwurzeln. Verbindung ist nur ein Ausdruck, nur
tragen wird. Und Verbindung wiederum in verschiedenen ein Name für das Problem, nicht aber für
Wendungen und Graden ist es, was das Spiel der psycho- seine Lösung. Und wenn man noch so viele und noch
logischen Vorgänge ausmacht. So wenig aber die Logik mit so geschickte Namen für das Problem einsetzte, geschweige,
82 der Grammatik, noch auch mit der Psychologie zusammen- wenn sie für die Lösung gelten sollten, man bhebe doch immer
fallen darf, so wenig darf die Bejahung in Verbindung auf- in der Psychologie hängen. Die Logik ersetzt alle diese Namen
gehen. Es würde nichts Geringeres dadurch geschehen, als durch die Arten des Urteils. Die Arten, alle Arten
daß mit der Affirmation zugleich die Identität inAssozia- haben dasjenige Problem der Verbindung
t i o n niveUiert würde. Und so wäre mit der Identität der zu lösen, welches, im Unterschiede von
Wert des Begriffs vernichtet, in eine Assoziations- der Psychologie, der Logik eigentümlich
Vorstellung vereitelt. is Das Wort Vereinigung soll von vornherein diesen
t.

Die Widerlegung dieses tief gewurzelten Irrtums läßt Unterschied von der Verbindung bezeichnen.
sich mit einem Schlage bewirken. Ist denn nicht, was man Die Logik wäre in der Tat durchaus überflüssig, wenn
unter Verbindung denkt und meint, überhaupt und allgemein die Bejahung allein und an sich die Verbindung zu bedeuten
die Aufgabe des Urteils? Wir haben zwar von der Synthesis, vermöchte. Wir erinnern uns aber, daß es u. a. eine Kausahtät
die doch auch nur ein genauerer Terminus für die Verbindung geben soll, und daß Streit um sie ist. Ist die Kausahtät etwa 83

sein will. Abstand genommen bei der Definition des Urteils nicht Verbindung? Und
stehen ihr nicht vorzugsweise die
nach seinem Gattungscharakter. Aber das Problem der Befugnisse der Verbindung zu? Es ist nicht von ungefähr,
Verbindung haben wir nicht vermeiden können. Wir wollten daß diejenigen, welche die Kausahtät in Assoziation auf-
nur die Elemente selbst erst aus ihrem Ursprung zur reinen heben, dadurch und daraufhin den Wert des wissenschaft-
Erzeugung bringen, um in der Erkenntnis den Gegenstand lichen Denkens, den Wert der reinen Erkenntnis annuUieren.
zu konstituieren. Gegenstand aber, wie Erkenntnis, sind So belehrt die Geschichte der Skepsis darüber, daß die Ver-
und bleiben Probleme der Verbindung. Und so ist das leugnung des Sonderrechts der Verbindung bei der a u s a - K
Problem der Verbindung latent auch in der 1 i t ä t unausweichhch zur Verleugnung des Denkens gemäß
allgemeinen Definition des Urteils. Wenn sonach die Ver- einer Logik führt.
bindung die allgemeine Aufgabe des Urteils seinem Gattungs- Man sieht also, Verbindung ist freihch das durchgreifende
charakter nach bezeichnet, so kann sie nicht zur besonderen Problem, und dürfte es allenthalben sein; wir werden es sehen.
Oleichheü ein nuUhemaiischer Begriff 101
100 Isolierung und Feaihaltung

weisen herausstellen. Bei Aristoteles ist übrigens in seiner


Aber weil es dieses ist, darum gerade muß genaue und
strenge Vermischung der Logik mit der Grammatik hinlänglicher
Vorsorge getroffen werden, daß die Verbindung überall eine Anlaß gegeben zur Nivelherung des affirmativen Urteils.
richtige und rechtschaffene werden kann. Freilich handelt Nicht in der Richtung „zu einem andern Dinge hin** fassen
es sich in der Wissenschaft um die Verbindung von A und B. wir hingegen die Bejahung; sondern als Festhaltung bei
Und diese Verbindung soll wahrlich nicht hintertrieben und dem A und an dem A bedürfen wir ihrer.
nicht umgangen, nicht ignoriert werden. Aber sie soll möglich Eine interessante Nuance in dieser Auffassung der Be-
gemacht; ihre Ermöghchung soll vorbereitet werden. Und jahung, wie sie sich erhalten hat, bildet die
seit Aristoteles
der «rste Schritt zu dieser Vorbereitung ist die Sicherung Charakteristik des Neu-Platonikers Apulejus, der
des A. die bejahenden Urteile als dedikative bezeichnet und
Von der andern Frage: wo kommt denn dies folgendermaßen begründet: „Quae dedicant ahquid de
auf einmal ein B her, einB, welches eben nicht A quopiam, ut virtus bonum est, dedicat enim virtuti inesse
ist? sehen wir hier noch ganz ab. Diese
Frage bonitatem**. Die Verleihung ist zwar auch eine Verbindung;
betrifft einen andern Schritt. Hier handelt es sich nur um aber das Recht der Verleihung wird doch als Inesse in das A
die Sicherung des A selbst, dergestalt, daß, so oft es immer verlegt. So zeigt sich wenigstens ein Schimmer der Einsicht,
auftauchen mag, so oft es genommen, also auch mit dem daß es nicht auf Verbindung überhaupt bei der Bejahung
ersten A, wenn man verbunden wird, es stets und
so will, abgesehen sei. Die beste Dedikation aber ist die eigene Sicher-
immer doch dasselbe A Also nicht um die Verbindung
bleibe. stellung. Nicht um Vermehrung handelt es sich, auch nicht
handelt es sich hier; sondern vielmehr um die I s o 1 i e r u n g. durch die gegründetsten Verleihungen; sondern vielmehr um
Und die Affirmation bedeutet sonach nicht nur das Fest- Schutz und Wahrung der Identität.
machen, sondern zugleich das Festhalten. Nicht ver- 9. Identität ist nicht Gleichheit. Unter
flüchtigen darf sich das A, wenngleich und gerade deshalb, den Arten der Verbindung ist eine die Vergleichung.
weil mit anderen Elementen Vereinbarungen herbeizuführen Sie kommt der Identität am nächsten, und ist ihr daher
und möghch zu machen sein werden. auch am gefährlichsten geworden. Wie die Bejahung, als
8. Die Terminologie und ihre Ge- Verbindung, um ihre Eigentümlichkeit, sowohl als Problem,
schichte. Schon bei Aristoteles ist Verbindung wie als Lösung gebracht wird, so auch wird die Identität
der Gesichtspunkt für die Bejahung. Trendelenburg vernichtet, wenn sie zur Gleichheit nivelliert wird.
übersetzt xaray««?- ^3ejahung ist Aussage eines Dinges
zu Beide Irrtümer hängen zusammen. Man könnte meinen, der
einem andern hin**. Muß dieser Sinn der Annäherung zu Fehler in der Ansicht von der Verbindung werde vertuscht
einem andern Dinge hin in xaxa liegen? Er dürfte allerdings durch den neuen Fehler von der Gleichheit. Als ob es nichts
mit der Ansicht des Aristoteles einigermaßen zusammen- Fremdes wäre, was zur Verbindung kommen soll, sondern
hängen, die die Bejahung der Einheit in zweiter Linie wenigstens Indessen Gleichheit ist ein mathe-
ein Gleiches.
als Verbindung zuläßt. Und es ist in hohem Grade
{<riv^emz) matischer Begriff. Dieser wissenschaftliche Tat-
charakteristisch, daß Aristoteles als Form der Bejahung bestand allein Sollte die Frage entscheiden. Die Logik hat
aufstellt: S ist P. Und ferner, daß er demzufolge diejenige die Grundbegriffe der Mathematik als reine Erkenntnisse 8&

Art des Urteils, welche den Ort für dieses Schema


von S zu begründen; sie darf daher nicht emen solchen, mit allen
und P bildet, wie wir später sehen werden,
nicht zur seinen Schwierigkeiten belastet, ihrerseits aufnehmen, und
Auszeichnung gebracht hat. Jenes fragliche Urteil wird
sich zur eigenen Grundlage machen.
Grundlage für die eigentlichen Verbindungs-
aber als wichtige
102 Nicht: A = A KonUnuitcU und Identität 103

P 1 a t n macht zwar die Gleichheit zu einer Idee. Aber Man sieht, die Gleichheit wirdhier
voraus^).**
er setzt diese Idee den Hölzern und den Steinen entgegen, zu einer Art unter der Gattung der Ver-
bei deren Wahrnehmung die Idee aufsteige. Den Dingen schiedenheit. Die Identität aber entspringt aus einer
Vergleichung, die keine ist, nämUch aus der Vergleichung
der Wahrnehmung gegenüber mag die Gleichheit als eine
Idee bezeichnet werden. Aber die mathematische Gleichheit eines Dinges lediglich mit sich selbst.
hat es nicht allein mit Hölzern und Steinen zu tun, und auch Darauf kommt es an, daß die Rücksicht auf das Element
nicht allein mit Symbolen, welche unvermittelt auf solche selbst ausschließhch wird. Kein anderes, geschweige ein
Dinge sich beziehen. Bei Dingen solcher Art darf es sich um verschiedenes Element darf in Frage, darf in Sicht sein. Das
Vergleichungen handeln. Und wo Vergleichung auf dem aus dem Ursprung erzeugte Element allein ist vorhanden.
Spiele steht, da ist Gleichheit der zulängliche Maßstab. Wir Und dieses Element allein gilt es zu sichern. Diese Sicherung
werden aber sehen, daß es sich in der Mathematik keineswegs ist Gebot der Vorsicht, gerade weil andere und verschiedene
allein und durchaus nicht fundamental um Vergleichungen Elemente hinzukommen, hinzuerzeugt werden müssen; und
handelt. Und wir wissen bereits, daß es sich beim Urteil weil allerdings Verbindungen beglaubigt werden müssen
um Erzeugung handelt. Der Vergleichung würde der Ur- zwischen dem A und jenem B. Wir werden sehen, daß zum
sprung allerwege sich entziehen. Und dasjenige Element, Behufe dieser Verbindungen der Fall eintreten wird, wo auf
welches in seinem Ursprung entdeckt ist, hat einen andern die Gleichheit Verzicht zu leisten sein wird: um so dring-
Halt, als daß es sich und diesen der Vergleichung preis- licher und unveräußerhcher wird das Recht der Identität
geben könnte. werden.
Auch hier wird der Zusammenhang zwischen der Kon-
10. Das Verhältnis zur Kontinuität. So
sehen wir aus demGesichtspunkte der Mathematik, der
tinuität und der Identität verdunkelt. Und deswegen auch
später deutlicher einleuchten wird, den Zusammenhang hervor-
wird das Grundrecht der Identität in die Willkür der Ver- Die
treten zwischen der Identität und der Kontinuität.
gleichungen aufgehoben. Die Formel, die für den Satz der
Identität in Gebrauch gekommen ist: A = (gleich) A, sie
Kontinuität verbürgt den Zusammenhang
verrät die falsche Ansicht von der Identität. Man hat kein
des Elements mit seinem Ursprung. Die
Recht, die Identität als ein D
e n k g e s e t z zu prokla-
Identität dagegen den Zusammenhalt des
mieren, wenn man sie als Gleichheit formuliert. Sie könnte
Elementes in sich selbst; trotz der Verschieden-
Mehrheit seiner Erscheinungen in Vorstellungen
heit, trotz der
alsdann höchstens ein Gesetz der Mathematik bedeuten;
des Bewußtseins. Daher ist die Identität auch nicht als eine
aber freilich keineswegs ein Grundgesetz derselben. e D
Art des Verhältnisses zu denken, wie sie als solche bei
Bolzano zwar auch die Identität mit der
bringt Morgan erscheint. Grundlage und Voraussetzung
Sie ist
Vergleichung in Zusammenhang; aber er hebt durch seine zu jedem Verhältnis, insbesondere aber auch zu solchen Ver-
Bestimmung vielmehr den Zusammenhang auf. „Ich verstehe hältnissen, welche die Mathematik zu stiften vermag. Indessen
also unter Einerleiheit (Identitas) einen Begriff, der aus der diese mathematischen Verhältnisse haben die Kontinuität
Vergleichung eines Dinges (lediglich) mit sich selbst ent- zur Voraussetzung. Und so hängt die Voraussetzung der
springt. Der Einerleiheit setz ich kontradiktorisch entgegen Identität mit der Voraussetzung der Kontinuität zusammen.
die Verschiedenheit. Die Verschiedenheil teile ich abermals
86 in die zwei kontradiktorischen Spezies: Gleichheit und Un- 1) Betrachtungen über einige Gegenstände der Elementargeometrie
gleichheit. Sonach setzt Gleichheit die Verschiedenheit (1804), S. 44.

m
r

m
104 Nichts und Nicht Verneinung nicht in zwei Urteilen bestehepd 105

Wäre demnach das Element nicht aus Das Bedenken kann noch eine andere Gestalt annehmen.
seinem Ursprung erzeugbar, nicht inKon- Zur Entdeckung des Ursprungs bedurften wir des Nichts,
87 tinuität begründet, dann wäre allerdings wenigstens als eines Mittels. Es war kein absolutes Nichts,
kein Unterschied zwischen Identität und sondern nur ein relatives, auf einen bestimmten Entdeckungs-
Gleichheit. Dann könnte auch immerhin die Bejahung weg gerichtetes. Es war ein Ursprungs-Etwas. Es
nichts Tieferesund Eigentümlicheres als die Verbindung zu war vielmehr die Umgehung des Nichts, die sich in diesem 8ft

bedeuten haben. Dann würde es sich nämlich in der mathe- ursprünglichen Korrelativ zum Etwas vollzog. Wir wissen
matischen Naturwissenschaft schlechterdings und letzthch es. wie fruchtbar dieser Kunstgriff ist; und wir werden die

nur um Dinge der Empfindung handeln; nicht Tiefen seiner Fruchtbarkeit für die mathematische Natur-
aber um Gegenstände, die in der Einheit der Erkenntnis wissenschaft noch erst kennen zu lernen haben. Dennoch
erzeugbar würden. Und so erkennen wir in der Bedeutung aber und trotz alledem belastet dieser Ursprung das Urteil
der Bejahung, als Identität, den ganzen innernZusammen- und seine Inhalte mit dem Verdachte des Hervorganges aus
hang des Problems der reinen Erkenntnis. dem Nichtigen und Unseienden.
Den Inhalt des Urteils, der durch die Kontinuität im Urteil Das Urteil der Identität hat diesen Verdacht bereits
des Ursprungs erzeugt wird, ihn gilt es durch die Affirmation abgeschwächt und erschüttert; die Bejahung ist die Sicherung
zu sichern. Diese Sicherung leistet die Identität. Denn keine der Erhaltung des aus dem Ursprung erzeugten Urteils. Aber
Vergleichung kann diese Sicherung gewähren. Und für die man weiß, in welchem Gerüche der Armseligkeit und Un-
Verbindung gerade ist die Sicherung das geforderte Ventil. fruchtbarkeit seines Inhalts das Denkgesetz der Identität
So wenig kann die Bejahung Verbindung sein, als die Gleichheit so oft in den verschiedenen Jahrhunderten gestanden hat.
Identität ist. Es ist keine entbehrhche, es ist eine sehr nottuende Ergänzung,
wenn eine andere Art des Urteils dem der Bejahung zur Seite
Drittes Urteil: Das Urteil des Widerspruchs. tritt, und jenen Vorwurf gegen den legitimen Wert des Urteils
1. Nicht und Nichts. Das Urteil hat seinen Dem scheinbaren Nichts muß das
beseitigt.
sachlichen Ursprung in dem Urteil des Ursprungs. Der Ur- echte Nicht entgegentreten. Dann wird das
sprung aber bedurfte des Mittelbegriffs des Nichts. Es könnte Bedenken in seiner formaUstischen Äußerhchkeit erkannt,
scheinen, als ob dadurch das Urteil der Verneinung — und endlich erledigt werden.
das wir als das Urteil des Widerspruchs würdigen wollen — 2. Nicht Urteil über ein Urteil. Der
vorweggenommen wäre. Dieses Bedenken erledigt sich von Unterschied von Nicht und Nichts ist schon in der sprach-
beiden Seiten aus. ErstUch ist das Nichts nicht mit lichen Form orientierend. Das Nichts hat die Bildung des
Nicht zu verwechseln. Es ist eben nur ein ver- Substantivs; denn obwohl es ein Unding ist, ist es doch ein
mittelnder Begriff, ein Zwischengedanke; keineswegs ein Operationsbegriff. Das Nicht dagegen bezieht sich nur auf
selbständiger, abgeschlossener Inhalt. Es ist nur die sprach- die Tätigkeit des Urteils selbst. Nur ungenauerweise, durch
liche Form, welche durch die gleiche oder ähnliche Wortform Verwechselung von und ov wird es auch mit einem Sub-
/iri

Wm den Irrtum nahelegt. Der Fall bildet daher auch ein lehr- stantiv verbunden. Von dem Ursprungs-Nichts wissen wir,
reiches Beispiel der Kollision zwischen der Sprache und der wie es mit dem Seienden und den fundamentalsten Arten
Logik. Die eigentliche Widerlegung des Bedenkens aber desselben in Verbindung zu treten hat; und, wie schon gesagt,
kann erst jetzt erfolgen, in der Darlegung des Inhalts und werden wir es noch gründlicher, einleuchtender erst kennen
Wertes der vorhegenden Urteilsart. lernen. Das Nicht dagegen geht und ficht die Tätigkeit des
106 Widerspruch Vernichtung Sinn der Verneinung 107

Urteils selbst an. Nicht, daß dadurch das Urteil überhaupt dieser Annullierung, besser Annihilierung, entsteht das echte
um seinen Wert und seine Selbständigkeit gebracht würde. wahre Nichts des Nicht. Wie das Urteil durch Identität
Das ist ein schwerer Irrtum. Die Verneinung ist nicht, bestätigt wird, so wird es durch das Versagen der Identität
wie man gemeint hat, ein Urteil über ein Urteil, aufgehoben und in seinem Inhalt vernichtet. Zwischen und A
sondern vielmehr, wenn man so wollen möchte, ein Urteil einem nicht identischen A gibt es für das Denken keine Aus-
vor dem Urteil. söhnung. Es muß zum Nichts, vielmehr zum Nicht vernichtet
3. Der Satz des Widerspruchs. Aber auch werden, so daß ein Urteil an seinem Inhalt nur in dieser
diese Richtigstellung irreführen. Die Verneinung besteht
kann Richtung vollziehbar wird. Es ist die Lebensfrage des Urteils,
nicht aus zwei Urteilen. Sie hat ihren genügsamen daß es diese Instanz in sich aufzurichten vermag, die Ver-
Wert in dem einen Urteil, welches den Widerspruch erkennt nichtungs-Instanz.
89 und erhebt. Die Meinung, daß dadurch ein Urteil nicht zu- Das Nicht, welches diese Instanz ausspricht, ist also
stande käme, beruht auf dem unlogischen Vorurteil, welches von ganz anderer Art als jenes Nichts, das der Quell des
das Urteil lediglich in dem Zwiegespann vonSundP Etwas ist. Es ist die Tätigkeit des Urteils; es ist das Urteil
betrachtet, und daher ein Urteil nicht glaubt annehmen zu selbst, welches einem Inhalt, der sich anmaßt, Inhalt des
dürfen, wenn eine Trennung vorgenommen werden muß. Urteils zu werden, dieses Recht und diesen Wert abspricht.
Dahingegen sind uns S und P noch gar nicht vorgestellt. Das angebliche n o n - A ist keineswegs schon ein Inhalt,
Und so darf auch bei der Verneinung ihre Scheidung nicht sondern es beansprucht nur, ein solcher zu sein. Die Ver- 90

in Betracht kommen. neinung aber abdiziert ihm diesen Wert. Es gibt kein
Nur um das A selbst handelt es sich: n o n- A ,und es darf kein non-A geben, welches, im Unter-
ob es gemäß der Identität A verblieben, oder aber ob ihm, schiede von dem Nichts des Ursprungs, einen geschlossenen
Fälschungen seines Inhalts gegenüber, durch andere Schutz- Inhalt hätte. Alle Bedenken, daß das non-A doch aber Be-
mittel, als welche in dem Denkgesetze der Identität gelegen deutungen annehmen könnte, die geeignet wären, seinen
sind, der Wert seines Inhalts gewahitt werden müsse. Es Inhalt zu rechtfertigen, müssen einstweilen, müssen grund-
ist nicht von ungefähr, daß dem positiven Satze der Identität sätzHch schweigen. Denn die Identität wird dabei in Frage
die negative Formulierung von Anfang an zur Seite getreten gestellt. Und keine Rücksicht und keine Vorsicht darf laut
und immerdar an der Seite geblieben ist. Es ist keineswegs werden, bevor diese sicher und schlechterdings außer Frage
Genauigkeit der Formulierung allein, was den Satz des gestellt ist.
Widerspruchs zu einem Denkgesetze gemacht Sicherung der Identität gegen die Ge-
hat. Es ist vielmehr die selbständige, unentbehrliche fahr des non-A, das ist der Sinn der Ver-
Leistung, die der Verneinung, als Wider- neinung. Der Widerspruch hat das Recht der Versagung.
spruch, obliegt, auf welcher die Würde dieses Denk- der Abdikation. Es ist psychologische Verirrung, dem Urteile
gesetzes beruht. der Verneinung die Selbständigkeit ab-
4. Die Vernichtungs-Instanz. Wir haben zusprechen, als ob das Nein hinterher und gleichsam
die Bejahung Dedicatio kennen gelernt: bedeutsamer ist
als post festum käme. Es ist aber nicht nur psychologische Ver-
das Wort der A b d i c a t i o. Und wir gehen wohl nicht irrung, sondern zugleich auch logische Verödung, welche
irre in der Vermutung, daß die letztere zur ersteren geführt das wissenschaftliche Denken aller Art den schwersten Ge-
haben möchte. Das wichtigste Recht des Urteils ist das der fahren aussetzt, und zwar nicht allein feinen, sondern geradezu
Abdankung des falschen Urteils und seiner Vernichtung. In den gröbsten, die alles Denken kopfüber stürzen und ver-
i;i' /

108 Wideraprtich als Tätigkeit


Beraubung 109

eilein. Die Identität bliebe, wofür sie freilich vielfach auch


genommen wird, nur die Anerkennung der nackten Tatsache,
bindung gedacht wurde, so wird auch die Verneinung,

daß bisweilen wenigstens trotz drohender Veränderungen A


Trennung und Unter-
ebenfalls weil als Vorstellung, als

sich zu behaupten vermöge. Sie wäre aber nicht die grund-


scheidung gedacht. Aber auch hier wird der Gat-
sätzliche F'orderung, daß A, als Erzeugnis des Urteils, in
tungscharakter des Urteils mit einer Art des
Urteils verwechselt. Wie Verbindung, so ließe sich auch
Identität verharre, wenn nicht durch den Widerspruch die
Wie dringlich Unterscheidung allgemeiner Ausdruck des logischen
als
Kompetenz der Identität verstärkt würde.
auch die Rücksichten auf Veränderungen an
Problems denken. Denn die Sonderung ist ein inte-
grierender Bestandteil der Vereinigung. Und vielleicht kann
den Dingen sich geltend machen mögen, so dürfen sie doch
kein Einspruchsrecht von der Art haben, daß dadurch diese
man gerade die geforderte Durchdringung von Sonderung
und Einigung recht prägnant bei der Verneinung erkennen.
Gerechtsame, diese Grundinstanz des Urteils erschüttert
Ist doch das Element, um das es sich handelt, noch nicht
oder fraglich würde. Jene anderen Rücksichten mögen später am deutlichsten.
erzeugt. In der Abwehr wird die Sonderung
sich melden; dann sollen sie zu Worte kommen. Hier dagegen
Und doch ist es Einigung; denn das fragliche Element wird
gilt es, das unveräußerliche Recht des Urteils zum Widerspruch
uneingeschränkt einzusetzen und anzuerkennen.
A gehalten. Und kraft der Gegen haltung
gegen das
Der verbale Sinn des Widerspruchs. vollzieht sich die Verwerfung. Weil aber
5.
das Urteil, als Sonderung, schon Unterscheidung ist, so muß
Gewöhnlich denkt man den Widerspruch so, als ob er
das Urteil der Verneinung etwas anderes bedeuten.
einem Inhalte des Urteils anhaftete, in dem- 7. Die Privatio bei Aristoteles. Der
selben gelegen wäre, so daß wegen dieses Wurms der Inhalt
Gründe zu dieser Verwechselung lassen sich viele anführen.
krankte und absterben müßte. Der Widerspruch ist aber
Die psychologische Ansicht verwirrt schon die Theorie des
91 keineswegs ein solches Moment im Denki nhal t; sondern der neben Negation
Aristoteles, so daß er
er ist vielmehr als die T ä t i g k c i t des Urteils zu verstehen.
Das griechische Wort für Widerspruch («vt/^««;) hat
eine Beraubung {tnigrjffiq) Diese Koordination
aufstellt.
entspricht seiner Korrelation der dvvantq neben der fVTsXix^ia
durchaus verbale Sprachform; es drückt die Tätigkeit selbst
Psychologisch, wie Aristoteles denkt, entspricht diese Stufe
aus, nicht den Inhalt des Urteilsspruchs. So ist der Wider- In dem A
zunächst einem Zustand des V e r m
i s s e n s.
spruch nicht nur der Grund der Verneinung (dncipMiq); Daraus entsteht der Gedanke 9i
wird ein Element vermißt.
sondern diese bezeichnet das notwendige Recht, den Wider- Wie kann sich aber dieser Gedanke des
eines Mangels.
spruch geltend zu machen. Auch die Contradictio Diese Ver-
Mangels in den der Beraubung verwandeln?
hat diesen verbalen Charakter. Und das Opponerc ist Wenn in dem
wandlung bewirkt der Satz der Identität.
juristischen Ursprungs. Es erhält lebendigere Farbe durch
identischenA ein Element fehlt, so ist dieses Fehlen, dieser
das R e p u g n a r e. Und die R e p u g n a t i o ist daher Mangel als Beraubung des A zu bezeichnen. Immerhin also
besser als die Repugnantia. Dagegen verblaßt die
der Privation die Sickerheit der Identität ein.
stellt sich in
R e f u t a t i der Rhetorik. So tritt die Opposition, Aber ist damit nur ein Tatbestand
es
als Repugnation, der Affirmation zur Seite, um die Identität
bezüglich des A ausgesprochen. Dabei aber
zu schützen. Die Identität ist das Gut, ist der Wert. Der darf es sein Bewenden nicht haben; denn es handelt sich
Widerspruch ist der Schutz, ist das Recht. jetzt nicht mehr um A, sondern um die Statthaftigkeit eines
6. Verwerfung nicht Unterscheidung. non-A. Daher darf die Privation der Ne-
Wie Vorstellung und deshalb als Ver-
die Bejahung, als
gation nicht koordiniert werden.
110 PotenÜell und Aktuell Instanz gegen Veränderung und Gegensatz 111

Für Aristoteles aber war es eine Hauptaktion seiner 9. Das Problem der Veränderung und
Metaphysik, das non-A in privativer Bedeutung lebensfähig der Gegensatz. Die Entwicklung hat aber nicht nur
zu machen es sollte das Potentielle {Svvufui 6v) im
:
den Begriff der Beraubung möglich und erkärlich gemacht.
Unterschiede vom Aktuellen (iyepyeic^ oder evreXBxsic^ oy) Nicht allein die Entwicklung der organischen Formen treibt
bedeuten. Dieses der Möglichkeit nach Seiende ist das auf die Spur des Vermissens, sondern der Verkehr aller Dinge
der Beraubung nach Nicht- Seiende. Es ist also der Aktualität ohne Ausnahme läßt in seinem Wechsel den Mangel, die
beraubt, insofern es dieselbe noch nicht erlangt, noch nicht Lücke, die Veränderung erkennen, die sich an den
erreicht hat. Hier also bezieht sich die Beraubung nicht auf Dingen begibt. Was hilft es, sich auf die Identität zu steifen,
das identische A, sondern auf ein Ideal, dessen Verwirklichung wenn doch ringsherum alles Veränderung zeigt? Soll nun
bevorsteht. Aber freilich, das identische A der Logik wird aber etwa darüber die Identität preis-
durch die Metaphysik des Aristoteles zu dem Ursprungs- gegeben werden? Oder soll sie von ihrer Strenge nach-
bild prädestiniert, das dem Verlauf der Entwicklung lassen und anVeränderung sich anpassen ? Der Identität
die
vorsteht. Es absolute Prius {ngotegv xi ^x<ni, vgl.
ist jenes freilich wird man
das nicht unverblümt zumuten, aber dem
oben S. 31, 83 f.), welches mit dem Seienden, das war r^ tt Widerspruch läßt sich vielleicht durch Ermäßigungen und Ab-
^y ehai (vgl. oben S. 30, 83 f.), gleichbedeutend ist. schwächungen beikommen. Eine solche Abschwächung
8. Zusammenhang mit dem Problem der bildet der Gegensatz. Er muß strengstens von
Entwicklung. Und diese Metaphysik ist nicht so
abstrus dem Widerspruch unterschieden werden.
geblieben, wie sie äußerlich scheinen könnte. Sie ist das P 1 a t o n sagte, die großen Dinge können klein werden;
Prinzip seiner Biologie, in welcher die niederen aber die Idee des Großen behauptet Identität, und ebenso
Organismen zu den höheren sich entwickeln, während im die Idee des Kleinen. Wie die Verbindung, wie die Unter-
absoluten Prius die höchste Form vorbildlich vorhanden ist scheidung, so ist auch die Veränderung ein allgemeiner
und war. So sind die potentiellen Formen allerdings der Ausdruck des logischen Problems. Aber sie bezieht sich schon
Beraubung nach Nicht- Seiendes. Auch läßt sich so aus dem unmittelbar auf die Dinge, während Verbindung und
vollen Gehalt seiner Forschung und Wissenschaft die Privation Unterscheidung doch noch das bescheidenere subjektive An-
verstehen. Und bei dem Zusammenhang, welchen er für die sehen haben. Wir sind noch bei weitem nicht
Privation mit der Negation festhielt, läßt sich vielleicht auch bei den Dingen. Es gilt vorerst in Denkgesetzen die
von hier aus am besten die sonderbare Ansicht verstehen, Schutzmittel zu schaffen, die uns vor den Täuschungen der
welche Aristoteles von der Verneinung gehabt zu haben Dinge wahren sollen. Mit der Veränderung mag sich der
scheint, als ob sie den Dingen immanent Gegensatz befreunden. Daher darf der Widerspruch nicht
wäre. zum Gegensatz abgestumpft werden. Der Gegensatz läßt
93 Es rächt sich an dieser Verschrobenheit, daß er die sich vielleicht und darf sich vielleicht mit der Veränderung
Negation, trotzdem er sie verbal gebildet hat, dennoch nicht abfinden. Damit dadurch aber die Identität nicht schwankend
als Tätigkeit, als den Vollzug eines Urteils gewürdigt und werde, muß der Widerspruch aufrecht erhalten und vom
ihregesetzgeberische Bedeutung in strenger Sicher- Gegensatz unterschieden werden. Gegensätze dürfen vielleicht
Nicht das absolute Ur-
heit innegehalten hat. eingeräumt, in dem Verkehr und Haushalt der Dinge vielleicht
sprungsbild ist die Norm des Nicht-Seien- zugelassen werden. Um
so klarer muß das Hausrecht des 94

den, sondern das Urteil mit seinem Denk- Denkens ausgeprägt werden: daß der Widerspruch von der
gesetze des Widerspruchs. Schwelle abzuweisen sei.
Dialektische Bewegung der Begriffe 113
112 Sein oder Nichtsein

wenn von Rangordnung die Rede,


tität; ja so wäre der . .

Auch hier hat Aristoteles Terminologie be-


die
Widerspruch für das Tiefere und Wesenhaftere zu nehmen, . .

herrscht. Er unterscheidet das Entgegengesetzte (^vavtiov)


er aber ist die Wurzel aller Bewegung und Lebendigkeit;
von dem Widersprechenden (avti<ptctix(ö^ avtixflfuvov). Aber nur insofern etwas in sich selbst einen
er gebraucht für Beide den Ausdruck des Gegenüberliegens Widerspruch hat, bewegt es sich, hat es 95
(avTixsi4r»ai, ivavTl<og). Darin liegt wieder eine Zweideutig- Trieb und Tätigkei t." Trieb und Tätigkeit — wozu?
keit denn das Gegenüber braucht keineswegs das
;
Zur Wahrheit und zur Sitthchkeit? Und zur Wahrheit auf
Wider zu bedeuten. Man erkennt auch hier wieder das Grund der mathematischen Naturwissenschaft? Und ebenso
Verhältnis der Immanenz. Und auch hier ist die Ansicht zur Sitthchkeit, ohne die Voraussetzung geschichtlicher Kon-
kein starres formalistisches Vorurteil. Denn aus dem Liegen
ventionen in Mytohlogie und Rehgion? Oder aber zu einer
geht die Bewegung hervor, also die Veränderung, welche
Indifferenz der Bewegung des Denkens?
dem Sein gegenüber das Nichtsein im Sattel hält. Es ist, als ob es nicht mehr Ernst wäre, wenn Hegel
10. Die Kategorien des Liege ns. Übrigens
den Widerspruch physiologisch bezugte. „Wenn man aber
dürfte diese Bedeutung des Liegens, als Voraussetzung sagt, daß der Widerspruch nicht denkbar sei, so ist er vielmehr
der Bewegung, einer der Gründe sein, welche die
im Schmerz des Lebendigen sogar eine wirkUche Existenz.**
Verzeichnung des Liegens unter den Kategorien Wenn dann nur wenigstens die Identität als die Lust des
bewirkt haben mag. So ist nun der Gegensatz als ein Lager- Lebendigen gepriesen würde. Sie ist aber noch weniger wert
genoß des Widerspruchs aufgenommen worden. Und da seit als der Widerspruch, der vielmehr das Wesenhaftere sei.
H e r a k 1 i t alle spekulative Welt sich für die rastlose Be- Also ist kein Kraut für diesen Schmerz gewachsen. Beide
wegung ereifert und dem Widerspruch des Parmenides Denkgesetze werden zum alten Eisen geworfen., „Die Schule,
nur unwillig das Ohr leiht, so ist es so gebheben, daß man in der allein solche Gesetze gelten, hat sich längst mit ihrer
mit den Widersprüchen umspringt, als wären sie, und als Logik, welche dieselben ernsthaft vorträgt, bei dem gesunden
gäbe es nur Gegensätze. Menschenverstände, wie bei der Vernunft um den Kredit
Parmenides hat sich als ein Seher erwiesen für alle spekula- gebracht." Diese „Schule" aber bedeutet die Geschichte
tive Zukunft, indem er mit ehernem Griffel den Satz ein- der wissenschafthchen Vernunft. Sie geht von Parmenides
grub „D as Seiende ist. Das Nichtseiende
:
aus. Und dieser Spott, der sonach den Urheber der Identität
ist n i c h t.** Wie Hamlet hat er es formuliert: „Sein oder trifft, er unterscheidet jene Systeme der Identitäts-Philosophie
Nichtsein. Darin liegt die Krisis.** Aber man hat es für von der klassischen Geschichte der Identität. Die Abenteuer
spekulative Überspanimng gehalten und für trockenen For-
der Romantik richten sich selbst, indem sie den Richtstuhl
malismus. Die innere Geschichte, die innere i^i.ufrichtigkeit der Identität umstürzen. So geht die Sitthchkeit der Geistes-
der Systeme, besonders derje ligen, die nichts als Systeme wissenschaften zugleich mit der Wahrheit der mathematischen
sein wollten, läßt sich an ihrem Verhältnis zu dem kritischen Naturwissenschaft zugrunde.
Satz des Parmenides prüfen. Es ist ein schlechter Trost, daß durch die dialek-
Hegels zentrale Stellung zum Satze
11.
tische Bewegung der Begriffe, welche in dem
des Widerspruchs. Hier liegt der Abgrund von „Umschlagen der Gegensätze" sich vollzieht, der Horizont
Hegels Logik ganz oberflächlich zutage. ,,Es ist aber des geschichthchen Bhckes erweitert, und das vergleichend,
eines der Grund Vorurteile der bisherigen Logik und des ge- universelle Interesse an den geschichthchen Begebenheiten,
wöhnlichen Vorstellens, n' ob der Widerspruch nicht eine Erscheinungen und Einrichtungen aller Art selbst gleichsam
so wesenhafte und immanente Bestimmung sei, als die Iden- Oohen, Logik der reinen Brlcanntnis. II. Aufl. *
114 Veränderung Piatons Gleichnisse vom Bewußtsein 115

beweglicher wurde. Wenn die kontrollierenden Grundsätze, 13. Piatons Gleichnisse vom Bewußt-
die den Inhalt des Denkens stabilieren, umgerissen werden, sein gegenüber dem Problem des Irrtums.
so gibt es keine Sicherheit im ganzen Gebiete. Die Gewißheit Die MögUchkeit des Irrtums bildet schon bei P 1 a t o n
der Erkenntnis hört auf, und so muß sich die Philosophie von ein wichtiges Problem. Die Feststellung der Wahrheit fordert
der Wissenschaft loslösen, in der sie die Einheit der Erkennt- die Bloßlegung der Quellen des Irrtums. Und der Humor
nisse bildet. Nicht nur die Geisteswissenschaften in ihrer Piatons macht sich in diesen Partien Luft, wie in dem Gleichnis
Grundlage, dem Gesetze der Sittlichkeit, werden damit ver- des Bewußtseins, als eines Taubenschlages, so daß
9ß nichtet, sondern in erster Linie die mathematische Natur- der Irrtum entstehen könnte, indem man statt der richtigen
wissenschaft. Die Einheit des Gegenstands hat zur unent- Taube eine falsche ergreift. Ein solches Gleichnis des Humors
behrlichen Voraussetzung das Urteil des Widerspruchs. Nicht ist auch das von der Seele, als einer wächsernen
freilich, wie Aristoteles meinen konnte, hat der Gegenstand Schreibtafel. So lange es sich um psychologische
noch nicht seine Entelechie erreicht, so lange er ein potentiell Aukflärungen handelt, ist der Humor an rechter Stelle. Aber
nichtseiender ist; aber, was schhmmer ist, der Gegenstand wenn das Schicksal der Wahrheit auf dem Spiele steht, da
könnte niemals zustande kommen, wenn die Verneinung ihn schwingt Pia ton die Geißel der Satire. Wie der Satz der 97

nicht zu sichern vermöchte. Identität das Denkgesetz der Wahrheit


12. Das Problem der Veränderung. Es ist, so ist der Satz des Widerspruchs das
ist paradox, aber die Lösung enthält die tiefste Befriedigung: Denkgesetz der Unwahrheit. Es gibt nicht
daß die anscheinend subjektivste Urteilsart für die Kon- bloß Irrtum — der wäre psychologisch —
es gibt für die Logik
,

stituierung des Gegenstands den Ausschlag geben muß. Alle das Falsche, die Unwahrheit. Und es ist die Aufgabe der Logik,
Kontinuität und alle Identität könnten nichts helfen, so sie zu erkennen, sie zu verwerfen, sie als nichtig zu erklären.
lange es zweifelhaft bleiben müßte, daß die geringste Ver- 14. Nicht Mangel und Beraubung. Aus
änderung die Einheit des Gegenstands zerstöre. Freihch diesem Gesichtspunkte des Denkgesetzes erkennt man auch
liegt diese Folgerung schon im Satze der Identität; aber den grundsätzlichen Unterschied zwischen dem
man könnte denken, der Satz der Identität sei von einer Nicht und dem MangeJ, den Aristoteles mit der
falschen Abstraktheit, er gelte nur für A, und ebenso auch Negation vermengt. Es gibt keinen Mangel an Wahrheit,
für B; aber er berücksichtigte nicht, daß B neben A vor- außer sofern er methodisch begründet ist. Dann aber ist er
handen sei, und wie man annehmen zu dürfen glaubt, aus A nicht skeptischer oder geistig selbstmörderischer Natur.
zum B werde. Es darf keine zweifelhafteWahrheit geben,
Diese Bewegung und diese Verände- deren grundsätzliches Los es wäre, zw^eifelhaft zu bleiben.
rung findet allerdings statt, und sie wird Es darf nicht zweifelhaft bleiben, wie weit die Kompetenzen
genaue Erklärung fordern. Um so strenger aber der Logik sich erstrecken, und ob an einem Kreuzwege sie
muß für die Einsicht gesorgt werden, die Veränderung da das endgültige Recht habe, das vernichtende Nein zu sprechen.
zurückzuweisen, wo sie unstatthaft ist; wo sie aus dem A Das Denkgesetz des Widerspruchs hat es sonach allerdings
nicht ein B, sondern ein non-A in dem schlechten Sinne mit einer Möglichkeit zu tun, die ebenfalls von Ari-
machen würde. Der Gegenstand würde daher das kläglichste stoteles der Beraubung beigesellt ist: aber nur mit der Mög-
Fragezeichen bilden, wenn es kein entscheidendes Recht gäbe, lichkeit der Wahrheit. Ohne die Verneinung aber bhebe
ihn von diesem zweifelhaftesten Zustande, daß er nämlich die Möglichkeit des Zweifels bestehen, der das W^ider-
nicht ein Unding sei, zu befreien. spiel zur Wahrheit ist.
116 Problem des Irrtums Kontinuität und Widerspruch 117

Anstatt indessen schon hier die Wahrheit anzurufen, Übersehen zu dürfen glaubt; wenn man die Widersprüche
können wir vielmehr bei dem Urteil bleiben. Kontinuität und zu Gegensätzen abplattet. Indessen ist doch auch eine andere
Identität betreffen den Inhalt des Urteils; der Widerspruch Ansicht, und deshalb ein anderer Anlaß zu der Meinung
aber betrifft die Tätigkeit des Urteils selbst, und zwar die möglich daß Ein Motiv oder wenige Mo-
:

Tätigkeit, nicht als Vorgang, sondern als Tat


des Urteils. tive sich durch die ganze Geschichte hin-
Ohne die Verneinung könnte das Urteil nicht als ein falsches durchziehen. Diese andere Ansicht gründet sich aber
Urteil erkannt werden. Ohne das Erkenntnis der Falschheit nicht auf der Identität, welche den Widerspruch in sich auf-
könnte es kein Urteil, als das Urteil der Erkenntnis, geben. nimmt; sondern vielmehr auf der Kontinuität.
Die Erkenntnis ist die Grundlage der Wissenschaft. Und 17. Zusammenhang zwischen Kontinui-
die Wissenschaft bedarf der Grundlegungen, als gesicher- tät und Widerspruch. Die Kontinuität behauptet
ter Grundlagen, nicht als zweifelhafter Annahmen. Der und verbürgt einen tiefgehenden Zusammenhang unter den
Wert der Hypothesis ist durch das Urteil Elementen des reinen Denkens. Diesen Zusammenhang zu
der Verneinung bedingt. entdecken, schreckt sie nicht zurück vor dem Abgrund des
15. D e s c a r t e s und der Pantheismus. Witzes, aus dem das Nichts auftaucht. Auf allen Gebieten
Auch bei Descartes erkennt man das Interesse am treibt die Kontinuität das Denken zu dem verwegenen Spiel
Problem des Irrtums im Zusammenhang der Unter- mit jenem Nichts, um das relative Etw^as, welches jedesmal
suchung über die Gewißheit der Erkenntnis. Unerquickliche das Problem bildet, aus seinem absoluten Ursprung zu er-
Spuren theologischer Befangenheit zeigen sich gerade hier zeugen. Wir haben schon die fruchtbaren Ergebnisse dieses
bei ihm. Dennoch aber deckt er den Abgrund auf, daß Gott Kunstgriffs an wichtigen Beispielen kennen gelernt, und
ein böser Geist sein müßte, wenn er nicht der Bürge der schon mehrmals ist darauf hingewiesen worden, daß die wich-
Wahrheit sein könnte. Für den Pantheismus aber tigsten Aufschlüsse in dieser Beziehung uns noch bevor-
98 gibt es solche Schranke für Gottes Allmacht und Allwissen- stehen. Die Kontinuität ersetzt reichheh, was in dem Um-
heit nicht. Und schrankenlos, wie sein Gott ist, ist der Geist schlagen der Gegensätze an sachlichen und historischen An-
des Pantheisten. Schon der Ausdruck für die dialektische regungen enthalten sein mag. Aber wenn das Urteil des
Bewegung kennzeichnet die falsche Tendenz. Um
die Iden- Ursprungs nicht als ein Urteil dejs Nichts diskreditiert werden
tität des Begriffs zu sichern, hatte Parmenides Beharrung soll, so muß das Urteil des Nicht hinzutreten, um den Unter-
ihm zugesprochen, und die Bewegung aberkannt. Hegel schied klarzumachen und zu halten.
proklamiert die Selbstbewegung der Begriffe. In So besteht ein innerer Zusammenhang
der Selbstbewegung vollziehen sie ihre Geschichte. Und zwiscKcn Kontinu lifk tund Widerspruch.
es erscheint als ein imponierendes Schauspiel, dieser Szenen- Das- yk-tei^dfe- Kontinuität schafft^" Spielraum, daß nicht 9»
wechsel desselben Begriffs- Subjekts. Aber schon die Kühnheit jede Ojperaiion», welche an das Kfjfüi anzurühren scheint, aus-
df^ Ausdrucks enthüllt die falsche Richtung. geschlossen werde, um so unbedingter aber muß das Nicht
Die Kontinuität der Motive in der
16. gelten. Das Nichts braucht nicijf.* ein Unding zu sein. Das
Weltgeschichte. Es ist keineswegs Tautologie, und Nicht aber hebt das Urteil auf. Und andererseits, der Wider-
keineswegs Identität in der Weltgeschichte des Geistes, so spruch .^ntreißt den Gegenstand der zweifelhaften Situation,
wenig wie auf der Weltbühne des irdischen Spiels. Es scheint ob er sei oder nicht sei. Ervffmag das Sein zu verneinen.
Wiederholung eines Stichwortes zu sein, wenn man den Unbesorgt daher und zuversichtUch darf die Kontinuität
Unterschied von Wahr und Falsch, von Gut und Schlecht ihre Fahrten in die Länder des Nichts unternehmen. Es
118 Ufieifsarten der Qualität Ursprung und Kontinuität 119

istnicht ein Land; das wäre keins. Je nach den Problemen Metaphysik wäre eine andere geworden. Die Qualität
werden die Gebiete abgesteckt. Aber stets ist es Ein Problem selbst aber hat er ausgezeichnet, wie sie denn auch bei P 1 a t o n
in allen Fragen: der Ursprung. Nur das aus seinem Ur- in fruchtbarerer Erörterung steht. Die Erzeugung des reinen
sprung erzeugte Denken ist als Erkenntnis gültig. Die Fahrt Denkens darf nicht mit dem Ding selbst anfangen ebenso- ;

wird von einem sicheren Stern geleitet, vom Denkgesetze der wenig aber auch darf sie mit dem Seienden beginnen.
Kontinuität. Sie ist aber auch durch die Kenntnis der Klippen Aus dem scheinbaren Nichts muß das Etwas hergeleitet werden,
gesichert. Diese bildet das Denkgesetz des Widerspruchs. um einen wahrhaften Ursprung zu empfangen. In diesem
Es gibt ein Mittelding in der Geschichte der Spekulation, Ursprung liegt der Quell der Qualität.
welches das Nicht- Seiende in beiden Bedeutungen zu sein Und diesem Ursprung entsprechen die anderen Arten, die
scheint. Und gerade dieser Begriff und die absonderhche Identität und der Widerspruch. Sie alle bestimmen den
Richtung des Denkens, die sich in ihm verrät, zeigen an Grundwert des reinen Denkens, die Grundrechte desselben.
dem falschen Zusammenhang den Unterschied zwischen 19. Die Kategorien und die Denkge-
Kontinuität und Widerspruch. Die Materie wird zum setze. Daher liegen bei diesen Arten des Urteils die her-
Nicht- Seienden in beiderlei Bedeutungen. Sie ist ja Er- Denkgesetze. Der Unterschied,
gebrachten
scheinung bei P 1 a t n. Und die Ersehe ijung spielt sich der zwischen den Denkgesetzen und den
in einer Höhle ab. Und was ist denn Gut'.s in ihr? Ist sie Kategorien gedacht wird, besteht eben in dieser
nicht der Schauplatz und der Grund des Bösen? So wird grundlegenden Bedeutung, die den Denkgesetzen zuerkannt
sie zum Schein, der des Seins ermangelt, dem es am Guten wird. Daher entsprechen hier den Arten
gebricht. Und nur die Aussicht bleibt ihr, daß sie sich ent- des Urteils nicht eigentliche Katego-
wickeln, ergänzen und verbessern könnte. Oder aber die andere rien, sondern an deren Statt stehen die
Meinung hat recht: sie ist und bleibt das Nicht- Seiende. Sie Denkgesetze. Auch der Ursprung ist nicht eigentlich
ist das Falsche und der Grund des Übels und des Bösen. In eine Kategorie, sondern vielmehr ein Denk-
diese Sackgasse hat die neuplatonische Spekulation den gesetz; und wie wir gesehen haben, das Denkgesetz
Grundbegriff des ^^7 ov getrieben. Der Zusammenhang von Konti- der Denkgesetze.
nuität und Widerspruch ist bedingt durch ihre Unterscheidung. 20. Der Ursprung und die Kontinuität.
Die Urteilsarten der Qualität. Diese
18. Der Name des Ursprungs würde daher auch das Denk-
ersten drei Arten des Urteils dürfen unter dem herge- gesetz unzweideutiger und umfassender bezeichnen als der
brachten Namen der Qualität zusammengefaßt werden. der Kontinuität. Diese ist auf dem Boden und im
Beschaffenheit ist zwar ein allgemeiner Name, der Zusammenhange der Probleme der Mathematik entstanden.
seit Demokrit sowohl auf das Konventionelle sich be- Daß es sich dabei aber um den Ursprung handele, diese
zieht, wie auf das Wahrhafte und Wesentliche. Aber er be- Hauptsache bleibt dabei im Dunkeln. Auf alle Arten des
100 zeichnet doch eben auch das letztere, und dieser eigent- reinen Denkens geht die Grundforderung des Ursprungs.
lichen Bedeutung der Qualität muß sich das Nebensächliche Am strengsten aber paßt sie auf das Denken der Mathematik,
dergestalt fügen, daß es durch das WesentUche bestimmbar in welchem das reine Denken streng und vorbildlich ist. Den
werde. Es ist wichtig und sehr lehrreich, daß das reine Denken anderen Denkgesetzen sieht man es unmittelbarer an, daß
mit der Qualität beginnt. sie auf das Denken der Geisteswissenschaften ebenso passen
Hätte nur Aristoteles seine Tafel der Kategorien müssen, wie auf das der mathematischen Naturwissenschaft.
mit ihr begonnen, anstatt mit der Substanz. Seihe ganze Auf der Identität und ihrer negativen Probe beruht aller
120 Qualität die erste Bedingung

101 Wert des Denkens, was auch sein Inhalt sein mag. Es kann
nicht anders zu einem Inhalt kommen, als auf Grund dieser
Grundrechte des reinen Denkens. Zweite Klasse:
Die Qualität als
21. Grundlage des
Denkens. Die Bedeutung des traditionellen Titels der Die Urteile der Mathematik. 102

Qualität für diese Arten des Urteils sehen wir somit


darin, daß sie weder allein die Beschaffenheit des Körpers Erstes Urteil: Das Urteil der Realität.
oder auch des Gegenstands bezeichnet, noch die des Seienden, 1. Die Reinheit der Mathematik in der
als eines solchen; sondern die des reinen Denkens in seinem Beziehung auf die Physik. Die Urteile der Qualität
methodischen Verfahren. Also auch das reine Denken hat sollten die Grundlage bedeuten und den ersten Schritt, den
eine Qualität. Es ist dies nicht ein ungenauer, eine unbe- das reine Denken zu tun habe. Der erste Schritt muß einen
stimmte allgemeine Beschaffenheit bezeichnender Ausdruck, zweiten vorbereiten. Der Grundlegung muß der Aufbau
der vielleicht auch auf andere Arten des Urteils bezogen und folgen. Die Qualität führt zur Quantität. Nachdem
ausgedehnt werden könnte; sondern nur diese drei die allgemeinen Grundrechte des reinen Denkens verbürgt
Arten werden der genauen und strengen Bedeutung der sind, kann die vorbildhche Art des reinen Denkens, kann
Quahtät gerecht. Sie sind die methodisch ersten Be- das Denken der Mathematik beginnen. Aber wir wissen
dingungen, um zur Bestimmung der reinen Erkenntnis, also bereits, in welcher Bedeutung wir die Mathematik zu nehmen
zu der des Gegenstandes zu gelangen. haben: sie ist Mathematik der mathematischen Natur-
die
Sie sind nicht bloß unersetzlich durch andere Mittel, wissenschaft. lassen uns darum nicht bange machen,
Wir
sondern auch ihre Reihenfolge, die Reihenfolge ihres Ge- daß sie ihrer Reinheit verlustig ginge, indem sie auf die Natur-
brauchs darf nicht verwechselt werden. Sie müssen den wissenschaft zur Anwendung gebracht wird. Wir sehen ihre
ersten Schritt bilden, den das reine Denken zu tun hat; Reinheit nicht in ihrer Isohertheit, sondern vielmehr gerade
mit ihnen kann ein zweiter Schritt nicht weiter führen. Ur- in ihrerAnwendbarkeit, in welcher sie dennoch die methodische
sprung und Identität und Widerspruch bilden die Grundläge Führung behält. Indem sie sich auf die Probleme der Physik
des Denkens. Diese Bedeutung der Grundlage hat die hin richtet, läßt sie sich nicht etwa im Ausspinnen der eigenen
Quahtät. Es gibt keinen Körper und keinen Gegenstand Probleme und Methoden von der Physik bestimmen, sondern
und kein Sein vor der Qualität. So wird am schärfsten die aus ihren Grundrechten heraus entwirft sie die Methoden,
Bedeutung der Qualität klar: auch kein Sein geht welche auch zur Bewältigung jener Probleme der Physik, die
ihr vorauf. So wird die Identität des Parmenides den Hintergrund alles Denke^ vom Sein bilden, zugleich
über sein Sein hinaus durchgeführt. Und indem wir die geeignet seien. So steigert sich der Wert der Reinheit gegen-
Qualität nunmehr als Grundlage erkennen, die doch un- über den Gefahren, die aus der Anwendung entstehen.
2. Unterschied der alten und der
verkennbar reine Grundlegung ist, so haben wir uns auf den neuer
Platonischen Weg begeben, der von der Grundlegung zum Mathematik.. In der- Physik handelt es sich überall
Sein führt. Solche erzeugende Bedeutung sprechen wir also 'im Bewegung. Und auch in der Mathematik alles
so ist
der Qualität zu, und demgemäß den Arten des Urteils, die Werden. Darin besteht ja gerade der methodische Wert
nicht
sie unter sich faßt. Kein Sein, kein Gegenstand, keine Er- des mathematischen Denkens, daß alle seine Inhalte
kenntnis vor ihr. Aber alles Sein, aller Gegenstand, alle reine als gegeben hingenommen werden, sondern grundsätzhch zur 103

Erkenntnis durch sie und aus ihr. Erzeugung gelangen. Vielleicht ist dies der Unterschied
;

122 Werden wid Sein Ursprung und Infinitesimalrechnung 123

zwischen der neuern und der alten Mathe- kommen; lange bevor es dazu kommen kann, stellt sie
matik: daß der Gesichtspunkt des Erzeugens in der sich ein, und heischt sie Erfüllung.
alten Mathematik noch nicht so durchgreifend zur Geltung 4. Der Ursprung und die Infinitesimal-
gelangt, wie in der neuern. Dort ist das Gegebene vor- rechnung. Das Urteil und das Denkgesetz des Ursprungs,
herrschend, und nur die analytische Methode in ihrer Re- das alle Perioden des reinen Denkens zu leiten hat, meldet
konstruktion des Gegebenen vertritt das Erzeugen. In der an dieser neuen Wendung seinen Anspruch an. Das Denken 104
neuern Mathematik dagegen ist daher der Ausdruck der Er- der Mathematik muß vor allem die For-
zeugung (G e n e r a t i o) von Anfang an übHch geworden. derung des Ursprungs erfüllen. Sonst nimmt
Die Bewegung soll beschrieben, soll bestimmt werden. Kein es keinen rechtmäßigen Anfang. Die Forderung gilt für den
Gebilde daher darf als gegeben letztHch betrachtet Anfang selbst und für jeden Fortschritt in
werden, wie die Bewegung in ihrem Fortschritt
sondern, jenem Denken. Wenn
die Mathematik als die Mathematik
bestimmt werden muß, so muß auch das mathematische der Naturwissenschaft die Bewegung bestimmen soll, die in
Denken diesem rastlosen Laufe folgen, und an das Werden rastlosem Fortschritt verläuft, so muß sie dieser Bewegung
sich anklammern, und in seine Spuren seine Siegel drücken. Dieser Ursprung gilt nicht nur
ihren Ursprung festsetzen.
3. Werden und Sein, Bewegung und Be- für den Anfang der Bewegung, sondern jeder Fort-
harrung. Aber gerade weil Mathematik auf die Be-
die schritt derselben neuem
muß stets von
wegung und auf das Werden sich beziehen und sich einrichten in demselben Ursprung entspringen.
muß, gerade deshalb wird die entgegengesetzte Forderung So ist es keineswegs erst die physikalische Beharrung,
zuvor notwendig. Diese Korrektur bedeutet der Standpunkt welche das Sein im Werden bestimmt; sondern die Mathematik
des Parmenides entgegen der Parole Heraklits: schon bedarf der Festlegung eines Seins, und zwar einer
„Alles ist auf dem Marsche**, wie P 1 a t o n das Stichwort solchen in einer schrittweise zu wiederholenden Festlegung
„Alles fheßf* umschreibt. Wenn es einen nützhchen Sinn der Stufen, mittelst deren sie ihre Gebilde zur Erzeugung
erlangen soll, so muß ihm das Wort vom Sein und von der zu bringen hat, gerade weil dieselben zur Bestimmung der
Beharrung des Seins zur Richtschnur gegeben werden. Bewegung dienen und dieser gewachsen sein sollen.
Sonst wird die Bewegung zur wilden Jagd, und kein Fort- So führt die Forderung des Ursprungs zu
schritt in ihr kann zur Bestimmung gelangen. Der Sturm- einer neuen Betätigung bei dem ersten
schritt in ihr muß immer doch ein Schritt bleiben. Die Stufen Schritte des mathematischen Denkens.
müssen unterscheidbar und festgelegt werden können, wenn- In der Geschichte des mathematischen Denkens war
gleich das ganze Bild Bewegung darstellt. So zeigt schon dieser Schritt allerdings nicht der erste. Und so ist es wohl
der Anfang der Geschichte des Denkens, wie Werden zu verstehen, daß ihm die Logik nicht von Anfang an
und Sein zusammengehören, und ebenso Be- die fundamentale Stellung gab, die ihm zukommt. Aber ein
wegung und Beharrung. Aber obwohl die Be- sehr bedenkliches Symptom ist es, daß seit der Erfindung
harrung schon bei Parmenides auftaucht, so ist es nicht nötig, der Infinitesimalrechnung die Charakteristik
hier schon an die Rolle zu denken, welche die Trägheit für
des mathematischen Denkens nicht unter der leitenden Rück-
die Entdeckung der Fallgesetze bedeutet. Unsere sicht dieser anderen Begriffe und Methoden angestrebt wurde.
Forderung, daß das Werden um seiner Die Erörterungen blieben nach wie vor auf die Schlagworte
selbst willen stabiliert wer de, kann nicht bezogen, ob die Mathematik aus der Erfahrung
stamme;
erst durch die Beharrung zurBefriedigung ob die Anschauung oder das Denken überwiege
124 Fluxion und Differential Regeln des Endlichen und des Unendlichkleinen 125

oder gar ob der E m p f i n d u n g die Leitung zustehe. Diese in der Bezeichnung des Differentials von dem Ge-
Ansichten und der Streit darüber ist allenfalls verständhch, sichtspunkte der Differenz geleitet; aber er wagt es, dieselbe
sofern es sich um die antike Geometrie handelt und um die als unendlich klein zu bestimmen. Ihm genügt
mit ihr zusammenhängende Arithmetik. Aber die A n a 1 y s i s nicht das Unteilbare (Indivisibile), mit dem die Vor-
des Unendlichen konnte keinen Zweifel darüber be- läufer zu rechnen und sich abzufinden suchen. Er hat die
stehen lassen, daß jene übhchen Differenzen durchaus erledigt Aufrichtigkeit, die höher zu schätzen ist als die Kühnheit,
sein müssen. Denn nicht allein der Empfindung, einen Begriff, der zum Grundbegriffe der Zahl und der Größe
sondern auch der A n s c h a u u n g wird hier, der Definition werden sollte, nicht bloß der E m
p f i n d u n g zu entrücken,
gemäß, entsagt; und so sollte man meinen, daß das reine sondern auch der Anschauung; geschweige bei der Anschauung
105 Denken hier tatsächUch und eingestandenermaßen zur An- die Kontrolle zu belassen. Das Endliche, alles EndUche,
erkennung gekommen wäre. Wenn jedoch der Erfolg dieser soweit es in den Bereich der Mathematik fällt, soll in dieser
Einsicht in der bisherigen Logik ausgebheben ist, so hegt neuen Zahl seinen zulänghchen Grund erlangen; und dieser
darin ein deuthches Symptom, daß das Recht des reinen Grund des Endlichen ist unendlich klein.
Denkens in ihr nicht zu prinzipiellem Ausdruck gediehen ist. Es ist, als ob es eine Ironie wäre auf das Unendliche, das 10«
5. Die Fluxion und das Unendlich- bisher, alsEns realissimum, zum Grunde des End-
kleine. Der methodisch erste Schritt, den wir in der lichen gemacht wurde. Nicht jenes Unendliche der meta-
Mathematik zu erkennen haben, ist derjenige, den sie in der physisch-theologischen Spekulation, sondern das Unendlich-
Erzeugung der infinitesimalen Zahl voll- kleine soll fortan als der Archimedische Punkt erkannt werden.
L e b n z und Newton haben beide diese Er-
zieht. i i
Es soll der Zentralpunkt der gesamten Mathematik werden.
findung gemacht. Bei beiden steht sie im Zusammenhang ,,Die Regeln des Endlichen reüssieren im
ihrer gesamten wissenschafthchen Leistungen. Bei Newton U n e n d c h k e n e n;
1 i 1 und die Regeln des
i
heißt der neue Begriff Fluxion, die der F 1 u e n t e U n e nd c h k e n e n
1 i 1 reüssieren im End-
i
voraufgeht und zugrunde hegt. Die Fluente stellt die Be- liche Leibniz bezeichnet den neuen Begriff mit d x.
n.**
wegung dar, wie sie in einer Linie verläuft, die Fluxion dagegen Dieses dx aber ist der Ursprung
des x. mit dem die
vertritt die Forderung, daß in einem Ursprung diese Be-
Analysis rechnet, und das der Repräsentant des Endlichen
wegung ihren Anfang und ihren Fortgang nehmen müsse. ist. Also auch diese Definition bemächtigt sich des Urteils
Und Newton bedient sich der N u 1 1 , um diesen Anfang als des Ursprungs, um das UnendHchkleine zu definieren. Und
Ursprung zu kennzeichnen, und gleichsam zu beglaubigen: J. so ist auch das Infinitesimale, ebenso wie die Fluxion, das
Es ist also das Urteil des Ursprungs, und große Beispiel von der fundamentalen Bedeutung des
der Umweg dem Nichts, mit dem er operiert, um der
mit <r <-
Urteils des Ursprungs.
Bewegung einen legitimen Grund zu legen. Und so erkennen 6. Das Infinitesimale und die Kon-
wir in dem Begriffe der Fluxion das leuchtendste Beispiel tinuität. Aber auch bei Leibniz ist die Erfindung keines-
unserer ersten Art des Urteils. wegs im letzten Grunde von der bloßen Mathematik bestimmt
L e i b n i z geht nicht vorzugsweise, wie Newton, von worden; auch Probleme der Mechanik haben bei ihm
dem Problem der Mechanik aus; sondern von denen Jedoch die tiefere Direktive lag
mitgewirkt.
der A n a 1 y s i s. Aber der Zusammenhang mit der Innern v"^
in seiner gesamten Philosophie. Das Ge-
Einheit seiner Gedankenwelt ist bei ihm nicht minder vor- setz derKojitinuität, als dessen Urheber
handen in seiner Definition des neuen Zahlbegriffs. Er wird er sich mit Vorliebe bezeichnet, hat er
126 Imo extenaione prius Infinitesimal als Realität 127

bei dieser Erfindung erdacht. Wir wissen Die Antwort hat mehr zu besagen als nur die Erledigung
bereits,daß die Kontinuität ein alter Gedanke ist. Aber er des erhobenen Einwands. Der Einwand beruht nämlich auf
war bisher auf das Endliche bezogen geblieben in allen seinen einer nicht genügenden Schätzung der Mathematik und ihrer
wissenschaftlichen Formen. Jetzt erst wird die alte Ahnung grundsätzlichen Methoden. Freihch hat die Mathematik
ii
zu einer ernsten Wahrheit. Jetzt soll sie nicht mehr einen Verwandtschaft mit den allgemeinen Richtungen des Denkens;
Zusammenhang des Endhchen bedeuten, der sich andernfalls bestände kein notwendiger Zusammenhang zwischen
doch nur allenfalls auf die geometrische
eigentlich ihr und demjenigen Denken, das wir unter der Rubrik der
Anschauung im allgemeinen berufen könnte, während Qualität auszeichnen konnten. Und so muß auch zunächst
beiden Zahlen die Irrationalität einen unbesieglichen Verwandtschaft bestehen zwischen den Urteilen der Qualität
jetzt soll die Kontinuität
Einspruch erhebt : und dem Problem der- Realität, welches und sofern es von
prinzipiell die Anschauung verschmähen, der Mathematik in Angriff genommen und für die Physik
und dennoch und gerade dadurch sich furchtbar ins Werk vorbereitet wird. Der allgemeine Wert des Denkens münzt
setzen. sich durchgängig in besonderen Werten aus. So soll die
7. Gegen Anschauung und Ausdehnung. Qualität zur Quantität führen. Die Mathematik hätte
Nicht um Ausdehnung handelt es sich mehr; das wahrlich nicht die eminente methodische Bedeutung für die
Infinitesimale geht der Ausdehnung vor- Erkenntnis, wenn die Begriffe, die sie zwar aus den Urteilen
auf, und liegt ihr zugrunde: Imo exten- der Qualität ableiten muß, dennoch durch ihre Methoden
sione prius, so bezeichnet Leibniz das Unendhch- und die Richtung ihrer Probleme nicht eine eigne Prägnanz
kleine. Also im reinen Denken allein ist und eine selbständige Bedeutung erlangten.
107* es gegründet, und kraft desselben vermag So wird es begreiflich, daß durch die mathematische
es den Grund des Endlichen zu bilden. Behandlung dem allgemeinen Gedanken eine Kraft, Be-
Der Ursprung ist also der Grund, das Urteil; und keine Emp- stimmtheit und Tragweite gegeben wird, welche rückwärts
findung und keine Anschauung. den allgemeinen Gedanken als ein neues Licht erscheinen
8. Das Infinitesimale als Realität. Man läßt; aber es ist kaum fraglich, daß selbständig von ihm
könnte nun aber den Einwand erheben, daß das Infinitesimale jenes Licht ursprünglich nicht ausgestrahlt wäre. Das gilt
in seinen beiden Definitionen in der Tat ein Beispiel, aber auch vom Ursprung. Allerdings wird dadurch der Einwand
eben nur ein Beispiel des Urteils des Ursprungs sei: wie kann noch nicht völlig gehoben. Die bessere Illustration des Ur-
es denn aber eine neue Art des Urteils bedeuten sollen? sprungs durch das Infinitesimale berechtigt noch nicht zur
Die Frage verstummt nicht, sondern sie wird eher schärfer, Aufstellung des letzteren, als einer besondern Art des Urteils. 108

wenn wir die Bedeutung beachten, welche die neue Art des Die Realität vielmehr enthüllteine neue
Urteils vertreten soll: die Realität. Wir denken an die Bedeutung im Infinitesimalen; eine neue Be-
Beispiele vom Urteil des Ursprungs zurück. Bedeutet nicht deutung ihrer selbst.
etwa auch das NicHtseiende so etwas, wie Realität 9. Die Namen
für das Sein. Wie vielfach sind
Und ebenso das Atom? Warum also das Infinite imale nicht doch die Namen,
mit denen in der Sprache der philo-
ledigHch als Beispiel nehmen; warum es zu einer besondern sophischen Spekulation das Problem des Seins bezeichnet
Art des Urteils machen, wenn anders es doch nur die Realität wird. Von der Substanz haben wir schon vielfach ge-
zu bedeuten haben soll, welche der Ursprung ja überall zu handelt. Mit ihrem Ansehen wetteifert das Wirkliche,
vertreten scheint? oder das Reale. Aber so wenig die Wahrheit einerlei
128 EntscUz der Empfindung Die MoHve der Qualität 129

istmit der Wirklichkeit, so wenig ist auch die 10. Die drei vorbereitenden Problem-
Realität einerlei mit dem Realen. arten. Aus der Geschichte der Entdeckung 109
Wer Wirklichkeit für das unbeweisbar und
freilich die der Infinitesimal-Rechnung läßt es sich er-
axiomatisch Wahrhafte hält und ausgibt, der stellt sich von sehen, worin die neue logische Bedeutung besteht, für welche
vornherein außerhalb der Logik; denn er erklärt zum voraus der neue Begriff gesucht wurde. Drei Arten von Problemen
die Empfindung und das Dasein, das sie anzeigt, sind es, welche zu dieser Entdeckung getrieben haben: das
als die rechtmäßige Quelle der Erkenntnis, eine Ansicht, die Tangenten-Problem der Geometrie, das Reihen-
seit Herakht der Rechtfertigung bedarf; zu deren Prüfung Problem der Algebra, und das Problem der Ge-
und Zurechtweisung die Logik, wie man sagen kann, er- schwindigkeit und der Beschleunigung
funden ist. in der Dynamik. In diesen drei historischen Motiven ist es
Also die Wirklichkeit darf nicht mit der Realität gleich- zunächst das Problem des Ursprungs, welches Be-
gesetzt werden; denn die Wirkhchkeit ist eine Instanz der friedigung forderte. Aber die Richtung, in welcher diese
Empfindung. Und der Entsatz der Empfin- Befriedigung zur Ausführung gebracht wurde, verwandelte,
dung ist die Voraussetzung bei der Re- vielmehr präzisierte das Motiv des Ur-
alität des Unendlichkleinen. Indessen auch sprungs in das Motiv der Realität.
das Sein der Substanz ist jetzt nur störend, weil für 11. Das Tangenten-Problem. In der T a n
die Substanz Voraussetzungen in Frage kommen, welche ge n t e sollte seit Keplers Anregung der Punkt zur
hier noch nicht zu Worte kommen dürfen. Bestimmung gelangen, der zugleich der erzeugende
Das ist die Schwierigkeit, aber auch der Reiz in der Punkt der Kurve sei. Diese erzeugende
systematischen Ableitung der einzelnen Arten des Urteils; und Bedeutung steht dem Begriffe dei Rich-
nicht nur der Reiz, sondern vielmehr der methodische Wert, tung zu. Aber
Richtung ist bedingt durch den Punkt,
die
der in dem Durchsichtigmachen der einzelnen in dem sie beruht. Nur
der Punkt kann der Tangente und
Motive Hegt.Die Substanz nimmt auf die Bewegung der Kurve gemeinsam sein. Diese erzeugende Be-
Rücksicht. Auch das UnendUchkleine verdankt dieser Rück- deutung des P u n k t e s in welcher die der Richtung
,

sicht seine Aber nichtsdestoweniger muß es


Entdeckung. besteht, ist unvereinbar mit der antiken Definition, nach
im Unterschiede von der Substanz in der ihm eigentümhchen welcher der Punkt die G r e n z e der Linie ist. Jetzt bedeutet
Leistung bestimmt werden; denn diese Leistung geht metho- der Punkt etwas anderes, etwas Positiveres. Er ist nicht
disch dem Probleme der Bewegung und also der Substanz mehr nur das Ende, sondern vielmehr der Anfang der Linie.
vorauf; und sie erlangt innerhalb ihrer selbst eine geschlossene Und er bedeutet einen Anfang, der weder ein willkürhcher,
methodische Ausbilduiig, in welcher die Selbständigkeit der noch ein beliebiger ist, der etwa nur erst durch den Fortgang
Infinitesimal-Analysis besteht. Dieser Selbständig- bestimmt würde; sondern dieser Anfang, vielmehr dieser
keit der Infinitesimal-Methode muß die Ursprung der Kurve, enthält in sich das Gesetz seiner
eigene Art des Urteils entsprechen, die wir und eo ipso ihrer Richtung.
als das Urteil der Realität auszeichnen. Demgemäß muß Die Kurve wird aus der Tangente er-
die Frage nach dem Eigenwert des Urteils der Realität durch zeugt, aus dem Punkte, der ihr mit der Tangente gemein-
die fernere Frage erledigt werden: Was
bedeutet das sam ist. Und diese Erzeugung bezieht sich nicht etwa auf
Urteil der Realität in der Methode der einen einmaligen Ursprung; sondern in allem Fortgang ist
Infinitesimal-Reclinung? die Kurve der Inbegriff solcher sie er-
Cohen, Logik der reinen Brkenntnis. II. Aufl. •
130 Sein für das Werden Svbjektivüät der Zahl 1dl

zeugenden T a n g e n t c n - P u n k l e. Es ist daher wird die Reahtät der Bewegung behauptet, wie sie durch
dieser Punkt mehr als bloß ein Ursprung, der für einmal zu Galileis Fallgesetze begründet ist. Diese aber haben
genügen scheinen könnte. Es kommt darauf an, in der Kurve ihren Grund im Begriffe der Beschleunigung. Die Beschleu-
für ihren ganzen Verlauf den erzeugenden Punkt gleichsam nigung aber fordert jenen Punkt, jene Einheit, die als fest,
zu isolieren, als sollte man ihn als eine Art von ab- als absolut beleuchtet ist. Daher liegt in diesem Etwas der
solutem Punkt zu denken haben. Diese A b - Grund der Realität ; darum definieren wir diese
110 solutheit des Punktes, sofern in ihm die Rich- Einheit als Realität.
tung liegt, und die Erzeugung der Kurve ununter- 14. Die Bedenken gegen ditSubstanzi-
brochen von ihm ausgeht, zeichnen wir als Re- alisierung der endlichen Zahl. Gehen wir auf
alitätaus. die endliche Zahl zurück, so läßt es sich verstehen,
12. Die Analogien zum Punkte bei der daß die Devise des Pythagoras nicht nach ihrem wissen-
Reihe und bei der Beschleunigung. Wir schafthchen Ernste verstanden wurde. Die Zahl das Sein:
werden später sehen, daß anders auch bei der Reihe
es nicht man glaubte es nicht ernst nehmen zu dürfen. Ist doch die
sich verhält, sofern das allgemeine Ghed derselben das Gesetz Zahl etwas durchaus Subjektives, wovon man w^ohl mit Glück
der Reihe darzustellen vermag. Und ebenso werden wir noch die Anwendung auf die Dinge versucht, auf weiten Gebieten
später zu erwägen haben, wie in den Begriffen der Geschwindig- dagegen der Hoffnung auf solche entsagen muß. Diese Gebiete tu
keit und der Beschleunigung Forderung eines
die sind keineswegs nur entlegene, von der mathematischen
solchen gleichsam absoluten Punktes nicht umgangen werden Forschung erst eroberte; vielmehr stellt schon der einfachste
darf, weil durch ihn erst die Bewegung, als eine reale, von Bruch eine solche Abstraktion dar. Die Griechen, die in
einem subjektiven Ablaut von Vorstellung e n end- ihrer Arithmetik von der Einheit ausgingen, wollten den
gültig unterschieden wird. Freilich ist dieser Punkt, der die Bruch nicht als solche Einheit, und daher auch nicht als Zahl
Beschleunigung darstellt, der letzte Grund der Bewegung; gelten lassen. Die irrationale Zahl konnte erst recht
aber er selbst muß daher als ein fester Punkt stabiliert werden. daher nicht zur Anerkennung kommen. Und nicht anders
FreiHch ist er in Relation zu der Form der Bewegung, die ging es lange noch der imaginären Zahl bei C a u c h
y
von ihm ausgeht; aber für jede dieser Formen gilt er als selbst, der um die Gesetze derselben so große Verdienste hat.
absolut. S o s t e 1 1 er ein Sein im Werden dar;
1 Man machte einen Unterschied zwischen ihr und der reellen
vielmehr ein Sein für das Werden. Aber Zahl. Selbst die negative Zahl blieb lange Zeit nicht
dieses Sein ist n i c h t Substanz. ohne Schwierigkeit. Auch ihr haftete zu deutlich der Schein
13. Unterschied von der Substanz. Diese des Subjektiven an.
Substanz werden wir später vornehmlich als B e h a r r u n g Als ob aber die positive Zahl dadurch objektiver und
erkennen. Hier aber handelt es sich noch nicht um Beharrung, reeller wäre, daß sie sich bequemer und natürlicher auf die
und kann es sich um sie nicht handeln. Denn es muß erst Betrachtung der Dinge anpassen läßt. Bleibt sie denn nicht
einEtwas erzeugt sein, welches die Be- trotzdem nur ein Mittel der Anpassung und der Vergleichung
harrung auf sich zu nehmen, und in sich zu für die Dinge, die ohne sie da sind, und gesichert
tragen vermag. Dieses Etwas ist, wie man hier deutlicher sind ? Liegt denn nicht aber vielmehr darin
sieht, nicht nur Ursprung, obwohl es freilich auch allein die Objektivität eines Begriffes,
dies sein muß; sondern es wird zum Bürgen der Be- daß er ein selbständiges und zulängliches
weg u ng, auf daß sie nicht zum Schein werde. Allgemein Mittel der Sicherung und der Erzeugung, in welcher letzteren
»'
132 WaruTi nicht ein mathematiacher Kunstgriff ? Realität eigene logische Forderung 133

die erstere besteht, für den Gegenstand ist? Besteht wegungen zu beschreiben, denen und denen allein
nicht darin allein die Bedeutung eines Begriffs als Erkennt- Realität beigemessen wird ? Wie kann es also für sich selbst
nis ? Das will sagen, daß er E r k e n n t n i s ist ? und im Unterschiede von der endHchen Zahl als ReaUtät
Wenn die Zahl lediglich ein praktisches Mittel zur Ver- ausgezeichnet werden?
gleichung der Dinge wäre, so könnte ihr in der Tat Objektivität 16. Die Gefahren dieses Bedenkens. Wir
nicht zugesprochen werden. Aber die Infinitesimal-Zahl wollen diesen Fragen zunächst durch eine Gegenfrage ant-
widerspricht der Illusion dieser ausschließlichen Bedeutung worten. Sie mag an die Form des obigen Einwands anknüpfen,
der Zahl. Sie kann auf ein Ding schlechterdings nicht be- welche auf das logische Interesse dieses Vorhabens sich richtete.
zogen werden. Ein Ding läßt sich nicht als ein Unendlich- Sollte es etwa überhaupt nicht ein lo-
kleines abzählen. Zur Vergleichung also läßt sich das Un- gisches Interesse sein, eine Art des Urteils als
endhchkleine nicht gebrauchen. Aber gerade hier, wo vom das Urteil der Reahtät auszuzeichnen?. Dieses Bedenken
Standpunkte der gewöhnlichen Auffassung des Subjektiven könnte sich nur auf die Ansichten stützen, die schon zur
der Gipfel der Ungereimtheit erstiegen scheint, wo alle Ver- Aussprache gekommen sind. Sollte die Reahtät etwa der
gleichung aufhört, und daher aller Maßstab der Vergleichung Substanz anheimzustellen sein ? Aber wir haben schon
unnütz zu werden scheint, gerade hier ist die Zahl zur Aus- vorweggenommen, daß die Substanz vielmehr Beharrung
zeichnung der eigentlichen Objektivität erkoren, zu ihrer zu bedeuten habe. Diese aber setzt schon ein Etwas voraus,
Erzeugung und Sicherung ausgedacht woidtn. Sie ist an welchem oder welches als Beharrung haften kann. Oder
es, die wir als Realität bestimmen. sollte man durchaus dieses Etwas nur als ein Spiegelbild der
Die Bedenken aus dem Gesichts-
15. Anschauung denken können? Oder sollte man etwa
punkte der Subjektivität. Es könnte nun vor das Problem der Realität einem unmittelbaren Glauben an
allem der Einwand sich erheben, ob es nicht an sich falsch die Wirkhchkeit der Empfindung überantworten
sei, des Charakters uer Subjektivität überhaupt die Zahl zu müssen? Sollte man verurteilt sein, die angebUche Evidenz
112 entheben. Es könnte scheinen, als ob eine unbewußte Mystik der Anschauung oder gar der Empfindung für die letzte
dieses Verfahren bestimmte; oder aber, als ob es das grobe Zuflucht des reinen Denkens zu halten? Man sieht, daß das
Vorurteil des Empirismus, der in allen Begriffen Verkörpe- Schicksal der Logik, als der Logik der reinen Erkenntnis, davon
rungen sucht, nur verfeinerte. Warum soll man sich nicht abhängt, ob es gelingen kann, innerhalb der Logik
dabei beruhigen, daß das Unendhchkleine lediglich und aus- die Realität zu begründen.
schließlich ein Kunstgriff der mathematischen 17. Das Schicksal des Realen und die
Tech n i k dessen sich ebenso sehr die Grenz-
sei, Analysis des Unendlichen. Wenn dem aber so
metho d e , wie die Infinitesimal-Methode zu bemächtigen ist, wenn die Reahtät eine eigene Forderung und Richtung
Welches logische Interesse moti-
vermöge ? des reinen Denkens bedeutet, so wäre es nur die Fortwucherung
viert das Vorhaben, das Unendüchkleine zu etwas des empiristischen Vorurteils, welches von jeher die funda-
mehr und überhaupt zu etwas anderem zu machen als die mentalen Zahlbildungen bemängelt hat, wenn wir in dem
endliche Zahl zu sein hat; und nun gar zur Realität? Was Prinzjp des Unendüchkleinen das Prinzip der Reahtät ver-
hat das Unendlichkleine mehr mit der ReaUtät zu schaffen kennen würden. Wir werden genauer es zu zeigen haben,
als die endliche Zahl? Kann
es etwa für sich wie die Naturgesetze, in denen doch die Reahtät der Natur 113

selbst etwas ausrichten, oder bedarf es nicht Destimmt wird, nicht nur diese Buchstaben, als bequeme
vielmehr der Verbindung mit den endlichen Zahlen, um Be- Zeichen, gebrauchen; sondern wie sie in dem Begriffe, in dem
Eli
B< >

134 Formiäierung der Naturgesetze CfrenZ' Methoden 135

Prinzip derselben ihren eigenen Grund und Boden, den sie auch der Verbesserung bedürftig sein mag; der Fortschritt
nicht verlassen können, inne haben und bearbeiten. Es in der Geschichte der Analysis vollzieht diese Verbesserungen:
gibt kein anderes Mittel, die Natur- «der Grundgedanke aber, in dem die Entdeckung entsprungen
gesetze zu formulieren; nein, nicht allein ist, muß der leitende bleiben : daß das Endliche in lU
zu formulieren, sondern kein anderes einem Unsinnlichen seinen Ursprung haben
auch, sie zu begründen, den Grund für müsse.
sie zu legen und denselbigen auch zu be- Wie sehr auch Spezialfragen der mathematischen For-
arbeiten, als welches in dem Unendlich- schung der Grenz-Methode den Vorzug einzuräumen
kleinen gesichert und ausgestaltet ist. scheinen mögen, immer doch muß man dessen eingedenk
Wären wir also beschränkt gebheben auf die endhchen bleiben, daß diese eben doch nur eine Fortsetzung der
Zahlen, wie die alten es waren, so hätte es nicht zu einer Exhaustions-Methode der Alten ist, und daß diese
mathematischen Naturwissenschaft kommen können; so hätte eist überwunden werden mußte, damit die neue Methode
sich die Bewegung nicht als eine solche der Naturvorgänge, zur Entdeckung gelangen konnte. Die Grenzmethode mag
als eine reale bestimmen lassen. Am
Endhchen, auch an dem noch so sehr für die Kontrolle der Rechnung nützlich und
der Zahl, haftet unverwischlich der Schein, das Künsthche notwendig sein; die Entdeckung der Methode aber lag nicht
des subjektiven Denkens, das sich an der Empfindung orien- nur nicht in ihr, sondern in ihrem Widerspiel, in dem Gegensatz
tieren muß. Das Unendhchkleine befreit von dieser Krücke, zu ihr. Dieser Gegensatz hegt in der Behauptung und Fest-
von diesem falschen Gesichtswinkel. Die Einheiten, welche legung dessen, was endlich nicht bestimmbar sei, und dennoch,
es zu zählen sich erkühnt, sind von der Empfindung nicht und gerade deshalb den Grund des Endlichen vertreten könne.
abzulesen, und mit der Empfindung nicht zu sammeln. Sie Das ist der neue Gedanke. Und in ihm werden
sind aus dem Ursprung des Denkens, als des Seins, erzeugt. Mathematik und Naturwissenschaft ver-
Und sie sollen auf Grund dieses Ursprungs das Seiende selbst einbart. Denn das Reale, das die Naturwissenschaft
bedeuten. sucht in allen ihren Bestimmungen, die Mathematik verleiht
18. Differenz der infinitesimalen Re- es ihr. Deshalb darf der Begriff, in welchem diese Verleihung
alität vom Ursprung. Diese Bedeutung des Seins sich vollführt, Reahtät genannt werden.
wohnt jedoch dem Ursprung an sich nicht inne. Das Urteil 19. Realität und Beharrung. Wir haben
des Ursprungs besagt nur, daß das reine Denken mit dem schon mehrfach den Zusammenhang und den Unterschied
Ursprung beginnen müsse, sofern es das Denken der Er- von Realität und Beharrung gestreift, und ge-
kenntnis, also des Seins ist. Jetzt aber sehen wir, wie auf sehen, daß Beharrung, was sie selbst auch bedeuten möge,
Grund desUrsprungs das Sein als Realität jedenfalls Reahtät voraussetzt. Wir haben aber
zur Definition gelangt. Das Unendhchkleine stellt auch schon antizipierend darauf Bezug genommen, daß Be-
es dar. Nur das Unendhchkleine vermag es. Und das Un- harrung für die Bewegung vorausgesetzt wird. Mithin
endhchkleine kann es vollständig zur Vertretung bringen. enthält die Beharrung in sich den Bezug auf ein anderes,
Es gibt kein anderes Mittel, und es braucht kein anderes ohne welches sie selbst bedeutungslos würde. Im Gegensatz
Mittel zu geben. Es ist nur sensuahstisches Mißverständnis dazu würde die Realität, wenn man sie sich unter dem Bilde
des Unendhchkleinen, wenn man nach einem andern Mittel der Beharrung vorstellen wollte, die Beharrung für sich selbst
der Reahtät verlangt; wenn man, im Besitze der Infinitesimal- bedeuten. Und an dieser Konsequenz ändert sich auch nichts
Rechnung, ein Mittel der Reahtät vermißt. Wie sehr dieselbe aus dem Umstände, daß dx in Korrelation zu x steht; denn
136 Bealitäif Beharrung^ Kontinuität
Einheit 137

für dx selbst ist diese Bedeutung der Realität zu urgieren:


Für die Realität dagegen steht nicht das x in erster Linie.
daß es ein Seiendes, vielmehr das Seiende bedeute, vertrete, Die Kontinuität bedeutet daher den Zu-
ohne welches, man möchte zu sagen versucht werden; sammenhang Zusammenhang der in-
der dx, den
auch X nicht wäre; oder besser und genauer: daß dx finitesimalen Elemente. Man ist nicht mehr
das Seiende bedeute, damit x, und sofern x in die
angewiesen auf einen andern, fraghchen Zusammenhang; nur
Bedeutung des Seienden, die ihm gemeinhin zugesprochen dieser innerlichste und intimste wird gefordert. Nur er kann
wird, in begründeter Geltung gehoben werden könne. genügen; nur er ist durchschlagend; jede andere Art des
Die Realität ist daher nicht schlechthin eine korrelative Zusammenhangs wird entbehrlich. Alle sonstigen Zusammen-
Voraussetzung; sondern sie ist das selbständige Mittel, das
hänge beruhen und bestehen in Vergleichen, die Sprünge
Seiende als solches zu bestimmen. Und es ist nur empiristisches
machen und Lücken lassen. Die Kontinuität der infinitesi-
Vorurteil, für welches x von vornherein als gegeben gilt,
115
malen Elemente dagegen bedeutet den stetigen Zu-
daß dx allenfalls als ein Beziehungsbegriff auf es zugelassen sammenhang, die Kontinuität der Realität.
werden dürfe. So ist Realität ursprünglicher Mag es sich um Zahlen, um Linien, um Bewegungen
als Beharrung. handeln, sie alle machen Voraussetzung der Realität.
die
20. Realität und Kontinuität. Auch von Sie machen diese Voraussetzung nicht nur für ihren Anfang 11«
der Kontinuität unterscheidet sich demgemäß die — dann wäre die Reahtät nur ein Beispiel des Ursprungs;
Realität. Die Kontinuität bedeutet, als Denkgesetz, den sie machen sie aber auch für jeden Fortschritt in den Zahlen,
Zusammenhang des Etwas mit dem Nichts, als seinem Ur- in den Linien, in den Bewegungen. So führt die Realität
sprung. Wie das Unendhchkleine, als ein Begriff der Mathe-
matik, zuvörderst der Qualität des Denkens, dem Denkgesetze
zur Kontinuität und enthält sie in sich. Und
auf diesem
gerecht werden muß, so muß es an seinem Teile, nämhch als
Zusammenhang der Realitäten beruht die
Ursprungsbegriff der Quantität, das Prinzip des Ursprungs
Ableitung des Gegenstands. Diese Kontinuität
der Realität reine Erkenntnis, und zwar nicht als Denk-
ist
bewähren. Dies ist aber nicht seine eigentümliche Leistung.
gesetz, sondern als reine Erkenntnis der Mathematik.
Hierin vielmehr ist das Unendlichkleine nur ein B e i s p i e 1 Realität und
21. Einheit. Wir haben von
des Urteils des Ursprungs. Also bedeutet auch die Kontinuität
Anfang an das Wort Einheit
gebraucht; auch eine vor-
hier etwas anderes, sofern sie überhaupt hier Bedeutung hat.
läufige Bestimmung des Begriffs versucht. Jetzt kommen
Sie muß etwas anderes bedeuten; denn hier kann es sich
wir auf eine neue Bedeutung der Einheit. In der Ab-
nicht um die Speziahsierung eines Denkgesetzes handeln,
solutheit und U r s p r ü ng li c h k ei t der Re-
welches vielmehr in die Quahtät gehört; sondern allenfalls
alität scheint sie sich zu enthüllen. Schon
nur um die Bewährung eines solchen, die jedoch durchgängige
in der Griechischen Spekulation zeigt sich der Drang nach
Voraussetzung ist. Wenn nun aber L e b n i z an dem
i
einer Unterscheidung zweier Arten der Einheit: des Einen
Unendlichkl'einen das Gesetz der Kontinuität (fV) und der Monade {fxovdz). Und es entsteht die Frage, ob
entdeckt und behauptet hat, wie es denn als leitendes Prinzip
die Eins selbst Zahl sei, oder nur Prinzip {agyn) der Zahl.
in diesem ganzen Gebiete sich erhalten hat, so muß diese
Galilei sagt: die wahre Einheit sei die Unendlichkeit.
Bedeutung eine von der des Denkgesetzes unterschiedene, Wir nehmen das Wort in dem Sinne auf: daß die
auf den Grundbegriff der Mathematik bezogene sein.
wahre Einheit in dem U n e n d 1 i c h k 1 e i n e n
Als Denkgesetz würde für das Unendhchkleine die Kon- bestehe. In ihr liegt die Art von Absolutheit, welche
tinuität bedeuten den Zusammenhang des x mit seinem dx.
erstlich der Ursprung begründet, dann aber die Reahtät voU-
138 JZo/iZ als Kategorie Höhere Ordnungen des Unendlichkleinen 139

zieht. Sie befreit von dem Vorurteil, als ob Dinge in ihrer Subjektives, da sie vielmehr das Fundament bedeutet, in
Mehrheit ursprünglich da sein müßten, die man hinterher welchem der Gegenstand seine Realität empfängt. Daher
zu einer Einheit, wie man sie nennt, zusammensetzen könnte. stehen die Reahtät und die Zahl in einer durch den Gegen-
Solche rückläufigen Zusammensetzungen vermögen keine stand bedingten Korrelation. In der Realität hat der Gegen-
wahrhafte Einheit zu setzen. Die Einheit geht vor- stand sein Fundament. Und diese Realität ist nichts anderes
auf. Sie bildet den Grund, das Fundament. Sie ist die als Zahl. Wäre sie etwas anderes, so wäre sie nicht Realität.
Realität. Und nur die Realität ist Einheit. Es ist nicht von Der reale Gegenstand, als der Gegenstand der mathematischen
ungefähr, daß L e i b n i z der Entdecker des Unendlich-
, Naturwissenschaft, hat seinen methodischen Grund in der
kleinen, zugleich der nachrdücklichste Verfechter der Einheit Mathematik, also in der Zahl. Alle anderen Voraussetzungen
ist. Nur die Einheit erzeugt und gewährleistet nach ihm das alle anderen Arten von Realität sind vom Übel des Vorurteils.
wahrhafte Sein. So bedeutet uns die Realität die wahrhafte Das Vorurteil der Empfindung,
als der eigentlichen und
Einheit. wohl gar alleinigen Erkenntnisquelle, hat sie ausgeboren und
22. Die Kategorie der Zahl. Demgemäß unterhält sie. Daher kann auch nur als Realität, nur als
erzeugt das Urteil der Realität die Zahl, infinitesimale Zahl die Zahl ihre Bedeutung als Kategorie zur
als Kategorie. Geltung bringen.
Nicht die Einheit ist Kategorie, sondern die Zahl, die in 23. Die Realität als reines Denken. Wir
der Einheit ihr Fundament erjangt. Dieser Anfang muß wollen schließlich noch den allgemeinen Charakter
ergänzt werden. Und sofern diese Ergänzung in anderen des reinen Denkens an dem Urteil der Realität betrachten.
Arten des Urteils zu erfolgen hat, werden auch diese an der Wir haben die Realität als Einheit erkannt. Die eine Richtung
117 Erzeugung der Kategorie der Zahl Anteil haben. Hier aber des Denkens, die in der Einigung sich vollzieht, wäre sonach
ist ihr Ursprung. Im Ursprung der Mathematik ist ihr Ur- bedacht wo aber bleibt die
: Sonderung?
Die zuletzt
sprung gegeben. Das bedeutet, daß sie ein Prinzip der Mathe- geführte Erwägung enthält die Antwort. Abkehr von der
matik, daß sie Erkenntnis sei. In dieser Bedeutung, Empfindung ist die Losung. Immerfort schleicht sich das
als Prinzip der mathematischen Natur- Endliche ein, drängt sich vor, und sucht sich allein oder als
wissenschaft, als Erkenntnis für den Ge- ursprüngHch geltend zu machen. Daher ist Abhaltung, 118

genstand bestimmen wir die Zahl als Ka- Zurückdrängung des EndUchen für das reine Denken er-
tegorie. forderlich. Freihch ist das dx für das x da; aber eben für
Die Zahl so nichts weniger als ein Z e i c h e n
ist welches
,
das X, damit dieses in seinem rastlosen Flusse einen Stillstand
man für die Kenntlichmachung der Dinge erfunden hätte. gewinne, in dem es seinen Ursprung, und darin seinen Be-
Das ist der grundsätzliche Fehler in der mittelalterlichen
stand stabiliere. Damit es entstehen könne, und zwar in
Zeichen-Theorie, für die leider auch Helmholtz
ein-
legitimer Weise, deshalb muß von ihm Abstand genommen
getreten ist: daß für sie die Dinge immer schon da sind, und
werden. Das ist die wichtige Sonderung, in der das reine
die Zahlen nur dazu dienen, die ohne sie vorhandenen Dinge
Denken im Urteil der Realität sich zu bewähren hat.
mehr oder weniger passender Weise noch zu bezeichnen. Die 24. Die Ordnungen des Unendlich-
Zahl, als Kategorie, dagegen bedeutet, daß sie als das metho- E
kleinen. Und von hier aus können wir auch die i n i
dische, unersetzliche Mittel anzuerkennen sei für die Er-
gu ng , die in der Einheit sich vollzieht, tiefer verstehen,
zeugung des Gegenstands. So ist die Zahl, wie wir schon dem Charakter des reinen Denkens gemäß, als
indem wir sie,
gesehen haben, nur für den unkritischen Empirismus etwas Durch-
Erhaltung erkennen. Sie besteht in der
ReaUm in der Sittlichkeit 141
140 Momente des reinen Denkens in der infinitesimalen Realität

Mathematik und durch diese für die mathematische Natur-


dringung von Sonderung und Einigung. Sie hat sich als der
Denn das Unendlichkleine ist nicht von Einer Ordnung. Wie wissenschaft zur Geltung gebracht.
erste spezifische Grundhegriff derselben erwiesen. Indessen
der richtige Begriff der Geschwindigkeit den der Beschleuni-
gung zur Voraussetzung hatte, so war in dem ersten Ge- auch für die Geisteswissenschaften dürfte sie
sich als der fundamentale Begriff nachweisen lassen. Wenn
danken der Infinitesimal-Rechnung, wie der Fluxions-Rech-
höheren
nung, zugleich der Begriff der Ord- schon für die Natur das Problem dringUch ist, welches die
nungen des Unendlichkleinen gelegen. An- Reahtät der Natur bildet, schon in der Antike gebildet hat,
gesichts des Unendlichkleinen zweiter Ordnung wird (Jaj> und welches die neuere Zeit inaugurierte, so möchte man
Unendlichkleine erster Ordnung zu einem Variabein, das glauben, daß es für die Sittlichkeit geradezu eine
seine Realität, das Gesetz seiner Variabilität in dem der Lebensfrage, eine Gewissensfrage sei. Das Problem hat hier
zweiten Ordnung empfängt. So bleibt also die Sonderung einen doppelten Sinn. Bei der Natur bedeutet es eigentUch
ungeschwächt in Wirksamkeit. Und die Tendenz der Son- nur die Realität der Natur. Daß dadurch auch die Reahtät
derung nicht minder, die sich eben in der Aufrichtung der der Erkenntnis betroffen und begründet wird, das wird zur
höheren Ordnung des UnendHchkleinen bezeugt. Es bewährt Nebensache; denn wenn es keine Natur gäbe, brauchte es
sich die Erhaltung, als die der Sonderung
auch keine Erkenntnis zu geben; verlöre man nichts an ihr.
in der Einigung, und als die der Einigung Bei der Sitthchkeit hingegen bedeutet das Problem
zuerst und vornehmlich die Reahtät der Er-
in der Sonderung. Und es erklärt sich so die wichtigste
kenntnis. Der Wert der Sitthchkeit beruht darauf, daß
Bestimmung im Begriffe des Infinitesimalen, nämlich die der Wahrheit der
Vorwurf und ein Inhalt, eine
Ordnungen desselben, aus dem allgemeinen Charakter sie ein
immerhin bestehen wenn
des reinen Denkens. Die Erhaltung darf nicht zum Stillstand
Erkenntnis sei. Möchte sie :

sie nicht als Erkenntnis bestände, so schiene ihr Wert


nichtig.
kommen.
Und doch bedeutet diese Erhaltung nicht etwa die So unbedingt ist die Reahtät der Sitthchkeit an die Realität
der Erkenntnis der Sitthchkeit gebunden. Sitthchkeit isrt
Identität. Denn es handelt sich jetzt nicht mehr um Sitthchkeit
eben nicht, weder tote, noch lebendige Natur.
die Qualität des Gedachten; sondern um die Quantität
des Gegenstands. Diese mathematische Bedeutung hat die blüht und welkt, entsteht und vergeht als ErkenntT is.
26.
Re-
Das Analogon der Natur zur einen
Zahl-Einheit der Realität. Die Probe der Richtigkeit dieser
alität. Aber das Problem hat hier doch noch
neuen und eigenen Bedeutung läßt sich im Unterschiede von
der Negation machen. Die negative Zahl ist nicht der zweiten Sinn, der aus dem ersten sich ergibt. Die Realität
der Sittlichkeit bedeutet zugleich ein Analogon
zur
Widerspruch; sondern sie ist eine, wie durch den Ursprung,
n» so insbesondere durch die Identität beglaubigte. Also ist Natur. Der Mensch ist dieses Analogon. Daß er ein Ana-
Verhältnis
auch die positive Zahl, sofern sie auf Erhaltung beruht, logon, und nur ein Analogon zur Natur ist, zeigt sein
Mensch
nicht in der Identität begründet. Die Erhaltung beruht auf zur Natur. Nicht schlechthin als Naturwesen ist der
Sitthchkeit; aber freiUch imWiderspruch
zur 120
einer Kontinuität, welche von der des Denkgesetzes unter- Gegenstand der
Natur darf er auch nicht gedacht werden. Das Urteil
schieden ist. Die Kontinuität der Realitäten
hat die höheren Ordnungen des Unend- der Realität enthält die V e r m 1 1 1 e 1 u n g.

auch nicht im letzten Grunde


lichkleinen zur Erzeugung gebracht. Der Körper der Natur ist
er zählbar wird,
25. Die Realität der sittlichen Er- ein Gegenstand der Sinne; und auch sofern
ist es nicht eine endUche Zahl,
die ihn begründet; sondern
kenntnis. Bis hierher, haben wir die Realität für die
142 Individuum cds Peraon Das Absolute 143

die infinitesimale Zahl macht ihn zur Realität. Analog hierzu 28. Der sprachliche Ausdruck und das
wird auch der Mensch der Sittlichkeit zu be- Absolute. Das Urteil der Realität ist ein lehrreiches
gründen sein. Realität welcher sein Wert bestimmt
ist es, in Beispiel Selbständigkeit der Logik und
von der
wird. Realität ist die erste Voraussetzung für seinen Begriff. ihrer Unbekümmertheit um den sprach-
Und wie die infinitesimale Realität Absolutheit bedeutet, so lichen Ausdruck. Es könnte scheinen, als ob es doch
auch die der Sittlichkeit. Absolutheit ist nicht nur eine besondere Wendung und Richtung des unendlichen
Isoliertheit; so wenig hier, wie dort.
Aber sie ist die Urteils wäre, welche neben dem Ursprung und allenfalls auf
Voraussetzung des Zusammenhanges, und zwar der Kon- Grund des Ursprungs die Realität erzeugte. Indessen ist
tinuität. Auch der Mensch der Sittlichkeit muß vorerst als dieser Einwand doch
vielleicht nur der Ausdruck des Vor-
eine absolute Realität gegründet sein, wenn und
urteils, daß jeder Art des Urteils eine besondere Form des
damit er für die Zusammenhänge der geschichtlichen Sittlich- sprachlichen Ausdrucks entsprechen müsse. Schon um dieses
keit reifen soll; zumal er diese Zusammenhänge nicht sowohl
Vorurteil zu durchbrechen, verlohnte es sich, diese Art des
zu überkommen, als vielmehr selbst zu stiften hat.
Urteils auszuzeichnen; ganz abgesehen von seiner Bedeutung
27. Das Individuum. So entsteht unter diesem als Grundlage für die Urteile der Mathematik. Man könnte
Urteil der Begriff des I d u u m s
n d i vals der P e r s o n
i ,
versucht sein, dem Vorurteil entgegenzukommen, und das
der Sittlichkeit. Das Wort ist ein eigentümhches Gebild der
Urteil als das absolute Urteil zu bezeichnen; denn
Sprachgeschichte. Es ist nur die lateinische Übersetzung die Absolutheit hat sich in allen Anwendungen als die Be-
des Atom. Aber wie das Atom den letzten Grund des deutung der Realität gezeigt.
physikalisch-chemischen Seins bedeutet, so bedeutet das Indi-
Das Wort hat eine große und tiefe Geschichte. Man
viduum im Unterschiede davo n die biologische Grundeinheit.
könnte sich versucht fühlen, der Vieldeutigkeit dieses Begriffs
In der neueren Zeit ist jedoch für den Menschen, als die Person
die Wurzel auszugraben. In der Realität liegt
der Sittlichkeit, der Gebrauch des Wortes vorherrschend.
Es ist also auch diese Wortbildung ein Beispiel des
der Urgrund des Absoluten, sofern es ein
Gegenstand, vielmehr ein Mittel der Erkenntnis ist. Auch
unendhchen Urteils, seiner Bedeutung, als des Urteils des
das Ablolute der Sittlichkeit hat hier seinen Grund und
Ursprungs; denn es ist der U r s p r u n g der Sittlich-
seine Wurzel. Wenn das Absolute für die Sittlichkeit noch
keit, der bei der Person der Sittlichkeit
eine andere Bedeutung haben soll, so muß auch diese auf
in Frage steht. Und das Individuum soll die Frage dieser Realität beruhen; sofern jenes andere Absolute Gegen-
lösen; in ihm nicht nur der Ursprung begründet; sondern
ist
Indessen wir verschmähen
stand der Erkenntnis sein soll.
CS deklariert seine Realität und in dieser die diesen Reiz. Die Klarheit wird nicht reiner durch jenen Namen.
Realität der Sittlichkeit. Also wie das UnendlichkJeine die
Die Kategorie selbst vermag vollgültig das Urteil zu be-
Realität bedeutet, so bedeutet das Individuum die Realität;
zeichnen.
jenes die der Natur, dieses die der Sitthchkeit. Hier wie dort
hat der Zusammenhang, der natürliche, der sittliche die
29. Die Einheit. Ein anderer Gedanke und Vor-
schlag könnte auftauchen. Wir haben die Absolutheit hin
Absolutheit zur Voraussetzung. Und gerade die Absolutheit
enthält die Bürgschaft eines echten Zusammenhangs. Für die
und wieder als Einheit Einheit ist ebenso
bezeichnet.
das Individuum, wie das Unendhchkleine. So könnte man
mathematische Naturwissenschaft erweist die Logik diesen
meinen, das Urteil der Realität lasse sich schicklich als U r t e i 1
121

Zusammenhang als Kontinuität. Was derselbe für die Sitt-


lichkeit zu bedeuten habe,
der Einheit bezeichnen. Indessen viele Fragen erheben
ist Sache der Ethik. sich dagegen; Fragen, die nicht einmal alle hier schon zur
144 Da8 Urteil der Mehrheit
Mehrheit nicht in dx und x 145

Beantwortung kommen können. Denkt man denn die Einheit


ausschließlich als absolute Einheit?
im Geiste des Parmenides korrigiert. Die Vielheit ist ein
r Wird sie nicht vielmehr
im herrschenden Sprachgebrauche, auch dem der Logik, notwendiger Begriff.
122
als Aber vielleicht ist die Vielheit, so notwendig der ihr zu-
eine andere Art gedacht, für welche die wahrhafte,
die absolute
Einheit erst den Grund zu legen hat? Die Bedeutung grunde liegende Gedanke ist, dennoch ein irreführender Aus-
der Einheit ist keineswegs einheitlich; druck. Die Empfindung ist es, welche das Viele zur Erscheinung
sondern sie spiegelt die Unklarheit ab, welche über dem Grunde bringt. Wenn daher das Viele ein rechtmäßiger und not- 123

des reinen Denkens schwebt. Und endlich werden wir wendiger Gedanke ist, so muß es erst ein solcher werden; so
sehen, muß der Schein aufgehoben werden, als ob die Empfindung
daß außer der falschen Einheit noch eine andere Art
die alleinige Quelle und die Bürgschaft für die Vielheit wäre.
der wahrhaften Einheit zu erzeugen sein wird, welcher
ihr Anteil an der Kategorie der Einheit zu behaupten
somit Deshalb lehnen wir den Ausdruck Viel-
und zu heit ab, und setzen Mehrheit dafür. Viel
sichern ist. Es muß daher auch abgelehnt werden, das
Urteil weist auf Dinge hin, welche an sich gegeben wären; Mehrheit
der Reahtät als das Urteil der Einheit zu bezeichnen.
Die dagegen enthält in dem Mehr den Hinweis auf die gedankliche
Bedeutungen der Einheit sollen durch die Kategorie der
Zahl, also in den Urteilen der Mathematik zur Erzeugung
Operation, die daher zum Grunde der Mehrheit wird. Wenn
und die Vielheit, vielmehr die Mehrheit ein notwendiger Begriff
zur Auszeichnung gelangen.
ist, so muß das reine Denken sie erzeugen; und so muß es
eine Art des Urteils sein, durch welche sie vertreten wird.
Zweites Urteil: Das Urteil der Mehrheit. 2. Die Mehrheit und die Korrelation
1. Die Vielheit. Das Urteil der Realität sollte vondxundx. Es könnte ein anderer Zweifel entstehen.
nicht als das der absoluten Einheit benannt werden.
Man könnte meinen, daß in der Korrelation von dx und x
Jetzt bereits eine Mehrheit enthalten sei. Indessen der Einwand
aber stellen wir ein Urteil der Mehrheit
auf. Darin beruht auf einem Mißverständnis des Ursprungs und der
könnte auch nach den bisherigen Erörterunger und Andeu-
tungen etwas Auffälliges hegen. Reahtät. Man muß immer bedenken, daß das x keineswegs
Wir lassen diese etwaige schon da ist, wenn und sofern dx erzeugt wird. Dasselbe
Paradoxie vorerst aber auf sich beruhen, um sogleich uns
in das neue Verlangen
giltvon der Realität. Das x, auf welches dx die Korrelation
nach der Mehrheit zu vertiefen. „Das
Eine und das Viele" hat, stehtim Hintergrunde, bildet den Zielpunkt der Tendenz.
(^V xai noXXa)
ist das Stichwort der Aber nichtsdestoweniger beherrscht dx allein die in Betracht
griechischen Spekulation. Einheit und Vielheit stehen in
kommende Realität. Die Reahtät bedeutet ja gerade deshalb
korrelativer Verknüpfung. Parmenides bestreitet zwar die Einheit, weil sie die Absolutheit bedeutet.
die Vielheit; aber er tut dies nur, um die Einheit Mehr noch
festzustellen. als durch das Urteil des Ursprungs wird also durch das Urteil
Die Vielheit war da: sie schien gegeben; niemand bezweifelte
der Realität der Gedanke abgewehrt, als ob es neben ihr noch
sie; die Einheit aber war noch nicht da; niemand
hatte sie etwas anderes geben könnte und geben dürfte, wenn nicht
erdacht. Die Vielheit war das Hemmnis, das dem neuen
vorher unbeschränkt und unbedingt ihre absolute Einheit
Gedanken Widerstand leistete. So mußte er die Vielheit als
anerkannt wird. So ist also in der Korrelation von dx und x
ein Vorurteil hinstellen, um für die Einheit das Verständnis
zu erobern. keineswegs schon eine Mehrheit enthalten. Wenn anders
Dennoch aber lag ein Mangel in der These, dem
Parmenides durch den zweiten Teil seines Lehrgedichts zu daher das Verlangen nach der Vielheit berechtigt ist, so gilt
tiilfe kommen wollte. Und D e m o k r i t hat diesen
Mangel
es, sie in dem Urteil der Mehrheit zu erzeugen. be- Was
deutet die Mehrheit, als reines Denken?
Cohen, Logik der reinen Erkenntni». n. Aufl.
!•
146 B als Inhalt Das Verschiedene und das Andere 147

Wenn wir die bisherigen Arten des Urteils überschauen, daß das Urteil demzufolge zu einer Kombination von A
so wird ein Mangel hervorstechen. Die erste Gattung, die u n d B würde. Es droht die Gefahr, daß das Denken sich
der Qualität, hat es nur auf den Wert des Gedachten ab- in Verbindung verflüchtige, während es in B vielmehr
gesehen. Der Gegenstand empfängt in ihr nur seine un- Unterscheidung erzielt. Aber auch diese ist nur ein
erläßhche Vorbedingung. Mit der Realität fängt die Berück- psychologischer Ausdruck. In ihrer Richtung hat uns die
sichtigung des eigentlichen Gegenstandes an; aber auch sie, Logik bisher nur die Negation gegeben. Diese aber be-
so fundamental ihr Wert ist, und so positiv bereits er ist, deutet den Widerspruch, der das B vernichten, und nicht zur
eine Vorbedingung bildet doch auch sie nur. Die Realität Entstehung kommen lassen würde. So stellt uns die Möglich-
124 will und soll absolut sein. Darin liegt zugleich ihr Mangel. keit des B
vor eine schwere Frage. Auch die Platonische
Das absolute Sein ist zwar die Voraussetzung für alles Sein; Ideenlehre hat sich diese Frage gestellt, und in der
aber es erfüllt das Sein nicht. Der Gegenstand der mathe- eingehenden Behandlung und der tiefen Lösung derselben
matischen Naturwissenschaft hat zwar in der Realität des liegt der beste Beweis dafür, wie genau und lebendig sie den
UnendUchkleinen sein Fundament; aber seine Struktur, Zusammenhang mit dem
Wirklichen gesucht
seinen Aufbau muß er anderswoher beziehen. Man nennt und bestimmt hat.
diesen Gehalt, dessen der Gegenstand bedarf, seinen Inhalt 4. Die Idee der Verschiedenheit. In der 125
Der Inhalt den die bisherigen Arten
ist es, Platonischen Terminologie der späten Entwicklung spielt der
des Urteils offen lassen, und den wir Begriff, die Idee der Verschiedenheit (yttgov) eine
suchen müssen. bedeutsame Rolle. Schon der Ausdruck ist lehrreich. Das
3. Der Inhalt. Daß x einen solchen Inhalt nicht Verschiedene heißt vielmehr das Andere. W^ir suchen
bildet, ist schon aus seinem Zeichen zu erkennen. Nicht das B in seinem Unterschiede vom A; wir suchen es also als
einmal die Bestimmung liegt im x; sondern nur die Be- verschieden von A. Dennoch wollen wir uns vom Platonischen
stimmbarkeit. ImA dagegen liegt kraft der Identität Ausdruck leiten lassen, und anstatt des Verschie-
die Bestimmtheit; aber sie bedeutet eben auch nur denen das Andere fordern. Je buchstäblicher
die des Gedachten. In ihr liegt noch nicht der gesuchte Inhalt. und strenger wir das B, als von A verschieden, denken, desto
Nur die Vorstufe zum Inhalt hegt imA. Es scheint behutsamer wollen wir zuerst es als das Andere denken.
notwendig, daß ein B zum A hinzutreten Man achte auf den Ausdruck: nicht als ein Anderes nur
müsse, wenn ein Inhalt entstehen soll. wollen wir das B suchen. Auch darin wird die Verschieden-
Wie kann aber ein B entstehen, wenn es heit von A noch zu sehr betont. Als das Andere müssen
nicht nur ein anderes A sein soll? Ein solches wir das B suchen; als d a s A n d e r e z u m A. So wird
anderes A wäre nur als psychologischer Vorgang, als Vor- bei und in der Sonderung zugleich die Einigung betätigt. Als
stellung,von dem ersten A unterschieden. Die Identität das Andere suchen wir B zu seinem Andern.
dagegen würde auch jenem zweiten A die Qualität des A Man sieht, daß man sichvon dem Ziel
bewahren. Wenn dagegen B ernstlich im Unterschiede von A entfernen muß in der Ergreifung des
ein B bedeutet, dann entsteht die schwere Frage: durch Mittels, dasselbe zu erreichen. Die Ver-
welche methodischen Mittel kann diesesB schiedenheit das Ziel; das Andere aber soll die Verschieden-
ist
zur Erzeugung kommen? heit abschwächen. Es ist die Frage, ob bei dieser Abschwächung
Es scheint der Kontinuität zu widersprechen, welche mit das Ziel in seiner Schärfe erreichbar wird. Die Vereini-
der Identität verbunden ist, daß ein B entstehen könne, und gung, die sich dabei zwischen Sonderung und Einigung
10
Sinn der Zahl als Sein 149
148 Das Zeichen +
Aufgabe auf die Summanden; sondern die Summierung
herstellt, darf uns nicht abstumpfen gegen die strenge Forde- selbst, in welcher die Summanden erst entstehen, bildet
rung der Verschiedenheit. Der Platonische Terminus wollte die Aufgabe; und ihre Möglichkeit ist das Problem.
uns nicht zu einer oberflächlichen Glättung verführen. Erinnern Wir werden hier an die eine der beiden Richtungen in
wir uns vielmehr, daß wir in der Erzeugung der Urteile der allem reinen Denken, an die S o n d e r u n g erinnert. D i e
Mathematik begriffen sind. Den Ursprung der Zahl hat die Möglichkeit der Hinzufügung wollen wir
Realität enthüllt. Aber in diesem Ursprung ist die Zahl auch aus der Sonderung verstehen lernen. Ist
absolut. Sie widerstrebt also der Mehrheit, die sie doch eben-
doch die Sonderung nicht etwa die Absonderung von Ele-
falls begründen muß. Sie könnte scheinen den Charakter der
menten, die an sich schon gegeben wären; sondern vielmehr
Identität rückhaltlos zu wahren, wenn sie nicht die
eine Ersonderung, eine Erzeugung der Sonderung, in
unendlichen Ordnungen des Unendlich- welcher die zu sondernden Elemente selber erst erzeugt
kleinen in sich enthielte. So verrät sie in ihrem werden. Man sieht, daß die beiden Richtungen des Urteils
eignen Begriffe die Forderung, welche über ihre absolute Die Mehrheit
in prägnantester Weise hier zusammengehen.
Einheit hinausgeht. Und so ergibt sich auf der höchsten suchen wir, und auf dem Wege der Sonderung sollen wir sie
Spitze ihrer Entwicklung die Möglichkeit, weil die Not- Und indem wir so die Mehrheit finden sollen,
finden.
wendigkeit, ihres Zusammenhangs mit der endhchen Zahl, Verschiedenheit erlangen. Und
sollen wir sie als
also mit der Mehrheit. Die Grundoperation mit der endhchen
in der Verschiedenheit sollen wir den Inhalt erlangen.
Zahl kann es uns lehren, wie das B dadurch, daß es als d a s
Es ist, als ob wir in einer neuen Beleuchtung den Satz des
Andere gesucht wird, zu einem Anderen, als dem Verschie- Pythagoras erkennen sollten.
denen, wird.
Wie kann die Zahl das Sein bedeuten?
1S6 5. Die Bedeutung des -f. Bei dieser Schwierig-
doch ein Gebild der Mehrheit, die in der Sonderheit
Ist sie
kann uns ein Blick auf einen leitenden Gedanken unserer
keit
besteht? Und die Spaltung, die Zerreißung, sie sollte den 127

Einleitung zurechtweisen. Die Erzeugung selbst


Zusammenhang des Inhalts bedeuten und vollziehen, den das
ist das Erzeugnis. (S. 29, 53 ff.) So muß auch der der
Denken für das Sein fordert? Wie anders aber sollte
Inhalt durch Methode seiner Erzeugung bestimmbar
die gewinnen lassen,
Inhalt, den das Sein bedeuten muß, sich
werden. Wir suchen den Inhalt in der Verschiedenheit. Wir wenn nicht als Zusammenhang? Der Satz des Pythagoras
müssen die Verschiedenheit aber als Mehrheit suchen Dem-
lehrt uns jedoch nicht nur die methodische Wahrheit, die in
gemäß müssen wir auch die Mehrheit in der Tätigkeit
Dies der Vorzug des
dem Begriffe der Zahl hegt; sondern er offenbart uns zugleich
erzeugen, in der sie sich vollzieht. ist
die logische Grundlehre, daß der Inhalt alles Denkens nur
wird nur die Hinzu-
Urteils vor der Kategorie. So durch die Methodik zu erzeugen sei, welche in der Son-
nahme, Hinzufügung zum A das eigent- derung zur Hinzufügung wird. In dieser
liche Problem; und das symbolische Zeichen derselben
Doppelbedeutung der Sonderung enthüllt sich
die Aufgabe, so die Lösung enthalten.
muß, wie
-f-, eine neueKategorie.
Wie ist Aufgabe selbst zu verstehen? Es gilt vorerst
diese
Die Kategorie der Zeit. Nach Aristo-
6.
zu erkennen, daß das Zeichen der Hinzufügung ein funda- teles haben die Pythagoreer neben der Zahl zum
mentales logisches Problem anzeigt; und nicht etwa nur ein Prinzip des Seienden gemacht die Z e i t. Bei Aristoteles ist
psychologisches. Wie ist diese Erzeugung zu bewirken? Denn
ein ihr entsprechender Begriff als Kategorie bezeichnet. Und
eine Erzeugung wird durch das Zeichen aufgegeben. Und nicht
seine Physik enthält ihre eigentlichen Tiefen in der Erörterung
etwa allein, noch auch nur in erster Linie richtet sich diese
Provisorischer und eigevUUcher Inhalt 151
150 Schivache der reinen Anschauung

der Zeit. Die neue "Wissenschaft der Dynamik ist auf den der Reinheit dagegen bringt sie auf beiden Seiten in Gefahr.
Begriff der Zeit gegründet. Das Zeitdifferential Als ob das Denken subjektiver wäre als die Anschauung; und als
mußte schon von Galilei als Realität gedacht und geltend ob die Anschauung ihre Gegebenheit nicht vielmehr zu erzeugen
gemacht werden, wie dies später zu betrachten sein wird. i e D hätte, als ob ihr Inhalt in anderer Bedeutung als gegeben
Zeit, Realität, als Realisierungsfun-
als gelten dürfte, als in welcher sie ihn gibt. In der Tat ist ja der
dament, das wurde die Losung der neuen Schematismus ein Zeichen davon, daß Kant in den

Zeitalter. Die Renaissance wird nun ferner durch die Kategorien an sich die ReaUsierung nicht als zulängHch an-
Behauptung des Bewußtseins charakterisiert. Das erkannt hat.
Subjekt wird ihr vorzügliches Objekt. Demgemäß spitzen sich Andererseits aber ist es ein bedeutsames Symptom seines
ihre Probleme in dem unmittelbarsten Selbstzeugnis der Sub- Idealismus, daß er die Zeit zum Schema
macht; daß
jektivität, in der Zeit zu; vielmehr sie lassen in ihr ihre Wurzel alle Realisierung der Kategorien in der Zeit erfolgen muß;

erkennen. Sie scheint zwar die subjektivste Quelle des Subjekts daß er somit die Zeit zum Bett für allen Fluß der ReaUtät
zu sein. Sie scheint das Symbol des Vergehens zu sein, welches, machte. Dennoch aber bleibt die Zeit die Form der Anschauung,
wie das Subjekt, so die Dinge kennzeichnet. Nichtsdesto- die, alsSchema, nur eine neue Leistung vollzieht. Das Mehr, das
weniger aber wird gerade dieses Symbol d3s Wechsels zur ihr, alsAnschauung, zustehen soll, macht jedoch ihre Reinheit
Grundlage des Seins; diese Signatur des Subjektiven zur verdächtig. Die Gegebenheit bedroht die Reinheit. Geht etwa
Bürgschaft des Objekts. das Denken weniger auf den Gegenstand ? Soll nicht auch der
7. Kants Begriff der Zeit. Kanthat daher Gegenstand des Denkens zum Gegenstande der Erfahrung
die Zeit zu einem Pfeiler seines Systems gemacht. Aber nach werden, also auf Erfahrung bezogen, mithin gegeben sein?
seiner Einteilung der „formalen Bedingungen der Erfahrung" So macht die Anschauung sich selbst und das Denken verdächtig.
hat er die Zeit als „Form der reinen Sinnhchkeit," als „Form der 8. Die Modi der Zeit. Die Zeit hat zwei
reinen Anschauung" ausgezeichnet. Er steht dabei durchaus Modi: die Folge und das Z u g 1 e i c h s e i n. Kein
auf der Höhe der durclr Galilei eingeleiteten Bewegung, Zweifel, Kant hat bei der Definition der Zeit in den wichtigsten
die in Newton ihren vorläufigen Abschluß erlangt hatte. synthetischen Grundsätzen diese beiden Erscheinungs-
Es ist auch interessant zu beachten, wie bei Kant die Zeit nicht weisen der Zeit zur Bestimmung gebracht. Die wichtigsten
sowohl zum Fundament der Zahl wird ; sondern vorzugs- Kategorien erbrachten diese Bestimmung. Aber das eben ver-
weise zu dem der Bewegung. Es ist, als ob die Zeit auf die missen wir bei der Definition der Zeit, daß die Kategorien
erst die Bestimmung zu erbringen hatten; daß die
Er-
128 intellektuelle Bahn des Denkens geriete, wenn sie als Bedingung
der Zahl bestimmt wird. Sie soll aber mehr zu bedeuten haben, scheinungsweisen selber nicht schon in der Grundbestimmung
als Denken zu bedeuten hat; sie soll Gegebenheit ver- der Zeit mitbegründet wurden. Das ist der Grund-
treten. diese Gegebenheit ist zwar rein, wie wir
Auch von mangel in der ganzen Konzession der reinen
der Anschauung es schon erörtert haben (S. 12); aber diese Art Sinnlichkeit, daß sie zwar nur provisori- 12»

der Reinheit soll dennoch von derjenigen unterschieden bleiben, schen Inhalt liefert, dennoch aber die
über welche das Denken verfügt. Indessen diesen Unterschied eigentliche Kraft des Inhalts in sich bergen
soll.
Vermischung von ^
in der Reinheit bestreiten wir.
Die Reinheit darf nur von Einer Art sein. Dadurch wird der Denken ,

Sie bedeutet die Erzeugung der Erkenntnis auf allen ihren und Vorstellung Vorschub So erscheint die
geleistet.

Stufen zur Erzeugung des Gegenstandes. Die Unterscheidung Zeitfolge als psychologische Sukzession, als ob die Suk-
152 Die Zeit und dcu Unendlichkleine Nacheinander ein Nachbild 153

Zession an und für


sich gegeben wäre, und nicht vielmehr erst Obwohl die Zeit seitdem Anfang der philosophischen
dadurch, daß erzeugbar wird, zum Urbild des Objekts würde.
sie Spekulation in deren Mittelpunkte gestanden, hat sie doch
Und was von der Folge gilt, trifft um so schwerer bei dem vielleicht von allen Grundbegriffen dieser Spekulation am
Zugleichsein. Die Koexistenz wird ja ohnehin von der meisten unter dem empiristischen Vorurteil gelitten. Auch
Empfindung vorgespiegelt. Wenn die Zeit jetzt unter ihre Auszeichnung als Kategorie kann nur dann dagegen helfen,
diesem Modus als gegeben gelten soll, so wird dadurch dem wenn als Denken als reines Denken genau und er-
Schein der Empfindung das Wort geredet. Auch das Zugleich schöpfend gefaßt wird; nicht aber etwa als die wie immer
muß vielmehr erzeugbar werden, wenn es gelten soll. spontane Bearbeitung eines anderswoher zu beziehenden
Alle diese Bedenken werden gehoben, indem wir uns ent- Stoffes. Diese erzeugende Bedeutung der Kategorie bewährt
schließen, die Zeit wieder als Kategorie anzuerkennen. Die sich in typischer Weise an der Zeit. Und wenn man selbst
Gegebenheit, derentwegen sie als Anschauung angenommen die Zeit als die Form des inneren Sinnes, und diese
wurde, soll ihr ungeschmälert als Erkenntnis zukommen. Von schlechthin als die Form des Inneren auffaßt, als das
der Anschauung also geht ihr nach deren Werte nichts ver- Gesetz, unter welchem das Innere zu seinem Inhalt ge-
loren aber das Denken bedarf ihrer Hilfe. Die Mehrhei t
;
langt, also eigentlich erst zum Inneren wird, so fehlt dabei
und die Sonderung, die zu ihr führen sollen, fordern ein noch viel, noch die Hauptsache zur Bestimmung der Zeit.
neues Erzeugungsmittel, in dem die beiden Richtungen des 10. Nicht Nacheinander und Folge. Wie
Urteils zu einer neuen und fundamentalen Erzeugung sich kommt denn in Form der Zeit das Bewußt-
betätigen. Das Denken, das Urteil, kann diese Erzeugungs- sein zu seinem Inhalt? Man antwortet: dadurch,
weise nicht anderswoher erborgen; sie ist ihre eigenste Aufgabe, daß die Vorstellungen nach einander den Schau-'
die sie vollführen muß. Alle ihre weiteren Aufgaben hängen platz des Bewußtseins beschreiten, und natüriich auch verlassen;
davon ab, daß sie sich ihrer bei diesem Neubeginn nicht ent- denn sonst würde kein Platz für sie übrig bleiben. Aber wie
ledigt. Im Unendlichkleinen hat das Urteil diese entsteht denn dieses anscheinende Nacheinander,
Aufgabe bereits auf sich genommen. in welchem die Zeit einhergeht ? Ist es nicht, als wenn die Zeit
9. Die Zeit und der Inhalt. Jetzt gilt es, dieses Nacheinander nicht sowohl selbst vollzöge, als vielmehr
sie auch für die endliche Zahl durchzu- an ihm und gemäß ihm abschritte? Das Nacheinander scheint
führen. Und nicht allein für die Zahl; sondern nicht minder nicht das Vorbild zu sein, nach welchem die Vorstellungen
auch für die Bewegung. Und nicht allein für diese ist sie
ihren Ablauf ordnen; sondern das Abbild jenes Ablaufs. Der
als Bedingung zu erkennen sondern um; allen Inhalt, um Fehler liegt aber noch tiefer darin, daß bei dieser Bestimmungs-
die Möglichkeit des Inhalts handelt es weise der Zeit die Vorstellungen selbst schon
sich. Wennanders dies die Bedeutung der Kategorie ist,
da sind, und nur ihre Form, ihre Ordnung durch die Zeit
bleibt. Deshalb muß das Bild des
als reine Erkenntnis Bedingung des Gegenstands zu sein, so
zu bestimmen
ist vorzugsweise der Zeit diese Bedeutung zuzusprechen, weil
Nacheinander aufgegeben werden, weil es
ohne sie keine Mehrheit, also kein Inhalt entstehen kann. Hier unter dem Banne des Nachbildes steht.
ist die eigentliche Schlacht gegen die Empfindung
zu
Schon der Modus der Folge ist irreführend; übrigens
schlagen, welche den Stoff, den vermeintUchen Inhalt dem
auch ungenügend, weil zu ihm das Zugleichsein hinzu-
Denken zu überiiefern vorgibt. Dagegen kann die Distinktion kommen muß. Dabei erscheint aber das Letztere selbst als eine
130 der Anschauung nichts ausrichten. Hier kann nur die Kategorie
Folge des Ersteren. Es ist, als ob die Folge zum Stillstand käme,
schlechthin von durchschlagender Bedeutung werden.
und sich dabei in das Zugleichsein verwandelte. So bleibt die
AfUizipatton Vorwegnahme und Hinzufügung 155
154

Folge die Grundbestimmung, ohne die das Zugleich sich nicht auf. So entstehen in ihnen die beiden Punkte, welche die
ins Werk setzen könnte. Außer dem Widerspruch aber, in Reihe bilden. So entsteht in ihnen die erste Form
welchem die Folge, wie eben betrachtet, zu dem Begriffe der der Mehrheit: in der Ersonderung der Ver-
131 Erzeugung steht, enthält sie noch ein anderes Hemmnis. Man gangenheit von der ursprünglichen Tat der
könnte glauben, sich die Zeit als die Kraft vorstellen zu dürfen, Zukunft. Wo bleibt denn aber die Gegenwart, die
welche in der Tat das Nacheinander bewirkt. Dann aber müßte man als den festen Punkt anzusehen pflegt? Sie ist nichts
man annehmen, daß das in der Sukzession folgende B nach- weniger als dieses sie schwebt in der Reihe, welche von
;

gezogen würde an das A. Darin aber liegt ein jenen Punkten lediglich gebildet wird, sie besteht in dem
neuer Fehler in dem Begriff der Folge. Schweben zwischen der antizipierten Zukunft und deren Nach-
Vorwegnahme. Die Zeit erscheint bei dieser
11. holung, deren Abklang, der Vergangenheit. Wir werden später 132

Ansicht nur retrospektiv, während Rückschau und Vor- sehen, daß sie in der Zeit allein überhaupt gar nicht zustande
schau in der Zeit zum mindesten abwechseln. Oder sollte kommt. Die Zeit, die vorzugsweise das Organ der Zukunft ist,
diese charakteristische Richtung der Zeit nur etwa in ihre sie ist die Kategorie der Antizipation.
psychologische Betrachtung gehören, nicht aber in die logische? 12. Das Zeichen +. Diese Herausforderung der Vor-
Es sind also nicht nur zwei Modi, unter denen die Zeit erscheint; wegnahme bezeichnet das Plus Zeichen. Es ist das
sondern zur Folge tritt, wenn man das Zugleich- Symbol, der Heroldstab der Zeit. Man
darf dieses Zeichen
sein unangetastet läßt, die Vorwegnahme hinzu. nicht als ein selbstverständliches ansehen. Wie ist das Ver-
Und es wird die Frage entstehen müssen, ob nicht dieser der fahren möghch, zu welchem jenes Zeichen auffordert? Wir
Zukunft entsprechende Modus die ursprüngliche haben gesehen, daß die H
i n z u f ü g u n g nicht ursprüngUch
Tendenz der Zeit zum Ausdruck bringt. ist; daß vielmehr die Sonderung ursprüngUch angesetzt
Während bei den Sensualisten die Folge als Ausdruck der werden muß. Und die Sonderung hat uns zur Zeit geführt,
Zeit bevorzugt wird, hat der mathematische Sprachgebrauch in der wir die V o r w e g n a h m
e als das Ursprüngliche
den Terminus der Reihe herbeigebracht. Wir werden später erkennen. Die Vorwegnahme soll uns nun auch
sehen, wie dieser Terminus von logischer Wichtigkeit auch in die Hinzufügung zur Bestimmung bringen.
anderer Beziehung wird. Für die Zeit ist er schon deshalb der So Mehrheit entstehen, und in ihr der Inhalt,
soll die
Folge vorzuziehen, weil in der Reihe die Tätigkeit des Reihens und durch diese Vermittlung endlich die Verschieden-
hervorsticht. Andererseits aber setzt das Reihen die Reihe heit, als der eigentliche Inhalt.
sich zum Ziel. Also blickt sie vorwärts; nicht rückwärts, Um
diesen Umweg aber zum geraden Wege zu machen,
wie die Folge. Die Reihe erzeugt das Folgende ,als ein Folgen- wird es zweckmäßig sein, das Symbol zu ändern.
sollendes, Folgenmüssendes. Das Folgende wird also Gewöhnlich setzt man an, und auch wir waren davon aus-
vorweggenommen. Diese Vorwegnahme ist die eigent- gegangen: A +B. B bezeichnet nun aber das Verschiedene,
Hche, die Grundtat der Zeit. Die Antizipation ist von dem wir absehen wollen, um nur auf die Mehrheit zu achten.
das Charakteristikum der Zeit. Man müßte also ansetzen: A + A. Dagegen erhebt sich zunächst
Die Zukunft enthält und enthüllt den Charakter der Zeit. das Bedenken, daß A, der Identität gemäß, überhaupt nur
An die antizipierte Zukunft reiht sich, rankt sich die Ver- als A gedacht werden darf. Was soll es daher bedeuten, daß
gangenheit. Sie war nicht zuerst; sondern zuerst ist es hier zweimal auftritt? Soll etwa die Mehrheit dadurch
die Zukunft, von der sich die Vergangenheit abhebt. erzeugt werden, daß die Identität verletzt, oder auch
Angesichts des Noch-nicht taucht das Nicht-mehr nur vernachlässigt wird? Wenn anders nun aber die Identität
156 A Korrelativ zur Antizipation Kategorie der Zahl 157

nicht verletzt werden soll, so bleibt A immer nur A; und suchen den Inhalt suchen daher die Verschieden-
;

A + A wird logisch bedeutungslos; und die Mehrheit wird heit; suchen daher die Mehrheit; denn um die Ver-
alsdann logisch nicht erzeugt. schiedenheit zu finden, müssen wir sie erst in Mehrheit ab-
Man könnte zu einem andern Auskunftsmittel greifen schwächen. Die Verschiedenheit wird nicht ausgegeben, sondern
wollen, indem man A+x ansetzt. Dabei würde von der Be- nur zurückgeschoben. Wir durften aber die Mehrheit nicht an-
stimmtheit des Inhalts ausdrückhch abgesehen die ; nehmen, weder als ein B, noch als ein A, noch als ein x, sondern
Identität bhebe also ganz außer Frage, nur die Bestimm- lediglich unter dem Zeichen der Antizi-
barkeit wird in x vorausgesetzt. Es könnte scheinen, als pation, welcher die Rückschau entsprechend wird. Es war
ob dadurch am unverfänglichsten die Anlage zum Inhalt aber unvermeidUch, diese beiden Korrelativa der Zeit als Ele-
getroffen würde. Indessen bewegt sich diese Anlage nicht mehr mente zu denken. Sie wurden als Zukunft und Ver-
auf dem reinen Felde der Zeit. Die Vorwegnahme eines x ist gangenheit bezeichnet; und es gilt nun,zu erkennen, daß
nicht mehr die bloße Tat der Zeit; es wirkt hier vielmehr schon auch in diesen Zeitbestimmungen Inhaltselemente zur
eine andere Kategorie, die der Zahl, mit. Wenn wir dagegen Anlage gekommen sind.
13» den Anteil der Zeit rein bestimmen wollen, so dürfte es daher 14. Die Zahl und die Empfindung. Es muß
zu fordern sein, das gesuchte Symbol als A+ .... daher geboten erscheinen, diese Inhaltselemente zur Ent-
anzusetzen. Keine Art von Inhalt, weder ein bestimmter, noch wicklung zu bringen. Diese notwendige Entwicklung liegt
ein bestimmbarer, wird jetzt bezeichnet, auf den die Vorweg- derjenigen Kategorie ob, deren Bedeutung bereits in dem
nahme sich zu beziehen hätte. Nur die Vorwegnahme Urteil der Realität hervorgetreten ist, die nunmehr aber nach
selbst bildet die Tätigkeit und die Tat der ihrem Werte für die Erzeugung des Inhalts entfaltet und be-
Erzeugung. stimmt werden muß der Kategorie der Z a h 1. Sollten wir
:

13. Die Stufen in der Erzeugung des In- etwa Anstoß daran nehmen, daß die Zahl hier von neuem 191

halts. Das erste A selbst rückt jetzt in die Vergangenheit auftaucht, nachdem sie schon in einer voraufgehenden Urteilsart
zurück; aber es ist nicht etwa die Gegenwart, von welcher fungiert hatte? Von solchen äußerlichen Bedenken sind wir
die Tätigkeit ausging. Die eigentümliche Tätigkeit der Zeit ist frei. Die Kategorien sind nicht in die Urteilsarten eingezwängt;
auf die Zukunft gerichtet, die sie vorwegnimmt. Das sondern wachsen aus ihnen hervor, und verjüngen sich in ihnen.
Plus-Zeichen bezeichnet diesen eigensten Inhalt der Zeit- Es ist zunächst wiederum als die Tendenz der Zahl
erzeugnisse. Erst rückwärts bildet sich daher zu erkennen, das einseitige Interesse an der
aus dem+allein dasA+...A entsteht erst als der Verschiedenheit abzustumpfen. Allem Sinnen-
Beziehungspunkt zur Antizipation; und nur in dieser Korrelation schein zuwider soll eine Art von Identität behauptet und
besteht es; eine andere Art von Inhalt bedeutet es nicht. Die durchgeführt werden. So hat Pia ton die Zahl den
Zeit hat nicht die Aufgabe und nicht die Kompetenz, eine andere Pa räklet des Denkens genannt; den Wecker, der in der
Art von Inhalt zu erzeugen als nur diese Korrelation Empfindung selbst das Denken herbeiruft. Die Dinge stellen
von Zukunft und Vergangenheit. in der Empfindung eine Verschiedenheit des Inhalts dar, und
Also kann sie auch an sich noch keine Mehrheit er- so drohen sie auseinanderzufallen und unvereinbar zu werden
zeugen, sofern dieselbe eine andere Art von Inhalt zu vertreten und der Einheit des Seins zu widerstreben. Die Einheit des
hat als den jener Korrelativa der Zeit. Seins aber bedeutet die Einheit der Wissenschaft. Die Wissen-
Vergegenwärtigen wir uns vor dem Weitergehen, was schaft steht auf dem Spiele bei der Frage der Zahl. Wenn es
wir durch die Vermittlung der Zeit gewonnen haben. Wir der Zahl möglich wird, jenen Zerfall der Dinge, nüt dem die

W i
158 Die Ordnungen des Unendlichkleinen Einheit der Mehrheit 150

Empfindung bedroht, vermeidlich zu machen, so ermöghcht dadurch von vornherein als Einheit der Mehrheit gedacht.
sie die Einheit der Wissenschaft und in ihr die Einheit der Natur.
Die Zeit wirkt hier schon als Motivmit. Die
Wiederum zeigt sich P y t h a g o r a s als der ewige Antizipation, welche die Reihe aufrollt, entwirft die Anlage
F'ührer; die Zahl ist das Sein. Nur scheinbar hat
zu diesen Einheiten, die eben schlechterdings im Plural nur
Parmenides ihm widersprochen. Die Vielheit, die er be- zudenken sind. Nicht die Einheit ihrerseits erzeugt die Mehrheit,
streitet, ist keineswegs die Zahl, die vielmehr als Einheit von
die etwa nur ihre Summe, der Erfolg ihrer Seibstvermehrung
ihm anerkannt wird. Die Vielheit ist das Bild der E m p f i n - Mehrheit erzeugt sich
wäre; sondern umgekehrt die
düng. Anstatt der Vielheit suchen wir daher die ihr passende Einheit, die nur additiv zu
dieMehrheit, als dieZahl. Sie sieht von der Ver- denkten ist.
schiedenheit der Dinge ab und will eine Einheit bedeuten, So schmiegt sich diese additive Einheit, diese Einheit
welche die vielen Dinge vereinbar macht. Aus dieser Verein- der Mehrheit an die Antizipation der Zeit an. Die Antizipation,
barung erst kann eine berechtigte Verschiedenheit ableitbar welche bei der Zeit nur auf Elemente der Zeit gerichtet sein
werden. kann, bringt nunmehr die Herausforderung, welche in dem
Wir haben schon bei dem Urteil der Realität gesehen, Plus-Zeichen liegt, zur Ausführung. In diesem Zeichen wird die
daß diese Verschiedenheit mögUch wird, gerade da, wo die abso- Mehrheit gedacht, wird sie erdacht. In der Mehrheit treten
lute Einheit sich festzusetzen schien. Aber gerade die Konti- daher die Einheiten ebenso auseinander, wie zusammen. Son-
nuität, welche den Zusammenhang zustande bringt, läßt in den derung und Einigung durchdringen sich, wie überall im reinen
Ordnungen des Unendlichkleinen die tiefste Denken. Eine Einheit des Denkens ist die
Begründung der Verschiedenheit aufkommen. Mehrheit; und Gebilde, Erfolge des reinen
Indessen werden in dem Begriffe, in dem Gedanken dieser Denke n.s sinddie Einheiten dieser Mehr-
höheren Ordnungen andere Begriffe der Zahl tat- heit. Der Wert der Abstraktion, den die Zahl in dieser
sächlich vorausgesetzt und auf die infinitesimale Zahl über- Einheit bewährt, wird wahrUch dadurch nicht geringer, daß
tragen. Handelt es sich doch überall in der Infinitesimal- die Einheit hier nicht ursprünghch, sondern vielmehr Erfolg
136 Rechnung um
solche Übertragungen und Vereinbarungen. Und ist. Darauf eben kommt es an, die Mehrheit als die Kate-
ist doch das Unendlichkleine selbst der Ursprung des gorie zu erkennen, die sich ihre Art von Einheit herbeischafft.
Endlichen, der endlichen Zahl. Wir müssen daher jetzt endlich 16. Die Einheit der gebrochenen Zahl.
zu dieser übergehen, um in ihr die Mehrheit zu erzeugen. Um den Wert der Einheit, als eines Erzeugnisses des reinen 138
15. Die Zahl und die Einheit. Das ist die neue, Denkens, anßer Zweifel zu stellen, dürfte der Hinweis auf den
die große Leistung, welche die Zahl erzeugt, und deshalb ist sie Bruch genügend sein. Die Griechen haben den Bruch
als Kategorie auszuzeichneneinem neuen
: daß sie in als Zähl nicht anerkannt, weil sie die in ihm sich vollziehende
Sinne die Einheit erzeugt. Vor ihr gibt es Einheit nicht erkannt haben. Allerdings ist es die Mehrheit,
keinB, keinAund auch keinx; sondern nur 1. die in ihm sich darstellt, die in ihm wirksam ist; aber, da diese
Die Zahl bedient sich somit scheinbar desselben Mittels, mit Mehrheit Kategorie ist, so kommt ihr, als solcher, der Wert
dem die Realität bestimmt wurde. Aber das Unendlich- einer Denkeinheit zu. Und mehr sollte doch auch die gewöhnhche
kleine bedeutet die absolute Einheit, die in allen ihren Ver- Einheit der ganze n Zahl nicht sein müssen. So ist der
wendungen stets nur als Einheit gelten soll. Das ist daher die Bruch also nicht bloß eines der Mittel, die Mehrheit darzu-
Zahl der Realität. Jetzt gilt es die Zahl der Mehrheit. Wenn stellen, welche sonst durch Einheiten dargestellt wird; sondern
auch diese auf die Einheit rekurrieren muß, so wird diese Einheit er ist selbst Einheit, und abgesehen von der Mehrheit, welche

'(;
>1

^^^r

160 Bruchzahl Stellenwert 161

Zähler und Nenner in ihm ausmachen, ist er trotzdem eine als ein Voraus erkennen lassen. Diesen Zusammenhang der n

Einheit, die jedoch nur ein Gebild, ein Erfolg der Mehrheit ist. Zahl mit der Zeit müssen wir noch weiter betrachten.
Deshalb läßt sich dieEinheit der Mehrheit 18. Das Additions-Theorem. Zunächst erklärt
genauer in der Bruchzahl erkennen als in sich aus diesem Zusammenhange unmittelbar das Addi-
der ganzen Zahl. Die Relativität dieser Einheit, ihre tions-Theorem. Nach demselben ist a + b = b + a.
Korrelativität zur Mehrheit wird unmittelbar deutlich; oder Wir kennen den wahren Grund nicht der erstere Ausdruck ist
:

man müßte ihr den Charakter der Zahl überhaupt absprechen. der ursprüngliche, sondern der letztere. Der Weg, der zu a
Wenn man den Bruch eine „relative Zahl" genannt hat, so wird zurückführt, hatte in der Antizipation von b seinen wahren
dadurch nur um so bestimmter der Charakter der Zahl in ihm Anfang. So verstanden, ist auch der zweite Ausdruck nicht
bestätigt. Die Relativität der Bruchzahl be- ausschließlich der ursprüngliche; vielmehr setzt auch er den
steht in der K o r r e a t v t ä t von Einheit
1 i i ersten voraus, in welchem b durch die im Plus Hegende Vor-
und Mehrheit. Diese Korrelativität schUeßt den Ge- wegnahme erzeugt wird. So bildet Plus den eigent-
danken aus, daß die Einheit als eine starre, sei es gegebene, sei es lichen Ausgang, und nicht das a, zu welchem daher der
absolute gedacht werden dürfte; die gegebene wäre die un- zweite Ausdruck erst zurückführt. So ist die Antizi-
statthafte der Empfindung; die absolute aber hat eine andere pation der tiefere Grund der Addition.
Wurzel und Bedeutung. Ihrem Begriffe nach ist die Einheit Und die Hinzufügung erweist sich so als
der Mehrheit den Abstraktionen zugänglich, denen die arith- reine Sonderung, als Ersonderung. Die Elemente
metische Operation sie unterwirft. der Zeit sind die ursprünglichen Elemente der endhchen Zahl.
17. Die Fortsetzung der Stufenfolge in 19. D
e r S t e 1 1 e n u n t e r s c h i e d. Aus diesem Zu-
der Tendenz der Mehrheit. So haben wir denn die sammenhange mit der Zeit dürfte sich auch die Bedeutung des
Tendenz der Mehrheit an den folgenden symbo- Stellen-Unterschieds der Zahlen ergeben, deren
lischen Wendungen betrachtet. Der Inhalt soll gewonnen Entdeckung durch die Inder L a p i a c e als eine Entdeckung
werden. Deshalb bedürfen wir der Verschiedenheit. ersten Ranges bezeichnet hat. Auch hier ist das Fort-
So entsteht A + B. Aber auf dem Wege der Mehrheit soll schreiten charakteristisch. Je weiter die Antizipation
die an sich nicht erzeugbare Verschiedenheit zur Erzeugung rückt, die hier nur in dem V o r w ä r t s r ü c k e n der Stelle
gebracht werden. Es genügen daher weder A + A, noch A + x. sich vollzieht, desto höher steigt der Wert der Zahl. Und nur
Es ist eben die Zahl nötig und nicht nur irgendein symbo- in der Stelle liegt dieser Wert der Zahl: nur in der Antizipation.
lisches Zeichen, um für die Verschiedenheit als Mehrheit wirksam Es ist daher nicht richtig, wenigstens wird dadurch nicht der
zu werden. So entstand uns A + 1 oder vielmehr, der neuen 1
; ursprüngliche Wert beleuchtet, wenn dieser Stellen-Wert als !4
gemäß: 14-1. Die Einheit ist nicht nur Ziffer, Zeichen; ein Wert der Lage bezeichnet wird. Die Stelle gehört ur-
sondern sie ist der neue Begriff, den die Mehrheit gefordert und
n la?

erzeugt hat. Sie ist die Einheit der Mehrheit.


sprünglich der Zeit an; nicht aber dahin, wohin die Lage sie
bezieht. Die Unterscheidung, also die Erzeugung der Stelle
Sie ist nicht bloß Eins, sondern ebensosehr ein Bruch. Erinnern ist Sache der Zeit. Und das Vorwärtsrücken ist die Vorweg-
wir uns aber, daß diese neue Bedeutung der Zahl und diese nähme, die eigenste Tat der Zeit. Also auch in dieser funda- 138
Kategorie der Mehrheit der Hilfe und Mitwirkung einer anderen mentalen Operation der Bezeichnung und Erzeugung des Zahlen-
Kategorie bedurften, nämhch der Zeit. Das Plus-Zeichen, wertes läßt sich die Wirksamkeit der Zeit erkennen. Und da der
dessen die Zahl bedarf, hat sich als die Leistung der Zeit heraus- Stellenunterschied eine Erzeugungsweise der Mehrheit ist, die
gestellt. Das Plus hat sich vielmehr als ein Vorwärts und Mehrheit aber der Verschiedenheit dienen soll, so läßt es sich
Cohen, Logik der reinen Erkenntni». II. Aufl. 11

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lli

162 Bolxano Verschiedenheit und Oegenaatz 163


'

man
der Zeit selbst die
verstehen, daß
Vertretung der als eine Kategorie auszeichnen. Man könnte dies
Verschiedenheit zuschreiben konnte. So hat Bol- erwarten, da ja die Identität als solche bestimmt
wurde.
zano die Zeit definiert: daß sie das sonst Iden- Indessen im Hinblick auf die Identität wird dieser Zweifel
tische verschieden mache. Indessen scheint hier gründlicher gehoben. Man könnte sonst meinen, die Ver-
eine Verwechselungvon Zeit und Zahl begangen zu werden. schiedenheit werde durch die Mehrheit, also durch die Zahl

Wir wollen daher den Zusammenhang von Zeit erledigt. Indessen erkennen vAt die Zahl nur als das
methodische Mittel, die Verschiedenheit zu bearbeiten.
und Zahl noch genauer erwägen.
Ob aber dieses Mittel für alle Fälle anwendbar wird, in denen
I it
20. Zahl, Zeit und Widerspruch. Es ist
nicht nur Verkennung der Zahl und Herabminderung ihres Verschiedenheit auftritt und Vorwurf wird, darüber wissen wir
unver- noch nichts; darüber war bisher nichts ausgemacht. Es ist
Wertes, welche bei ihrer Verwechselung nüt der Zeit
der daher Vorsicht nötig; und so wenden wir uns an die Mehrheit
meidUch ist; sondern es ist ebensosehr Beeinträchtigung
darin latent ist. von neuem, ob sie auch in dieser Hinsicht über die Methodik
reinen, erzeugenden Bedeutung der Zeit, welche
Daß der ungelehrte Mensch und der gelehrte keinen Wider- der Zahl hinaus Schutz und Hilfe zu bieten vermag.
Wir
spruch bilden, das- soll die Zeit verantworten, die den einen orientieren uns an der Identität. Sie wurde unterstützt,
ge-
in den andern zu verwandeln vermöge.
Ist denn dies schützt durch die Verneinung des Widerspruches. Dies Ver-
Zeit? neinung
aber die eigentümliche, die ursprüngliche Bedeutung der ist unverletzlich und unbedingt. Die Verschieden-
Stellt sich in dieser Ansicht von der Zeit nicht
vielmehr das heit, die hier Problem ist, kann ihr keinen Eintrag tun
Nacheinander der Empfindungen und der sollen. So entsteht der Begriff des
Gegensatzes. Der
Vorstellungen dar; nicht aber die erzeugende Leistung Gegensatz ist unterschieden vom Wider-
der Zeit? Für diese Ansicht sind schon empirische Zustände, spruch.
Menschen mit Attributen der Kultur gegeben, auf Welche die 22. Gegensatz und Widerspruch. Man könnte
Zeit angewendet wird. Bei solchen Voraussetzungen läßt sich
fragen, ob nicht der Gegensatz als Kategorie aus-
der reine Wert der Zeit durchaus nicht ermitteln. gezeichnet werde. Indessen beruht der Zweifel auf dem Miß-
In der Tat bereitet sich in der Zeit die verständnis der Kategorie und ihres reinen erzeugenden W^ertes.
Auflösung des Widerspruchs vor, nämhch in der Der Widerspruch ist Kategorie und muß es
Vorwegnahme des Attributs der Gelehrsamkeit. Aber der sein; er hat das
Recht der Verneinung zu erzeugen. Der
methodische Weg bei der Auflösung des Widerspruchs und der Gegensatz aber ist keine ursprüngliche
Erzeugung der Verschiedenheit geht durch die Mehrheit, also Richtung des reinen Denkens; so wenig als die Ver-
durch die Zahl. Nicht durch das Nacheinander der Zustände schiedenheit eine solche zu bedeuten vermag. Ver-
wird die Verschiedenheit; denn Zustände sind überhaupt schiedenheit ist ein Problem. Und auch der
nichts Ursprüngüches für das reine Denken, wie wir später Gegensatz ist nichts als ein Problem; der letztere nur
sehen werden. Sie haben etwas zur Voraussetzung, wozu etwa weniger als die erstere, weil er schon eine Stufe in der
wiederum die Zahl die notwendige Voraussetzung bildet. Und Lösung des Problems bezeichnet. Die Kategorie für diese
so sind es die zwei Menschen, die Möglichkeit, die Zweiheit, Probleme und bleibt die Mehrheit. Zunächst als Zahl; und
ist

also eine Mehrheit an ihnen zu unterscheiden, worauf wo die Zahl zur Bestimmung der Verschiedenheit nicht aus-
die Verschiedenheit letztlich zurückgeht. reichen sollte, da macht sich die in ihr wirksame
Sonderung
139 21. Verschiedenheit nicht Kategorie. So alsGegensatz geltend. Auch im Gegensatz bleibt es nicht bei der
erklärt es sich, daß wir die Verschiedenheit nicht Sonderung; die Einigung stellt sich auch in ihm her.
164 Diskretion und Zuordnung Kontinuität und VerscJiiedenheit 165

Hier scheint es nicht einmal der Zeit zu bedürfen, um Elemente voneinander getrennt und geschieden. Als
in der Überwindung des Gegensatzes die Eimgung zustande solche Mittel der Trennung werden vorzugsweise die Zahlen f
zu bringen. Genauer betrachtet aber beruht auch die Aufhebung gebraucht und geschätzt. Darauf beruht die Zuordnung,
140 des Gegensatzes auf der MögUchkeit der Antizipation. Und die nicht mehr Gemeinsamkeit schaffen soll, als die Sonde r,-
auch die Zahl bleibt darin in latenter Mitwirkung; denn auf heit vertragen kann; denn auf sie vorzüglich
ihrer Unterscheidung beruht im letzten Grunde
doch die kommt es an. Die Mehrheit ist Ersonderung; Sonderheit
Gegenüberstellung der Gegensätze, wenngleich die Be- soll sie Freilich soll die Zahl die
erzeugen und festhalten.
arbeitung derselben durch die Zahl nicht erschöpft werden mag. Elemente zu einer Sammlung, zu einer Art von Einheit 141

Indessen erfordert dieser letztere Gedanke eine wichtige bringen; aber diese Einheit ist eben Mehrheit, die schlechter-
Einschränkung, die uns tiefer hineinführt in das Verhältnis dings auf Sonderheit beruht. Wie steht es dabei aber die um
zwischen dem Problem der Verschiedenheit und der Kategorie eigentlichen, tieferen, sachlichen Interessen der Verschie-
der Zahl. Wir erinnern uns, daß die Zahl nicht erst im
Urteil denheit ? Werden diese wirklich durch die Mehrheit, als
der Mehrheit entstanden ist. Sonderheit; durch die Zahl, als Diskretion, gefördert?
23. Wiederum
die Stufen. Die Kategorie der 25. Diskretion und Kontinuität. Wir haben
Zahl trat zuerst im Urteil der Realität auf. Aber es war das gesehen, daß der Diskretion für den Ursprung der Zahl die
Unendlichkleine, als der Ursprung der Zahl, der, als Kontinuität entgegentrat. Sie ist das Prinzip des Unendlich-
solcher, nicht die Zahl selbst
Unter- ist. Wir erkennen den kleinen. Und den Sinn der Infinitesimal-Rechnung haben wir
schied der absoluten Einheit von derMehr- darin erkannt, daß sie die Mathematik zur Mathematik der
h e i t. Die Mehrheit erst macht die Bedeutung der Zahl deutlich, mathematischen Naturwissenschaft macht. In der Natur-
die in nichts anderem besteht, als darin: Verschieden- wissenschaft ist es die Verschiedenheit, welche das Problem
heit zu erzeugen dadurch^ daß sie dieselbe zum Gegen- bildet. Freilich sind es die Dinge, die unter dem Zeichen dieses
satze abmildert. Die Reihe, die in der Zeit entsteht, Problems erscheinen. Aber wir werden sehen, ob die mathe-
bildet gleichsam das Schema für die Aufstellung der Gegensätze. matische Naturwissenschaft an den Dingen selbst das Problem
Der Gegensatz wird förmlich zur Gegen- ergreift,und nicht vielmehr an einem anderen Begriffe, der
stellung. Das Liegen, mit dem in der Terminologie des zur Erzeugung des Gegenstands verhelfen kann. Dieser andere
A r i s t 1 e 1 e s der Gegensatz behaftet blieb {avtixeioSai), wird Begriff hat das Unendlichkleine zur Voraussetzung. U n d s o
durch die Zahl beseitigt. Die Zuordnung richtet ist es die Kontinuität, mit welcher das
die Gegensätze auf, und stumpft sie zugleich ab. Problem der Verschiedenheit im letzten
Sie werden in Reih und Glied gestellt; aber sie Grunde und mit denentscheidendenMitteln
stehen in dieser Mehrheit ein jedes an seiner Stelle, und bearbeitet wird.
behaupten sich so, als eine Art von Selbständigkeit. Die Mathematik bleibt nicht bei den diskreten Zahlen
Diese Sonderheit gehört zur Mehrheit; sie liegt im Begriffe stehen; sie sieht in ihnen nicht die echten Symbole der Ver-
derselben: Sonderung und Einigung. So könnte es scheinen, schiedenheit; derjenigen Verschiedenheit, die ein lösbares
als ob die Mehrheit, als Zahl, mehr als genug täte, um die Ver- Problem bildet. Sie durchbricht alle jenen Diskretionen, welche
schiedenheit zustande zu bringen. Diese Leistung der Zahl die diskreten Zahlen schaffen und stehen lassen; vielmehr sie
bedeutet die Diskretion. durchfließt sie. Kein Bruch bleibt bestehen, und keine selb-
24. Die Diskretion. Mittelst der Zahl werden die ständige Einheit jener Mehrheit. Die absoluten Einheiten des
Elemente, werden die Dinge als selbständige Unendhchkleinen lassen keine Kluft und keinen Sprung und

; 1
Suhjektivität der Zahl 167
166 Variabilität

keinen Abstand bestehen; Kontinuität durch waltet in ihnen Ordnung in der Mehrheit vereinigt werden. Und so erkennen wir
das Seiende; welches kraft dieser Kontinuität die vielgeahnte diesen halben Weg in seiner Selbständigkeit und Unersetzhch-
Identität mit dem Denken eingeht. Freilich handelt es sich dabei keit. Was die infinitesimale Zahl darüber hinaus zu leisten
nicht um Zuordnungen, als eigentliches Ziel;
mehr vermag, bedarf nichtsdestoweniger ihrer Mitwirkung.
um stetige Neuerzeugung des Ur-
sondern Die Mehrheit ist also eine ebenso selbständige und eigen-
sprungs; aber das Unendhchkleine wird in der Rechnung tümliche Richtung, wie die Realität. Die Zahl fängt zwar in
mit den endlichen Zahlen verbunden; und nur in dieser Ver- dem Unendhchkleinen an; aber dieses selbst kann mit sich
bindung hat es Sinn und Bedeutung. Damit wird es den Zwecken nichts anfangen, wenn es nicht mit der Mehrheit verbunden
der Zuordnung dienhch gemacht. So entstehen dem Unendlich- wird. In Rücksicht auf die endliche Zahl ist die Realitäts-
kleinen notwendigerweise
selbst die höheren Ord- zahl erzeugt worden. In der Infinitesimal-Me-
nungen. Diese aber werden, wie wir früher schon andeuteten thode wird x, als die endliche Zahl, schon
112 (S. 148), zu den tiefsten Mitteln, die Verschiedenheit rechnerisch in Mehrheit vorausgesetzt; denn es wird
zu begründen. Und so sehen wir es wieder, daß, jemehr durch diesem x die Variabilität zugedacht. Darin
die Ausbildung der Zahlbegriffe die Verschiedenheit einge- besteht der Unterschied von x und A, sowie der von x und 1,
schränkt wird, sie destomehr gerade zur Begründung gelangt. daß in x, weil die Bestimmbarkeit, deshalb die Va-
Die Kontinuität schafft eine gediegenere riabilität gedacht wird. Diese aber ist der algebraische Be-
Diskretion, als diese selbst gewährleisten griff der Mehrheit. So wirkt in der Variabilität 143

konnte. das Antizipationsprinzip der Zeit wieder


So sehen wir denn, wie die Mehrheit das Problem der durch. Immer aber ist es die Mehrheit, welche in der Gegen-
Verschiedenheit an ihrem Teile keineswegs vollständig zu lösen stellung der Elemente diese selbst als Gegensätze und damit
vermag; wie sie auf halbem Wege stehen bleiben muß, um als Inhalt erzeugt. Das ist ja der Zweck, dem die Zeit, dem
die tiefere Bewältigung dem andern Zahlbegriff wiederum zu
die Zahl zu dienen hat : den I n h a 1 1 zu erzeugen. Er bildet
überliefern. Wir erkennen so von neuem den intimen Zu- das eigentliche Problem. Die Probleme der Verschiedenheit
sammenhang zwischen den beiden Arten der Zahl, wie sie in und des Gegensatzes bedeuten nur Mittel und Wege, um den
den beiden Arten des Urteils entstehen. Was auf dem halben Inhalt zur Erzeugung zu bringen.
Wege, den die Mehrheit durchmißt, in diesem Sinne entsteht,
das ist der Gegensatz, dcs^jn methodisches Bild die dis- So löst sich nun auch die Paradoxie, daß die Zahl, die man
krete Zuordnung ist. für schlechterdings subjektiv hält, zur eigentlichen Quelle
26. Der Gegensatz und die Variabilität. des Objektes wird. Pythagoras hat recht behalten: die Zahl
Es lassen sich auch alle Grundoperationen der Arithmetik als erzeugt den Inhalt. Sie darf das Sein bedeuten. Aber dieses
solche Gegensätze erkennen. Sie alle vollziehen sich in korre- Sein, dieser Inhalt ist in der Antizipation der Zeit geboren;
lativen Methoden, in denen die Gegensätze sich durchführen und die Mehrheit in der Sonderung der Gegensätze hält ihn
und als solche sich auflösen. Und auch die Algebra arbeitet zusammen. So bleibt dem Inhalt ein scheinbar subjektiver
in diesen Gegensätzen, indem sie die Variabilität zum Charakter; denn die Mehrheit ist Sonderung. Aber dieser
Prinzip der Mehrheit macht. Überall ist es Sonderung, Erson- Schein des Subjektiven ist hinfäUig. Die Erzeugung selbst ist
derung, welche in den Methoden Gegensätze aufrichtet, welche das Erzeugnis. Diesen Wert des reinen Denkens macht die
durch die Korrelation dieser Methoden ebenso zur Schlichtung Mehrheit vielleicht mehr als jede andere Art des Urteils ein-
kommen sollen, wie die diskreten Einheiten durch ihre Zu- leuchtend. In der Erzeugung selbst, welche die Mehrheit
168 Einzelheit Einzelheit in der Mehrheit 169

vollzieht, entfaltet sich der erste Ansatz des Inhalts, nachdem breche. Indem die Einheit zur Einzelheit wird, läuft sie Ge-
der Ursprung ihn erzeugt hat. fahr, den logischen Wert der Einheit zu verHeren; denn worin
27. Das Einzelne. An dieser Stelle dürfte sich ein soll sich diese Einheit bezeugen und betätigen? In der Er-
Einwand erheben. Wir haben im Urteil der Realität die ab- zeugung der Einzelheit? Diese bildet freihch das härteste
solute Einheit erzeugt; im Urteil der Mehrheit die Einheit der Problem, und es wäre der höchste Triumph des Denkens,
Mehrheit: gibt es denn keine Einheit, die sich selbständig wenn es diese Frage zu erledigen vermöchte. Wenn nur nicht
und als solche in einer Art des Urteils betätigt ? Die traditionelle dem Denken dabei die schwerere Gefahr entstände, seinen
Logik unterscheidet das singulare, das einzelne Urteil Wert Denken einzubüßen und zu dem Wert herab-
als reines
von dem partikularen, dem besonderen Urteil. Wird da- zusinken, den K a n t für ewige Zeiten als analytisches Denken
gegen hier die Einheit, als Einzelheit, und gestempelt hat. Das reine Denken ist das Denken der Er-
das einzelne Urteil überhaupt gestrichen? kenntnis, und die Erkenntnis ist das Prinzip der mathemati-
Wir erkennen in der Tat einen verhängnisvollen Fehler schen Naturwissenschaft. Man wird vergebheh in der Literatur
der traditionellen Logik in der Auszeichnung dieser Art des dieser Prinzipien nach einem Symptom suchen, das die Einzel-
Urteils. Und ebenso läßt sich bei Kant alle Schwierig- heit als Einheit, vielmehr die Einheit als Einzelheit begründet.
1 I keit, die in seiner Bestimmung der Wirklichkeit stehen Die UnendUchkeit proklamiert Galilei als die wahr-
geblieben ist, auf die Korrespondenz zurückführen, die er Mit der Einzelheit operiert das gemeine Denken.
hafte Einheit.
zwischen der Kategorie der Einheit und dem einzelnen Urteil Die Wissenschaft setzt sich die Einzel-
aufgestellt hat. Also hat das einzelne Urteil schon an sich heit zum Problem; aber zur Behandlung
eine Einheit. Von welcher Art aber ist diese? Eine Mehr- dieses Problems benutzt sie die Einheit.
heit ist noch nicht da, auf die sie bezogen wäre und an der Und von dieser Einheit haben wii* zwei Arten bisher kennen
sie sich betätigen könnte. Was kann die Einheit bedeuten, gelernt. Die Einzelheit ?ber ist nicht Ein-
U4 wenn sie nicht in der Mehrheit gedacht wird? Die Einheit heit, ist keine Art der Einheit. Sie gehört schlechterdings
wird so zur Einzelheit, wie sie in dem einzelnen Urteil sich der Mehrheit an. Das einzelne Urteil bildet nicht eine eigene
vollzieht. Damit aber dringen von allen Seiten die elemen- Art des Urteils, sondern es gehört dem Urteil der Mehrheit
tarsten Zweifel ein, die von jeher den Begriff des Sein belagert
haben. Ist etwa die eine Richtung des aristotelischen
an. Das reine Denken wird in Frage gestellt, wenn diese
Arten von Urteil und Kategorie ausgezeichnet werden.
n
Duahsmus im Rechte, welche das Einzelne {zoSezi) als das Durch die Einheit, als Einzelheit, wird nicht nur der Wert itf
Seiende nimmt? Oder hat nicht vielmehr die Scholastik des reinen Denkens überhaupt gefährdet, sondern auch der
recht mit ihrem Satze: Singulare sentitur? Damit Begriff der Einheit. Wir werden alsbald sehen, daß
wird aber das Einzelne aus dem Bereiche des Denkens ge- die Einheit weder durch die absolute Einheit der Realität,
stoßen und der Empfindung zugewiesen. Dieser jedoch dürfen noch durch die der Mehrheit vollständig vertreten wird.
wir kein letztes, entscheidendes Recht überantworten. Aber wir können schon jetzt sehen, wie aller geistige Wert,
Sofern wir die Einzelheit anerkennen, der von jeher der Einheit zuerkannt wurde, bei ihrer Ver-
muß sie im reinen Denken erzeugbar wer- bindung mit dem einzelnen Urteil bedroht wird. Wir werden
den. Das aber ist die Gefahr, welche die traditionelle Logik später sehen, daß die Einzelheit als eine Kategorie ganz anderer
heraufbeschwört, indem sie das einzelne Urteil als eine Art Art zu suchen sein wird, so daß die Einheit an sich
i
des Urteils, und demgemäß die Einheit als Einzelheit aus- dem eigentlichen, schwersten Problem,
zeichnet daß sie dadurch den Kreis des reinen Denkens durch-
: das die Einzelheit der Logik aufgibt, gar
170 Einzigkeit Besonderheit 171

nicht gewachsen ist. Also auch von selten der die Anzahl der Fälle kommt es ihr an, aus welcher die
Einzelheit angesehen, ist ihre Gleichsetzung mit der
Einheit Mehrheit sich bildet, sondern daß überhaupt eine
verlorene Liebesmühe. Wie sehr die Einheit dagegen zur Mehrheit bestimmbar werde, darauf ist das
Mehrheit gehört, ist zur Genüge erörtert. Interesse der Induktion gerichtet. So entsteht der Mehrheit
28. Die Einzigkeit. Ein Einwand dürfte noch selbst, abgesehen von ihren Einheiten, ein eigener und eigen-

zu erwägen sein, der für die Selbständigkeit des einzelnen Ur- tümlicher Wert.
teils sprechen könnte: er betrifft den Begriff
der Einzig- 30. Die Besonderheit. Die Besonderheit
keit. Indessen bildet dieser Begriff nicht ein einfaches bildet diesen eigenen Wert, den die Mehr-
Urteil,sondern vielmehr ein e x p o n i b 1 e s wie die alte
, heit nur vorbereitet. Diese Besonderheit hat eine an-
Logik die Urteile mit „nur" bezeichnet. Einzig heißt nur dere Bedeutung als die Sonderheit der Diskretion, die durch
i \
Eins. Dieser Inhalt ist aber nicht ausgezeichneter als der: die Kontinuität zu korrigieren war. Der Besonderheit der
nur Zwei, nur Drei. Die Rechtfertigung des Urteils dieser Induktion kann diese Korrektur nicht zugute kommen; sie
Art kommt daher überhaupt nicht dem Urteil der Mehrheit könnte ihr nichts helfen. Die Besonderheit bedeutet dort viel-
zu ; und andererseits darf die Bedeutung der Einzelheit keines- mehr eine eigene Art von' Zusammenhang, dessen eigentliche
wegs auf die der Einzigkeit beschränkt werden. Nur das ist Bedeutung erst im Kampf der Wege der For-
beiden gemeinsam, daß sie der Tendenz der Zahl entsagen schung zur Klarheit kommen kann: der jedoch hier schon
oder sich ihr widersetzen. Das Problem
der Einzel- im Zusammenhange der Mehrheit vorgezeichnet werden darf.
heit kann durch die Zahl nicht gelöst wer- Mag er auch zunächst nur als provisorisch gelten dürfen, so
den. Und der Bedeutung der Einzigkeit tut schon der bezeichnet diese Vorstufe doch eine wichtige und unausweich-
Schein ihrer KoUision mit der Zahl Eintrag. Daher werden liche Etappe auf dem Wege der Forschung, der die Selb-
Mittel-
die Bemühungen der monotheistischen Philosophen des ständigkeit darum nicht verkümmert werden darf, weil sie
alters verständlich, die Einheit Gottes
von dem Kon- weiterer Ergänzungen fähig und bedürftig ist.
flikt mit der Zahl zu befreien. Die Besonderheit der Induktion ist die Voraus-
29. Die Induktion. Die Selbständigkeit des ein- setzung eines Zusammenhangs, dessen Er-
zelnen Urteils ist demgemäß aufzugeben. Die Einzelheit ist füllung, wie wir sehen werden dem Begriffe und
als Einheit der Mehrheit erkannt und bewahrt. Wir wollen noch weiter hinauf liegenden logischen
jetzt

zum Schlüsse nur noch betrachten, wie die Mehrheit auch Operationen obliegt. Wenn anders aber der Begriff
über die engeren Probleme der Zahl hinaus eine wichtige eine reine Erkenntnis ist, so ist somit auch die Partikularität
Leistung bedeutet. Der Weg der Forschung —
wir werden eine Leistung des reinen Denkens. Ihr Kategorie ist die Mehrheit.
ihn später erst zu erörtern haben —
geht nicht nur unver- 31. Besonderheit, societas und Gesell-
146 mittelt von den reinen Erkenntnissen, sondern auch, schein- schaft. Wie die Induktion von der mathematischen Natur-
bar umgekehrt, von den Tatsachen
aus, von deren Samm- wissenschaft zu der beschreibenden überleitet, so
lung und Sichtung. Es ist nur Schein, daß dieser Weg durch- wollen wir endlich auch die Bedeutung der Mehrheit für die
aus der umgekehrte wäre. S o k r a t e s der die Logik des
, Geisteswissenschaften wenigstens andeuten. Vor
Begriffs erfunden, hat auch dieInduktion proklamiert. allem sei darauf hingewiesen, daß im juristischen Sprach-
So hängen Induktion und Begriff zusam- gebrauche, allerdings, wie S a v i g n y sagt, nicht im klassi-
men. Die Mehrheit aber ist es, in welcher die R c h t u n g i schen, das Einzelne der Mehrheit zugerechnet \^ird; so in der
der Induktion zuerst vorgezeichnet wird. Nicht auf s i n g u 1 a r i s oder particularis successio. 147
FreU und starre Verbände 173
172 Qesellachaft

in ihrer Einzelheit zugleich eine Besonderheit dar. Diese


Wichtiger aber dürfte die juristische Bedeutung der
Besonderheit ist durchzuführen, auch allen sonstigen Ver-
Mehrheit in dem Begriffe der societas werden. Eine Mehr-
einigungen gegenüber und ihnen entgegen selbst, in denen
heit von Personen wird hier in eine juristische Ein-
Menschen und Völker gesammelt, gebunden oder verbunden
heit verwandelt, in die Einheit eines Rechtssubjekts.
werden.
So prägnant wirkt hier die Mehrheit, als Besonderheit In-
dessen an der Geschichte des Begriffs der societas bewährt
Es könnte scheinen, als ob diese Besonderheit selbst eine
Ihre Be- zwingende wäre, der gegenüber jene anderen freiere Verbände
sich die Eigenart der Mehrheit viel tiefer noch.
bedeuteten. Aber die Bedeutung der logischen Mehrheit be- 148
deutung geht dabei von der Rechtswissenschaft auf die e t h i
-
seitigt diesen Zweifel. Nicht auf die Anzahl der einzelnen
sehen Grundlagen derselben über; und sie erweist
Einheiten kommt es bei der Mehrheit an; diese bilden nur die
sich als eine der tiefsten und der wirksamsten Voraussetzungen
des modernen Naturrechts. negativen Bedingungen; die Mehrheit selbst gilt es zu erzeugen
Aus dem Rechtsinstitut der s o c i e t a s als eines Kompagnie- und festzuhalten. So ist auch in der Idee der Gesellschaft die
Einzelheit ihrer Glieder, die Einzelheit der Einrich-
geschäfts, ist durch die Vermittlung des Völkerrechts,
des. Jus gentium, und seiner Verbindung mit der stoi-
tungen des Rechts und der Kultur überhaupt nur die all-
gemeine, unentbehrliche Voraussetzung. Keiner dieser Ver-
schen Idee der societas humana der moderne Begriff der
Gesellschaft geworden. Rehgion und Staat konnten der bände aber gilt für sie, so weit er ein Einzelnes bedeutet, als eine
Macht dieser neuen Idee nicht Widerstand leisten; sie mußten Schranke ihrer durchgreifenden Wirksamkeit. So bewährt
sievielmehr in ihre eigenen Motive aufnehmen, oder gar als eines sich die übergeordnete Bedeutung der Mehr-
derselben anerkennen und beglaubigen. heit gegenüber dem Einzelnen, das ihr doch
Aber die Idee der Gesellschaft stellt nur eingeordnet ist. Und wenn dieses Einzelne sich auch
ein eigenes Problem auf. Sie widerstrebt und einen höheren Anschein gibt, so enthüllt die Mehrheit seine
steuert dem Zentralismus, der allein sonst die Bedeutung eigentliche Bedeutung.
des Gesetzes sich anmaßt. Die Gesellschaft ist der Pro- Die Gesellschaft ist daher der Kirche und dem Staate
metheus, der von den Fesseln des Buchstabens des Gesetzes gegenüber zu der kritischen Macht geworden, welche das
befreien will. Die Menschen sind nicht nur in Kirchen und Singulare und daher das Vergängliche in ihnen
in Staaten vereinigt, noch nur in ihnen vereinbar. bloßstellt. mehr sein; sie wollen die umfassendsten
Sie wollen
So ideal die Gesellschaft ist, so sehr sie eine bloße Ab- Zusammenhänge und die höchsten Einheiten bedeuten; aber
straktion zu bedeuten scheint gegenüber dem eisernen Gefüge die Mehrheit, als Besonderheit, bewährt und beschränkt
jener Zentren, so ist sie nichtsdestoweniger eine starke ge- ihre logische Eigenart und Selbständigkeit, indem sie jenen
schichtliche Macht, deren revolutionierender Wirksamkeit keine starren, geschlossenen Verbänden ihre lockere, freiere
Die Idee der Ge-
Gewalt Einhalt zu bieten vermag. Einigung entgegenhält, die auf reiner Sonderung beruht.
sellschaft, die Idee des Sozialismus ist Man will Wir werden dieses Mehr alsbald logisch kennen
mehr.
die sittliche Idee der Weltgeschichte; die lernen; man glaubt die Partikularität darüber verschmähen
sittliche Idee, durch welche die Geschichte der Völker Welt- zu dürfen; aber der logische Wert der Besonderheit macht
geschichte wird und werden wird. sich auch für die SittUchkeit geltend. Was auch jenes an-
Unddiese fundamentale Idee der Ethik
ist, wie wir gebUche Mehr rechtmäßig zu leisten haben mag: die Besonder-
erkennen, die Leistung des Urteils der Mehrheit. Die Men- heit darf dennoch nicht verkümmern; andernfalls verkümmert
schen und die Völker, sie bleiben nicht Einzelne; sie stellen jenes angebliche Mehr.
.', <

174 Allheit oder Allgemeinlieit Daa Allgemeine der Syllogistik 175

Es ist nur Schein und Vorurteil, daß die Gesellschaft, fahrens jedoch, welche der Syllogismus zu vollführen ver-
die ethische Besonderheit weniger bedeutete an innerlichem mochte, steht im schroffen Gegensatz zu den Methoden, in
Zusammenhang als jene anderen Verbände; sie treibt denen das Beweisverfahren der Wissenschaft sich voll-
vielmehr, führt zu der wahrhaften Vereinigung,
sie zieht. Nicht, daß nicht auch die Wissenschaft des Schlusses
die durch jene nicht zustande kommen will und kann. In sich bediente; aber dieser Dienst, zu dem sie den Schluß ge-
der Menschheit wächst die Gesellschaft gleichsam über braucht, ist ein im besten Sinne formaler. Die Verkettungen
sich selbst hinaus. Aber darin eben offenbart sich der eigene der Gedanken werden in den Schluß ketten entfaltet, ent-
% und unersetzliche Wert der Kategorie der Mehrheit, daß sie wickelt und durchsichtig gemacht. Die Klärung in der Dispo-
sich selbst die Spitze abbricht, ebenso wie sie ihre Einheiten sition der Gedanken führt alsdann zu der Prüfung und Kon-
149 enteinzelt und zur Einordnung bringt. Als Mehrheit ist sie trolle der einzelnen Glieder in dieser Kette, und zur Unter-
nicht abgeschlossen und will nicht abgeschlossen sein. In scheidung der Beweiskraft, die einem jeden von ihnen beiwohnt.
dieser Idealität bestätigt und erfüllt sich der reine und selb- Mit solcher kritisierenden Geltung ist jedoch die meta-
ständige Wert des Urteils der Mehrheit. Die Besonderheit physische Logik des Syllogismus nicht befriedigt. Es ist von
\k
und nur die Besonderheit ist ihre Losung. historischer Bedeutung, daß man die Reihe der logischen 150

Schriften des Aristoteles unter dem Namen des r -


g a n o n zusammengefaßt hat die Logik des Aristoteles, die
:

Drittes Urteil: Das Urteil der Allheit. in der Theorie des Syllogismus gipfelt, will nicht nur zur Dis-
1. DasAllgemeine. Sollen wir Allheit sagen, oder position und allenfalls zur Kontrolle mit dem höchsten Auf-
etwa Allgemeinheit? Die Geschichte der Aristote- gebot des Scharfsinns erfunden und gepflegt sein; sie will
lischen Logik und Metaphysik hat das Allgemeine bevorzugt. als das legitime und fruchtbare Werkzeug gelten, mit dem
Das Einzelne galt dort doch mehr oder weniger prinzipiell die reale Wahrheit ermittelt und begründet werde. Daher
als unter das Niveau des Denkens fallend; das Allgemeine bildet das Allgemeine, auf dem die Syllogistik beruht, den
allein oder im letzten Grunde oder Ziele sah man als den Gegen- innerlichen Gegensatz zu den Prinzipien der
stand des Denkens und demgemäß des Seins an. Das Allge- Wissenschaft, zu den reinen Erkenntnissen. Die Logik
meine war dem Ausdruck und dem Inhalt nach auch gleich der reinen Erkenntnis muß daher vor dem Allgemeinen auf
dem Begriffe, dem anerkannten Inhalte des Denkens. der Hut sein, wenngleich sie freilich auf das Wort in einem
Indessen war die AristoteUsche Logik und Metaphysik haupt- anderen Sinne nicht verzichten darf; so wenig sie auf diesen
sächlich an dem Widerspruch gescheitert, den sie zwischen Begriff verzichten kann.
dem Allgemeinen und dem Einzelnen bestehen ließ. Und das 3.DasGanzeunddasAll. Das griechische Wort
philosophierende Mittelalter krankt vornehmHch an der Un- für das Allgemeine bezeichnet selbst schon einen Abweg der
fähigkeit, diesen Widerspruch zu lösen. Der Streit über die Abstraktion es haftet an dem
: Ganzen (xma jiavzog). Das
Universalien bezeichnet dieses Problem, an dem das Ganze aber besteht aus und in seinen Teilen. Daher ist
logisch-metaphysische Interesse des Mittelalters sich aufzehrt. es ein bedenkliches Wort und Beispiel für einen Inhalt des
2. Der Syllogismus. Es mahnt noch ein anderer reinen Denkens. Die Teile wären alsdann reiner als das Ganze.
geschichthcher Notstand gegen die Wahl des Allgemeinen. Die Terminologie des Aristoteles bildet hierin einen
Das allgemeine Urteil führt über die Tendenz und Kompetenz Rückschritt gegen die der pantheistischen Speku-
des Urteils hinaus: es wird zum Leitmotiv, zum Ober- lution: diese hat den Begriff des Alls (nav) hervorgehoben,
satz des Syllogismus. Die Technik des Beweisver- und mit dem Problem und Begriff der Einheit verknüpft.

i
176 Allheit und Einheit Irrationalzahl 111
1!

Nicht sowohl als ein Ganzes wurde der Kosmos


gedacht, 5. Die Tr rationalzahl. Indessen ist der Be-
als vielmehr als ein All, als das All. Und unter diesem AU griff der Zahl nicht auf dieser Stufe der Mehrheit stehen ge-
erwuchs die Einheit des Kosmos. So hat sich die Allheit als bheben. Wir haben gesehen, wie der Begriff der Zahl nicht
eine Einheit bewährt. So sind Allheit und Einheit bei der ganzen Zahl stehen bleiben konnte, wie die Mehr-
im Anfang zusammen gedacht worden; und so sind sie in heit des Bruchs die von den Alten versagte Anerkennung
aller Folgezeit vereinigt geblieben. Einheit und Allheit (fv als Zahl erlangen mußte. Und doch war in der Pythagoreischen
xai näv), Einheit des Alls bheb die Losung über die engere Schule bereits der Begriff des Irrationalen entstanden.
Schule des Pantheismus hinaus. Die monistische Tendenz In der Irrationalzahl kommt nun aber nicht nur
darf nicht allein nach dem Dogmatismus gewürdigt werden, der der Begriff der Einheit in Frage, sondern, was gefährlicher
Materie und Bewußtsein identifiziert; sondern vielmehr nach scheint, der der Mehrheit. Auf die Einheiten selbst und ihre
dem wissenschaftlichen Einheitsbetriebe, die Prinzipien der Auszählung kommt es zwar auch bei der Mehrheit nicht eigent-
Wissenschaft zu vereinfachen, und auf Eine Grundlage zurückzu- lich an. Darauf bezieht sich wohl das bekannte Beispiel, das
führen. Die Einheit des Grundgesetzes soll danach die Bürg- sich schon bei Descartes findet: 2 + 5 7. Der Sinn =
schaft enthalten für die Einheit der Natur, die Einheit des Alls. ist eben, daß die Mehrheit 7 ebenso auch aus sich bilden 3+4
4. Die Zahl. So ist das All, das Universum kann. Deshalb soll bei Kant diese Zahlformel ein Satz,
der Ausdruck geworden, der die Einheit der Natur be- ein Urteil der Rechnung sein. Uns hat das Beispiel die
151 zeichnet. Es kann nicht wunder nehmen, daß die Kraft Bedeutung, daß die Mehrheit selbst als der Inhalt der Rech-
dieses Ausdrucks, die sich an dem Naturbegriffe erprobt hat, nung erkannt werde, gleichviel, aus welchen Einheiten diese
auch für die mathematischen Grundlagen der Naturwissen- Mehrheit sich zusammensetzt. Bei der Irrationalzahl dagegen
schaft sich fruchtbar erwies. Wir haben bisher die Zahl gehen die Einheiten aus ; ihreAuszählungläßt
sich
als Realität und als Mehrheit betrachtet. In der Mehrheit nicht erschöpfen. Und so scheint es, daß die 152
waren wir auf die Kollision mit der Einzelheit gestoßen; Mehrheit sich überhaupt nicht bilden könne, nicht bilden
aber gerade die Mehrheit konnte den Anstoß des Einzelnen dürfe. Bei der Mehrheit kommt es zwar auf ihre Ein-
beseitigen. Die Einzelheit entstand in ihr, innerhalb ihrer heiten selbst nicht an; aber freihch müssen sie da sein.
Richtung und Leistung. Sie verlor daher nicht nur das An- Hier aber bleiben die Einheiten aus; daher wird die Mehr-
sehen, sondern auch den Anschein des Selbständigen; heit gesprengt.
sie wurde zur Einheit der Mehrheit. Die Mehrheit ist durch Und es ist nicht etwa eine Unbestimmtheit, die einem
diese ihre Einheiten zwar bedingt; aber diese letzteren sind Notstand des Denkens, einer Schwäche desselben zugeschrieben
an und für sich selbst wie bedeutungslos; nur auf die Mehr- und dadurch entschuldigt wird; sondern umgekehrt behauptet
heit ist es abgesehen; nur sie bildet den zu erzeugenden In- das rechnerische Denken darin seine Stärke: die Unbestimmt-
halt. Die Mehrheit muß sich zwar ihre Einheiten selbst er- heit wird zur Bestimmungslosigkeit erhoben. Und
zeugen; andernfalls wären sie nicht nur selbst nicht Inhalte diese Bestimmungslosigkeit, wie sie aus dem Gesichtspunkt
des reinen Denkens; sondern sie könnten auch nicht für Zwecke der Einheiten erscheint, wird zur höchstenßestimmt-
desselben verwendbar werden. Das aber ist und bleibt ihr h e i t umgeprägt; zu einer Bestimmtheit, in welcher eine höhere
endgültiger Wert auf dieser Stufe, daß sie reine Mittel sind Stufe des Inhalts faßbar und bestimmbar wird. Es wird"
für den Zweck und eigenthchen Inhalt der Mehrheit. Diese zum Werte und Charakter dieses Inhalts gemacht, sich nicht
Idealität wohnt der Zahl auch auf der in einer Mehrheit von Einheiten erschöpfen zu lassen. So
Stufe der Mehrheit inne. wird aus dem Ausbleiben der Einheiten der Angriff auf die
Cohen, Lo^ik dt« reinen Brkenntnts. II. Aufl. 12
178 Erzeugen der Reihe AUheit der unefidlichen Reihe 179

Mehrheiten begründet. Ein neuer Zahlbegriff ist es, auf düng der Reihe, das ist der Begriff der
den diese Zahlbildung hinsteuert. Reihe. So tritt an All-
die Stelle der Mehrheit hier die
6. D i e R e i h e. Schon bei der Zeit war der Begrifi heit.
der Reihe aufgetaucht. Er sollte das Erzeugen
be- 7. Die unendliche Reihe. Die Allheit wird in
deuten gegenüber der sich von selbst ergebenden Folge. der Reihe durch den Begriff der unendlichen Reihe
Der Begriff der Reihe ist mathematischen Ursprungs. i e D bezeichnet. Es findet also hier eine KompUkation mit dem
Irrationalzahl hat die Reihenzahl zur Ent- Urteil des Ursprungs statt. Die Reihe, welche für den
deckung gebracht. Durch diese wird der erzeugende irrationalen Bruch eintritt, bedient sich des Umwegs des
Charakter der Zahl, der in ihrem Ursprung in der Zeit wurzelt, unendlichen Urteils, um ihren Wert zu bestimmen, aus ihrem
in einer neuen Richtung und Leistung bestätigt. Bei der Ursprung ihn zu erzeugen. Dieser Umweg wird nützlich
Mehrheit könnte doch vielleicht die Bedeutung, die wir aus sein; aber in ihm besteht noch keineswegs die neue Leistung.

ihrem Ursprung in der Antizipation der Zeit ableiten, künstlich So betrachtet, wäre die unendliche Reihe nur ein B e i s p i e I
erscheinen: daß sie kraft der Plus-Antizipation die Einheiten des Urteils des Ursprungs. Das Unendhche ist hier auch nicht
sich selbst erzeuge, auf die es jedoch an sich nicht ankomme, etwa das Unendhchkleine; sondern ein neues Interesse, eine
die nur die negativen Bedingungen seien für die Mehrheit neue Richtung soll durch das Unendhche der Reihe verzeichnet
selbst, die sich an ihnen vollzieht. Bei der Reihe dagegen werden. Und es ist nur lehrreich und wegweisend, daß diese
muß dieser Schein wohl oder übel schwinden, denn hier sind neue Richtung auf dem Umwege des unendlichen Urteils
die Gheder in ihren Einzelheiten nicht nur nicht vorhanden, eingeschlagen wird die Überschreitung des End-
:

sondern sie dürfen nicht als vorhanden gedacht werden; nur lichen bei der Plus-Erzeugung, der Plus-
als Schemen für die Plus-Setzung figurieren sie. So scheint Antizipation. Aber diese Überschreitung des Endhchen
die Reihe gänzlich in die bloße Antizipation der Zeit sich soll sich nicht sowohl auf die endhchen Glieder selbst richten,
aufzulösen und die Tendenz der Mehrheit zu verschmähen als vielmehr nur auf ihre Zusammenfassung, auf den Be-
und zu verlassen. griff ihrer Zusammenfassung.
158 In der Tat soll die Mehrheit überboten und übertroffen Freihch kommt am letzten Ende alles auf die Bestimmung
werden, damit eine neue Bestimmung des Inhalts möglich des Endlichen selbst an. Die Infinitesimal-Rechnung will
werde; eine Bestimmung, welche aus der scheinbaren Be- nichts anderes als nur ein Mittel, nur das zulänghche Mittel
stimmungslosigkeit errungen wird. Die Mehrheit hatte Un- sein für die Bestimmung des Endhchen. Ihre Kontinuität
bestimmtheit; darin gerade bestand ihr selbständiger Wert. durchströmt die Diskretion und löst sie auf; aber nur um sie
Wir hatten diese Unbestimmtheit auf die Einheiten bezogen. um so gediegener wieder aufzubauen. So verhält es sich auch 154
Indessen trifft sie ebensosehr die Mehrheit selbst: die daher bei dem unendhchen Zusammenschluß, den die unendliche
keinen definitiven Abschluß fordert; wenn man nicht gar sagen Reihe bedeutet.
will, daß sie einem solchen sich widersetzt. Nur Mehrheit Der Begriff der unendlichen Zusammen-
und nur als Mehrheit gilt es zu schaffen und zu bedeuten; der fassung soll zur Bestimmung des Wertes führen, den das
Abschluß kommt nicht in Frage. Bei der Reihe dagegen neue Problem der Zahl bezeichnet. Das neue Problem soll durch
handelt es sich um den Abschluß und nur um ihn. Die ein- den neuen Begriff lösbar werden. Das aber ist der neue Be-
zelnen Glieder selbst, so notwendig sie freilich als GUeder griff, der sich in der unendhchen Reihe zur Erzeugung bringt:

sind, in ihrer Einzelheit sind sie gleichgültig; nur auf ihren daß die unendhche Anzahl, die nicht ausgezählte, also schein-
Zusammenschluß kommt es an. Die Vollen- bar nicht abgeschlossene Reihe der Glieder nichtsdestoweniger
Grenze Tafel der Oegensdtze 181
180

einen Zusammenschluß bildet und vertritt. Diese neue Leistung


so hat doch die Pythagoreische Tafel der
vollzieht das Urteil der Allheit.
Gegensätze seinen logischen Ort ebenso erst bestimmt,
wie sie seine methodische Bedeutung entdeckte. Das Un-
Es scheint ein Widerspruch, daß das Unabgezählte eine
Zahl bilden könnte; der Zahl der Mehrheit widerspricht
endliche und die Grenze bilden von Anfang an keinen
es auch; denn bei ihr darf die qua ntitö n^gligeable
der ein- Widerspruch; sondern sie bedeuten Korrelativa; anderen-
falls würden sie nicht in die Tafel der Gegensätze passen.
zelnen Einheiten trotzdem nicht fehlen. Aber wir stehen nicht
mehr bei der Mehrheit die Allheit erzeugt die Erweiterung des
;
Denn die Gegensätze, die in den Ursprüngen der griechischen
Spekulation erdacht wurden, haben nirgends die Bedeutung
Zahlbegriffs dadurch, daß sie einer fiktiven Sonderung und
von Widersprüchen; sondern immer nur die der Korrelativität.
Antizipation die Bedeutung nicht sowohl eines Abschlusses,
als vielmehr eines Zusammenschlusses zu geben Auch das Kalte und das Warme bedeuten die Verwandlungs-
vermag. So hebt sich der Zweifel des Widerspruchs durch
formen der Aggregatzustände. Schon der Zu-
den Unterschied zwischen Mehrheit und sammenhang von Grenze und Unendlich
Allheit.
mit Gerade und Krumm sollte es außer Frage
Konvergenz und Divergenz, Allheit daß es sich um
stellen, methodische Gegensätze zum Behufe
8.
ihrer Ausgleichung bei diesen Aufstellungen handelt.
und Grenze. Diese Bedeutung des Zusammenschlusses
im
istnicht etwa beschränkt auf die konvergente Reihe, in welcher
10. Gerade und Ungerade. Auch der Zu-
scheinbar die Summe
endüch wird ; sie findet ebensosehr sammenhang von Gerade und Ungerade
Reihe Anwendung, wenn anders weist darauf hin; zumal da zwischen Gerade und Ungerade
auf die divergente
einerseits und Grenze und Unendlich andererseits ein neuer
auch unendUche Reihe, im Unendlichen der Reihe
diese, als
'Zusammenhang angestrebt wird. Und wenn es den Alten
die Allheit zur Erzeugung bringt. Der Unterschied der beiden
nicht gelungen sein sollte, diesen Zusammenhang für die ein-
Reihen liegt nicht in der Allheit, nicht im Zusammenschluß,
nicht in der Summe; sondern im Werte der Summe. zelnen korrelativen Glieder eindeutig abzugrenzen, so würde
dies nur um so deutlicher für den intimen Zusammenhang
Dieser Wert soll endlich sein; er bezeichnet
sprechen, mag nun das Gerade oder das Ungerade die Grenze
das Problem, welches das Endliche bildet. Daher kommt
oder das Unendliche bedeuten.
es bei derunendUchen Reihe allerdings auf die Konvergenz
an; denn die Wertbestimmung des Endlichen ist bei allen
11. Gerade und Krumm. Bei Gerade und
Operationen mit dem l^nendli* 'len der letzte und eigenthche
Krumm hat die Weg gewiesen. Und
Geschichte den
Zweck. Diesen endlichen Wer. bezeichnet die mathematische
dieser Weg führte zur Allheit der unend-
Sprache mit dem Terminus der Grenze. So treten lichen Reihe, zur Ergreifung und zur Rechtfertigung
im Werte der unendlichen Summe Allheit derselben als einer Zahl, mithin zu ihrer Benutzung für die
und Grenze zusammen. Der unendliche Zusammen- Gerade und Krumm
Erweiterung des Zahlbegriffs.
schluß vermag, wenngleich nicht ohne die Ausnahme der
verbanden sich mit Grenze und Unendlich.
Diese Verbindung führt aber auf einen neuen bedeutsamen
divergenten Reihe, zum endüchen Werte der Grenze zu führen.
155 9. Die Gegensätze. Dieser Zusammenhang ent- Zusammenhang. Bevor wir jedoch denselben erschließen,
Das UnendUche und können wir uns an dem bereits erkannten Inhalt über die
spricht der geschichtlichen Entstehung.
tiefere Bedeutung der Allheit orientieren.
die Grenze (aneigov und 7itV«s) sind zugleich entstanden;
oder wenn das Unendliche schon bei A n a x i ma n d e r in 12. Algebra und Infinitesimalrechnung.
Das Unendliche ist in der Mathematik überhaupt das funda-
einer nicht lediglich mathematischen Bedeutung erdacht wurde.
Differential und Allheit 183
182 Integral

Unendlichkleinensichverbindet. So erkennen
mentale methodische Mittel, analog der Null, die Fortführung
wir die durchschlagende Selbständigkeit des Urteils derAllheit in
der Operationen gemäß dem Gesetze der Kontinuität zu
ver-
demjenigen methodischen Mittel, in welchem alle Probleme
156 folgen, sei es, um die Zahl aus ihrem Ursprung zu
erzeugen
der mathematischen Naturwissenschaft zusammenlaufen.
und als Realität zu definieren, sei es, um den Zusammenhang 14. Mehrheit und Allheit im Verhältnis
der gesetzlichen Operationen wiederum der Kontinuität
gemäß
zur Durchführung zu bringen. Beide Arten des Unendlichen
zum Gegenstand. Man sieht, daß die neue Richtung
der Allheit die der infinitesimalen Reahtät zur Voraussetzung
haben sonach in der Kontinuität ihren Ursprung. Diese Ge- hat. Dieser Zusammenhang der fundamen-
11 meinsamkeit des Ursprungs stellt sich in der unendlichen Reihe mathematischen Begriffe ist ebenso
talen
dar. Die Algebra kann den Zusammenschluß, den
die Allheit
für die Bedeutung der Zahl lehrreich, wie für den Begriff 157
der Reihe bedeutet, nur durch ihre Operations-Symbolik
der Erkenntnis, und dadurch für den Begriff des
definieren, aber nicht in der Ausrechnung darstellen.
Gegenstands. Was den Begriff der Zahl betrifft, so
Diesem Mangel der Algebra soll die Infini- können wir ihn am einfachsten der Mehrheit gegenüber er-
tesimalrechnung abhelfen. Die Ausrechnung wägen. In der Mehrheit sind, wie wir sahen, die Einheiten
und Ausnutzung der algebraischen Formeln ist ihr Problem. nur die an sich belanglosen Mittel, die Mehr-
Sie besteht demgemäß in der Verbindung heit zu bilden. Daher ist aber auch sie selbst nur eine Rela-
des Infinitesimalen mit dem Unendlichen tivität; sie bildet den Ausgang zu einer Vergleichung.
derAllheit. Sie gibt sich das Ansehen einer gediegenen Diskretheit; aber
13. Der Differential-Quotient
und das
diese selbst ist vielmehr nur eine Abstraktion: die daher durch
Integral. So erklärt sich der Wettstreit von L e i b n i z
Bei eine andere Abstraktion ergänzt wird. Die Kontinuität durch-
und Newton in dem Gebiet der unendlichen Reihe.
strömt die diskreten Mehrheiten. Die Abstraktion wird da-
Newton ist die Fluxionsrechnung an der Entdeckung des
durch schärfer und kühner; aber die Devise der Realität
binomischen Lehrsatzes zur Bestimmung ge- beleuchtet diese Durchdenkung. Sie überfliegt die Mehrheit
kommen. Die Bedeutung des Taylor sehen Satzes besteht
und richtet die Allheit auf.
darin, daß die Taylorsche Reihe den Zusammenhang darstellt
In der A 1 1 h e i t aber sind die Einheiten, die ihre Reihe
zwischen dem Wachstum des Unendlichkleinen und dem
des
bilden müssen, in endlicher Diskretheit gar nicht gegeben und
Endhchen. Dieses Verhältnis ist immer tiefer durchzuführen.
D
i f f e r e n t i a 1
- Q u o t i e n t als das nicht erzeugbar. Das seheint ein Nachteil, eine Stei-
So entsteht der ,

Der
gerung des Mangels gegenüber der Mehrheit zu sein.
Verhältnis zweier Differentialen, durch welches der Ursprung
bestimmbar wird, während er in dx allein Mangel jedoch wird zur Stärke. Die Einheiten sollen nicht
des Endlichen
diskret angebbar werden; diese Forderung gerade stellt die
nur definiert wird. Immer ist die Korrelation zum End-
Daher Allheit; sie könnte sie nicht stellen, wenn das Unendhchkleine
lichen der Sinn und Zweck der ganzen Sache.
nicht zur Verfügung stände. das Unendlich-
Und
liegt der Zweck der Infinitesimalrech-
nung in der Integralrechnung. Es ist daher kleine wäre nicht erdacht, wenn nicht für
auch nur formal zulässig, sie als die Umkehrung der Differential-
den Zweck der Allheit. So ist die Allheit
das Differential viel- der eigentliche Zweck und die eigentliche Sache
rechnung zu bezeichnen;
Umkehrung des Integrals. Das des Unendlichkleinen; aber diese Sache ist nichts
mehr ist die
anderes als eine Steigerung der Abstraktion, welche in der
Integral aber ist nichts anderes als die Allheit, in
welcher die unendliche Reihe mit dem Mehrheit sich darbot. Es scheint, als ob die Relativität in
184 Verschiedenheit und Inhalt Qualität und Quantität 185

Schranken den Weg zum Endlichen 16. Der genetische Zusammenhang der Ur-
diesem Überfliegen aller
schlechterdings verlieren müßte. Die absoluten Einheiten teileder Quantität. Wir haben die eigene, selbständige
aber, mit denen die Reihe rechnet, sichern der Allheit
ihren Leistung erkannt, welche der Allheit für den Zahlbegriff
Von Empfindung und
Wert als reiner Erkenntnis. obliegt und gelingt. Der eigentliche Zweck und Sinn der Zahl
Vorstellung wird die Trennung schroffer. reaUsiert sich in ihr. Aber freilich hat sie die Mehrheit zur

Der unendliche Zusammenschluß der Allheit weist alle Voraussetzung; genauer, nicht sowohl die Mehrheit, als vielmehr
Assoziation von sich ab. Aber um so tiefer und sicherer wird die Zeit. Und sie ist nicht die einzige Voraussetzung. Die

die Zahl so zu reiner Erkenntnis und dadurch zu dem sicheren Allheit rechnet mit dem Unendlichkleinen. Man wird keinen
Fundament des Gegenstands. ernstlichen Anstoß an diesen Bedingtheiten, welche für die
Die Verschiedenheit der Körper in
15.
selbständige Allheit bestehen, nehmen wollen. Es ist dies der
der Einheit der Natur. Wir kommen hier auf die Zusammenhang, der genetische, in welchem
Frage zurück, welche bei der Mehrheit sich einstellte. Der die einzelnen Arten des Urteils auseinander sich
Inhalt sollte erzeugbar werden. Und für den Inhalt war entwickeln. Und nicht pUein die einzelnen Arten
entwickeln
168 die Verschiedenheit vermittelndes Problem ein-
als sich in solchem genetischen Zusammenhang, sondern auch die

getreten. Das B, welches zum A hinzutreten sollte, war viel- Gattungen. Voran gehen die Urteile der Qualität
fach reduziert und letztlich auf das Plus und die in ihm oder der Denkgesetze, die den Wert des reinen Denkens in
liegende Antizipation zurückverwiesen worden. In der seinen Inhalten verbürgen. Dieser Inhalt bedeutet innerhalb
Allheit zeigt sich nunmehr die unerschöpfliche Kraft dieser ihrer Befugnisse aber lediglich den Inhalt des Gedachten
;

unendlichen Summation. In ihr vollzieht unter der Einschränkung des Reinen darf man vielleicht sagen
sich auch die Möglichkeit, den Inhalt des den Inhalt des Gedankens.
IM
von A verschiedenen ß zu erzeugen. Die Aus der Qualität erwuchs die Quantität. Ihre
Allheiten, welche die I n t e g r a t i o n zur Ausrechnung bringt, Arten wurzelten in der Realität des Unendlich-
sie machen in letzter Instanz die Bestimmungen möghch,
in kleinen, die sich der endüchen Mehrheit
anzugliedern
denen die mathematische Naturwissenschaft die Verschie- und daher dieselbe herbeizuziehen hatte. In dieser schien die
denheit der Körper in der Einheit der Reinheit zu verblassen und die bloß abstrakte, ver-
Natur anerkennt. Relativität um
gleichende sich zu greifen. Die Rela-

Auch hier bleibt die Einschränkung des Problems indem auf diesem Wege die Kategorie
tivität verstärkte sich,

der Verschiedenheit geboten, wie bei der Z a h 1. Wir werden der Zeit hervortrat. Sie klammerte sich nicht an die Ver-
den der Zahl entsprechenden Einheitsbegriff der mathemati- gangenheit, geschweige an die Gegenwart; in der Antizi-
schen Naturwissenschaft später zu erzeugen haben, unter pation erhob sie sich, und mit derselben vollzieht sie ihre
dessen VorausiSetzung und Vorsicht das Problem der Verschie- Diskretionen. Von altersher gilt sie als das Symbol des
denheit zulässig und behandelbar wird. Hier konnte und Subjektiven und des —
Vergänglichen. Da kam die Allheit.
sollte nur die Konsequenz hervorgehoben werden, daß d i e Scheinbar entrückt vor ihr noch mehr das Endliche. Aber die
Allheit des Integrals, die Allheit der unendlichen Abstraktion hat hier die abschließende Macht der Reinheit
Summation zu leisten vermag, was der endlichen Mehrheil Sie bemächtigt sich aller der Mittel, die bereits auf ihrer Linie

versagt bheb : die Bestimmung der Verschie- erzeugt sind. So bildet sie den Zahlbegriff zur
denheit am Endlichen, und dadurch die Erzeugung reinen Erkenntnis aus; und so erzeugt sie den auf der
des Inhalts der Erkenntnis. vorigen Stufe zwar gesuchten, aber auf ihr nicht findbaren
Drei Arten der Einheit 187
186 Die Einheit nicht Kategorie

In den Urteilen der Quantität oder der Mathematik findet


Inhalt. Nicht die Mehrheit, sondern die dennoch diese Entwicklung statt, daß die Durchführung der
Allheit erzeugt den Inhalt. wahrhaften Einheit durch die relative hindurchgehen muß,
17. Die Einheit als Allheit.
Bevor wir die zurückgreift. Überall
die Allheit aber auf die Realität
Betrachtung des Inhalts weiter verfolgen, wollen wir hier also ist es die Einheit, welche das Problem
welche den Begriff der
die Erwägung noch vervollständigen, der Mathematik bildet. Daher muß sie sich
Einheit betrifft. Wir lassen sie nicht als be- in den drei Arten verzweigen, in denen sie ihre
sondere Kategorie gelten; wir haben sie erstlich Macht steigernd entwickelt; aber sie kann nicht zu einer eigenen
alsReahtät und sodann als Einheit der Mehrheit erkannt. Jetzt Art des Urteils zusammenschrumpfen.
sehen wir, daß die Allheit den Gegenstand erzeugt, soweit
die
Einheit des
18. Vom Integral zu einer neuen Kategorie.
Zahl ihn erzeugen kann. Der Gegenstand ist die Indem wir aber so die Bedeutung der Allheit letztlich in der des
Gegenstands. Und so zeigt sich die Einheit drittens als
Integrals erkennen, so stellt sichdarin zugleich die For-
Ei'nheit der Allheit. Diese dritte Gestalt der
derung nach einer neuen Kategorie ein. Denn während die
Einheit muß uns jetzt als die wichtigste und als die präg-
Allheit an sich die unendUche Reihe bedeutet, also eine Er-
nanteste erscheinen. weiterung der Zahl, so bedeutet das Integral mehr als eine Zahl.
Wir haben gesehen, wie die Einheit ihres reinen Werts Die Erwägung des Inhalts, in der wireigent-
verlustig geht, wenn sie als Einzelheitan das einzelne lich begriffen sind, führt uns zu der neuen
Urteil überantwortet wird. Jetzt aber erkennen wir,
wie nicht Kategorie. Wir waren bei dieser Erwägung von der Zeit
bloß die Reinheit der Mehrheit dadurch preisgegeben
wird, ausgegangen, indem wir aus ihrer Antizipation die Erzeugung
sondern daß dadurch die Möglichkeit der Allheit aufgehoben des Inhalts ableiteten. Dieser aber bleibt auf allen ihren Stufen
würde. Was die wahrhaften Einheiten leisten der Mangel anhaftend, welcher der Zeit eigen war und zugleich
sollen, zeigt sich erst in der Allheit. Und ihre Stärke bildet. Aus B wurde die Eins, oder der Bruch, und
wenn der Inhalt des Gegenstands als Einheit des Ge- schließlich die unendliche Summation, der Gipfel der Antizi-
genstands gedacht werden muß, so hefert erst die All- pation. Das war und bheb der unter dem Problem der Ver-
heit der unendlichen Summation das dieser schiedenheit gesuchte Inhalt.
Einheit gewachsene Mittel. Es scheint, als ob die Quantität nicht viel weiter käme
als die Quahtät. Auch ihr Inhalt verharrt in der Immanenz
160 Wäre daher die Einheit selbständig, so bliebe für die Allheit
dagegen des Denkens; wenngleich der Wert näher auf den Inhalt zu-
nichts übrig. Nur ihr unendlicher Zusammenschluß erschafft aus dem
Einheit, für welche die wahr- geschnitten wird. Die Zeit
schafft und bedeutet diejenige
m
Chaos der Empfindungen Vorstellungen einen
und der
haften ursprünglichen Einheiten sich zur Verfügung stellen.
Kosmos des reinen Denkens in Zahlen; aber
Sind jene Einheiten der Realität die ursprünglichen, so ist die
der Inhalt, der darin entsteht, ist durchaus ein Innen-Ge-
Einheit der Allheit die des Zusammenschlusses: wahrhaft aber
h a 1 1. Er läßt sich als eine methodische Vorbereitung zur
sind sie beide. So bestätigt also auch die Allheit den hier ver-
Erzeugung des Inhalts erkennen, die der Bedeutung der Zahl
tretenen Gedanken, daß die Einheit nicht als eine selbständige
für die Erforschung der Natur entspricht; aber er ist eben doch
Art des Urteils ausgezeichnet werden darf. Nicht als ob es ihrem
nur Vorbereitung. Wenn Pythagoras die Zahl als das
Begriffe an Selbständigkeit, geschweige an Reinheit gebräche;
Sein proklamierte, so dachte er die Zahl nicht in der modernen
aber beide sind so groß und so weit verzweigt, daß nicht eine
methodischen Abstraktion. Die Zahl erzeugte ihm zugleich die
einzelne Art des Urteils sie zu fassen vermag.
Geometrie 'als Methode 189
188 Korrelation von Innen und Außen

20. Pythagorasund Descartes. Daher ist der


Intervalle; und diese erstreckte er auf die Harmonie Zusammenhang des Raumes mit dem Denken eine fundamentale
der Sphären. Was unterscheidet hier die Natur
von der Zahl ?
unterscheidet. Frage der Logik, als der Logik der reinen Erkenntnis; wie denn
Dasselbe, was die Geometrie von der Arithmetik
derRaum. zu allen Zeiten der Raum im Mittelpunkte der Metaphysik
Die neue Kategorie ist
gestanden hat. Man kann sagen, daß zwei Paradoxien
die wissenschafthehe Philosophie einleiten: im Altertum die des
Das Raumproblem. Pythagoras von der Zahl, als dem Sein; in der
dem Neuzeit die des». Descartes von der Ausdehnung,
1

19. Das Innere und das Äußere. Mit


als der Substanz. Man hätte das Verständnis der Devise,
zum ersten Male der korrelative Wert
Raum wird eigentUch
mit der die neue Zeit inauguriert wurde, nicht verfehlen dürfen;
prägnanten Ausdruck
des Denkens für das Sein zu einem dennDescartes warder Erfinder der ana-
gebracht. Bei der Zeit bleibt der Verdacht, daß sie doch nur
Ereigmsse lytischen Geometrie, in welcher das rechne-
oder wenigstens doch auch die inneren Erlebnisse, rische Denken der Eigentümlichkeiten des Raumes sich
des Denkens in der Ordnung einer Reihe sondere
und summiere,
Aber auch bemächtigt, um sie in Zahlgebilde zu niveUieren. Wenn daher
und sie dadurch zu reinen Erzeugnissen beglaubige. Descartes zweitens auch das Denken
zur Sub-
die Erzeugnisse gestalten nur das Innere.
Das Problem
stanz erklärt, so braucht er dies nicht schlechterdings als Wider-
der Natur fordert aber, die Korrelation spruch gedacht zu haben denn auch die Ausdehnung
einesÄußern zu diesem Innern. Der Begriff der
;

Die reine Er- war ihm nunmehr zum Denken geworden.


reinen Erzeugung beruht auf dieser Korrelation.
den Gegenstand der Natur. Aber darauf gerade kam es ihm an, indem er den Raum
kenntnis enthält die Beziehung auf
an erheben in die Zahl aufzulösen schien, und somit in das Denken: daß
In allen diesen Forderungen, die wir von Anfang
der eigene, selbständige, mit allem sonstigen Inhalt des Denkens
mußten, war der Raum schon mitgedacht; denn er bringt diese schier unvergleichbare Wert des Raumes nicht verdunkelt,
notwendige Korrelation des Innern und des Äußern zum
selb-
sondern vielmehr zum Ausgang gemacht würde für die ganze
ständigen Ausdruck.
anderer m Untersuchung der Gewißheit der Erkenntnis. Ist
Dieser Ausdruck ist notwendig, wie irgendein
Wegweiser, als den wir es doch nicht allein die Charakteristik seines eigentümhchen
aller Logik. Sonst bleibt der Eleatische
ein Rätselwort: Inhalts, welche dadurch erzielt wurde; sondern nicht minder
die Identität von Denken und Sein erkennen, fundamentalen Methode,
oder emanieren; oder aber die Hervorhebung der
soll die Zeit das Sein verschhngen,
und welche die Geometrie für die mathema-
vermag das Denken von jener Immanenz sich abzulösen, tische Naturwissenschaft bedeutet. Aber
das Sein derselben gegenüber- und entgegenzustellen?
Diese
auch aus dem Gesichtspunkte der Methode betrachtet, macht
Potenz der E n t g e g e n s t el 1 u n g zu allem In- die analytische Geometrie gerade den Zusammenhang des
nern des Denkens wohnt dem Räume inne.
Raumes mit dem Denken durchsichtig; wie denn auch anderer-
Dies bedeutet das Wort von der Projektion nach
Außen.
neuere Algebra der Berechnung der
Ohne dieses Außen gibt es keine Natur. Das Sein muß dem
seits die

Denken zu einem Außen werden. Das ist keine Verletzung


Kurven und wie später die Infinitesimal-Geometrie
diente,
Allen tiefsten und reinsten Entwickeln ngen des
der Identität; denn das Denken selbst erzeugt entstand.
durch diese Erzeugung erst wird das Denkens in der Zahl hat der Raum sich angeschmiegt.
162 dieses Außen; und So sehr er das Denken über sich selbst hinaus trug und
Denken zum Denken der Natur, also zum Sein. Der Raum
das Innere in das Äußere verwandelte, so ließen Sich
istKategorie.
Hume, Newton und Kant 191
190 Baum: Empfindung und Vorstellung?

Denken Anders geht Descartes an sein Lebenswerk. Indem


seine eigensten Wege doch immer im reinen re-
er den Zweifel seinem Zeitalter vorhält, bereichert er es
kognoszieren.
in demselben Buche, das zumal sein erstes ist, mit seiner
21. Empfindung und Vorstellung als Quel-
neuen Entdeckung. Erfüllt von dem Glauben an die
163 len des Raumes. Der Empirismus hat sich auch wissenschaftliche Wahrheit, die er sich erobert hat, rollt er die
an diese Schanze gewagt.Der Raum sollte nur Empfin-
von Zweifel auf, mit denen die Arbeit der Wissenschaft zu ringen,
dung, und das angebliche
allenfalls Produkt
mit denen er selbst gerungen hat. Die Gewißheit der
Empfindungen, das Nachbild derselben in der Vor-
Erkenntnis ist seine Losung; und um sie zu
stellung sein. Aus der Sprache der Psychologie in die der erfüllen, variiert er im Stil der Renaissance, in dem alle Schrift- 164
Logik übersetzt, bedeutet diese Ansicht, daß die Geometrie
steller der Renaissance sich gefallen, das mißverständliche
nicht als eine reine Erkenntnis erzeugende Methode
an-
Thema de omnibus dubitandum.
zuerkennen sei; und demnach, daß das reine Denken nicht
:

das Sein gewährleiste; daß der Raum nicht die Bürgschaft der
22. Humes
wissenschaftliche Objekte.
eben die Seifen-
Der Weg seines Zweifels führte Descartes zur
Natur an seinem Teile enthalte. Er wäre dann
Gewißheit des Raumes. Oder genauer: von der Gewißheit
blase, die dieEmpfindung ausbläst; wobei die Empfindungen
desRaumes aus konstruiert er sich ein Labyrinth des Zweifels.
das Material bilden: die Empfindungen in aller ihrer Mehrheit
und Verschiedenheit, welche jedoch allzumal das Muttermal
Der Raum ist sein Faden, sein Leitfaden. Hume dagegen
steht außer Zusammenhang mit
der Geometrie und mit aller
des Innern an sich tragen. Die Gewähr des Äußern, als einer
mathematischen Naturwissenschaft. Seine redlichen Verdienste
rein erzeugten Natur, wird so zerstört. Das ist überall der
liegen im Gebiete des Urteils der Mehrheit, nämlich im Problem
Gedankengang der Skepsis: man traut dem Innern nicht,
der Gesellschaft, die in Religion und Staat
daß es das Äußere verbürgen könne; aber man gräbt dabei
zuerst dem Innern die Quellen ab, die das Äußere lebendig
für ihn der Leitbegriff wird. Die Geschichte
ist seine
Natur. Der Raum ist daher kein wahrhaft lebendiges, sach-
machen könnten.
Man macht das Denken zur Vorstellung, die doch
liches Problem Das Problem des Raumes
für ihn.

nur ein unbeglaubigter Nachkömmling der Empfindung ist,


besteht in Bedeutung der Geometrie
der
und sieht nicht ein, daß man in der Empfindung das Äußere
für die mathematische j^Jaturwissenschaft,
in der Bedeutung der letzteren als reiner Erkenntnis.
schon gesetzt hat, welches den schreienden Gegensatz zum
Innern bilden soll. Nur darin kommt jene dogmatische Vorweg-
23. Kants reine Anschauung. Es war durch
die gesamte Disposition Kants, durch seine eigene Ent-
nahme des fraglichen Objekts zu ihrer unbewußten Vergeltung,
wickelung sowohl, wie durch die Fixierung seines Zielpunktes
daß jene Empfindungs- Vorstellung, von der man ausgegangen,
gegeben, daß er auf die Engländer diese vorwiegende
nun allerdings die Rechtmäßigkeit und die Selbständigkeit des
Rücksicht nehmen mußte. Nicht allein die moralische Be-
Äußern nicht zu verbürgen vermag.
freiung, die er ihnen in den Fragen der Politik und der Religion
Damit kommt die Skepsis wieder zu ihrem Ausgang
verdankte, trieben zu dieser Bevorzugung; war sie doch vor-
zurück, der auch ihr Ende ist und sein soll. Denn wie alle
nehmlich durch Newton veranlaßt, dessen System der
S o phi s tik sucht sie nicht die Wahrheit der Natur,
Prinzipien das Faktum bildete, auf das «r sich berief, um seiner
,

sondern bei idealster Auffassung die Lücken in der, wenn man


so sagen darf, wissenschaftlichen Wahrhaftigkeit. Das ist das
Kritik das Objekt zu geben. Bei Newton
freihch mußte
der Raum in hohen Ehren stehen; denn er bedient sich vorzugs-
größte, aber auch das äußerste Lob, auf das sie etwa noch
weise der s v n t h e t i s c h e n Methode. Aber er definiert
Anspruch hätte.
Zeit Voratissetzung des Raumes 193
192 ApriorücU der Sinne

schauung, als deren Form Kant auch die Zeit bezeichnet, bei
ihn nicht allein; er beschreibt ihm auch eine Ehrenstellung; Die Kategorie der Zeit
dieser bereits positiv erledigt.
und diese ist das Gefährliche auch bei ihm. hat die Einheiten der Mehrheit erzeugt,
Er macht ihn zum Sensorium Gottes. Einen zentra- und damit im reinen Denken den Inhalt
leren Mittelpunkt konnte er ihm freilich nicht geben; aber er erzeugt, der sonst als gegeben gilt. Die Zeit
entrückt ihn damit auch dem System der Natur. Um
so mehr mit ihren Erzeugnissen gilt jetzt als eine Voraussetzung, mit
hatte Kant daher Grund, dieser mystischen Abschweifung der der Raum operiert. Wir haben daher für den Raum
Einhalt zu tun; und so mochte er bei allem Gegensatz doch selbst nicht mehr mit der Ansicht zu rechten, welche ihn
immer in wohlwollender Herablassung auf die S e n s u a 1 i s t e n als Anschauung faßt; sondern nur positiv zu zeigen, daß
eingehen. Sie hüten doch wenigstens vor solchen Abschwei- an der Stelle, die wir jetzt erreicht haben, der Raum ein-
fungen; sie bleiben auf dem Wege der menschlichen Sinn- zutreten hat; und daß seine Bedeutung verschoben und ver-
lichkeit. dunkelt wird, wenn er hier nicht zum Durchbruch ge-
Es brauchte ihm also nur darauf anzukommen, jenen bracht wird.
menschlichen Weg wissenschaftUch zu machen. Dann müßten Im Urteil der Allheit soll sich der Raum als Kategorie
auch die I n t e 1 1 e k t u a 1 i s t e n die in der Schätzung des
,
vollziehen. Die Allheit ist nicht Mehrheit, in der die Zeit sich
165 Raumes ohnehin sich überstiegen, sachlich anerkennen, daß vollzieht. In der Mehrheit kommt es nicht auf die Einheiten
dem Räume reiner, erzeugender Wert zustehe. Kant spricht selbst an, a n denen mehr als i n denen sie sich vollzieht.
die höchste Genugtuung in dem Satze aus: man habe es
sich
Auch in der Zeit bilden der Anfangs- und der Endpunkt nicht
nicht einfallen lassen, daß auch die Sinne Apriorisches in sich den Inhalt; sondern die Reihe, die sie bilden, ist der
zu leisten vermöchten. Das Denken hat ja stets als rein ge- Inhalt. Psychologisch gesprochen, erscheint die Reihe desto m
golten. Ihm zuerst aber war es gelungen, auch die Sinn- kürzer, je erfüllter sie von Inhalten ist; je mehr die Punkte
lichkeit zu reinigen; nicht allein die Zeit, sondern gleichsam auseinanderliegen, desto gedehnter wird die Reihe
auch den Raum ihr anzuvertrauen. Wie ward dadurch die selbst als Inhalt. Indessen das psychologische Gleichnis redet
Aussicht bestärkt, welche die transzendentale Kritik auf die eine ungenaue Sprache.
Erkenntnis der Natur richtete. Nicht allein das Denken er- 25. Die Ergänzung der Zeit durch den
öffnet sie, sondern auch vor der Sinnhchkeit kann sie Stand Raum. In der Zeit liegen keine Punkte auseinander; und die
halten denn diese ist nicht mehr ledighch Empfindung, sondern
;
Dehnung der Reihe darf nicht als eine Streckung gedacht werden.
rein. So ist die Bedeutung entstanden, welche Kant dem Die Einheiten sind keine Punkte; und die Reihe darf nicht als
reinen Anschauung gab. Die reine
Terminus der Linie gedacht werden. Nur Antizipationen ereignen sich
Sinnlichkeit wurde reine Anschauung. Und in der Zeit; und nur korrelativ zu einem Vorwärts taucht ein
an die erste Stelle in ihr trat der Raum, als die Form der reinen
Rückwärts auf. Es bleibt nichts liegen auf diesem Felde;
äußeren Anschauung. sondern es wechselt rastlos Kommen und Gehen; ein Vorwärts-
24. Erledigung der reinen Anschauung dringen und Rückwärtsschauen. Aber nichts verbleibt; nur
durch die Zeit. Die Bedenken, welche gegen die reine die eintönige Erzeugungs weise selbst verharrt. Schaltete die li
Anschauung sich erheben, haben wir oben (S. 12, 150 f.) dar- Anlage
zum Inhalt bereitet
Zeit allein, so würde zwar die
getan. Siebestehen kurz darin, daß dem reinenDenken nichtsund werden, ein Inhalt selbst aber würde sich nicht bilden. Die
von keiner Seite gegeben sein darf; daß durch solches wie immer Mehrheit überhaupt hat sich als eine Vorbereitung, aber nur
reines Geben der Begriff des reinen Denkens geschwächt
als solche für den Inhalt ausgewiesen. Sie ist eine Relativität,
wird. Inzwischen hat sich das Bedenken gegen die reine An- Cohen, Logik der reinen Brkenntnis. IL Aufl. IS
194 Zusammen und Beisammen Unendlicher Raum 195

weiter mit ihr und hat, ist der Raum beschränkt; oder wenigstens nicht auf sie,
wie die endliche Zahl es ist. Es geht rastlos
sofern die Zeit sie verschweben läßt. Wenn man sich antizi-
nach ihr; nirgend soll ein Abschluß sein.
die Allheit zu pierend den Raum, an dem die Zeit webt, als einen Vordergrund
Dieser abschlußlosen Relativität kommt
Sie befreit auch von vorstellen mag, so bildet der Raum vielmehr einen
Hinter-
Hilfe Sie bringt den Zusammenschluß.
dem die grund; und dieser Hintergrund gilt als das
dem Verhängnis des unaufhörlichen Wechsels, Unendliche. Sofern wir vor ihm stehen, wenden wir uns
bleibenden Inhalt
Zeit unterworfen ist, und der es ihr versagt,
vielmehr entweder rückwärts zu ihm, oder die Zfeit, die ihn ent-
zu schaffen. Der Zeit stellt sie sich als Raum
entgegen. Jetzt
emem wech- stehen läßt, läßt ihn vor uns erscheinen. Worauf es ankommt,
rauschen Zukunft und Vergangenheit nicht in
selnden Vorbei. Der hält diese Einheiten
Raum wenn wir des Interesses an seiner Entstehung und
einer Bildung uns entschlagen, das ist die gediegene, unzer-
fest; er verbraucht sie nicht mehr nur als Einheiten störbare SelbständigkeitdesBeisammen. FreiUch
Das
Mehrheit; denn seine Allheit schheßt sie alle zusammen.
Beisammen, vielmehr das Zusammen ist die hat dieses Beisammen die Elemente zu seiner Voraussetzung;
aber nur in ihrer Unendlichkeit dürfen sie vorerst
neue Leistung, die dem Räume obhegt; die der Raum wenigstens zu fordern sein.
vollführt.
Der Raum soll den Inhalt bringen; soll die Natur dar-
26. Der Gegensatz zur Empfindung. den
Diese
stellen. Da kann es nicht bei den relativen Mehrheiten und
eigenste Aufgabe des Raumes bildet ihrem Begriffe nach
Die Em- ihrem Wechsel sein Bewenden haben. Da können nicht Ver-
strikten Gegensatz zur Empfindung. gleichungen mittelst konventioneller Maßstabs-Einheiten die
nur der
pfindung ist isoliert; und wenn ihr überhaupt auch letzte Befriedigung gewähren. Die Einigung kann da
Anteil an einer Aufgabe gebührt, so ist es dieser daß
mittelst
:

später es nicht sowohl in der Sonderung bestehen,


ihrer die Isolierung definierbar werde. Wir werden als vielmehr die Sonderung in der Eini-
sehen. Der Raum dagegen bedeutet das Zusammen.
So deuthch
gung. Und die Erhaltung, durch welche alles reine
ist sein Unterschied von der Zeit die das Vorbei bedeutet. Das
:
Denken bedingt ist, hier erst scheint sie wahrhafte Tat zu
Beisammen erst bildet den Inhalt. werden. Das Beisammen vollzieht die Er-
187 Wir wissen es von der Allheit, daß es nicht auf die Aus- haltung. Und gerade in der unendlichen Allheit vermag
zählung aller Gheder der Reihe ankommt; sondern vielmehr sich diese Erhaltung des Beisammen zu vollführen. Wie in
darauf, daß sie den Zusammenschluß eingehen. Man unendlicher Summation werden die unendlichen Elemente in
könnte einwenden, daß dieser Zusammenschluß, was die GUeder das All des Raumes vereinigt.
betrifft, unendlich sei; und man könnte darin wieder 28. Die Stufen in der Entwickelung der
für die Möglichkeit des Inhalts auch beim Raum einen
gefahr-
logischen Voraussetzungen. Das All des
vollen Mangel finden. Indessen wird sich dieser Einwand
nicht
Räume Raumes ist die Voraussetzung des Alls der
als stichhaltig zeigen; er beachtet nicht, daß dem Natur. Die Natur der letzte Ausdruck für den Inhalt
ist
Zeit und Zahl zu Gebote stehen. Vor allem der reinen Erkenntnis. Als solche Voraussetzung für den Inhalt les

aber muß jetzt erkannt werden, daß gerade


dasUn- der Natur haben wir den Raum als das Äußere bezeichnet
endliche der Allheit dem Beisammen zu- Das Beisammensein bedeutet das
(S. 188).
stattenkommt. Äußere. Nicht darauf ist die Aufgabe des
27. Unterschicd.des Raumes von der Zeit. Raumes gerichtet, einBeisammen des Innern
Nicht auf die Einheiten, die und soweit die Zeit si e erzeug zu bilden; sondern daß dieses Innere samt und sonders
196 Zugleichsein Raum und Inhalt 197
tl

nach Außen geworfen werde, um in diesem Außen die Natur das Äußere ist in der Tat das Innere; aber
das Innere verwandelt sich zum Äußeren
''"
^wS trdben hier nicht Psychologie; wir haben daher in d em Fort schritt der Erzeugungen von
auch nicht EU fragen, w i e d. h:
, durch welche Vermittelungen ZeitzuRaum.
dieses Werfen nach Außen
mögUch werden mag. Aber wir Man von der Psychologie, vielmehr von der
darf hier
haben die Stufen in der E n t wi c k elu ng d e r Physiologie daß der Raum, zumal in der Dimen-
lernen,
Voraussetzungenzu bestimmen, m denen und auf Grund sion der Tiefe, ein Produkt der Erfahrung sei. Also
sich vollziehen. In diesem auch die Forschung, die auf die Vorbedingungen des Bewußt-
deren die reinen Erkenntnisse
Interesse der Reinheit
dürfen und müssen wir fragen, m seins innerhalb des Nervensystems gerichtet ist, erkennt die
welchem Verhältnis das Äußere zu dem
Beisammen, das Werfen Mitwirkung welche das Denken für die Aus-
an,
Erhaltung des Beisammen steht. Und indem bildung des Raumes leistet. Die Projektion ist ein bild-
nach außen zu der
i fragen, haben wir die Frage licher Ausdruck; wie nicht minder das Hinaustreten ein solcher
wir nach diesen Verhältnissen
zugleich beantwortet. Das B eisa m men selb st ist ist. Begrifflich kommt es auf die Einsicht an, daß in der
das Außen; die Erhaltung des
beisammen Erzeugung des Beisammen der Unterschied
selbst ist das Werfen nach AuOsn. Es gibt von Raum und Zeit besteht. Damit schon ist es
Beisammen und keine andere ausgesprochen, daß in dem Beisammen das Äußere besteht;
kein anderes
Erhaltung des Beisammen als im Räume daß Erzeugung des Beisammen die Er-
die
unddurchdenRaum. w^. zeugung des Äußeren ist, welche als Hinauswerfen
.

Das Zugleichsein. Es ist nur Übertragung oder Hinaustreten bildlich vorgestellt wird.
29
vom Räume, wenn man der Zeit unter dem Der Raum bedeutet das Beisammen; der Zeit ist dies
Titel eines

Modus des Z u g 1 e c h s e n s das Beisammen


i i
z«s*reibt. versagt. In dem Aufbau des Inhalts vertritt die Zeit das
Wechsel und Wandel; Innere, und nur das Innere, dem das Beisammen entzogen,
In der Zeit gibt es nur und ausschließUch
kein Beisammen. Indem der Raum dieses Bei- verschlossen ist. So wird durch den Begriff der Zeit, als des
nur ein Vorbei,
erweitert er daher nicht nur den Begriff Innern, der Raum, als der Begriff des Beisammen, zum Äußern.
san men möglich macht,
des Bewußtseins, als des Innern; sondern er überschreitet ihn. Das äußere Beisammen des Raumes aber läßt den Inhalt
scheint nicht mehr Bewußtsein, nicht
mehr I n n eres entstehen, der für die Natur, für den Gegenstand, und also
Das
und erhalt. Zum Behufe dieser
zu sein was so als ein Beisammen sich
darstellt für die Erkenntnis Voraussetzung ist.
dem Innern heraus, tritt ihm entgegen und gegen- Voraussetzungen verbindet sich der Raum, als Allheit, mit
Es tritt aus
über und wird so zum eigentUchen Inhalt
einer Außenwelt. der Zahl, mit der Reihenzahl und dem Integral.
So ist das Werfen nach Außen ein
Hinaustreten So ergibt sich der Raum als das entscheidende
eigentlich nur Mittel, den Inhalt zu erzeugen. Und es ist der
aus dem Innern, dieweil doch das Inneren n d er sich
in einem Nacheinander oder
richtiger V o r e i a unendliche Raum, dem diese Leistung gelingt. Wenn der
scheint dem Begriffe des Innern Raum lediglich sich mit der Mehrheit verbinden müßte, ge-
bilden und bestehen kann. Es
welches doch nur sein schweige wenn er in ihr entstehen könnte, so würde nur ein
zu widersprechen, daß ein Äußeres,
jedoch dieses Äußere Strecke
Erzeugnis sein kann, bestehen solle. Da Teil des Raumes abgeschnitten, eine bestimmbar
des Inhalts der Natur gefordert wird da werden. Diese würde dann eben die Mehrheit bilden; und sie
für den Charakter
Geometrie es erzeugen muß, so würde der Strecke alle die, das will sagen, die geringe Realität
also das reine Denken in der
!•• hebt sich der Zweifel und das Bedenken des Widerspruchs: zuerteilen, die ihr selbst eigen ist. Der Raum würde
'r;

198 RekUivüät Zuaamtnenhang der Urteile der QtianHtät 199

dann eben als eine Art der Zeit erscheinen. zur Voraussetzung, als ihr Bereich von der unendUchen Reihe
Die Allheit dagegen durchläuft die unendUche Reihe der Ein- aus zur Integralrechnung auswächst. Und schon das Koordi-
170 heiten, faßt sie in einem Beisammen zusammen, überwindet natensystem tut, wie wir noch sehen werden, dieser
das Vorbei der Zeit und erzeugt so den Raum. Frage methodischen Zusammenhang dar.
Wir hatten für die Bestimmung des Inhalts nach der Aber es darf, es muß hervorgehoben werden, daß dieser
}i Verschiedenheit eines B gefragt. (S. 146 f.) Die Zusammenhang vorbereitet werden muß durch den Begriff
Zeit machte den Anfang dazu, den die Zahl äer Mehrheit von der Allheit des Raumes, wie ebenso auch für die Zeit
weiter führte. Die Integral-Rechnung aber bringt diese Ent- ihre logische Leistungseigentümlichkeit als Antizipation,
wickeln ng des Inhalts zu einem vorläufigen Abschluß. Die als unumgängliche und unerläßliche Voraussetzung sich er-
Verschiedenheit wird durch Raumgebilde bewältigt, in denen weisen lassen dürfte.
auch die Konstanten der endUchen Zahlen zur Bestimmung Gewiß, die Zeit ist nur Ortszeit. Und die Zeit darf als
gelangen. Was bedeuten gegen die Prägnanz dieser Raum- vierte Dimension in das Koordinatensystem einbezogen werden.
bestimmung alle die Verschiedenheiten, welche unter dem Aber damit allein wäre nur der Zeit gedient und zwar in der
Begriff der entstehen können?
Mehrheitszahl Durch die Einschränkung auf die Homogeneität ihres Begriffs mit einem
Kegelschnitte werden die Planeten selbst, die methodischen Grundbegriffe, aber noch nicht für die Erweite-
allgemeinsten Inhalte, bestimmbar. Auch ihnen wohnt die rung ihrer methodischen Kompetenz für die Erzeugung des ob-
Voraussetzung der Allheit inne. Und in ihrer Berechnung jektiven Naturinhalts. Hierzu muß erst die Antizipation mit-
ist die Infinitesimal-Rechnung entstanden. Die Integration wirken.
der Gleichung ist die Integration der Kurve. Und dasselbe gilt vom Räume, wenn ihm die Zeit ange-
So stellt die I n t egr a 1- R e c h n u n g die Be- gliedert wird. Der Koordinatenbegriff an sich macht ihn nur
stimmung des Raumes als ihren Zweck dar. als Strecke erkennbar. Erst die Allheit präpariert ihn für das
Die Verschiedenheit, die sich in den Kurven bestimmen läßt, Integral und damit über den Koordinatenapparat hinweg zum
sie bedeutet vornehmlich die Verschiedenheit des Inhalts, Grundschema für die Bewegung und im letzten Grunde für die
welche der Wissenschaft definierbar ist. Die unendliche All- Energie.
heit ist es demgemäß, welche durch das Integral und 31. Der Zusammenhang der Urteile der
seine Bedeutung als Raum die Verschiedenheit des Inhalts Quantität. Beachten wir jetzt, wie die Urteile in
methodisch zur fundamentalen Bestimmung bringt. dieserRubrik zusammenhängen. Sie sollen den Inhalt,
30. Ein Blick auf das Relativitätspro- als den Inhalt der Natur, erzeugen, soweit der Mathe-
blem. Aus diesem Verhältnis des Raumes zur Zeit, aus dieser matik allein diese Aufgabe zufällt. Zuerst wurde für die
Ergänzung und Erfüllung der Zeitvoraussetzung durch die Realität gesorgt. Sie entstand im Differential.
des Raumes für die Erzeugung des Inhalts, und das will Sie bezeugte sich als der Ursprung der Zahl.
sagen für den Begriff der Natur, ergibt sich die neuerdings
: Aber der Ursprung fordert sein Korrelat in der end-
in dem Relativitätsproblem erfolgte Korre- lichen Zahl selbst. So kam es zur Mehrheit. In ihr
lation von Zeit und Raum. Nicht allein der Raum aber verflüchtigte sich der Inhalt in der Zeit, in der er, und
hat die Zeit zur Voraussetzung —
dieser Gedanke scheint nur soweit er in ihr entstand. Da schuf die Allheit endhch das
der Psychologie und ihrem Interesse an der E n t w i c k e
-
Mittel, vielmehr- die Mittel, die ReaUtäts-Zahlen zu ihrem
lung des Bewußtseins und ihrer Faktoren eigentlichen Zwecke zu benutzen, und innerhalb ihrer selbst
entsprungen — , sondern auch die Zeit hat insofern den Raum die Schranken der endlichen Konstanten zu überwinden.
200 Kraftraum Alle 201

Und diese Steigerung des Begriffs des Unendlichen vom Un- Losung: das Viele und das Eine {ßv xai noXka) sie wird be-
endlichkleinen zur unendlichen Summa- friedigtdurch das Unendliche, als Allheit. So wird die Grund-
t i o n , sie gerade erzeugt denjenigen Inhalt, der dem empi-
forderung P 1 a t o n s vollführt: das Viele in die Einheit zu-
rischen Bewußtsein vorzugsweise als Inhalt gilt, den Raum. sammenzuschauen, (rat noXXa elz ev awogäv.) Aber daß in dem
171 32. Der K R
r a f t - a u m. So vollendet sich in der Er- Unendlichen das Viele enthalten sei, damit ringt die Platoni-
zeugung des Raumes die Leistung des UnendUchen. Denn sche Dialektik.
% höhere Raumbegriffs
E n t wi c k e 1 u ng e n des 34. Unterschied vom Allgemeinen. Auch

auf dieser Grundlage sind uns zwar noch Aristoteles wird aus diesem Punkte durchsichtiger. Bei
vorbehalten; sie beruhen aber alle auf dieser Leistung ihm ist das Allgemeine, wie xaB^ okov gewöhnlich übersetzt 172

der unendUchen Allheit. Der Raum wird auch nicht der letzte wird, der Ausdruck des Seins und der Wahrheit. Aber er unter-
,'

i:'
1
;

Ausdruck des Inhalts bleiben dürfen. Wir wissen, daß die scheidet dieses Allgemeine von einem andern Ausdruck dafür
Kraft einen solchen vorzüghchen Ausdruck bedeutet. Es ist {xaza navTog). Zu diesem echten Allgemeinen gehört das
eine der allertiefsten Lehren der modernen Wissenschaft, daß An sich (xa*' amS).
der Raum als Kraft-Raum zu denken sei. Die Das unzulängliche Wort für das Allgemeine dürfte dem
Kraft aber erscheint allein im UnendUchkleinen, auch wo sie Worte entsprechen, mit dem gewöhnlich der allgemeine
in die Ferne wirkt. So fordert die Kraft, daß der Raum nicht
Satz exemphfiziert wird: Alle. Diese Alle wären die Allheit
auf die endhche Strecke eingeschränkt werde, sondern daß er in einer Mehrheit. Das An sich dagegen soll die Allheit als Einheit
derjenigen Allheit als gegeben gelte, in welcher die Kontinuität bestätigen. Das An sich bezeichnet daher das Universale
die infinitesimalen Glieder durchläuft und durchströmt. des Begriffs, den unendlichen Inbegriff,
Auch für die M o 1 e k u 1 a r- Kr ä f t e der modernen Assoziation der Vorstel-
der den Begriff von der
Physik werden unendlichkleine Entfernungen vorausgesetzt, lungen unterscheidet. Wir werden später diese methodische
welche die Strecken-Mehrheit ausschließen. Aber auch die Be- Bedeutung des Universellen beim Begriffe zu erwägen
deutung, welche die Allheit für den Raum, als Kraft-Raum, haben; und noch später die des Allgemeinen zu einer
erweist, wird für das Problem derVerschiedenheit überraschenden Bestätigung beim Syllogismus kommen
wichtig. Denn im letzten Grunde werden ja die Verschieden- sehen. Alle sind omnes; die Allheit des An sich
heiten der Körper durch die der Kräfte bestimmt. Diese Be- ergibt die Universita s.
stimmungen werden jedoch hinwiederum durch die Integra- 35. Spinoza. Die Metaphysik des Mittelalters hat die
tionen ausgeführt. So zeigt es sich von allen Seiten, daß Be- unendUche Allheit in dem Problem Gottes behandelt,
freiung von der Mehrheits-Enge und methodische Durchführung während die Antike die Natur als solche dachte. Spinoza
der Allheit die durchgängige Voraussetzung ist für den Raum verbindet den antiken Pantheismus mit der Religions-Philo-
der mathematischen Naturwissenschaft. sophie des Mittelalters. In seiner Terminologie ist es aber immer
33. Das Eine und das Viele und das Un- als Rätsel erschienen, daß er nur zwei. Attribute von der
endliche. Wir erkennen die innerliche Verbindung, welche Einen Substanz namhaft macht, während sie doch aus unend-
zwischen der Allheit und dem Unendlichen besteht. Und wir lichen Attributen bestehen soll. Und das Rätsel steigert sich
haben bereits hingewiesen auf die Bedeutung der Einheit, scheinbar, indem jedes der unendlichen Attribute eine adä-
die sich in der Allheit vollendet, so daß in ihr erst es recht quate Darstellung Gottes sein soll. Aber dadurch gerade
deutiich wird, daß die Einheit nicht eine besondere Kategorie wird das Rätsel gelöst. Die zwei Attribute sind, ebenso Ein
ist, als welche sie zur Einzelheit vernichtet würde. Die antike Attribut, wie sie die unendlichen Attribute bezeichnen. Die
i

Steuxt und Recht Volksgeist 203


;'
202
I 5

Ausdehnung ist das Denken; die unendliche keit, nicht verliere; sonst würde sie eben zu einer stabilen
Ausdehnung die Erzeugung des unendlichen Denkens. Die Mehrheit. Ebenso aber darf die Allheit, ihre Unendlichkeit

Allheit im Denken erzeugt die des Raumes. vorausgesetzt, sich niemals als Einheit aufgeben. Diese Ein-
heit der Universalität bildet der Staat.
DersittHche und daher der politische Begriff des Staates
Die Allheit im Sittlichen; in Staat und
36.
beruht auf der Einheit, welche diese seine Allheit bildet. Er
Recht. Die Bedeutung der Allheit für die Idee Gottes führt hat nicht nur das Problem des Willens zu lösen, welches für die
uns zu derjenigen für die Geisteswissenschaften.
Verbindlichkeit der Gesetze
Wir haben gesehen, wie der Begriff des sittlichen Indivi-
in Frage kommt;
¥ sondern er vertritt die rechtlich-sittliche Exi-
duums in dem Urteil der Realität erzeugt wurde. Die stenz, das will sagen, die sich verwirklichende Existenz der
Einheit der morahschen Person ist eine Erzeugung des Ur-
Sittlichkeit im Rechte, welche durch diese Einheit der staat-
sprungs. Wir sahen dann weiter, wie auch die Mehrheit lichen Allheit gesichert wird. Wie sehr auch die Gesell-
im Begriffe der Gesellschaft nicht nur für Rechts- schaft gegen die Verknöcherung, gegen die Abschließung
geschäfte und für die Rechtsinstitute dienlich
dieser vielmehr unendlichen Einheit in einer endlichen Partiku-
ist, sondern daß sie einen reformierenden und organisierenden
Aber wenn derselbe larität anzukämpfen die Aufgabe hat, so muß sie nichtsdesto-
Leitbegriff der Geschichte liefert.
weniger die ideale- E^fistenz dieser Einheit, die sittliche Ideaütät
173 eine wahrhafte Leitung ausüben soll, bei der die Einheit des
dieser staatlichen Existenzanerkennen und aufrechthalten.
Individuums unversehrt bleibt, so muß er in einem andern
solchen Das Gegenteil dieser Einsicht begeht der demzufolge
sittlichen Grundbegriffe seine Ergänzung finden. Als
Gemeinschaft, der, ebenso unlogische, wie unethische Anarchismus. Die
enthält die Ethik den Begriff der
Stufen und Ord- Einheit des Staates, das Recht seiner Macht beruht
dem Zahlbegriff der Allheit gemäß, in auf dieser idealen Potenz der Allheit. Dieser Allheit haben
nungen sich vollzieht. sich die Einzelnen, welche an und für sich nur Mehr-
Eine eminente Darstellung dieser Universalität bildet der
Stammes
und wes heiten, etwa Korporationen bilden könnten, des-
Staat, der die Menschen wes
halb zu unterwerfen, weil sie sich ihr anzunähern, ihrer un-
Glaubens zu einer idealen Einheit der AUhoit vereinigt. endlichen Allheit sich einzughedern haben. In dem Zusammen-
174

Auch hier ist es die Unendlichkeit der Allheit, auf welcher diese hang, der zwischen ihren Mehrheiten und jener Allheit ob-
Leistung beruht. Wie sehr auch die Mittel und Werkzeuge ver-
vollkommnet werden, um den Willen dieser univer-
waltet, liegt die Verbindlichkeit des Einzelnen
zur Idee des Staates. So läßt sich die Eigenart und
sellen Einheit zum Ausdruck zu bringen; wie sehr auch
der Fortschritt des Staatswesens darin sich zeigt, daß nicht die
die Selbständigkeit der Kategorie der Allheit für die Staats-
Staatswillens in die Einheit der
lehre erkennen.
Wurzel und Quelle dieses
D er Vol k s-gei s Aber auch in anderen Fiktionen
Exekutive, sondern in die Allheit der Gesetzgeber 37. t.

derGeschichte ist sie latent. So läßt sich der Grund-


gelegt wird, so muß doch gerade deshalb die Einheit als Allheit,
gedanke der historischen Rechtsschule von
nicht als Mehrheit, gedacht werden.
Problem
der dem das Recht erzeugenden Volksgeiste durch diese
In diesem Unterschiede liegt das Ansicht von der Universität des Volksgeistes verstehen. In-
Gleichheit. Die Mehrheit der Gesellschaft
fordert, daß es nicht bei einer stabilen Mehrheit verbleibe.
dessen ist es freilich gerade nicht die Natürmachtdes
daß die jeweilige
Volkes, welche diesen universalen Geist vertritt; diese ist
Und so unterstützt sie ihrerseits die Forderung
Unendlich- vielmehr nur die unerläßliche Bedingung, von der sich die
Allheit den Charakter ihrer Allheit, das ist ihre
*
^1

Falsche Beispielsform
204 Juristische Person 205

Die juristische Person ist daher im eigentlichen Sinne erst eine


ideale Blüte jener geistigen Allheit abhebt. Anerkannt wird
Ausgeburt des germanischen Rechts. Die sittUche Person,
aber auch in dieser falschen Einseitigkeit der eigene, wirk-
Gemeinschaft, die nicht in sinn-
welche die Voraussetzung der echten juristischen Person bildet]
same Bestand einer
wird, dies fordert die Kategorie der Realität, durch den Ur-
hcher WirkUchkeit gegeben, sondern nur in einem und zwar
desorientierenden, Symbol angedeutet, vorhanden ist. Man sprung der Freiheit bestimmt; die assoziative ju-
im Staate ristische Person dagegen, in welcher der Wille der Einzelnen
sieht daher auch, daß, wie die Allheit prägnanter
sich darstellt als im Begriffe des Volkes, s*o auch das vernichtet wird, besteht in dem Determinismus des
Milieu. So unterscheidet sich ethisch auch im Rechte die
Volk seine wahrhafte ideale Einheit, weil Allheit von der Mehrheit.
seine Allheit, im Staate erst zu erwerben hat.
38. Diejupistische Person. In der Rechts-
wissenschaft hat die Allheit in dem Problem der
juristischen Person Bedeutung erlangt. Nach dem 40. DasBeispieldesallgemeinenUrtei Is.
römischen Recht war die Erbschaft selbst für Zum Schluß sei nur noch hingewiesen auf die irreführende
Stadtgemeinden, um so mehr daher für andere juristische Form, welche das Schulbeispiel für das allgemeine Ur-
Personen unmöghch: „quoniam incertum corpus est,
teil tradiert hat alle Körper, alle Menschen usw. Diese
:

Sie können alle wären eben alle Einzelnen. Ein Nest von Fehlern
ut neque cernere u n i v e r ö i .possint".
. . steckt
in dieser Beispielsform. Wir werden sehen, daß es für das
durch sich nichts besitzen, quia u n i v e r s i consentire Urteil, f

non possunt. S a v i g n y sagt: „Wenn selbst Alle, alle Ein- überhaupt für seine logische Struktur eine falsche Wendung
zelnen konsentierten, so wäre es doch nicht die Korporation bedeutet. Aber auch für das allgemeine Urteil wird nicht
selbst, als ideale Einheit (universi)". Bei einer nur das Problem der Allheit dadurch verwischt; sondern es
Stadt von mäßigem Umfang könnte man „alle einzelnen wird dadurch auch der Induktion verhängnisvoll prä-
judiziert. Die bekannte Erschleichung im
Bürger zu einer solchen Handlung zusammenbringen"; jedoch Ober-
die u n i V e r s i sind von den „allen Einzelnen" verschieden.
satze der Induktion wird hier prostituiert: hat man
So wird vom römischen Recht die Allheit als eine „ideale sie alle schon, oder hat man noch nicht sie alle? Oder
Einheit", wie als eine Kategorie anerkannt. Und aller Fort-
meint man etwa unter den Allen doch vielmehr eine Art
schritt, den das Recht im Problem der juristischen Person voll-
von Allheit ? aber etwa nicht diese selbst, sondern vielleicht
zogen hat, beruht auf der logischen Kraft der Allheit. gerade ihr Gegenteil?
175 39. Zusammenhangmit der Realität der morali- Wir haben gesehen, daß die Allheit unterschieden ist von
schen Person. Anzuerkennen bleibt dabei der Zusammen- dem Ganzen. So ist die Allheit auch unterschieden von
hang, der zwischen der Allheit und der Realität besteht; das der Totalität; als welche jene Alle auch verstanden werden
will sagen, der Zusammenhang zwischen der juristi- könnten, aber vielleicht nicht dürfen. So ist die Allheit ebenso
schen und der sittlichen Person. Der Fortschritt, gegen die Totalität der scholastischen Metaphysik ein Schutz,
den die geschichtlichen Zeiten der juristischen Selb- wie sie der Nivellierung des allgemeinen Urteils in die unvoll-
ständigkeit und der politischen Mündigkeit des ständige Induktion vorbeugt.
sittlichen Individuums gebracht haben, ist der juristischen 41. Ein Denkgesetz der Urteile der Quan-
Person zugute gekommen sowohl am Staatswillen und den tität. Den Urteilen der Quantität, die wir als die
mit ihm zusammenhängenden Institutionen, wie auch in solchen Urteile der Mathematik bestimmt haben, kann man eine
Art
Verbänden, die sonst nur als Mehrheiten zu betrachten wären. von Denkgesetz nach alter Formulierung zuerteilen, nämhch
206 Dictum de omni et nullo GeschichU der Quantität 207

das Dictum de omni et nullo. Es entspricht Übergang von den Urteilen der Mathematik
17« dem zweiten Terminus des Aristoteles für
allerdings
zu den Ur t ei e n d er ma t h ema ti s c h e n
das Allgemeine: (oben S. 201) xaxa navibg. Der Satz ist 1

seit B o e t h u s an
i die Spitze der Logik gestellt worden. Naturwissenschaft.
Freilich galten dem Boethius o m n e und t o t u m als gleich- 42, Die Quantität als Größe. Nach dem
bedeutend. Wir fassen dagegen als eigenthchen Sinn des Satzes: Gleichms Galileis haben wir in den Urteilen der Quan-
es gibt eine Allheit. Und sie ist das durchgängige tität die Buchstaben erzeugt, mit denen „die Philo-
Problem der Quantität, der Mathematik. Das Diktum sophie im Buche der Natur geschrieben" ist.
Es begreift sich,
geht daher von der Valenz der Allheit aus daß diese Urteile als die Urteile der Quantität be-
und gründet auf sie die Geltung des Urteils zeichnet wurden; nur hätte man seit Leibniz
die der 177
für allen Umfang desselben. infinitesimalen Realität ihnen zugesellen müssen.
Quantum
(noobv) istder alte Ausdruck dieser Kategorie. Das Beispiel des
Die Partikularität scheint der Begründung durch Aristoteles dafür: zweieilig (öItitixv) ist zwar nicht ein-
ein Denkgesetz nicht für bedürftig gehalten worden zu sein;
fach und nicht rein, immerhin aber hält es doch die
sie bildet kein anstößiges Problem; und daher ist auch das Beziehung
zur Arithmetik aufrecht. Die lateinische
einzelne Urteil, das man auszeichnete, nicht der Be- Übersetzung des
griechischen Terminus, der Wieviel bedeutet, ist ungenau;
gründung durch ein Derikgesetz bedürftig erachtet worden:
wohl aber die Allheit. Der Sinn
des Satzes geht daher weiter.
Quantum bedeutet das W
i e g r o ß e. So ist, zumal da der
Nicht nur die einzelnen sind durch die Geltung der Allheit mit-
Begriff der Größe in der griechischen Mathematik auf
die Zahl, wie auf den Raum, bezogen wurde, und
begründet, sondern die Valenz, welche für die Allheit besteht, derselbe bei
P 1 a t o n, insbesondere aber bei Aristoteles tief-
besteht eo ipso auch für die Mehrheit selbst und an sich.
sinnigen Erörterungen unterzogen worden war, die
Denn die Mehrheit ist als Einheit in der Allheit schon voraus- Quan-
gesetzt; aber sie wird nicht bloß weiter geführt in ihr, sondern
tität als Größe gedacht worden.
Die Ausdrücke Quantität und Qualität finden
auch tiefer begründet. Die Allheit erscheint so sich übrigens zuerst bei A p u e u s dem Neupia toniker.
als Denkgesetz auch für die Mehrheit. 1
Die Größe wurde dabei hauptsächhch als der
j ,

Umfang
ver-
Man könntedaher etwa nur noch den nicht unbedenkhchen standen, den das Urteil habe, als allgemeines, oder besonderes
Anstoß an dem Diktum nehmen, daß es die Selbständigkeit des habe; aber zugleich wurde dadurch doch auch die Rücksicht
Urteils der Mehrheit in Frage stelle. Indessen beruht diese auf auf die Mathematik gelenkt; und so mag es erklärlich sein,
der unersetzlichen Eigenart der endlichen Zahl. daß die Quantität im Unterschiede von der Qualität, die ledig-
Und so mag und darf unter dieser Vorsicht jener Anstoß immer- lich den allgemeinen logischen Wert betrifft, in Gebrauch kam.
hin zu der Einsicht gemahnen, daß der Begriff der Zahl Wir können indessen die Größe nicht
nicht von der Einheit der Mehrheit, sondern von der der Realität als eine einfache Kategorie anerkennen;
hergeleitet werden muß. Da diese aber ihren Zweck und Sinn erst später wird daher von ihr zu handeln
in der integralen Allheit findet, so darf man ebenso sagen, daß sein. Aber die Elemente zu dem Begriffe der Größe,
die Zahl ihren Grund und Wert in der Allheit hat. U n d s o die in der Arithmetik, wie in der Geometrie liegen,
sind in
rückt die Allheit, den anderen Kategorien diesen Arten des Urteils zur Erzeugung gekommen: die Zahl,
der Mathematik gegenüber, zur Bedeutung die Zeit und der Raum. Und da die Zahl, als
Infinitesimalzahl,
eines Denkgesetzes auf. die Führung dieser Klasse erlangt hat; und da ferner
eben auch
208 Mathemcuiache oder metaphysische Prinzipien? Kritische oder orUohgische Metaphysik 209

die Zeit als Kategorie erzeugt ist, so ist damit zugleich Vorsorge doch die Mathematik nicht bei den Buchstaben stehen bleiben;
getroffen für den Übergang von. der Mathematik zur mathe- sie muß sie doch selbst zu Sätzen verbinden. Die Begriffe,
matischen Naturwissenschaft. Aber nur die Vorsorge ist welche die Regeln dieser Satzbildung enthalten, fehlen uns aber
bedacht; es gilt nunmehr, für die Ergänzungen zu sorgen. noch. Es könnte daher scheinen, daß die Urteile der Quantität M-

43. Axiom undPrinzip. Man könnte denken, daß die der Mathematik nicht erschöpfen. Indessen wir suchen ja
di^ Größe und ähnUche Begriffe diese Rolle zu übernehmen jetzt die Urteile der mathematischen
Naturwissen-
hätten. Indessen war die Größe soeben als ein Begriff bezeichnet schaft; nicht der Naturwissenschaft schlechthin. Es wird sich
*;'

worden, der nicht einfach sei. Einem solchen Begriffe, der auf daher darum handeln, ob die uns noch fehlenden Begriffe der
Komplikationen beruht, scheint Eigenart und Selbständigkeit mathematischen Syntax zugleich die der mathematischen
zu fehlen. Wir müssen als Kategorien der mathematischen Naturwissenschaft sind. So wird sich der innerHche Zusammen-
Naturwissenschaft dagegen solche Begriffe voraussetzen, die hang der beiden Probleme auch durch diesen Fortgang der
auch nicht etwa ledighch in Kombinationen der mathematischen mathematischen Grundbegriffe dartun. Und wenn anders in
Kategorien bestehen; andernfalls würde die Selbständigkeit der Arten des Urteils dieser innerüche Zusammenhang sich wird
I
178 Grundlagen der mathematischen Naturwissenschaft beein- bestimmen lassen, so wird die alte Losung der metaphysischen
trächtigt oder gar nivelüert werden. Dadurch aber wäre der Prinzipien durch die Logik der reinen Erkenntnis zur Ent-
wichtigste Bestandteil des Begriffs der reinen Erkenntnis scheidung zu bringen sein.
\f- vernichtet. Der Begriff des Prinzips vollendet sich nicht sowohl Und zugleich wird sich dadurch die Abgrenzung der
in der Mathematik, als vielmehr erst in der mathematischen biologischen von der mathematischen Naturwissenschaft voll-
Naturwissenschaft. ziehen. Damit aber wird hinwiederum der Unterschied der
Es erklärt sich so, daß der wissenschafthche Sprach- neuen kritischen Metaphysik von der alten ontologischen
gebrauch für die Mathematik die Axiome festgelegt und sich genau zur Bestimmung bringen. Auch hier wird sich
festgehalten, für die mathematische Naturwissenschaft dagegen der Unterschied von Piaton und Aristoteles als den Weg-
an dem Prinzip entsprechen, sich angeklammert
Begriffe, die weisern der Weltgeschichte bewähren.
hat. Die Art der Grundlegung ist eine andere; und wir werden
diese Art als eine methodische zu erkennen haben, Das ist,
worauf wir schon aufmerksam waren, der verhängnisvolle Fehler
Newtons im Titel seines Werkes, daß er die Prinzipien als
mathematische bezeichnete; und doch unweigerlich
Begriffe der sogenannten Metaphysik mit einbeziehen
mußte. Und darin zeigt sich der philosophische Vor-
sprung L e i b n i z ens vor ihm, daß er die P r i n c i p e s
m6taphysiques anerkannte; allerdings auch für die
Mathematik; les principes m^taphysiques des
principes mathematiques —
in der sie Ihm, wie
Newton, neue Grundlagen erschufen.
In der Tat läßt die Mathematik selbst den Mangel, der den
bisherigen Kategorien anhaftet, deutüch genug erkennen. Um
an das Gleichnis Galileis wieder anzuknüpfen, so kann
Cohen, Logik der reinen Brkeontnii. n. Äxdi,
14
Bechenachaftgdten und OruncUegen 211

den Begriff der Substanz dreht, muß aus diesen


Gesichtspunkten
sich abwandeln lassen. Der Ursprung und die Re-
alität durfte der Substanz nicht fehlend
bleiben; die Bedeutung der Reahtät konnte vielleicht durch
die des Ursprungs klar und sichergestellt
179 Dritte Klasse: werden, und dadurch
das Problem der Substanz dem Fortschritt
der Wissenschaft
Die Urteile der mathematischen Natur- gemäß zu neuen Formuherungen und neuen Lösungen
reifen
wissenschaft. 2. Die
Beharrung. Durch P y t h a g o r a s war die
Substanz mit der Zahl verknüpft; durch
Parmenides
Erstes Urteil: Das Urteil der Substanz. dagegön mit der Einheit des Kosmos. Und
dabei war
nicht nur der Begriff des Unendlichen,
1. Das Recht der ersten Kategorie. Auf
den der vorher schon
entstanden, und bei> Pythagoras verwendet war,
Namen der Substanz hatten wir schon oft uns bezogen; be- sondern durch
neue Erzeugung auch der Begriff der Beharrung
zeichnet er doch allgemein das Sein; und so durften wir mit der
Substanz verbunden worden. Die Identität
in diesem allgemeinen Sinne auf das alte Wort uns berufen. hatte die
Beharrung hervorgebracht. So hatte die Identität
Aber wir haben mehrfach schon angedeutet, daß die Vorweg- von Denken
und Sem sich vollzogen. Diese Identität wurde durch
nahme eines zu beglaubigenden Begriffs nicht dadurch begangen So-
k r a t e s durchgeführt, indem er den B e r i
sein sollte. War es doch bereits (S. 45 vgl. S. 127 f.) als ein g f f als das Sein
proklamierte. Und Pia ton endüch gab dem
schwerer Fehler des Aristoteles bezeichnet worden, Gedanken die
VoUendung, indem er den Begriff in die Idee
daß er die Substanz an die Spitze seiner Kategorientafel verwandelte
Der Naivetät des Denkens wurde dadurch Valet
stellt, nicht, um das allgemeine Problem damit zu bezeichnen, gesagt- das
die erste der Kategorien. Die erste jedoch Denken kam zum Bewußtsein seiner selbst.
sondern als
3. Piatons Idee. Die Idee wurde
sollte sie nicht sein dürfen.
Denken wir nun aber an die Kategorie des Ursprungs, Rechtfertigung des Begriffs, indem in ihr die das
Denken sich selbst seinen Grund legte. „Rechenschaft
die uns als die erste gilt, und an die Kategorie der Realität,
die unter den Kategorien der Mathematik den Reigen führt,
geben" (x6yoy didovai) und Grundlegen (inoTl»eo0ai)
so erkennen wir sogleich, daß die Substanz eine andere Be- ^^ tI" gj^ichbedeutend. Der Logos ist selbst
ja der Begriff. Wenn er aber von sich selbst
deutung für uns wird haben müssen. Schon daß der alten und zum Logos
wird, so wird er zur Grundlegung seiner
auch der modernen Substanz der Wert und die Kraft des selbst. Und diese
Grundlegung der Idee bedeutet und gewährleistet
Ursprungs fehlt, läßt es mit einem BUcke erkennen, daß sie die das wahrhafte
^ein. Darüber hinaus gibt
Probleme des Seins nicht bewältigen konnte. Und da ihr auch keine Wahrheit, keine Er-
es
kenntnis und kein Sein; wie es eben auch
die Bedeutung der Reahtät nicht inne wohnt und in sie auch darunter kein Sein
und keine Wissenschaft gibt. Diese
später nicht hineingedacht wurde, obwohl sie auf die Reahtät Platonische
unverkennbaren Anspruch erhob, so lassen sich aus diesem
Logik der Substanz ist die Grundlage
Gesichtspunkte die Schwankungen, die bei demselben Autor
mathematischen Naturwissenschaft der ße-
oft die Substanz wie die tiefen Kämpfe in der Geschichte
erleidet,
worden; wie denn die mathematische Renaissance
mit Bewußtsein, Ahnung und Verständnis auf Piaton zurück-
der Philosophie umdeuthch und gründhch genug verstehen.
sie
180 Aber auch die Geschichte der mathematischen ^^n ;..^f.^^'l^'^
erschöpftdie Idee, als Grundlegung,
nicht
Naturwissenschaft, die sich im letzten Grunde doch auch um
vollständig Piatons Lehre von der Substanz.
14<
212 AhsoltUe Substanz Beivußtsein und denkende Substanz 213

4. Das Absolute. Wir haben es schon berührt von allen Seiten begünstigt. Hatte doch Aristoteles aus der
(S 87 f.). daß Pia ton für die Begründung der Ethik den Hypothesis der Grundlegung die Grundlage, die
tiefen, aus der Tiefe seiner Kritik begreifhchen
Anstoß an seiner Unterlage gemacht die Methodik
181 (Inoxdfisvov) ;
mathematische
Grundlegung des Seienden nahm. Für die also in ein Ding untergehenlassen. Die Beispiele,
Fundament genügen; für die Ethik da-
Natur mochte dieses welche Aristoteles für die Substanz anführt, sind: der Mensch,
Natur, die man
gegen schien es wie Flugsand. Die Ideen der das Pferd. Das Einzel ding (rorffn) wird bei ihm
als in dem Mathematischen (xk fia^nf^anx^)
zusammengefaßt
durch den
Substanz. Allerdings bildet das Einzelding den Träger i82
betrachten kann, mögen an Wert und Sicherheit aller Probleme, und es ließe sich aus solchem Gesichtspunkte
das Gute
Apriorismus dieser Methodik nichts einbüßen; aber wohl auch als das verkörperte Problem der Substanz bezeichnen.
Ideen zusammenfaßt, scheint
(zb aya»hy), welchcs die sittlichen Aber von allen Fehlern leidet Aristoteles am wenigsten an dem
in seinem Werte, in der Kraft seiner
Geltung zu verheren, wenn
der Einseitigkeit. Die Substanz hat bei ihm noch eine ganz
Grund gelegt wird. Himmel und
ihm nur dieser methodische andere Bedeutung. Sie ist der Zweck, der als das abso-
Erde mögen vergehen; aber der Grund der ^"Sitt-
lute P r i u s (rpoTfpor aitkroo) den ersten Beweger
lichkeit muß bestehen bleiben. Das Gute soll
und das erste Sein bedeutet. So ist auch aus diesem Zentrum
Seins" (In^Hm i^g owlag) sein, „an weil es
„jenseit des der Aristotelischen Metaphysik heraus die Substanz zum
Mitunterredner macht
Kraft und Würde überragen" soll. Der Absoluten geworden.
die Interjektion: „ein wundersames Übertreffen".
So spricht
Urteil über diese For-
6. Denken und Bewußtsein. Die neue Zeit
sich Piaton in seinem Chor sein eigenes ringt sich in der Polemik gegen Aristoteles, gegen seinen Sub-
derung, welche die Ethik von der Logik
unterscheiden soll.
stanzbegriff empor. Aber die Schärfe des Gegensatzes führt
Vernunft" erneuert.
Kant hat^ie als „Primat der praktischen
dem nicht alsbald zur völligen Ausscheidung des alten, mächtigen
Jedoch der Begriff, vielmehr die Idee, welche dadurch Sauerteigs. Wie es zumeist geschieht in der Umwandlung
innerhalb
Sein der SittUchkeit gegeben wurde, verbheb iticht weltgeschichtUcher Motive, so ist es auch hier gegangen. Die
hat sie
der Ethik. Indem sie aber in die Logik zurückdrang, neue Zeit hebt überall das Bewußtsein, das Selbst-
verleitet. Der
dort zu der Erschütterung der Seins- Grundlage bewußtsein, das Individuum, das Subjekt
Ruck-
Terminus für die sittliche Grundlage war in polemischer hervor. Demgemäß muß sie das Denken zur
sicht auf die mathematische Idee gebildet
worden: das Un-
Idee des Guten Substanz machen. Die alte Identität von Denken
bedingte (rivvno^ezov) sollte die
und Sein lebt wieder auf. Absolut an sich {xa^r' avtb) ist
bedeuten. So ist das Absoluteentstanden, der mittel-
wiederum nur das Denken und das Sein im Denken.
G o 1 1 e s b e g r i f f s der den letzten
alterUche Terminus des ,
Aber da zeigt sich die Gefahr, die in der modernen
und umfassenden Grund alles Seins bezeichnet. Die
Sub-
das Absolute. Das Relative
Verwandlung des Denkens in das Bewußt-
stanz ist nunmehr sein gelegen ist. Der antike Idealismus suchte das
bedeutet Vergänghches und Subjektives; nur das Absolute
Denken schlechthin im Sein; das moderne Bewußt-
kann das Sein vertreten. Und am Sein wird kein sein sucht sich selbst, sucht das eigene Subjekt
der
Unterschied verstattet. Gott ist der Schöpfer der im Denken, und findet das Sein daher auch, und will es vor-
der Sittlichkeit; also hegt in ihm
Natur und der Urheber nehmUch im eigenen Subjekt finden. Das Ich wird zum
Grund zu beidem. ^. t u Schlachtruf ausgegeben. Aber diese Schlacht führt zu zwei-
5 Die Substanz bei Aristoteles. Die Lehre deutigen Siegen. Das Ich bleibt nicht der Ausdruck für die
des Aristoteles von der Substanz hatte diese Umkehr Souveränität des Denkens und für die Gesetze, die aus ihr
214 Atugedehnte Substanz Substanz als Kraft 216

das alte Absolute wirft seinen mittelalterlichen


in der Ausdehnung hat. Also ist es selbst mit der
erf ließen;
Schatten in die neuen Losungen hinein. So wird das Ich zur Ausdehnung behaftet, von der es doch, als Substanz von
Seele; das Denken zur denkenden Substanz. Substanz, d i s t i n k t unterschieden, ein Absolutes also ihr
gegenüber bedeuten soll. Aber auch außer dieser Hinweisung
Wiederum ist die Substanz das Absolute; das Denken selbst
der beiden Substanzen aufeinander liegt in beiden, vollends
hat es dazu gemacht. In dieser Zweideutigkeit Hegt aber auch
aber in der Ausdehnung, das Moment der Selbstauflösung ihrer
der Keim der Auflösung, in welcher die neuere Philosophie von
dieser seltsamen Konsequenz sich wieder befreien muß.
Absolutheit.
Descartes' analytische Geometrie und
7.
8. Leibnizens Monade und das Prinzip
die doppelte Substanz. Descartes hatte nicht der lebendigen Kraft. Descartes war mit der Substanz
der Ausdehnung auf den Platonischen Weg zurückgegangen;
allein das Denken zur Substanz gemacht, um dadurch die Seele
er hatte den Ideenwert der Mathematik wieder entdeckt, nach-
als denkende Substanz zu er in seinem ersten Buche
retten. Wie
zugleich mit dem Discours de la methode
seine dem C u s a vorlängst und die Entdecker der Renaissance
weiterhin voraufgeleuchtet hatten. L e i b n i z war der erste,
IM Geometrie publizierte, so hatte er im Denken vor allem der im systematischen Stile eine Summe zog. Wir wissen, daß
quelque chose d'etendu gefunden; und dieses Aus-
seine Mathematik gerade bei der tiefsten Reinheit seiner neuen
gedehnte, dieses Objekt, dieses Erzeugnis der Geometrie ward
zum Wahrzeichen für das Ich gemacht. Die Av sdehnung, Grundbegriffe die Mathematik der mathematischen Natur-
wissenschaft wurde. Aus dieser systematischen Tendenz heraus
der Raum, dem er in seiner neuen Geometrie eine neue Grund-
lage gab, wurde in erster Linie, den Ausläufern des Denkens
gegen das purement geometrique Descartes',
entsteht seine „unausgedehnteSubstanz";ihn leitet
gegenüber möchte man sagen, in erster Instanz zur Substanz
das Prinzip der Mechanik. Die Substanz wird bei
erhoben. Auch so bleibt die Substanz ein Absolutes. Erst
dadurch wird ihre Absolutheit neu begründet. In der Aus-
ihm zur Kraft. Freilich steht auch er noch unter dem 184

dehnung allein soll das Sein bestehen. Die Banne jenes mittelalterlichen Dualismus, den er jedoch durch
Geometrie hat, als analytische, alle Mittel der Mathematik in
eine Art von Monismus — daher sein Schein des Spino-
sich vereinigt. Es ist, als ob Descartes, ähnhch wie Newton, zismus —
harmonisch zu lösen sucht. So macht er die Monade
zur Substanz, die Ausdehnung und Denken, Materie und
in die Mathematik allein die Prinzipien der mathematischen
Naturwissenschaft legen wollte; als ob Galilei mit der neuen
Bewußtsein in sich latent machen und vertreten soll. Und so
Dynamik nicht da wäre. Die Absolutheit, die Descartes der
wird auch sie als das Absolute ausgegeben; und alle An-
sprüche, welche sonst das Absolute zu erheben oder vielmehr
Geometrie verlieh, unterstützte auch die absolute ausgedehnte
zu erledigen hat, werden der Monade aufgebürdet. Sie ist das
Substanz.
absolute Sein.
Indessen schon, daß zwei Substanzen angesetzt wurden,
ganz zu schweigen von der dritten, die als Gott in Indessen das Kriterium der Monade
hegt in der
Ehren blieb, schwächte die Absolutheit ab; zumal da sie beide Mathematik, in der neuen Rechnung, und in der Mechanik in
der neuen lebendigen Kraft. Diese aber kann
einander zu begründen, also zugleich auch bloßzustellen hatten.
Das Denken war und blieb das Kriterium nicht schlechterdings als eine absolute gedacht werden; es

der Ausdehnung, die nur im Denken erkannt wird, widerspricht ihrem Begriffe. Leibniz ist dabei auf eine grund-
und nur im Denken Sein und Bestand hat. Dadurch ist aber legende Unterscheidung des Aristoteles zurückgegangen, m
andererseits zugleich eingestanden, daß das Denken selbst welcher der Relativismus festgelegt wurde, der dem Absolu-
seinen wissenschaftlichen Inhalt vornehmlich tismus entgegentrat. Die Unterscheidung der Potentia-
Substanz und Relation Kategorisches Urteil 217
216

lität und der Aktualität hat Leibniz in seinem Prinzip


Zufällige, Unwesenthche {avfißeßrjxoz)' Und in diesem Gegen-
satze bleibt die Relation nicht nur in der Scholastik, sondern
der lebendigen Kraft zu einer neuen fundamentalen und frucht-
baren Bedeutung gebracht. Dadurch aber war der Keil in das
auch noch bei C h r i s t i a n W
o 1 f.

Absolute getrieben; das Potentielle selbst bildet


10. Kants Versetzung und Verwandlung
eine Seite und Richtung der Energie und des der Substanz. Es ist eine der allertiefsten Reformen,

Seins. So hat der Eleatische Ausdruck der Monade am tiefsten welche Kant zu verdanken ist, daß er diese Ansicht ver-
nichtet hat, die der wissenschaftUchen Bedeutung der Relation
und am kräftigsten die Ansicht von der absoluten Substanz
so ganz und gar nicht gerecht wird. Die Proportion ist Relation;
erschüttert und ihre Entsetzung herbeigeführt. Die
allseitige

Kraft, die in dem Begriffe der Einheit hegt, hat sich auch hier also ist es die Gleichung. Und in Gleichungen
bewährt. Die Substanz, als Einheit, hat die absolute Substanz
'
vollziehen sich die Bestimmungen, welche
ihrer Selbstauflösung entgegengeführt.
die mathematische Naturwissenschaft von
Immerhin war die Substanz, als Monade, noch mit schweren den Kräften, also von der Substanz zu-
Zweideutigkeiten behaftet; ihre Bedeutung als Kraft dagegen
stande bringt. Sie sind die Sätze, wie wir sagten, zu
denen die Buchstaben der Mathematik verbunden werden.
hat nicht nur ihren Begriff für die Mechanik, sondern d a d u r ch
auch für die Metaphysik geläutert. Die Kraft Bei ihnen also, in ihnen hegt das Wesen der Dinge; sie dürfen
ist ein Verhältnisbegriff der Bewegung. nicht im Gegensatz zum Substantiellen stehen bleiben. An die

So wird das Absolute, als Kraft, in ein Spitze der Arten des Urteils, die nach diesem Gesichtspunkt
unterschieden werden, stellte Kant das kategorische
Relatives aufgehoben. Eine neue, vielmehr alte
und sie muß sich mit ihr verein- Urteil, das bei Aristoteles noch gar nicht ausgezeichnet war,
Kategorie dringt in sie ein,
unter dem er vielmehr das bejahende* verstand. Dieser
baren
9. Relation und Analogie. Die Relation ersten Urteilsart der Relation gab Kant
die Substanz
istin der Aristotehschen Tafel der Kategorien die vierte {ngöz n)
zur Kategorie.
Die Beispiele dafür sind: doppelt, halb, größer. Man sieht,
Nirgend zeigt sich die Korrespondenz zwischen Urteil und
gedacht. Kategorie einschneidender und einleuchtender als hier. Man
die Relation wird als ein arithmetisches Verhältnis
unter dem Namen der Analogie hatte das kategorische Urteil nach der herrschenden Unklarheit,
186 Dasselbe war ausgebildet
die Urteil und Satz vermengte, überhaupt wohl als das Urteil
im Zusammenhang mit den allgemeinen Unter-
{ivakoyla),
die Proportionen. Die Proportion ist
der Aussage betrachtet; hatte aber nicht bedacht, daß
suchungen über
die Definition des Satzes, als der Verbindung von
der wissenschaftliche Ausdruck der Rela-
tion. Sie ist somit ein Spezialausdruck des Mathematischen
Subjekt und Prädikat, die stärkste logische Vor-
bei Piaton. P 1 a t o n hat seine Ideenlehre, das ist seine Lehre wegnahme bedeutet. Die Aussage ist das Prädikat wie kommt ;

von der Substanz durch die Gemeinschaft der Be- man aber zum Subjekte? Ist das etwa die Substanz, die sonach ise

griffe {xoivtiivla xwv ysvibv) im Sophistes ergänzt ; das selber eine Aussage für sich bedeutet? •

will sagen, durch die Relation ergänzt. So ist sie b e i Ar i - Wir werden auf diese Frage am Schlüsse zurückkommen,
stoteles zur Kategorie geworden. Aber hier wo wir das Bedenken gegen das so gefaßte kategorische Urteil
Berührungen geltend zu machen haben werden. Hier sei nur hervorgehoben,
zeigt sich ein tiefer Unterschied, der trotz vieler
zwischen Logik und Metaphysik bei Aristoteles sich nicht ab- welche Klarheit mit einem Schlage dadurch erreicht wurde,
geschwächt hat. Das Relative behält bei ihm den Gegensatz daß eine Art des Urteils als das Urteil der Aussage, also des
Absoluten. Das Relative das Transitorische, Satzes ausgesondert wurde; und daß diesem Urteil die S u b -
zum ist
und Idee Veränderung 219
218 Kategorie

12. Sein und Werden. Nach dieser historischen


zur Kategorie gegeben wurde. Die Substanz wird
jetzt
stanz Orientierung lenken wir wieder in die Grundfrage ein, welche in
zu einem Analogon des Subjektes: Und was folgt aus
dieser
Wie
das Sub- den Urteilen der Mathematik nicht zum vöUigen Abschluß
Relativierung der Substanz zum Subjekte?
kommen konnte. Die Mathematik liefert Zahlen in Zeit und
jekt auf sein Prädikat zu warten hat, Raum; mehr kann sie nicht leisten. Aber sie macht auch aus
wenn aus ihm etwas werden soll, so ergeht diesen Buchstaben Sätze. Diese bilden in sich die Brücke zur
es jetzt auch der Substanz. Der Nimbus des
führt den Reigen mathematischen Naturwissenschaft. Und es ist ein Be-
Absoluten wird von ihr genommen; sie

der Relation; sie hat die Relationen abzuwarten, die


allein aus griff, welcher diese Verbindung
zwischen der Mathe-
Sie hat ihr Korrelat in der I n
- matik und der mathematischen Naturwissenschaft bezeichnet.
ihr etwas machen können.
die Modi
stecken in ihr; und Bei der Mehrheit trat das Problem der Verschieden-
h ä r e n z. Die Akzidenzen,
werden. heit auf. Das Sein fordert die Veränderung. Man hat
nur insofern sie in ihr stecken, kann aus ihr etwas
daher zwar einen Widerspruch zwischen dem Sein und der Veränderung
Sie ist nur die Voraussetzung für die Relationen, die
Voraussetzung aber angenommen. Z e n o , der Dialektiker, schien den Parmenides
ihrer, als Voraussetzung, bedürfen, die
erst zu Inhalt und Gehalt entwickeln.
so zu verstehen. D e m
o k r i t aber hat ihn besser verstanden.
Das Sein wird nicht erdacht, um die Veränderung zu ignorieren,
11.Der Grundzug von Kants Kritik. Es geschweige um sie auszuschUeßen; sondern um sie zu recht-
ist der zentrale Zug der Kritik, aus dem
diese Relativierung
der Substanz erfolgt ist. Die Kritik der Paralogismen
fertigen und zu begründen. In der Veränderung liegt das

der rationalenPsychologie hat die Substanz des Andere (vgl. oben S. 147 f.), dessen reine Erzeugung not-
wendig ist.
absoluten Subjektes zerschlagen. Die Kritik aller spekulativen
T h e o 1 o g i e hat die Beweise für die absolute göttliche

Das Werden dagegen bildet in der Tat keinen klaren
Gegensatz zum Sein; es ist vieldeutig. Es bedeutet zugleich
Substanz vernichtet. Und an der materiellen Erscheinung
der Substanz, an der kosmologischen, hat die Auflösung der
Entstehen : also auch Vergehen? Parmenides
dem nach Wahrhaftigkeit strebenden Denken hatte im tiefsten Sinne Recht, als erden Innern Widerspruch
Antinomie bloßlegte, an dem das Losungswort des Heraklit krankte:
die klare und sichere Überzeugung gebracht, daß die
Aufdeckung
des dialektischen Scheins nicht die wahrhaften Angelegenheiten Werden vereinigt Sein und Nichtsein; daher
und Gegenstände der Erkenntnis in Schein verwandelt; sondern
ist es ein Es ist sehr be-
widersprechender Begriff.
vielmehr erst als wahrhaftige Wahrheiten begründet und be-
zeichnend, daß Heraklit das Werden nicht
festigt. Indem die Welt zur I d e e wird, ist ihre
Gegenständ- ausdrücklih genannt hat; eines populären und
lichkeit als ein Problem der Wissenschaft erweitert und ge- poetischen Ausdrucks bedient er sich. Veränderung,
nicht Werden, ist nicht nur der poetische, sondern ebenso auch
sichert worden. So hat die transzendentale Dialektik innerhalb
der wissenschaftliche Ausdruck des Problems.
der Kritik der reinen Vernunft der Kritik der Urteilskraft und
der Kritik der praktischen Vernunft vorgearbeitet und Raum
Was unterscheidet die Veränderung von
geschafft. Aber alle diese Erweiterungen waren nur
mögUch der Verschiedenheit? Die Verschiedenheit entstand
Unterscheidung zwischen der uns in dem Urteil der Mehrheit bei der Frage nach dem I n h a 1 1.
auf Grund der
Idee, d. i. der Aufgabe eines Unbedingten Sie war nicht selbst ein Grundbegriff; nicht etwa eine Kate-
als Kategorie. So bildet diese gorie; sondern nur der Ausdruck eines vermittelnden Problems.
187 und der Substanz,
In der Ermittelung des Inhalts bildet der Begriff der Ver-
Anordnung der Substanz in der Tafel der Kategorien
logische
und der Urteile den innersten Punkt im System der Kritik.
schiedenheit eine Stufe. Und die Kategorien, die im Urteil
Gleichheit 221
220 Verschiedenheit

arten bringen stets neue Anstöße. Man könnte nun meinen,


der Mehrheit entstanden, die der Zeit insbesondere, dienten diesen Schwierigkeiten am gründhchsten dadurch abzuhelfen,
188 zur Klärung und Präzisierung des Wertes dieser Stufe. daß die Veränderung als Kategorie ausgezeichnet und fest-
Auch die Allheit hat kein anderes Ziel. Sie nähert gelegt würde. Die Verschiedenheit bezeichnet nur das Problem
in der
sich demselben, indem sie die eigentliche Satzbildung die Veränderung aber das Mittel zur Bearbeitung des Problems.
unendlichen Reihe beginnt. In ihr entsteht der Das legitime Mittel aber ist die Kategorie. Indessen wäre dieser
Raum, der in seinem Beisammen den Anspruch der Ver- Ausweg ein Abweg. Gerade darin hegt der Wert des Begriffs
schiedenheit herabzusetzen scheinen könnte; indessen gerade der Veränderung, daß sie ein methodisches Mittel, man darf i«9

er wird das entscheidende Mittel, die Verschiedenheit


durchzu- sagen das methodische Mathe-
Mittel der
setzen. Als dieses Mittel aber bedarf er der
Durchfüh- matik bildet; und zwar dasjenige, durch welches
rung der Methoden, welche die Allheit fordert und die Mathematik zur mathematischen Na-
möglich macht. turwissenschaft wird. Diese zentrale Bedeutung
13. Verschiedenheit und Veränderung. muß unversehrt erhalten bleiben; sie würde verdunkelt werden,
Diese Methoden enthalten den Unterschied >venn ihr Begriff zu dem einer Kategorie verallgemeinert würde.
zwischen der Verschiedenheit und derVer- 14. Di e Gleichung. Das methodische Prinzip der
änderung. Die Verschiedenheit wird nicht nur Veränderung läßt sich in dem Fortschritt der Pro-
nicht, geschweige ausschheßUch als ein methodischer Begriff portion, der Analogie zur Gleichung erkennen;
gedacht; sondern nur als eine gegebene Sachlage, die allenfalls und so möchte auf ihm der Unterschied zwischen der Arithmetik
Erklärung fordert, um verstanden zu werden, oder, wenn es und der Algebra beruhen. Die Proportion nimmt gegebene
hoch kommt, um als verbürgt zu gelten. Die Veränderung Elemente an, um aus ihnen ein anderes zu ermitteln. Die
dagegen kann nur als eine methodische Operation Gleichung dagegen ist nicht etwa die definitive Ansetzung der
gedacht werden, deren Begriff dadurch an sich nicht verschoben Gleichheit sie ist ebenso auch Ungleichung. Sie scheint
;

wird, daß dieselbe den Veränderungen, die in der Natur vor mit dem Begriffe der Gleichheit zu spielen, um vermittelst
sich

gehen, entsprechen soll. Die methodischen Veränderungen seiner etwas anderes festzustellen. Es müßte das als ein ge-
erhalten dadurch nur einen instruktiveren Wert. Auch die
Natur wagtes Spiel erscheinen; denn, wie wir später sehen wollen,
wird so nicht ledigUch als ein bestehendes Ding gedacht; sondern die Gleichheit ist die Identität der Mathe-
sie wird in Vorgänge aufgehoben. Das Vorurteil des absoluten mat i Es würde daher der Verdacht entstehen, daß
k. die
Dinges wird auch dadurch entkräftet. Die Natur ist nicht ein Gleichung mit der ihr obhegenden Identität spiele, indem sie

solches unwandelbares Ding; sie besteht vielmehr in Verände- die Gleichheit selbst nicht festlegt.
rungen. Dieser Gedanke wird nahegelegt, indem man
die Ver- Aber das gerade ist das Bedeutsame in der Theorie der
änderung als methodische Operation, den Vorgängen in der Gleichungen daß sie diesen Unterschied zwischen
:

Natur entsprechend, denkt. So geht die Substanz der Identität und der Gleichheit evident
wiederum in die Relation ein, in die Rela- macht. Die Identität ist der unverbrüchhche Charakter alles
tivität der Vorgänge. rein Gedachten. Dieser Wert ist unzerstörbar und unver-
Es kommt nun aber darauf an, den logischen Be- änderlich. Die Gleichheit dagegen ist ein Operations-
griff der Veränderung um so mehr,
sicherzustellen; zeichen, welches die Gleichheit vielmehr als eine ver-
alswir seine Kolhsion mit dem Begriffe des Werdens beachtet änderbare symbolisieren soll. So bewährt sich der ideali-
haben. Die Kollisionen sind damit nicht erschöpft; der W e c h - sierende Wert dieser fundamentalen Methode darin, daß sie
sei und insbesondere der Gegensatz mit seinen Spiel-
Die Unbekannte X für y. 223
222

von dem Vorurteil eines fixen Dinges loslöst und das Prinzip
gebracht. An der Zahl und dem Grad der Unbekannten
der Veränderung an die Stelle der geschlossenen Gegebenheit
vollzieht sich die Entwickelung der Gleichungen.
16. x u n d d x. So zeigt sich eine Art von Ebenbürtigkeit
setzt. Wir wissen, wie die Zahl das Problem der Verschie-
zwischen x und dx, insofern das x, als die Unbekannte, zwar
denheit zu behandeln hat; wie aber gerade, um die Verschie-
nicht als absolute Einheit zum Prinzip wird für die Ableitung
denheit zu erzeugen, eine Art von Selbigkeit, von Gleichartigkeit
anderer Zahlen; aber gerade, als variableEinheit, eine
erzeugt werden mußte. Die Zähl mußte sich als eine Art von
Generalnenner konstituieren, um die Verschiedenheit zu 'er- ähnliche Kraft bewährt; nur eine ähnliche; denn der absolute
Ursprung versagt, und ihr nicht obliegend; aber die Ver-
ist ihr
möglichen. So muß auch die Veränderung, in derselben Tendenz,
sich der Gleichheit bedienen, um sich selbst durchsetzen
änderung das ähnliche, das analoge Mittel der Entwickelung
ist

zu können.
und der reinen Erzeugung. Wie das Unendlichkleine des Mittels
15. Die Bedeutung der Unbekannten. Diese der Reihe bedarf, so auch desjenigen der Gleichung, und also
Tendenz, von allen etwaigen Unterschieden, ja von allem, der Veränderung. Der Anfang der Infinitesimal-Rechnung,
wie nicht minder der Fluxions-Rechnung, ist durch die variable x
was überhaupt in sich selbst einen geschlossenen Wert und
n» Inhalt hat, grundsätzhch abzusehen, macht sich hier nun in einer bedingt. Von einer Konstanten ist das Differential Null. Nur
ganz besonderen Prägnanz geltend. Sie wächst zu einer eigenen die Variable läßt sich aus ihrem Ursprung erzeugen; und ebenso m
Grundlegung aus, in welcher diejenige Voraussetzung vorweg- auch zu anderen Werten, zur Ermittelung anderer Werte selbst
genommen und fixiert wird, die vor der Entfaltung des andern verwerten.
Gesichtspunktes gesichert sein muß. Wir erkannten bisher 17. Statt A+
B j etzt x = y. Aus dieser Bedeutung der
als diese Sicherung das Symbol der Gleichheit, Substanz, als einer Unbekannten, ergibt sich ein Fortschritt
welches nichtsdestoweniger ebenso das Symbol der Ver- für das Problem des Inhalts. Bisher hieß es A+B. Jetzt aber;
:

änderung sein soll. Diese Verbindung der beiden X = y. Und dieses Gleichheitszeichen bedeutet x f ü r y. Durch
symbolischen Bedeutungen, welche das Problem bilden, zeigt sich die Ansetzung einer Unbekannten, von welcher man ausgeht,

nun in der Fixierung des Begriffs der Unbekannten. wird von vornherein die definitive Proportion ausgeschlossen;
Schon bei der frühesten und elementarsten Form einer die Veränderung vielmehr wird dadurch schon mitgesetzt, daß
Gleichung in einem egyptischen Papyrus zeigt sich die Ver- eine Unbekannte die Grundlage der Gleichung bildet. Neue
wendung einer Unbekannten, die unter dem Namen Hau Verhältnisse werden als erzeugbar aufgegeben, durch welche
(Haufen) Die Unbekannte, x, ist der
auftritt. die Bestimmung der Unbekannten vollziehbar werde. So zeigt
genaue Ausdruck für die Substanz, als das sich die erste methodische Bedeutung der Substanz in dieser

zugrunde Liegende, vielmehr das zugrunde Gelegte. Von Erfindung einer variablen Unbekannten. Indessen vertritt diese
hier aus läßt sich der Sprachgebrauch verstehen, nach dem Bedeutung doch nur die fundamentale Methode der Veränderung
auch der Winkel als eine Hypothesis gilt. Er symbo- innerhalb der Mathematik. Und auch hier eigentlich nur in
lisiert eine Veränderung in dem Verhältnis zweier Linien;
er Arithmetik und Algebra. Die Geometrie dagegen muß noch
symbolisiert sie unter dem Provisorium der Gleichheit. In ein anderes Mittel zu Hilfe nehmen, dessen Ebenbürtigkeit eine

höchster methodischer Allgemeinheit stellt aber die bloße wichtige Frage, ein tiefes Problem bildet. Die Geometrie ent-
Erfindung des x, die Erzeugung des Begriffs einer Un- wickelt den Begriff der Veränderung zum Begriffe der Be-
bekannten, die Subjektion einer Substanz wegung.
zum Behufe der Veränderung dar.Die Erwei- 18. Das Problem der Bewegung. Die Be-
terung dieses Begriffs hat den Fortschritt der Theorie hervor- wegung ist der Terminus, der alle Probleme der mathematischen
224 Sein und Bewegung KonatruhHve Bewegung. 225

Naturwissenschaft umfaßt, sei alle vereinigt. Man kann


die
In eine so innerliche Korrelativitätzum Denken tritt die Be-
mathematische Naturwissenschaft als die Wissenschaft wegung. Der Gegensatz von Denken und Bewegung muß
der Bewegung bezeichnen. Auch hierin läßt sich die erledigt werden; der Zusammenhang beider muß immer genauer
idealisierende Bedeutung der mathematischen
Naturwissen- und lebendiger durchgeführt werden.
schaft erkennen. Nicht Dinge sind ihr gegeben, sondern
Be-
Nichts ist für das Verständnis der idealistischen Kraft, die
wegungen bilden ihr Problem. Es ist, als ob die Bewegung einen der mathematischen Naturwissenschaft innewohnt, störender
Gegensatz zum Sein bildete. Jedoch Bewegung ist nicht Werden. und verderblicher gewesen, als die V e r b i n d u n g von
Nicht aus Heraklit ist die Theorie der Be- Materie und Bewegung gegenüber dem Bewußt-
wegung hervorgegangen, sondern aus Far- sein und dem Denken. Wie man die Materie korrelativ
men d e Die drei Eleatischen Epigonen, Demokrit, Empe-
i s. dem Bewußtsein und dem Denken entgegensetzte, das Bewußt-
dokles und Anaxagoras, sie alle haben, ein jeder in der ihm sein nicht als den großen, die Natur, und also auch die Materie
eigentümlichen Weise, Begriffe entdeckt, welche dem Problem umfassenden Ausdruck für das Problem des Denkens verstand,
der Bewegung dienen. Auch bei Piaton ist der ideale Wert der so nahm man auch die Bewegung in dieser rohen, unwissen-
Bewegung erkannt. Und Aristoteles hat im Zusammen- schaftlichen Bedeutung. Erkennt man dagegen, was heute die
hange mit Zeit und Zahl an der Bewegung Spekulationen an- Logik als ein Gemeingut der wissenschaftlichen Bildung voraus-
gestellt, deren Tiefe und deren Fruchtbarkeit deswegen
nicht
setzen darf, die Bewegung als das fundamentale Problem
herabgesetzt werden darf, weil es ihm nicht gelungen ist, das der mathematischen Naturwissenschaft, so entsteht ihr
daher
echte Prinzip der physikalischenBewegung zu entdecken. Sein die Aufgabe, dieser methodischen Bedeutung der Bewegung,
192 Gesichtspunkt für die Veränderung war eben doch nicht sowohl als eines Prinzips, als einer reinen Erkenntnis gerecht zu werden!
auf die reine Bewegung der Mechanik eingestellt, als vielmehr Die Veränderung erscheint ihr gegenüber nur als der Begriff
auf die biologische Entwickelung. So zeigt sich auch eines Problems, wenngleich genauer und entscheidender als
hier der methodische Unterschied in dem Interesse an der Ge- Die Bewegung aber
die Verschiedenheit. ist Kate-
winnung und Bestimmung des wissenschafthchen Inhalts. gorie.
Es möchte auch so erkläriich werden, daß Aristoteles zwar das 20. Trendelenburgs „konstruktive Bewe-
Liegen als Kategorie aufstellt; aber nicht die Be-- g u n g".Es könnte auffäUig scheinen und daher unsere These
wegung. Erst diß Peripatetiker haben sie als P o s t von der Bewegung, als Kategorie, bedenkhch machen, daß
193

prädikament ausgezeichnet. die Bewegung eine solche Auszeichnung in der Logik bisher
19. D e i Dynamik Galileis. Die Wissenschaft nicht gefunden hat. Eine Ausnahme bildet die „konstruktive
der neuen Zeit, die nuove scienze Galileis bildet Bewegung*', welche Trendelenburg aufgesteflt hat.
die Dynamik. Der Name besagt die Lehre von den Kräften. Aber gerade an dieser Ausnahme kann man den Grund er-
Aber darin liegt nicht ihr Unterschied von der Statik. Die kennen, der allgemein die Aufstellung der Bewegung als
Veränderung des Gleichgewichts ist die Bewegung. Kategorie verhindert haben möchte. GewöhnHch sagt man, die
Und so beruht freilich auch in der Ideahtät des Gleichgewichts Bewegung sei das Verhältnis von Zeit undRaum.
die Möglichkeit der Verbindung von Statik und Dynamik. Diese Ansicht kann logisch nicht befriedigen. Wodurch wird
Galilei hat das Problem des Seins in das dieses Verhältnis vollzogen? Es muß doch wohl ein Begriff
Problem der Bewegung verwandelt. Die Iden- sein, der es vollzieht; das Verhältnis kann sich doch,
sofern
tität von Denken und Sein könnte man daher auch als Iden- es logisch bestimmt werden soll, nicht von selbst machen.
tität von Denken und Bewegung bezeichnen.
Und wenn der Begriff, der es vollzieht, die Bewegung ist, so
Cohen, Logik der reinen Erkenntnis. IL Aufl. 35
Bevmßtsein der Bewegung? 227
226 Zeit und Bewegung

Neuheit und Eigenart zugesprochen des Denkens selbst der Zug der Bewegung erkannt
muß damit diesem Begriffe werden so entsteht gerade daraus die neue, die verstärkte
Indessen diese
scheint Betrachtung zuviel des soll,
werden. Gefahr, durch die Überspannung der Wirksamkeit der Be-
Begriff droht dabei
Guten der Bewegung einzuräumen: ihr
unversehens in einen anderen Begriff überzugehen etwa m wegung ihre Eigenart erst recht zu beeinträchtigen. W^ir sehen
dieses Verhältnisses jetzt, daß sie an die Zeit verloren zu gehen
den der Kraft, dem die Vollziehung droht. Diese Gefahr bildet für die ganze
Und so würde die Selbständigkeit der Bewegung Tragweite
obliege.
i!l
des Begriffs der Bewegung eine tiefe, zentrale Schwierig-
wieder verloren gehen. keit.
der Bewegung
Bedenklicher aber scheint es noch, wenn
des Verhältnisses von Zeit zu Raum 22. Die Bewegung und der Wille. Auch die
nicht nur die Vollziehung Definition des Willens leidet unter dieser Schwierigkeit.
übertragen; sondern wenn ihr auch
zugemutet wird, Zeit
Das ist die An- Die Bewegung ist in der Tat eine Grundmacht des Bewußt-
und Raum selbst zu erzeugen. seins, so daß die Versuchung entstehen könnte, zwei Arten
sicht T r e n d e 1 e n b u r g s; und aus ihr heraus bekämpft des Bewußtseins zu unterscheiden: das
die Grund-
Apriorität von Zeit und Raum und damit
er die
die konstruk- Bewußtsein der Vorstellung und das Be-
richtung des Kantischen Ideahsmus. Denn wußtsein der Bewegung. Und man könnte geneigt
Erzeugnis,
tive Bewegung ist nicht sowohl ein reines
trotz angeblicher Metaphysik, ein psycho- sein, Eigenart des Willens diesem Bewußtsein der Be-
die
als vielmehr,
vom wegung zuzuweisen.
logisches Nachbilden der unabhängig
So tief hinein in die Schachte des Be-
wußtseins läßt sich vom Interesse der systematischen Psycho-
Bewußtsein an sich gegebenen Seins- logie aus die Eigenart der Bewegungen zeichnen und als
formen von Raum und Zeit. Wäre die konstruk-
Vorwurf von solche verteidigen. Aristoteles hat als Kategorie die
tive Bewegung anders gemeint, so hätte ja der
Raum Bewegung nicht aufgenommen; aber als eine Potenz der
der Lücke in Kants Beweisen für den nicht
Seele hat er das B e w e g u n g s v e r m ö g e n (ro xivr^uxhv)
entstehen können. So ist daher diese Theorie
von der Selb-
Raum, für die aufgestellt und dem Nus zugeordnet.
ständigkeit der Bewegung gegenüber Zeit und
die
Bewegung selbst weit gefährUcher als die durchgangige, 23. Zwei Arten des Bewußtseins. Schon die
Ursprünghchkeit der Bewegung nicht anerkennende
An- Unterscheidung des Bewußtseins der Bewegung von dem
sicht. Bewußtsein der Vorstellung verrät es jedoch, daß wir in das
21. Die Bewegung und die Antizipation Interesse einer Psychologie abgeschweift sind, von der es frag-
lich ist, ob sie als systematische Psychologie in dieser
der Zeit. Unsere eigene Theorie indessen, die wir von Zeit Frage sich bewährt. Warum sagten wir nicht: Bewußtsein
Schwieng-
und Raum dargetan, könnte eine neue, besondere
Bewegung bilden.Wir haben die des Denkens? Sobald wir aber das Denken als reines
.4 keit für die Auszeichnung der
Antizipation der Z u k u n f t be- Denken fassen, beginnt der Gegensatz zu entschwinden. Das
Zeit als die Denken der Vorstellung, wie es aus der Empfin-
der Ver-
stimmt, welcher Antizipation die Retrospektive
gangenheit zum notwendigen Korrelat wird. Ist das nicht dung sich entwickeln soll, scheint eben mehr oder weniger
Vorstellung von rezeptiv und also passiv zu sein; seine Aktivität beschränkt
schon Bewegung? Gerade wenn die gemeine
sie von selbst, sich auf eine Reaktion. Dagegen bäumt sich in. der Bewegung
der äußeren oder inneren Bewegung, sofern
der Materie, stattfinde, beseitigt eine spontane Ursprungskraft auf, die einen Gegensatz zu aller
als die Erscheinungsform
Richtungen Vorstellung zu bilden scheint. Wenn hingegen das Denken das
werden soll, wenn dagegen in den eigensten, tiefsten
Verhältnis von Zeit und Baum 229
228 Gegenwart

Beisammen sind zwei Ausdrücke für den-


Möglich- selben Inhalt; zwei Ausdrücke von den beiden Gesichts-
reine,erzeugende Denken ist, so ist von vornherein die
,95 keit zu einem solchen Gegensatze unterbunden. punkten der Zeit und des Raumes aus.
Schon im Urteil des Ursprungs und ebenso dem der
Realität
25. Der methodische Begriff der Bewegung.
könnte man jetzt eine solche Bewegung ertappen: die Be- Wir meinten, der Antizipation der Zeit die Bewegung
in
wegung von dx zu X. Aber das wäre ungenau denn x
;
ist eben
handelt sich um die rein schon zu haben. Wir sehen jetzt, daß wir nicht einmal die
nicht nur noch nicht da; sondern es Gegenwart in ihr besitzen. Wir erkennen schärfer so den 196
abstrakte Schaffung seines Ursprungs; die
sachliche, also rein
Gleichnis. Anders ist es bei der
Unterschied von Raum und Zeit; den Unter-
Beweöung ist hier nur ein schied bei der innigsten Verbindung. Wir sehen, daß ein
Tat
Zeit in der Erzeugung der Mehrheit. Hier ist in der hier intimes Verhältnis an sich da obwaltet. Aber es wäre verfehlt;
der Zukunft Bewegung zu vermuten;
in der Heraufholung es würde der Aufgabe widerstreiten, welche der Bewegung
ist der Schein berückend. Aber es gilt hier zu erkennen, daß
gesetzt wenn man sie als den bloßen Ausdruck eines
Schein im letzten Grunde doch auf der gemeinen
ist,
dieser
Nachbildung solchen, an sich bestehenden Verhältnisses
Ansicht von der Bewegung beruht; die nehmen würde. Die Bewegung muß etwas Eigenes zu
Eine weitere Be-
wird hier nur vertuscht; aber sie ist latent. bedeuten haben, wenn anders sie der umfassende Problem-
das Vorurteil auf.
trachtung deckt auch hier
begriff der mathematischen Naturwissenschaft ist; zumal
24 Das Problem der Gegenwart. Wir haben
Retrospektive wenn sich herausstellen sollte, daß sie nicht bloß alle Probleme
die Zeit in der Antizipation und der
korrelativen
wo bleibt umfaßt, sondern vielmehr alle Methoden; daß sie die
bestimmt; also nur in Zukunft und Vergangenheit: Einheit aller Methoden bezeichnet.
die Gegenwart? Wir sagten, sie bilde einen relativen,
idealen Durchgangspunkt, kein selbständiges
Ghed der Korre- Es entstand der Einwand, daß die Antizipation, als die
genauerer Er- Heraufholung der Zukunft, schon Bewegung sei. Ist das aber
lation Dies scheint paradox und bedarf
örterung, die erst hier am Platze ist. Gegenwart ist ein o -M nicht vielmehr nur ein Gleichnis? und ist dieses Gleichnis nicht
Festhaltung
ment des Raumes. Gegenwart ist die
versinken mußte
das Bild der äußeren Bewegung, die unter diesem Bilde nur
dessen, was ohne sie in Vergangenheit als eine innere vorstellig gemacht wird? Das Reine, das Er-
Diese Festhaltung vollzieht das Beisammen, zunächst zeugende wird freihch durch dieses Mittel zu einer bildhchen
das Zusammen des Raumes. Auf dem Grunde dieses Darstellung gebracht, dadurch aber auch wieder aufgehoben;
Beisammen bildet sich eine neue Korrelation zwischen A^ und denn das Reine darf nicht in einem Bilde, es muß in einer
gemäß der Zeit nur Vergangenheit Erkenntnis zur Bestimmung gebracht werden. So ist es also
Aa Diese Elemente würden bedeuten
und Zukunft, oder eigentUch vielmehr umgekehrt, nur Schein, nur Nachwirkung des immer wieder sich ein-
neuer Beziehungspunkt, ein neues schleichenden Vorurteils, wenn schon in der Zeit die Be-
können. Jetzt ist ihnen ein
ßeziehungsgebiet entstanden. Das Beisammen ist dieses wegung gesehen wird. Die Bewegung bedeutet nicht allein
neue Gebiet, und in diesem Gebiet ist der neue Punkt gelegen. etwas an und in der Zeit; sie setzt zugleich den
Man sieht, der Punkt und das Gebiet fallen Raum voraus. Darin enthält die allgemeine Ansicht
zusammen; sie bilden beide das Projektionsfeld jener ur- das Richtige, daß die Bewegung das Verhältnis von Zeit und
sprüneUchen beiden Elemente. Indem Zukunft und Ver- Raum bedeute. Aber wir haben erkannt, daß nicht einmal
gangenheit zusammenrücken, entsteht die
Gegenwart; in ihr die Gegenwart in der Zeit hegt. Also kann die Bewegung
zusammen; dem Räume gemäß wäre zu sagen: aul erst recht nicht in der Zeit schon enthalten sein.
rücken sie
ihr rücken sie zusammen. Die Gegenwart und das

Vi
Verbindung mathematischer Methoden 231
230 Auflösung des Beisammen

haben. Die Zeit ist das Vorbei; der Raum das Beisammen;
26. Die Bewegung und die Substanz. Der Ort,
beide für sich enthalten noch nicht Bewegung, als eine
eigene
an dem wir die Bewegung als Kategorie einführen, enthält enthalten; der Raum dagegen
Leistung. Die Zeit scheint sie zu
zugleich die Orientierung zur Richtigstellung jener Ansicht
löscht sie aus.
von der Bewegung, als Verhältnis. Die Substanz ist
Die Auflösung desRaumes in die Zeit.
28.
.

die Voraussetzung für die Veränderung. So ist sie auch die


Proportion An diesem Punkte, an dieser Bedeutung des Raumes muß die
Grundlage für die Verhältnisse, die in
Bewegung einsetzen. Das Beisammen scWießt die Bewegung
undGleichung gebildet werden. Und so muß sie auch notwendig wird. Daher
aus: die doch für den Raum selbst so
Grundlage werden für das Verhältnis von
das Beisammen des Raumes aufgelöst werden, wenn
zur die
muß
Zeit und Raum. Allerdings ist die Grundlage nur die
Bewegung entstehen soll. Und so ist dies die neue, die
Voraussetzung für das Verhältnis; nicht das Verhältnis selbst. eigentliche Tat der Bewegung: daß sie das Bei-
197 Dies hat K
a n t in Schärfe und Klarheit festgestellt, daß die sammendesRaumesauflöst.
Substanz vielmehr die Bedingung zu Verhältnissen sei,
Wohin aber löst sie es auf, in welche Elemente? Es gibt
als das sie selbst ein Verhältnis enthielte. Aber man darf sei es
keine anderen, als welche die Zeit liefert und erzeugt,
darüber die positive Leistung der Substanz nicht vernach- zu einer Allheit, sofern die
zum Behufe der Mehrheit, sei es
lässigen. Die Grundlage zu einem Verhältnis ist darum nicht der Deutung
letztere unter der Einschränkung gedacht wird,
etwa überhaupt nur von negativer Bedeutung, weil sie die des Beisammen zu entsagen. Also geht die Auflösung des
Bei-
negative Bedingung ist.
sammen, als die Auflösung des Raumes, in die Zeit zurück.
DieAuflösung desVerhältnisses von
27.
Und so ist diese Auflösung von Raum in 198

Zeit und Raum. Wir scheinen nun aber das Ansehen Zeit die Vollziehung des Verhältnisses zwischen Zeit
und
die Bedeutung der Bewegung noch mehr in das Negative
ist das Neue. Und in ihr voll-
und
Raum. Diese Auflösung
herabzudrücken, wenn wir nunmehr die Vollziehung dieses ein wahrhaftes Verhältnis.
zieht sich
Verhältnisses von Zeit und Raum, welches der Bewegung
Es wird jedoch nicht Denn der Raum wird jetzt nicht etwa entlassen, so daß
obliegt, zu bestimmen versuchen.
nur die Zeit übrig bliebe; sondern der Hintergrund,
sowohl die Vollziehung dieses Verhält- den der Raum hauptsächUch bildet, wird jetzt erst wirksam.
nisses, als vielmehr die Auflösung des- kein fixes Bild mehr, sondern er wird
Und in dieser Auflösung Er bildet
selben dabei herauskommen.
zum Projektionsfeld, zum Schauplatz für die V e r -
besteht die Vollziehung. Das khngt paradox; aber es kommt Operationen an
alles darauf an, die genaue Richtigkeit des Gedankens klar-
änderungen, welche in methodischen
und auf ihm zur Vollziehung kommen. Das Verhältnis, welches
zustellen.
die Bewegung zwischen Zeit und Raum vollzieht,
wird in den
Das Verhältnis, welches die Bewegung auflösen muß
zwischen Veränderungen dieser mathematischen Operationen vollzogen.
ist jenes angebUch an sich selbst bestehende Verhältnis
So läßt sich die Bewegung erkennen als die Verbindung
Raum und Zeit. Ein solches Verhältnis besteht in der ge- der mathematischen Grundmethoden, die
meinen psychologischen Abstraktion. Die lo-
und verbunden werden.
nach Raum und Zeit unterschieden
gische Erzeugung muß dagegen die Eigenart und Selbst- 29. Bewegung, Veränderung und Erhal-
ständigkeit der Elemente der Erkenntnis herausstellen. Dabei Bewegung soweit erörtert, und als
tung. Nachdem wir die
entsteht nun die andere Aufgabe, die Bewegung als ein Ver- allerdings
Elemente das Neue in ihr die Auflösung des Beisammen,
hältnis zu bestimmen. Wir kennen jetzt genauer die
mit ihrem Gegensatz, welche in jenes Verhältnis einzutreten
unter einer wichtigen Einschränkung, er-
232 Koordinatena xen Kategorie der ErJuütung 233

kann! haben, könnte es angezeigt erscheinen, diese Ein- Voraussetzung der Dj^namik. Die Analysis ver-
schränkung selbst genauer zu erörtern. Denn es könnte all- eitelt die Ansicht von den absoluten
mähhch die Frage entstehen, ob das Urteil der Substanz der Raumgebilden, indem sie die Bedingungen aufdeckt,
angemessene logische Ort sei für die Kategorie der Be- nach denen aufeinander reduz erbar werden; aber sie hat
sie
wegung, wenn dieselbe in der Auflösung des Beisammen, in kein Mittel, dem anderen Interesse zu genügen, welches die
welchem das Sein, das allgemeine Sein zur Darstellung ge- Festlegung eines Gebildes oder auch nur eines Punktes
langt, ihre Eigenart betätigt. Wir waren von der Ver- fordert. Hier tritt die Koordinaten-Theorie ein.
änderung ausgegangen, als von einer mathematischen Im Ausdruck der Koordinaten liegt die Relation, als Korre-
Methode, das Sein zu bearbeiten; und waren von der Ver- lation. Und die Bewegung ist es, durch welche diese Korre-
änderung zur Bewegung fortgeschritten, um in ihr die um- lation ermittelt wird; die Bewegung des Punktes auf einer
fassende Methode zu erkennen für die Bearbeitung des Seins. Axe hat die entsprechende Bewegung auf der andern Axe zur
Aber bei der Veränderung hielt die Unbekannte das Symbol notwendigen Folge. So scheinen die Koordinaten nur ein
der Substanz aufrecht; die Bewegung dagegen scheint diesen Mittel der Veranschauhchung zu sein, um die Bewegung
Wegweiser zu beseitigen. So scheint sich unsere Disposition kenntlich zu machen, welche ein Punkt macht, indem er eine
zu verschieben. Kurve beschreibt; indessen hegt ihnen eine Vorausset-
Indessen muß uns der Gedanke orientieren, daß die Be- zung zugrunde, welche ihren Zusammenhang mit der dyna-
wegung eine Zusammenfassung und Vereinigung der mathe- mischen Bewegung erkennbar macht.
matischen Methoden bilde; wie denn darauf ihr Vorzug vor Auf den beiden Axen werden Veränderungen, Bewe-
der Veränderung beruht. Eine solche Vereinigung der Me- gungen registrierbar; die Axen selbst dagegen dürfen sich nicht
thoden kann den Raum nicht gänzlich ausschheßen. Wir verändern. Dadurch wird die Festlegung des Punktes trotz
sagten daher schon, daß nur das fixierte Raum- seiner Bewegungen mögUch. Die Koordinaten-
gebild aufgelöst werde, der Raum als Pro- Axen bilden daher eine wichtige Ver-
jektionsfeld aber erhalten bleibe. Diese Erhaltung tretung des Gedankens der Substanz; des
des Raumes, die sonach für die Bewegung selbst, die Seins für die Bewegung. Und wiederum sind es Relation und
199 doch das Beisammensein auflöst, Voraussetzung bleibt, läßt Bewegung, welche diese Voraussetzung in sich tragen. Und
den inneren Zusammenhang der Bewegung mit dem Leitge- während die Bewegung das Beisammen auflöst, nämhch die
danken der Substanz wieder hervortreten. Und so können feste Verbindung der Punkte, so läßt sie im Räume
einen
wir, von jenem Bedenken der Disposition befreit, in der Er- andern, und zwar den festesten Halt erstehen; einen Halt, der
örterung der Bewegung fortfahren. seine Kraft nicht aus dem Beisammen der Allheit schöpft,
Die Bewegung und die Koordinaten-
30. sondern aus der korrelativen Substanz. Diese ist aber die 200
Geometrie. Wie der neue Begriff der Bewegung die neue umfassende Voraussetzung des Seins für alle Erscheinungs-
Z a hl voraussetzt, die jedoch, W'C wir mehrfach sahen, vor weisen desselben.
ihrer Definition schon bei Galilei in Wirksamkeit war, 31. Die Substanz alsErhaltung. Die Koordi-
so wurde auch durch die neue Geometrie bedingt.
er naten-Geometrie hat daher zur Voraussetzung den Grund-
Die Geometrie Descartes' besteht in der Mitwirkung begriff der E r h a 1 1 u n g. So wird es erklärlich, daß die
der Bewegung bei der Erzeugung der Raumgebilde. Zwar Erhaltung von Descartes proklamiert wird. Von der
hat erst Mac Laurin die Koordinaten- Geometrie in die Geometrie aus ist sie in die Mechanik übergegangen, und so-
Mechanik eingeführt; aber sie bildet eine innerliche, sachliche dann zur Formuherung des obersten Grundsatzes der mathe-
\r<

Inhalt und Zusammenhang der Kategorien 235


234 Erhaltung in der Bewegung

verwendet worden. 32. Die Stufen der Inhaltsbildung. Wir


malischen Naturwissenschaft in neuerer Zeit
Forderung, das reine Denken, welches möchten hier nach Art des sentimentalischen Dichters einen
Daher entstand uns die
hat, diesem Grundbegriffe Moment verweilen, und eine kurze Betrachtung einfließen
die reine Erkenntnis zu erzeugen
bestimmen. D i e lassen über den instruktiven Wert der Substanz, soweit er sich
gemäß als in Erhaltung sich vollziehend zu
hals Bewegung und Er-
Kategorie der Substanz betätigt sie ihrer bis hierher erschlossen hat.
haltung sollen sich vereinigen. Dadurch erst
die Kategorie der Erhaltung in
möghch werden, einen festen Punkt zu bestimmen.
Korrelation zur Bewegung. Die Bewegung wird soll es
Erinnern wir uns, daß der Wert der Erkenntnis im Gegen-
Daher muß für die
an den Koordinatenaxen bestimmt.
Koordinatenaxen selbst die Erhaltung als
Voraussetzung Stande liegt. Der Gegenstand, das ist der Inhalt. Des
das Sein für die Bewegung. Wir er- Inhalts wegen wurden die Arten des Urteils, von denen der
gelten Sie vertreten
korrelativen Charakter der Substanz. Quantität ab, ausgezeichnet. Des Inhalts wegen gingen wir
kennen so wiederum den
höchster Wert scheint sich von der Verschiedenheit zur Veränderung
Sie bedeutet Erhaltung, und ihr
was was bedeutet diese Erhaltung, und zur Bewegung fort. Und jetzt zeigt es sich, daß die
darin zu erfüllen. Aber ist,
für die sie Bewegung die Erhaltung gleichsam in. sich hat; und daß da-
wenn sie abgetrennt würde von der Bewegung, durch die Festlegung des Punktes möghch wird. Das ist
Es ist nicht mehr das Sein überhaupt, welches
standhält*?
Erhaltung weniger frag- allerdings der Anfang des echten Inhalts, auf den unser Weg
sich erhält, bei welchem aber die
ein bestimmtes Sein, auf die Koordi- ausgeht. Wir lassen uns nicht durch den Einwand irre machen,
würdig wird, sondern auf
letztlich nur zur daß der Raum selbst doch nur eine Kategorie des Denkens
natenaxen beschränkt sich die Erhaltung, die
dennoch bedeute. Alle reine Erkenntnis besteht in Kategorien; aller
Bestimmung der Bewegung aufgestellt werden; und
Substanz zu vertreten. Gegenstand aber besteht auch nur in der reinen Erkenntnis.
vermag sie die
Wir sehen daher, daß es nicht der Raum, auch
nur in der Und überdies haben wir oben gesehen, daß die Erhaltung eine
Projektionsfeldes, ist, der in den Koordi- eigene Kategorie ist, die bei der Bewegung nur übertragener
Einschränkung eines
Bewegung das Weise als die des Raumes erscheint.
natenaxen Erhaltung behauptet, während die
sondern die Erhaltung ist ein Worauf wir aber in dieser Betrachtung hinsteuern, das
Beisammen auflöst;
Überlegung, wie durchaus der Inhalt auf
sonstige
aber auf ist die
selbständiges Element, vom Räume unterschieden;
löst allerdings den der Zusammenwirkung undDurchdringung
den Raum übertragbar. Die Bewegung
die Zeit auf; aber ihr entspricht
korrelativ die der Kategorien beruht. Als Anfang des Inhalts
Raum in
gilt uns der eindeutig bestimmte Punkt. Die Bewegung
das Gegengewicht gegen die Auflosung
Erhaltung. Sie bildet Bewegung nämlich, der die
Und so erkennen wir die korrelative bringt ihn zur Fixierung; die
des Raumes in die Zeit.
Die Erhaltung ist die Substanz. So
Bedeutung der Substanz an dieser Immanenz der Er- Erhaltung immanent ist.

Bewegung. Die Bewegung allem findet allerdings in der Substanz der Inhalt seine erste Be-
haltung in der
wäre die Auflösung des Raumes in die
Zeit. Aber m dieser stimmung. Aber es wäre doch oberflächhch und verkehrt, die
Verhältms nicht, Erhaltungs- Substanz sich als das Sein zu denken, auf dem
negativen Leistung erschöpft sich das
und Raum vollzieht. etwa jene Bewegung sich abspielte. Das ist die Illusion der
welches die Bewegung zwischen Zeit
den positiven Betrag, der absoluten Substanz. Dieser Illusion zu entsagen, gebietet die
Wir erkennen nunmehr
Substanz, als Substanz der Relation. Mithin sehen wir, daß
SOI
Sie ist Substanz; also
dabei mitwirkt in der Erhaltung.
das Korrelat der Be- der Inhalt nicht auf dem Hintergrunde des absoluten Seins
ist sie nicht absolut; sie ist Be-
auftaucht; nicht von ihm sich abhebt, indem er in der
wegung.
:t
236 Korrelation, nicht Immanenz Bewegung und Ursprung 237

202 wegung etwa entrollt wird. Das sind alles nur bildliche, Neugier. Die Frage, welche lediglich logiscli sich hier erhebt,
illusorische Vorstellungsweisen, die nicht nur unzulänghch geht vielmehr auf die Vereinbarung der Bewe-
die freie Entfaltung gung mit den übrigen Kategorien.
sind, sondern ein Hemmnis bilden für Es fehlt
der Kategorien und ihres Zusammenhangs. noch etwas in der Bestimmung, die Bewegung sei das Ver-
Und darin besteht der durchschlagende instruktive Wert hältnis von Zeit und Raum. Und daher bedarf auch unsere
der Substanz, als der Kategorie der Relation, daß
sie in Erörterung, daß die Bewegung das Beisammen auflöse, daß
der Relation diese Vereinigung der Ka-
203
aber die Koordinatenaxen für diese Auflösung die Erhaltung
tegorien zur Darstellung bringt. Nicht sichern, noch immer der Ergänzung.
das
der Raum ist es, der die Erhaltung darstellt; noch auch 34, Vereinbarung mit der Kategorie des Ur-
Sein schlechthin, geschweige das absolute Sein;
sondern die sprungs. Diese Forderung der Erhaltung war ursprünglich
Erhaltung selbst, als Kategorie, ist mit der Bewegung nicht für den Raum gestellt worden; als ob sie auf ihn allein sich zu
nicht
nur vereinbar, sondern ihr immanent, oder vielmehr erstrecken hätte. Indem wir nun die Bewegung als die Auf-
Und in dieser
immanent, sondern eben nur ihr korrelativ. lösung des Beisammen in die Elemente der Zeit bestimmten,
rein logischen Vereinigung vollzieht sich schienen wir vergessen zu haben, daß Veränderung, Bewegung,
der Inhalt; besteht der Inhalt. Und nur aus geschweige Auflösung Begriffe sind, die der ersten Kategorie,
Inhalt
solcher Vereinigung der Kategorien ist der Inhalt, als Ursprungs
der des gerecht werden müssen. Bewe-
der reinen Erkenntnis, abzuleiten. gung muß Erzeugung werden. Und wenn anders
Es ist nur ein Beispiel hier hervorgetreten; die Kompli- die Bewegung Kategorie ist, so ist vor allem die Vereinbarung
kation der Kategorien, die 2ur Erzeugung des Gegenstandes mit der ersten Kategorie ihr aufgegeben. So sahen wir auch,
erforderhch ist, geht weiter. Und die hier angestellte Be- daß die Kategorien der Mathematik vor allem eine solche
trachtung wird sich daher auch weiterhin noch zu bewähren Vereinbarung eingehen mußten; so trat die Kategorie der
und zu klären haben. Realität an ihre Spitze. Eine solche Durchwirkung der
33. Anstatt Immanenz: Korrelation. Wir er-
Kategorie des Ursprungs muß daher auch für die der mathe-
kennen sonach, daß es ungenaue Ausdrücke
gleicherweise matischen Naturwissenschaft zu fordern sein. Und so müssen
sind, wenn man sagt: der Bewegung sei die Erhaltung imma- wir auch in der Substanz, als der ersten Kategorie in dieser
nent; wie auch der Substanz sei die Bewegung immanent. Reihe, die Vereinbarung mit der Kategorie
Für Immanenz muß die Korrelation ein- des Ursprungs ins Reine bringen.
treten; und darf nicht formell, sondern sie muß
sie Wenn wir soeben fragten, woher die Bewegung komme,
methodisch gedacht werden. Die beiden Begriffe an sich und wie sie vonstatten gehen könne, die doch Erzeugung
fordern einander; und ihre Korrelativierung bringt die Er- sein müsse, so läßt uns die geforderte Vereinbarung mit dem
kenntnis zustande. Von dieser Einsicht aus werden nicht Urteil des Ursprungs die genaue Antwort finden. Bei der
etwa die Fragen abgeschnitten; sondern erst recht heraus- Auflösung des Beisammen findet die Neu-
gefordert; aber zur Lösbarkeit vorbereitet. Wir sind in der bildung nach und gemäß dem Urteil des
Tat noch gar nicht zu Enae mit den Fragen. Nicht nur die Ursprungs statt. Wenn es aber fraghch sein konnte,
Erhaltung ist noch nicht außer Frage gestellt, sondern ebenso- wie bei der Auflösung des Beisammen die Koordinatenaxen
wenig die Bewegung. Woher kommt sie? Wie kann sie
Erhaltung praestieren könnten, so löst sich jetzt das Rätsel.
vonstatten gehen? Nicht psychologische Wiss- Es ist nicht schlechthin Zerfließen in eine Mehrheit der Zeit
begier treibt uns; geschweige undiszipHnierte metaphysische oder der Zahl, was aus dem Beisammen wird; sondern es ist
Vertoandlung 239
238 PhyaikcUiache Bewegung

geben: Energie und Entelechie. Die Energie


dabei vorgesehen, daß die Erzeugung des Ursprungs obwalte,
von Realitäten sich bedeutet den Übergang, in dem die Möglichkeit in die
und in der Erzeugung Wirklichkeit sich umsetzt. Und die Entelechie be-
bewähre. Somit ist die Herrschaft der Kontinuität
deutet die Erreichung und den Besitz jenes Zieles. Die Unter-
gesichert; mit ihr aber ist zugleich die echte Grundlage der
scheidung läßt sich verstehen; aber daß sie gemacht wurde,
Erhaltung gesichert. Denn jenes Bild von dem absoluten Sein
11
dafür hat man doch wohl den Duahsmus des Aristoteles als
bezeichnet nicht den Begriff der Erhaltung.
letzten Grund anzunehmen, der weder im Sein, noch im
Und auch das Bild von dem festen Hintergrunde, den der
keineswegs begriffhche Reinheit. Der Werden Sicherheit und Ruhe findet. Indessen der Gedanke
Raum bilde, bietet
der Korrelation macht es uns klar, daß, wie die Bewegung das
Raum entsteht, Kategorie, im Urteil aer Allheit. Die
als
Sein, vielmehr die Erhaltung, so auch die Erhaltung die Be-
904 Allheit aber setzt, im Unterschiede von der Mehrheit, die
wegung fordert. Und je kompUzierter und intrikater die
infinitesimalen Elemente voraus, die der Kontinuität gemäß
So auch die Allheit in ihrem unend- Probleme werden, desto dringlicher wird die Forderung, beide
erzeugbar werden. stellt
Zusammenschluß eine Art von Erhaltung dar, die nicht GUeder der Korrelation zu behaupten und klarzustellen.
lichen
Die physikaUsche Bewegung unterscheidet sich von der
auf dem Räume, sondern auf der vielmehr der Raum beruht.
geometrischen durch die quahfiziertere Art des Inhalts, 205
Und so haben wir nun auch in der Bewegung die Erhaltung
den sie zu erzeugen hat; durch die aufdringhchere Bestimmtheit
zu verstehen: daß sie beruhe auf der Vereinbarung, welche Ver-
der Kategorie der Bewegung aufgegeben, also ge-
derVerschiedenheit und demgemäß der
geben ist mit der Kategorie des Ursprungs gemäß dem änderung, die sie geltend zu machen und zu befriedigen

Denkgesetze der Kontinuität. hat. Um so notwendiger wird dagegen die Aufrechthaltung


des andern Gesichtspunktes.
35. Die geometrische und die physika-
36. V e r w a n d 1 u n g. So wird die Bewegung zur V e r
-
lische Bewegung. Dieser wichtigen Auseinander- Wandlung. Es ist freihch nur ein Wort; und es könnte
setzungen bedurften wir zum Verständnis der geometrischen
mathematische Nturwissenschaft die scheinen, als ob die Schwierigkeit dadurch nur im Ausdruck
Bewegung, die für die
verringert würde. Die Veränderung hält doch wenigstens
Infinitesimal- Geometrie zur Voraussetzung hat. Sie werden
das Andere fest, also das Verschiedene. Die Verwandelung
jedoch unentbehrhch für die andere Art der Bewegung, für die
dagegen läßt im Wandel die Verschiedenheit nur als eine
physikalische Bewegung. Für die Probleme der transi torische erscheinen; allenfalls als eine geometrische.
physikaHschen Bewegung wird eine weitere Umformung des
Verschiedenheit erforderUch. Der lateinische Ausdruck, der in der neuern physikalischen
Problembegriffs der Transformation,
Terminologie dafür übHch ist, der der
Es genügt dafür nicht die Veränderung, welche sich zur Be-
entzieht sich zwar dieser Gefahr; aber er setzt sich dagegen
wegung praezisiert. Da die Bewegung ihr Korrelat in der Form
den Zweideutigkeiten aus, welche dem Ausdruck der
Erhaltung empfangen hat, so erscheint die Veränderung an-
die Bewegung erscheint bedenkhch, sofern
auch in der Formation unvermeidhch sind. So läßt es sich
stößig. Und auch Kant die Veränderung als einen genauem
verstehen, daß
unterdem Leitmotiv der Veränderung vollzieht. D i e Wechsel
sie sich
Erhaltung muß in der Bewegung selbst Wandel
Begriff behandelt; den dagegen in den
aufhebt. Indessen hat er dabei eben eine Verteilung der Sub-
zum Ausdruck kommen. Die Korrelation fordert
stanz und der Akzidenzen vorgenommen; und man würde
diese Klarheit,
Aristoteles hat in einem uns schon mehrmals ent- ihm Unrecht tun, wenn man diese auffaßte, wie eine Verteilung
von Licht und Schatten. Diese Unterscheidung entspricht
gegengetretenen Gedanken seinem Sein zwei N a m en ge-
McOerie 241
240 Beharrung
Sein: „Dasselbe in Demselben ist es blei-
auch bei Kant der Bedeutung der Substanz nicht die nur bend, {tc^vto^^ t* ev rmvt^t xe fjtkvov) Und in sinnlicher An-
die Bedingung zu Verhältnissen ist.
schaulichkeit drückt er den Gedanken so aus: „In bezug
Indessen wenn sie auch nicht selbst schon Relation ist,
auf sich selbst liegt e s." {xa^' %avt6« xsitai.) In
sondern nur die Grundlage zu einer solchen, so ist sie doch
bezug auf sich selbst, das bedentet das des An sich
Seienden, das vornehmlich die Substanz bezeichnet. Das
Korrelation in der ganzen Strenge dieses Begriffs. Und diese
Liegen an sich aber gibt dem Sein jene Richtung, welche in
Strenge fordert ein Wort, einen Begriff, in welchem die beiden
Gheder nicht nur für die Vereinbarung gesondert bleiben,
dem Zugrundeliegen zur Ausführung gekommen ist.
sondern als vereinigt gelten. Diese Bedeutung hat der moderne
Aber das Liegen hat sich nicht allein in dieser Richtung auf
Wir werden es sehen,
Begriff der Verwandlung.
die Grundlage bedeutsam gemacht; sondern zugleich im
Kategorie zu erzeugen Gegensatze zum Gehen und zur Bewegung. Vielleicht läßt
wenn wir später die
haben, die der Verwandlung entspricht, sich auch hier wieder ein Grund dafür erkennen, daß Ari-

wie die Bewegung der Veränderung. Besinnen stoteles das Liegen zu einer Kategorie gemacht hat.
wir uns, daß wir nur das erste Ghed aller dieser Korre-
Das Liegen bezeichnet als Korrelat der Bewegung die Träg-
lationen hier festzustellen und zu erzeugen haben; und daß
heit oder die Beharrung.
wir nur dieses ersten Motivs wegen das zweite der Korrelation
An dem Unterschied dieser beiden Ausdrücke läßt sich
vorwegzunehmen haben.Erhaltung wegen
Der der Unterschied der Bedeutung betrachten, welche dieser
haben wir die Bewegung auszuzeichnen Grundbegriff in der neuem Zat gegenüber der früheren hat.
gehabt. Trägheit (I n e r t i a) schließt die Bewegung
nicht ein;
soll sie vielmehr in einem gewissen Sinne ausschließen. Also
206 Die anderen Begriffe dagegen, welche bei der Bewegung
wird das Seiende dadurch nicht relativ gedacht. Trägheit
in Kraft treten, gehen uns hier nichts an; nur um die Voraus-
kann man daher als die physikafische Absolutheit bezeichnen.
setzung der Erhaltung darf es hier sich handeln. Ebenso
Es ist die Ausschheßlichkeit des statischen Gesichts-
verhält es sich auch mit der Verwandlung; obwohl S07
punktes, welche Altertum und Mittelalter beherrscht, die
in ihr die beiden Gheder der Korrelation vereinigt sein sollen,
sich in diesem Ausdruck kund tut. Und wir brauchen den
dürfen dennoch die Stufen und Formen, welche die Ver-
Gedanken aus seiner bloßen Negativität nur ein wenig zu einer
wandlung durchläuft, hier noch nicht zur Erörterung kommen;
positiveren Bedeutung abzulenken, um sogleich auch blei-
denn jenes Durchlaufen wird eben neuer Legitimierung be-
Nur die Vor- benden Wert in ihm zu erkennen, etzen wir für die Trägheit
dürfen, neuer Gerechtsame, neuer Kategorien.
und zwar als korrelative die Beharrlichkeit ein, so macht sich das Interesse
aussetzung, welche die Substanz,
I der Statik wiederum selbständig und unersetzhch. Der
Substanz, für jene künftigen Kategorien der Relation zu
Umfang des Seienden, nicht nur des Seienden überhaupt,
bilden, zu vertreten hat, sie allein ist hier zu bestimmen.
Und so ist es eine neue Richtung, eine neue Leistung sondern auch der mannichfachen Mehrheiten, die sich in ihm
bilden, wird sodann zu einem berechtigten Problem.
der Substanz, welche gegenüber dem physikahschen Problem
38. DieMaterie. Wir werden später sehen,
der Verwandlung auszuzeichnen ist.
wie der Begriff der Größe entsteht; und
37. Die Trägheit und die Beharrung. Der
wie er sich, oder vielmehr wie sich mit ihm das beharr-
Ausdruck dieses Begriffs ist früh entstanden. Auch sein
liche Seiende vereinbart. Aber die Physik müßte auf
Ursprung hegt bei P a r m e n i d e s. Indem er das Seih auf
dem Standpunkt und im Interesse der Chemie verblieben sein,
das Denken gründet, überträgt er die Identität des Denkens
Oohea, Logik
auf das Sein. Und in diesem Zusammenhange sagt er von dem
dtr reinen Erkenntnis, n. Aofl. f§
242 Demokrit und Aristoteles Imponderabilien 243

allein die Trägheit, als Beharrlichkeit, die


Bedeutung der genug zur Vorsicht gegenüber der Materie: daß sie nicht etwa
wenn
und Kategorie ausgezeichnet werde. Die Korrelation Ma-
Substanz vertreten hätte. Es ist sicherheh eine starke
als

kühne Abstraktion, welche in dieser Annahme von der Be- terie und Bewegung entspricht einem wissen-
harrlichkeit des Seienden seinem Umfang schafthch veralteten, einem überwundenen Sprachgebrauche.
nach gemacht wird; ist sie doch im Zusammenhange der Wie wir gesehen haben, daß die Bewegung zur Verwand-
Eleatischen Spekulation entsprungen.
mittel- Auch hat sie der lung wird, in welcher die Gesichtspunkte der Substanz und
r
markante Härten auferlegt und ab- der Bewegung sich vereinigen, so werden wir demnächst
alterlichen Befangenheit den-
getrotzt, sowohl in der Gegenbehauptung, wie in der Ab- jenigen Grundbegriff zu erzeugen haben, der bei der
gleichen
nicht Vereinigung der Gesichtspunkte den Begriff der Materie zum
leugnung der Schöpfung. Trotzalledem aber darf es
verkannt werden, daß die Substanz, unter diesem Zeichen Entsatz gebracht hat.
gedacht, der sinnUchen Auffassung des Seienden
noch nicht 39. D
i e I pm onderabilien. Ohnehin hat sich die
Be- Insuffizienz des Begriffs der Materie herausgestellt,
gänzhch entrückt ist. Unter der Vorherrschaft dieser insofern
entsteht und steht der Begriff der große Gebiete der Bewegung unter seiner Voraussetzung
deutung der Substanz
\j 3. t e r i e.
unerklärbar bUeben. Man mußte zu einer verdächtigerweise
die griechische Spekulation die Substanz
entdeckte, sogenannten hypothetischen Materie seine Zu-
Bevor
war in ihr der Begriff der Materie (;iXfi) entstanden.
Und flucht nehmen. Man hatte sich nur an die s t a t i s ch e
Sub-
welche stanzialität gehalten, als ob sie allein das Sein zu bezeugen
es war eine Art von chemischer Betrachtungsweise, ver-
metho- möchte. Man hatte die Rechnung eben ohne den Wirt,
das Seiende unter den Begriff der Materie brachte. Die den
dische Grundlage der Chemie schuf freihch erst Demokrit, Ursprung, gemacht; und so mußte man den Begriff
der von dem beharrhchen Sein des Parmenides ausging,
um der Materie nachträghch aus seinem Ursprung zu
erzeugen
es in seinen Atomen
zu definieren. Aber wenngleich so sich entschUeßen. So ist der Begriff der Impondera-
das Seiende in seiner Struktur beharrlich gemacht wurde,
so bilien entstanden, ein eminentes Beispiel von der Ur-
wurden diese Strukturelemente doch keineswegs zur Trägheit sprungsbedeutung des unendlichen Urteils. In diesem
verurteilt; die korrelative Abstraktion des Leeren mußte Terminus aber, wie in dem positiven des Äthers, ist aus-
Bewegung ein- schließUch der Gesichtspunkt der Substanz herrschend.
vielmehr dafür Sorge tragen, daß die Atome
gehen konnten. Und so ist auch unter dem chemischen Der neue Begriff der Materie konnte daher erst dann und erst
208 Gesichtspunkte selbst der physikahsche erhalten gebheben; dadurch zu seiner tiefen Klarheit kommen, daß der Gesichts-
und wie das Seiende, die Substanz überhaupt, so ist sie auch punkt der Bewegung mit ihm vereinigt wurde. Dies
unter dem Namen der Materie zum Korrelat der Bewegung geschah in demjenigen Grundbegriffe, der modernen Physik,
dessen Erzeugung uns hier noch vorbehalten bleibt.
geworden.
Auch die Theorie des Aristoteles, so schwer 40. Die Beharrung und die Kontinuität.
Solche Erwägungen und Bedenken veranlaßt der Ausdruck
sie gerade an diesem Punkte geschadet hat, indem sie u. a. 209

Materie und Substanz gleichsetzte, konnte der Trägheit. Die Beharrung dagegen ist das Korrelat
der Bewegung. Wie das Liegen der ursprünghche Ausdruck
doch an dieser Korrelation mit der Bewegung keine Schwan-
kung herbeiführen. Indem vielmehr die Materie als Mög- war, mit dem die Beharrhchkeit bezeichnet wurde, so ist ihr
lichkeit (divafui) gedacht wurde, rückte sie, als Po- statischer Ausdruck die Ruhe. Die Dynamik aber
tentialität, unter die Potenz und Kompetenz der Be- macht die Ruhe zu einem Spezialfall der Bewegung. Nicht
allein die Ruhe verharrt; nicht allein sie ist das
wegung. Indessen mahnen alle diese Fährlichkeiten deutUch Symbol der
244 NeivUma Erstes Gesetz
n

Beharrung; auch der Bewegung ist die Beharrung einwohnend.


'4\

Bei De s c a r und bei Galilei vor allen wird daher


t e s
Kontmuitai, Bekcmrung und Erhaltwuj
Bewegung der leitende Gedanke. Ohne 245
die Beharrung der
diese Leitung, wir werden es erwägen,
hätte die Fall-
bewegung nicht entdeckt werden können. ^er durchaus gelöst; es ist fsitle Romantik, noch immer in
ton Widerspruch 20 schweigen. Die Infinit/esimal-Rechnung
Für L e i b n i z wird diese Bedeutung zur Verstärkung
seines Hauptgedankens von der
dynamischen Sub- hat ein für allemal die Illuaon voä einer
f;wigen Antinomie
des Denkens in diesem Schlupfwinkel
stanz. Und Newton hat die Bedeutung der Beharrung zerstört.
Und es ist keine gerii^ge Bestätigung, daß die neue, die
Ml am prägnantesten dadurch ausgezeichnet, daß er sie zum lü^nde Bedeutung der "Beharrung auf die Vereinbarung
Inhalt seines Ersten Gesetzes gemacht hat.
Und
tragen hat, mit der Kontinuität si^ch stützen kann. Säe
das Gewicht, welches hier diese Abstraktionen zu stützt sich so nicht
allein auf em Eriken ntnisgesetz,
wird u»n so größer und bedeutsamer, als nunmehr
andere sondern zugleich auf ein
Abstraktionen mit ihr verbunden werden. Die Den^esetz. Die E?eh;arrung bemht allerdings
schwierige auf der Not-
wendigkeit und auif der Maclit, erstlich
Beharrung erfolgt jetzt nicht nur in der Bewegung
ebenso, ein jedes
wie in der Ruhe; sondern die Bewegung soll lediglich unter
hlement aus seinem Ursprung zu erzeugen; und zwei-
dem Einschluß noch anderer Voraussetzungen beharren. Es
tens, m diesem r.o erzeugten Element Realität
zu
etablieren. Aber da. durch entstehen nur
entsteht daher der Verdacht, daß die Beharrung auch Buchstaben-
diese
nehmen und zu verant- wie werden diese zu ( i 1 e c h u n b n
anderen Voraussetzungen auf sich zu :i
g ? Wie wbinden sich
worten habe: die Geradlinigkeit und die Gleich-
diese Elemente zu ein er fortlaufenden
Be%veguiig, die in einer
Crieichung bestimmbar tot den kann? Hier
förmigkeit der Bewegung. muß .die B e h a r
Indessen die GeradUnigkeit mag hier auf sich beruhen.
r u n
g einsetzen. B ie K
o n t i n u i t ii t bedeutet
nur
daß jedes Element ai i stiiner Stelle aus
Von der geraden Linie haben wir überhaupt noch nicht erzeugbar sei, und Re alität bedeute; den
smnem Ursprung
gehandelt. Und daraus, daß ich auch sie erst ziehen
muß, ZusamnTen-
daß also Bewegung an ihr vollzogen werden muß, wollen
wir hang dieser Elemente da gegen, wie die B.swegung ihn meint
und fordert, kann sie keineswegs verbüngen. Diese
keine Veranlassung nehmen, sie hier zu erwägen. Was
sie als
Kette
Newton schmiedet erst die Beh larrung.
Grundbegriff zu bedeuten hat, gehört vielmehr der bei
mit ihr verbundenen Voraussetzung an. Aber auch von
der 41 Die Beharr ung und di^e Erhaltung
Gleichförmigkeit beachten und kennen wir hier Man kann die Behs rrung daher auch
nur die Kontinuität, welche sich als Gleichförmigkeit bei
der Erhaltung unters cheiden. Wir erinnernvon der
uns wie
die Erhaltung uns entstand
Bewegung dadurch zu spezialisieren vermag, daß sie mit der gegenüber der Bewegung, insofern
Beharrung sich vereinbart. Wie durch die Kontinuität, soweit
diese als Auflösung des Ri mmes in die Zeit gedacht wurde
sie im Urteil des sich bestätigt, der neue
Ursprungs Die Erhaltung der Koordii latenaxen können wir
jetzt auch
so auffassen, daß auf Grund derselben das
Begriff der Materie zur Entdeckung kam, so tritt die
Konti- einzelne Zeit-
element, das sonst verrauschi '.n müßte, zur Erhaltung
nuität, wie sie im Urteil der Realität zur
Prägnanz gelangt'
Z e n o durfte Diese Erhaltung aber beschr. Inkt sich immerhin
„0 kommt, mit der Beharrung in Vereinbarung. Elementes selbst. Wir wissen aber von vornherein,
auf die des
einen Widerspruch darin finden, daß Sein und Bewegung sich daß die
Substanz bedeutet: x für y. F-s genügt daher nicht,
vereinigen könnten; er löste daher die Beharrung in die Ruhe daß das
ist uns Element auf der x-Axe sich erh alt; und es genügt
auf. Der Pfeil fUegt nicht er ruht. Der Widerspruch
; auch nicht
daß das entsprechende Element auf der y-Axe
sich erhält*
vielmehr kommt es darauf jetzt nicht an; das
wäre eben das
Interesse des Raumes. Das Interesse der Bewegung
dageeen
macht es erforderlich, daß das Element auf de r
l

Inhärenz und Eigenschaft 247 i'r

246 Selbstverwandlung

macht. Wir hatten dagegen geltend machen können, daß das


sich erhalte mit Rücksicht auf das
f I

x-Axe Interesse des Seins, noch ehe es zur Substanz kommt, bereits
211 Element auf der y-Axe. Diese Relation, vielmehr durch die Kategorien des Ursprungs und der Realität ver-
diese Korrelation unterscheidet die Be- treten war; daß die Befugnisse der Substanz demzufolge ein-
harrung von der Erhaltung, wie von aller Kon- zuschränken und zu präzisieren seien. Wir wollen jetzt
tinuität. So wird Kontinuität hier zur Vorbedingung,
Wir umgekehrt darauf aufmerksam werden, daß jene Gleich-
wie dies der Genealogie der Kategorien entspricht.
sondern setzung von Substanz und Sein zwar eine Reaktion, ist 212
mehr bei den Urteilen der Mathematik,
sind hier nicht
So wird gegen die Gleichsetzung von Empfin-
bei denen der mathematischen Naturwissenschaft.
dung und Sein, zugleich aber von jenem Vorurteil
zwar der Widerspruch zwischen Sein und Bewegung durch
Ansteckung erhtten hat.
die Kontinuität gehoben; aber die Gesetze der Bewegung
Die Vererbung dieses Irrtums läßt sich in zwei An-
selbst beruhen auf der Bedeutung der Substanz, als Beharrung.
sichten der traditionellen Logik erkennen. Durchgängig ist
42. Die Selbstverwandlung der Substanz. erstlich die Terminologie, die auch Kant beibehalten
Die Korrelativität, welche der Substanz anhaftet, bringt
hat, welche der Substanz, als der Subsistenz, das
es mit sich, daß volle Klarheit über ihren Begriff nur erlangt
Korrelat der Inhärenz gibt. Die Substanz subsistiert
werden kann in der Ausführung der Relationen, für welche sie
dabei freilich nur für die Inhärenz; aber die Inhärenz macht
die Vorbedingung ist. Wir haben gesehen, dpß die Bewegung
dennoch die Korrelation unklar. Es ist das Bild des Ein-
'i zur Verwandlung wird; und in Aufsicht genommen,
wohnens, der Immanenz, welches durch das Inhräieren nur
daß demgemäß auch für die Beharrung ein Begriff eintreten
noch anstößiger gemacht wird. Man denkt unwillkürhch
werde, welcher ebenso die beiden Gesichtspunkte in sich
Locke gegen die Substanz sich
werden sehen, daß in an die Spottbilder, welche
geltend machen wird. Wir
erlauben konnte; wie man dem Elephanten und dem Atlas
jenemneuen Begriffe die Substanz zur etwas aufhängen kann, so hängt man dem Subsistierenden
Selbstverwandlung wird. Die Wissenschaft ent- etwas ein. Die Relation, welche durch das Hinein oder Darin
wurzelt völhg das alte Vorurteil, daß die Substanz das all-
bezeichnet wird, ist irreführend; sie setzt ein Etwas voraus,
gemeine Sein bedeute, welches sich in einzelnen Wen-
auf das das Andere bezogen wird; als ob es ohne das Andere
dungen zur Erscheinung bringe, selbst aber, unabhängig von
für sich selbst gedacht werden könnte. Die Selbstverwan'dlung
diesen einzelnen Wendungen und Erscheinungen, in seiner
bricht endgültig mit diesem Vorurteil.
unurtischränkten, unendhchen Absolutheit verharre. Wenn
die Bewegung die Selbstverwandlung der Substanz ist, so
An diesem Vorurteil ist Aristoteles gescheitert in
seinem Verständnis der Platonischen Idee. Die methodische
zehren die Modi
an ihrem Fleische; und es bedarf dann nicht
Hypothesis der Substanz sollte nicht das wahrhafte
mehr eines pantheistischen Monismus, um die Substanz zum
Sein vertreten können sie mußte durchaus als eine Grundlage
Inbegriff der Modi zu machen. Sie sind nicht nur Wendungen
sich ausbreiten, um Inhärenzen oder Akzidenzen in sich
wie der Ausdruck für Modus griechisch lautet;
(T()67roO»
Selbstverwandlungen. Und auch die Attribute So hing und hängt an
aufnehmen zu können.
sie sind
verändert der neue, künftige Begriff.
diesem Vorurteil das Schicksal des wis-
43. Inhärenz und Akzidenz. Im Eingang unserer senschaftlichen Idealismus.
historische Vor- 44. Die Eigenschaften und das Ding. Aus
Erwägung der Substanz hatten wir auf das
welches die Substanz gleichsetzt diesem entscheidenden Gesichtspunkte läßt sich aber auch
urteil geachtet,
dem Sein, und sie dadurch zur absoluten Substanz der scheinbar entgegengesetzte andere traditionelle Irrtum,
248 Es9ews S i8t P? 249

der von jener Gleichsetzung herrührt, erkennen und berich- deuthch wieder den leitenden Gedanken der absoluten
tigen. Die Inhärenzen und Akzidenzen hat die Logik als Substanz.
Eigenschaften bezeichnet. Das Zufällige, als Das ontologische Argument beruht auf dem
welches das Akzidens (avfißsßrixog) übersetzt wurde, wird dem Gedanken, daß die Essenz Existenz involviert. Dies
die
Wesentlichen entgegengesetzt. Es werden zwar auch Argument beschränkt sich auf die absolute götthehe Substanz.
wesentüche Eigenschaften zugestanden; indessen sind sie Indessen hebt die Logik der reinen Erkenntnis diese Praero-
doch nicht selbst das Wesen. Das Wesen ist nach altem gative der ontologischen Substanz auf. Der Gegenstand
Ausdruck, der schon bei H e r a k 1 i t auftaucht, und bei den überhaupt ist Gegenstand der Erkenntnis; und nur sofern
Klassikern festgehalten wird, das Gemeinsame (xoivhv). er dies ist, ist er Gegenstand. Also involviert auch für den
Also ist die Eigenschaft das Eigene {rdiov)^ Das Eigene Gegenstand der mathematischen Naturwissenschaft die Essenz
I aber ist isoUert; seine Sammlung gewinnt es in dem Ding. die Existenz; es sei denn, daß man die Existenz noch in einem
S13 So wird, nachdem das Akzidens zur Eigen- ganz aparten Sinne zum Problem macht, den wir später zu
schaft geworden ist, die Substanz zum behandeln haben werden; in welchem andern Sinne jedoch
Ding. die Existenz Gottes auch von dem härtesten Dogmatismus
Dieser zweite Irrtum ist noch verhängnisvoller. Die nicht gefordert und wohl kaum gedacht wurde. Von dieser
Substanz wird dadurch um ihren Charakter, als allgemeines anderweiten Forderung der Existenz abgesehen, ist aber
|1 Sein, gebracht, und auf ein Ding borniert. Man könnte ein jeder Gegenstand in der Essenz wurzelnd. Die Essenz ist die tl4

wenden, daß diese Ansichten sich nicht in demselben metho- Bürgschaft dafür, daß er als Gegenstand gelten darf; so in-
dischen Begriffe vereinigten; daß die eine der Meta- volviert durchgängig die Essenz die Gegenständhchkeit.
physik angehöre, die andere aber der sogenannten 46. Das kategorische Urteil. Es erhebt sich
Logik. Wir wissen aber, daß diese Ausflucht nicht be- daher hier die Frage, ob nicht die Auffassung des kate-
friedigen kann, da die beiden Untersuchungsgebiete sich nicht gorischen Urteils, als des Urteils des
zertrennen lassen. Und sie ist auch tatsächhch falsch; denn Dings, abgesehen von der Begünstigung des empiristischen
Aristoteles verbindet beide Ansichten in seiner Metaphysik. Vorurteils, überhaupt die ganze Logik auf den Kopf stellt.
Und gerade aus dem Zusammenhang dieser Ansichten läßt es Der Gegenstand ist das allgemeine Problem, an dessen
sich verstehen, daß Aristoteles auch das E i n z e 1 d i n gr Bearbeitung und Lösung alle Arten des Urteils mitzuwirken
{t6SsTi) zur Substanz macht. So bricht sich das allgemeine haben. Hier aber wird der Schein erweckt, als ob es dem kate-
und absolute Sein am Einzelding. gorischen Urteil allein zufalle, den Gegenstand zu vertreten.
45. Essenz und Existenz. Eine andere Abstraktion Diese Illusion wird durch die landläufige Charakteristik
des Mittelalters läßt sich von hier aus verstehen. Quintilian genährt.
gebraucht auch Substantia; aber er übersetzt das Das Beispiel, welches für das kategorische Urteil figuriert,
griechische Wort ovirla durch Essentia. Es ist, als ob das stellt diese Illusion bloß: S ist P. S ist also gegeben; nui
Mittelalter den Makel empfunden hätte, der an der Substanz P muß hinzukommen oder richtiger, aus ihm entwickelt
haftet, wenn sie nicht auf die absolute göttliche Substanz werden, damit es als P rekognosziert werden könne. In neuerer
allein bezogen wird; und daß es deshalb eines Terminus Zeit hat man an dieser angebhchen Identität einen ergötzhchen
um das Sein von diesem sinnUchen,
sich bemächtigt hätte, Anstoß genommen, und die lustigsten Verbesserungen dagegen
dinghchen Nebensinn rein zu halten. Die Essenz wird der vorbringen zu dürfen geglaubt, von einem KaUber, wie sie
Existenz entgegengesetzt. Aber auch hier erkennt man sonst nur gegen das unendliche Urteil verschossen wurden.
I

Subjekt und Bewußtsein 251 I

250 S für P

Prädikats-Kategorie gedacht wird. Wir vermeiden daher


Das kommt von dem unvorsichtigen Schulbeispiel. S ist
aller-
diese Zweideutigkeit, indem wir die richtige Kategorie in das
ist Substanz,
dings nicht P, und kann niemals P werden. S Urteil einsetzen, und demgemäß das Urteil der Sub-
und kann daher, als x für y, nur S für P sein. Die Substanz stanz auszeichnen. Substanz nicht das
ist Substratum
erst in einen andern Begriff verwandelt
werden, wenn
muß (moxeifisvov); uud SO auch nicht das Subjectum;
Selbstverwandlung soll werden können. Dann aber ist Hypothesis.
sie
sondern die Subjectio, die
eben P schon vorher in S enthalten. Und „Ist"
bedeutet das
Der Logos darf seine Zweideutigkeiten nicht so weit
Sein der Bewegung, der Verwandlung. erstrecken, daß darüber die Grenzen zwischen Logik und
47. Subjek tund Prädikat. Indessen
das S des
gar nicht die Substanz bedeuten. Damit aber Grammatik verrückt würden. Hier ist es aber gar nicht
Beispiels soll ja
hinterlistige Grenzverrückung; sondern bei offenkundigem
kommen wir zu demjenigen Irrtum in dieser ganzen Frage, der- Mitwissen der Beteiligten wird durch dieses Beispiel die
vielleicht der verhängnisvollste ist. S bezeichnet
das S u b
Grundfrage der Logik zur Satzfrage der Grammatik.
j e k t und P das Prädikat. Wie kommen aber diese
48. Subjekt und Objekt. Die neuere Zeit hat den
,

Begriffe in die Logik ? Sie sind ja Termini der G r a m m


a t i k.
meinen, diese Begriffe seien so grund- Begriff des Individuums, wie wir mehrfach schon
Man könnte nun aber beachtet, auf den Schild gehoben. Aber erst im L e i b n i z -
müsse.
legend, daß ein logischer Ort für sie abgesteckt werden
den Satz grundlegend; ischen Zeitalter ist dafür der Ausdruck des Subjektes
Indessen sind diese Begriffe nur für
wird daher in wissenschafthchen Gebrauch gekommen. Das Mittelalter,
die Logik dagegen hat nur das Urteil zu kennen. So
wie die neuere Zeit bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, macht
durch jene allgemein rezipierte Ansicht der Grundirrtum be- zwischen subjektiv und ob-
die Unterscheidung
günstigt, daß Satz und Urteil dasselbe Problem be-
jektiv im entgegengesetzten Sinne von der modernen
deuteten. Wir haben diese Zweideutigkeit schon in dem Aus- unabhängig
Bedeutung. Subjectum ist das vom Denken
druck des kategorischen Urteils erkannt. Es ist das Urteil
215
des Prä- gegebene Sein; daher auch der Gegenstand; während Objectum 216
der Kategorie, eben dadurch aber auch das Urteil
den vorgestellten, objizierten Gegenstand bedeutet.
dikats, als der A u s s a g e. Das griechische Wort
bedeutet
aber das Prädikat gelegt, so wird Das Objekt ist also das Produkt des Gegenwurfs, den das Ding
Beides. Wird der Inhalt in
auf das Bewußtsein ausübt; und es ist daher mit allen den
der Hauptgedanke von dem Subjekte abgelenkt, welches doch,
daher Kate- Fraghchkeiten behaftet, denen das Bewußtsein diesen Wurf
als Substanz, die notwendige Voraussetzung und
seinerseits unterzieht. Man sieht hieraus, wie lange die neuere
gorie bildet. Das Prädikat ist innerhalb dieses Sinnes des
Anschauung der Subjektivität zu kämpfen hatte, bis sie diese
Urteils in der Tat nur ein Wort, nur eine Hinweisung auf die
verkehrte Welt richtigstellen konnte.
Bewegung und Verwandlung, welche ihrerseits, also anderweit,
Die Kopernikanische Theorie bezügUch der
letzthch aber nur durch die Substanz, erst zu bestimmen ist. Denken
Sinne und Descartes* reines konnten
Legt man also im kategorischen Urteil den Nachdruck
nichts Entscheidendes ausrichten. Erst die Verallgemeinerung,
auf das Prädikat, so macht man aus dem physikalischen Bewußtseins bei
Problem Worte, nichts als Worte. Der Satz der Grammatik
welche das Prinzip des
Worte. L e i b n i z brachte, scheint den Idealismus wieder
hat auch nichts Anderes zu besorgen als angemessene
lebendig und mutig gemacht zu haben. Es ist bezeichnend,
Der logische Wert des kategorischen Urteils dagegen hegt,
daß das Mündigwerden des selbständigen ästhetischen
grammatisch gesprochen, im Subjekt. Dann ist aber das kate-
Problems diesen Mut beflügelt hat. Das Subjekt ist jetzt
gorische Urteil nur dann und nur insofern der geeignete Titel,
aber als nicht mehr das Substratum; sondern das Bewußtsein.
als das Subjekt allein als logische Kategorie, nicht
SubfeH (de &skt 253

stecken darf. Düxher war der Kampf der Sensualisten gegen

252 fllOt-lllCffl€
diesen S p-i r i t n a I i smu s d er absoluten> Seelen-
Substanz eine notwendige, reinigende Wohltat der Auf-
klärung,.
Dieses bildet die allgemeine Unterlage und Grundlage, auf 50. Die Handlung und das sittlic&e Sub-
die alles bezogen, auf der alles gleichsam abgetragen und jekt. Auch läßt daß die Kategorie der
es sich so verstehea,
abgentessen werden muß, was den Wert des Gegenstandes Gesellschaft aufgeboten werden mußte gegen das
erlangen darf. Und das Objekt bildet im Gegenteil den Wider- menschliche Individuum, das in der absoluten Seelen- Substanz
halt dagegen, daß das Subjekt in Willkür und Phantasterei festgelegt und isoliert wurde. Dagegen konnte die Allheit des
verfallen könnte. So bilden Subjekt und Objekt eine Korre- Staatsbegriffs nicht helfen, denn ihr wurde auch Absolutheit
lation auch jn methodischer, kontrollierender Beziehung. zudiktiert. Die relative Mehrheit dagegen, welche in der
Aber die Wurzel Hegt unzweifelhaft im Subjekt. Das Bewußt-
i. ;

Gesellschaft sich konstituiert, mußte ihre revolutionierende


sein ist die unverbrüchhche Grundlage. E» ist wieder geworden Kraft entfalten, wenn anders das Subjekt seine Einheit
die Hypothesis des Idealismus. andcKWo suchen und finden lernen sollte als in einer medizi-
49. Das Subjekt und die Seele. Die Signatur nischen Metaphysik. Es war die falsche Korrela-
der neueren Zeit läßt sich daher erkennen in dieser Prägnanz tion von Seele und Leib, in welche das Subjekt
Das Subjekt hat die Bedeutung
des Subjektes. gespannt wurde; eine kleinere Auflage des großen Gegen-
der Substanz für die Geisteswissenschaf- satzes Denken und Ausdehnung:
von
ten übernommen. Es fragt sich, ob auch hier die korre- Ausdehnung war in die Kraft,
Die also in die
lativeBedeutung der Substanz sich durchgeführt hat. Wir Bewegung aufgehoben. Es galt jetzt, analog der mecha-
haben mm soeben betrachtet, dtß der moderne Sprachgebrauch nischen Korrelation zwischen Substanz und Bewegung, die
am Subjekt so schwer sich durchkämpfte. Wir können jetzt entsprechende Korrelation für das Subjekt zu finden,
den wahren Grund angeben. Die absolute Substanz der für dieMechanik der Geisteswissenschaften. Das r e i n.e
Seele hat die idealistische Kraft des Subjekts des Bewußt- Denken war dazu noch nicht zureichend; es ist
seins hintangehalten. Man weiß jetzt, wie wenig diese absolute schlechterdings dem Subjekt immanent. Und auch das
Substanz für das Problem der Unsterblichkeit ge- Bewußtsein konnte nur die Atmosphäre für den Idea-
leistet hat. Man erkennt jetzt, je mehr man mit Bewunderung lismus reinigen als Korrelat dagegen klingt es gar bedenklich
;

für Descartes erfüllt wird, wenn man seine Schriften als an die Materie an, die nicht einmal die Substanz vertreten
217 Monologe nach Art der Platonischen Dialoge studiert, konnte. Das Subjekt forderte zu seinem ehrlichen Signalement
wie sehr es seinen Problemen, seinen Entwickelungen derselben, das Korrelat der Handlung.
geschweige seinen Lösungen an Harmonie gebricht, wenn in Das Korrelat des Subjektes mußte ausschließlich in der «»
dem Stufengang der Kriterien das o i - M m
e m e zur abso- Ethik gelegt werden. Die Ethik ist die Logik
luten Seelensubstanz emporgeschraubt wird. Man braucht der Geisteswissenschaften, nach deren posi-
sich wahrhch nicht auf den Erfolg hierbei zu berufen; obwohl tiven, eigenen Grundlagen (ob. S. 40 f.). Das sittliche
der MateriaHsmus die richtige Konsequenz seines frostigen Subjekt istdieSeele d e r g es c h i c h t 1 i c h e
Dualismus ist. In seiner eigenen Sprache ist die verschiedene Welt. Aber auch hier bewährt sich die Korrelativität der
Temperatur, die bei den verschiedenen Problemen und Inter- Substanz. Das Subjekt, als Grundlage der Sittlichkeit, darf
essen der Erkenntnis zu spüren ist, ein hinlänglich orientie- nicht eine absolute Natur, einen Charakter indelebilis dar-
rendes Symptom. Der Ideaüsmus, der fruchtbare für Wis-
senschaft und Kultur hat, man möchte sagen, den Affekt der
Wahrhaftigkeit zur Voraussetzung. Die Kritik ist sein Stachel,
den er nicht nur nicht abstumpfen, sondern auch nicht ver-
Geschichte des Gesetzes 255
Substanz und Gesetz
254

diesem Satze hat 2. Die Gesetze der Bewegung. So enthüllt


stellen Die Tugend ist ein Lehrbares. Mit sich die Substanz als Vorbereitung zur Sache, nicht
So kr at es die Ethik entdeckt. Der angeborene
aber als die Sache selbst. Die Bewegung erst, die Verwandlung
Cha r a k e r i s t
t Instinkt. Das Subjekt soll den bringt die Sache zur Erscheinung. Bei der Bewegung aber
Getst bedeuten. Der Geist ist alsdie Vernunft
Geist, bedeutet
handelt es sich um denjenigen Begriff, der das Problem aus-
der Sittlichkeit. Das Subjekt,
drückt: den Begriff des Gesetzes. Die mathematische
Anlage, die
Relation zur
Disposition, also die
die Naturwissenschaft ist die Wissenschaft von der Bewegung.
" Handlung. Dieser Wissenschaft Newtons liegen die dreiPrinzipien
So das Korrelat des Subjekts die sittliche
ist zu Grunde, die Newton als Gesetze der Bewe-
inhärent; so wenig sie ein Akzidens zu ihm ist
Sie ist ihm nicht
dem das Subjekt sich als Geist gung (leges motus) bezeichnet hat. Alle Naturgesetze
Sie bezeichnet das Korrelat, in sind Gesetze der Bewegung; dennoch aber hat Newton die
als Geist erzeugt. Wie die
Substanz
betätigt, vollzieht; sich Prinzipien der Bewegung als Gesetze der Bewegung
ist, so ist di_e Handlung,
der Wechselbegriff der Bewegung ausgezeichnet. Alle eigentlichen Naturgesetze werden Sätze
die Arbeit der sittlichen Kultur,
das Korrelat des Subjekts,
Korrelation schießt das
(Theoreme); die Prinzipien aber sind Gesetze. Wie Newton
als des Geistes. Diese begriffliche auf die Prinzipien ausging, so auch auf die Gesetze.
Schlagwort von l'h o e mma c h m
i n e aus welches die
3. D e r N o m o s. Es kann auffälhg erscheinen, daß die
Antwort war auf die absolute Substanz in der
reagierende Alten den Begriff des Naturgesetzes kaum hervorheben. Der
vor der folgerichtig bei Descartes die
menschlichen Seele, Ausdruck findet sich zwar bei P 1 a t o h; aber er bleibt ohne
Tiere zu Maschinenwurden. Das Subjekt, als der
Nachdruck. Die Sprache hat sich hier als Tyrann erwiesen.
diesem Räderwerk enthoben; es hat
seine
sittliche Geist, ist
seinem korrelativen Gebiet, Der griechische Ausdruck für Gesetz, N o m
o s bezeichnet
,

substantielle Selbständigkeit in ursprünglich die Sitte. Die Sitte aber ist nicht allein die
d. i. in der sittlichen Welt. Saat der Sittlichkeit, sondern leider ebensosehr der Infektions-
boden der Willkür und der Gewalt. So bezeichnet der Nomos
Zweites Urteil: Das Urteil des Gesetzes. die Unnatur, die nicht sowohl als Gesetz zu verehren,
Bei der
1 Die Substanz alsVorbereitung.
der Abso- als vielmehr als Satzung zu verpönen ist. Der Nomos
den Nimbus
Substanz war es darauf angekommen, wird gleich der Satzung, die den politischen Gegensatz zur
von ihr zu entfernen. Ursprung und Realität gehen
lutheit
herbei, was vom Abso- Natur und ihrer schlichten Wahrheit bezeichnet {v6[iio*»e<Tfi im
ihr vorauf, und bringen das Wichtigste
ein Korrelat Gegensatz zu (pv<rei). Je mehr daher die Natur zur Bürgin
Die Substanz ist
luten erwartet werden könnte. der Wahrheit wurde, desto mehr wurde das Gesetz verdächtig.
nämlich zur Bewegung, in welcher die Realität,
geworden,
Gleichung eintritt. Die Be-
Und der Gegensatz wurde schroffer, als die Sophisten
der Buchstabe, in den Satz der kamen, und den Spieß umzudrehen sich erdreisteten: daß der
Voraussetzung. Und
wegung aber hatte die Beharrung zur Nomos die wahre Naturdarstelle, und daß alle andere Natur
die neue Leistung der Substanz. Aber
in der Beharrung liegt
Schein und Vorwand der Schwäche sei. So wird der Nomos
bedeutet nicht die des absoluten Seins
auch die Beharrung zum Herr engesetz.
sondern sie bedeutet
wie im Eleatischen Ursprung des Begriffs; 4. Die ungeschriebenen Gesetze. Die
der demgemäß nur Selbst-
«. die Erhaltung i n der Bewegung, in Sophisten aller Zeiten legen die Frevlerhand an die Wurzel
Man sieht daß die Subs anz
Verwandlung zu erkennen sei. der menschlichen Kultur. In Griechenland aber war dieser
wie das alte Vorurteil besagte, schlechthin i n s i c n
nicht etwa, Angriff um so schwerer, als in allen Fragen der innern Kultur
auf die Verwandlung hinsteuert.
verharrt; sondern daß sie

,3
256 Axiom und Rypoihens
Math. Naturmisscnachaft und die Prinzipien 257 m
880 gegen die Überschätzung des Nomos die energische Vorsorge
getroffen war, die in der Unterscheidung zwischen den ge- fragen des Piatonismus blieben sie fest und von einer so be-
schriebenen und den ungeschriebenen Ge- wundernswerten Tiefe und Klarheit, daß sie mit Recht die
setzen liegt. Die geschriebenen Gresetze sind Satzungen; die Mittler zwischen Altertum und Neuzeit werden konnten.
uingeschriebenen aber gelten als Wahrheit und Natur. So 6. Die ma
th ema tische N
a t u r w i s s e ns ch a ft
eirhält sich in ihnen ein Schimmer von dem Glänze, der ur- und die Prinzipien. So hat sich in der Mathematik
spfTünglich dem natürlichen Gesetz der Sitte beiwohnt. Aber der Begriff des Axiom festgesetzt. Aber es läßt sich gerade
diicser Wert beschränkt sich auf die Grundlagen
der von hier aus verstehen, daß die Antike bei dem Axiom stehen 221

sittlichen Gesetze; das allgemeine Geistige bleibt davon un- blieb, und zum Begriffe des Gesetzes nicht vordrang Die
bei'fihrt. Und so kann von den ungeschriebenen Gesetzen kein Mathematik lag in einem reichen Schatz von Lehrsätzen vor.
natürlicher Übergang im klassischen Altertum sich bilden Euklid konnte sie in ein Lehrgebäude vereinigen, zu dem er in
zu den Naturgesetzen, den Axiomen den Grund legte; Grundsätze für die Lehrsätze.
5. D a s Axiom. Was dem modernen Begriffe des Die mathematische Naturwissenschaft dagegen ist im Altertum
Nati'JTgesetzes im Altertum entspricht,^ das ist das Axiom nur in Keimen und Ansätzen vorhanden. Sie ist das Erzeugnis
wie es die Grundlage der Mathematik bildet, und wie es der neuern Zeit; das Wahrzeichen derselben; der eigenthche
Eu d ausgezeichnet hat.
Ic I i Indessen war der logische Mittelpunkt der modernen Kultur, sofern ein solcher in der
Charakter des Axiom durch diese Bestimmung Euklids noch grundsätzlichen Methodik allein zu erkennen ist. Die mathe-
nicht sichergestellt. Aristoteles unterscheidet Axiom matische Naturwissenschaft kann nicht mit Axiomen aus-
und Hy p o t h e s i s. Und P r o k 1 u s m seinem Kom- kommen, auch wenn dieselben gänzlicher Umformung zu-
mentar zu Euklids Elementen muß sich daher auf die Stoa gänglich wären. Es kann hier nicht das Verhältnis von Grund-
berufen für den logischen Charakter des Axiom, den er in satz und Lehrsatz leitend bleiben; denn die Sätze, deren Ent-
Platonischem Geiste versteht. Bei Piaton ist Hypothesis der deckung ihr Problem bildet, sind nicht schlechthin Folgesätze
letzte Anker, den das Denken auszuwerfen vermag, um vor aus den Axiomen; sondern neuer Beobachtun-
Untiefen und Sandbänken sich zu schützen. Diese Bedeutung gen und Versuche bedarf es, um zu ihrer Entdeckung
der Hypothesis ist zwar bei Proklus schon zu einer gewissen zu kommen.
Durchsichtigkeit gekommen; aber er steht beinahe allein in 7. D i e E r f a h r u n gl Es ist daher methodisch un-
dieser Einsicht wie denn auch P 1 o t i n den mathematischen
; richtig, die Übereinstimmung der neuen Sätze mit den alten
Charakter der Idee tiefer als die unmittelbaren Platoniker Prinzipien allezeit zu fordern; denn die neuen Sätze sind neue
<
1
begriffen hat. Errungenschaften, neue Eroberungen im Gebiete der Be-
So läJt es sich verstehen, daß die ma- obachtungen und des Experiments. Es eröffnet sich in ihnen
thematische Renaissance zagleich an die methodische Möglichkeit, daß auch die Grundlagen, die
Piaton und an die Neu p a t o ni ker an- 1 Prinzipien andere, in anderer Formulierung werden müssen,
knüpfen konnte. Das schöpferische Element des als vor diesen Entdeckungen. So ist innerhalb der mathe-
wissenschaftlichen Idealismus ist auch vom Neuplatonismus matischen Naturwissenschaft das Prinzip, die Grundlage in
erkannt; und damit ist zugleich die Begründung und die einen methodischen Zusammenhang versetzt mit etwas, das
Sicherstellung der wissenschaftlichen Wahrheit gegen Skepsis jenseit jener Voraussetzungen liegt. Daher reicht der Begriff
und Materialismus in ihm erhalten. Schwärmerei und Ekstase des Axiom nicht aus. Und so kommt es, so drängt es zum
mochten sie sonst nicht zügeln können; in diesen Grund- Gesetz. In dem Gesetz liegt, im Unterschiede vom Axiom,
diese Beziehung auf das fremde Element der Beobachtung und
Cohen, Logik der reinen Erkenntnis. IL Aufl. 17
|r

il
258 Erfahrung Qe^eU (da Kategorie 259

des Versuchs, die man unter dem Begriffe der Erfahrung 8. Das
Gesetz als Kategorie. Aus allen
zusammenzufassen pflegt, sofern man unter diesem viel- diesen ergibt sich, daß wir den Begriff
Erwägungen
deutigen Worte einen genauem Begriff zu denken überhaupt des Gesetzes als eine Kategorie auszu-
bestrebt ist.
dem
zeichnen haben. Man könnte sogar denken, das Gesetz
Man könnte nun aber auf einen AugenbHck von fordere vor allen anderen Kategorien diesen Wert; denn
Einfall beirrt werden, als ob das Gesetz durch diese
Beziehung
die Kategorie bedeutet die reine Erkenntnis, welche die
auf die Erfahrung der eigenen methodischen Fassung
und
Voraussetzung der Wissenschaft ist. Wenn anders aber
Selbständigkeit verlustig ginge, da ja die Erfahrung in ihrer Wissenschaft vorzugsweise die mathematische Naturwissen-
Mannigfaltigkeit nicht zu umspannen und nicht abzusehen ist. schaft ist, so fordert deren Begriff die Kategorie des Gesetzes;
222 Es würde dieser Einwand jedoch nichts anderes bedeuten, denn wir haben gesehen, daß der spezifische Ausdruck der
als daß der Begriff eines Gesetzes schlechterdings hinfällig feinen Erkenntnis, als Grundlage der mathematischen Natur-
würde. Und damit würde die mathematische Naturwissen- wissenschaft, das Gesetz ist; und nicht das Axiom. Es könnte
schaft selbst, als Wissenschaft, ein unmögliches Beginnen. daher die Frage entstehen, wie es zu erklären sei, daß der 2?3
Aus dem Urteil der Substanz dagegen wissen wir bereits, daß Grundbegriff des Gesetzes nicht schon vorlängst als Kategorie
alle diese Besorgnisse eitel sind. Wie viel wir auch in
der so-
erkannt und aufgestellt worden ist. Man kann diesen Einwurf
genannten Erfahrung noch des Neuen zu lernen und zu ent- nicht dadurch abwenden, daß man etwa die allgemeine, um-
decken haben mögen: Ein Begriff ist es, unter dem alles sich fassende Bedeutung des Gesetzes vorschützt, so daß sein
muß fassen und behandeln lassen, wie neu es auch erscheinen Begriff dem des Denkens überhaupt gleich würde. Diese
mag: das ist der Begriff der Bewegung. Wie alles Neue,
Ansicht betrachten wir eben als widerlegt. Man darf nicht
das zur Erscheinung kommen mag, eine Verwandlung sagen. Denken bedeute überhaupt Gesetze finden, und so sei
der Substanz sein muß, so muß es eine Form der Be- das Gesetz der allgemeine Inhalt des Denkens. Höchstens
wegung sein; denn die Substanz ist die Substanz der könnte man alsdann das Gesetz gleichsetzen dem Begriff.
Bewegung. Nicht ein Sein schlechthin bedeutet sie, so daß Wir werden aber sehen, daß dadurch auch die spezifische
man von der Erfahrung die Art dieses Seins zu erwarten hätte Bedeutung des Begriffs verdunkelt würde. Einleuchtend ist
sondern das Sein ist auf Bewegung definiert. es aber bereits geworden, daß die methodische Eigenbedeutung
Wenn daher das Gesetz allerdings auf die Beziehung des Gesetzes verrückt wird, wenn es mit dem allgemeinen
zur Erfahrung erstreckt ist, so ist es nicht auf ein Sein Denken verwechselt wird.
bezogen, von dem wir keine methodische Kenntnis besäßen; Sofern es ein Interesse hat, einen Grujid dafür ausfindig
sondern auf den Grundbegriff der Bewegung zu machen, daß auch in der neuern Zeit das Gesetz nicht als
allein hat das Gesetz die immanente Beziehung. So ver- Grundbegriff, als Kategorie, aufgestellt worden ist, so könnte
Newton
stehen wir es, daß seine Prinzipien als Gesetze
man ihn in der Bedeutung der Substanz und deren Verhältnis
der Bewegung definiert hat. So verstehen wir es, daß
zu dem Problem der Bewegung erkennen. Dieses Verhältnis
erst in der mathematischen Naturwissenschaft, in welcher zwischen Substanz und Bewegung war nicht zur vollen Klarheit
die Bewegung der methodische Grundbegriff ist; der Begriff
ausgereift. Auf die Bewegung kommt es an auf den physi-
des Gesetzes auftauchen und zur Geltung kommen konnte.
:

kalischen Grundbegriff der Bewegung. Es genügt zur völligen


Das Gesetz steuert auf. die Natur los, zu der das Axiom, um Klarstellung nicht, die Substanz zur Veränderung in
ein Platonisches Gleichnis zu brauchen, nur hinbhnzelt. Das
Verhältnis zu setzen. Aus der Veränderung muß vielmehr die
Steuerruder aber ist der Begriff der Bewegung.
Verwandlung werden. Dieses Rätsel kann allein die
17"

I }
Kraft 261
Kausalität
260
bedeute. Aber diese Ansicht erscheint bei den Klassikern der
Bewegung Die Arten der Bewegung aber, d i. die Ver-
lösen. neuern Zeit wie eine Reverenz vor dem Mittelalter, und nicht
die Gesetze bloß als eine historische, sondern als ein politisches Kompromiß
wandlungsformen der Substanz, sie werden durch
und dargestellt. So ließe sich aus der mit der jesuitischer Erneuerung desselben. Tief und gewaltig
der Bewegung vollzogen
Beleuchtung der Sub- sind die Geister bewegt von der Substanz der Bewegung. Da
falschen, oder auch nur mangelhaften
durch die Bewegung konnte die Kausalität nicht fürder dem göttlichen Beweger vor-
stanz durch die Veränderung, und nicht
in seinem Werte als Kategorie behalten, und den Problemen der Physik entrückt bleiben.
die Verkennung des Gesetzes
verstehen. Aber wir fragen weiter: was wird mit Sehen wir daher auch in der neuern Zeit von den allgemeinen
durchaus
dem, daß sie den Interessen der Theologie und der durch sie bedingten Psycho-
der Kategorie des Gesetzes gewonnen außer
und deren logie aus die Kausalität im Zusammenhange mit den Fragen
Begriff der mathematischen Naturwissenschaft
eigene Art von Gesetz begründet ? Je wichtiger die bezeichnete von Gott und Seele, und insbesondere auch von dem
Leistung ist, desto begründeter ist die
Erwartung, daß die Verhältnis zwischen Leib und Seele bestimmt, so
Bewegung, sofern in ihnen die Eigenart des drängt doch der tiefere, mächtigere Geist der Zeit zu den Pro-
Probleme der
sich ausprägt, durch die Bedeutung blemen der Bewegung hin, und somit zur ausschließlichen Er-
physikahschen Gesetzes
Präzision ge- oberung der Kausahtät für die mathematische Naturwissen-
des Gesetzes, als Kategorie, an methodischer
winnen werden. schaft. Diese Präponderanz des physikalischen Interesses
m 9 Die Kausalität. Seit den ältesten Zeiten hat brachte es zu Wege, daß der Begriff der Kausahtät durch einen
man als den zentralen Begriff die Kausalität hervor- andern Begriff ergänzt wurde. Diese Ergänzung aber konnte 225

Prinzipien seiner zunächst wenigstens nicht die Stärkung und Sicherung der
gehoben. Aristoteles hat eines der
al ein das
Metaphysik aus ihr gemacht. In der Tat ist es nicht Kausalität herbeiführen; sondern es könnte eher scheinen,
Physik, welches sein Prinzip der Kausahtat zu daß sie eine Verschiebung und Verdrängung derselben bewirkt
Problem der
seine
bestimmen hat; sondern der Abschluß seiner Metaphysik habe. Der Begriff, welcher der Kausalität zur Seite trat, ist
Gott, kommt dadurch zu Stande. Die Kausa- der fundamentale Begriff der Kraft.
Lehre von
t e n B e w e g e r s (ro 10. Die Kraft. Wie die Kausahtät, so gehört auch die
lität figuriert in der Rolle des e r s
der
rroa^rov ..voiv). Aber durch dicsc Komplikation mit Kraft zu den ursprünglichen Begriffen des Geistes. Schon
Metaphysik ist der Begriff der Kausalität mit dem Mythos geht die Vorstellung der Kratt auf. Und so
theologischen
deren Kontroversen verstrickt worden. Und so
können wir erscheint es wie folgerecht, daß Empedokles Liebe
nicht
hier von neuem sehen, daß der Begriff des Gesetzes sich und Haß als die beiden Arten und Richtungen der be-
wohl herausringen konnte, wo an seine Stelle die
Kausalität, wegenden Kraft bezeichnet, oder gar mit den Namen der ent-
und zwar eine solche, welche von Außen stößt,
getreten sprechenden Göttinnen sie benennt. Haben wir doch gesehen,
Komplikation ist das ganze Mittelalter hindurch daß quch an der Kausahtät Mythologie hängen gebheben war.
war. Diese
Anklagen Im Grunde aber wird diese nicht überwunden, wenn man die
herrschend geblieben, und sie bildet eine der triftigsten
theoretischen Kultur gegen die theologische Metaphysik, Kypris erst fliegen läßt; uud ebenso wenig beinahe, wenn
der
Banne
Das ganze Cartesianische Zeitalter steht noch unter dem man Gott bei der physikahschen Bewegung aus dem Spiele
dieser Komplikation. Der Okkasionalismus
und das System Jäßt so lange man ein Etwas beibehält, welches eben, wie der
:

der Assistenz bezeugen es, daß man


die Kausalität Dichter sagt: von Außen stößt. Auch im Neutrum,
anzuerkennen vermochte. wie ja bei Aristoteles in diesem das Prinzip der Kausahtät
nur als die des ersten Bewegers
Genau entsprechend ist die Ansicht von der
Substanz, auftritt, muß der anfängliche Stoß, sofern er von Außen
und vornehmlich die göttliche Substanz
daß sie eigentlich
262 OaUUi und Leibniz Monade 263

kommt, beseitigt werden. Das ist das entscheidend hat die Kraft ans Licht gebracht; oder auch,
Neue dem modernen Begriffe der Kraft,
in wie bei Galilei, zur Dämmerung. Und Kraftursprung
in diesem
daß dieser Anfang von Außen verworfen der Realität ist die Substanz erst vollends zu ihrer reinen
und erledigt wird. logischen Bedeutung gekommen.
I
11. Galilei. Man kann hier einen tiefen Zusammen- Gekommen? Und zur reinen logischen Bedeutung
hang von Galilei und L e i b n i z genau erkennen. vollends gekommen? Wir werden dies nur so verstehen
Gahlei ringt mit dem Ausdruck, um das innere Aufstreben der dürfen, daß der rechte Weg durch Leibniz angebahnt und
Bewegung aus ihrem eigenen Quell als Kraft zu bestimmen. eingeschlagen worden ist. Wir brauchen aber nur an die
Er bevorzugt den Ausdruck des Impetus, um diesen Monade zu denken, um uns zu erinnern, daß auch bei
Andrang der Bewegung, dieses Entspringen der Kraft zu Leibniz die theologische Metaphysik und Psychologie
verdeutlichen. Wir erkennen in dieser Entdeckung Galileis trotz seinem neuen infinitesimalen Kraftbegriffe keineswegs
die grundlegende Bedeutung unserer ersten Kategorie des entwurzelt war. Die Kraft blieb auch bei ihm nicht auf die
Ursprungs. Alles reine Denken, sofern es reine Erkenntnis Bewegung der mathematischen Naturwissenschaft beschränkt;
erzeugt, muß in seinem Ursprung entdeckt werden. Wenn sondern sie sollte in der Monade Denken und Wollen
anders die Kraft *den Ursprung der Bewegung bedeutet, so harmonisieren. So wurden nicht bloß dadurch seine Streitig-
muß sie als Ursprung erzeugt werden. Es darf ihr kein fremder keiten mit Newton verwickelter und ärgerlicher; sondern
Ursprung gegeben werden, der doch niemals ihr eigener es läßt sich so auch verstehen, wie in seinem Zeitalter H mu e

Ursprung werden könnte. aufzukommen und die Aufmerksamkeit wissenschaftlicher


Wir erkennen aber auch den Zusammenhang des Gali- Denker zu erwecken vermochte. Von hier aus sehen wir, wie
leischen Kraftprinzips mit der Kategorie der Realität, das Interesse an der Kraft wieder einlenkt in dasjenige an
als welche wir die infinitesimale Zahl erkannt haben. Und
der Kausalität; und wie sich diese beiden Begriffe verbinden,
226

so sehen wir, wie der Impetus Galileis zu Leibniz hinführt.


und vereinigt das Problem des Zeitalters bilden.
12. Leibniz. Man könnte denken, wir müßten uns Wenn nämlich bei Leibniz die Kraft, als Substanz, als
mit demselben Rechte auch auf Newtonberufen; denn Monade, der ausschließlichen Beziehung auf die physikalische
wahrlich, auch die F l u x i r n hat keinen auswärtigen Bewegung enthoben, und ebenso, vielmehr vorzugsweise, wie 227

Anfang, sondern entspringt in ,ch selbst. Indessen für den


es wenigstens die systematischen Ankündi-
logischen Begriff der Kraft müssen wir uns dennoch vorzugs- gungen betonten, auf das Bewußtsein bezogen,
also als Geist proklamiert wurde, so konnte die Reaktion
weise auf Leibniz beziehen, dessen Bedeutung schon darin
liegt, daß er die Begriffe der Substanz und der Kraft in
eins dagegen nicht ausbleiben. Diese Mischung der Probleme zeigte
gesetzt hat. Die Substanz ist nach Leibniz eine verhängnisvolle Unklarheit. Die allgemeinen Ange-
die Kraft. Dadurch hat er vor allem den Begriff der legenheiten und Fragen der Aufklärung, welche sich
Substanz erläutert. Die Substanz ist jetzt erstlich nicht dennoch gerade aus der systematischen Tiefe Leibnizens
erhob, schienen besonders auf englischem Boden, wo
mehr das allgemeine Sein; sondern sie steht im innersten
der Kampf zwischen Leibniz und Newton ärgerliche Formen
Verkehr mit der Bewegung. Die Substanz ist aber auch
ferner nicht mehr, wie bei Descartes, die Aus- angenommen hatte, ernsthch bedroht. So konnte H m
u e
Einfluß gewinnen. W^enn die Kraft als Geist gedacht
dehnung; denn, von allem Unterschied zwischen Geometrie
und Physik abgesehen, bleibt bei der Ausdehnung der Ursprung werden durfte, so konnte sie um so mehr als S a c h e gedacht
werden. Und so konnte Hume KausaUtät und Kraft, oder.
noch im Dunkeln. Diesen Ursprung der Realität
Ursache. Hume Connexion und Assoziation 265
264

wie er selbst verräterischerweise sagt, Macht


(power einer andern Rolle. Das Verhältnis der Dinge zu den Vor-
neben f o r c e) gleichsetzen. Das deutsche Wort bestärkt
den stellungen oder Ideen sollte ein einfacher Abklatsch

der Ursache wird ausdrücklich die Sache sein. Genug, es gab jetzt wieder ein natürliches Verhältnis
Irrtum: in
zwischen den Dingen und den Vorstellungen.
vorausgenommen.
Man könnte zwar das Wort Die Kluft zwischen dieser modernen Weisheit und dem
13. Die Ursache.
empfunden Piatonismus bezeichnet das Wort Idee in der Bedeutung
Ursache günstiger deuten; ais ob das Bedürfnis
selbst noch nicht in der Kraft oder der modernen Sprachen als Vorstellung. Diese Vor-
würde, die Sache
Ursache, stellungs-Idee steht wie ein Satyr, aber nicht im Typus des
Ursache als fertig anzunehmen, sondern eben nur als
Praxiteles, zwischen beiden Welten. So ist daher die Kausa-
gleichsam als Ursprung der Sache. Damit aber würde
die
Die lität in demselben Sinne und Werte eine Vorstellung,
Eigenart dieses Begriffs an die Substanz preisgegeben.
.

der wie sie eine Sache ist. Aber als Vorstellung gedacht,
Ursache bedeutet in der Tat hier nicht den Ursprung
Sache, sondern das Verhältnis zu einer
andern, tritt für sie die Verbindung in den Zauberkreis der Psychologie.

als einer zweiten Sache. Die erste Sache, die Und die Assoziation wird das Zauberwort, mit dem
könnte alle Rätsel der Kausalität lösbar erscheinen.
Ursache, ist also durchaus schon Sache; andernialls
sie gar nicht zu der zweiten Sache in
Beziehung treten. Diese Seit Descartes heißt das Losungswort zwar Con-

zweite Sache könnte vielmehr gar nicht entstehen.


Sie ist das nexion necessaire, und L e i b n i z macht die
liaison a priori zum fundamentalen Problem. W^as
Werk der ersten; sie ist die Wirkung. So zeigt es
sich

daß es bei dem Gedanken der Ursache auf das Ver- vermag das alles aber auszurichten gegen den psychologischen
deuthch,
Verhältnis wurde Aberglauben? Jene Klassiker behandeln die Kausalität im
hältnis der zwei Sachen ankommt. Dieses
mathema- Interesse der Mechanik. Die Notwendigkeit der Ver-
jedoch nicht als Verhältnis im strengen Sinne der
Relation gedacht; sondern vielmehr von alters her bindung bedeutet ihren wissenschaftlichen Charakter. Für
tischen
dem Ausdruck Verbindung. Wie sollten auch
der
Hume bestehen diese Probleme nicht. Sein Beispiel von
unter
Sachen eine andere Artvon Verhältnis haben als das der Ver- denBillardkugeln läßt nichts erkennen von Wr e n's

bindung? VerhäHnis haben Begriffe. Begriffe, die als


Sachen Stoßgesetzen. Und die v^enigen Stellen, an denen er

gedacht, oder vielmehr vorgestellt werden, haben


ganz un- Newton zitiert, verraten das gänzliche, methodische Miß-
verständnis. Als ob es sich um eine Anmaßung handelte nach
verfänghcherweise Verbindungen.
noch in allen Art der Dogmen, die jenes Zeitalter als Priesterbetrug historisch
14 H u m e. Mit naivem Realismus war
aber nichtsdestoweniger anspruchsvoller zu erklären pflegte, macht Hujne einen Strich durch diese
Zeiten ein naiver,
ganze Rechnung der Kausalität, die aber eben für ihn nichts
228 Psychologismus verbunden. So stand es auch Kant
bei
weniger als Rechnung ist. Es gibt keine Konnexion,
Hume, dessen schriftstellerische Reize der junge
empfand, und auf dessen aufgeklärten Leserkreis er
andauernd die sich als notwendig ausgeben dürfte; es ist alles nur Kom-
FreiHch sind die Kräfte bination und Assoziation von Vorstel-
eine sympathische Rücksicht nahm. —
und die Ursachen Sachen, Dinge. Aber alle Welt hat es
sich lungen. Wer's nicht glaubt, der müßte eben die mathe-
Wahrheit wieder entdecken matische Naturwissenschaft studieren.
ja von Locke als eine neue
sich als Vor- Es sollte aber nicht dabei sein Bewenden haben, daß die 229
lassen, daß die Dinge in unserem Bewußtsein
Kausalität eine Vorstellung sei, und in bloßer Assoziation
stellungen reflektieren. Das Bild stellt den Sach-
und weiterhin sich bestehe; die Art dieser Assoziation sollte noch verächtlicher
verhalt günstiger dar, als er sich zutrug
wurde in anderer Bedeutung zu dieses Problem zum Vorurteil stempeln: so wurde es zu einer
abspielte. Das Reflektieren

- < I
Sukzession 267
Gewohnheit
266

Philosophie sich gegen den Ernst der Wissenschaft sträubt,


Ausgeburt der Gewohnheit. Es ist, als ob jede Spar
werden sollte. Die haben ihre Geschichte, wie ja leider auch die unwissenschaft-
von Rationalität ihr damit abgesprochen
liche Philosophie keineswegs vereinzelt auftritt, sondern ihre
die Kausalität
Gewohnheit, ein Analogon der Trägheit, soll sehr breite Geschichte hat. Die arabischen Philosophen
Niederschlag ablagern. Arbeit des Denkens
ist nicht
wie einen des Mittelalters, welche zugunsten des göttlichen Willens die
Wissenschaft atmen nicht
dabei- Probleme und Methoden der menschliche Kausalität bestritten, sie haben die Kausalität
eitel Gewohnheit, die sich im Ablauf der Vor-
darin! es ist mit dem Terminus der Gewohnheit bezeichnet. Sie setzen
stellungen auslebt. , .
. ,. j «•„«„
dreisten die Gewohnheit an die Stelle des Natur-
Man sollte nun aber denken, angesichts dieser Ahnung gesetzes. Sie sind also wenigstens aufrichtiger und klarer
Konsequenz hätten Jedem, der nur überhaupt eine als die moderne Skepsis. Sie sagen ausdrücxlich, es gebe kein
mathematische Natur-
davon hat, daß mit diesem Problem die Naturgesetz, und nur der göttliche W'ille w^alte. Was wir aber
steht und fällt, die Augen aufgehen sollen über
wissenschaft dafür halten, das sei eben die Illusion der Gewohnheit. Das
den moralischen Wert dieser
den logischen Sinn und über
ist ungefährlicher, weil es die Motive offenlegt. Das Natur-
auch um den mora-
Lösung. In der Tat handelt es sich dabei gesetz soll verworfen werden. Bei Hume dagegen wird die
lischen Wert; um den Wert der Moral.
Verachte nur Vernunft
Die Vernunft Kausalität nicht als ein Ammenmärchen abgetan; das Natur-
und Wissenschaft! Das ist ein '.V <5ti Svoiv, gesetz nach seinem Inhalt wird nicht abgeleugnet. Aber die
ist die Vernunft der W^issenschaft.
Wer die Wissenschaft
Vernunft wird angeklagt, sofern sie es erzeugen, beglaubigen
verachtet, verachtet die Vernunft. Und keine Aufklärung,
kann darüber hinweg und verantworten wolle.
keine natürliche Theologie und Moral Diese Skepsis geht an die Wurzel, die für alle W^ahrheit in
trösten, und dafür einen wirksamen
Ersatz bieten.
Auch heute noch man Diejenigen, welche
sollte u e H m der Vernunft, in der Methodik des reinen Denkens, in der Be-
hauptung der reinen Erkenntnis liegt. Ob man Gott und die
gegen Kant auszuspielen wagen, auf diese ihre moralische
prüfen, als es Seele bestreitet oder anerkennt, das ist an sich noch nicht
li I Gemeingefährlichkeit mit politischerem BHcke Anerkennung oder Verwerfung der Vernunft. Wer aber die
Wissenschaft mehr als die
leider Mode ist. Wenn anders die Vernunft zur Gewohnheit macht, der vergiftet den Quell
Kausa-
Vererbung des Instinktes ist, so ist die
die Pflicht, menschlicher Wahrheit. Denn dieser Quell muß wie ein
lität nicht sowohl die Gewohnheit, als vielmehr
die der forschende Geist stets von neuem sich auferlegt, m Heiligtum gehütet werden. Nicht von selbst wird er ergiebig;
es muß gegraben werden, wenn ursprünghche Wahrheit aus
Geschichte des Geistes
deren Erfüllung er das Leben und die ihm erfließen soll. Und nur, wer sie in bald irrenden, bald
vollzieht. Wenn die Spontaneität
des Geistes überhaupt einen
jene Schmähung, unter glücklichen Versuchen im Aufschwung seiner höchsten Kraft
Sinn hat, so bestreitet und widerlegt sie zu schöpfen vermag, nur dem wird die Wahrheit ursprünglich.
des wissenschaftlichen Geistes
welcher die ewigen Aufgaben Auch der Zusammenhang, auch die Geschichte des Geistes
unter die Rubrik: alles ist eitel Gewohnheit, fallen.
anderem Sinne überhaupt vird durch den Titel der Gewohnheit beleidigt
Indessen der Ausdruck ist auch noch in und verleumdet.
verräterisch. Er zeigt H u m e in einem historischen Zu-
15. Die Sukzession. Als Grund des skeptischen
den er selbst schwerlich bedacht hat.
Er ist
sammenhang,
Gewohnheit zur Amme Fehlgriffs in der Würdigung der Kausalität hat sich uns jetzt
nämlich gar nicht der Erste, der die das sensualistische Vorurteil ergeben^ welches die Sache und
gemacht hat. Man sollte denken, ein solcher
der Wissenschaft also auch die Ursache unter der Hand in Jie Vorstellung um-
eines Einzelnen Aber
„0 Witz entstände in der flüchtigen Laune setzt. Wir müssen dabei aber dem Ps^'chologismus noch weiter
unwissenschaftliche
auch die Dreistigkeiten, mit denen eine
268 Akoluihie Hypothetisches Urteil 269

nachgehen. Wir sagten oben, es handle sich um


die Verbindung zu erzeugen war. Die mathematischen Urteile hatten nur
Verbindung freihch
231 der ersten mit der zweiten Sache. Die an ihrem Teile diese Erzeugung zu leisten gehabt. In den
die Assoziation losen Urteilen der mathematischen Naturwissenschaft allein kann
bezeichnet schon das Problem, welches
Problem läßt sich die Ver- sie zustande kommen. Das Urteil der Substanz konnte auch
soll Aber abgesehen von diesem
bindung schon von Tatsache deliken, insofern das
als eine Art nur Vorbereitung leisten. Jetzt gilt es, das von Anfang an ob- 232

Verhältnis der beiden Sachen als eine


Aufeinander- schwebende Problem zur Lösung zu bringen. Das Urteil des
alsdann
folge sich darstellt. Zuerst kommt die erste Sache; logische Gesetzes soll das Gesetz der Bewegung als reine Erkenntnis er-
I'
rückt die zweite Sache ein. So tritt der gleichsam zeugen. Durch die Bewegung also soll das B er-
den psycho- zeugt, und als Gegenstand erzeugt wer-
Gesichtspunkt der Verbindung zurück hinter
logischen der Sukzession. Und die Kausalität tritt den. Durch die Bewegung, deren Gesetze die mathematische
mochte
nunmehr in dieses Zeichen ein. Die Sukzession wird, Naturwissenschaft entdeckt; nicht durch die Sukzession,
scheint
man sagen, zum Urphänomen. Die Sukzession allein die in unseren Vorstellungen sich abspielt. In der Sukzession
stellen und aufzugeben, welche die
Kausalität sukzediert das B bereits. In der Bewegung dagegen wird es
die Fragen zu
formuliert. erat zur Erzeugung gebracht. Die Bewegung bezeichnet das
t-- i,+
•,• •

Freilich kommt diesem Gesichtspunkte


schon die Einsicht Problem der mathematischen Naturwissenschaft. Die Suk-
Geschehen
zustatten, daß alles Sein ein Geschehen, und zession wird unter dem Problem der Bewegung so gründUch
alles

Aber denn Bewegung durchaus und verarbeitet, daß es scheinen kann, als ob sie überhaupt wider-
Bewegung sei. ist
sich bei der
schlechterdings auch Sukzession? Es braucht legt und erledigt würde.
um den Gegensatz von Sukzession und Simul- Gegen diese besonders in den neueren Zeiten behebte
Frage gar nicht
taneität zu handeln. Angenommen selbst, es
gäbe gar keine Ansicht von der Sukzession, als der Grundform der' Kausalität,
alles wäre lediglich Sukzession, so sticht vorteilhaft die Theorie der S t o a ab, nach welcher
Gleichzeitigkeit, und
brauchte darum doch diese nicht als das echte Urbild der der eigentUche Inhalt dieser Art des Urteils die Akoluthie
Kausalität zu gelten. Denn sie ist ein Begriff, vielleicht ein ist. Die Akoluthie kommt schon dem Begriffe des Gesetzes
Bild der Psychologie. Die Kausalität aber soll in sehr nahe; denn in ihr wird aus der Folge die notwendige
einem Urteil als reine Erkenntnis zur Erzeugung
kommen. Folge. Die Notwendigkeit der Folge unterscheidet die Ako-
Das ist der Anstoß, den wir an der Suk- luthie von der Sukzession. Die Notwendigkeit aber ist der
nehmen haben. Weder die zwei Sachen Ausdruck des Gesetzes. Daher knüpfen sich an die Akoluthie
zession zu
Wir
dürfen aufeinander folgen, noch die zwei Vorstellungen. schon innerhalb der Stoa die Bedenken, welche in analoger
mit
können dabei von allen anderen Bedenken absehen, die Weise gegen die Connexion n^cessaire erhoben
kompliziert sind.
dem psychologischen Ausgang unvermeidlich wurden. Aber es ist instruktiv, daß in dem Gedanken der
berufen,
Wir können allein auf unser eigenthches Problem uns Akoluthie auch erst der Gedanke dieser Urteilsart entsprungen
ob es durch jenen Ausgang gefördert oder aber geschadigt ist. Die Stoa zuerst hat das hypothetische
werde. Unser Problem ist und bleibt die E r z e u g u n g
d e s
Urteil aufgestellt. Aristoteles kennt es noch nicht.
Gegenstands in der reinen Erkenntnis. 17. Das hypothetische Urteil. Wir erkennen
16. Die Akoluthie. Denken wir zurück an das auch hierin den innern Zusammenhang zwischen dem hypo-
Gegen- kategorischen
Buchstaben- Symbol, mit dem wir die Vorbereitung des thetischen und dem Urteil.
mathematischen Urteils bezeichnet Aristoteles nennt zwar das kategorische Urteil, aber
Stands in dem Inhalt des
hatten. Es war das B, verschieden von A,
welches
er versteht darunter das bejahende. Mithin kennt er
Dingerzetigung 271
270 Bedingung

abgeschnitten wird, so auch im Endgliede


wird sie
es nicht; und auch nicht das hypothetische. Hypothesis
so verkürzt, indem sie in den Erfolg
umgesetzt wird. Dem
ist ihm Prämisse, oder überhaupt Annahme; aber Umstand wird das Korrelat des Erfolges gegeben. In diesem
allerdings auch ein mathematischer Terminus. Die
Platonische
Erfolg erkennen wir die Folge, die Sukzession wieder. Der Hin-
Bedeutung, nach welcher in der Hypothesis die tiefste Legi- weis auf die Erzeugung, der in dem Erfolg enthalten ist, und
mation, das letzte Kriterium, der höchste Beweis der
Wahrheit
der ihn von der Folge unterscheiden soll, darf uns doch nicht
gelegen ist, war zurückgetreten; wie denn auch der Drang
unvorsichtig machen gegen das Nest von Irrtümern und
nach einer innern Beglaubigung der Grundbegriffe er- Illusionen, das wir in der Sukzession erkannt haben. Sie
storben war. macht aus der Kausahtät einen bloßen Wegweiser für die
Es ist ein gutes Omen für die lebendige Bedeutung der Reihenfolge der Empfindungen oder Vor-
Logik, als der Geburtsstätte der reinen Erkenntnisse,
daß
stellungen. Und auch der Bedingung alle innere
so wird
diese kritische Bedeutung der Hypothesis in dem
hypothe-
233 Kraft ausgetrieben, wenn sie auf den Erfolg dirigiert wird.
tischen Urteil wieder auferweckt wurde. Wenn man
mit einem
Weder im Vorder-, noch im Nachsatz allein besteht die Be-
guten Grunde sagt, das Denken sei das Denken von Gesetzen,
dingung; sondern im ganzen Satzgefüge. Und das ist der
so darf mit mehr Recht noch gesagt werden, das
Denken
Unterschied dieses logischen Satzes von dem gramma- 2M
gelange erst im hypothetischen Urteil zu seiner Prägnanz. tischen Satze, daß dieser Satz aus mindestens
Denn, wie wir den Satz der Relation oder der Gleichung von den zwei Sätzen bestehen muß. Für die Grammatik
Buchstaben oder den Zahlen unterschieden, so dürfen wir in wäre dies ein Monstrum. Für die Logik wird man versucht,
dem hypothetischen Urteil die Bildung des Satzes erkennen. es als die reife Frucht des mündig werdenden Denkens zu
Und in dieser syntaktischen Struktur Hegt der Vorzug des erkennen. Wir werden darauf zurückkommen.
hypothetischen Urteils. Wir haben in der Erhaltung Gegenüber diesen Nachteilen steht nun ein sehr erheb-
den Charakter des Urteils erkannt. Beim hypothetischen licher Vorteil in dem Ausdruck der Bedingung. Dieser besteht
Urteil, in seiner Entfaltung und Spannung zu zwei Satz-
in dem Hinweis auf das Ding. Die Bedingung ist
gliedern sieht man es unmittelbar, wie die Erhaltung
die Be Dingung. Vor allem also spricht sich das Wort
nottut. gegen den Gedanken aus, als ob das Ding, das Objekt schon
18. Die Bedingung. Wir haben in unserer
da wäre, schon erzeugt wäre, bevor das hypothetische Urteil
deutschen Sprache seit Luther ein Wort für dieses Urteil, in Vollzug tritt und daß es in dem Vordergliede desselben schon
welches zwar einen Nachteil, sogar einen doppelten, dagegen
;

gegeben wäre. Diesem grundsätzUchen Vorurteil tritt die


aber auch einen wichtigen Vorteil enthält: das Wort Be- Bedingung entgegen, indem sie sich als Ding-Bedingung zu
dingung. Der Nachteil entsteht darin, daß die Bedingung, erkennen gibt. Das kategorische Urteil ist, als Urteil
als Umstand gedacht und isohert, auf das sogenannte
der Substanz, nur die Grundlage der Dingheit; die Ding-
Vorderglied des Bedingungssatzes bezogen wird. Diese Vorbedingung. Die Bedingung ist die
Verkleinerung und Ablösung entspricht der AristoteUschen
Ding-Erzeugung. Das ist der nicht hoch genug zu
Ansicht von der Prämisse; sie ist aber die völlige
erstreckt schätzende methodische Wert in dem Worte Bedingung.
Vereitelung der Bedingung; denn die Bedingung
Wenn das hypothetische Urteil das Urteil des Gesetzes ist,
sich auf das ganze Satzgefüge; nicht auf
ein ab-
so legt dieBedingung den Gedanken nahe, daß in dem Gesetze
gerissenes Ghed derselben.
das Ding, das Objekt, der Gegenstand seine Gewähr und seinen
Mit diesem Nachteil hängt noch ein anderer zusammen.
Bestand habe. Man kann so den kritischen Grundgedanken
Ebenso wie die Bedingung als Umstand im Vordersatze
Lambert Wort, Satz, Satzgefüge 273
272

;|U;
Erkenntnis, in der Be- das hypothetische Urteil in das kategorische verwandelt wird.
der Logik, als der Logik der reinen
Diese Konsequenz bedeutet' aber nichts geringeres, als daß
dingung zusammengefaßt denken.
Der Schein, — .^ ^
denn es ist doch nur ein Schein
.


a n Ai^
daß die die Eigenart des hypothetischen Urteils vor der des katego-
wird dadurch rischen abzudanken habe. Neuere Logiker haben den origi-
Quintessenz der Logik in der Bedingung läge,
Erhalt u n g, wie nellen Mut gehabt, diese Konsequenz zu ziehen. Wir haben
noch verstärkt, daß der Charakter der
I -'
[

waren, hier besonders hier auf solche Abwege nicht abzuschweifen. Aber mit
'
> 1

wir oben schon darauf aufmerksam


und zwar, wie es übrigens in der Logik immer Lambert wollen wir noch ein Wörtlein reden.
prägnant wird;
sich verhalten sollte, zugleich als Forderung Würde es denn genügen, wenn die Sprache ein Wort
und als Erfüllung derselben. Freilich, wenn hätte, welches die Bedingung mit dem Begriffe des Subjekts
zugleich ausdrückte? Müßte sie nicht zugleich auch mit dem
A und B nicht schon durch die Mehrheit, als Elemente
Bedingung
auch die Begriffe des Prädikats ausgedrückt werden? Mithin würde
derselben, zur Erhaltung kämen, so könnte
ausrichten, weil sie nicht mit ihr die Forderung bedeuten, daß es ein Subjekt-Prädikat- Wort
mit der Erhaltung nichts
A und B in S o n d e r u n g er- geben sollte, welches zugleich die Bedingung ausdrückte. Ein
anfangen könnte. Da aber
halten werden, so kann die Bedingung
eine neue Art von solches Wort gibt es nicht bloß nicht; und es genügt auch

Erhaltung an ihnen zustande bringen: die Spannung, nicht zu denken, daß es nicht vorhanden zu sein brauche;
gehalten werden. sondern es darf nicht vorhanden sein. Denn ein solches Wort
in welcher A und B gegen einander
sich bei dieser Spannungs- vertritt der Satz; genauer das Satzgefüge. Nicht
385 Genauer betrachtet, handelt es
um A und 3; sondern noch etwas einmal der Satz genügt dafür. Wenn die Grammatik dem
Vereinigung gar nicht allein
mitgezogen. Das kategorischen Urteil den Satz nachgebildet hat, so hat das 23«
oanz anderes wird dabei in die Spannung
erkennen, hypothetische Urteil zum Satzgefüge geführt. Die logische
Vorderghed: wenn A läßt die tiefe Voraussetzung
Struktur hat die Einsicht aufgedrängt, daß der Satz allein
zugrunde gelegt
daß das Sein überhaupt allen Verhältnissen keineswegs genügen könne; sondern daß die Spannung er-
das eigent-
werden müsse. So ist es also die Substanz, welche
so sieht man weitert werden, und zu einem Gefüge von Sätzen sich ent-
Uche Vorgespann dieser Spannung bildet. Und falten müsse. Durch den Plural des Satzes erst wird das
dieses Gefuges,
auch hieraus, aus dem schweren Komplex Denken zum Denken der Gesetze reif. Und in dem Denken
wie ablenkend und irreführend das
Gleichnis der Suk-
dieser Gesetze entsteht die mathematische Naturwissenschaft.
zession ist. Die Spannung bezieht sich gleicherweise Der Fehler, der dem Gedanken Lamberts eigentlich zu
auf und B, und auf das X der Substanz. Einen so langen
A Grunde liegt, läßt sich daher noch allgemeiner bezeichnen.
Atem muß die Bedingung aushalten.
Ansicht. Lambert, der Phy- Warum will er denn die Bedingung mit einem Worte ver-
19 Lamberts koppeln? Was hat er denn dagegen, daß sie sich ausbreitet
Logik Kant am nächsten kam, hat in bezug
siker, der in seiner
das sich anknüpfen und ausdehnt, anstatt sich zusammenzuziehen? Liegt denn
auf die Bedingung ein Wort gesprochen, an in solcher Zusammenziehung, in solchem Zusammenwachsen
in der Sprache „kein Wort, welches
den Begriff
läßt: man habe
ausdruckte Man der Begriffe eine wahrhafte VerinnerHchung ? Wird nicht
des Subjekts zugleich mit der Bedingung
.

empfindet. Er mochte vielmehr dadurch das Problem verdunkelt, welches docli


erkennt das Desiderat, welches Lambert wahrHch die hauptsächhche Schwierigkeit bildet die Ver-
so verinnerlichen, daß sie dem
Schein der :

die Bedingung schiedenheit? Wie wird B erzeugt, als das Verschie-


die Bedingung
Willkür entrückt wird und der Fiktion, mit dem dene? Das war von Anfang an die Frage. Und das Urteil des
behaftet Aber die unvermeidhche Konsequenz
gemeinhin ist.
Gesetzes soll nun endUch diese Grundfrage zur Lösung bringen.
Er spricht es aus, daß alsdann
entgeht selbst dabei nicht.
ihm Cohen, Logik der reinen Erkenntnis. II. Aufl, 18
Verbindung als Gleichung 275
274 Kants Synthesia

aus dem Hume'schen Gesichtspunkte heraus. Denn


\'ielinehr
Technik dieses Urteils jedes
es angemessen, in der
Daher ist
beitragen das war schon Kants Deutung, daß Hume den Unterschied
Moment auszuschalten, welches, wie wenig immer, zwischen Vorstellung und Billardkugeln hervorgehoben hätte.
Schwere dieses Problems auch nur dem Scheine
könnte, die Indem Hume die Gewohnheit zum Leitstern der Kausah tat
müssen als voneinander ver-
nach abzuschwächen. A und B macht, geht er vielmehr über die Verschiedenheit zwischen
schieden strengstens gedacht werden. Denn das ist das
obwohl sie verschieden sind, ihre Vereinigung A und B, obwohl er selbst nachdrücklich sie hervorhebt, wieder
Problem: daß. hinweg. Die Gewohnheit macht zunächst zwar nur aus der
möglich und notwendig werde. Auch
von hier aus erkennt
die schlechte Disposition, die in der Sukzession Wiederholung der Sukzession das Einerlei der Assoziation;
man Vorstellungen und als aber dieses Einerlei schleicht sich unversehens auch in die
Ueet In der Sukzession sind A und B
aber eben durchaus Sukzession selbst und in ihre Elemente ein, so daß nunmehr
Vorstellungen einander gleich. Sie sollen auch A und B zum Einerlei sich assoziieren. Sind sie doch
gleich gedacht werden. Und der Gedanke daß sie
nicht als Einerlei als Vorstellungen.
Ausgangspunkt für die
verschieden seien, ist in der Tat der Dieser Einschläferung des Psychologismus tritt Kant
Charakteristik der Kausalität bei Kant geworden.
Gesichtspunkt hatte entgegen. Die Synthesis und ihre Unterscheidung von dem
20 KantsS y n t h e s i s. Dieser
analytischen Urteil ist der Keil, den er in den geläufigen
des Terminus S y n
-

den Ausschlag gegeben für die Wahl


diesen Ter- Mechanismus der Vorstellungen eintreibt. Ein Anderes sind
e Vi s S^ant. Wir hatten früher (S. 251.)
Jh vorwiegend für sogenannte Vorstellungen, auch wenn sie auf Seele und Gott
er
minus in Anspruch genommen, insofern
und De n k e n ge- sich beziehen. Ein Anderes aber sind Urteile, die zu ihrem
die Verbindung von Anschauung Inhalt Gegenstände der wissenschaftlichen Erfahrung, der
von der Anschauung allein
braucht wird; und auch sofern er.
mathematischen Naturwissenschaft haben. Das ist der Sinn
die Entstehung des ersten, ursprünglichen Elements < } il

gebraucht,
1

'5*

Erzeugung bringe, wie es das jener berühmten, aber diesem ihrem Sinne nach verkannten
il I der Synthesis nicht so rein zur Definition, auf welche, als die eigentliche Pointe seiner
I
leisten vermag. Wenn wir
237 reine Denken zu fordern und zu
fordern ng des Ursprungs Kritik, Kant seine Leser vorsichtig vorzubereiten hatte.
iedoch von dieser unserer Grund
Realität hier absehen, so laßt Daher schickt er im Sinne einer Nominal-Definition die
und der durch ihn bedingten
sich an der Svnthesis das Problem der Verschiedenheit als die den Erläuterungs-
Unterscheidung von und den 238 m
zugleich als eine Erweitern ngs- Urteilen voraus. Der Leser sollte nicht
eigentUche s'chwierigkeit erkennen; und
Erkenntnis gilt. Daß präokkupiert werden; aber freilich muß er instruktiv über-
solche, die für das ganze Problem
der
aufging, hat der Kausalität rumpelt werden. Und so ist das Problem der Verschiedenheit
diese Einsicht an der Kausalität
Kategorien gegeben. das durchschlagende Mittel, den dogmatischen Leser zu über-
die zentrale Stellung unter den
zwischen ana- führen. Die Einsicht, die er von der Verschiedenheit des B,
Auf den Angriff, daß die Unterscheidung als des Prädikats, zu gewinnen hat, soll ihn zu der Einsicht
lytischen und synthetischen Urteilen nicht
antwortet Kant, daß allerdings Locke das
Ver- bringen von der Verschiedenheit, die zwischen
neu sei,
einer Vorstellung und der Erkenntnis
der Vorstellungen
schiedene (other) in der Verbindung
Das Andere, Verschiedene macht er besteht.
hervorgehoben habe.
das die Synthesis steUe 2L Die Verbindung als Gleichung. Wenn
also zu dem eigentUchen Problem,
werden So verallgemeinert er nicht nun aber Kant das Problem der Verschiedenheit für die
und dem sie gerecht soll.
die byn- Möglichkeit der Synthesis, als der Verbindung von A und B,
Kausalität
nur die Hume'sche Frage von der f«*
überhaupt; sondern er rückt die frage benutzt hat, so richten wir hier die Frage auf die E r z e u -
thesis des Denkens
18 •

iil
276 Funktion Axiom und Gesetz 277

gung des B selbst; nicht nur auf seine Verbind- einer der neuen Mathematik entsprechenden fundamental-
barkeit mit A. Die Erzeugung des B, als des Verschiedenen, methodischen Bedeutung sich verjüngte. Wir kommen zum
als des eigentUchen Inhalts, ist das Problem, welches Begriffe der Funktion.
uns von den Urteilen der Mathematik an beschäftigt. Hier Der Ausdruck Funktion bezeichnet in der alten Mathematik
nun soll es zur Lösung kommen. Und wenn die Potenz. SeitLeibniz aber bezeichnet die Funk-
Kant gefragt hat, wie die Verbindung mit einem B möglich tion das Gesetz der gegenseitigen Abhängig-
sei, so fragen wir jetzt nicht nur, wie überhaupt B zur Er- keit zwischen zwei veränderlichen Größen. Die Infinitesimal-
zeugung kommen könne; — diese Frage ging durch alle bis- Rechnung hat die Funktion in den Mittelpunkt der mathe-
herigen Urteile hindurch — sondern wir fragen hier nun: o b matischen Methodik versetzt und zum zentralen Begriffe der-
vielleicht die Verbindung selbst das B .selben erhoben. Wir sahen, daß an Stelle des Axiomder
zur Erzeugung bringen könne. Die Verbindung Begriff des Gesetzes sich als eine neue Notwendigkeit
aber ist uns nicht mehr die Synthesis überhaupt; sondern, als fühlbar machte. Wenngleich schon bei Descartes die
Synthesis der Relation, die Gleichung. Sie ist das algebraische Analysis von dem Gedanken des Ge-
typische methodische Mittel, welches die Verbindung selbst setzes bewegt wird, so hat doch erst das Prinzip der Kon-
zum Problem macht, und als solches zur Klärung bringt. tinuität diese neue, auf die Natur sich erstreckende Bedeutung
So geht die Frage von B zurück auf die Verbindung. Und die des Gesetzes zur Prägnanz gebracht. Bei Descartes war
mathematische Methodik der Verbindung, welche an der der Fortschritt hauptsächlich doch darin bestehend, daß die
Gleichung sich vollzieht, und welche demgemäß den Begriff Rechnungsoperation nicht ledigUch als eine solche an Zahl-
der Verbindung klarstellt, sie soll uns auch das durchgreifende gebiJden gedacht, sondern daß sie auf Raumgebilde übertragen
Problem des Inhalts, die Frage des B zur Lösung bringen. wurde. Aber wie fundamental wir diese Gleichsetzung von
22. Die Funktion. Wir wissen, die Gleichung ist Zahl und Raum schätzen müssen, so liegt andererseits doch
auch Ungleichung. Die Veränderung ist ihr Vehikel. So kann darin eine Beschränkung, daß dadurch die Souveränität, damit
sie zum Bande werden zwischen Mathematik und mathe- aber auch der Verdacht der Subjektivität der Raum-An-
matischer Naturwissenschaft, in welcher letzteren die Ver- schauung wieder bestärkt wurde, weil sie durch die der an-
änderung zur Bewegung wird. Aber die Bewegung hat die geblich subjektiven Zahl bestätigt "N^oirde. So konnte man
Substanz zur Voraussetzung. So muß sie zur Verwand- nicht von der analytischen Geometrie unmittelbar zur Physik
lung werden. Und wir sehen auch diese Tendenz der den Übergang finden.
Gleichheit in der Gleichung vorgezeichnet. So wird auch Das Tangenten-Problem strebte aber zu diesem
das B, um als Verschiedenes erzeugbar zu werden, der Tendenz Übergang hin. So wurde das Prinzip der Kontinuität zum
«89 der Zuordnung, welche die Gleichung ausdrückt, unter- Gesetz der Kontinuität. Die Erzeugung der Kurve aus der
worfen. Es war das neue Problem der mathematischen Natur- Tangente emanzipierte von der Befangenheit in der sinnlichen
wissenschaft, welches in der Theorie der Gleichungen diese Raum-Anschauung. Im reinen Denken mußte und konnte
die Verschiedenheit scheinbar nivellierende Tendenz zur sich die Kontinuität vollziehen. Jedes Element für sich und 240
Geltung brachte. So ist es zu verstehen, daß unter dem an seiner Stelle bedarf, als ein Element des reinen Denkens,
Zeichen des neuen Problems ein neuer Begriff, als Grund- der Erzeugung aus seinem Ursprung. Die infinite-
begriff der neuen Theorie der Gleichungen, entstand; ein simale Realität ist daher die Voraus-
Begriff, dessen Ausdruck längst vorhanden w^ar, der aber dem setzung für den Begriff des Gesetzes, den
alten Terminus seine Bedeutung obsolet machte, und der zu die Funktion, als neuer Terminus, bezeichnet. Dieser Zu-
*
Gegcnacitige A hhängigkeit 279
278 Funktion als Kategorie

d n g u n g bereits erkannt haben. Das will sagen, es gibt


i

sammenhang entspricht der Folge der Kategorien und der


in ihr, also auch im Gesetze, also auch in der Funktion nicht
Arten des Urteils, wie wir sie hier ermitteln. Zuerst den
etwa Dinge, oder überhaupt selbständige Elemente, sondern
Ursprung und die Realität. Sie sind die Buchstaben, ohne die
lediglich relative; Elemente der Gleichung, der Funktion.
es keinen Satz geben kann. Aber die Buchstaben sollen den
Also ist X nur für sei n y gedacht. Mithin ist y im Ver-
Satz bilden. So soll die infinitesimale Realität sich zum
hältnis zu X nichts Neues, sondern lediglich das rückwärts ge-
Gesetze entfalten. Diese Entfaltung aber ist eine neue Tat. ;i
wandte alte Glied. Und dieser Gedanke dürfte sich doch wohl
Und werden wir auch die Funktion als
so auch auf Funktionen mehrerer voneinander abhängiger
eine neue Kategorie auszuzeichnen haben. Veränderlichen übertragen lassen. Dahingegen werden ^^^r
23. Die Funktion als Kategorie. Es
die neue Leistung der Funktion, als einer
könnte der Einwand entstehen, daß die Funktion doch nur
neuen Kategorie, darin erkennen dürfen, daß die gegenseitige
eine Fortführung der Voraussetzung sei, daß die Erzeugung
Abhängigkeit durch sie zu einer andern, genauem Bedeutung
von Elementen auf Grund des infinitesimalen Ursprungs so gelangt.
statthaft und fruchtbar, als geboten sei. Es könnte scheinen,
24. Die gegenseitige Abhängigkeit. Schon
als ob diese Voraussetzung der Funktion nur weitergeführt
der Ausdruck Abhängigkeit bedenklich, weil er
ist
werde von den Elementen auf die Operationen, auf die
zum mindesten den Schein einer äußerlichen Bestimmung
Gleichungen, die an und mit diesen Elem.enteu hergestellt
nicht abschneidet. Er erinnert an den bedenklichen Ausdruck
werden. Freilich ließe sich ohne jene grundlegende Voraus- Das Einhängen wird
der I n h ä r e n z bei der Substanz.
se-tzung die Auszeichnung des Begriffs der Funktion nicht ver-
hier zum Abhängen. So wenig aber der Substanz eine Eigen-
stehen; so wenig, als sich ohne sie der Begriff der unend-
schaft einwohnt, so wenig auch veranschaulicht, wenn es auch
lichen Reihe nach seiner methodischen Bedeutung nicht mehr bedeuten soll, die Abhängigkeit die Leistung der
verstehen Heße (vgl. ob. S. 182 f.). Aber daraus, daß die in-
Funktion.. Und auch die gegenseitige Abhängigkeit kann
finitesimale Kontinuität die notwendige Voraussetzung der
daran nichts bessern, wie wir soeben es erwogen haben. Es ist
Funktion ist, darf nicht geschlossen werden, daß der Funktion irreführend im Grunde des Gedankens, als Voraussetzung des
keine eigene, selbständige Leistung zustehe. Dieser Irrtum
allgemeinsten mathematischen Denkens zu formuheren: daß
läßt sich an der Bedeutung aufzeigen, die man dem Begriffe
Änderungen des einen Zahlausdrucks solche des andern be-
der gegenseitigen Abhängigkeit gewöhnlich
dingen. Wie kann ein solches Hinübergreifen von x
beizulegen scheint.
auf y gefordert werden?
Es scheint nämlich, daß man die gegenseitige Abhängig-
Die Frage geht nicht darauf, wie es gedacht werden
keit von X und y gewöhnUch so versteht, daß Veränderungen könne; sondern wie es gefordert werden dürfe. Man sieht, es
von X die von y, und daß ebenso, wenn y Veränderungen er-
versteckt sich in der Vorstellung der Funktion, als Abhängig-
fahren hat, in x Änderungen entsprechen müssen. Diese An- Man möchte es wahr-
keit, das alte Rätsel der Kausalität.
sicht von der gegenseitigen Abhängigkeit kann jedoch keines-
nehmend sich vorstellen können, wie ein Schlag tausend Ver-
wegs genügen. Die Gegenseitigkeit bezeichnet hier vielmehr
bindungen schlägt, und wie die Kräfte sich die goldenen Eiiiier
einen Pleonasmus. Wenn Änderungen in x solche in y be-
reichen. Die Wissenschaft ist aber nicht Poesie, und nicht
dingen, so ist damit eben auch gesagt, daß Änderungen in y
Mythologie in der Form der unwissenschaftlichen Naivetät.
ebenso solche in x zur Voraussetzung haben. Die Gegen-
Die Mathematik erledigt in den Interessen der Wissenschaft
ui seitigkeit ist daher nur eine scheinbare. Sic liegt in dem Be-
diese anderen Kulturformen, die nicht zur reinen Erkenntnis
griffe des Gesetzes, in dern >\ir den Begriff der B e
-
«
280 Voraussetzung der infinüesimalen Kontinuität Verschiedenheit des y 281

führen können. Diese Aufgabe kann jedoch die Mathematik Grundlagen des reinen Denkens Funktion bezogen
ist die
im allgemeinen Bewußtsein ihrer Bekenner nur dann erfüllen, und angewiesen. Wir sagten schon, Funktion sei eine
die
«48 wenn ihre Voraussetzungen zu reiner Bestimmung gelangen. Weiterführung jener Voraussetzungen. In der Tat geht in
Wenn also das Rätsel der Kausalität nicht nur gelöst werden, ihr die Erzeugung von der der einzelnen Elemente
sondern, worin allein letztlich die Lösung liegen kann, als weiter zu der Erzeugung des Zusammenhangs der
Rätsel aufhören soll zu gelten, so muß aus dem Begriffe der einzelnen Glieder und Schritte, in dem die Funktion sich
Funktion die letzte Spur jenes Rätsels ausgetilgt werden. vollzieht.
Solche Spur ist uns in der Abhängigkeit verdächtig. Wir haben daher die Funktion als eine eigene Kategorie 24s

Die Voraussetzung der infinitesi-


25. ausgezeichnet. Und wir haben bereits gesehen, wie zwingend
malen Kontinuität. Nicht darauf also darf die Vor- die Rücksicht erscheint, die zu dieser Auszeichnung führt.
aussetzung gerichtet und gegründet werden, daß Änderungen Sie soll das Rätsel der Kausalität nicht nur lösen, sondern
in y bedingt werden durch Änderungen in x und umgekehrt; als Rätsel vereiteln. Daher ist es angemessen,
sondern darauf vielmehr muß die Frage gerichtet werden: noch einmal auf den Einwand zurückzukommen, daß die Kraft
welcher Art die ersten Änderungen sein müssen, um die der Funktion doch eigenthch nur auf der infinitesimalen
anderen bedingen zu können ? Das ist die Gegenseitig- Realität beruhte, und daß die Weiterführung vom Element
keit, die fraglich werden muß. Streng und selbständig auf den Zusammenhang der Elemente die Aufstellung
geht die Abhängigkeit von y auf x zurück; von dem echten y; einer eigenen Kategorie nicht rechtfertigte. Indssen hegt in
nicht von dem inzwischen zum x gewordenen. Die Abhängig- dem Zusammenhang die verführerische Illusion. Was
keit, die Bedingtheit hört nicht etwa dadurch auf, daß sie sich bedeutet nicht alles derZusammenhang. Eine Mehrheit von
bereits im Aus-, vielmehr Eingang der Bedingung verbindlich Elementen ist auch ein Zusammenhang. Die unendliche
macht; sondern durch diese Reinigung des Anfangs kann Reihe ist auch ein Zusammenhang. Nicht den Zusammenhang
die Funktion auch von dem Vorurteil der Sukzession schlechthin stellt die Funktion dar, und vertritt sie; sondern
erst befreit werden. Nicht jeder Art von Änderungen ist die die Befugnis zu dem Vollzug dieses und nur dieses Zusammen-
Herbeiführung einer solchen Folge zuzumuten. hangs macht sie geltend. Diese Befugnis ist das Neue; ist
Gleichungen hat man immer gehabt, und Folgen immer etwas ganz Neues; ist die große Frage, die neu entsteht, und
gezogen und beachtet; aber man hat sie nicht durch den in den unschuldigen Kalkül hereinbricht. Dieser Eingriff
Begriff der Funktion ausgezeichnet. Es mußte erst die in- von X auf y erscheint eben wie der Einbruch einer Macht von
finitesimale Kontinuität entdeckt werden, wenn außen. Und dieser Schein eines äußeren Eingriffs hat ja
solche Abhängigkeiten unter einen besonderen methodischen eben die Kausahtät so geheimnisvoll gemacht. Also macht
Wertbegriff vereinigt werden konnten. Jetzt wird die sich der Zusammenhang keineswegs von selbst; und er liegt
Abhängigkeit auch für x von y genau und deutUch. Wenn keineswegs schon in der infinitesimalen Kontinuität selbst;
Änderungen in y durch Änderungen in x bedingt sein sollen, sondern er ist eine neue, eine fundamentale Forderung und
so besteht dabei die Voraussetzung, daß die Ände- Leistung des reinen Denkens.
rungen in x dem Grundgesetze der infini- 26. Die Verschiedenheit des y. Es ist

tesimalen Kontinuität entsprechen. Es noch eine andere Schwierigkeit dabei zu bedenken. Wir
istsomit die Funktion auf den Zusammenhang der Kategorien sagten soeben, das Eingreifen erscheine wie eine Macht von
bezogen, der in dem Verhältnis des Urteils des Ursprungs außen; also wie ein Verschiedenes. Erinnern wir uns nun, daß
und des Urteils der Realität gegründet ist. Auf diese die Verschiedenheit auch bei der Funktion nicht verwischt
ri

Leistungen der Funktion ?/ = / (X) 283

werden darf. Das y muß den Wert des B er- könnte nicht der Erzeugung des Gegenstandes dienen; ge-
langen. Es genügt nicht, daß y in der Medialität eines schweige dieselbe in sich vollziehen.
Anderen verbleibe; es muß durchaus als ein Verschiedenes Indessen ist diese Schwierigkeit in ihrem Grunde der
gedacht werden. Nur so kann die Funktion in alle Schlupf- Zahl überhaupt und in allen Stufen ihrer Gesetzlichkeit
winkel der Kausalität eingehen, um ihre angeblichen Ge- anhaftend. Sie liegt in dem Pythagoreischen Charakter der
heimnisse zu lüften. Also das y nmß als ein Verschiedenes Zahl; in ihrem innerlichen Verhältnis zur Substanz, welches
auftreten muß
; sich das Ansi hen ge!)en, da 3 es von x schlechter- eben bei der Kausalität, und daher als Funktion zustande
dings verschieden sei. kommen muß. Schon bei der Erzeugung der Mehrheit hatten
Weim man dagegen sagen dürftt;, in der Funktion gehe ja wir es gesehen, wie das B in ihr hervortritt; gleichsam ihr
nichts anderes vor sich, als was in der infinitesimalen Kon- entgegentritt, wie aber nichtsdestoweniger die Mehrheit es
tinuität sich bereits vollzogen habe; denn nur auf die infini- unter seine Ordnung zwingt. Und
macht es die Zahl auf
so
244 tesimalen Änderungen könne sich ja die Funktion beziehen, allen ihren Stufen. Tendenz des General-
Sie führt überall die
so würde man damit die Bedeutung der Verschiedenheit ab- nenners durch. Dennoch aber verkürzt und verleugnet sie
schwächen, welche y auf sich zu nehmen, und in der ganzen darüber nicht das Recht der Verschiedenheit; sondern, je
Strenge dieses Begriffs zu vertreten hat. Es ist also keineswegs rückhaltloser sie es zu ignorieren scheint, desto gründlicher 245

dasselbe, was in der Funktion beansprucht, und was in der sorgt sie für seinen Schutz und für die endliche Durchführung
Kontinuität geleistet wird. Im Anspruch des y wird vielmehr des wohlverstandenen Rechtes der Verschiedenheit; nämlich
zunächst und für die scheinbare äußerliche Konsequenz für die reine Erzeugung des echten Inhalts.
davon abgesehen, daß es sich ja nach der Kontinuität immer So geschieht es nun auch hier. Und das ist der Sinn der
nur um infinitesimale Schritte handeln dürfe. Man könnte Formel der Funktion. Y
bleibt nicht y; sondern es wird
sonst darüber zu der Verzweiflung koiumen, daß mit der in f (x) verwandelt. So wird der Anspruch der Verschiedenheit
Mathematik sich überhaupt nichts anfangen ließe, da ja eben herabgedrückt. Y ist nicht schlechthin y, als w^elches es von
die Behauptung der Verschiedenheit die Hauptsache sei und X schlechterdings verschieden bliebe, so daß der Eingriff von
bleiben müsse. Hätte man alsc nur die Kategorie der infini- X auf y nur als ein Übergriff erscheinen müßte, als die ge-
tesimalen Realität, so müßte man verzweifeln, mit dem heimnisvolle Macht von außen. Nein, y läßt sich als f (x)
Interesse der Verschiedenheit sie vereinbaren, und somit auf denken. So entsagt es für den Zweck der Rechnungsoperation
das Problem der Kausahtät sie anwenden zu können. Aus dem Anspruch der Verschiedenheit, und unterwirft sich der
dieser Verzweiflung rettet der neue Begriff der Funktion. Gleichartigkeit mit x. Diese Unter
w^erfung ist ein
Und weil er die Skepsis bei der Kausalität erledigt, darum viel genauerer Ausdruck der Abhängigkeit als die
muß er als eigene Kategorie ausgezeichnet werden. widerlegte Vorstellung derselben; denn diese Unterwerfung
27. Die Leistungen der F u n k t i o n. Ver- ist der Ausfluß der eigenen und eigensten Souveränität des
gegenw^ärtigen wir uns, was die Funktion zu leisten hat. Es reinen Denkens, welche ebenso rein in y, wie in x sich betätigen
sind scheinbar geradezu entgegengesetzte Tendenzen, die sie muß. So bcv/ährt y in dieser reinen Unterwerfung unter x,
zu befriedigen hat. Auf der einen Seite soll sie den Schein die in f (x) liegt, die Souveränität des reinen Denkens, welcher
zerstören, als ob die Abhängigkeit von einer äußern Macht eine fremde Macht in x widerstreiten würde; und es vertritt
herrührte. Das wäre die falsclie Kausahtät. Auf der andern zugleich den wohlverstandenen Anspruch der Verschiedenheit.
Seite aber soll sie y mit der vollen Wucht der Verschiedenheit Denn es ist nicht auch eine Verschiedenheit, die in f (x) gegen x
vertreten. Andernfalls bhebe sie nur ein Rechnungsspiel, und auftritt ?
284 Voraussetzung der Erhaltung Kausalität als Kategorie 285

nur, sei es Empfindungen, sei es Vorstellungen, od^r aber


Freilich muß die Entwicklung dieser Veränderung dem
Grundgesetze der infinitesimalen Kontinuität gerecht werden. nur sogenannte Dinge. Daß sie sowohl verschieden, als einerlei
seien, das kann die Sukzession nicht andeuten. Wir wissen
Aber welche Bildungen dabei entstehen, welche Zahlgebilde,
aber, daß es auf diese doppelte Bedeutung ankommt. Die >5i

welche Raumgebilde, das eben besagt die Funktion. Und zu


diesem Andern, also Verschiedenen, macht die Funktion Funktion vollzieht diese doppelte Bedeutung; aber als mathe-
das X. Und dennoch bleibt es nicht schlechterdings ein Ver- matische Methode bedarf sie der Erhaltung nicht mehr als
schiedenes; könnte es doch, als solches, nicht zu einem reinen jedes Gebild des mathematischen Denkens ihrer bedarf. Für
Das bedeutet: aus x wird f (x). die reine mathematische Funktion genügt die Begründung
Inhalt erzeugbar werden.
Und dieses f (x) ist das ehemalige y. Indem also y zu f (x) durch die infinitesimale Kontinuität. Anders aber steht es
wird, bewährt sich die Funktion als eigene Macht des reinen um den Gebrauch der Funktion für die mathematische Natur-
Denkens, die die Macht von außen abwehrt. Und indem x wissenschaft. Hier wird der Charakter der Erhaltung prägnant.
in f (x) eingespannt zu werden sich gefallen lassen muß, wird Und dadurch wird die Kategorie der Funk-
die Tendenz der Verschiedenheit behauptet, aber im Interesse tion zur Kategorie der Kausalität.
des reinen Inhalts nur eingeschränkter Weise durchgeführt. 29. Die Kausalität als Kategorie. Die
Mt 28. Voraussetzung der Erhaltung. Diese Erhaltung entwickelt sonach die Funktion zur Kausahtät.
Bedeutung der Funktion, diese ihre doppelte Bedeutung Es ist eine neue Kategorie, die wir in der Kausalität an-
erinnert uns an den Grundbegriff der Erhaltung, der alles zuerkennen und auszuzeichnen haben. Und jetzt erst, in der
Denken, alles Urteil charakterisiert. Die durchgreifende metho- Funktion ist ihr Recht vorbereitet und begründet. Sie darf
dische Bedeutung, welche der Funktion in der gesamten nicht als Handlung eines Dinges gedacht werden; ?47

Mathematik zusteht, läßt auch die erhöhte Bedeutung der wenn überhaupt von einem Dinge Hand-
Erhaltung in ihr erkennen. Die Funktion y = f (x) ist das lung ausgesagt werden dürfte. Sie dari nicht
Musterbeispiel der Erhaltung. Wir können als eine äußere fremde Macht gedacht werden,
jetzt in X die Substanz erkennen, die ja die Substanz der Be-
welche auf heterogene Elemente Einfluß ausübte.
wegung ist, und demnach nur für die Bewegungsgleichungen Die Funktion in ihrer doppelten Bedeutung schließt alle
als Erhaltung angenommen wurde. Diese werden in den diese Vorstellungen aus. Und die Erhaltung kommt daher
Funktionen formuliert. Es ergibt sich so, daß hier zu einer eminenten Bedeutung.
die Funktion die Erhaltung voraussetzt. Zunächst freilich bezieht sie sich auf den allgemeinen
Wenn die Substanz als Erhaltung gedacht werden durfte, Wert des reinen Denkens, der in der Festhaltung des
so lag die Berechtigung dazu in der Korrelation zur Bewegung, X für y besteht. Aber x ist ja nicht nur das Symbol der Auf-
und das will sagen: zur Funktion. Jetzt wird die Erhaltung gabe, aus seinem f (x) es zu erzeugen; sondern es bedeutet
an f (x) demonstriert. Mithin vermag sich im reinen Denken hier die Substanz. Und so ist auch f (x) nicht nur das Symbol
für die der infinitesimalen Kontinuität entsprechenden Ände-
die sonst fragliche Verbindung von x und y darzustellen.
Man hier wiederum, wie irreführend die Suk-
sieht rungen; sondern es bedeutet die der Substanz eutsprecnenden
zession Nicht ein Vorüberrauschen der Empfindungen
ist.
Bewegungen. Demgemäß bezieht sich die Erhaltung hier auf
oder Vorstellungen ist es, was das Grundschema der Kausahtät dieKorrelation von Substanz und Be-
bildet; im Gegensatz zur Sukzession ist es die Erhaltung, wegung. Und so bedeutet die Erhaltung die Er-
worauf die Kausahtät beruht. Bei der Sukzession sind die haltung der Substanz in der Bewegung;
Elemente entweder nur einerlei, oder nur verschieden; entweder nicht nur für die Bewegung.
_ h

286 Zusammenhang der Bedingungen Unstetige Funktionen 287

In dieser Bedeutung der Erhaltung der Funktion besteht stanz und Bewegung. Und diese Korrelation fordert,
die Leistung der eigenen Kategorie der Kausahtät. Sie ist daß X nicht etwa verschwunden, noch überhaupt abgerückt
verschieden von der Funktiondurch diese Beziehung auf sei, wenn und sofern y in Vollzug trete. Es wird daher
Substanz und Bewegung. Sie ist aber auch verschieden von fünftens vorausgesetzt die Erhaltung.
der Substanz; denn diese weiß noch nichts von der Funk- vier
Sofern nun aber die fünfte Bedingung die übrigen
tion. In ihr hat die Erlialtung nur die provisorische Bedeutung in sich zusammenfaßt, kann der Erhal-
man daher in
der Vorsorge für die Bewegung. Jetzt ist die Bewegung da; tung bestimmter noch als in der Funktion
sie vollzieht sich in ihren infinitesimalen Schritten. Da entsteht die Bedeutung der Kausalität erkennen. Die
die Frage, woher sie gekommen sei; und ob nicht etwa eine Funktion bildet die methodische Grundlage. Die Erhaltung
heterogene Macht sie beeinflußt habe. Gegen diese Skepsis aber zeichnet die physikalische Struktur. Und so sei auch
sichert die Erhaltung, gleichsam die Rückerhaltung des x hier wieder auf die Abirrung hingewiesen, die der Psychologis-
für y. Sie stehen beide jetzt aufrecht uAd ebenbürtig gegen- mus in dem Bilde der Sukzession begeht, und zu der
einander. X
ist nicht mehr die Vorbedingung für ein y, das er verführt "wird.
noch nicht da ist. Und y ist auch nicht nur f (x) im bloßen 31. Die unstetigen Funktionen. Indem wir
Sinne der Rechnung; sondern es steht für die Bewegung so die Funktion auf die Kausahtät zuspitzen, erledigt sich ein
der Substanz. Hier wird die Erhaltung gegen- Einwand, der sonst gegen unsere Beleuchtung der Funktion
seitig. Substanz und Bewegung durchdringen sich in ihr. sich erheben könnte. Man könnte sonst die Begründung durch
Diese Durchdringung ist das Neue. Sie die infinitesimale Kontinuität, die wir der Funktion geben,
ist die Leistung der Kausalität. als Stetigkeit der Funktion verstehen zu müssen glauben.
Wir sagten früher, das Rätsel der Kausalität werde durch Indessen bezieht sich diese doch wohl vorzugsweise auf die
die Funktion erledigt. Wir sehen jetzt genauer, wie das zu Darstellung der Funktion n der entsprechenden Kurve;
verstehen sei. Ohne die Methodik der Funktion bliebe das worauf es hier gar nicht ankommt; ebensowenig wie auf die
24« Rätsel unauflösbar. Aber ohne die Erhaltung würde die rein algebraische Definition dei* Stetigkeit. Unstetige
präzise Klärung, welche in dem Begriffe der Funktion enthalten Funktionen würden daher das Gesetz der infinitesimalen
ist, ihre Fruchtbarkeit nicht vollauf entfalten; ohne die Er- Kontinuität keineswegs aufheben, sondern vielmehr, als Aus-
haltung, sofern sie auf die Substanz und zugleich auf die Be- nahmen, es bestätigen. In solclien Funktionen vollzieht sich
wegung sich erstreckt. eine Komplikation mit der Allheit, insofern sie durch
30. Der Zusammenhang der Bedingun- das Unendhche hindurch gehen. In dieser unendlichen
gen. Wenn
wir uns jetzt nochmals die Frage stellen: wie Allheit ist aber wiederum die infinitesimale Kontinuität J4Ü

kann die V e r ä n d e r u n g in x eine solche in y bewirken, wirksam. EndUch bestätigen diese Ausnahmen, als pro-
so hat die Antwort einen Zusammenhang von Be- visorische Gebilde der Mathematik, wie sehr immer ihnen,
dingungen zu eröffnen. Erstlich wird y in f (x) als solchen, der Charakter der Anwendbarkeit beiwohnt, doch
verwandelt. Zweitens bedingt f (x) die zu er- nur um so mehr den unmittelbaren Wert der stetigen Funk-
wartenden Änderungen als infinitesimale. Dadurch tionen für die mathematische Naturwissenschaft; also die
ist drittens x seinerseits durch y bedingt. Bedeutung der Funktion als Kausalität. Und so zeigt sich
Die Änderungen stehen nicht im Beheben von x; sondern sie auch bei der Erledigung dieses Einwands der innere Zusammen-
sind der infinitesimalen Kontinuität unterworfen. Viertens- hang, aber auch der Fortschritt von Funktion
aber stehen x und y in der Korrelationvon Sub- und Kausalität. Zusammenhang und Fortschritt aber
288 Energie Beschreibung 289
t

wird durch die Erhaltung vollzogen; nämlich durch deren hange konnte sie zu der methodischen Reinheit auswachsen
physikalische Bedeutung, als Erhaltung von Substanz und und ausreifen, die sie seit Robert Mayer allmähhch
Bewegung. erlangt hat.
32. D i e Eg i e. Erhaltung von Substanz und Be-
ne r Leicht und in einem Schwung hat sich auch bei M
a yer 4.

wegung. Nicht auf das Sein allein bezieht sich die Erhaltung. die Umwandlung nicht vollzogen; und die Entwickelung, die
Wir haben ja erkannt, daß es ein solches absolutes Sein nicht er in dieser Hinsicht durchläuft, ist sehr instruktiv für das
gibt. Die Substanz ist das Sein der Bewegung. Aber auch Problem der Korrelation von Substanz und Kausalität; wie
auf die Bewegung allein darf die Erhaltung nicht bezogen insbesondere auch für deren unausweichlichen Zusammenhang
werden. Diese Durchdringung von Sein und Veränderung mit der infinitesimalen Reahtät. Endhch aber hat sich die
hat zu einer Nüanzierung im Begriffe der Bewegung geführt, Energie doch als zentraler Begriff durchgesetzt, so daß die
die wir als Verwandlung bezeichnet hatten (oben Mechanik überhaupt nunmehr als Energetik
gefaßt
S. 239 ff.). Diese Präzisierung kam jedoch vorzugsweise für wird. Es ist ein Zug des Idealismus
unverkennbar in
die Bewegung in Betracht. Es läßt sich nun aber verstehen, dieser Richtung. Man sucht sich von der Masse
loszu-
daß dieselbe Rücksicht auch dem Begriffe der Substanz sich ringen, der man den Wert einer reinen Voraussetzung nicht
zugewandt hat. Und die Terminologie wird um so gelungener zuerkennen zu dürfen einsieht. Ob man aber in solcher An-
erscheinen müssen, wenn in ihr beide Rücksichten zugleich sicht von der Energie nicht doch von der alten absoluten
befriedigt sind. Diese doppelte Tendenz vertritt der moderne Kraft den Reiz und Stachel festgehalten habe, das dürfte gar
Begriff der Energie. sehr die Frage sein. Und so möchte die Reaktion zu ver-
Auch dieser grundlegende Terminus ist alt. Er gehört stehen sein, die von Seiten der reinen mathematischen Be-
den Grundbegriffen der Aristotelischen Metaphysik an. Er schreibung, wie sie sich unglücklich und irreführend
gehört einer Korrelation an, durch welche unter anderen nennt, dagegen sich erhoben hat. Wenn die Methode der
Ausdrücken Aristoteles die Substanz bezeichnet. Aber Differential- Gleichungen Beschreibung heißen darf, so gibt
sie wird durch die Entelechie ergänzt; und es dürfte es überhaupt kein reines Denken mehr, sondern alles ist
die günstigste Auffassung sein, wenn man das Verhältnis der Malerei. Es genügt aber nicht, die Energetik durch Re-
beiden Begriffe zu einander als das der Korrelation denkt. signation der Gleichungen zu widerlegen; denn so wird sie
Es wäre sonst eine zweideutige Indifferenz, die man zwischen nicht des Irrtums, der in ihrem halben Gedanken liegt, über-
beiden Biegriffen annehmen würde. Während vielmehr die führt; es muß das Desiderat, das sie nicht ausgedacht, zu
Entelechie unmittelbar die Substanz bezeichnet, geht die besserer Befriedigung kommen. Diese Lösung soll der
Energie in der Richtung der Bewegung. Aber es bleibt nicht Zusammenhang der Energie mit der Sub-
bei dieser Richtung auf Bewegung. Wie man das absolute stanz herbeiführen. Wie die falsche Masse, so muß auch
Sein zur Materie und in spezieller Isolierung zur Masse die falsche Kraft abgewehrt werden.
machte, so wurde die Energie, als Ursache der Bewegung, 33. Energie und Substanz. Wir erinnern uns,
260 zur Kraft isoliert. Und so wurde die Energie in den daß die Bedeutung der Funktion in doppelter Richtung
Bereich des Kraftproblems hineingezogen. Galilei braucht sich zu bewähren hatte. Wir wollen es einmal schroff so jetzt
den Ausdruck der Energie in gleicher Betonung, wie den des ausdrücken y sollte verschieden, und x sollte nicht ver-
:

I m p e t u s (vgl. oben S. 261 f.). Dadurch wurde die Energie schieden sein. X
nämlich sollte nicht als eine äußere Macht, 251

in den Zusammenhang mit der infinitesimalen Realität, wie die wir jetzt besser Kraft nennen dürfen, auf y einzuwirken
sie später definiert wurde, gehoben. Und in diesem Zusammen- haben. Wir erinnern uns ferner, daß x für y der Ausdruck der
Cohen, Logik der reinen Erkenntnis, H. Aufl. 19

I
9-

290 Energie und Substanz Energie als Kategorie 291

Substanz ist. In der Substanz also soll nicht und der Kausalität ist in dem Begriffe
eine heterogene Kraft stecken dürfen. der Energie enthalten. Wir dürfen wegen dieser
Auf das Äußere, das Vonaußenkommen der Kraft kommt es neuen Leistung, durch welchö sie die Kausalität präzisiert, 853

an sich nicht an; außen und innen sind hier Unterschiede dieEnergie als Kategorie auszeichnen.
ohne Belang; nur die Heterogeneität der beiden 34. Die Energie als Kategorie. Die neue
Glieder der Funktion und somit der Kausahtät soll ver- Leistung, welche der Energie obliegt, können wir uns am ein-
mieden, soll ehminiert werden. Wie die Funktion vom reinen fachsten mit Rücksicht auf die Erhaltung vergegenwärtigen.
mathematischen Gesichtspunkte dieses Bedenken überwindet, Wir haben oben (S. 286f.) in fünf Punkten die Antwort
so soll die Energie diese Methode hinausführen auf das K r a f t
- x auf y einwirken könne. Den
präzisiert auf die Frage, wie
Problem. Halten wir uns wieder an die schroffe For- fünften Punkt bildet die Erhaltung. Und konnte er
muHerung, die wir soeben versucht haben. Y also soll ver- als die anderen vier Punkte zusammenfassend gedacht werden.
schieden sein. Y bedeutet hier die Bewegung in ihren neuen Wenn wir j etzt dieselbe Frage aus dem Gesichtspunkte der
Formen, in denen sie zur Entdeckung gelangt. Ferner aber Energie wiederholen, so können wir an der Erhaltung
soll X nicht verschieden sein. X bedeutet jetzt die Kraft, die den Unterschied der Energie von der Kau-
der Bewegung nicht heterogen sein darf. Sie ist die Substanz, salität bestimmen. Die Erhaltung der Kausali-
deren Bewegung nur Verwandlung ist. Das galt von tät bedeutet vorzugsweise die Erhaltung der
der Substanz; welche Bedeutung hat es für die Kraft? Substanz in der Bewegung, in der Ver-
Hier tritt die Funktion wieder ein mit ihrer Grundlage wandlung. Es ist, als ob der alte Gedanke des absoluten
der infinitesimalen Reaütät. Jetzt aber gilt es, dieses Prinzip Seins durch die Kausahtät, durch die Korrelation von Substanz
zu seiner voUen Fruchtbarkeit zu entfalten. Nicht nur jedes und Bewegung widerlegt werden sollte. Die Bewegung
Element muß seinen eigenen reinen Ursprung haben, der doch, soll nicht als etwas Fremdes erscheinen, sondern nur als
als ein reiner, ein allen gemeinsamer sein muß; nicht nur dem Verwandlung. Diese Bedeutung der Substanz, die im
Ding, wie es als Masse gedacht wird, muß dieser reine Urteil der Substanz vorweggenommen wird, wird im Urteil
Ursprung zukommen; sondern vor allem der Kraft muß des Gesetzes durch die Kausahtät zur Ausführung ge-
er zugute kommen. Jede Form der Bewegung, bracht. Und auch sofern man in x die Kraf t denkt, ist
jeder Anhub der Bewegung muß reines auch sie keine auswärtige, sondern sie bewährt auf Grund der
Ursprungs sein. So bleibt y verschieden; denn es wird Funktion den eigenen infinitesimalen Ursprung. So geht die
als neue Form der Bewegung anerkannt. Und so bleibt x Kausahtät immer nur gleichsam auf die Substanz, deren
nicht verschieden; denn nur die Substanz, die
es ist nicht Erhaltung gesichert wird.
sich in allen, wie immer neuen Bewegungsformen doch nur Die Energie dagegen sieht vorwärts auf die Be-
selbst verwandelt; sondern es ist zugleich auch die Kraft, wegung und ihre Formen. Die Kausahtät steht
die in allen diesen Selbstverwandlungen einen noch unter dem Gresichtspunkte der Mathematik. Die Formen
eigenen, reinen Ursprung vertritt^ So hebt sich die Illusion der Funktion der Differentialgleichungen, stehen gleichsam
von innen und außen. Der reine Ursprung ist der für sich. Aus dem Gesichtspunkte der Energie dagegen be-
innere, kraft dessen in jeder Bewegungsform die alte Kraft deuten sie die Verwandlungsformen. Die Energie
stets sich neu verjüngt. Diese Verbindung und vertritt den Gesichtspunkt der mathematischen Natur-
Vereinbarung der Funktion nebst der in- wissenschaft; die Mathematik an sich braucht keine Energie;
finitesimalen Realität mit der Substanz während sie die Kausahtät allerdings in der Funktion zur

il
292 Eleatiache Paradoxie Problem der Umkehrharkeit 293

Geltung bringt. Mithin würde durch die Kausalität allein die Problem der mathematischen Naturwissenschaft. Und so
Frage nach dem B, als dem Verschiedenen, nicht zum vollen gipfelt alle Methodik derselben in der Kategorie der Energie.
Austrag kommen. Und es ist doch die Grundfrage, die Frage So wird durch die Erhaltung der Bewegung erst die Erhaltung
des Inhalts, also des Gegenstandes.Die Energie lenkt der Substanz bewährt. Die Erhaltung der Substanz bliebe
den Blick auf die Verschiedenheit der ein Losungswort, wenn sie nicht durch die Erhaltung der
Bewegungsformen; sie weicht diesem harten Problem Bewegung zur Wahrheit würde.
nicht aus; vielmehr will sie dasselbe gerade bei den Hörnern Freilich ist auch die Erhaltung der Bewegung nur ein
253 fassen. Die Entfaltung, die Verwandlung, also gleichsam die Losungswort. Aber diese Losung wird durch die Methodik
Selbstäußerung der Substanz macht sie zu ihrem Vorwurf. der Funktion bewährt. Die Losung führt dadurch zur Lösung.
Es ist, als ob durch die Energie der Gedanke aufgeworfen Und es handelt sich bei diesen Lösungen immer nur um die
würde, daß etwa die Substanz, als Kraft, zur Zersplitterung Verwandlung einer Bewegungsform in eine andere. In allen 254

verurteilt würde. Scheint doch ohnehin die Energie mehr aber erhält sich die Substanz. So würde die Kausalität folgern.
ein Prozeß zu sein, als daß sie einen Abschluß und ein Ziel Und in allen erhält sich die Bewegung. So folgert die Energie.
bedeuten sollte. Allen diesen Bedenken tritt jedoch die Und was ist der Unterschied? Welchen Sinn und Wert
Erhaltung in der Energie entgegen. Nicht lediglich um hat diese Unterscheidung? So könnte man nochmals
Korrelation handelt es sich bei Substanz und Bewegung; fragen. Jetzt aber können wir antworten: der Unterschied
sondern die Verwandlung ist im strengen Sinne Selbst- liegt in dem Unterschied des Interesses, welches die Logik,
verwandlung. Die Kausalität erkennt und welches mathematische Naturwissenschaft verwaltet.
die
darinnur dieErhaltungder Substanz. Die Die Erhaltung der Substanz, das ist im Grunde der alte
Energie dagegen lehrt die Erhaltung der Gedanke von der Einheit des Seins. Mit ihm macht man
Bewegung. Das ist das Neue, daß auch die Be- Pantheismus; aber nicht unmittelbar Physik. Erhaltung der
wegung in und trotz der Verschiedenheit ihrer Formen, den- Bewegung bedeutet Einheit, Einheitlichkeit der Bewegung in
noch in allen dieselbe Bewegung ist. So ist es die Er- aller Verschiedenheit ihrer Formen. Aber ebenso wie auf die
haltung der Bewegung, welche die Energie verkündet. Einheit, kommt es auf die Verschiedenheit an.
35. Die Eleatische Paradoxie. Man könnte 36. Das Problem der Umkehrbarkeit.
trotzdem den Einwand machen, worin denn doch eigentlich Durch diese Bedeutung der Energie können wir vielleicht
der Unterschied bestehe zwischen der Erhaltung der Substanz auf eine Schwierigkeit ein Licht fallen lassen, die doch wohl
und der Erhaltung der Bewegung. Die Geschichte der Philo- den größten Anstoß bildet in der ganzen Energielehre. Der
sophie, wie der Wissenschaft, erteilt jedoch auf diese Frage allgemeine Erhaltungsgedanke der Verwandlung und der
manche drangvolle Antwort. Erinnern wir uns des P a r - Selbstverwandlung, wie er in der Wärmelehre sich
m e n i d e s der doch mit seiner Einheit des Seins
, entwickelt hat, ist zu dem Prinzip der Umkehrbarkeit
den Anfang macht: wie man ihn zwar nicht verstand, aber und Umwandelbarkeit ausgebildet worden. Man hat als den
doch alsbald in seinem Geiste weiter dachte; wie D e m o k r i t Kern der neuen Lehre nicht die Auffassung der Wärme als
vor allen es dartut. Ohne die Einheit der Be- Bewegung angesehen; sondern die Umwandelbarkeit der
wegung bleibt die Einheit der Substanz Wärme. Diesem Prinzip widerspricht nun aber gerade ein
eine anstößige Paradoxie. Daher geht die neuere anderer Lehrsatz der Theorie, welcher die Nicht-Umkehr-
Wissenschaft seit Galilei auf die Erhaltung der Be- barkeit behauptet. Und dieser Satz wird durch die Tatsachen
wegung aus. Die Substanz in der Bewegung, das ist das belegt. Man hilft sich dabei nach dem Vorgang von Hertz

I
*%kJ

294 Extensive Oröße Intensive Realität 295

durch die Unterscheidung der sichtbaren und der in Teilen des Raumes ausdehnt und allmählich ausbreitet.
unsichtbaren Bewegungen, indem das Prinzip der Indem nun Le b n i z seinem Grundgedanken nachsann,
i

Umkehrbarkeit nur auf die Tendenz gehen soll, sichtbare in nämlich die Substanz als Kraft zu bestimmen, da war er auf
unsichtbare Bewegungen zu verwandeln. dem Wege nach dem Ursprung. Der Unterschied zwischen
Allgemeiner und tiefer ist die Nicht-Umkehrbar keit da- Substanz und Kraft liegt in der Tendenz des Ur-
durch erklärt worden, „daß wir kein Mittel besitzen, im sprungs, in der Tendenz der Erzeugung. Die Substanz
Uhendlichkleinen hinreichende Ordnung zu schaffen". Wenn soll nicht als an und für sich gegeben gedacht werden
dürfen.
dagegen die Kategorie der Energie vorzugsweise die Erhaltung Was sie erzeugt, das ist ihr Sein. So mußte ihm das Wort der
der Bewegung zu vertreten hat, so dürfte die Umkehrbarkeit Intensio gelegen kommen.
nicht lediglich bedeuten müssen die Zurückführung in die Und noch gelegener kam ihm dabei der Gegensatz
rfelativ erste Bewegungsform, sondern in eine neue, die wir zur Extensio. Diese hatte Descartes zur Substanz
nun eben noch nicht zu kennen nötig haben. Nur die Umkehr- gemacht. Und diese geometrische Ekstase sollte daher vor
barkeit muß gesichert sein, das erfordert die Erhaltung der allem beseitigt werden. So definierte demgemäß Leib niz seine
2» Bewegung; nicht aber die Rückverwandlung der Wärme- Kraft-Substanz zunächst im Gegensatze zur Ausdehnung;
bewegung in die mechanische, aus der sie entstanden war. und so dachte er die intensive Größe zunächst als i n e x t e n -
So vertritt die Energie in einer neuen Richtung den grhaltungs- sive; denn die Extensio war ja der eigenthche Abgrund.
gedanken der Substanz, nämlich für die Bewegung. Die Aber diese Negation bildet nur die erste Stufe; die zweite,
Bewegung selbst wird jetzt zu einer Art von Substanz, an der positive, hebt den Ursprung und ersten Ansatz der Kraft und
man nicht zweifeln kann, auch wo die Umkehrbarkeit in die ihr inneres, demselben gemäßes Wachstum hervor. So
wird 25»
nächst voraufgegangene Form nicht hergestellt werden kann. die infinitesimale Realität zur inten-
Diese Erhaltung der Bewegung gewährleistet die Energie. siven Realität.
Und so ließe sich auch von unseren Erwägungen aus die Man darf jetzt sagen, daß der Ausdruck
Bedeutung des Prinzips der Reversibihtät verstehen. der Realität für das Differential sich
37. Die extensive Größe und die inten- erst jetzt vollständig rechtfertigt; denn
sive Realität. Wir st lien soeben, daß es auf die jetzt sieht man, wie die Realität auf die Bewegung hinsteuert,
„Ordnung im Unendlichkleinen" ankomme bei der Energie; und wie sie von der Bewegung gefordert wird. Es zeigt sich
in unserer Sprache, auf die Ordnungen der infinitesi- jetzt aber zugleich, wie selbständig die Leistung der Energie
malen Reahtät. Wir kommen dadurch aber zu einer neuen ist, und wie sehr sie die AuszeichÄung als Kategorie
verdient.
Bestimmung derselben, die ihrem geschichtlichen Ursprünge Sie macht aus der infinitesimalen die in-
entspricht. Unter den Ausdrücken, mit denen Galilei tensive Realität. Indem sie die Erhaltung der Be-
die Erfindung des Differentials gleichsam vorzeichnet, ist von wegung vertritt, vertritt siedas Prinzip der Kraft, welches
besonderem Gewicht der der I n t e n s i o. Die Anspannung innerhalb der Kausalität im Grunde doch nur durch
letzten
entspricht dem Impetus. Der Ausdruck war in der die Funktion erledigt wird. Was die Erhaltung darüber hinaus :s i
Scholastik schon vorhanden. Er bezeichnete dort eine eigene tun kann, fällt auf die Seite der Substanz.
u
Art von Größe, den Grad, der auch schon für die Wärme Die Kraft aber bildet in der Korrelation zur Substanz jene
gebraucht wurde. Die intensive Größe, welche so Schwierigkeit, der die Energetik dadurch den Garaus
entstanden war, stellt das innere Wachsen der Größe dar, machen möchte, daß sie in den Schein gerät, die Substanz
im Unterschiede von der extensiven Größe, die sich selbst fallen zu lassen. Daher der Widerspruch gegen sie nicht

II

"?
Einstein 297
296 Hertz und BoUzmann

inhalt, sodann aber nimmt er eine ProportionaUtät zwischen


nur vom Empirismus, und nicht nur von der konservativen
der trägen und der schweren Masse in dem Sinne an, daß
Mechanik, sondern auch von Hertz. Es wird nun darauf
er sie beide in dieselbe quantitative Beziehung zur Energie
ankommen, das Prinzip der Energetik streng und ganz auf
das Prinzip der infinitesimalen ReaHtät und ihre Folgerungen
setzt. Es bewährt sich so die Bedeutung des Ursprungs
in der unendUchen Urteilsbildung der Imponderabihen. Er
zu gründen, und dadurch die Energie auf dem letzten Grunde
stellt die Äquivalenzhypothese auf, welche die physikahsche
der intensiven Realität zu erkennen und zu beglaubigen. D i e
Wesensgleichheit der schweren mit der trägen Masse aus-
Substanz der Energie beruht auf dem
spricht, wenngleich er den logischen Wert dieser Hypothese
Grunde der infinitesimalen Realität; die
Kraft der Energie aber auf dem der in- dadurch herabsetzt, daß er ihr einen hohen Grad von Wahr-
tensiven Realität. In dem ersten Ansatz der Reahtät scheinhchkeit zuspricht. Indessen er bezeichnet es ausdrückUch
als die Verallgemeinerung der Relativitätstheorie,
setzt dadurch zugleich die Kraft an. Indem wir jetzt daher
die Energie in letzter Instanz wiederum in der Funktion be- daß sie die Theorie des statischen Schwerefeldes als Spezial-
fall enthält.
gründen, begründen wir sie in der Energie intensiver Realitäten.
Man bedenkenun, welche Stellung Einstein Loren tz
38. Hertz und Boltzmann. So können wir aus
gegenüber einnimmt,und gegenüber dessen Deutung des
dem Zusammenhang unserer Kategorien die Bedenken heben,
alten Fizeau*schen Experimentes. Während Lorentz den
welche gegen die Energetik von Boltzmann eingewendet
wurden, und welche auch Hertz bewogen hatten, an der Äther als ruhend annahm, wodurch bei der Bewegung der
Masse festzuhalten. Aber gerade Hertz sah sich genötigt, Erde eine Ausnahme von dem Relativitätsprinzip sich ergeben
und e*» ist keineswegs ein zweideutiges Verdienst von ihm, würde, entscheidet Einstein diese Frage dahin, daß sie physi-
daß er dieser Nötigung einen terminologischen Ausdruck kahsch unzulässig sei; denn der Äther wird als eine Art der
gegeben hat, den Begriff der Masse nicht nur, wie bisher, Materie nunmehr fallen gelassen.
Dies ist aus dem Gesichtspunkte des kritischen Idealismus
durch die Gesetze der Trägheit und der Schwere zu unter-
eine große Tat. Das größte Hemmnis wird ihm durch diese
scheiden, sondern durch die Art ihrer Erscheinungsweise.
Die schwere Masse ist die sichtbare Masse; die träge Masse Konsequenz, die Einstein zieht, endgültig hinweggeräumt,
aber macht er zur unsichtbaren Masse. Er nimmt also hier den wenn anders die Tatsachen, auf denen die Relativitätstheorie
alten Platonischen Terminus wieder auf, der nach der Syno- beruht, richtig sind. Die prinzipiellen Erwägungen, die ande-
rerseitsihren Grund bilden, werden durch die prinzipielle
nymie des griechischen Wortes das Rein- Gedachte dem
Unsichtbaren (aeiöeg) gleichsetzt. Auch Hertz versteht unter Methodik des kritischen IdeaUsmus bestätigt.
dem Unsichtbaren nur das Rein- Gedachte; aber freiUch kann So sehr wir nun aber das hauptsächhche Ergebnis der
er auch nichts anderes unter der Masse überhaupt, der
Einsteinschen Theorie in der Verwerfung des Äthers erkennen,
sichtbaren, verstehen, wiefern sie in eine Differenzialgleichung so müssen wir doch auch ihn fragen, wie Boltzmann die

eingeht. Immerhin bleiben auch bei ihm noch die beiden Energetiker fragt, nämlich nach dem Träger dieser Energie-
Arten der Materie geschieden, und so hängt sich das Vorurteil formen.
der sichtbaren Masse auch noch an die unsichtbare an. Es ist vielleicht charakteristisch für Einstein, daß er aus-
39. Einstein. Durch A. Einstein wird neuer- drückUch darüber keine Spekulationen anzustellen scheint; nur
dings diese ganze Frage, die man den Schwerpunkt des gelegentUch sagt er, daß er die Kraft nach Planck definiert.
IdeaUsmus nennen könnte, der Erledigung nähergebracht. Planck aber stellt sich die Frage nach „den unveränderUchen
Denn für ihn ist ersUich die Masse abhängig vom Energie- Bausteinen, aus denen das physikalische Weltgebäude zu-

^-
BücJchlich 299
298 Planck

zu denken: in diesem aber ist sie nunmehr in begrifflicher


sammengefügt ist." Es ist nun aber daß nur
hierbei auffallend,
Selbständigkeit isohertund determiniert.
die Unveränderlichkeit der Bausteine zur Frage gemacht wird,
40. Rückblick. Nicht weiter dürfen wir an dieser Stelle
und in ihr allein „das eigentUch Substantielle" angenommen auf die schwebenden Fragen bezügUch der Kraft eingehen; es
wird, wie denn auch von dem Begriffe des Massenpunktes nur kommen noch andere, bisher noch nicht abgeleitete Voraus-
gesagt wird, daß er „die Eigenschaft der Konstanz und Un- setzungen dabei ins Spiel. BHcken wir vielmehr zurück von
veränderiichkeit verliert". Ist denn aber die Unveränder-
diesem Gipfel der Energie, so sehen wir, daß es das Gesetz ist,
hchkeit, wenn sie schon der hinlänghche Grund der Substanz
welches in ihr letzthch sich vollzieht. Masse und Kraft
sein sollte, der letzte Grund, aus dem heraus die Masse zum bleiben Mythologumena, wenn nicht das Gesetz in ihnen
Urträger der Bewegung werden kann? Die Unveränderlich- die aufklärende Entscheidung bringt. Das Gesetz ist der Satz,
keit allein bildet nicht die Energie. Wir erkennen es hier
der mehr ist als ein Wort; vielmehr ein Satzgefüge. Diesem
wieder deuthch, daß die Schwierigkeit nicht gehoben wird grammatischen Sachverhalt entspricht die logische Struktur
beim Zurückgehen auf die Substanz, sondern, daß die Substanz der Bedingung, die wir als Be-Dingung erkannt haben. Und
257

auf die infinitesimale, intensive Reahtät zurückgeführt werden dieser logischen Spannung und Schwebe entspricht der Grund-
muß, auf deren Grunde erst sie errichtet und zur Energie aus- begriff der mathematischen Methodik, die Funktion. In ihr
gebaut werden kann. hegt die Kraft der Kausalität, die nicht in der causa besteht,
Vernehmen wir jetzt Plancks Antwort. „Hierauf läßt sich sondern in der causa'tio; die aber eben Bedingung und
folgendes sagen: die unveränderlichen Elemente des auf dem Was darüber hinaus zu gelten beansprucht,
Funktion ist. sie
Relativitatsprinzip basierten Systems der Physik sind die
das leistet sie als Energie, deren Vorzug sich aber nichtsdesto-
sogenannten universellen Konstanten: vor allem die Licht- weniger auf die Funktion gründet, deren Güeder nur von infini-
geschwindigkeit im Vacuum. usw." Wir sehen, die Antwort
tesimalen zu intensiven Reahtäten entwickelt werden. Und
entspricht der Frage, und sie erschöpft sich in der Anführung
diese Entwickelung vollzieht sich am Leitgedanken der
der Konstanten, als derjenigen Elemente, welche in einem Energie. Die Energie betont und urgiert außer der Substanz,
elementaren Wirkungsquantum als die letzten Elemente ge-
an der Substanz die Bewegung, die Erhaltung der Bewegung,
fordert und gedacht werden müssen. die Substanz der Bewegung. So vollzieht, so vollführt die
Das ist die logische Klärung, die wir in unserer Kategorie Energie das Gesetz, und in dem Gesetze die engere Grund-
der Energie angestrebt haben: daß sie den begrifflichen Anteil,
lage der mathematischen Naturwissenschaft.
den die Substanz, als das Element der Unveränderlichkeit, 41. Das Gesetz in der Ethik. Die Kategorie
zu dem Begriffe der Energie beiträgt, in begriffUche Verein- des Gesetzes erweist sich als solche auch in den Geistes-
barung setzt mit dem alten Begriffe der Kraft, beiden Anteilen wissenschaften: in der Ethik, als ihrer Logik;
aber die gemeinsame Voraussetzung der Kategorie der Reahtät sowie in der Jurisprudenz, als ihrer Mathematik,
gibt, der Abstraktion des einen Anteils als infinitesimale,
der
Jetzt darf man und auf b«dder methodischem Grunde in den Wissenschaften
intensive Realität.
der Geschichte und der Wirtschaft. Alle haben
des anderen Anteils als
nicht mehr fragen: wo bleibt der Träger für alle diese Energie-
in dem hypothetischen Urteil und in der Bedingung
ihren
formen; denn er ist nun genau in ihnen selbst definiert, und Typus. In allen handelt es sich um die Übertragung und An-
zwar nicht mehr nur in den Konstanten, zu denen diese Energie- wendung der Relation, welche in der Funktion zu ihrer de-
formen sich aufbauen, die immer nur die Unveränderlichkeit finierten Prägnanz gelangt. Wir wissen bereits, daß das
des Trägers ergeben -würden, nicht aber gleichsam seine Exi- Urteil der Substanz sich für die Ethik und ihre Anhänge, als
stenz selbst. Diese ist freihch nur in ihrem begriffUchen Sein
Freiheit des Willens 301
300 Vorattssetzung des Willens

Kausalität durchführen, wie dort. Die Kausalität würde auch


die Voraussetzung des Subjektes geltend macht Aber
hier nicht genügen; denn sie hält den Blick fixiert auf das
das Subjekt ist nicht die absolute Seelensubstanz; sondern Subjekt, das dabei in Gefahr gerät, wieder zur absoluten
es ist auf die Korrelation gespannt, bei welcher der physi- Substanz zu erstarren. Der Wille dagegen, als Energie, hält
kalischen Bewegung die sittliche Handlung
ent-
den Blick weit geöffnet für alle Mannigfaltigkeit und Ver-
spricht, die Handlung, die als solche der SittUchkeit an- schiedenheit seiner Äußerungen, angesichts deren er dennoch
gehört. die Erhaltung der Handlung behauptet.
Auch hißT müssen wir die gegenseitige Abhängigkeit So wird der Wille zum Prinzip der Ver-
ehrhch und wahrhaft machen. Das Subjekt und die Be- wandlungsformen des Subjekts. Aber dieses
dingtheit durch das Objekt muß freilich der leitende Gedanke Prinzip der Willens-Energie bedeutet nicht allein, daß in
bleiben. Aber beides bhebe doch nur Fiktion, wenn nicht das
diesen Verwandlungen, und kraft derselben die Voraussetzung
Analogon der Funktion in der Handlung vonstatten des Subjekts sich bewähre, und die Erhaltung des Subjekts,
ginge. Die Handlung ist daher mehr, anderes als nur Be- als Identität, sich bewahre; es erstreckt sich auch
wegung; es wird in ihr die Voraussetzung des Subjektes ebenso prägnant auf die Verwandlungsformen selbst. Es
lebendiger mitgedacht. Sie würde bei solcher Vergleichung bringt und verbürgt ihnen allen den Wert der Ebenbür-
schon etwa der Erhaltung der Bewegung entsprechen. Die tigkeit, wie verschieden sie auch nicht nur in natürlicher
Handlung schließt nach ihrem reinen Begriffe in der Tat die Hinsicht, sondern auch in der Ausführung der sittlichen
sprunghafte Willkür und Zufälligkeit aus. E s Richtung sein mögen. Der Wille, als das Prinzip der sittUchen
bezeugt sich in ihr bereits die Kontinuität des Energieformen, bringt sie alle unter das Prinzip der Um-
258 Charakters, in dem die Einheit der Persön- kehrbarkeit. Und auch hier werden wir an demselben
lichkeit wurzelt. Und doch darf diese Wurzel nicht als nicht darüber irre werden, daß eine unmittelbare Rückbildung
eine biologische gedacht werden; mit der absoluten zu der nächsten Vorstufe nicht überall verstattet ist. Die 259

Substanz ist zugleich der character indelebilis


Ausnahme dürfte auch hier sehr oft die Regel bestätigen und
ausgeschlossen. In der Handlung allein erzeugt sich der richtiger beleuchten.
Charakter, wie er sich in ihr bezeugt. 43. Die Freiheit des Willens. Aus dieser Be-
42. Die Voraussetzung des Willens. Wir
stimmung des Willens auf Grund des Urteils des Gesetzes
dürfen daher noch eine fernere Analogie der genuinen Be- ergibt sich, daß das Prinzip des Willens den Gedanken der
deutung des hypothetischen Urteils entlehnen. Auch die Freiheit des Willens einschheßt. Daß die Freiheit keinen
Energie läßt sich an der Handlung beleuchten. Ihr entspricht Gegensatz Gesetze bilden soll, hat man von jeher an-
zum
Voraussetzung des Willens. Was unter-
die erkannt. Der Konfhkt entstand nur aus dem Überfluß an
scheidet amletzten Ende den Willen von Gesetzen, der hier gar nicht als eine Verlegenheit geistigen
der Begehrung? Der eigenthche Unterschied liegt in
Reichtums sich ausgeben Heß. Im Mittelalter war es das
dem Zusammenhang und in der Einheit der Willens- göttliche Gesetz, oder das Gesetz, welches Gott selbst
handlung. Dieser Zusammenhang und diese Einheit setzt
bildet. In der neuern Zeit ist es das Naturgesetz. Beide
aber wiederum das Subjekt voraus, dessen Handlungen bei Arten von Gesetz konkurrieren mit dem fragüchen Gesetze
aller Verschiedenheit, deren Wert anerkannt werden muß, des Menschen. Und nur parteihche Befangenheit für eines
dennoch stets als Verwandlungen, als Selbstverwand- der beiden ersteren Gesetze ließ an der Möglichkeit des dritten
lungen des Subjekts gelten müssen. Und auch hier verzweifeln. Die Selbständigkeit der Ethik
läßt sich derselbe Unterschied zwischen der Energie und der
Stoa 303
302 Das hypothetische Urteil hei Aristoteles

Nachwirkung davon spürt man noch bei P r o k 1 u s. Wie


beruht auf der Selbständigkeit ihres Ge- konnte er da die Art des Urteils übergehen, in der jener wich-
setzes. Als ihr eigenes, selbständiges Gesetz behauptet tige Gedanke sich vollzieht? Die Antwort läßt sich durch die
sie die Freiheit, die nichts anderes bedeuten soll als
die
Vermittlung einer andern Frage finden. Wie konnte Ari-
Erhaltung des Subjekts in der Erhaltung stoteles dieses Urteil ignorieren, während doch Piaton durch
seiner Handlungen. Die Freiheit ist die diesen Terminus seine Idiee begründet hat? Die Antwort auf
Energie des Willens. Und alle Energieformen des diese Frage erklärt zugleich die Auslassung diester Art des
Willens sind Selbstverwandlungen des sitthchen Subjektes; Urteils bei Aristoteles.
müssen als durch dasselbe bedingt beurteilt werden. Aristoteles bestreitet und verspottet die Idee: er
% 44. DieMoralstatistik. So stehen beide Interessen erkennt ihre Bedeutung als Hypothesis nicht. In diesem
und beide Richtungen im Willensproblem innerhalb des Grundgebrechen beruht die innere Krankhaftigkeit seiner
hypothetischen Urteils. Denn ebenso, wie wir den Willen, Philosophie und aller Philosophie der Folge-
und das ist zugleich die Willensfreiheit, in der Bedingung des zeit, sofern sie allein oder vornehmhch von ihm abhängt.
Gesetzes samt ihren weiteren Ausprägungen wiederfinden Dieser sein Grundmangel erklärt daher am sichersten seine
konnten, so ist hier auch der logische Ort für das Problem Vernachlässigung des hypothetischen Urteils. Und es zeigt
der o r a 1 s t a t i s t i k. Da handelt es sich zunächst um
M sich darin zugleich seine methodische Krankhaftigkeit. Der
das biologische Exemplar der Spezies Homo. Wir innere Unterschied zwischen Ideahsmus der reinen Erkenntnis
kennen das biologische Problem noch nicht; wir wollen aber und dogmatischer Metaphysik springt so in die Augen. Dem
annehmen, daß es mit dem Energiegesetze sich in Zusammen- Idealismus sind die letzten Grundlagen der Wahrheit
hang zu setzen vermöge. Es handelt sich dabei ferner um die und der Wissenschaft Grundlegungen; der Meta-
Fiktion eines sozialen Individuums. Dieser Begriff
physik sind sie absolute Grundlagen: so im Sein,
istuns noch ganz unbekannt; wir nehmen aber an, daß auch wie im Denken, im Geiste gelegen und gegeben. Diese Normen
er dem Gesetze der Kausah tat sich werde konform gestalten sind dem Denken schlechthin gesetzt. Daher braucht Aristo-
wollen. Mithin ist auch die Moralstatistik mit dem Begriffe teles das Urteil des Gesetzes nicht.
ihrer Gesetze auf das hypothetische Urteil angewiesen. Und 46. Die Stoa. Dem Idealismus dagegen sind aUe
mehr tiefsten Sinne belehrend ist es, daß
im
als interessant, Gesetze nur Gefüge von Bedingungen, die auf vorausgesetzten
beide Richtungen, so sehr sie sich zumeist befehden, in dem- Grundlegungen sich erheben. Solcjie Methodik ist die Seele
selben Urteil ihr logisches Bett haben. der neuern Wissenschaft, die mit dem Wiederj^ufleben
Piatons
260 45. Das hypothetische Urteil bei Aristo- erwacht. Wo das hypothetische Urteil fehlt, da fehlt das
teles. Wir waren schon darauf aufmerksam, daß Aristo-
Problem des Gesetzes, als das Leben und die Seele der
teles das hypothetische Urteil nicht ausgezeichnet
Wissenschaft. Wie in allen Hauptfragen der Kultur die Stoa Uk
hat. Ihm Hypothesis Prämisse, oder
ist Annahme trotz ihrer Eklektik und ihrer inneren Widersprüche dennoch
überhaupt, allerdings auch ein mathematischer Terminus. die Vermittlung zwischen der Antike und der neuern
Wie er das kategorische Urteil nicht hat, so fehlt ihm Zeit bildet, so auch hier. Sie hat das hypothetische
auch das hypothetische. Das muß so sein. Wo das Urteil der Urteil. Und sie wird auch von der Skepsis bewegt,
ohne
Substanz fehlt, da muß auch das Urteil des Gesetzes fehlen. welche der Rationahsmus trotz tiefer Ausbreitung dennoch
Aber die AuffäUigkeit der Sache ist durch diese Erwägung erstarrt. Das hypothetische Urteil ist gleichsam das
Gewissen
doch noch nicht erledigt. Aristoteles kennt und würdigt die des wissenschafthchen Denkens. Was ist aUe Wahrheit
anderes
mathematische Bedeutung der Hypothesis. Die
II

Lcibniz Raison 305


304

als die Auftürmung von Gesetzen? Und was ist das Gesetz seinen Trieb nach rastlosem Bedingen hat man es verstanden;
anderes als ein Gefüge von Bedingungen und Grundlegungen? sondern Beruhigung; die es bei einem jeweiUgen Grunde
als eine
47. Das neue Denkgesetz. So können wir es bewenden läßt. So würde, was wir soeben als das Gewissen
verstehen, daß in der neuern Zeit im Zusammenhange des Idealismus erwogen haben, nämlich aie unersetzliche
mit diesem Urteil das Problem eines neuenDenk- Einsicht, daß aller Grund nur im Legen des Grundes, nur im
gesetzes entstehen konnte. Identität und Kon- Bedingen hege, wieder verflüchtigt werden und verloren
tinuität wollten nicht mehr genügen, als man mit gehen. Der Grund darf nicht sowohl ein Besitztitel, als viel-
dem geschärften Gewissen in der B e d i n g u n g die Wurzel mehr ein Aufgaben-Recht des Denkens sein. Das Denk-
alles Denkens erkannte. und Identität
Ursprung gesetz des Grundes muß das Idealgesetz
erscheinen nutzlos, und der Eifer gegen den Wider- des Denkens bedeuten. Indem unaufhöriich der
spruch eitel; die Kontinuität selbst mit ihrer Grund vertieft, also das Niveau der Forschung tiefer gelegt
die Kontinuität des Be- wird, wird die Erkenntnis demgemäß reiner; wird daher
das
i
Funktion wie ein Spiel, wenn
Mit der bestän-
dingens aussichtslos wäre. In ihr gipfelt der Wert aller Fundament der Wissenschaft gesicherter.
des
bisherigen Denkgesetze. Die Buchstaben müssen Sätze; digen Vertiefung des Grundes wächst die Sicherheit
die Elemente Gleichungen bilden. So strebt alles Denken
den Fundaments. So erkennen wir die Kraft der Hypothesis in
Gesetzen, also auch das Denkgesetz selbst einem besonderen diesem Grunde.
Denkgesetze des Gesetzes zu. Leibniz hat die Bedeutung der Idee als Hypo-
48. Leibniz; Grund als Grundlegung. thesis gekannt. Aber für sein neues Denkgesetz hat er
I Aber Gesetz ist ja der alte Terminus, der überall und in den in den neueren Sprachen übUchen Terminus der Ratio
und der Raison gewählt. In der Ratio steckt der Logos
den verschiedensten Aufgaben und Bedeutungen bis zur
ersthch
Abnutzung gebraucht ist. Da ist es verständlich, daß für das mit seiner typischen Zweideutigkeit. Aber diese ist
in der Ratio selbst abgeschwächt, sofern sie
das Mittel des
neue Denkgesetz ein neuer Terminus gesucht wird. Freihch,
Rechnens ferner aber auch in der
wo und wie gäbe es neue Termini in der alten, ewig jungen ratiocinari, als des ist;

Geschichte des Denkens? Nur eine neue Nüanzierung wird Raison, die allgemein zum Grunde geworden ist. Das all-
somit
man erwarten dürfen. Das neue Denkgesetz wird von gemeinste Problem der Logik im formalsten Sinne ist
Leibniz proklamiert. In seiner Mehrsprachigkeit werden die Raison. i. . •,

daher auch die Nüanzierungen des alten Wortes zu seiner Darin aber liegt wiederum eine neue, nicht minder schwere
dem Wert angebhchen Denk-
neuen Bedeutung vielseitiger durchsichtig. So entsteht Gefahr für den Sinn und dieses
gesetzes. Es ist, als ob für die Fibel oder den
Katechismus
alten Worte Ratio die neue Bedeutung in unserem Unsinn zu
deutschen Worte Grund. Leibniz stellt das neue Denk- des Denkens die allgemeine Vorschrift, grundlosen
Denkgesetzes wäre. Indessen
gesetz des Grundes auf. verschmähen, der Sinn dieses
jene
Zunächst hat es den Anschein, als ob man damit in die bedeutet der Grund in seiner fundamentalen Formahtat
Gewissenlosigkeit des zurückfiele. Der Grund
Dogmatismus doppelte Richtung des wissenschaftlichen Idealismus:
ist das Fundament, also die Grundlage; also nicht die Grund- nur in der Grundlegung die Grundlage
legung. Und so ist der Satz des Grundes in solcher Leicht- anzuerkennen; in der Grundlegung aber
auch der Grundlage sicher und gewiß zu
262
gläubigkeit vielfach hingenommen worden. Der Schein
einer
selbstgefälligen Garantie entstand und wuchs, als ob der letzte sein. So bildet die von Leibniz angestrebte und durch-
Denkgesetzes, das
Grund erreicht sei. Nicht als eine Sicherung des Denkens für gesetzte Errichtung des Grundes, als eines
Cohen, Logik der reinen Erkenntnis. II. Aufl.
Leibniz gegen Newton 307
306 Terminus für das neue Denkgesetz

bedeutsame Zeichen seines wissenschaftlichen, seines klai§- Leibniz in dem Denkgesetze feststellen. Beide For-

mulierungen vereinigen ihre Tendenz in dem Terminus des


sischen Rationalismus.
49. Die Termini für das neue Denkgesetz. Prinzips. Das Prinzip ist die reine Erkenntnis. Das
Die Gesundheit dieses Rationalismus zeigt sich zunächst für Denkgesetz soll dartun, wie im universellen FormaUsmus
des Denkens die Richtung auf die P h y s i k geht.
Es bleibt 294
die Charakteristik der mathematischen Naturwissenschaft.
nicht bei der sogenannten reinen Mathematik; der
Übergang
Und auch in dieser Hinsicht läßt sich, in der Wahl und im
Wechsel der Ausdrücke die Verschärfung des Problems er- zur Physik ist ein ebenso genuiner Zug des Denkens.
50. Leibniz gegen Newton. Es ist sehr
lehrreich,
kennen. Er nennt es in der Theodicee Principe de la
raison d^terminante. Die raison ist zwar auch hier die zu beachten, wie von hier aus Leibnizens Widerspruch
raison a priori; aber die Determination läßt die raison gegen Newton in seiner tiefen Berechtigung verständ-
doch wohl zu sehr negativ erscheinen. So ändert er das Prinzip Principia mathematica
Uch wird, der mit seinen die

in das der raison süffisante, oder ratio nis «ufficientis. Philosophia naturalis begründen wollte: als ob die

Es wird also das Denkgesetz des zureichenden Mathematik allein die Prinzipien der mathematischen Natur-

Grundes. Wozu aber soll der Grund zureichend sein; und wissenschaft enthielte. So scheint Leibniz den Formalismus
.

der Logik zu begünstigen und zu überschätzen, während


er
zwar um positiv zu begründen, nicht nur zu determinieren?
jener mathematischen Einseitigkeit gegenüber vielmehr
nur
Man kann, nicht bedenklich genug sein bei diesem Ausdruck
die universellere Grundlage zu ermitteln sucht. Und
von dieser
der Suffizienz, der gar zu leicht als Süffisance verdächtig
werden könnte. Wir waren schon aufmerksam daralif, daß breiteren Grundlage und diesem breiteren Problem aus kommt
Leibniz den bündigen Ausdruck des Begriffs de reinen Er- nun auch tieferer Gewinn für die Mathematik selbst zurück.
kenntnis nicht gefunden hat; aber er wäre nicht bloß nicht Wir wissen, daß von Leibniz die gesamte neuere Mathe-
der Bahnbrecher für Kant, sondern auch nicht der tiefste matik ihren methodischen Grundbegriff in der Funktion
Mitentdecker der mathematischen Naturwissenschaft, wenn empfangen hat. Die Funktion ist nichts anderes als der reife,
er nicht immer und überall die logische Suffizienz im durchschlagende Terminus des zureichenden Grundes. X hat
Suffizienz; denn
scharfen und breiten Hinblick aufdie Wissenschaften, die die Suffizienz für y. Das Bedingen fordert
Funktion nicht minder als das Gesetz. Und
es zu begründen galt, bedacht hätte. in ihm besteht die
sie findet und erlangt Suffizienz, wie für die
Mathematik, so
Er unterscheidet in der Monadologie, wie auch in
den Principes de la nature et de la gräce dievöritös auch für die Physik. Aus der genauem, methodisch exaktern
Unterscheidung von Mathematik und Physik bei Leibniz
ist
de la raison und die v^rites de fait. Die v6rit6s de
die Möglichkeit ihrer Verbindung zur
mathematischen Natur-
raison bilden den Inhalt der Mathematik. Sie gehen auf das
f

Denkgesetz der Identität zurück. „Mais pour passer de la wissenschaft hervorgegangen. Und so sehen wir, daß die
math^matique k la physique il faut encore un autre principe, methodische Einheit der mathematischen
c'est le principe de la raison süffisante.** Das neue Denk- Naturwissenschaft auf dem Denkgesetze
gesetz ist demgemäß das Denkgesetz der des zureichenden Grundes beruht, obwohl,
der dem Denkgesetze
Physik. Die Suffizienz, die es zu leisten hat, erstreckt sich vielmehr weil es im Unterschiede von
gedacht
auf die Physik. So wird das Denkgesetz des Identität und auch von dem Prinzip der Kontinuität
diesem
Grundes gleichbedeutend mit der Kate- worden ist. Aber der gesunde Rationalismus, der in
gorie der Kau*salität. Die fundamentale Bedeutung, Denkgesetze steckt, hat sich über das engere Problem der
die wir nach Kant der Kategorie einräumen, sie will mathematischen Naturwissenschaft hinaus bewährt.
SO
Erfolg Humes 309
308 Oott = Intellekt ; nicht = Willen

sammenhange mit jener zweideutigen Unklarheit seiner


In dem Streit mit C 1 a r k e hat sich die Gesundheit
frommen Landsleute; zugleich aber auch als eine Entladung
und Klarheit dieses Rationahsmus für die Unterschei- des empiristischen Unwillens des common sense gegen jene
dung der moralischen von der wissen- Verquickung, bei welcher Gott gegeben, was dem Menschen
schaftlichen Gewissheit, und somit für die genommen wurde. Hume rächte sich, indem er die Kausalität
Aufklärung der natürlichen Theologie dem Menschen so gründUch nahm, daß die Übertragung
und Moral lehrreich erwiesen. Nicht überall, wo es sich derselben auf Gott wertlos erscheinen mußte. Aber die
um das Problem des unendlichen Regressus bei Leibniz handelt,
Zweideutigkeit, die für den wahrhaften wissenschaftlichen
265 istKlarheit und Sicherheit durchgedrungen; sonst wäre nicht
Kants Rationalismus auch in seiner Reaktion hegt, verrät sich schon
bloß H m
u e's Erfolg, sondern auch zentrales
darin, daß er für das letzte Lösungswort den Ausdruck der
Kapitel von den Antinomien schwerer verständUch.
arabischen Orthodoxen annimmt: die Ge-
Aber in diesem Streite, so sehr er ins persönlich Unerquickliche
bisweilen übergeht, bleibt, bei Leibniz wenigstens, die wichtige
wohnheit. So wälzt er den Begriff, der Stab und Stecken
des wissenschaftlichen und des natürhchen Denkens ist, von
allgemeine Sache von jeder theologischen Einmischung frei.
der Logik auf die Psychologie. Und so vereitelt er das all-
Leibniz beruft sich für sein Prinzip auf das Prinzip des
Newton gemeine Recht der Logik.
Hebels bei Archimedes; oder wenigstens
Willen Es nutzt ihr kein Denkgesetz mehr, und sie ist nicht mehr 266

seine Anhänger dagegen provozieren auf den


Vernunft, wenn die Kausalität nicht ihre eigenste Obliegenheit
Gottes. Bei Leibniz also hegt die Suffizienz in der physi- Wissenschaft, in allen Pro-
ist, die sie in den Leistungen der
kalischen Vernunft. Und nur, sofern auch diese dem Ideal-
blemen der Kultur zu erfüllen und zu bezeugen hat. Die
ausdruck der Vernunft zugehört, wird die rationale Suffizienz
Kausahtät ist nicht die Gewohnheit, sondern die Ursprungs-
mit Gott gleichgesetzt: „C'est ce que nous appelons Dieu.** So hält Leibniz solchen Verächtern
kraft des Geistes.
51.Gott gleich dem Intellekt, nicht gleich
und Verdächtigern der Vernunft das Denkgesetz des Grundes,
dem Willen. Aber bei dieser Verallgemeinerung erkennt
des zureichenden Grundes entgegen. Es hegt aggressive
man doch die scharfe und aggressive Differenz. Gott ist dem Grunde wird nach dem
Prägnanz in dem Beiwort. In
gleichbedeutend mit Vernunft, dem In- Doppelsinn des Wortes in der lateinischen, wie in der fran-
tellekt, aber nicht mit dem Willen. Das
zösischen Sprache, die Vernunft selbst als zureichend erklärt
welche schon im Mittelalter den Rationa-
Und so rechtfertigt sich der Rationalismus als Aprio-
ist die Differenz,
hsmus von der theologischen ('i.thodoxie unterschieden hat:
rismus. Der Grund, das ist die raison a priori. Wer die
ob Gott allein Willen hat, oder aber ob der Wille, wie
psychologische Gewohnheit zur Urheberin macht für das
immer, eine Potenz des Menschen sei. Der Wille ist ein Ana-
f Problem des Gesetzes, der nimmt der Vernunft die Kraft
logon der Energie; gehört also in das hypothetische Urteil. mathe-
des Gesetzes. Er nimmt sie ihr ausdrückhch für die
Seine Kausahtät ist die des Gesetzes und der Bedingung. für das
matische Naturwissenschaft; aber die Konsequenz
Bei Newton und seinen Anhängern dagegen, welche die
Sittengesetz ist unvermeidlich und unausbleiblich.
Kausahtät des Willens Gott vorbehalten, wird der Wille zur dem hypothetischen
53. Das a priori. So erkennen wir in
absoluten Substanz. Der Zusammenhang zwischen dem Urteil der Kau-
Urteil, als dem Urteil des Gesetzes,, als dem
hypothetischen und dem kategorischen Urteil wird dadurch Funktion, den logischen Ort
sahtät auf Grund der
abgebrochen.
für das Prinzip des a priori. Und in diesem
52. Der Erf g H u m e s. So ist vielleicht im letzten Oppo-
logischen Orte erkennen wir zugleich die methodische
1

Grunde der Erfolg H u m e's zu erklären: im logischen Zu-

Ul

r-

il
Idee und Begriff 311
310 Eigene Urteilsart des Begriffs

sition, welche dasa priori gegen den Psycho- das reine Denken, also das Denken der reinen Erkenntnis.
log i s u s bildet, der die Logik entsetzen will. Und so
m Und wie es nicht nur eine reine Erkenntnis geben darf, so
erkennen wir in dem Denkgesetz des zureichenden Grundes darf es auch nicht nur ein reines Denken geben.
schlechthin das souveräne Recht der Logik behauptet und
Das Bedenken macht sich aber auch von Seiten des Be-
verwahrt gegen die Illusionen des Psychologismus. griffs aus geltend. Wenn das Denken streng als das Denken
der reinen Erkenntnis gedacht wird, darf es dann
überhaupt
Und so erkennen wir endlich in dieser Okkupation L e i b -
11 i z e n s von dem Gebiete der Logik, die ohne
das Denkgesetz mit dem Begriffe gleichgesetzt werden? Warnt nicht viel-
des Grundes ein herrenloses Gut würde, den vielleicht tiefsten
mehr die Geschichte des Begriffs vor solcher NiveUierung?
Grund für seine Absage gegen die Sinnlichkeit. In der Es ist, als ob man in die Wirren des Mittelalters zurück-
Sukzession der sinnlichen Vorstellungen hatte man die tiefste geworfen würde; in die trostlose Alternative, entweder das
Abstrakte zu materialisieren, oder es nach Art der Vergottung
!'i

Kraft des Denkens der Spontaneität berauben wollen. So muß


denn vielmehr das Denken, die Vernunft, das a priori aller zu verselbständigen; wogegen dann der Nominalismus
die nicht viel weniger trostlose Rettung wäre. Dieser No-
Sinnlichkeit entrückt werden. Die Suffizienz der Vernunft
steht in Frage. Das Gesetz des zureichenden Grundes ist
minalismus ist selbst bei Berkeley in seinem Wind-
das Gesetz des reinen Denkens, der reinen Erkenntnis.
mühlenkampf gegen die g e n e r a 1 i d e a s das eigentUche
Rüstzeug. Zu solchen Verirrungen und verirrten Lösungen
führt die Ansicht, daß das Denken keine andere Aufgabe
267 Drittes Urteil: Das Urteil des Begriffs. haben könne als die Erzeugung des Begriffs. Der Begriff ver-
Ansicht das Abstrakte, das Geistige über-
1. Die eigene Urteilsart des Begriffs. tritt in dieser
Nachwirkung der psycho- 268
eine besondere Art des Urteils für den Begriff aus- haupt. Und so läßt sich in ihr die
Indem wir
logischen Ansicht vom Denken erkennen. Wie aber das Denken,
zeichnen, also den Begriff als eine eigene Art der reinen Er- Erkenntnisse
als reines Denken, in und zu der Fülle der reinen
kenntnis fassen wollen, erheben sich dagegen schwere Be- Be-
sich entfaltet, so darf es nicht zur einzigen Frucht des
denken. Das unmittelbarste ist, daß doch der Begriff der
griffes zusammenschrumpfen. Der Begriff ist keineswegs
Inhalt und das Erzeugnis alles Denkens, des Denkens
Alles Denken ist Denken des Begriffs; wie der einzig legitime Vertreter des reinen Denkens; keineswegs
schlechthin sei.
der alleinige Bürge des geistigen Seins.
könnte da eine besondere Ableitung des Begriffs zulässig sein?
Es könnte ebenso dann noch notwendig erscheinen, das Denken Der fragliche Einwand führt nicht nur ins Mittelalter
zurück: er führt von Piaton zu Sokrates zu-
selbst in einer eigenen Art des Urteils zu bestimmen. So sehr
und Denken zusammen. Oder sollte man etwa
fallen Begriff
rück; er nivelliert die Idee zum Begriff.
Und so enthüllt sich die Illusion von der Alleinherrschaft des
in der Tat für das Denken selbst einen logischen Ort aus-
Begriffs als das alte banale Vorurteil, daß die Platonische Idee
zeichnen müssen? Die
eigentlich nichts weiter sei als der sokratische Begriff.
Die neue Frage führt zur Erschütterung des ersten Be-
Veränderung, die man dabei allenfalls konzediert, macht
denkens. Für das Denken kann es nicht einen logischen Ort
die Verirrung nur noch deutlicher. Der Begriff will bei So-
i: geben, weil es deren vielmehr mehrere geben muß; wir haben
krates nur ein logischer Wert sein; die Idee dagegen mache
acht derselben bereits kennen gelernt. Wenn dennoch In diiesem
daraus einen sogenannten metaphysischen Wert.
für das Denken diese Einheitsfrage noch entstehen konnte, die Idee
aber stecke das Unheil; denn er soll bedeuten, daß
so verrät sich darin ein Rest der Befangenheit im psycho-
Uns ist das Denken dagegen ledighch ein wahrhaftes, als solches aber ein apartes Sein darstelle.
logischen Vorurteil.

k t
Kategorie und Begriff Idee und Begriff bei KarU 313
312

Und so hat das Unwesen der absoluten Substanz in diesem Wir befinden uns hier am eigentlichen Kreuzwege der Logik.
metaphysischen Mißverständnis der Idee seine eigentliche Die Kategorien sind nicht schlechthin Begriffe; sie sind reine
Wurzel. Wenn anders dagegen die Idee die Hypothesis Erkenntnisse, die, als Grundlegungen, ihre besonderen Be-
fugnisse haben, die Voraussetzungen besonderer Probleme
der reinen Erkenntnis bedeutet, so ist dadurch schon ihre
Unterscheidung von dem Sokratischen Begriffe vorgeschrieben. bilden. Die Probleme erweitern sich. Das ist
die Aufgabe der Logik, diesen Aufbau der Probleme zu voll-
Und die Nivellierung des reinen Denkens zum Denken des
führen. In dieser Stufenreihe der Probleme steigt der Begriff
Begriffs verrät sich als das Unterfangen, das Problem der reinen
Erkenntnis zu beseitigen. Die reine Erkenntnis ist allzumal auf. Auch er soll seinen Wert als Kategorie erproben.
Hypothesis.
3. DieIdee undder Begriff bei Kant. In-
die besondere Ableitung des Begriffs dessen jedeKategorie bezeichnet ein besonderes Recht des
Das Bedenken gegen
Urteils. Wie sehr dasselbe auch in der Verkettung der Probleme
hätte sich ja ähnlich schon bei der ersten Art des Urteils,
mit den anderen sich zusammenschließt, so bedeutet und ver-
und zwar weniger verfänglich erheben können. Alles reine
tritt es doch ein eigenes, ein neues Recht. Daraus entsteht
Denken ist Denken des Ursprungs; wie kann man daher
Und so würden die eine neue Schwierigkeit. Kant hat an der Platonischen Idee,
ein Urteil des Ursprungs auszeichnen?
deren Sinn seine Kongenialität ahnte, diesen methodischen
Fragen weiter gehen. Die Identität ist die Grundlage
Denkens; man muß sie daher zu einem Denk- Grundmangel erkannt, daß sie in gleicher Geltung für die
alles reinen
gesetz machen. Nichtsdestoweniger aber mußte sie im Urteil
Ethik, wie für die matfeematische Naturwissenschaft ein-
stehe. Darauf bezieht sich sein schönes Gleichnis vom Flug der
der Bejahung ausgezeichnet werden; oder aber die Bejahung
Taube. Sein tiefes Sprachgefühl nahm andererseits auch Anstoß
vertiert ihren logischen Wert, und wird mit einem psycholo-
gischen abgefunden. Nicht anders ergeht es der Konti- an der Verblassung der Idee, dieser urkräftigsten griechischen
Wurzel, zur Vorstellung, dem Symbol des Psychologismus
nuität. Wie sie die Grundlage des reinen Denkens bildet,
der modernen Sprachen. So wollte er den Begriff nur als Kate-
so wird sie zur Wurzel der Mathematik, und bleibt fruchtbar
gorie, nur als Begriff des reinen Denkens nehmen; die Idee
für die mathematische Naturwissenschaft. Und ebenso ver-
dagegen für die Probleme der Ethik, zu denen die der Bio-
hält es sich mit der Substanz und mit der Kausalität.
Auch in ihnen prägen sich Grundwerte des reinen Denkens
logie die Überleitung bilden. Freilich muß auch
seine Terminologie wiederum das Gemeinsame für beide Arten 270
aus. Aber man sagt darum doch nicht, man müsse daher auf
von Begriff aufsuchen. So werden die Ideen im Unterschiede
ihre Auszeichnung als besonderer Kategorien verzichten:
Bedenken festhalten? von den Kategorien, als den Begriffen des reinen Ver-
warum also bei dem Begriffe dieses
2. Die Kategorien und der Begriff. Alle standes, zu den Begriffen der reinen Vernunft. Da-
durch aber kommt eine neue Schwierigkeit, durch welche die
die bisherigen Arten des Urteils haben in der Erzeugung von
Erkenntnis selbst fraglich wurde.
Kategorien sich bewährt. Die Kategoriensind
von
Kant wollte die Idee ihrer Verflüchtigung befreien.
Begriffe. Darin liegt die Gefahr. Sind sie wirklich nur Enthusiasmus für die Ethik war gegründet in seiner
Aber sein
und in jedem Sinne nur
Begriffe? Sind sie nicht vielmehr
Wahrhaftigkeit für die mathematische Naturwissenschaft. Aus
m reine Erkenntnisse? Wenn aber reine Erkenntnisse, sind
diesen beiderseitigen Tendenzen seiner Wahrheitsliebe ent-
sie dann etwa nur die Voraussetzungen der mathematischen Sie durfte
sprang die Stellung, die er 'der Idee einräumte.
Naturwissenschaft; oder aber auch der Biologie, und
nicht Kategorie sein. Aber sie sollte darum nichts weniger
endlich auch der Geisteswissenschaften? Man
als etwa „nur Idee" sein; so etwas wäre sie als Vor-
sieht, das ganze Schicksal der Logik hängt an diesem Punkte.

m
und Hegel Da6 Seiende als Allgemeinheit 315
314 Fichte, Schelling

Stellung. Es hängt mit der innersten Entwickelung von durch solche Verabschiedung des Begriffs der metaphysische
Kants System, nämlich mit der Abfolge der drei Kritiken Trotz nur mehr gereizt; und seine Dreistigkeit nimmt den
zusammen, daß die Terminologie der Idee nicht zu voller Anschein an, als wahrte er nicht sowohl das Recht der Mystik,
als vielmehr das der Logik. Aber es ist nicht nur dieses all-
Klarheit durchdrang. Wenn schon sein kritischer Idealismus
überhaupt als subjektiv mißverstanden werden konnte, so gemeine Schicksal der Vernunft, welches hierbei auf dem
Spiele steht; sondern zugleich das eigenste Hausrecht der
läßt es sich allenfalls von der Idee verstehen, daß sie nach
dieser Schablone mißdeutet wurde. Und so konnte, nachdem
Logik selbst. ^

Fichte die methodischen Grundlagen des theore- 5. Der Begriff als Kategorie. Es genügt
Kategorien als Begriffe zu bestimmen: der Be-
tischen Idealismus verkehrt hatte, Hegels Unter- nicht, die

nehmen, Idee und Begriff wieder gleich- griff selbst muß als Kategorie ausgezeichnet
zusetzen, als ein Fortschritt erscheinen. werden. Es genügt nicht, das allgemeine Recht des Be-
mathematische Naturwissenschaft festzustellen,
4. Fichte, Schelling und Hegel. Was griffes für die
und anderen Probleme die Kompetenz des Be-
konnte es nützen, daß Fichte das Sittengesetz für alle
vielmehr die Kompetenz zum Begriff zu versagen.
zur Grundlage des Naturgesetzes proklamierte; griffs,

was konnte sein ethischer Idealismus in der methodischen Es muß vielmehr ein Sonderrecht des Begriffs be-
Wurzel fruchten, wenn er doch die theoretische Realität gründet und erzeugt werden. Das ist der eigentUche Fehler
auch ganzen K a n tischen Terminologie, so sehr die
in der
vereitelt hatte? Gegen eine solche Nichtachtung der Ver-
erschien der alte Pantheismus tiefsten Züge der kritischen Systematik damit zusammen-
nunft in der Wissenschaft
Kraut. So merkte man den Pferdefuß hängen. Es hilft alles nichts, wir müssen jene Vorteile fest-
noch als ein heilsames
zuhalten suchen, ohne dabei diesen Schaden nehmen und diese
nicht, der diese Gleichsetzung von Idee und Begriff unter-
Gefahr laufen zu müssen. In dem allgemeinen Kategorien-
schob. Ohnehin hatte Schelling nicht nur in der all-
Recht des Begriffs läßt sich noch ein Rest jenes Vorurteils
gemeinen pantheistischen Nivellierung, die sich Iden-
wittern, das wir in der Gleichsetzung von Denken und Begriff
titäts-Philosophie benannte, sondern auch in dem
erwogen haben. Gänzlich entwurzelt wird dieses Vorurteil
Problem der Biologie vorgebaut. Die Identität hatte
der Begriff zu einer besonderen Kategorie gleich-
wenn
sich auf das Lebewesen, wie auf die Elektrizität
erst,

erstreckt. So war es nur eine Weiterführung, die Hegel sam eingeschränkt wird. Er bleibt darum doch so viel, wie die
anderen Kategorien auch. Aber wir werden freihch auf der
vollzog, indem er die Göttlichkeit der Idee in der Absolutheit
des Begriffs zur Entwicklung brachte.
Hut sein müssen, daß der Unterschied der reinen Erkenntnis
der mathematischen Naturwissenschaft von der der sitt-
Es läßt daher nicht nur das Altertum, und nicht nur das
Mittelalter, sondern nicht minder warnungsvoll die roman-
Uchen Idee nicht verwischt und nicht verdunkelt werde. Er
ist so viel, aber er ist nicht mehr als jede der anderen
Kate-
271 tische Dekadenz die Wichtigkeit erkennen, die dem termino-
gorien. Er ist eine eigene Kategorie mit eigener Aufgabe und
logischen Problem des Begriffs beiwohnt. Es hilft nichts,
den Begriff auf die mathematische Naturwissenschaft ein- eigenem Inhalt.
6. Das Seiende als Allgemeinheit und 279
zuschränken, den anderen Problemen der Erkenntnis aber
als Einzelnes. Wenn ein eigener für die Kategorie
Wert
ihn zu entziehen. Dadurch wird die Kraft jener Probleme,
Ir,
des Begriffs gefordert wird und gefunden werden soll, so ist
die ja doch auch nicht gebrochen und nicht abgeschwächt
keineswegs damit gemeint, daß dieser Wert ein eng einge-
werden soll, nicht scharf genug in ihrer methodischen Eigen- dem G e -
schränkter sein müßte. Wenn auch der Begriff von
art bestimmt. Es bleibt immer ein Rest des subjektiven Scheins
haften, der doch gerade hier so verderbhch ist. Und so wird
Subjektiv und Objektiv 317
316 und ata Einzelnes

setze und der Substanz der methodischen Bedeutung auf die Begründung des Begriffs, der zur Rechen-
selbst wurde, war 273
nach unterschieden werden muß, so wird ihm darum keine schaftsablage {xoyov öLöovac) Seiner

das Interesse immer eindringlicher von


dem einzelnen
geringere Kompetenz, keine geringere Weite der Beziehung
es als ein tort-
einzuräumen sein. Auch die Substanz schien von allgemeinster Seienden abgezogen worden; und so konnte
l e s unter den mancherlei
Bedeutung; <lennoch hat das Gesetz eine universellere Geltung schritt erscheinen, daß A r i s t o t e
auch den des
gewonnen. Gemäß der aufsteigenden Entwickelung der Werten, die er der Substanz erteilte,
Kategorien dürfen wir denselben Fortschritt für Einzeldings ansetzte.
u * .,
der c Substanz
den Begriff erwarten. Wenn wir nach einem Begriffe Indessen mußte doch diese Bestimmung
AristoteUschen Systems
Umschau halten, der uns noch fehlen möchte, so würde in der den ganzen innern Widerspruch des
{ro'öe r.) tragt mcht
Tat gerade ein allgemeinster Ausdruck für das aufdecken. Das demonstrative Einzelding
Seiende in Frage kommen. den Charakter der Allgemeinheit, den wir hier als
einen neuen Rechtstitel suchen. Und so
hat auch das spatere
Die Substanz ist bereits erledigt; was sie zu be-
Problem nicht zum
deuten hat, ist abgegrenzt und fei^tgestellt. Was sie jedoch Altertum und das Mittelalter dasjenige
dessen Kategorisierung wir hier an-
ohne diese Abgrenzung bedeuten wollte, das entspricht doch Ausdruck gebracht,
nicht der Allgemeinheit, die wir jetzt suchen. Denn streben. Die Stoa hat zwar eine Ahnung von diesem
Desiderat; aber sie bezeichnet das Einzelne
mit einem
jene Allgemeinheit der absoluten Substanz ermangelte jeg-
wohl überhaupt der
licher Bestimmtheit; sie bezeichnete, wie Aristoteles Ausdruck, der bereits der Sophistik, wie
Umgangssprache angehört: als das Zufällige;
üas
es aussprach, das Seiende, als Seiendes. Deswegen suchte
In dieser Wurzel steckt
er an der Substanz eine Speziahsierung einzurichten, welche was sich gerade trifft (^.a.ovra).
einen andern begrifflichen
jedoch das Scheinleben der Substanz und ihre Zwiespältigkeit eine bedenkUche Ausweichung in
Das Mittel-
bloßstellte. Die Substanz sollte das Einzelding (toden) sein. Gegensatz und in ein anderes logisches Interesse.
philosophischen Spekulation,
Von diesem Problem hatte P 1 a t o n hatte schon
, alter hinwiederum war in der
überhaupt viel zu sehr
Sokrates den BUck abgelenkt. Das war es eben, was der wie in seiner wissenschaftlichen Arbeit
Begriff bewirken sollte: die Abziehung von dem Einzelding, absoluten
von der Substanz beherrscht, als daß es die
als einem selbständig Seienden, seine Einordnung in den Be- Allgemeinheit hätte vermissen und suchen kennen,
griff. Die ersten Spuren dieser Entstehungsweise des Begriffs welche selbst dem Einzelding beiwohnen dürfte.
wie
finden sich bei H e r a k 1 i t. Und auch er schon zeigt in diesen 7.Subjektiv und Objektiv. Man weiß
Spuren die Richtung auf das Gemeinsame (xoivov). in der S c h o a1s t kidie Unterscheidung von S üb je k 1 v 1
Bedeutung
P 1 a t n ging auch von dem Seienden, als dem Einzelding, und Objektiv die genau entgegengesetzte und Geist war auf
aber er folgte der Pythagoreischen Methodik, Sinn
aus; hatte von der jetzt üblichen. Aller
Dieser
welche aus dem Seienden (ov) das Sein (oitria) machte. Er das S u b j e c t u m
, als die Substanz, gerichtet
Objekt nur
war das
folgte ferner auch m
D e o k r i t welcher seinerseits auf
, unverrückbaren Grundlage gegenüber
vom Geiste, der ja auch in der
der Spur des Parmenides ging, indem er aus dem Dasjenige, was vom Denken,
derselben entgegen-
Einen Seienden das wahrhaft Seiende (m 6v) absoluten Substanz enthalten ist,
machte. So entstand bei P 1 a t o n das „seiend Seiende" gestellt wird. So ist das O b j e c t u m
nur der SpielbaU.
Aber dazu trat die methodische den das Denken sich selbst entgegenwirft. Und diese subjek-
( ovzüie ov) (vgl. oben S. 29 f).
Begründung, welche die Idee, als Hypothesis, bis in den Ausgang des
tive Bedeutung behält das Objekt
diesem seiend Seienden gab. Durch diese kritische Richtung 18. Jahrhunderts.
if>:J
Gegenstand überhaupt 319
318 Gegenstand

Es erklärt sich hinlänglich aus der methodischen, grund- Man bleibt nicht in der Gewissensarbeit der Methodik
legenden Arbeit, welche die gesamte Renaissance, die frühe, hängen; man wird zuversichtlich dem Werte und Inhalt gegen-
wie die späte, dem Problem der Natur widmet, daß innerhalb über, den man kraft derselben besitzt. So braucht man auch
ihres Gesichtskreises diese Wendung in der Bedeutung des nicht mehr, wie die neuere Zeit insgesamt, auf das Wort
Objektes noch nicht erfolgte. War es doch eben die Richtung Natur zu pochen: wo faß' ich dich, unendliche Natur?
auf die innerliche Methodik, die das reine Denken und somit Das Einzelne selbst, in seiner scheinbaren Endlichkeit,

174 das Subjekt vertrat, auf welche alle Probleme der Natur gilt Bollwerk und als gesicherter Gehalt. Aber freilich
als

bezogen, und aus welcher alle Objektivität als ausstrahlend der Gegenstand soll nicht etwa schlechthin das Einzelding
gedacht wurde. Dieser Gärungsprozeß der Methodik mußte bedeuten, sondern nur vertreten. Aber daß es vertreten
erst zur Ausreifung gekommen sein, bevor das Objekt in seiner werde, vertreten werden dürfe und müsse, das ist das Neue
Selbständigkeit hervortreten konnte. Bis dahin war es auf- in dem Problem und Interesse des Denkens; daß es nicht
gelöst, wie bei Descartes das Stück Wachs, in seine schlechthin untergehen müsse unter das Allgemeine; daß es, «75

>yie die Monade, das ganze Universum in sich schheßt.


methodischen Konstituentien; oder, wie bei Leibniz,
in die Ursprungsform der Monade, die aber auch alle metho- Auf solcher neuen Würdigung des Einzelnen, als des Ver-
dischen Mittel in sich vereinigte. treters der Gesamtheit, beruht die neue Prägung des Gegen-
8. Der Gegenstand. So ist es nicht ohne Bedeut-
standes.
samkeit, daß es der deutschen Sprache vorbehalten war, in So erklärt es sich, daß Kantden Begriff des Gegen-
einem neuen Ausdruck diesen Bedeutungswechsel zum Vollzug stands in die wichtigste Formel seines obersten Grundsatzes
M zu bringen; wie denn auch erst in den Kreisen der deutschen aufgenommen hat: die Bedingungen der Möglichkeit der
Aufklärung die Umwandlung sich vollzog. Das Wort, Erfahrung sind zugleich die Bedingungen der MögUchkeit der
welches die neue Bedeutung des Objekts darstellt, ist der Gegenstände der Erfahrung. D:e Methodik hat sich damit
Gegenstand. von ihrer Gewissensangst befreit; die Erfahrung hat sich zum
Das Wort Gegenstand soll in der Fruchtbrin- Gegenstande der Erfahrung objektiviert. In der Nußschale des
genden Gesellschaft entstanden sein; und man Gegenstands ist die Welt enthalten. Man bedarf nicht mehr»
möchte vermuten dürfen, daß dabei der Gegensatz zum Ver- des Appells an die Natur; der Gegenstand ist das Korrelat des
stand mitgewirkt habe. Das Werfen, welches im Objekt Verstands geworden. Das reine Denken hat seinen reinen
ausgeprägt ist, wird jetzt beseitigt; jede subjektive Tätigkeit Inhalt erlangt. Und die Kategorie ist nunmehr der Be-
wird verworfen; das Objekt wird auf seine eigenen Füße griff des Gegenstandes.
gestellt; und es wird dem Verstände dadurch die Selbstän- 9. Der Gegenstand überhaupt. Aber es-

bleibt die Schwierigkeit auch in diesem Fortschritt, den Kant


digkeit des Gegenstandes entgegengehalten. Das 17. Jahr-
hundert handelte von der Realität der Natur. Die vollzieht. Die Kategorie ist in seiner Terminologie der Be-
Natur aber war, mit Kant zu reden, der Inbegriff der griff vom „Gegenstande überhaupt". Also

Gesetze. Jetzt steht der Gegenstand zur Verhandlung; die auf alles, was Gegenstand sein und werden will, bezieht sich
die Kategorie, als solche; also jede Kategorie. Das ist die
Realität des Gegenstandes. Freilich beruht auch diese auf der
Methodik der Gesetze, und so ist auch der Gegenstand der Bedeutung des Begriffs: daß er schlechthin gleich sei der
Inbegriff von Gesetzen; aber das eigene Problem das er dar- Kategorie, die wir hier eben in Anspruch nehmen, überwinden
und berichtigen wollen. Daher kann uns auch der Gegen-
stellt, ist doch eben die Objektivierung der
Gesetze. stand überhaupt nicht den Gegenstand vertreten,

h
Einheit des Oegensiands 321
320 Gegenstand der Erfahrung

doch unversehrt bleiben. Und die Selbständigkeit, zu welcher


Der Gegenstand der Erfahrung., Anders
10. der Gegenstand von jener Methodik emanzipiert werden soll,
steht es mit dem andern Ausdruck bei Kant: dem Ge- darf ihm doch wahrlich auch nicht geschmälert werden. Viel-
genstande der Erfahrung. Er ist freilich der leicht aber wird die Neuheit der logischen Aufgabe darin
Inbegriff der Bedirngungen seiner Möglichkeit; bestehen, daß jene Selbständigkeit, die ihm der kritische
aber er ist doch nun eben auch der Gegenstand als ein Ausdruck nur zuspricht, durch die eigene Kategorie erst
begründeter. Er ist der Gegenstand der Erfahrung, begründet, und in eigenem gedanklichen Ausdruck bestimmt
also der Wissenschaft, und zwar zuvörderst der mathema- und gesichert wird. Der Gegenstand ist das allgemeine
tischen Naturwissenschaft. Aber die Erfahrung ist doch Problem; die Entfaltung seiner verzweigten wissenschafthchen
zulgeich der Januskopf, dessen anderes Gesicht den Schein Bedeutung wird zum Problem einer eigenen Kategorie.
einer eigener Selbständigkeit hat. So spiegelt sich in diesem 11. Die Einheit des Gegenstands. Für die
Worte der Erfahrung der Emanzipationskampf neue Bedeutung des Gegenstandes kann man auch noch
von der Methodik der Gesetze ab. Und so wagt sich das an einen andern Ausdruck bei Kant anknüpfen, nämUch
Interesse am Objekt, an seiner unzweifelhaften Realität zum an den der Einheit des Gegenstands. Die Einheit
Laute hervor. In der Sprache erst wird das Bewußtsein des Gegenstands erinnert an die Einheit der Idee. Die Idee
mündig. Solche innerliche Bedeutung für die Entwickelung ist immer Eine, auf welches Problem sie sich auch beziehen
und Reife des Idealismus dürfen wir dem neuen Worte des mag {fila Tig isia). Die Einheit bildet den allgemeinen
Gegenstandes beimessen. logischen Charakter der Idee. Dinge können in Mehrheit
Bei Kant zwar hat der Gegenstand, als Gegenstand der vorhanden sein; die Idee würde zum Ding, wenn sie nicht nur
Erfahrung, noch vorwiegend die methodologische Bedeutung, Eine sein müßte; nämHch immer nur die Eine, die Einheit,
276 welche dem „Gegenstande überhaupt** entspricht; aber es für das betreffende Problem. Wie kann denn nun aber der
liegt eben unvermeidlich in der Hervorhebung des neuen Aus- Gegenstand, das Ding als Einheit zu denken sein?
drucks die Tendenz, die zur Selbständigkeit des Auch hier ist es der allgemeine kategoriale Charakter, auf
Gegenstandes führen muß; zu der Gleichsetzung des neuen dem die Einheit des Gegenstandes beruht. Die Einheit der 277

Idealismus mit dem Realismus. Das „Bathos der Synthesis, die synthetische Einheit, sie bildet, sie macht die
Erfahrung** ist es, in welchem nunmehr der Gegenstand Einheit des Gegenstandes aus. Wenn man das reine Denken
wurzelt. Aber dieser neuen Wurzelung kann nur erst eine fälschlich als psychologisches einen AugenbHck sich vorstellt,
neue Kategorie gerecht werden; nicht die allgemeine vom so könnte man in dieser konstruktiven Auffassung die Einheit
Gegenstande überhaupt, sondern eine eigene. des Gegenstandes als Einigung verstehen. Und wir
Die allgemeine methodische Bedeutung des Gegen- wissen ja, daß das nicht schlechthin eine psychologische
standes ist die Waffe gegen das Vorurteil, als ob der Gegen- Ansicht ist; sondern daß diese Ansicht zur logischen Charak-
stand, wie man sagt, gegeben wäre. Dieses Vorurteil teristik des Urteils gehört. (Vgl. oben S. 60 ff.) So ist dem-
^ zerstört die methodische Einsicht vom Gegenstande der Er- nach der Gegenstand nur als Einheit zu denken.
fahrung. Jetzt aber, da wir in der Logik der reinen Erkenntnis 12. D e r Körper. Indessen ist es diese Bedeutung
so weit bereits gekommen sind, soll uns der Gegenstand nicht der Einheit nicht, in der wir hier die Einheit des Gegenstandes
mehr nur diese kritische Vogelscheuche bedeuten, sondern zum Problem machen. Diese Einheit entspricht eben, wie
etwas Neues, Eigenes; ein neues Problem der reinen Erkenntnis. schon der Gegenstand, der allgemeinen Bedeutung
Worin aber kann dieses Neue bestehen ? Die methodische der Kategorie, als ies Begriffs vom Gegenstande überhaupt.
Bedeutung des Inbegriffs der Gesetze muß wahrlich Cohen, Logik der reindn Erkenntnis. IL ^tifL 21
322 Körper
Beschreibende Naturwisaenachaft 323

Wir suchen die Einheitim Sinne des neuen Begriffs vom aber die neue Chemie. In ihr handelt es sich doch nicht
Gegenstand. Die Selbständigkeit, die dem Gegenstande zu- mehr bloß um Fiktionen der analytischen Mechanik; sondern
geflossen ist, hat eben auch einen neuen Begriff der Einheit
zu Thaies selbst geht man zurück, zu der Besonder-
zur Voraussetzung. Man kann bei den idealistischen Reduk-
heit der Stoffe. Die Stoffe selbst bilden den Körper.
tionen, welche die Klassiker mit dem Begriff des Körpers
Zwar hatte auch hier die griechische Weisheit den idea-
anstellen, so insbesondere bei P 1 a t o n und Descartes,
deutlich es bemerken, wie ihnen das Problem der Methoden
hstischen Weg vorgezeichnet. Demo k r i t beschreitet den

vorschwebt, deren Zusammen Wirkung notwendig Pythagoreischen Weg, indem er die Substanz des

wird, wenn ein erschöpfender Begriff des Körpers zustande


Stoffes auf die Atome reduziert, die doch nur wiederum
mathematische und, sofern ihnen die Schwere einwohnt,
kommen soll. Bei Descartes wird das Stück Wachs letzthch
mechanische Fiktionen sind. So ist freilich die
auf quelque chose d'^tendu reduziert. Es ist der alte Pythago-
Chemie bei ihrer wissenschafthchen Neugründung in ihrem
reische Übergriff, der die Substanz arithmetisiert,
Prinzip mit der mathematischen Naturwissenschaft methodisch
Geometrisierung führt, dieweil
der bei Descartes zur
verbunden; aber die methodische Darstellung und Entfaltung,
die analytische Geometrie den Gegensatz beider ja schon der Vorwurf und die Aufgabe des Objekts, auch wenn
Methoden zul* Schlichtung gebracht hat. Trotzdem aber
das Objekt nichts weiter bedeutete, läßt doch die Selb-
kann man auch bei Descartes noch es erkennen, wie
ihm der Begriff des K ö r p e rs durch die Figur keines-
ständigkeit des Gegenstandes augenfälliger werden, und
aufdringlicher hervortreten. Und es ist keineswegs allein die
wegs erschöpft wird; sondern zum mindesten die Bewe-
gung ein neues Bild vom Körper aufstellt. So weist er selbst stoffliche Isolierung und Solidierung, welche die Chemie
begünstigt; sondern es ist zugleich die Einheit des
L e i b n i z den Weg, der demgemäß die Substanz zur Kraft Gegenstands, welche dadurch einen neuen methodischen
macht. Der Gegenstand ist nun nicht mehr nur in der geo-
Aufschwung nimmt.
metrischen Abstraktion vorhanden; sondern die Dynamik hat
Die mathematische Naturwissenschaft selbst wird da-
sich seiner bemächtigt, und er ist nun als Kraftquelle gebettet
und verselbständigt.
durch zu neuen Aufgaben aufgerufen. Die Dynamik
hat
die neue Mechanik geschaffen, indem sie die Statik zur
13. Die beschreibende Naturwissen- Theorie eines Grenzfalls umformte. Jetzt scheint es
schaft und die Chemie. Mathematik und Me- eine neue Umkehr zu gelten; die Stoffe, die sta-
chanik bilden die methodischen Grundlagen zur Erzeugung
tischen Zustände der Kräfte, sollen zu eigener
178 des Gegenstandes. Sie vereinigen sich zur mathematischen
Bestimmung kommen. Die neuere Entwickelung der Chenüe
Naturwissenschaft. Wir wissen, daß diese die Probleme der
hat gezeigt, daß sie vor der Gefahr und der Illusion dieser
Naturwissenschaft nicht erledigt, nicht erschöpft. Die be-
schreibende Naturwissenschaft hat schon im Altertum Umkehr nicht Halt gemacht, sondern, als physikalische
Chemie, die statischen Stoffe in die dynamischen Bewegungen
geblüht; aber sie bheb ohne Verbindung mit der mathema-
und Lösungen auflöst.
tischen Naturwissenschaft. In der neuern Zeit ist dies anders
14. Die Einheit des Lebens. Die Einheit des
geworden, schon bei Galilei, und ebenso bei Robert Gegenstandes ist dadurch komplizierter geworden; sie umfaßt
Mayer. Man sieht bei Descartes, der auch beide jetzt Mathematik, Mechanik und Chemie. Ihr Begriff aber 279
Interessen schon umspannt, wie wichtig die Entdeckung des
ist dadurch dennoch nicht erschöpft. Durch die Chemie ist
m
B 1 u t u I a u f s für die Vermitteln ng beider Probleme die beschreibende Naturwissenschaft zu einem neuen Prinzip
geworden ist. Tiefer und allseitiger durchgreifend wurde nun
und zu einer neuen Einheit geführt worden. Man möchte
tv
324 Einheit des Lebens
Kategorie des Gegenstands. System 325

sagen dürfen, die Einteilung der Wissen-


ihn von demallgemeinen Produkt des Denkens unterscheidet:
schaften, die zu ihr gezählt wurden, habe sich dadurch
Methoden und Wissen-
er vertritt in seiner Einheit die durch
^
verschoben. Die Mineralogie wurde der Chemie zu-
Naturwissenschaften Schäften komphzierte Einheit des Gegenstandes. Aber diese
gegliedert; und die beschreibenden
Die Einheit Kategorie führt zu neuen Problemen.
schlössen sich als Biologie zusammen.
Die gesteigerte Einheit, welche der biologische Gegen-
des Lebens wurde zum leitenden Prinzip, und der
stand darstellt, läßt das Bedürfnis natürlich werden, mit
Stoffwechsel gab die physikalisch-chemische Methodo- einem neuen Terminus diese Einheit zu bezeichnen. Schon
logie. So wurde nun erst der eigentliche Gegenstand
der Ausdruck Gegenstand wird hier anstößig, wo es
i zum Problem; die Pflanze und der Tier kör per. sich um Lebewesen handelt. Und der Begriff
Und der Gegenstand wurde dadurch keineswegs etwa zum erscheint knöchern und unfruchtbar für eine Verbindung,
Sinnhchen und Empirischen im schlechten Sinne verflacht;
die von der innerlichsten Art sein muß. Das Problem der
sondecn seine Einheit wurde immer kompUzierter. Und
die Forderung der Einheit wurde für diese Art des Gegen-
Verbindung der Methoden macht sich zwar auch
schon auf den grundlegenden Stufen der mathematischen
standes zum dringhchsten Problem.
Naturwissenschaft fühlbar und geltend. Auch da kommt
Denn jetzt sollte nicht mehr die alte Art der Beschrei-
man nicht mehr mit dem Terminus des Begriffes aus. Er
bung das Wort führen; noch sollte, was aus ihr sich ergab, als bezeichnet nicht speziell und nicht bedeutsam genug das
wissenschaftliche Einsicht gelten; sondern auf Grund der
wichtigste Bedürfnis, daß es auf die durchdringende
Chemie und der Mechanik nebst der Physik, und gar nicht
wenig auch unmittelbar auf der Geometrie sollte die Einheit
Verbindung der Elemente ankomme.
Wir wissen und verstehen es jetzt freilich, daß Ver-
des Lebens auferbaut werden. Die Lebensformen sind
bindung ein mißverständhcher Ausdruck des allgemeinen
zwar Stoffe; aber der Stoffwechsel erst vermag Lebewesen
Problems des reinen Denkens ist. Und wir kennen in den
aus ihnen zu erschaffen. So hat die biologische
bisherigen Kategorien die mancherlei Arten wahrhafter Ver-
Einheit den Einheitsbegriff des Gegen- eiiiigung. Aber wir wollen den Begriff als eine neue Art
standes gesteigert. Und so hat die Entwickelung erstlich des Urteils würdigen. Also muß auchdie Vereinigung,
der mathematischen Naturwissenschaft, sodann der Chemie eigenartige Leistung sein: der
und
die er vollzieht, eine neue
und endlich der Wissenschaften hinreichend
biologischen
gegenüber alle früheren Arten der Vereinigung wie zu Schemen
es gerechtfertigt, Gv^ genstand als eine
daß der
zu zerfließen drohen. Die neue Art, die wir als Kategorie aus-
Kategorie ausgezeichnet \^ «rde. Er ist der Leitbegriff zuzeichnen haben, bezeichnet der Terminus des Systems.
der neuern Wissenschaft. Und es erklärt sich so, daß der
16. Das System. Der Begriff des Systems ist in
Terminus dafür erst an der Wende des 18. Jahrhunderts mathema-
Gegenstand ist das Problem allen Methoden der Mathematik und der
entstanden ist. Der
tischen Naturwissenschaft heimisch geworden. Schon im
der Einheit der neuen Wissenschaften.
Gegenstands. So Altertum ist er vorhanden, wenngleich nicht in fundamen-
15. Die Kategorie des
taler Wirksamkeit. Es scheint indessen, daß mmrifia auch
hat der Begriff den Gegenstand aus sich hervorgetrieben;
schon die Erzeugung aus einem Prinzip {agxh) bedeutet. Die
denn es ist die Kategorie des Begriffs, welche sich zur Kate-
neuere Zeit proklamiert allenthalben das System; so Galilei
gorie des Gegenstandes entwickelt hat. Die
das systema cosmicum. Das Planetensystem wird
Einheit des Begriffs ist Einheit des Gegenstandes geworden. Weltsystem. Aber
Das ist die eigene, die neue Bedeutung des Begriffs, welche
zum Sonnensystem und zum
auch die beschreibende Naturwissenschaft bestimmt
326 All und Ganzes Atom als System 327

sich als Systematik; sie will das Pflanzensystem ordnen, das einem Gebild, das alle Merkmale an sich trägt, mit denen der
System der Arten. Und diese Aufgabe bleibt nicht Nominalismus von jeher die U n i v e r s a 1 i e n verspottet
weniger bestehen, wenn die Entstehung der Arten hat; in den Teilen aHein besteht das Ganze. Man könnte
zum fundamentalen Problem wird. glauben, es sei dabei wenig verloren; habe man doch die Teile.
Auch in den Geisteswissenschaften und Indessen nehmen auch unvermeidhch die Teile an jener
vorab in der Philosophie wird das System zum eigenthchen Relativität des Ganzen teil; sind sie doch eben die Teile des
881 Problem. Ein einzelnes Problem und eine einzelne Disziplin Ganzen. So sind sie einerseits mit dem Makel einer nicht rein
soll es gar nicht mehr geben dürfen; nur aus dem System erzeugten Gegebenheit behaftet; und dieser Makel
sollen sie hervorgehen, und innerhalb desselben zur Ent- allein entscheidet schon gegen den Wert des Ganzen. Anderer-
wickelung gelangen. So mächtig ergreift der neue Terminus seitsaber wird ihre Selbständigkeit hinfäUig. Man
alle Interessen und alle Angelegenheiten des Geistes. Es ist könnte meinen, daß dadurch der erste Makel sich ausghche.
begreiflich, daß viel Überschwang sich damit verbindet; Das ist nicht der Fall; denn man braucht die Elemente; man
aber der idealistische Sinn ist vorwiegend. braucht sie nicht als gegebene, aber als rein erzeugte, und
17. Das All und das Ganze. Betrachten wir deshalb in der Funktion
variable. Diese Variabi-
zunächst die allgemeine idealistische Kraft in dem neuen lität bei den Teilen ausgeschlossen; wenn sie sich ver-
ist
Terminus. Sie zeigt sich unmittelbar an dem Unterschiede ändern, so verändern sich eben die Teile selbst, und somit das
von dem Begriffe des Granzen. Schon bei P 1 a t o n wird Ganze. Der Teil selbst könnte aufhören, in das Ganze ver-
die Unterscheidung vom Ganzen i^oXov) und dem All (räv) schwinden: bUebe dann noch das Ganze?
wichtig und lehrreich für die Bedeutung der Idee. Gegen 18. Das Atom
als System. So läßt es sich ver-
das Ganze gehalten, kann auch das All für eine Art von System verstehen, daß die Tiefen der griechischen Spekulation in
gelten. Aber wir wissen, daß die Allheit eine unendliche dem Gegensatze gegen die Begriffe des Ganzen und der
Einheit bildet, in welcher die Glieder selbst, in ihrer Be- Teile ergründet werden. Diesen Gegensatz bildet das
sonderheit, nicht in Betracht kommen. Daher läßt sich die Atom. Es soll nicht ein Teil sein, weil das Seiende nicht
Reihe durch ein allgemeines Glied vollgütig ver- ein Ganzes solcher Teile sein soll. Die Veränderung,
treten. Hier aber stehen wir im Gesichtspunkte der Re- die herstellbar ist, würde derjenigen Variabi-
an Teilen
lation. Also kommt es auf die Gleichungenan, lität nicht genügen, die für die Konstitution
der
die sich an den Gliedern vollziehen lassen; und so kommt Materie erforderlich ist. Das Atom
erzeugt das ato-
es auf die Güeder selbst an. So wird die Kategorie mistische System und das System der Molekularkräfte. Das
des Systems keineswegs durch die der Atom wird selbst zu einem System der
Allheit erledigt. Wenn es aber allerdings auf die Molekularkräfte. erschließt sich der
Das System
Gheder, auf die Elemente ankommt, so dürfen diese nicht Kausalität und der Kraft; auf die Teile hätten diese Begriffe
als Teile gedacht werden. Das ist das Illusorische in dem keine innere Beziehung. Der Teil könnte daher auch nicht
Begriffe des Ganzen, daß die Teile seine Voraussetzung das Attribut der Schwere
auf sich nehmen, wie es
sind. So verliert das Ganze den Charakter einer reinen Voraus- Demokr i t dem Atom zuerteilt hat.
setzung, und schrumpft zum bloßen Niederschlag einer Ab- In der antiken Mathematik bildet das Problem der
straktion zusammen. unendlichen Teilung der neuern
das Vorspiel
Man will in dem Ganzen ein selbständiges Gefüge Mathematik. Auch hier wehrt sich die Spekulation gegen
von gediegener Realität hinstellen, und es wird vielmehr zu den Teil. Und im Zusammenhange mit A r c h i m e d e s
328 Vektoren Totalität 329

entsteht bei den Vorläufern der Infinitesimal-Rechnung das philosophischen Systems, daß Natur und Sittlich-
Problem des Unteilbaren. So korrigiert das I n d i - keit als Einerlei gesetzt werden. Das ist der Sinn,
visibile die Exhaustion, in deren Methode es und das der Fehler im Pantheismus.
ist Das System hat eine
selbst operiert. Und so bereitet es den neuen Begriff, als den ganz andere Kontrolle über den Zusammenhang der
des integralen Systems vor. Schon bei A r c h i - Begriffe.
m e d e s entsteht der Schwerpunkt, als der Mittel- 21. Die Totalität. In der älteren Metaphysik
punkt im System der Hebelpunkte. Und bildet eine ähnliche Schwierigkeit der Begriff der Totali-
der Punkt selbst, sofern er Ebene und Fläche in sich tät, Die Unendlichkeit, die mit ihm verknüpft wird, bildet
enthält^ wird bei P r o k u s schon als ein System der
1 den dialektischen Widerspruch, dessen Aufdeckung und Be-
Punkte gedacht. Man sieht, die antike und die moderne seitigung das Kapitel von der Antinomie in der Kritik
Mathematik streben überall auf die Einheit des Systems der reinen Vernunft zur Aufgabe hat. Die absolute
hin, unter ausdrücklicher Abwehr des Ganzen und der Teile. Totalität steigert die Verwirrung im Begriffe des Ab-
19.Die Vektoren. Ein lehrreiches Beispiel hierfür soluten. Wir wissen, daß das Absolute zur Subst;»iiz
Methode der Vektoren. Das Diagramm,
bildet die der Bewegung werden mußte. Wiederum ist es die Bewegung,
das dabei erzeugt wird, ist nichts anderes als das System der welche gegen die Teile und deren Ganzes sich richtet. Die
Punkte und der Linien. Der Vektor ist die Operation, durch absolute Totalität verstößt ebenso gegen den echten Sinn
die Verschiebung des Punktes die Linie zu erzeugen, des Ens realissimum der göttlichen Substanz, wie gegen
also nicht umgekehrt, sie aufzulösen in ein Lagenverhältnis die Substanz der Natur; geschweige, daß sie beide zu
283 der Punkte. So bedeutet das Diagramm das System, als einer pantheistischen Indifferenz zu bringen vermöchte. Daher
Gegenstand. Die Vektoren erzeugen das Dreieck, als das läßt sich der tendenziöse Fehler in Hegels Logik an der
System der Vektoren. Ein solcher innerer Zu- präponderierenden Bedeutung aufzeigen, welche in ihr der
sammenhang besteht zwischen dem System und der Methodik Begriff der Totalität wieder erlangt. Die Totalität der
der Erzeugung. Es ist daher der Gegensatz von Erzeugung Bedingungen ist hier verflogen und verflüchtigt; Begriff

und Zusammensetzung, auf dem der Unterschied und Idee gehen hier in die Totalität des Seienden auf
zwischen System und dem Ganzen beruht. und unter.
20. Der Pantheismus. Der Unterschied, tief, Dahingegen hat die Totalität der Bedingungen überzu- 284

wie er ist, macht sich auch auf den allgemeinen Gebieten der gehen in das System der Bedingungen. Denn die Totalität
philosophischen Spekulation fühlbar. Es ist kein gutes Omen der Bedingungen ist gleichbedeutend mit dem Unbe-
für den Pantheismus, daß er mit dem Worte vermählt dingten. Das Unbedingte aber steht in Kontinuität mit
ist, welches den Gegensatz zum Gaznen nicht genügend zum der Hypothesis. Und die Hypothesis enthält in ihrem
Ausdruck bringt. Das All ist nicht das System. eigensten Motiv das System, welches durch das Unbedingte
Im All spuken daher noch die Attribute und die Modi, nicht sowohl abgebrochen, als vielmehr erfüllt werden soll.
auch wenn sie unendlich gesetzt werden. Sie bilden So z:igt sich die Unreife, die in dem Begriffe des Ganzen
eine unüberwindliche Anstößigkeit, weil sie in ihrerer parti- steckt, auch in der Dialektik der absoluten Totalität, die
kularen Sachlichkeit eine unbewegliche Realität bilden. Die ebenso schädlich ist für den Begriff des Gegenstandes, wie
Tarnkappe der species aeterni kann sie nur zum Über- ür den Begriff selbst. Und so erkennt man auch hier
sehen, aber nicht zum Verschwinden bringen. Und so den methodischen Vorteil, der in dem Begriffe des Systems
erklärt es sich schon aus diesem Mangel im Ausdruck des liegt.
I
System in der Dynamik 331
330 Kausalität

taucht ist, handelt es sich endlich auch um den Unterschied


22. Die Kausalität. Wir haber indessen schon
der beschreibenden Naturwissenschaft und ferner
die Frage gestreift, ob nicht das System überflüssig sei an-
der Geisteswissenschaften von der mathemati-
gesichts der Allheit; und wir werden auf diese Frage noch
zurückkommen müssen. Dringlicher aber und bedrohlicher schen Naturwissenschaft, in welcher letzteren, wie schon in
der Mathematik der Begriff des Systems allerdings auch zu
isteine andere Frage: ob nicht das System bereits durch die
Kausalität erledigt wäre? In unserem Zusammenhange
voller und charakteristischer Wirksamkeit gelangt.
Wir betrachten zuerst die Bedeutung des Systems nach
würde die Frage bedeuten: ob nicht durch die Kausalität
ebenso auch der Gegenstand, und ebenso auch der ihrem Verhältnis zur Kausalität, also zur mathematischen
Begriff erledigt werde. Das eminente Bedeutung,
ist ja die Naturwissenschaft. Schon das Diagramm hatte sich als
die wir dem System zuerkennen wollen, daß es im Urteils-
System erkennen lassen. Also macht sich das System bereits
Zusammenhang mit Gegenstand und Begriff steht, also auch in der Geometrie wirksam; und wir werden später
zu entwickeln haben, wie das System eine methodische Ver-
nur im Zusammenhange mit ihnen fallen und wertlos werden
kann. Wir müssen daher jetzt zur Betrachtung der Mängel bindung zwischen Geometrie und Arith-
uns wenden, welche die Kausalität übrig läßt; der Lücken, metik herstellt, wobei eine neue Kategorie zur
die sie leer lassen muß trotz der unerläßlichen und un-
Entfaltung gelangen wird. Hierzu aber bedarf es der Z u -
ersetzlichen Bedeutung, die ihr zukommt, und die ihr er- sa mmenwirkung mehrerer Kategorien. Wir bleiben
jetzt jedoch stehen bei der Erzeugung selbständiger Kate-
halten bleiben muß bei dem Fortschritt, der jetzt über sie hin-
aus angestrebt wird. gorien. So verzichten wir darauf, die geschlossene
23. Gesetz und Begriff, Bedingung und
Figur überhaupt, sofern sie mehr als ein Diagramm be-
Gegenstand, Funktion und System. Bei deutet, als Beispiel des Systems zu verwerten. Abgesehen
dieser Betrachtung wird sich die Notwendigkeit heraus- davon, daß für die geschlossene Figur, als System gedacht,
von dem
stellen, Gesetze zu unterscheiden den Be- eben noch andere Voraussetzungen ins Spiel kommen, fehlt
griff, von der Bedingung das Ding, als den hier auch die unmittelbare Beziehung auf die Kausalität.
Gegenstand; und von der Funktion das System. Und gerade in dieser Korrelation besteht die neue Leistung
Diese drei Paare von Begriffen würden iden- des Systems. Auch die Statik verwendet diesen Begriff; das
tisch, wenn die Kausalität zu leisten vermöchte, was dem Gleichgewicht läßt sich durch ein Diagramm von
System obliegt. Nicht nur eine neue Lösung steht dem Systm Linien darstellen, die im Ursprung endigen. Und so ist auch
zu; sondern auch eine neue Aufgabe
ist ihm zuzumessen. der Schwerpunkt, wie wir schon sahen, ein System-
Das Problem des Systems ist in dem Problem der Funktion begriff der Hebelpunkte. Indessen sind dies doch alles nur
nicht enthalten; und kann nicht in ihm enthalten sein, ohne Vorspiele zur eigentlichen Bedeutung des Systems.
daß ihr Begriff verschoben würde. Und so hegen auch die 24. System in der Dynamik. In der Dy-
Schwierigkeiten in den Begriffen des Gesetzes und der Be- namik erst kommt der Begriff Systems zu seiner
des
285 dingung in diesem versteckten Zusammenhange mit dem Leistung, als Kategorie, die so fundamental ist, daß dadurch
Begriffe und dem Gegenstand. Wenn wir daher zur Betrachtung das Gesamtgebiet der Physik in der Mechanik seine Grund-
der Mängel in der Kategorie der Kausalität schreiten, so legung erlangt. Die Dynamik beruht auf der Unterscheidung
dürften wir dadurch nur zur klareren und genaueren Einsicht zwischen Kinematik und Kinetik. Die Kine-
in ihre Aufgaben und Leistungen eindringen. Wie es bei der matik ist die Geometrie der Bewegung. Dazu werden
Betrachtung des Begriffes und des Gegenstandes schon aufge- schon die Grundbegriffe der Bewegung gerechnet, als welche wir ««ß
Äußere Kraft. Reaktion 333
Gegenseitige Abhängigkeit
332
schon hätte? Oder, was ja ebenso wichtig ist, zu einer
sie nicht

Geschwindigkeit
und Beschleu- andern Bewegung gelangen, als welche er schon hat?
noch genauer
tritt die eigent- Das würde gegen das erste Gesetz von der Beharrung
nigung kennen zu lernen haben. Dennoch Man sieht also, daß der ganze Sinn der
Kinetik Die Kinetik verstoßen.
liche Kraft erst mit der ein.
die Physik die Abstraktion einer äußeren
diejenigen Bewegungen in Betracht, welche
zieht
Kraft erfordert. Aber man erkennt so zugleich,
Körper gegen einander vollziehen.
daß die äußere Kraft durchaus eine Abstraktion, vielmehr eine
Die gegenseitige Abhängigkeit. Wie-
25 reine Eizeugung sein müsse. Und doch bleibt ein 287
derum wird die Gegenseitigkeit zum
eigentlichen
der Funktion gesehen haben. Widerspruch in dem Äußern stecken, der entkräftet werden
Problem, wie wir es schon bei
Wir müssen nun jetzt erkennen, daß die
gegenseitige muß.
Abhängigkeit uns bei der Funktion Schwierigkeit
Das Äußere darf nicht Äußeres bleiben.
Gegenseitigkeit eine Wie ist das aber möglich, wenn doch das Innere kraft der
machte, diese machen mußte, weil jene Beharrung die Veränderung ausschließt? Man sieht, das
Antizipation, die A n t i z i p a t i o n d e sberuht, Sy-
in der Funktion Äußere werde in ein neues Gehäuse oder Gewebe sich ein-
stems war. Und da die Kausalität
spinnen müssen, um in eine neue Art von Innerem nicht nur
so haben wir darin schon den Fingerzeig,
daß die Kau-
sich einzukleiden, sondern sich zu verwandeln. Die äußere
salität der Ergänzung durch das System Kraft wird fingiert,um mit dem materiellen
Funktion Punkte ein System zu bilden. So wird die
Die gegenseitige Abhängigkeit, welche in der kinetische, die dynamische Einwirkung zur Einwirkung zweier
hatten wir auf die gleicherweise
zwischen x und y besteht,
Punkte aufeinander. Zuerst müssen sie
obwaltende infinitesimale K
o n t i n ui t ä t den m materieller
und zueinander gekommen sein. Dieser erste
Änderungen von x, wie in denen von y, zurückgeführt; Schritt ist die schwierige logische Aufgabe, die dem System
begründet. Das gilt für den rein mathematischen Be-
in ihr obliegt. Erst wenn sie z u einander gebracht sind, können sie
der Funktion. Wienun aber, wenn der physi-
steht es
griff
hinzukommt ? Das ist das alte
Kraft aufeinander zur Einwirkung gelangen.
kaUsche Begriff der 27. Die Gegenseitigkeit als Reaktion.
Geheimnis. Die Dynamik nun soll es lüften. Und
wiederum
Wie bei der Funktion die infinitesimale Kontinuität die
es die Gegenseitigkeit, welche das Problem
ist
vermag. Gegenseitigkeit ermöglichte, so erkennen wir jetzt nun eben
bildet, und zur Lösung zu bringen
zu die Gegenseitigkeit überhaupt als die An-
26 Die äußere Kraft. Wir werden es- später tizipation des Systems. Bei der Funktion aber
haben, daß die Kraft so wenig unerzeugt auf-
erwägen
Zahlelement beruht sie gleichsam auf der Voraussetzung einer Defini-
treten darf, wie das Element überhaupt, und das
t o nN w tion, deren Zulässigkeit die Kontinuität begründet. In der
insbesondere. Wie ist es daher zu verstehen, daß
e
äußere Kraft Kinetik dagegen wird die Antizipation selbst zum Inhalt
in seinem zweiten Gesetze die
der Forderung; die Gegenseitigkeit ist nicht mehr nur die
auftreten läßt? Woher kommt sie und von wannen?
Sie tritt
der Innern Kraft auf. der definiei'tv'.n Bedingung, oder allenfalls der kine-
ganz unverhohlen als das Korrelat
matischen Veränderung. Das eben unterscheidet
W«nn aber eine solche innere Kraft besteht, wie kann, wie die kinetische Gegenseitigkeit, als die dynamische, von ihrer
darf es eine Kraft geben ? Was wäre eine Kraft,
äußere Immanenz im Begriffe der Funktion: daß die Gegenseitigkeit
die nur von außen stieße ?
„ r^ i * „ •
in ihr zur strengen und selbständigen Durchführung
Wenn nun aber ein sogenannter mateneller Punkt allein
wenn er
besteht, wie könnte der ^yohl zur Bewegung
gelangen,

1
r

Inhalt des dritten Gesetzes 335


334 Fortschritt in den drei Leges

gelangt; daß sie nicht mehr nur auf eine andere Voraussetzung,
29. Der Inhalt des dritten Gesetzes.
Durch diese Bedeutung der systematischen Reaktion werden
wie bei der infinitesimalen Kontinuität, zurückgeht.
auch die inhaltigen Bestimmungen erklärbar, welche das
Diese Selbständigkeit erlangt der Begriff der Gegen-
Reaktion. Das System dritte Gesetz ausmachen. Die Wirkungen zweier
seitigkeit in dem Begriffe der
Körper aufeinander sind einander immer gleich, und
entfaltet sich als das der Reaktion. Das System bringt die
haben entgegengesetzte Richtungen. Die
Punkte z u einander. Die Reaktion führt sie auf einander
und gegen einander. Die Reaktion, der Grundbegriff des
Entgegensetzung ist die Reaktion in erster Linie.
Sie ist so unmittelbar gesetzt, daß man sie noch für eine
dynamischen Systems, ist der Inhalt von N w e t o n's
geometrische und kinematische Reaktion halten könnte. Die
drittem Gesetze. Gleichheit aber geht schon zudringlicher auf kom-
28. Der Fortschritt in den drei Leges
phziertere Mitbedeutungen des Systems ein. Die Gleichheit,
N e w t o n' s. Wir erkennen so einen übersichtlichen
die hier proklamiert wird, wird nicht auf den Versuch und die
Fortschritt in den drei Gesetzen der Be- Messung gestützt sie gilt vielmehr als eine Konsequenz
wegung. Das erste enthält die Beharrung, die ;

aus dem ersten Gesetze von der Beharrung.


allgemeine Substanz- Voraussetzung der Bewegung. Das
Wir haben den Zusammenhang, der sich aus dem Be-
zweite bringt das System herbei in der Fiktion griffe des Systems für den Begriff der Gleichheit ergibt,
der äußern Kraft. Das dritte ergänzt das System noch nicht erwogen. Dieser Zusammenhang bezieht sich auf die
durch die Reaktion. Durch sie wird das System fest
288 und geschlossen. Die Reaktion begründet die
Verbindung von Geometrie und Arithmetik,
auf die wir schon hingewiesen haben (ob. S. 189, 230 ff.).
Unterscheidung von Kinetik und Kine- Ohne jedoch auf diese prägnantere Bedeutung der Gleichheit
matik. Sie erst konstituiert den Begriff Rücksicht zu nehmen, können wir hier vielleicht sagen, daß
der Kraft. Sie ist als Korrektur zu denken von jener
auch die Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung aus
Fiktion einer äußeren Kraft, die doch nicht äußere
dem Begriffe des Systems entsj)ringt. Der materielle
bleiben darf; die aber erst durch die Reaktion des Systems zu
Punkt, welcher die Wirkung zu empfangen fähig sein soll,
einer i n n e r n wird.
So werden Wirkung und Gegenwirkung ist insofern nicht ein isolierter, sondern ein Systempunkt.
Als solcher muß er zur Rückwirkung ebenso fähig sein. Der 889
zu korrelativen Begriffen. Partielle Er-
scheinungsweisen einer dynamischen Einwirkung nennt sie
Begriff des Systems macht die Rückwirkung zur Ein-
wirkung; Wirkung und Gegenwirkung werden in ihm
Maxwell. Wir verstehen also erst aus der Korrelativa. Es handelt sich bei der Gleichheit dann nur noch
Gegenwirkung die Wirkung, So wird die um den numerischen Ausdruck dieser identischen
Kausalität erst aus dem System der Re- Fähigkeit. Der aber ergibt sich aus den Zusammenhängen,
aktion zur Klarheit gebracht. Das Rätsel auf die wir hier noch keine Rücksicht nehmen. Die numerische
der Kausalität wird sonach erst durch die Kategorie des
Gleichheit aber hat die dynamische zur Voraussetzung; und
Systems, wie sie in der dynamischen Reaktion sich betätigt,
diese erkennen wir als die des reaktiven Systems.
zur Lösung kommen können. Innerhalb der Kausalität kann
So wird der Begriff des Systems zum Grundbegriffe der
die Funktion allein das Rätsel lösen. Die Reaktion aber
Kraft, der Kinetik, der Dynamik. Die Kausalität bleibt
gibt ein neues Rätsel auf. Und die Antwort erteilt das System,
Funktion, bei welcher das System antizipiert wird. Die
dessen Kompetenz sonach immer deutlicher über die der
Reaktion, als die des Systems, indem sie die Gleichheit
Kausalität hinausliegt.

%
336 Proportionalität
Reaktives System und Gegenstand SSI

und die entgegengesetzte Richtung


scheinbar
dadurch die end- um die Konsequenz unausweichüch zu machen. Denn man
als neue Probleme hinzunimmt, bringt
könnte einwenden, daß die Einwirkung doch von B auf C,
gültige Aufhellung. Das System ist das eigentliche Rätsel,
die Lösung dazu. Ist doch das System auch der um-
D . übergehen dürfte, gemäß dem ersten Gesetze von der
. .

und Beharrung: warum soll sie gerade als Reaktion wiederum


fassende Ausdruck der Probleme, als der universelle Ausdruck
zur Erscheinung gelangen? An dieser Frage können wir ganz
der N^atur.
Man kann noch deutlich das Desiderat und die große Leistung des
30. Die Proportionalität. Systems erkennen.
einen Schritt für die Charakteristik des zweiten
Gesetzes
weiter gehen, indem man die Proportionalität, die Bei dem Übergange auf
C, D ... würde es
außen niemals zu einem Gegenstande kommen;
zwischen der Veränderung der Bewegung und der von
und daher auch niemals zu einem Begriffe; sondern
einwirkenden Kraft in der Richtung der letzteren besteht,
Dies nur zu jenem dialektischen Begriffe von der
genauer erkennt. Die äußere Kraft ist eine Abstraktion.
gleichzei- Totalität der Bedingungen, wobei die Kau-
zeigt sich am einfachsten bei der Annahme
salität um ihr Recht getäuscht wird. Denn B, C, D sind
tiger Wirkung äußerer Kräfte, wobei jede einzelne Kraft nichts' als Abstraktionen, wie auch A nichts
anderes war;
. . .

alle die anderen zu Abstraktionen macht. Jeder isohert ge-


materielle Punkt hat die Disposition zur Abstraktionen materieller Einzel- Punkte.
Diese Ver-
dachte
einzelung muß überwunden werden, wenn es zum Gegen-
Bewegung. Die Abstraktion der äußeren Kraft bedeutet stande kommen soll. Und diese Überwindung leistet das
die Anregung dieser Disposition. So ist die Energie
Tatsache, daß diese Anregung in System; die Reaktion ist hinwiederum nur das Mittel, das
dieser Disposition, die
System zu erzeugen, und dadurch den Gegenstand. Denn
Wirksamkeit tritt, selbst schon eine Art von Reaktion. S o
lenkt das zweite Gesetz in das dritte Ge-
freilich gibt es kein anderes methodisches Mittel, den Gegen-
stand zu erzeugen als die Funktion der Kausahtät. Die Be-
setz hinüber, wie auch das zweite Gesetz dingung ist die Be-Dingung. Aber wir sehen jetzt genau, daß
selbst das erste Gesetz fortführt, indem auch sie doch nur Vor bedingung ist. Das System erst vermag
es zur Beharrung die Energie oder die das Ding, den Gegenstand zum Abschluß, zum Zusammen-
Funktion der Kontinuität hinzubringt. schluß zu bringen.
31. Die Reaktion, das System,
der Ge-
Man könnte den Einwand machen, daß die Funktion, und
genstand. Der notwendige Fortschritt von der Kausalität also die Kausahtät doch schon durch die Subjektion der
zum System läßt sich noch auf andere Weise dartun. Wenn B Substanz vor dem Verdacht geschützt würden, als ob sie in
von A eine Einwirkung empfangen hat, wohin soll diese dann der Luft zu hängen schienen. Indessen dadurch, daß man die
gehen? Gemäß unserem Begriffe der Funktion muß die Substanz sich über oder unter die Kausalität gelagert
Kausalität sich vollziehen in der Korrespondenz der
infini-
Nun können diese denkt, verdirbt man sich nur den Begriff der Energie.
190 tesimalen Kontinuitäts- Veränderungen.
Die Substanz hat die allgemeine Voraussetzung des Seins,
doch aber nur in einer provisorischen Abstraktion ihre End- wenngleich nicht des absoluten, sondern nur desjenigen
in B
schaft in B erreichen. Die Kontinuität kann doch nicht
für die Bewegung zu vertreten; der Gegenstand jedoch, wie
abbrechen. Es ist daher nur Fortführung der Forderung der er durch die Kausalität zu einer eingeschränkten Bestimmung
Kontinuität, daß die Reaktion im dritten Gesetze
erst gelangen soll, kann nicht durch die Substanz schon
formuhert wird. Jedoch bedarf die Reaktion, die so nur als
Konsequenz erscheint, der neuen Kategorie des Systems,
vorher bestimmt worden sein. Die Bestimmung zum
Gegenstande erfolgt erst durch das re- 291
Oohen« Logik der niiun Erkenntnit. n. AofL SS
und Sukzession Monade und Universum. Gesetz und Begriff 339
Konservative Energie. Kausalität
338

von etwas nur Subjektivem. Man schiebt das System bei


a k t i V e S y s t e Y=
bedeutet an sich nur eine
m. f (x)
Seite, welches den Gegenstand zur bestimmten Darstellung
in dieser
einseitige Abstraktion; unfähig, einen Gegenstand
bringt, und damit dem Verdacht einer subjektiven Sukzession
bloßen Vor bedingung zu vertreten.
Ein Rechtsverhältnis kann man sich allenfalls
einer m den methodischen Garaus macht. Die Energie aber bringt die 'I

physikalischen Forderung des Systems näher; sie macht sie unvermeidlich.


solchen Schwebe vorstellen; aber nicht einen
Darin dürfte die Bedeutung des Potentials für die reine
Körper. Und gerade die bei ihm notwendige Rückbe-
292

und Erkenntnis liegen. Und so hat die Unterscheidung der po-


ziehung auf die Substanz macht das Fiktive tentiellen und der kinetischen Energie, die von
Schemenhafte der bloßen Kausalität nur noch empfindlicher.
Schwebung der Funktion die L e b n z ausgeht, dem Begriffe des Systems zum Durch-
i i
Hat man etwa nur für diese
bruch verholfen; wie denn das System der Grundbegriff der
Substanz zugrunde gelegt; und nicht vielmehr für den Gegen-
auch schon Monadologie ist.
stand, der damit bestimmt werden soll? So fordert
System heraus.
34. Die Monade und das Universum. Wir
die Substanz das
Die konservative Energie. Durch das erkennen so in der Kategorie des Systems die Kategorie
32.
der Natur. Das Gesetz, als Naturgesetz, ist proleptisch
reaktive System wird nämlich auch die Kausalität
als
zu verstehen. Durch das Gesetz soll die Natur zur Erzeugung
Energie prägnant :als konservative Energie. gelangen. Das Gesetz selbst aber kann dazu nur die Vorbe-
Die in B erscheinende Einwirkung ist die Selbstverwandlung dingung leisten, die freilich die unerläßliche Vorbedingung
von A, sofern A als Vertretung der Substanz gelten darf. bleibt. Die Einheit der Natur wird erst vollziehbar in der
Diese Identität wird durch die Reaktion bestätigt. Aktion
Einheit des Gegenstandes. L e i b n i z hat Recht, daß i n
und Reaktion sind Energie-Übergänge, und, als jeder Monade das Universum enthalten
solche, umkehrbare Prozesse. So wird die sei.
Ohne die Einheit des Gegenstandes keine Einheit der Natur.
Identität ch h e i t. Und die Umkehrbarkeit
zur G 1 e i
Der Gegenstand aber hat seine Einheit nicht schon in der
der Energie-Übergänge beruht auf der Voraussetzung des
Kausalität, sondern durchaus erst im System. So ist die
Systems. So darf man sagen, der Begriff der Energie, der doch
Kategorie des Systems, als die Kategorie des Gegenstandes,
die Umkehrbarkeit der Energieformen bedeutet, würde
nutzlos
die Kategorie der Natur. Durch sie erst wird daher der Begriff
und hinfällig ohne die Kategorie des Systems. DieErhaltung des Gegenstandes, als des Gegenstandes der mathematischen
der Energie ist die Erhaltung der Energien Naturwissenschaft, bestimmt.
in der reaktiven Einheit des Systems. 35. Gesetz und Begriff. Dadurch auch wird
33. Die Kausalität als Sukzession.
Das
Potential. Wir erkennen so einen weiteren Grund für vom Begriffe die erste prägnante. Bestimmung
gewonnen. Denn
innerhalb der Methoden der Mathematik
die traurigen Streitigkeiten um den Sinn und Wert der Kau-
ist der Begriff so wenig Begriff, wie der Gegenstand Gegenstand
salität. Sie sind traurig, weil sie das Recht und den Be-
Wie man die ist. da gleichisam nur die Abbreviatur eines
Er ist
griff der reinen Erkenntnis in Frage stellen.
Gesetzes. Erst in der Verbindung, welche mittelst der
Kausalität ohne Zusammenhang mit der Substanz, also nicht
analytischen Mechanik erfolgt; erst in der Verbindung der
als Energie, benutzt, so denkt man sie auch außer Zusammen-
mathematischen mit den physikalischen Voraussetzungen und
hang mit dem reaktiven System. Es ist also der doppelte zum
Gesetzen wird das Gesetz Begriff. Der
Irrtum von einer Selbständigkeit der Kausalität, die keiner
Begriff wird damit zu einem neuen Problem. Er ist nicht
Ergänzung bedürfte. Durch diesen Irrtum erhält sich die
Vorstellung von der Kausalität, als Sukzession, also
mehr nur die Abbreviatur des Gesetzes;
22*
340 Wechselwirkung nicht Rückwärtsdrehung Oremen der Kausalität 341

Problem der Einheit in


sondern er bedeutet das ihres logischen Wertes zusammenhängt. Nicht die Rück-
der Verbindung verschiedener Methoden. wärtsbewegung ist das Eigentümliche in der Gegen-

Dieses Problem stellt und löst die Kategorie des


Systems. wirkung; sie würde allerdings einen logischen Pleonasmus be-
ob das System nicht schon durch die Kau- deuten; sondern das System ist die neue Kraft, von der die
Die Frage, si

salität erledigt sei, ist nunmehr gründlich


beantwortet; so Reaktion ausgeht. Nicht die Bestimmung der Reihen-
gründlich, daß für die Kausalität dadurch ein Abgrund folge ist die Hauptsache bei der Kausahtät sondern in der
ent- ;

standen ist. Sie scheint das eigentliche Gesetz par excellence infinitesimalen Kontinuität wurzelt die Funktion; und in
zu sein, und also auch das geistige Band, das die
Welt im ihr im Zusammenhange mit der Substanz die Kausahtät.
Innersten zusammenhält. Aber von diesem vinculum sub- Dieser Zusammenhang wirkt nun aufwärts zum System.
stantiale wie L e i b n i z exoterisch das Problem des
Systems Das System bewirkt die Reaktion; und ohne die Reaktion
293 bezeichnet, gilt das Dichterwort: spottet seiner selbst
und bliebe die Kausalität in der Luft hängen. Sie bleibt Ab-
weiß niöht, wie. Die Lückenhaftigkeit dieses Bandes hat sich straktion eines Verhältnisses. Sie schließt nicht zur Einheit
aufgedeckt. Vonallen Seiten zeigt es sich, daß die Kausahtät des Gegenstandes zusammen. Sie kann den Begrff der Natur
als Bedingung, als Funktion, ja selbst als Energie die nicht erzeugen. Das System erst kraft der Reaktion vollzieht 294

Forderung des Systems als die der Ergänzung erhebt, ohne die Einheit der Natur. Das Svstem der Natur, das
die sie das Mittel einer methodischen Abstraktion
bUebe, ist die Einheit der Natur.

die ihr Ziel nicht erreichen könnte. Den Gegenstand, und 37. Die Grenzen der Kausalität. Indem
somit die Natur, vermag sie nicht zu konstituieren. wir so den tiefen Mangel in dem unersetzlichen methodischen
36. Wechselwirkung nicht Rückwärts- Grundmittel der Kausalität, das es nichtsdestoweniger nach
drehung. Wie die Energie- Vorgänge, muß sie selbst zu wie vor, bleiben muß, erkennen, eröffnet sich in dieser Lücke
einem um kehrbaren Prozesse werden, der ihren eigenen ein neues Gebiet des reinen Denkens. Die logische
Sinn und Inhalt nicht etwa nur pleonastisch wiederholt; Einsicht, auch die negative, führt immer zu positivem Auf-
könnte.
sondern ihn zu verletzen und zu verdteln scheinen schluß. So sehr die Kausalität auf das System hinstrebt, so
Sinn der Funktion, daß A das A f ü r B s e i, bleibt doch das System auf die Kausalität angewiesen. Sie
Das war ja der
und daß B das B für A sei. Jetzt aber zeigt sich umgekehrt, ist und bleibt, als Funktion, das methodische Grundmittel.

daß das Erste ebenso zum Zweiten, und das Zweite zum
Ersten Die Forderung des Systems kann daher nur soweit als reine
wird. So scheint die Stufenreihe der Kausalität verkehrt. Voraussetzung sich fruchtbar machen, als die mathematische
Und da man die Kausalität vornehmUch als die Bestimmung Kausalität ihm zu Gebote steht. Wo dagegen die Methodik
der Sukzession ansieht, so erscheint so der
ganze Wert der der Funktion nicht mehr anwendbar ist, da muß auch die
Kausalität auf den Kopf gestellt. ^ .. ,. .. Kausalität versagen. Was wird nun an einem
Dagegen verblaßt der Einwand, daß die Reaktion solchen Kreuzwege aus dem System? Muß
,

Kausalität
eigenthch doch nur eine Rückwärtsdrehung der da auch die Kategorie des Systems abdanken, da ihr die
wiederhole man
wäre; was man von A zu B gemacht habe, methodischen Mittel, die sie von der Kausalität beziehen
von B zu A. Der Vorwurf des Pleonasmus, der in der W e c h - muß, schlechterdings ausgehen? Machen wir uns die Folgen
gegen diese Gefahr,
selwirkung liege, ist ein Kinderspiel klar, wenn die Frage bejaht werden müßte.
bedroht wird.
mit der die Kausalität durch den ersten Einwand Die nächste Folge wäre, daß das System auf die mathe-
Der Einwand aber ist hinfällig. Er beruht auf
einer matische Naturwissenschaft ausschließlich bezogen
Schätzung
Überschätzung der Kausahtät, die mit einer falschen werden dürfte. Das System der Natur wäre lediglich das
Lebewesen in Gattungen und Arten 343
342 Leben^ Seele und Bewußtsein

der theoretischen Ursprungskraft des Menschengeistes, daß


System der mathematischen Naturwissenschaft. Wir wissen, Mathematik und Astronomie die ersten Spuren der theore-
daß der Begriff der reinen Erkenntnis, der der Kategorie des tischen Kultur bilden. Nicht zu verwundern aber ist es, daß
Systems zukommt, in dieser eingeschränkten Bedeutung ungefähr in derselben Ursprungszeit des Denkens die Auf-
seinen methodischen Ausgangspunkt und daher fundamentalen merksamkeit auch erwacht für die den Menschen unmittelbar
Grund hat. Aber wir hatten von vornherein ins Auge gefaßt, umgebende lebendige Natur. i
daß die Mathematik, auch wie sie in der Mechanik als Wie die Chemie die Vermittlung bildet zwischen
Grund in Mitwirkung bleibt, sofern sie sich mit einer anderen der Mechanik und der Biologie, so hat auch der Begriff der
Voraussetzung des reinen Denkens verbindet, dennoch nur Materie (Ut]) die Vermittlung der Probleme in der alten
eine universelle methodische Abstraktion bildet. Die Natur
Zeit vollzogen. Mit der Abstraktion der Materie entstand
und der Gegenstand der Natur kommen keineswegs zum aber zugleich die der Seele. Und wie die Materie nicht
vollgültigen Ausdruck innerhalb und mit den Ausdrucks- ausschließlich als mathematisch-physikalische Materie ge-
mitteln der mathematischen Naturwissenschaft. Nicht nur
Aufgabe dacht wurde, so wurde auch die Seele nicht allein auf das
die Lösung wird so nicht erzielbar, sondern auch die
Leben
Bewußtsein bezogen, sondern auf das schlecht-
wird nicht vollständig formuherbar. Das ist der tiefste Mangel, hin; und als Weltseele vollzog sie die Verbindung
der der Kausalität anhaftet: daß sie den Mangel und
die
zwischen der Harmonie der Sphären mit dem Leben und dem
Schranke der mathematischen Naturwissenschaft überhaupt Bewußtsein. Das allgemeine Seelenprinzip des
bloßstellt. Die Frage ist nun, ob sie auch
das
mit hinein-
Schwäche Bewußtseins, wie es sich von dem allgemeinern des
295 System in diese ihre Lebens absondert, spezialisiert sich nun aber weiter zu
zieht; oder aber ob die Kategorie des Systems sich doch
den besonderen Prinzipien des Denkens, als der emi-
noch eigene Wege zu eroffnen vermag. nenten Betätigungsweise des Bewußtseins. In solchem
38. Neuer Zusammenhang von System Wechsel von Verallgemeinerung, Speziahsierung und Isoüerung
und Begriff. Wir haben längere Zeit den Z u s a m m e n- ist Begriff entstanden.
der
hang von System und Begriff außer Betracht und Die Leb e^w esen in Gattungen und
40.
gelassen, weil der Zusammenhang mit dem Gegenstande
Arten. Zwar hat*Sokrates den Begriff entdeckt
mit der Gegenwirkung im Vordergrunde bleiben mußte. an dem geistigen Sein der sittlichen Verhältnisse; aber
Diese Einheit des Begriffs, die sich freihch auch
an dem
weder hat ihn darauf beschränkt, noch wäre sein
er selbst
Gegenstande der konservativen Energie bewährt, ist vielmehr Wert der Grundwert des Denkens geworden, wenn er 296

die Einheit des Gesetzes, zumal wie dasselbe


durch das
nicht unmittelbar in seiner allgemeinen Bedeutung für alles
System erfüllt wird. Es bedarf dafür nicht der Hinzuziehung Denken erfaßt worden wäre. Für alles Denken; am un-
und Hervorhebung des Begriffs.
mittelbarsten aber hing er doch mit den Fragen des Lebens
39. Die lebendige Natur. Leben, Seele zusammen. Die Lebewesen stellten ihn so augen-
und Bewußtsein. Wir werden daher sehen, daß das
scheinUch dar, daß man deshalb schon sich fragen muß, worin
Charakteristische, das logisch Neue des Begriffs nicht dort
denn eigentlich die Entdeckung des Sokrates bestanden haben
liegt, wo er nur ein Symbol des systematischen Gesetzes
könne: die Begriffe wurden ja jeden Abend in den Stall ge-
neue Leistung des Begriffs tritt mit dem neuen
ist. Die sammelt. Die Tiere in ihren Gattungen machen ja die
Problem der Natur hervor. Dieses neue Problem Begriffe lebendig. Freihch zeigt sich auch bei dieser Frage
ist freilich in der historischen Abfolge nicht
ein solches. Es
Symptom von der innere Zusammenhang, der für die Entdeckung des
ist ja ein der höchsten Bewunderung würdiges
9 Universalien. IderUitätaphiloaophte 345
und Idee
i'

344 Form. Begriff

ihn entdeckt hat, so hat er diese selbst doch in den Lebens-


Begriffs zwischen dem Begriffe und dem sittlichen
formen der Menschen angeschaut. Das aber eben ist die
Gedanken besteht. Aber der Begriff in seiner allgemeinen
an den Gattungen schwere KompHkation, in die somit von Anfang an der Be-
Bedeutung und Anwendung stellte sich
Er bedeutet Leben und Seele: i
griff eintritt.
der Lebewesen unmittelbar dar.
verständlich, daß wohl eines also etwa auch Materie und Bewußtsein?
41. Die Form. So ist es
So wird der Begriff bei seiner Entstehung, und so bleibt er
der frühesten und nächstliegenden Worte für den
Begriff
Gattung kommt im griechischen das Schiboleth der feindlichen Weltanschauungen; denn zu
die Gattung (y^vos) war. Die
einer Feindschaft ist der Unterschied und der Gegensatz der
Worte von der Wurzel der Erzeugung. Schon das geschlecht- Probleme von neuem ausgewachsen und ausgeartet.
Gattung als eine Gemein-
stets
liche Verhältnis stellt so die
Und Mißverständnis der Idee, die trotz ihrer Ausson-
alles
schaft dar. Aber in der Erzeugung wird zugleich das
derung immer doch mit dem Begriffe im Zusammenhang
Erzeugte mitgedacht. So bekommt das Geschlecht
neuen bleiben muß, geht letzlich auf diesen Kampf, den in ähnlicher
die Bedeutung der Deszedenz und der Sippe; also einer
Bedeutung schon Piaton als „Gigantomachie** bezeichnet,
Gemeinschaft. Endhch enthält die Erzeugung auch das
zurück.
Mal der Abstammung. Und dieses Zeichen und Merk-
gemeinsamen Abstammung bildet eine neue 43. Die Universalien. Andererseits bekommt
mal der auch der Streit um die Universalien ein
von hier aus
Art von Gemeinschaft. Diese ist die F o r m mit aller ihrer In ihnen nämlich waren die Begriffe zu bloßen
neues Licht.
offenbaren und doch so geheimnisvollen Symbohk. So wird
Form (sUo<;) Sammelnamen der Dinge zusammengeschrumpft. Sie hatten
es verständlich, daß neben der Gattung auch die
bei Sokrates wird. aber ihre prägnante Bedeutung als Gattungen der Lebens-
zu einem Ausdruck des Begriffs
auf Form formen verloren. Wo dagegen, wie bei den Arabern,
Ohnehin weist der griechische Ausdruck der Schöpfungsform des Lebewesens be-
die Form die
die innere Sprachform des Sehens hin; welche aber
das innere Sehen be- deutet, da bewahrt demgemäß der Begriff eine fruchtbare
zugleich in der A o r i s t f o r m Realität. Die Frage bleibt nur, cb und wie diese schöpferische
deutet, also dem Denken nahekommt. So ist die Form
Es in- Lebensform sich von dei mechanischen Bewegungsform untei-
der Typus, der auf die Gattung hinweist. ist
scheiden lasse.
teressant, daß Aristoteles diese typische Form des
So stellt der Begriff in seiner prägnanten, vom Gesetz
Eidos nicht ausschUeßlich beibehält; sondern daß er auch
die
von Pia ton aufnimmt. unterschiedenen Bedeutung das Problem des Systems in einer
Form als Struktur (fxoQfh)
neuen Bedeutung dar, in welcher das System von der Methodik
Während beiPiaton aber der Begriff nicht Eidos bleibt, Und das ist die
der Kausalität sich loszumachen scheint.
sondern Idee wird, degradiert Aristoteles, der die
Strukturform. neue Schwierigkeit, welche das neue Problem von vornherein
Idee bestreitet, auch abwärts das Eidos zur
in Frage stellt. Aber das Problem der Naturformen, als der
«97 Wir können das wohl verstehen die P h y s i k des Aristoteles
:

Lebensformen, drängt sich auf; und so aussichtslos es scheint,


war auf einen falschen Grund gebaut; seine Biologie
Fruchtbarkeit. so muE es doch versucht werden, reine Voraussetzungen zu
aber enthält Gedanken von einer andauernden
erdenken, welche für dieses unaufhaltsame Problem zur
42. Begriff und Idee: Leben und Be-
Bearbeitung geeignet sind.
wußtsein. So zeigt sich schon bei seiner Entdeckung Identitätsphilosophie, Monismus
dem Begriffe einverleibt ist: an den 44.
die Komplikation, die
Lebensformen ist er selbst lebendig geworden.
Wenn und Neo-Vitalismus Vergegenwärtigen wir uns, daß
gewöhnUchen Wege, dieses Problem zu lösen, vielmehr
Sokrates zwar an den Formen des sittlichen Lebens die
Problem des Lebens 347
346 Systemkörper und chemische Körper

obwohl sie große historische Heerstraßen


beseitigen, mechanische Abstraktionen. Den strikten Gegensatz zu ihnen
es zu
der Tendenz des Problems gemäß, die Natur-
298

sind, dennoch als ungenügend eingesehen


werden müssen, bilden,

weil sie der methodischen Dispositionen ermangeln. Sie formen, die Lebensformen. In ihnön erst scheint der
Formen des Pantheismus, dessen methodisches Gegenstand von methodischen Abstraktionen sich abzulösen,
alle sind
sich selbständig, sich konkret zu machen. In der mathe-
Grundgebrechen uns schon in dem Unterschied zwischen dem
System und dem Ganzen, welches auch das All im Pantheismus matischen Naturwissenschaft ist die Sonne
nicht an und 299

An diesem Gebrechen kranken für sich ein Gegenstand; sondern sie ist die Verkörperung eines
bleibt, klar geworden ist.
Brennpunkts im System der Planetenbahnen. Das ellip-
auch die Neubildungen der Identitäts-Philoso-
phie. Die Identität eUminiert das System. tische System, welches Sonne und Planet verbindet,
Das ist der Fehler aller Arten des Monismus, des macht den Gegenstand der Sonne aus, der nur in dieser
Hylozoismus, wie des Materialismus. Der eine systematischen Relation Einheit des Gegenstandes, System-
vernachlässigt die Mechanik; der andere dazu noch Leben
und Gegenstand ist.
Bewußtsein. Und auch der Dualismus mit seinen Spiel- Den Übergang zur Naturform bildet die Sonne, insofern
sie zum Gegenstande der Chemie wird. Sie wird da zur
arten ist im Unrecht; denn er verkennt die Notwendigkeit
Zusammenhangs von Physik und Phy- Repräsentation eines Gegenstandes für chemische Bewegungs-
des
siologie. Dieser methodische Fehler steigert sich zu einem vorgänge. Aber in dieser Vertretung, gleichsam einer Sub-
im sogenannten Neo-Vitalismus, der stantiahsierung der in ihr verbrennenden chemischen Elemente,
Kulturfehler
Zusammenhangs von Materie und Leben,
die Notwendigkeit des
geht das dynamische Verhältnis über in ein statisches.
von Bewußtsein und Materie zur Dissimulation bringt, und Die Chemie, das Inventar der Elemente, ist eine Physik des
Gleichgewichts. Aber die Chemie hebt in der Verbindung
dadurch der ehrhchen Kühnheit des Materialismus wieder
der Elemente das Gleichgewicht wieder auf. So auch hebt
Oberwasser zuführt. So sehen wir, wie die angebliche Identität
der hauptsächliche Vertreter dieses Gleichgewichts, die Sonne,
in allen Nuancen doch nur die Illusion des Ganzen
be-
wiederBewegungsarten, in Energie-
in
deutet, welches die Teile, als solche, in der Hand behält.
sich selbst
formen auf. wenngleich Lavoisiers Vergleich
Und
Dahingegen ist die Kategorie des Systems, als die Kategorie
des Begriffs, für den Begriff der Natur durchzuführen. von der Oxydation, als Verbrennung, nicht mehr stichhaltig
sein sollte, so erzeugt und erhält doch die Sonne
das
45. Der Systemkörper und der che-
mische Körper. Der Systembegriff galt uns bisher als Leben der Naturformen, der eigentlichen, konkreten Gegen-
stände.
der Reaktionsbegriff der mathematischen Naturwissenschaft.
Er muß uns zum Grundbegriff der Natur-
jetzt
46. Das Problem des Lebens. Mit dieser
Lebensform kann der statische Zustand der chemischen
Morphologie werden. Dieser Unterschied muß im
Gegenstandes ausprägen.
sich Der Stoffe, die in ihr brennen, nicht schlechterdings gleichgesetzt
Begriffe des
Gegenstand in der mathematischen Naturwissenschaft wird werden. Denn die Dynamik nebst der Statik, die Bewegung
im System der Wechselbedingung konstituiert. überhaupt bleibt dem Leben gegenüber doch nur ein
Gleichnis. Der Gegenstand des Lebens wird dadurch in
der
Darin liegt sein methodischer, aber auch sein unfertiger
Charakter. Er besteht in einer System-Relation. Er ist daher Eigentümlichlceit seiner Bedeutung nicht bestimmt und
nicht bestimmbar. Das Problem des Lebens fordert eine
nur Gegenstand der Natur innerhalb des Systems der Be-
wegungen, die von System-Punkten, der Funktion gemäß, neue Art von Gegenstand, eine neue Kategorie,

vollzogen werden. Diese Punkte sind lediglich geometrisch- welche einen Widerspruch, einen Gegensatz zu bilden scheint
Organiitnus 349
348 Kategorie des Individuums

Als diese neue Kategorie


deutet der Zusammenhang von System
gegen die des Systems.
ist die des Individuums auszuzeichnen. und Begriff. Das Individuum aber erhebt sich über die
Teile nicht allein, um sich des Ganzen zu entheben; sondern
47. Die Kategorie des Individuums. Wir
auch,um sich aus dem System der Bewegungen heraus zu heben
beachten zunächst das Beispiel des unendlichen
Es ist ähnlich
um eine andere Art von Gegenstand zu konstituieren, als
Urteils, welches sich hier einstellt.
welchen der System- Gegenstand der mathematischen Natur-
dem Atom, dessen lateinische Übersetzung es ist; und
wissenschaft zu gewährleisten vermag.
geht doch in einer ganz andern Richtung. Das Atom
48. Der Organismus. Die neue Art von Teilen,
ward als Grund des Seins erdacht im Verhältnis und in Korre- welche die neue Einheit, das neue System des Individuums
lation geradezu zu den Bewegungen und Verbindungen, die
charakterisieren, hat die Antike bereits als Organe be-
300 erforderlich sind, und die durch das Atom möglich werden
zeichnet. Und diese Werkzeuge hat man nicht etwa einer
sollen. Die Bedenken des Parmenides sollen erledigt werden.
äußeren Technik zugewiesen, sondern vielmehr als intimste
Das Individuum dagegen erhebt eine Forderung, welche allem Vehikel des Lebens gedacht. Das Organische bezeichnet dem- 301
System, aller Verbindung, also etwa auch aller Relation
gemäß einen Gegensatz zum Mechanischen in der
zu widerstreben scheint. Man sieht, wie das un- schlechten populären Bedeutung, in welcher das letztere Wort,
endliche urteil nicht nur eine Schablone wie auch in dem ästhetischen Kunstwort des Dens ex
und Krücke ist, sondern eine gesunde m a c h i n a gemeinhin genommen wird. Die Organe
Methodik. Die Teilung soll zwar ausgeschlossen sind nicht Teile. Aber wie das Indivisibile zum
werden; aber die Teile können auch nur ein Ganzes zusammen-
Ursprung der Zahl führt, so führt das Individuum zum Ur-
setzen. Ein solches Kompositum von Teilen soll der Versuchs-
begriff des unendlichen Urteils ablehnen. Aber anstatt des
sprung der Lebenseinheit. So führt das Organ zum
Ganzen soll das System, als die Einheit einer andern Art
Organismus, als dem System seiner Or-
gane. Die Teile werden Glieder; die Werkzeuge Glied-
von Teilen, zur Erzeugung kommen. Und doch soll sich auch maßen.
der Begriff des Systems ändern. Das Individuum ist nicht
Die Einheit dieses Gegenstandes wird die aparte Art von
eine Einheit im Sinne der Wechselwirkung. Als solche
Körper, die der Leib bezeichnet. Es ist also durchaus
wäre und bhebe sie unaufhörlich ein Ideal der Forschung; und
noch die Voraussetzung des Systems hier in Wirksamkeit;
also auch die Vogelscheuche eines ewigen Fragezeichens.
aber die Richtung wird eine andere. Wir hatten es als einen
Das Individuum macht eine Einheit zum Problem,
Vorzug des Systems vor der Allheit erkannt, daß in dieser
welche in ihrem Gleichgewichte ruht; in welcher vielmehr das
die Elemente selbst Nebensache bleiben ; nur auf ihre Zusammen-
Gleichgewicht nur als Gleichnis gilt. Es will und soll mehr
fassung, Zusammenfaßbarkeit kommt es an. Im System da-
sein als die Fiktion eines Bewegungssystems. Es will und soll
gegen treten die Elemente selbst hervor, deren Zusammen-
seine Einheit auf anderem Wege herstellen als durch die Ab-
fassung das System zu bewältigen hat. So verhält es sich
straktion, wie immer sie notwendig sein mag, von einer
auch im System der Gegenwirkung. Wirkung und
Gegenwirkung. Die Naturform erhebt eine andere
Gegenwirkung sind da die Elemente, die im System, zum
Forderung als die Energieform. Wenn der Gegensatz
System des Gegenstandes verknüpft werden. Das Indi-
und Unterschied zwischen beiden Arten der Form anderweit
viduum dagegen bedeutet nicht sowohl das System der
zur Schlichtung kommen muß, so wird es die Aufgabe des
Organe, als vielmehr die Einheit des Organismus.
Begriffs sein, diesen Gegensatz im Begriffe des Systems Die Zuspitzung auf den Gegenstand wird hier zur
aufzuheben und zu versöhnen. Dies fordert und be-
Neuer Begriff des Gegenstands Begriff und Zweck 351
350

Hauptsache. Das ist die Erweiterung, die der Begriff des Abgrenzung gegen die Kausalität vorschreiten. Diese Aufgabe
Gegenstandes im Individuum anstrebt. ist dem Problem des Individuums im Organismus gestellt. So
49. Der neue Begriff des Gegenstandes: erklären sich die Konflikte mit der Kausalität aus dem Problem
das Wesen. Wir sehen, wie durch diese neue Art des der Organismen. Und neue Kategorie für
so wird eine

Systems der Begriff zu einer neuen Aufgabe, und der Gegen- Kategorie des Zwecks.
den Begriff erforderlich: die
stand zur eigentlichen Bedeutung erst gelangt. Innerhalb 50. Der Begriff und der Zweck. Sokrates
der mathematischen Naturwissenschaft ist der Gegenstand hat den Begriff entdeckt. Wir haben mehrfach schon die
nur ein Vorbegriff zum Gegenstand; nur ein Beispiel der Frage berührt, wie diese Entdeckung zu verstehen sei. Tiefe
Zusammenfassung von Wirkung und Gegenwirkung. Als und ewige Begriffe waren vor ihm entdeckt worden. Aber
Individuum dagegen soll der Gegenstand mehr sein als ein daß sie Begriffe seien, dieser ihr logischer Charakter war nicht
solches Symbol der Einheit von Bewegungen; er soll eine herausgestellt worden; auch von denen nicht, welche im
Einheit bedeuten, für welche alle Verbindung, die für sie und Denken selbst, nicht nur scheinbar unmittelbar am Kosmos
von ihr einzugehen sein sollte, immer nur Mittel bleibt; Begriffe erdachten. Wie kam Sokrates zu seiner Entdeckung?
während für das Atom die Verbindung die eigentliche Aufgabe Welches überwiegende logische Interesse verhalf ihm dazu?
bleibt. In dieser Isolierung des Individuums besteht die Wir sahen schon, daß es nicht ein rein logisches Interesse
geschlossene Selbständigkeit des Gegenstandes, die war, welches diesen Hebel der Logik schuf; sondern daß die
man versucht werden könnte schon für Konkretheit zu halten. Ethik zur Logik der Menschenwelt wurde.
Das wäre irrig, wäre eine Abstumpfung der idealen Einheit Die nächste Anknüpfung bot, wie wir sahen, das Problem
des Das Individuum ist die
Systemkörpers. der Abstammung. Sind doch die Menschen zunächst
Einheit der Naturform, als der Lebens- Organismen und Individuen. So legen sich an ihnen unmittel-
302 form, zu welcher die Organe den Organismus vollenden. bar Gattung und Art dar, die nächsten Wahrzeichen
In der deutschen Sprache wird dafür der Ausdruck des S e i n s des Begriffs, als des Systems; zunächst für die Einheit des
ein anderer: dieser isolierte Einheitsgegenstand heißt Wesen. Individuums, sodann und dadurch für die Gemeinschaft
Die Ablockerung vom System wagt sich als Tendenz auszu- derselben und für die Abstufungen solcher Gemeinschaft. 303

sprechen; nur im Anklang an das Verwesen wird der Tribut Indessen die Abstufungen erregen neue Bedenken.
an das System entrichtet. Wo sind die richtigen Grenzlinien für die Bildung
Eine neue, eigene Art des Gegenstandes soll zur Er- und Festigung der Gemeinschaften zu finden? Ist die Vater-
zeugung kommen. Das Individuum, der Organismus ist das stadt die letzte Instanz, oder aber das D a i m o n i o n der
neue Wesen. Und wie der Gegenstand damit ein anderer eigenen Persönlichkeit? Man sieht, der Gesichtspunkt von
wird, so wird auch der Begriff ein anderer. Die Ver- Gattung und Art konnte für Sokrates nicht die volle Ent-
änderung des Begriffes wird aber tiefe Eingriffe erfordern; scheidung enthalten.
denn der Begriff ist System; das System aber bildet die Er- In Gattung und Art hatte der Begriff noch eine zu kon-
gänzung zur Kausalität. Wenn daher der Begriff verändert krete Grundlage, als daß sein logischer Wert dabei hätte
wird, so muß diese Veränderung auf die Kausalität zurück- offenbar werden können. Sokrates mußte die Betrachtung
greifen. Ohnehin wissen wir ja, daß erst im System der Be- in eine andere Richtung bringen, in welcher das Abstrakte,
griff zu seiner Prägnanz gelangt; daß er bis dahin nur das Geistige, worin allein der Begriff entstehen und sich behaupten
Gesetz vertritt. Bei der Erweiterung des Systems im In- kann, durchsichtiger wurde. Nicht die Menschen sammelte
dividuum muß daher auch der Begriff zu einer scharfen und musterte er; sondern die Handlungen der Menschen
Zweck bei Aristoteles 353
352 Frageform

Organismus ist der Zweck ein methodisches Prinzip. Hier


und ihre Bestrebungen. Schon das ist abstrakt. Und nun aber entstehen die Konfhkte zwischen der, wie man ge-
summierte er nicht etwa diese Handlungen, um in dieser wöhnhch sagt, mechanischen und der teleologischen Welt-
Summe ihren Wert zu finden, sondern er setzte ihnen ein ansicht; man sollte aber genauer sagen zwischen der e 1 1 - W
Ende außerhalb ihrer selbst. Dadurch wurde die ansieht der Mechanik und einer solchen
Sache noch abstrakter, von den konkreten Summanden ab- der Teleologie. Dadurch wird zweierlei sofort
gelöst. So entstand die Richtung auf das Ende,dem die zur Frage gestellt: erstlich, ob die aus- Mechanik
Handlungen zustreben. Und das Ende des Strebens wurde reicht für das Problem der Organismen; zweitens, ob
so zum Ziel. Aber das Ziel ist zweideutig; es bedeutet zunächst die Teleologie, wenngleich sie die Mechanik ergänzen
das unaufhaltsame Endfe, wie der Tod ein solches dem Leben muß, als eine eigene Weltansicht aufgestellt werden darf.
setzt. Zugleich aber weist es auf eine andere Art von Ende 51. Der Zweck bei Aristoteles. Indem wir
hin, nämlich auf dasjenige Ende, welches der Mensch selbst hier den Zweck als Kategorie auszeichnen, geben
durch Absicht und Gesinnung seinen Bestrebungen wir ihm damit die ihm zukommende
und die ihn ein-
vorsetzt. Diese Bedeutung des Ziels vertritt der neue Begriff schränkende Stelle. Der Zweck ist Kategorie, so
des Zwecks. Das griechische Wort dafür (xiXoq) bedeutet gewiß er Begriff ist. Aber der Begriff ist System; und im
ebenso auch Ende und Ziel. Problem des Systems entsteht auch der Zweck. Daher be-
Erst im Zwecke ist der Begriff zur Ent- zeichnet er, als Kategorie, zwar eine neue Aufgabe,
deckung gekommen, obwohl G a 1 1 u n g und Art die des Organismus; aber das System steht im methodische«
mit dem Zwecke sich verbanden. Die Gattung der Menschen Von
Zusammenhange mit der Kausalität. diesm Zu-
stellte sich unmittelbar als Zweck der Menschen dar. Und sanimenhange darf daher auc h der Zweck
auch für die Handlungen und Bestrebungen erschien nicht nicht losgelöst werden; er müßte sonst für seine
nur überhaupt die Gattung als Zweck, sondern auch in der eigene Methodik das Ziel und auch den Ausgang verlieren.
Bedeutung des natürlichen Zusammenhangs wurden Gattung So hängt eine der schwersten und verhängnisvollsten Streit-
und Art für den Wegweiser des Zwecks nutzbar. Aber wenn fragen von dem logischen Orte ab, dem man den Zweck
man sich die Frage stellen darf, welchen Gehalt und Wert zuweist.
Sokrates in dem Gedanken sich präzis und prägnant machen System und Begriff hängen mit dem Gegenstande
mußte, dem er die Originahtät einer Entdeckung offenbar zusammen. Für die Kategorie des Zwecks entsteht aus diesem
zusprach, so kann nur der Zweck darauf die Antwort bilden. Zusammenhange eine schwere KompUkation. Als Kategorie
Er war sich bewußt, dem Denken damit eine neue Richtung sollder Zweck das Individuum, den Organismus als Gegen-
804 vorzuschreiben; eine Richtung, die zunächst das menschliche stand konstituieren. Nichts ist verkehrter, der methodischen
Dasein und Wirken betraf; die aber ebenso allem Denken Bedeutung der Kategorie ärgerhcher widersprechend als der
erst den Weg und das Ziel beleuchtete. Durch den Zweck Aberglaube, der den Zweck selbst zu einem Ding macht.
wurde auch die Frageform charakterisiert, unter welcher Auch hier stehen wir wieder an dem Scheidewege, an welchem
er den Begriff bestiitimte {ti iffzt). Der Zweck ist das e w i g e die Idee vom Begriffe sich abkehrt. Aristoteles ist an
Fragezeichen des Gewissens; auch des theo- diesem Punkte in die Irre gegangen. Wie wir bei Sokrates 30»

retischen. Und so vollzieht sich die gesamte Charakteristik den lebendigen Inhalt seines Gedankens vom Begriffe in dem
des Begriffs durch den Zweck, Zwecke erkannten, so können wir auch bei Aristoteles
Wir sehen zunächst von der ethischen Bedeutung des in dem Zwecke die Quintessenz seiner Prin-
Zweckbegriffs ab. Auch für das System-Individuum des Cohen, Logik d«r reinen Erkenntnis, n. Aufl. 23
354 Teleologie und Theologie
Teleologie und Mechanik 355

z p e n annehmen. Alle Arten seiner Substanz faßt der


i i
vielfach dafür gesorgt, daß die Sache zur Person w>6
Zweck zusammen. werden mußte. War doch das absoluta Prius vor allem
Schon die historische Tatsache wird so verständlich, der göttliche N u s der auch, sofern er im Menschen als
wie Aristoteles der Philosoph des Mittelalters werden
,

die „tätige Vernunft" {volg Tcoit^tixog) sich inkorporiert, von


konnte. Seine Metaphysik ist in der Tat Theologie; außen (i^iga^ev) in ihn hineinkommt, also eine fremde
denn sie ist Teleologie; und seine Teleologie ist T h e o 1 o g i e. Potenz in ihm darstellt. So sehen wir erstlich, daß
Ferner lassen sich seine wissenschaftlichen Vor- Aristoteles den Zweck, das Ende zum Anfang,
züge im Zusammenhange mit seinen Schwächen und umge- zum Ersten macht; ferner, daß er diesen ersten Anfang
kehrt verstehen. Seine Schwäche liegt in der Physik, also zum ersten Beweger, also zum Prinzip der Bewegung
in der Kausalität der Mechanik; seine Stärke
aber in der
macht; und somit Teleologie und Mechanik,
Biologie. Die Teleologie steht daher bei ihm außer
soviel davon übrig geblieben ist, verquickt; endhch, daß er
Zusammenhang mit der Kausalität der Mechanik. So wird das Prinzip der Bewegung, als ersten Beweger,
daß die Teleologie an die Stelle der
es begreiflich nicht nur, dem götUichen Nus, also der Gottheit gleichsetzt; und
Kausalität tritt, sondern auch, was noch schhmmer ist, daß
damit die Teleologie in die Theologie aufhebt.
die Teleologie n a c h A r t der Kausalität, ja als eine Art Hierin Hegen die Gründe für die vielfachen Kämpfe, denen
derselben dargestellt und geltend gemacht wird.
der Begriff des Zwecks in Mittelalter und Neuzeit ausgesetzt
Einer der Ausdrücke für die S u b s t a n z ist das unüber- war und blieb. Wir sehen, es ist nicht nur die Verdi nglichung,
setzbare Wort: das was war Sein (ro xl ^v slvai). Wir
die den Begriff des Zwecks um den klaren Wert eines metho-
hatten schon einmal eine Deutung für den rätselhaften Ausdruck dischen Prinzips gebracht hat; sondern die V. er-
versucht (S. 30 f.), indem wir eine Ahnung von dem Problem dinglichung wurde zur Personifikation,
des Ursprungs darin erkennen wollten. Jetzt
können
Und so ist es der Kampf der Wissenschaft nicht nur gegen die
wir nun sehen, wie Aristoteles die Frage nach dem Ursprungs- Theologie, sondern gegen die unverwüstliche Mythologie,
grund des Seins und des Denkens sich gelöst hat. Das der hierbei auf dem Spiele steht. Mythologie wird es, wenn
absolute Prius {ngozegov ty <pi<ni) ist ihrn der
Zweck, gegen den er demnach die Notwendigkeit, die Kau- ein methodisches Prinzip, welches an der Grenze des
Problems der Bewegung entsteht, in das Gespenst einer be-
sahtät zurückstellt. In seinen Erwägungen und Bei-
Mechanik, wegenden Person verwandelt wird. Der Unterschied
es allerdings nicht die Kausalität der
spielen ist zwischen dem System der Reaktion und
um die allein es sich zu handeln hätte, sondern die mechanische dem System des Individuums wird da-
Notwendigkeit und Ursächlichkeit in der unwissenschaftlichen durch verrückt. Es wird dadurch zugleich auch die
Bedeutung, in welcher das Wort mechanisch leider noch heute legitime sittliche Bedeutung des Zwecks in Ver-
sich erhalten hat. Und dieser äußerlichen Notwendigkeit dacht und Verruf gebracht; ebenso wie ihr natürhcher, un-
gegenüber macht der 2weck nun eine entsprechende Art verfänglicher Sinn.
von Innerhchkeit zurecht. Denn die AristoteHsche Teleologie bleibt nicht bloß bei
Bei der Kausalität handelt es sich um die Bewegung. der Theologie stehen; er handelt sich ihr nicht nur darum,
Der Zweck aber soll als absolutes Prius gedacht werden. Ein durch das erste Bewegende Plan und Ziel der
solches wird auch für die Bewegung gefordert. So wird
der
Schöpfung zu retten; sondern in die einzelnen
Zweck zum ersten Beweger. Aristoteles bezeichnet Fragen der Forschung bricht sie ein. Aristoteles
ihn zwar im Neutrum (to -kqwxov tclvoIv)', aber es ist den Demokrit,
tadelt daß er über den bewegenden
23*
Kants Teleologie 357
356 Kampf der Neuzeit gegen den Zweck

Mensch muß in einem genau zu bestimmenden, also nicht


Ursachen die Zweckursachen vernachlässigt
habe:
Perserreich
schlechterdings abzuwerfenden Sinne propter finem
während Demokrit für e i n e Ätiologie das ganze a g e r e. Indem Spinoza solchen Zweck des Handelns aufgab,
hingeben wollte. Schon die Verbindung des
Zwecks ließ er das Problem der Ethik fallen; was immer
mit der Ursache, wie sie im Verfolg dieser Gedanken- an wertvollen Einsichten und Lehren unter diesem falschen
richtung als causa finalis, als
Zweckursache Titel sein Buch enthalten mag.
entstanden ist, macht das Unheil deutlich. Der
Zusammen-
w? 53. Die Teleologie K'ants. Darin vor allem
aber
hang mit der Kausalität soll im Zweck erhalten bleiben; besteht die -große Befreiung, welche Kants
Teleologie
er selbst darf nicht zur Ursache werden.
Dadurch werden
in die Welt brachte, daß die Kritik der praktischen Vernunft
die wahrenUrsachen relativiert. Die Mechanik erhebt daher die Bedeutung der Zwecklehre für die Ethik wieder außer
die Forderung derveracausa. Frage und sicherstellte. Die Kritik der reinen Vernunft hatte 308

52. Der Kampf gegen den Zweck in der


zwar in den Ideen, in allan Ideen das Motiv des Zwecks
Neuzeit. Aber es ist gar nicht einmal allein der hohe nachgewiesen und entfaltet ; auch war es in der Gottes-
methodische Gesichtspunkt, der dadurch verletzt wird; i d ee zu einer Art von Zusammenfassung aller
Arbeit
sondern auf Schritt und Tritt werden der ehrlichen dieser Zweckmotive gekommen; aber es lag darin doch zu-
Hemmschuhe entgegen geschleudert; der systematische Zu- gleich wieder die Gefahr der alten Mystik und Verwirrung der
sammenhang wird kurzsichtig verengt, und in zwar nicht methodischen Grundfragen. Die Lehre vom Endzweck
immer willkürhchen, aber zumeist äußerliciien Zusammen- und vom Selbstzweck der moralischen
selbst sich
stellungen, in denen bestenfalls nur das Rätsel Person ließ die dringendsten und für die allgemeine sitt-
ausspricht, vereitelt und trivialisiert. Denn nichts hemmt
liche Kultur wichtigsten dieser Bedenken mit einem Schlage
den Ernst der Forschung mehr das Triviale, das sich den
als
zurücktreten. Der Zweck war wieder für die Ethik in seine
hegt in
Anschein der Weisheit gibt. Diese Wideräwrtigkeit legitimen Rechte eingesetzt. Der Mensch handelt wieder
der Formulierung eines Rätsels, die mit dem Anspruch einer
Selbstzwecks
eines Zwecks wegen, und zwar seines
Lösung auftritt. Es ist unvermeidlich, daß dabei die Aufgabe und Endzwecks wegen.
des Rätsels selbst zu kurz kommt. So wird die Arbeit
gehemmt
Enttäuschung, daß Indessen dieser Zweck ist allenfalls eine Idee in Kants
und obendrein hat man den Verdruß der
Terminologie. Als Kategorie
hat er den Zweck nicht
man es doch so herrUch weit gebracht hätte. aufgenommen. Es hängt dies mit seiner Architektonik zu-
Daher regt sich im Mittelalter bereits der Zweifel an der sammen. Die Kategorien sorgen nur für die synthe-
Heihgkeit des Zwecks. Und Spinoza wird zum
Wort-
Haß und tischen Grundsätze. Und diese sind zwar die
führer der neuern Zeit, indem er den bittersten Grundsätze der Erfaniung; aber die Erfahrung
Spott über dieses asylum ignorantiae ergießt.
bedeutet in diesem Zusammenhange ausschließhch die ma-
Durch diesen Kampf gegen den Zweck hat er auch seinen thematische Naturwissenschaft. Die allge-
unverächtlichen Anteil sich erobert an der Läuterung
und
Selbständigkeit.
meinen Bedingungen der Erfahrung sind die „allgemeinen
1* :
Verfechtung der naturwissenschaftlichen
Naturgesetze". An der Grenze dieser Erfahrung an ihrer —
Aber freihch hat er das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Grenze, nicht an ihrer Schranke — erhebt sich nun
Er wollte den ganzen Zweckgedanken radikal ausrotten. freilich aber die Erfahrung in dem
andern, nicht minder zu
Das konnte nur auf Kosten anderer tiefer Interessen ge- fordernden Sinne : als beschreibende Naturwissen-
schehen. Denn nicht nur der Plan, der Sinn und das
Ziel der
schaft. Nachdem die Kritik der reinen Vernunft unter dem
Schöpfung müssen Problem bleiben; sondern auch der

V- '
:(

fv! 358 Ästhetische Urteilskraft


Formale Zweckmäßigkeit und Kausalität 359

Titel der Idee und sonst als Methodenlehre über d uu m oder Organismus zur Erzeugung bringen.
diese Fragen Licht verbreitet hatte, wird die Kritik der Also kann der Zweck nicht selbst diesen Gegenstand, dieses
Urteilskraft in ihrem zweiten Teile gänzlich diesem Individuum vorstellen dürfen. Die Entlarvung der materialen
Probleme bestimmt. Zweckmäßigkeit reißt daher mit sich die Naturzwecke
Zwar ist auch hier die Verbindung des zweiten Teils mit in den Abgrund. Sie gehören dem kurzsichtigen Relativismus
dem ersten, der die Kritik der ästhetischen Urteils- an, der Zusammenhänge von eingebildeter Selbständigkeit
kraft enthält, noch ein bedenkhches Symptom dafür, daß zusammenbaut. Die Naturzwecke werden verabschiedet.
eine volle und sichere Freiheit über die Grenzen
der Aber nichtsdestoweniger bleiben die Na turformen ein
Wirksamkeit des Zwecks noch nicht gewonnen ist; indessen unerläßliches Problem.
hat diese Verkoppelung andererseits wieder ein gewisses Recht Und nun entfaltet die formale Zweckmäßig-
der Blutsverwandschaft: Goethe ist von dieser Ver- keit den großen Schatz ihrer positiven Methodik.
mählung von Natur und Kunst ergriffen und an- Es wird die Zeit sicherlich kommen, in welcher der Natur-
geheimelt worden. Die Analogie hat nicht allein für die Kunst, forscher über Darwinsche
das Problem in der
m
sondern in der Tat auch für die Natur methodischen Wert. Kritik der teleologischen Urteilskraft
Der Zweck in derNatur ist eben nicht der seine Belehrung und seine Orientierung suchen wird. Die
Mathematiker, sondern eine Art von Eigentümlichkeit, welche das Problem des Organismus für
t09 Künstler. Einer solchen Metapher entspricht die Ab- alle Einzelfragen enthält, ist dort bei aller Strenge und Tiefe
scheidung des Zwecks von den Kategorien und synthe- mit einer lichtvollen Popularität und mit einem Aufwand
tischen Grundsätzen. von Beispielen klargestellt worden, wie in Bezug auf
Die Kritik der Urteilskraft indessen hat eine Klarheit die mathematische Naturwissenschaft solche Nutzanwen-
li gebracht in diese dunklen, durch die Komplikation geistiger dungen nicht in gleicher Weise in der Kritik der reinen
Kulturinteressen verdunkelten Fragen, die über Metaphern Vernunft gegeben wurden. Das eigentümliche biologische S10
und Gleichnisse hoch erhaben ist. Schon in der Veränderung Problem, welches der Grashalm darstellt, wurde mit
des Terminus läßt sich die Treffsicherheit erkennen. Der einer feierlichen Prägnanz beschrieben und festgestellt. In-
Zweck wurde verwandelt in die Zweckmäßigkeit. dessen darin lag gerade wieder eine neue Gefahr.
Er wurde dadurch gleichsam entdinglicht; geschweige daß 54. Die formale Zweckmäßigkeit und die Kau-
ihm noch ein persönlicher Charakter anhaften könnt«; salität. So sehr der Zweck als das Prinzip der formalen
er wurde schlecht und recht in eine Methode verwandelt. Zweckmäßigkeit fest- und hochgehalten werden sollte,
Und von dieser Warte aus wurde nun der alte, enge und rela- so durfte darüber doch der Kausalität kein Abbruch geschehen.
tivistische Zweck alsmateriale Zweckmäßigkeit entlarvt. Deren Selbständigkeit mußte unverletzlich und uner-
Es steckt Widersinn schon in der Wortbildung. Die
ein setzlich bleiben. Nicht einmal Ergän-
eine
Zweckmäßigkeit, als Methode, darf niemals Material sein. zung kann sie von der Zweckmäßigkeit
So wird schon im Ausdruck der falsche Begriff als ein wider- annehmen. Sie ist das Grundgesetz der mathematischen
1 '

sinniger gestempelt. Der Zweck ist eine Methode; also kann Naturwissenschaft: und Eigentümlichkeit
bei aller des
er kein Ding sein. Das Ding wäre nicht Gegenstand; sondern Problems dti Naturformen muß doch eben ihr Unterschied
nur Materie. Zum Gegenstand gehört noch etwas anderes. von den Gregenständen der Erfahrung, als derer der mathe-
Die Methode des Zwecks soll den Gegenstand matischen Naturwissenschaft, in aller Schärfe ausgeprägt
in einer eingeschränkten Bedeutung, nämlich als I n d i v i - bleiben. Es tehlt bei Kant keineswegs an dem Gedanken,
ScheUing und Faraday 361
360 Kants Nachfolger

daß die lismus sich selbst widersprochen und fallit erklärt. Nachdem
der vielmehr in scharfen Strichen ausgeiührt wird, Fichte dagegen die ganze Kraft seiner spekulativen, die
Zweckmäßigkeit zwar eine Methode, aber doch nur ein Konsequenz nicht scheuenden Dialektik in dem Spott einer
„Gesichtspunkt** sei; und also auch nach dem eigentüchen
Gleichnisrede produziert hatte, die er zu einer Seiten langen
Rom sich hinfinden lernen müsse, nach dem alle Wege führen. Rhetorik ausspinnt, in der er Luft und Wasser
des
So wird allerdings in bezug auf die Selbständigkeit a priori fordert, konnte Schelling größeres Glück er-
Zwecks ein empfindlicher Unterschied gemacht: das Pro-
Identitäts-Philosophie für
warten, indem er die
blem hat Selbständigkeit; aber nicht die die Indifferenz von Materie und Leben
Methode. Die Methode muß über sich selbst hinaus- in Bewegung setzt. Und es waren nicht nur die Schwarm-
führen; zu der eigentlichen Methode, die in der
Kausahtät
geister, diezwischen Materie und Bewußtsein und zwischen
gelegen ist, hinführen und zurückführen.
formalen Materie und Leben überhaupt keinen Unterschied anerkennen,
Das ist die gesteigerte Bedeutung der die ihm zujubelten: das einzige Beispiel, welches Fries in
Zweckmäßigkeit; erstlich: das Problem diesem Punkte gab, spricht gegen diese bequeme Ansicht, und
zu entwerfen, zu entfalten, als solches in
seiner
mahnt zugleich, die richtigeren Anhaltpunkte in der wissen-
Eigenart zu behaupten; die Fragen, die dabei zusammen- schaftlichen Zeitgeschichte zu erspähen.
laufen, in dem Problem des Individuums zu
sammeln;
Fries verstand, was die mathematische Natur-Philoso-
zweitens aber: die Lösung sich selbst zu versagen; phie, wie er selbst erst diesen Ausdruck in polemischer Tendenz
die Lösung der Kausalität, und wäre es ad calendas
formulierte, methodisch zu bedeuten habe; dennoch erteilte
graecas, der Mechanik zuzuschieben. Es fehlt, wie
gesagt,
er dem sonst mit kritischer Klarheit bekämpften Schelling
keineswegs an kräftigen Zügen, in denen dieser tiefste Sinn
aber Lobspräche wegen der Indifferenz, die er zwischen dem
der formalen Zweckmäßigkeit sich an den Tag ringt;
biologischen und dem mechanischen Problem
im allgemeinen und vorwiegend übt Kant auch an
der
Und dennoch der gesundeste Kern in der
Kausalität selbst das Wächteramt aus, und gerade auch da, wo
statuierte. ist es

Problems eintritt. ganzen Verirrung der Naturphilosophie, daß sie gegen die
er für die Eigentümlichkeit des biologischen
Isolierung der Biologie Front gemacht, und dadurch den
Aus solcher Gesinnung des Gedankens ist das Wort ent- Zusammenhang zwischen ihr und der Mechanik wiederum
sprungen, daß es „ungereimt" sei, zu hoffen, daß für
den
als eine notwendige Aufgabe hat hervortreten lassen. Es bleibt
Grashalm je ein Newton erstehen werde. So
der Ruhm Schellings, daß er als einer der Ersten, wenn nicht
schroffwahrt er den methodischen Unterschied zwischen der
etwa gar als Erster die Bedeutung F a r a d a y's erkannt
•u mathematischen Naturwissenschaft und der Natur-Teleologie.
und in der Akademierede vom Jahre 1832 gewürdigt hat.
Es ist die Konsequenz des ursprünghchen Gedankens, der
Bei Schellingselbst zwar ist derZusam-
den Zweck von den Kategorien ausschloß.
55. Die Nachfolger Kants. Diese
Strenge und menha n g k ei n s o 1 c h er; die Identität ver-
Genauigkeit in der Bestimmung der Grenze zwischen
wischt ihn.Aber bei der kritischen Unterscheidung
Kants war nicht durchsichtig genug geworden, daß die
es
Mechanik und Biologie wurde nun aber wieder Biologie nur deshalb in ihrer Eigentümlichkeit von der Me-
zu einem Hemmnis, nicht nur für das Verständnis der Kritik
chanik abgesondert wurde: um in dieser zwar nicht ihre Er-
des Zwecks, sondern des kritischen Systems
über-
Argwohn, daß im Zwecke ein Hinter- füllung, und vor allem keineswegs ihre Erledigung zu finden;
haupt. Es entstand der
aber um diesem ihrem Ideal dessen eigenen Methoden zu-
pförtchen für den Spiritualismus offengelassen worden sei.
Auch im Ding an sicn, meinte man ja, habe der Idea-
gänglich zu machen und anzupassen. Diese Anpassung
Anpassung der Methoden Spezies und Idee 363
362

t]2 derMethoden, SO schlüpfrig der Ausdruck ist, ist doch erkennen wollen. Dawider aber mahnt der Zusammenhang
Grenz- mit der Kategorie des Gegenstandes. Ist doch das Reaktions-
der letzte Sinn der Teleologie, als der
methode zwischen Mechanik und Biologie. System immer nur die Vorbereitung zum Gegenstand. Erst
56. Die Anpassung der Methoden. Der der Organismus, das Lebewesen wird Individuum, und
Ausdruck der Anpassung dürfte genau dem logischen dadurch Gegenstand. Der Unterschied der Methoden, der
allerdings die Homogeneität zwischen dem Zweck und dem
Charakter des Zwecks, als Kategorie, entsprechen. Er bewahrt
die Eigentümhehkeit des Problems, und weist für die Be-
Reaktions-System ausschließt, kann daher doch nicht ver-
arbeitung desselben auf den notwendigen Zusammenhang hindern, daß das Reaktiohs- System in das System des Indi-
mit den einzig fruchtbaren Methoden hin. Dieser Zusammen- viduums weiter- und übergehen muß. Die Kategorie des
hang zwischen Zweck und Kausalität, an deren entscheidende Gegenstandes fordert diesen Übergang. So wird schon ohne
Methode, die nicht ersetzt werden kann, die Anpassung zu Rücksicht auf die Kategorie des Begriffs die Auszeichnung
erfolgen hat, ergibt sich aus dem Zusammenhange des des Zwecks als Kategorie erforderlich.
Zwecks mit den Kategorien des Gegen- 57. Zwecjc und Begriff. Beachten wir nun aber
standes und des Systems unter dem all- den Zusammenhang von Zweck und Be-
gemeinen Titel des Begriffs. Und die Zweck- griff. Dabei wird sich noch einfacher die An-
mäßigkeit, die in der Hervorhebung dieses Zusammenhangs passung herausstellen, welche dem Zwecke obliegt.
sich betätigt, läßt auch alle die Bedenken zurücktreten, welche
Wir wissen, der Begriff ist überhaupt erst, als Zweck, zur
gegen die Einordnung der verschiedenen Probleme unter die Entdeckung gekommen. So muß man sagen, weil bei Sokrates
der Begriff als der sittliche Zweck lebendig geworden ist.
Kategorie des Begriffs sich erheben könnten. Es ist freilich
wahr, der Begriff ist nicht schlechthin das System, und ebenso Aber die Energie dieses Gedankens hat auf die allgemeinen
Interessen der Logik zurückgewirkt. Man darf daher auch
ist auch das System nicht eindeutig, insofern es einmal das
Reaktionssystem, und andererseits das Art- und Gattungs- sagen, der Zweck sei als Begriff zur Entdeckung gekommen.
system bedeutet. Indessen die Mehrdeutigkeit des Begriffs, wie Der Begriff aber ist, von beiden Seiten angesehen, Gattung
nicht minder auch des Systems ist ja gar nicht innerhalb der
und Art in seinem Ursprung. Diese Grundbedeutung der
beiden Arten der Naturwissenschaft beschlossen: beide Sammlung und der Ordnung hat daher auch der
erstrecken ihre Fangarme ebenso auch über das viel verzweigte
Zweck. Er ist ja das Ende und das Ziel. Diese bilden den
Gebiet der Geisteswissenschaften — und so müßte auch Abschluß einer Reihe. So bezeichnet der Zweck daher die 318

gegen diesen Gebrauch oder Mißbrauch eine Vorsorge getroffen Ordnung einer Reihenfolge und des Zusammenhangs in einer
werden. Ist dies aber möglich? Also wird es auch zulässig Reihe. Genus und Spezies werden daher die charakte-
sein, den Doppelsinn, der nun einmal überhaupt von Begriff
ristischen Systembegriffe für die Naturwissenschaft der
und System unabtrennlich ist, auch für die beiden Haupt- Organismen.
gebiete nicht zu meiden, um so genauer aber den Kontakt der 58. Spezies und Idee. Innerhalb der Ordnungen
Methoden zu nutzen, der in diesen Terminis sich darlegt, und der Klassen fassen sie die Probleme der Systematik
und der von ihnen auf den Zweck hinüberwirkt. der Naturformen zusammen. Das Problem liegt dem
Begriffe des Genus gleichsam im Blute. Die Gattung bedeutet
Der Zweck ist eine Spezialität des Systems. Schon
ja die Abstammung. Und so wird die Systematik, die an
dadurch wird seine Auszeichnung als Kategorie erforderlich;
. man müßte denn die neue Spezialität des Systems nicht als sich doch nur Klassifikation und Einteilung ist,
unversehens mit den materiellen Fragen der Schöpfung
eine methodische Entwickelung des System-Problems an-
364 UniverßcUien Eigentliche Begrifft und Mittelglieder 365

kompliziert. Es ist wunderlich, aber bedeutsam zugleich, daß in seiner Einheit mit der Kategorie des Begriffs, genau erkannt
dieser Doppelsinn sich nicht an das Genus anknüpft,
sondern werde. Die Metaphysik des Zwecks muß in
an die Spezies: die Konstanz der Spezies bildet das die Logik des Begriffs aufgelöst werden.
Kriegsgeschrei. Die Spezies ist aber in
ihrer 59. Die eigentlichen Begriffe. Hier mag
logischen Grundbedeutung nichts ande- nun zunächst die Erinnerung von S. 310 erneuert und erweitert
resalsdieldee. werden, daß der Zweckbegriff nicht etwa ausschließlich für
aber auch die Idee noch so äußerhch zum
Wenn nun die Systematik der bebchreibenden Naturwissenschaft not-
E i d o s materiahsiert wurde, das logische Mal des Begriffs wendig und nützlich war und ist. Die mathematische Natur-
es
konnte diesem doch nicht abgenommen werden. So stellt wissenschaft gebraucht ihn nicht minder, sofern sie Begriffe
sich denn heraus, daß es der alte Streit um die
U niver- in eigentlicher Bedeutung anwendet. Denn die-
s a 1 i e n ist, der imbei dem Streit
letzten Grunde um
die
jenigen Begriffe, welche innerhalb der Mathematik aus den
Konstanz der Spezies sein Fortleben beweist. Die Axiomen und, denselben zufolge, aus den Lehrsätzen ab-
Spezies sollen eigene Schöpfungsakte darzustellen haben •
geleitet werden, sind nicht eigentUche Begriffe; sondern, wie
und nicht nur Entwickeln ngsformen der 1 o g i s c h e n Reihe wir schon oben sagten, Abbreviaturen von Ge-
der Naturformen bedeuten dürfen. Also UniversaUa nicht in setzen. Außer diesen abgeleiteten Begriffen bedarf aber
Individuis, sondern ante Individua I Das ist die Losung. die Mathematik und die Mechanik, wie Sich nicht anders
erwarten läßt, des Begriffs im Sinne eines technischen Ver-
Solcher Materialisierung des Begriffs steuert der
Zweck,
als der Begriff des Individuums. Es sind falsche Begriffe,
suchs. Solche Begriffe, die Verkündiger und Träger
falsche Universahen, die selber und an sich den
Gegenstand eines neuen Problems, sind von jeher gleichsam
zur lebendigen Darstellung nicht zu bringen vermögen. Der außer der Reihe aufgetaucht.
Gegenstand ist ein vielfaches Problem, und hat
dem- Sie sind die Begriffe in eigentUcher Bedeutung, und sie
gemäß vielfache Bedeutung. Der Begriff erst, in seiner präg- kündigen daher auch eine neue Sammlung und Ordnung der
nanten Bedeutung, bringt den Gegenstand zum Abschluß; Lehrsätze an. Um sie entbrennt daher immer der heftige
die vorhergehenden Kategorien, an ihrer Spitze die
Kausalität,
Streit, der allerwärts für methodische Streitfragen charakte-
bilden alle nur Vorbereitungen auf den Gegenstand. Wie ristisch ist. Was wird aber aus solchen Ordnungsbe-
könnte daher plötzUch die Spezies den lebendigen Gegenstand griffen? Es wird aus ihnen, was aus ihnen nur werden
bedeuten ? Die Spezies, eine Stufe im Prozesse der kann, wenn anders sie sich trotz ihrer Neuheit als imma-
Systembildung des Begriffs, kann nicht plötzlich aus dieser nente Begriffe der Mathematik behaupten können: sie
logischen Entwickelungsreihe herausspringen, und das Indi- müssen in abgeleitete Begriffe sich verwandeln,
Sli viduum zur Schöpfung bringen. Diese Verirrung erklärt sich in das System der Grundsätze sich eingliedern; oder
nur aus der Materiahsierung des Zwecks zu einem absoluten aber selbst als neu e Grundsätze sich beglaubigen lassen.
Prius in der Vernunft des Schöpfers. Sie fällt also gänzhch So sehen wir auch hier die Anpassung des Ord-
heraus aus dem methodischen Zusammenhange der logischen nungsbegriffs an den Gesetzesbegriff sich
Voraussetzungen, welche selbst reine Erzeugungen sein müssen, vollziehen.
und keine andere Art von Schöpfung kennen diirfen als die der 60. Die Mittelglieder. In der Biologie läßt
der
reinen Erzeugung. So sehen wir, daß die Mißgriffe in sich der Ordnungswert des Zweckbegriffs deutlicher noch als
Ansicht vom Zweck dadurch zur Korrektur gelangen, daß die bei der Spezies erkennen. Gegen Darwin hat man ein-
31»

Begriffs.
schlichte und nüchterne Bedeutung des Zwecks, als gewendet, er habe die Mittelglieder, die Zwischen-
I
Darwin 367
366 Logik der Systematik

schon Aristoteles gelehrt hat, nicht sowohl und nicht in


il
stufen, welche die Varietäten verbinden, nicht erschöpfend erster Linie um den tatsächhchen lückenlosen Zusammen-
genug nachgewiesen. Indessen schon die Varietäten bilden hang der Lebewesen, als vielmehr um den kontinuier-
eine Instanz gegen die Selbständigkeit der Spezies. Sie machen lichen Zusammenhang der logischen Formen. 316
dieNaturformen als Individuen, und demgemäß als Begriffe Die Naturformen sind vor allem logische Formen.
unverkennbar deutlich. Sie machen damit aber den Zweck 62. Darwin. In solchem Kantianismus hat Darwin
als Begriff deuthch. Dennder Gesichtspunkt des das gesamte Problem der Klassifikation der Arten verstanden.
Zwecks ist vornehmlich der des Indi- Wenn er an die Stelle der künstlichen Systematik die
viduums. Das Individuum aber ist ein solches des natürliche setzt, so bedeutet ihm dies nicht etwa, daß
Systems. Das bedeutet e.r s t e n s freihch, daß das die Frage als Problem der Logik aufzuheben, und ledighch
Individuum der Organismus sei, als das System der als eine Frage der tatsächlichen Forschung zu behandeln sei;
Organe. Aber es bedeutet nicht minder auch, daß der Gegen- sondern er faßt das Problem in seiner ganzen Tiefe als ein
stand, als systematische Einheit, einem System der logisches auf; wenngleich er nicht immer den technischen
Gegenstände eingeordnet sei. Dieses System ist das der Ausdruck findet, noch auch immer sucht. Man muß nur
Naturformen, das Reich der Lebewesen. auch die Schwierigkeit, in der er, als Forscher, sich befindet,
61. Die Logik der Systematik. Auf diesem berücksichtigen. Er darf sich die Alternative nicht stellen:
Begriffe des Systems beruht die Systematik
der Natur- Logik oder Forschung. Und es wäre dies ja auch eine ohnehin
beschreibung. Der Begriff des Gegenstandsfordert falsche Alternative. Der Gegensatz ist ja in dieser Fassung
diese zweite Bedeutung des Systems, die sich der ur- nicht der eigentliche und wahrhaftige. Die logischen Formen
sprüngüchen, der des Reaktions- Systems, annähert. Das stehen nicht im Gegensatz zu den Naturformen, welche durch
Reaktions- System konstituiert mit dem Gegenstande zugleich die Forschung ermittelt; sondern vielmehr zu denen, welche
die Natur, als die der mathematischen Naturwissenschaft. durch die Schöpfung als Produkte besonderer schöpferischer
Das System, als Organismus, konstituiert so zugleich das Akte in der Natur angenommen werden. Nicht zur Forschung
System der Organismen. Dieses System der Lebewesen sucht bildet die Logik den Gegensatz, sondern zu jener falschen
die Systematik darzustellen. In ihr also betätigt sich das Theologie mit ihren absoluten, präexistenten Zwecken.
System als Begriff. Damit aber ist unaufhaltsam alle Ein- Ihr gegenüber wird die Klassifikation zur Genealogie;
teilung und Untereinteilung der Gattungen, die künstliche zur natürlichen Einteilung.
Arten und Varietäten als logische Arbeit Aber in der Genealogie kommt die Logik der Klassifikation
gekennzeichnet. erst zu ihrem Sinn, ihrer Kraft und ihrem Rechte. Die künst-
Diesen grundlegenden Gedanken für die ganze Spezies- hche Klassifikation ist die einer Logik, die auf halbem Wege
frage in allen ihren Konsequenzen hatte Kant
schon in der stehen bleibt. Die Fortführung des Wegs, die Ausfüllung der
Kritik der reinen Vernunft einleuchtend gemacht, indem er Lücken, in denen der Weg abgebrochen zu sein scheint, das
den Streit über die Prinzipien der Homogeneität und ist die Aufgabe der echten Logik; und dazu sollen die
der Spezifikation als eine Differenz in der Dispo- logischen Formen verhelfen: den leben-
sition der wissenschafthchen „Köpfe** subjekti vierte, der durch digen Zusammenhang der Naturformen
das Prinzip der Kontinuität seine Erledigung finde. Dabei finden zu lehren. Daher ist es ein so charakteristischer
aber hatte er schon dieses letztere Prinzip bezeichnet als die Einwand der Gegner, daß Darwin nicht überall die Mittel-
Lex continui formarum logicarum. Es handele sich gheder aufgezeigt habe; sie verraten darin ihr methodisches
also bei dieser Kontinuität in der Stufenreihe der Wesen, wie
Formeln und Gesetze Methodische Unselbständigkeit des Zwecks
368 369

nicht «ben selbst die


Mißverständnis. Als ob die Mittelglieder so gilt auch für das System des Zwecks dieser Kompaß. Aber
I logischen Pfadfinder wären, hält
man sie für Findelkinder freilich, wir sind bereits in ein anderes Land,
hoffenthch nicht
ausgesetzt habe. So zerreißt man den
welche die Natur selbst verschlagen, aber übergetreten; in ein Land, in welchem
der Natur der Lebewesen, weil
natürlichen Zusammenhang in die Kausalität der Funktion nicht zu einer unmittelbaren
An-
man den der logischen Formen zerreißt. wendung, Anbauung gelangen kann. Andere Furchen müssen
und scheint
S17 Man bezweifelt das Dasein der Mittelglieder, hier gezogen, andere Gemarkungen auch können hier nur
Bestätigung der D^^^" sehen
zu meinen, daß sie nur zur abgesteckt werden. So bedienten wir uns des Ausdrucks,
erst produziert werden
Theorie ermittelt, womöglich gar daß der Zweck zu einer Anpassung an die Kausalität
müßten; als ob sie nicht eben an sich und für sich selbst da die Weisung enthalten, die Leitung geben müsse. Der
Aus-
sein könnten; mit demselben
Rechte da sein durften, mit dem druck ist Darwin entlehnt. Und gerade der Ausdruck
und die gefeierten Spezies selbst ihr
auch die Varietäten selbst, wie Darwin ihn gebraucht, gibt guten Aufschluß;
nur S18
Existenz
Dasein behaupten. Wenn sie aber in unbezweifelbarer freilich darf man nicht von einem Gesetze der Anpassung
dann der Vorwurf
angenommen werden dürfen, was bedeutet reden. Die Anpassung ist selbst nicht ein Gesetz, sondern nur
gSen Darwin anderes, als daß er die Ausführung der Anweisung des Zweckbegriffs zu einer
^^^^^^rT^^^'^A^i^Xl
vollendet, und meht
Forschung die Naturbeschreibung nicht methodischen, technischen Operation.
zu Ende gebracht habe?
wir in
Die Anpassung bedeutet die Adaptation
Formeln und Gesetze. So erkennen
63
System der Organifmen an die allgemeinen phy-
dem Zusammenhang von Zweck sikalischen, wie chemischen Bedingungen
Tendenz
Gegenstand und Begriff die methodische
Kontroverse, welche
ihres Bodens und ihrer Umgebung. Sokommt es also
des Darwinschen Problems. Aber die auf die Kausalität heraus bei aller dieser
Problem angeschlossen hat, zeigt noch nach Anpassung.
sich an dieses In ihr selbst, in ihr allein liegen die Gesetze;
Mangel und eine Schwäche der logischen
anderer Seite einen und nicht in der Anpassung. Die Systematik der Forschung
Zusammenhang der Kategorien
Einsicht, der wir durch diesen bedient sich des Gesichtspunkts der Anpassung, das Auf- um
Slmen können. Die Formeln, in denen Darwin kommen von Varietäten erklärbar zu machen. So verkleidet
bezeichnet, werden gar nicht
seine logischen Auskunftsmittel
Sinne als Gesetze
sich, so verwandelt sich homogenerweise —
denn es ist keine
selten in einem falschen,
von
unklaren
mancher Seite nur dunkel empfun-
Maskierung, noch überhaupt eine Vertauschung der Rollen —
m betrachtet. Aus der der Zweck in die Anpassung. Der Zweck wird dabei nur, was er
I 1 logischen Gesichtspunkte und
denen Überschätzung dieser eigentlich und strengstens
sein soll, Methode, vielmehr genauer
ist viel Opposition und
ihrer technischen Formulierungen
erwachsen. Hier
nur Richtung auf die Methoden der Forschungsarbeit hin.
Auflehnung gegen die arigebhche Lösung Und worauf geht die Richtung? Und welche Methode
Geleis des Gedankens,
kommen .^r endlich wieder auf das gilt als Muster, der sich die Anpassung anzuähneln
habe?
von dem wir oben abgelenkt hatten. Orgamsmen selb-
Es ist und bleibt die Kausalität, auf welche die klimatischen,
Der Zweck macht das Problem der die Bodenverhältnisse und alle die anderen Bedingungen
Me-
keineswegs aber macht er dieselb-
ständig;
derselben
hinweisen. Unter dem Bilde der Anpassung
an jene
thode zur Erforschung physikalischen Verhältnisse erkennen wir also die Un-
Wie System der Re-
vielmehr sogar auch das selbständigkeit des Zweckbegriffs, als
ständig.
und Eigenart mit der einer eigenen zulänglichen Methode. Wie
aktion trotz aller seiner Selbständigkeit
Zusammenhange verbleiben muß.
Kausahtät im methodischen sich unter der Anpassung der Zweck entlarvt, so steckt hinter
Oohtm, LoffUc ämt rainea Brtenntoia. n. ^ofl. 84
i

I vom Monismus
Stoffwechsel. Physiologische Qptik 371
Unterschied
370
Gegenstand gelten wollen. Diese Selbständigkeit ist Schein,
welcher allein Gesetzes-
ienen Verhältnissen die Kausalität, der von dem falschen Zweck erborgt ist. Als Selbstdarstellung
welche daher alles hinsteuert, was an
kraft beiwohnt: auf des Zwecks macht er vielmehr es deutlich, daß er nur eine
anpassen komien.
physikalische Bedingungen sich soll Ansammlung von Fragezeichen und von
es um alle allenfalls
Wie es mit der Anpassung sich verhält, so steht Anweisungen die alle über ihn selbst hinaus auf die
ist,
Darwins Terminologie so genannten be-
irrtümlich in KausaHtät hinweisen, und mit ihr auf das System der Re-
Sie könnten
setze. Sie alle sind nichts weniger als Gesetze. aktion, in dem allein die GegenständHchkeit des Organismus
des Zwecks sein. Darin aber besteht
sonst nicht Vertretungen Das
selbst ihre methodische Wurzel zu erkennen hat. In-
ihre Bedeutung und Berechtigung,
daß sie den Zweckbegr. f dividuum,
entfalten. Als Gegenstand, ist nichts als
als
zu seinen methodischen Selbstanwendungen die Einheit von methodischen Regeln, die
solche Methoden aber müssen sie alle den Weg weisen auf die
den Weg zu den Gesetzen suchen und
der «nathematischen
Eine Urmethode hin: die Kausalität finden lehren.
Daher hat die Darwinsche Methodik trotz
Naturwissenschaft. 65. Der Stoffwechsel. Diesen Zusammenhang
Ausdrucke anhaften .

aller Unklarheiten, die ihr im


logischen
des Zwecks mit Kausalität und reaktivem System stellt auch
auf diesen Zusammenhang hingeführt, und
319 dennoch sicher die methodische Einheit dar, in welcher alle Probleme des
somit die Kluft zwischen der
belebten und der u n- Organismus zusammengehen. Der Stoffwechsel be-
belebten Natur, dem Problem nach, überbrückt. zeichnet diese Einheit. Er ist ein Analogon der
64 Unterschied vom
Monismus. Es konnte
Energieform. Alle Verwandlung, die im Organismus sich
scheinen, als ob dadurch der
Monismus Recht be-
vollzieht, wird unter dem Gesichtspunkte erforscht, daß
Das äußerlicher Schein; denn der Unter-
kommen hätte. ist sie die Einheit des Individuums herstelle und erneuere. Aber
schied zwischen dem System der
R e a k 1 1 o n und dem der Wechsel der Stoffe ist, als solcher, ein Wechsel der Be-
Individuums bleibt unverkürzt bestehen
System des wegungen. Und so ist der Organismus auf die Chemie und auf
Die ganze Darwin'sche Terminologie
ist 380
die Physik reduzierbar gedacht, insofern er durch den Stoff-
durchaus nichts anderes als Teleologie, präexistenten,
wechsel definiert wird. In ihm entlehnt der Organismus aus-
absoluten,
die sich vom \ristotelismus der gesprochenermaßen seine Selbständigkeit von der Physik;
selbstschöpferischen, vielmehr doch nur
materialen der Zweck springt auf die Kausahtät über; und es ist kein
Zwecke befreit, und, leider nur halbbewußt, zum Kantianismus Saltus, sondern vielmehr die Kontinuität, so der Kategorien,
der formalen Zweckmäßigkeit sich durchge-
wie der Probleme. Und wie es so mit der Definition des
sowohl an sich lebendig
rungen hat. Aber wie die Zwecke nicht Organismus sich verhält, so geht es weiter, so weit es angeht,
in der Anpassung an die Kausalität in Ge-
sind, sondern erst so weit bisher es sich hat erreichen lassen, in die einzelnen
so muß der innere methodische
setzen bestimmbar werden, Fragen hinein.
Unterscheidung
Zusammenhang ebenso, wie die methodische 66. Die physiologische Optik und die
Kausalitätsgesetz, festgehalten
zwischen Zweckbegrilf und Physik. Das Vorbild ist die physiologische
und hervorgehoben werden. ». ^:„»
.
eine
, Optik, welche die physikalische Optik anwendet auf den
Das Individuum ist zunächst und vornehmlich Sammel- und Zweckbegriff des Sehens. Oder wäre etwa
der Gegenstand der Reaktion;
andere Art von Gegenstand als
das Sehen nicht ein richtiger Zweck, unter dem es sich ver-
behaupten. Nichts-
und es muß diese Eigenart unverschleiert lohnte, die Verrichtungen des Organismus und seiner kleinsten
als Individuum,
destoweniger aber auch muß der Gegenstand, Organe zu sammeln und zu sichten, wie jener Begriff des
als Organismus keineswegs als
methodisch abgeschlossener 24-
372 Doppelheit von Zweck und System
Induktion 373

Sehens in dem Netzwerk ihrer Kausalitäten sich zu einer und dem Begriff zu erwägen. Es ist dabei auf S o -
einheitlichen Objektivierung durchsetzt? Freilich hat das k r a t e s wieder zurückzublicken. Er hat den Zweck und in
nach Aristoteles
Sehen das Auge nicht gemacht. Das war frei ihm den Begriff entdeckt. Aristoteles schreibt ihm
Gleichnis. Aber das Auge an sich macht das
ein hinkendes im Zusammenhang damit noch eine andere Entdeckung zu:
Sehen auch nicht deutlich. Der Begriff des Sehens muß sich die der I n d u k t i o n. Es ist wunderhch, daß diese drei
in den Zweck des Sehens verwandeln,
um das Auge selbst Begriffe zugleich auf Sokrates zurückgehen. In der
in jene Mannigfaltigkeit von Organen
und Operationen zu Geschichte des Denkens regen sie sich selten in einem Kopfe
der Phy-
verwandeln, an denen die Physik wie im Dienste vereinigt. Den Gegensatz zwischen der Teleologie und dem
zu stehen scheint. Der Schein darf jedoch nicht be-
siologie Begriffe haben wir schon so weit aufgehoben, als wir er-
rücken; er bedeutet nur. daß die Physiologie
an die Physik an-
kannten, daß in jenem Streite der Begriff nicht der eigent-
gepaßt wird. So kommt der Physik selbst der
Nutzen des
überhaupt
liche Begriff sei, sondern die Abbreviatur des Gesetzes.
Das Vorbild der Optik wirkt
Zwecks zustatten. Mit dem Begriffe dagegen, in der andern Bedeutung
den Zusammenhang von Anatomie und
Physiologie.
auf des Systems, zeigte sich der Zweck durchaus im Einver-
der Naturformen erfordert das Verständnis
Das Verständnis nehmen. Jetzt scheint nun eine neue Schwierigkeit sich zu
ihrer Verrichtungen. So wird Teleologie notwendig für die erheben von eingreifender methodischer Bedeutung.
behalt der
elementare deskriptive Anatomie. Aber atuch da Die Induktion wird insgemein verstanden als die Selbst-
Bedeutung der Anweisung und Anpassung an die
Zweck die bescheidung und Beschränkung der Forschung auf das Ein-
Physik.
Mechanik der Knochen und der Gelenke, also an die zelne; indem diese Beschränkung die Sicherheit gewähr-
67. Doppelheit von Zweck und System. leisten soll, daß das Allgemeine auf diesem Wege sich
nach allem eine doppelte Richtung,
in
Es ist schon einstellen werde, wenn anders überhaupt es erreichbar
die Eigen-
welcher der Zweck fungiert. Zunächst verwaltet er ist. Zwei Ansichten sind also in dieser Resignation einge-
art des Organismus, als des Individuums. Um
jedoch diese
schlossen
: das Allgemeine lasse sich auf keine andere
ihrer Werkstatt
nicht nur anschäuHch vorzustellen, sondern in Weise erlangen als vermittelst der Sammlung des Einzelnen.
Aufmerksam-
zu beleuchten, muß er nach der andern Seite die Das ist die eine Ansicht, die also dem Allgemeinen die selb-
keit lenken, und die Eigenart des
Individuums mit der all- ständige Erforschbarkeit abspricht.
setzen.
Die andere
gemeinen Geseztlichkeit der Bewegungen in Einklang Ansicht besteht eigentlich selbst aus zweien in der Viel-
:

im doppelten Begriffe des Systems.


»21 Die Vermittlung hegt heit des Einzelnen sei das Allgemeine latent; oder
den
Auch diese Doppelheit, ebenso wie die des Zwecks, macht es sei überhaupt ein leerer Wahn.
Zusammenhang von Zweck und System mit dem G e g e n -
Unsere ganze bisherige Darlegung widerspricht dieser
Stande deutUch. Auch der Gegenstand hat diese Doppel- Ansicht. Der Begriff der reinen Erkenntnis widerstreitet dieser
heit Noch als Reaktionsgegenstana ist er Abstraktion, Vor- Auffassung von dem Verhältnis des Einzelnen zu dem Allge- 321
nur zum che-
bereitung zum Individuum; und wäre es auch meinen. Der methodische Gang der Wissenschaften läßt die
durchgangig
mischen Körper. Dennoch aber, wie schon die reinen Voraussetzungen erkennen, die das Allgemeine be-
Vermittelung des chemischen Körpers es dartut,
notwendige deuten und vollgültig vertreten gegenüber dem Detail aller
rückwärts der Reduktion
bedarf der Gegenstand wiederum einzelnen Lehrsätze. Dennoch dürfen wir jene Ansicht nicht
auf den Gegenstand des reaktiven Systems. schon dadurch für abgetan halten; wir werden vielmehr an
68.Die Induktion. Wir haben jetzt nur nochmals anderen Stellen noch auf sie eingehen müssen. Hier sollte nur
den Zusammenhang* zwischen dem Zweck die Anknüpfung an die historische Tatsache der gleichzeitigen

»<f'i
Problem des Einzelnen 375
Induktion als Anpassung
374
dividuums, also des Zwecks bestehen. Also bleibt auch der
werden, um Begriff in dieser seiner Eigenart in Geltung.
Entdeckung von Begriff und Induktion 8«""*^^*neuen
des Begriffs von einer Be 70. Das Problem des Einzelnen. So recht-
dadurch die Bedeutung
fertigt sich die Ansicht von der Induktion, die sich hier er-
trachtung aus klarzustellen. Methode für das
Zunächst scheint die Induktion mit
dem intprpsse des gibt. Sie ist die legitime
J^f'^«f «J^^
Einzelne Problem der Organismen. Sie lenkt und fesselt
Individuums übereinzukommen,
indem sie das
Zweck ist ja die Fiktio^i des System
.
die Aufmerksamkeit auf das Einzelne, als eine
i:?^rhebt. Aber der
einereinheitlichen Gemeinsamkeit und AU selbständige Einheit. Und in den Arten und
also
gemeinheit. Nun. die Induktion ver ««8««* J^. Gattungen, die sich aus diesem BHck auf das Einzelne
sie stellt es nur in Frage;
Wege
f^^\,J^^
auf einem arschließen, enthüllt sich unverkennbar ein Allgemeines.
Allcemeine nicht;
Un der eine Weg. der vom Einzelnen Und doch ist dieses Allgemeine nicht das letzte Ziel, auf
ÄTogar in Aussicht.
richtige, sofern es welches die Induktion hinstrebt. Wie der Zweck von der
und auf das Einzelne ausgeht ist ja der
sich um die Individuen der
Lebewesen handelt Zwischen zweiten Bedeutung des Systems auf die erste und also
also, was den Ausgang be- auf die Kausalität zurücklenkt, so führt die Induktion auf-
dem Zweck und der Induktion ist

Divergenz. Und das Einvernehmen zeig sich wärts dahin. Die Induktion ist die Methode zur FormuUerung
frim keine
das and«rc des Problems der Organismen; aber ebenso wenig, wie
\l
aülh fernerhin, da die Induktion J «f
als die G
^l ^at-
Freihch wird dieses Ziel gewöhnhch der Zweck, formuliert auch die Induktion in sich dessen
schließt
t uns und die Art
gedacht, die nach der gemeinen Ansicht Lösung. Um die Lösung auch nur zu for-
d^s A U ß e m e i n e zu dem
Einzelnen bilden und bedeuten. mulieren, muß
über sich selbst hinaus-
sie
69 otr Induktion als Anpassung Aber gehen und hinausweisen. So läßt sich ein feiner
Sinn in dem griechischen Ausdruck der H n
-
anderes bedeuten;
Hinführung" kanr doch auch etwas
i
die hjgebachte besonders wenn man an einen

Ä als auf das üh r u ng finden, der,


auf ein anderes Ziel sich beziehen
f

Die Induktion (^"«wi) verstehen wir hier als korrelativen Ausdruck im voraus denkt, wohl als Hinzu-
Alleemeine.
i n f ü h r u n g .
die wir bisher An p a s s u n g ge- f ü h r u n g und Emporführung gedeutet werden darf.

^nnt haben a u t d i e a 1 1 g e m e i n e n ^« - \- \- 7L Zusammenhang von Induktion und


zum wenn
Zweck. Die Induktion wird Vorurteil^ sie als ein

selbständiger, abschUeßender Weg gedacht wird, der über den


fiu

^^e Hinführu.^ ajles Ei..^^^^^^


l: l\ÜtU; Ut"anVn\!s Wert und das Schicksal des Allgemeinen zu entscheiden ver-
B^gSralfÄks" 7^ ?Äet: Vau erdÄg möge. Solche Selbständigkeit wohnt der Induktion nicht
inne; sie ist kein ganzer Weg; sie weist auf einen andern
Weg hin, in dem sie ihr Ziel erkennt, auf das sie nur hinweisen,
das sie nicht bezeichnen, geschweige bestimmen kann. Aber
sie ist ein halber Weg; und als solcher weder ein Umweg,
noch ein Abweg, sondern ein gerader und unerläßlicher
Schritt. So verstehen wir den inneren Zusammenhang
zwischen Induktion und Begriff als den Zusammenhang
von Induktion und Zweck, und gemäß der
doppelten Richtung in der Befugnis des Zwecks. Die In-
E=eTSsdrw-grda^^^^^^^^^^^
Logtk des Begriffs Paychologiamus des Begriffs 377
376

duktion gehört zum Begriffe nach seiner biologischen Eigen- ohne Sonderung bestehen kann. Das galt für das
*
art; nicht sofern er die Abbreviatur des
Gesetzes bedeutet. reineDenken überhaupt. Jetzt gilt es, diese Grundbestimmung
Da nun aber diese Eigenart doch nicht wohl im letzten me- fruchtbar zu machen für die Bedeutung des Begriffs; von der
Halbheit be- engeren Bedeutung aus für die allgemeine; denn es bleibt
824
thodischen Grunde nur einen Mangel und eine
deuten dürfte, so wollen wir versuchen, die allgemeine
Be- an dieser von der Eigenart des Begriffs etwas haften;
von hier wie auch die biologische Induktion nicht minder in der exakten
deutung des Begriffs, wie sie hier, erhellt, und
aus auf die anderen analogen Probleme zurückstrahlt,
endhch Systematik zur Wirkung kommt.
noch zu erörtern. 73. Der Psychologismus des Begriffs.
,^ ^^ ,
Die Mythologie des Begriffs wird durch den Psycho-
.

72. Die Logik des Begriffs. Die Mythologie, 3»


des Be- 1 o g i s m u s scheinbar überwunden, vielmehr aber be-
die nicht gestorben ist, hat andauernd den Sinn
griffs vergiftet. Es ist das Gift der Ansteckung, welches kräftigt. Es gibt nur e i n Mittel, das von dem Aberglauben
in allen Zeiten, wenn auch in der Mischung mit
wechselnden und dem Zauber der Mythologie zu befreien vermag, das ist
Motiven, die Logik des Begriffs nicht hat zur Klarheit kommen die methodische Erkenntnis daß alle Begriffe die Schöpfungen,
:

lassen. Und es ist nicht allein die theologische


Mythologie, die Grundlegungen des wissenschaftlichen Geistes

welche den wie den Zweck, verdinglicht und per-


Begriff, sind. Der Psychologismus schiebt ein falsches Mittel unter,
sonifiziert; sondern die Schwäche, an der
der wissenschaft- indem er den Begriff zur Vorstellung und somit zum V o r -
liche Idealismus in bezug auf die Schlichtheit seiner me- Stellungsgebilde macht. Dadurch wird der Begriff erst
zeigt recht wieder verdinglicht. Aber wir wollen uns ja nicht weiter
thodischen Forderungen und Voraussetzungen leidet,
sich auch in dem immer wieder auftauchenden
Bedürfnis, den um den Universalien- Streit bekümmern. Indessen der Irrtum
Begriff seiner angeblichen Abstraktheit zu entkleiden.
Dar- geht und greift den Wert und Sinn der reinen Erkenntnis an.
über Die Frage mag uns nachgerade abgestanden scheinen,
über sollte nicht weiter geredet zu werden brauchen,
den Universalien- Streit sollten die Akten geschlossen
sein. ob und wieviele Elemente, als Merkmale, in die Ein-
Aber über seine Nachwirkungen kann und darf man
sich heit des Begriffs sich zusammenfassen lassen, oder nicht.
Diese Zusammenfassung ist uns genugsam als die psycho-
nicht hinwegtäuschen. Noch immer glaubt man den
logischen
logische Verbindung verdächtig. Für sie bietet sich
Charakter des Begriffs damit zu treffen, daß man
ihm die
Merkmale
aufbürdet. das Bild dar, in dem die Elemente sich zusammentuschen,
Einheit seiner
Freilich muß der Begriff eine Einheit bedeuten. und in dem sie allenfalls auch ihren Rahmen finden mögen.
Das ist der Grundwert, den Piaton ihm aufgedrückt Wir dürfen jedoch der Zuversicht wegen, daß die reine Er-
kenntnis das Vorstellungsbild beseitigt haben werde, der er-
hat; allerdings sofern er ihn in die E i n e I d e e
verwandelt
der Seele (^V n xpvxvg), wir verstehen sie als neuten und direkten Kritik dieser Illusion bei dem Begriffe
hat. Die Einheit
die Einheit des Denkens, als die Einheit in der
die Elemente, selbst uns nicht entheben. Wenn es selbst möglich
also die Merkmale vereinigt werden. Aber hier ist unsere wäre, die Merkmale in einem Begriffs-
aUgemeine Charakteristik des reinen Denkens, der
zufolge bilde zusammenzuschließen, so soll es
Einigung und Sonderung
in Erhaltung sich nicht statthaben. Wenn es psychologisch möglich
durchdringen müssen, ein wichtiger Fingerzeig. Die Ein- wäre: logisch darf es nicht möglich sein. So scharf ist der
Unterschied der Interessen in Psychologie und Logik.
heit darf nicht als ein Ding gedacht werden
sie würde so nicht gedacht, sondern vorgestellt; sie muß Dem psychologischen Irrtum vom Begriffsbilde gesellt
Einigung gedacht werden, die nicht sich der logische vom Ganzen zu. Das Ganze hat Teile
vielmehr als jene
l^

System und Allheit. Einteilung und Gliederung 379


378 Begriff als Frage

erst bilden das Band; aber Band muß lösen, indem es schürzt.
und besteht aus und in den Teilen; die Teile geistige dieses
Idee
Wo man einen Gegenstand aus Teilen zusammen- Das ist der tiefe Sinn, in welchem P 1 a t o n seine
Ganze
zimmern kann, da bedarf es keines Urteils
des Ursprungs^ als die Einheit erkennbar macht, die nur Ein-
und also keiner Logik. Die Logik setzt an
die Stelle des heit sei und bleibe, wie oft und wieviel sie in
Ganzen das System. Und das System, das
ist der echte Bildern ihren Niederschlag gefunden haben mag. Die wahr-
und rechte Begriff. Sein Sinn und Wert läßt sich daher auch hafte Einheit ist Allheit, welche jedoch nicht auszähl-
erkennen. Das Ganze
in seinem Gegensatze zum Ganzen bar ist.

will vollständig sein; so


im vorgestellten sinnlichen Unterschied zwischen System und
75.
Gegenstände; so auch metaphysischabsolute To-
als Allheit, Wir kommen hier auf den Unterschied
talität. Der Begriff hingegen will und zwischen System und Allheit zurück. Wir
darf nicht vollständig sein. Seine Einheit soll wissen, die Allheit nimmt nicht Rücksicht auf den Einzel-
m unaufhörlich eine offene bleiben; jeder
Abschluß wurde wert der GHeder, die sie zusammenfaßt; vielmehr nur zu-
zur Erstarrung, zur Verknöcherung,
also zur Verdmglichung, sammen f a ß b a r macht. Sie bewältigt sie nicht in ihren
Verblassung im Bilde führen. Einzelheiten; sie umschließt sie nur. Die unendliche
also zur vor-
Reihe ist nicht nur das Beispiel, sondern auch der
74 Der Begriff als Frage. Das
Bild scheint

den Begriff konkret, lebendig und regsam zu machen; das bildhche Sinn der Allheit. Der Begriff dagegen darf sich dem
gerade Gegenteil ist der Fall. Im Bilde hört das Interesse für die Glieder selbst nicht entziehen, deren Einheit
mehr
Leben des Begriffs auf. Und der Begriff muß er bilden soll. Sie sind zwar nicht seine Teile; aber, was
f f e n b leiben will, seine Glieder. Die Teile kümmern sich nicht
immer Leben bedeuten, d. h. Regsamkeit, O sagen
der Probleme, und immanente Arbeit an deren um das Ganze, das eben nur ihr Fazit wird. Die Glieder aber 387

formulieren sind die Glieder der Wechselwirkung; sie werden zwar


vom
Behandlung. Die Probleme, die der Begriff
soll dürfen in ihm niemals als geschlossen formuhert, gedacht System bedingt; nicht minder aber auch bedingen sie selbst
in welchem S o kr a t e s das System; wohl verstanden, nicht nur als GHeder, sondern
m
werden. Das ist der tiefe, ewige Sinn,
seinen Begriff als die Frage: Was ist? (w .V.) defmiert ihrem besonderen Werte bedingen sie das System. So
bleibt Frage, Und diesen
hat Der Begriff ist Frage und unterscheidet sich das System von der Allheit.
nichts als Frage. Auch die Antwort, die er ent- Unterschied vollzieht der Begriff. _
hält, muß eine neue Frage n, eine neue
« e i 76. Die Einteilung und Gliederung. Die
innerliche methodische Ver- Verwechselung des Systembegriffs mit dem Ganzen ist
noch
Frage wecken. Das ist eben das nämhch
hältnis, welches zwischen Frage und Antwort besteht, daß durch einen technischen Ausdruck begünstigt worden,
daher kann und durch den der E i n t e i 1 u n g So übersetzt die deutsche
jede Frage selbst eine Antwort sein muß;
.

Sprache den alten Terminus der D i v i s i o. Man


könnte
muß auch jede Antwort eine Frage sein. arithmetischen
Es ist eine neue Art von Wcchselbedingung, von
Wechsel- aber versucht werden, demgegenüber an den
Begriffs vollzieht: Sinn des Ausdrucks zu denken, welcher an sich
em umge-
wirkung, welche sich in dem System des
Um-
die
Ant-
Wechselwirkung von Frage und Begriff kehrtes Problem bezeichnet. Bei der Einteilung hilft die
Ganzen.
wort. Keine Lösung darf als definitiv gelten. Der kehrung nichts; denn sie wäre nur die Umkehrung des
Und die Teile sind an sich
ist keine absolute T o t a 1 i t ä t ; hinter der steckt Die Einteilung befestigt die Teile.
seine Teile nicht in der Hand nicht weniger schhmm als das Ganze. Sie sind Ganze im
vielmehr das Ganze, das aber
Also auch die Merkmale des Begriffs werden
dadurch
hat; fehlt das geistige
ihm Band. Der Begriff allein ist das kleinen.
Stammbaum bei Darwin. Doppelsinn der exakten Begriffe 381
380 Wesentlichkeit der Merkmale

keinen Anfang und kein Ende. Der Anfang ist eben vielmehr
ZU abgeschlossenen, sei es Lösungen, sei es Problemen. Die Ursprung; und das Ende vielmehr System.
Einteilung muß daher zur Gliederung werden. 78. Der Stammbaum bei Darwin. Für den
Wie das System im Organismus der Organe sich bewährt, Begriff der Induktion möchte es unmittelbarer deutlich
so vollzieht der Begriff seine Einheit in der Ghederung. Die sein, daß er seine Lösungen im Flusse der Probleme darzu-
Merkmale, die er zu vereinigen hat, sind GHeder; und die bieten habe. Man weiß, wie die Stufenleiter
der
Zusammenfassung, sofern sie ihm obliegt, ist Gliederung. Wesen Und
gerade aus dem
eine solche der Begriffe ist.
Für den Organismus sind alle Organe wertvoll; durch jedes Gesichtspunkte der Deszendenz haben wir diese wahr-
seiner Organe ist er bedingt, wie jedes selbst auch von ihm be- hafte Identität erkannt. Es sei hier daran erinnert, daß
dingt ist. Ob alle Organe von gleichem Werte sind Darwin den Stammbaum der Arten in einer
Eine sonderbare Frage; vor allem eine verfrühte und vor- logischen Struktur zur Darstellung bringt; wie
greifende; denn wir wissen noch gat nicht, was Gleichheit man ähnlich den Zusammenhang der Ober- und Unterbegriffe
bedeutet. im Bilde einer Pyramidevorgestellt hat. In den bio-
77. Die Wesentlichkeit der Merkmale. logischen Fragen ist man daher an den Gedanken gewöhnt,
So dürfen wir denn auch die Abschätzung der Merkmale, daß die Begriffe ineinander überzugehen, zu neuen Begriffen
als wesentliche, oder mehr oder weniger wesentliche sich umzubilden haben.
und unwesentliche auf sich beruhen lassen. Freilich ist
79. Die doppelte Bedeutung der exakten
innerhalb eines Problems, also innerhalb eines Begriffs,
Begriffe. Dagegen könnte man stutzig werden, den
sofern er dieses eine Problem formuhert, ein Merkmal weniger Begriff als dieEinheit von Antwort und
von Belang als ein anderes; aber das von geringern Frage, von Lösung und Aufgabe auch in der mathema-
Belang spielt nichtsdestoweniger in jenes Problem hinein. tischen Naturwissenschaft erkennen zu dürfen.. Hier scheint
Wir wissen, wie das zugeht; es beruht dies auf dem Zusammen- die Definition und vor allem die Ableitung
aus den
hang, auf der Ordnung von Gattung und Art. Es ist also nicht
A.xiomen einen Widerspruch gegen die Induktion zu bilden
828 nur ein relativer, etwa nur äußerlicher und subjektiver, sondern und demgemäß auch gegen die systematische Korrelativität
gleichsam ein korrelativer, methodischer Unterschied, auf von Lösung und Aufgabe, in welcher der exakte Begriff nicht
den allerdings die mißverständliche Bezeichnung wesentlicher bestehen dürfe.
Merkmale zutrifft. Aber die Gliederung wahrt, der Zwei- Dieser Einwand hat seine Berechtigung; aber auch seine
deutigkeit gegenüber, die in jener Unterscheidung liegt, die
Einschränkung. Die Begriffe der Mathematik und der mathe-
Notwendigkeit und UnverletzHchkeit eines jeden dieser Ele-
matischen Naturwissenschaften sind allerdings nicht solche 829
mente; denn sie alle sind Glieder.
der Induktion. Wir werden es später eingehend zu erwägen
Mag der Ausdruck „wesentlich" hingehen und allenfalls haben. Aber wir haben schon oben (S. 365) es angedeutet,
auch berechtigt sein: u n wesentlich ist keinMerk-
daß auch in der mathematischen Naturwissenschaft Ord-
ma Das widerspricht der Gliederung, in welcher der Be-
1.
nungsbegriffe Platz greifen müssen. Diese Ordnungs-
griff nicht nur sich vollzieht, sondern schlechterdings auch
begriffe fallen dem Ausdruck nach mit den exakten Begriffen
seinen Bestand hat. Als Glied des Begriffs ist ein Merkmal
zusammen. Daher entsteht die Gefahr, diese für Begriffe der
so wertvoll, als das andere. Hier gilt kein Weniger oder
Induktion zu halten.; während es gleichsam nur ein Neben-
Mehr. Es findet hier eben keine Summierung statt und keine
amt ist» in dem sie dienstbar werden. Der Begriff der
Teilung. Der Begriff ist diejenige Einheit, die selbst wieder
Da gibt es Energie bleibt ein exakter Begriff; aber er wird gebraucht
in Einheiten wurzelt, und in Einheiten gipfelt.
¥^

382 Struktur des disjunktiven Urteils Entweder — Oder 383

als ein Ordnungsbegriff für die Gliederung der verschiedenen Wir stehen hier unter dem Gesichtspunkte der Re-
Energieformen. lation. eine innerUche Steigerung
Die Disjunktion ist

Schon der Begriff der Bewegung ist für die ver- derselben, insofern sie nicht in gerader Linie geht, sondern
schiedenen Arten derselben nicht bloß hinterher ein Ordnungs- vom Ende zum Anfang zurückbiegt. Was das Denken über-
begriff; sondern er entsteht als ein neuer Begriff, etwa haupt die Vereinigung von Son-
charakterisiert,
als der der Molekular-Bewegung und fordert derung und Einigung, das kommt hier zum präg-
als einander abwechselnd, und
eine neue Ordnung. Die Ableitung ist noch nicht ge- nanten Ausdruck; aber nicht
funden; die Ordnung vielmehr soll erst zur Ableitung aus den in dieser Abwechslung sich erhaltend; sondern gegen-
Grundsätzen und Voraussetzungen hinführen. So seitig sich fordernd und bedingend. Diese
verhält es sich auch mit den Begriffen, welche in der Wechselbedingung ist das Neue des dis-
Mathematik Wegeneue bahnen, wie mit junktiven Urteils. Es vereinigt die Zusammenführung
komplexen
dem Begriffe der Zahl. Zunächst ist auch {(vwaytorri) UUd die Trennung {öiaigeffig).

sie ein Ordnungsbegriff unbeschadet des ihr an sich ver- Die deutsche Sprache hat dafür charakteristische Binde-
bleibenden Werteß, ja was noch mehr sagen will, des ihr worte: entweder —
oder. Im Entweder liegt die
vielleicht erst zu erobernden Wertes: ein exakter Begriff zu Trennung; Oder aber fordert die Verbindung; und diese
sein, der mit den Axiomen vereinbar sei. So ist also der letztere Verbindung kann ebenso als Trennung, wie als Bin-
Begriff, als Einheit von Lösung und Aufgabe, auch im Ge- dung gefordert werden. Es ist eben die Wechselbedingung,
die auch im Oder regiert. Bilden wir nun die Beispielform
biete der mathematischen Naturwissenschaft zu würdigen;
zumal auch dort die Begriffe, auch sofern sie aus den der Struktur für dieses Doppelgespann, das auch in doppelter
Axiomen und Gesetzen abgeleitet sind, in diesem Schweben Richtung läuft; spannen wir ihm nur die Elemente vor: ent-
zwischen Lösung und Aufgabe verharren. weder A oder B. Was bedeutet das? Es kann bedeuten, daß
Die Struktur des Begriffs im dis-
80. C,D ausgeschlossen seien.
. . .
Dann sind A und B in ein
junktiven Urteil. Wir kommen zur logischen System der Wechselbedingung zusammengespannt, das,
Struktur unseres Urteils, die wir bereits als Glie- das eine, sei es für das andere, Bejahung oder Ver-
sei es für

derung bezeichnet haben. Die alte Terminologie hat den neinung bedeutet. Das System, welches so sie bedingt und
Ausdruck der Disjunktion geschaffen, der schon bei ghedert, ist der Inhalt und Wert der Disjunktion.
Cicero vorkommt. Er ist die Übersetzung des ent- Die Beispielform kann aber auch noch eine andere Be-
sprechenden griechischen Ausdrucks öis^evyfiivov. Die grie- deutung haben entweder A, oder B, oder C, oder D
:
Jetzt . .
.

Je mehr die Elemente


chische Terminologie unterscheidet das Disjunctum wird der Sinn des Oder zwingender.

vom A dj u n et u m, welches dem Connexum gleich- wie in eine unendliche Reihe gerückt werden, desto gebie-
terischer erscheint das Oder Das System der Wechsel-
gedacht {<rvvr^fifiivov)t uud vom conjunctumvclcopulatum
{ffvfinenksy/Äivov) unterschieden wird. Die letztere Verbindung bedingung macht sich in aller Strenge geltend. Es geht nicht
Kopulation durch das Binde- an, etwa zu denken: weder A, noch B, noch C, noch D
. .
.

ist die der einfachen


wort Und; die Adjunktion aber bezeichnet das h y p
o- sondern eben entweder — oder. Das neue Recht des
Urteils tritt so unverkennbar hervor. Das Denken darf
330 thetische Urteil, und darf daher als Konnexion nicht entheben; es
sich der Wechselbedingung
auch bezeichnet werden. Was bedeutet nun aber die Ent-
zweiverbindung? Denn so etwa möchte man doch die muß das System verknüpfen. Aber das System ist weder
Disjunktion übersetzen dürfen. eine einfache Kopulation, noch selbst eine hypothetische
384 Disjunktives und hypothetisches Urteil Disjunktion und Zweck 385

Konnexion; sondern es ist die eigene, neue Art der Dis- oder an die Schablone von Wenn —
so, so darf die vierte
junktion. Formel nicht aufgestellt, oder sie muß ergänzt werden. Damit
tti 81. Disjunktion, nicht Kontinuität. Man aber würden auch die drei anderen durch die Aufnahme des
könnte einwenden, diese Leistung des Systems würde schon Oder ergänzt werden müssen. Indessen wäre dies eben keine
durch das Urteil der Kontinuität vollzogen, indem dieses Ergänzung; sondern die Schablone wäre durchbrochen, wenn
verhindert, daß das Denken weder A, noch B u. s. w. setzen man nicht etwa den neuen Irrtum beginge, das Oder nur
dürfte. Das ist richtig. Aber der Einwand verkennt die kopulativ verstehen zu wollen.
logische Bedeutung der Arten des Urteils, die wir im en- Wenn man dagegen, den innern Zusammenhang von 332
geren Sinne als Urteile der Logik ausgezeichnet und vor- System und Kausalität anerkennend, auch die Verwandtschaft
angestellt haben. Sie enthalten die allgemeinen Vor- beider logischen Strukturen beachten will, so würde Entweder
bedingungen des reinen Denkens. In ihnen aber ist — oder bedeuten: Eines muß A, nämhch Ursache; Eines
keineswegs die Bedingung schon enthalten, geschweige die muß B, nämlich Wirkung sein. Damit würde eben das System
Wechselbedingung. Daß rückwärts von B, C, D, auf A wechselseitiger Bedingtheit behauptet. Wenn man daher die
eingewirkt werden kann, davon steht nichts im Urteil der Eigentümlichkeit des Entweder —
oder abstumpfen dürfte,
Kontinuität. Aber freiUch könnte die Disjunktion nicht von so könnte man lieber gleich es aufheben in die Verbindung
B zu C, zu D ... weiter gehen, wenn nicht das Urteil der von Sowohl —
als auch. Dadurch würde man aus dieser
Kontinuität die Möglichkeit dieses Fortgangs erwirkt bloßen Kopulation eben eine systematische Verbindung
hätte. So beruht freilich das Recht der Disjunktion letztüch machen, die auf gegenseitiger Versicherung beruht. Aber
auf dem Ursprungsrechte der Kontinuität, das eben für alle welchen ernsthaften Sinn hätte es, die Logik in ihrem Glieder
Urteile als Vorbedingung gilt. bau zu zerschlagen, und diesen in die Sprachformen hinein-
Unterscheidung des disjunktiven
82. zupassen, so gut, oder so schlecht es gehen mag. Da war
vom hypothetischen Urteil. Ein anderer doch der Dichter noch konsequenter, der die Pferde,
Einwand aber muß noch berücksichtigt werden. Man glaubt, sofern er sie mit Wenn füttert, zugleich auch mit Aber
dem disjunktiven Urteil die Selbständigkeit nehmen zu müssen, füttert; nicht mit So. In dem Aber steckt der alter-
indem man es in ein hypothetisches verwan- native Sinn des Oder. Es ist die neue Forderung und die
delt. Entweder —oder löst man auf in Wenn —
so, und
neue Leistung.
setzt die Negation auf beiden Seiten hinzu. So wird aus dem 83. Disjunktion und Zweck. Die Zugehörig-
Doppelgespann ein Viergespann. Wenn A, so B. Wenn nicht A, keit zu einem System der Bedingungen ist auch das Ge-
so B. Wenn A, so nicht B. Wenn nicht A, so nicht B. Was meinsame, welches die Disjunktion mit
wird aber im vierten Falle ? Bleibt es dabei ? Das hypothetische dem Zwecke hat. Wir wissen, der Zweck fordert
Urteil kann an seinem Teile nicht weiter gehen zu C, D . .
gleiches Recht und gleiches Ansehen für alle Elemente des
Entweder — oder kann nur dann in Wenn —
so miß-
Begriffs; denn sie alle sind Glieder. Die Disjunktion ist Glie-
deutet werden, wenn es sich kausal um A oder B handelt, derung; sie macht die Glieder ebenbürtig zur Wechsel-
welches von beiden das A und welches das B sei; welches das x bedingung. Und gerade diese Ebenbürtigkeit der GHeder
und welches das y sei. Entweder —
oder läßt sich daher stellt andererseijts wiederum die Bedeutung des Begriffs, als
jedoch gar nicht mit den Symbolen x und y bezeichnen; Einheit von Lösung und Aufgabe, von neuem klar. Der
denn es handelt sich eben um bestimmte Werte, die allenfalls Begriff darf nicht in einer Lösung sich abschließen; jede
über y hinaus gesucht werden müssen. Hält man Entweder — wahrhafte Lösung ist der Schoß neuer Aufgaben. Diese
Cohen., Logik der reinen Erkenntnis, n. Aufl. SS

:^ :J:
Anwendung auf die OeschicfUe
386 Mannigfaltigkeit der sittlichen Begriffe
387

formulieren sich in neuen Merkmalen: die systematische Ethik, die auf allen jenen Gebieten für ihr Problem die
entgegen-
Disjunktion darf getrost den neuen Merkmalen herrschende, die leitende Stellung behaupten muß, verletzt
bUcken; die Gliederung in ihrer Zweckhaftigkeit wechsel- werden soll.
seitiger Bedingung macht sie alle ebenbürtig
und als einander Die sittlichen Begriffe sind vornehmlich Gesetze; reine
bedingende Glieder gleichwertig. Voraussetzungen des Willens; Vor- reine
schriften der Handlung. An diese reinen Gesetze der
84. Anwendung auf die Geschichte. Von Ethik soll nun aber die Anpassung erfolgen. Diese indu-
dieser Art
hier aus können wir übergehen zur Beleuchtung zierende Bedeutung muß auch hier der Zweckbegriff
haben.
des Urteils für die Probleme der Geisteswissen- So muß er zum Ordnungsbegriffe auch der Geschichts-
schaften. Auch das geistig-sitthche Universum ist ein forschung werden; oder aber es würde sich in der Geschichte
System. der Begriff ist, als Zweck, für die sittlichen
Und nicht um sitthche Handlungen, nicht um sitthche Menschen,
Aber
IBS Fragen in erster Linie von Sokrates entdeckt worden. nicht um geistige Mächte und Kämpfe, sondern um sogenannte
das Hauptgebiet der Forschung für die sciences morales Naturvorgänge handeln, die jedoch hier nur eine metaphorische
ist die Geschichte. Daraus entsteht eine methodische Bedeutung haben könnten; welche ihnen übrigens auch dann
Schwierigkeit. Weil die Geschichte den Schauplatz verbleiben würde, wenn man die Geschichte unter dem ein- 334
darstellt, aufdem die sittlichen Handlungen sich vollziehen, seitigen Bilde der Wirtschaft vorstellbar macht. Der
so glaubt man ihr auch das Recht zusprechen zu dürfen, daß sitthche Begriff muß also ebenso Gesetz, wie Ordnung be-
sie zugleich den Lehrpa n bedeute, das Vorbild und
1 deuten. Das ist die Doppelbedeutung des Zwecks; die Ordnung
die Musterkarte für alle künftige Entwickelung. So ver- zum Behufe der Anpassung. VerdingUchung und Personi-
der
drängt die Geschichte die oberste und souveräne Leitung fikation ist schlechterdings überall ausgeschlossen. Es gibt
wie es von jeher gewesen
Ethik. Unsere Weisheit darüber, keine absoluten Zwecke; sie wären materiale.
ist, darf unsere Fragelust nicht
beschwichtigen danach, wie 85. Die Mannigfaltigkeit der sittlichen
es dereinst sein werde. Man sieht sogleich, es regt sich der Begriffe und die Einzigkeit des Sitten-
alle
wahrhafte Begriff mit seinen ewig offenen Lösungen, die gesetzes. So löst sich nebenbei hier ein sehr wichtiger
nur Lösungsstufen bedeuten wollen, gegen die alterskluge und schwieriger Konfükt, der die EmpfängUchkeit für
Weisheit, für welche die Hauptfragen des Gewissens end- den Gedanken eines absoluten Sittengesetzes
die Folge-
gültig erledigt sind. Nur Bestätigungen kann für sie herabstimmt. Die Mannigfaltigkeit der sitt-
bringen; oder aber stets neue, vielmehr die alten, nur lichen Begriffe, welche die Geschichte darstellt und
zeit
wiederkehrenden Illusionen. entstehen läßt, scheint gegen die Einzigkeit des
Und der Zweck spielt hier besonders seine zweideutige Sittengesetzes Einspruch zu bilden. Indessen ist
Rolle. Er hat ja den Januskopf, der rückwärts in die der sitthche Begriff, als Begriff, die Einheit von Lösung und
Vergangenheit und vorwärts in die Zukunft blickt. Nach der Aufgabe. Also ist dafür gesorgt, daß er nicht in einer de-
einen Seite ist der Zweck ein Ordnungsbegriff;
nach finitiven Erledigung des sittlichen Problems verknöchern
der andern ein Normalbegriff, analog den exakten kann. Weitere Fragen, wie die Geschichte sie aufwirft,
Begriffen,den Abbreviaturen der Gesetze. JBeide Bedeu- werden neue Antworten heraufbringen; nicht ein ewiges
tungen jedoch müssen scharf und streng auseinandergehalten Grab, sondern eine ewige Geburt; und nicht eine Wieder-
werden, wenn nicht einerseits das Interesse der Geschichts- geburt, sondern stets eine Neugeburt. So sorgt der Begriff
forschung in allen ihren Gebieten, andererseits das der für die Ordnung der Mannifa Itigkeit auf sitthchem Gebiete.
25*
Warum oder Damit. Mittel und Zweck 389

Geschichte und Ethik


388 die Kraft der geschriebenen. An die ungeschriebenen Gesetze
muß die Anpassung der geschriebenen erfolgen.
provisorische Richtung Warum oder Damit.
Aber das ist doch nur die eine, die 86. Unter allen Kate-
der Aufgabe des Zwecks. Die Ordnung muß zur Anpassung gorien hat die des Zwecks am meisten in dem gewöhnlichen
Die den Gesetzen analogen Normen der Verstandesgebrauch gelitten. Das populäre Denken wird
hinleiten.
hat, sie
Ethik, die das Sittengesetz zusammenzufassen von dem Zweckbegriffe beherrscht. Man darf vielleicht sagen,
müssen der Leitstern bleiben, nach
dem alle Mannig- daß es in ihm sich erschöpfe, sich verzehre. Daher der Kampf
faltigkeit sittlicher Begriffe orientiert
werden muß. Das ist zwischen Zweck und Kausalität als ein Kampf auf Tod und
Teil, in dem die Aufgabe des Zwecks erst sich Leben, weil er als ein Kampf gefühlt wird zwischen Wissen-
der andere
erfüllt In dieser Orientierung wird die Geschiente schaft und Aberglauben. Denn das populäre
eine'methodische Abhängigkeit von der Denken lebt entweder naiv im Aberglauben, oder es lehnt
verkannt, so wird
Ethik eingehen müssen. Wird diese
welcher der Geschichte
sich in der selbstgefälligen Arroganz der Unwissenheit gegen
nicht nur der Vorteil verschmäht, die Wissenschaft und die Kausalität auf. Es ist aber nicht
sondern es wird auch
aus dieser Abhängigkeit zufUeßt; allein das Mißverhältnis des gemeinen Denkens zur Kau-
nach der andern Seite mcht vermieden, welches den Zweck bevorzugt; denn allerdings hat das
die Abhängigkeit salität,
der falsche Zweck hinlockt: die Ge- unwissenschaftliche Denken gar keine Beziehung zur Kau-
auf welche alsdann
Zwecke offenbaren; sahtät. Die Ursache ist ja allein die vera causa. Wo das
schichte läßt sich alsdann absolute
Mittelalter zurück.
und fällt somit in Mythologie und populäre Denken für Ursachen sich interessiert, da ahmt es
Das ist allezeit die Geschichte der Ro- dem wissenschaftlichen nach, und kann der Analogie seines
mantik. Verfahrens nicht entraten. Solche Nachahmung aber ist
t s w i s s e n
.

Diese falsche Teleologie verwirrt die R e c h


-
schwer; nicht nur mühsam, sondern auch bedenklich wegen
lebendigen Wirk-
Schaft und das Staatsrecht in seiner der Konfhkte, die sich dem blödesten Auge dabei auftürmen.
der innerhche Zusammen-
lichkeit. So macht sich wiederum Wie viel bequemer und weniger verantworthch erscheint
Der sitthche
hang von Zweck und Begriff empfindhch geltend. dagegen das Universalmittel des Zwecks. So sucht man sich
der Zweck muß
m Begriff muß ein Zweckbegriff sein. Aber
der Anweisung, die.
der Frage Warum zu entwöhnen, und stellt seine Ge-
Begriff sein. Der Begriff aber hat gemäß danken samt ihrem psychischen Zubehör in Reih und Glied
sich erteilt, eine doppelte Befugms.
Er ist am Gängelbande des Damit. So wird der Zweck seiner selbst
als Zweck,
er
zunächst O r d n u n g s b e g r i f f. Als solcher wirkt er m wegen gepflegt. Und so empfängt er ein Korrelat, das eigent- sse

der Rechtswissenschaft,
sofern sie eine Ge lieh aus dem Rahmen der Logik ganz herausfällt das Mittel.
:

Schichtswissenschaft ist; und auch in der Praxis 87. Mittel und Zweck. Während der Zweck in
Aber die Ordnung soll zur seiner logischen Bedeutung auf das Gesetz hinlenken soll,
der Rechtsfindung.
Anpassung hinführen. Die Anpassung aber kann wird er in der neuen Korrelation gleichsam zum Oberbegriffe,
Ziel haben d a s S 1 1 1 e n
-
nur ein Analogen des Gesetzes zum :
auf den das Mittel bezogen wird. Es wird also eine völhge
als Wissen-
ß e s e t z. Der Sinn der Rechtswissenschaft, Umkehrung dabei begangen; der Zweck wird buchstäblich
Gesetzgebung, kann nur der sein:
fchaft der Sittengesetz sich
auf den Kopf gestellt. Es kann nun zwar nicht in Abrede
solche Normen zu setzen, in welchen das gestellt werden sollen, daß die Korrelation von Zweck
tiefste Moral der An- und Mittel ihren nützlichen Sinn habe, sofern sie in
entfaltet und sich auswirkt. Es ist die
und
tike, solche Grundlagen des Rechts anzuerkennen, ihren natürhchen Grenzen zur Anwendung kommt. Sie ist
s c h r i e -
Übereinstimmung für sie zu fordern. Die „u n g e
benen Gesetze" sind der Quell und die Grenze für
390 Vollendeter Sinn der Gliederung Disjunktion und Kopulation
391

dann eben durchaus nur ein Verfahren, dessen der Zweck, das sittliche Denken darf kein Unterschied in
den Mitteln
als Ordnungsbegriff, sich bedient, und mit Fug bedient. Die statuiert werden; müßte er doch den Zweck betreffen.
Mittel werden dann gleichsam die Organe sein,
die den Zweck Alle Mittel müssen, sofern sie sittliche
des Organismus erfüllen. Aber wir dürfen,
wir müssen das seinsollen, sittlich ebenbürtig und gleich-
Bild beim Worte nehmen. Die Mittel,
welche der Methodik wertig sein. Der Zweck darf die Mittel nicht heiligen.
des Zwecks entsprechen, müssen in der Tat dem Beispiel Die Mittel müssen an sich selbst heilig
sein. Das ist der Sinn der Ghederung, der
gerecht werden, und wie Organe sich denken
lassen.
Disjunktion
Man könnte fragen, ob denn das populäre Denken sich der Wechselbedingung für das sitthche Urteil.
stets eine Einheit zur Aufgabe setzen
dürfe und setzen Der Zweck ist nicht etwas Selbständiges, den Mitteln
Sofern es um Übergeordnetes; sondern er ist günstigsten Falles selbst
müsse, wie der Organismus eine solche bildet. ein
Denken handelt, welches doch nun Mittel, zu dem das erste Mittel in Korrelation
das sittliche sich tritt. Was
ist die Frage er mehr zu sein scheint, ist ledighch
eben in der Ethik ein wissenschaftliches wird, logischer Mißverstand;
im strengsten Sinne zu bejahen; wenn anders vorausgesetzt Verdinglichung eines Wegweisers zu dem Gebiet, auf welches
und
werden darf, daß das ethische Denken durch Erziehung
er eben nur hinweisen kann; das er nicht
selbst in sich faßt
beeinflussen So führt also selbst der bedenkliche Begriff des
Unterricht das populäre sittliche Denken zu Mittels zur
und mündig zu machen vermöge. Unter dieser Voraus- Auflösung der Illusion eines absoluten Zwecks.
setzung ist das Denken in der Form des Damit
einzuschränken 89. Disjunktion und Kopulation. Wir
Das Damit darf nicht das unverfänglidie hatten den Einwand erwogen, daß das disjunktive
und zu zügeln. Urteil
der menschlichen Gedanken bleiben. Das doch nur ein doppelseitiges hypothetisches Urteil wäre.
Verbindungsmittel Im
der be- Sinne jenes Einwands wollen wir jetzt einmal die
Gewissen muß gestärkt werden für den Verdacht, Struktur
Damit richten muß ob es auf eine wahr- wählen: entweder A bedingt durch B, oder B bedingt
ständig auf das sich :

hinsteuert; oder
durch
Das würde in der Form des hypothetischen Urteils heißen-
A
hafte Anpassung an das einzig leitende Gesetz
ob Mittel-Zweck herausreißt und absolut macht.
es einen
wenn A durch B bedingt ist, so ist B nicht bedingt durch
A.
88. Der vollendete Sinn der Gliederung. Wenn ich nun auch noch selbst den weiteren Ausbau dieser
neuen Gefahr Formen vornähme, so würde ich immer doch nicht zu dem
Die Ghederung befreit den Zweck von dieser
Zweideutigkeit. Die Gliederung gewährleistet eben- eigenthchen und neuen Gedanken der Disjunktion auf
der diesem
bürtige Glieder. Dieser Gedanke hat seinen Ursprung Wege gelangen. Das war früher betrachtet. Wir hatten dabei
im System der Gegenwirkung, im Gesetz der Gleichheit den Gedanken hingeworfen, es wäre besser, die Disjunktion
von Wirkung und Gegenwirkung. Er findet in die Kopulation aufzuheben. Wir dürfen jetzt
mit diesem
seine analoge Anwendung im Begriffe des
Organismus, als der Gedanken Ernst machen. Entweder A bedingt durch B,
Einheit seiner Organe. Er wird erweitert in
dem all- oder Bbedingt durch A, das bedeutet zwischen den Zeilen
837 gemeinen Charakter des Begriffs, als der Einheit in der Tat: sowohl A bedingt durch B, als auch B bedingt
von Lösung und Aufgabe. Da ist keine mLosung ihren
durch A. Innerhalb der Naturwissenschaft ist diese Struktur
so weit ausgebreitet, daß nicht noch neue
Aufgaben kein richtiges Beispiel für das disjunktive Urteil;
vielmehr
Falten lägen. Es gibt keine unwesentlichen nur für das hypothetische, welches die Ursache und die Wir-
Merkmale; ausgenommen im Fortgang des Begrifts, kung im gegebenen Problem festzustellen hat. Im sittUchen 3S8

also aus dem Gesichtspunkte des jeweiligen


Jetzt
Standorts. Denken dagegen ist jene hypothetische Struktur durchaus
Gliederung. Für und in jedem Sinne unzulässig. Da gibt es nur eben-
aber vollendet sich dieser Sinn der
Non-B und 393
392 Zwecke nud Endzwecke flTj-

Da gibt es nur selbständige Gliederung.


gesetz zugeordnet: das Principium exclusi
b ü r t g e Glieder.
Da gilt
i

das Entweder — oder nur im prinzipiellen Sinne;


t er t i i , das Prinzip des ausgeschlossenen

und also wird es in der Tat zum Sowohl - als auch. Dritten. Es lautet auch Principium medii inter
duo contradictoria. Die doppelte FormuUerung
90 Die Gemeinschaft. So erklart es sich, daU
läßt schon die Zweideutigkeit des Prinzips erkennen, indem
für das' sittliche Denken die
Disjunktion eine Kategorie ergibt, es

die dem System zwar genau


entspricht, dennoch aber m Konträre, in der Zweiten
in der ersten auf das auf das 339

Terminus im Sprachgebrauche der Ethik sich Kontradiktorische geht. Ursprünghch ist es auch
einem eigenen
formuliert hat: die Gemeinschaft. Kant hat nur in der zweiten Formuherung aufgestellt und gedacht
Er worden. Es entsteht bei Aristoteles, der es polemisch
sie schon der Wechselwirkung koordimert.
gegen Piaton einführt. Diese polemische Tendenz
sittliche Gemeinschaft
mußte, oder er wollte demzufolge die muß den Sinn und .Wert des Prinzips schon fraglich machen.
als das Reich der Zwecke formulieren. Wir haben dagegen
doppelter Bedeutung ausge- Piaton hatte mit einem Zwischen {fiexa^v) gespielt. Es handelt
das System, als Kategorie, in
Naturwissenschaft und lur sich dabei um das schlecht übersetzte Nicht- Seiende
(^^ Sv).
zeichnet; für die mathematische Grund genug, um die Sache für höchst schwierig und den
die Biologie; für die dritte Bedeutung, die sittliche,
folgen. tiefsten Mißverständnissen ausgesetzt zu halten. Die For-
dürfen wir dem modernen Sprachgebrauche
91.Das Reich der Zwecke und Zwecke das Reich mulierung des Aristoteles faßt den Satz vom ausgeschlossenen
der Dritten zusammen mit dem Satze des Widerspruchs. Für
der Endzwecke. Das Reich ist
ihn bedeutet ja das Nicht- Seiende schlechterdings das dem
die Naturformen dürfen
nicht ohne Zweideutigkeiten. Auch
Das Reich der Zwecke ist das R e c h i
Sein Kontradiktorische.
ein solches bedeuten. Auch L e i b n i z f ormuhert den Satz dahin q u i 1
seine Glieder
der Endzwecke. Das bedeutet aber, daß
: '

gebraucht werden n'ya point de milieu entre le vrai et le faux. Wozu


niemals „bloß als Mittel"
aber dann ein besonderes Prinzip, wenn doch das ausge-
dürfen. Der Sinn des E n dz wec ks li egt Dasn i

schlossene Dritte auf den Widerspruch hinauskommt? Daß


der Verpönung des bloßen Mittels. bei Aristoteles der eigentliche Sinn, den er freihch ahnen muß,
verletzt die Gemeinschaft. Die G e m e i n s c ha f t a 1 s o
und auf den er hinzielt, nicht herausgearbeitet werden
Urteils.
ist die Kategorie des sittlichen konnte, das hat ja schon darin seinen zwingenden Grund,
Die Gemeinschaft ist das System eben-
Glieder und daß er ebenso wenig das disjunktive, wie
bürtiger, gleichwertiger das hypothetische Urteil
Mittel für den einzigen Zweck, den für alles auszeichnet.
das S e n e s e t z bildet. 93. Unterschied von Non-B und /u^-B. Wenn
sittliche Denken und Handeln g
1 1 i

den G e g e n - wir dagegen der Bedeutung folgen, welche unser Urteil des
Während daher das System der Gegenwirkung
und während der Systemzweck das
Ursprungs dem Nicht-Seienden verheben hat,
stand konstituiert,
eine neue so ergibt sich auch für das auszuschheßende Dritte ein neuer
Lebewesen bildet, erzeugt die Gemeinschaft
P e r s o n. Die Sinn. A
ist entweder B oder non-B, das muß heißen: A ist
Art von Gegenstand und von Wesen: die
entweder mit B, oder mit non-B zu einem System
Gemeinschaft ist die Gemeinschaft von verbinden. In der Hinweisung auf das System ist es schon
zu
sittlichenPersonen. ausgesprochen, daß non-B vielmehr /u^-B sein muß; daß also
C oder D
92. Das Denkgesetz des disjunktiven gefordert sind.
. . . In der Tat ist demnach ausge-

Urteils. Dem disjunktiven Urteil hat man ein Denk-


schlossen nur das Kontradiktorische. Dazu bedürfte es aber
394 Was als ausgeschlbasenes Drittes Denkgesetz des Systems
395

keines neuen Denkgesetzes; diesen Ausschluß besorgt


zu- der m Wandlungen den eigenthchen Grund der Skepsis
allen

länglich der Satz des Widerspruchs. Wenn die


traditionelle forterhalten hat. Sind die Begriffe nur Universalia p o s t
Logik dennoch den Satz des ausgeschlossenen Dritten auch rem; oder aber sind sie etwas anderes, ohne darum der
Mytho-
logie zu verfallen?
nur in der Diskussion festhält, so möchte dieser Tatsache
ein

Gedanke zugrunde liegen, dessen klares Recht nur noch nicht Das also möchten wir als den geahnten Sinn vom
zum Ausdruck kommen konnte. ausgeschlossenen Dritten annehmen: daß die
94. Was als Drittes ausgeschlossen Skepsis ausgeschlossen werde, als ob der Begriff doch
wird. Die Disjunktion schließt in der Tat ein Drittes nur ein Universale wäre; daß es ein Wahn sei, in dem
Begriffe
nämhch daß ein System, ein Begriff, ein Zweck, ein den Gegenstand in allen seinen Bedeutungen begründen
aus; zu
340 Gegenstand, daß sie alle, die Dasselbe bedeuten, ein Wahn woUen, und nur in dieser Begründung den Grund des Gegen-
standes zu erkennen; daß es ein Wahn sei,
wären I So schließt sich der neue Satz an den des Wider- in dem Be-
spruchs an; und ist doch ein neuer. Der Satz des Wider- griffe solchermaßen den Höhepunkt der
Voraussetzungen
spruchs gehört in die von uns genannten Urteile der Denk- des reinen Denkens, den Abschluß der reinen
Erkenntnis
gesetze; er gehört zu den Grundlagen, die dem reinen
Denken anzunehmen.
überhaupt gesetzt sind. Daß der Widersinn ein Wahn sei, das Indem nun der Satz den Wahn als jenes Dritte ausschließt,
besagt der Satz des Widerspruchs. dagegen der
Daß vielmehr die Skepsis von dem Wahne, so schließt er
dafür 841

Begriff kein Wahn sei, davon vergewissert etwas anderes ein: das ist das System in allen seinen
Bedeutungen. So wahr der Begriff das System ist, so wahr
das neue Denkgesetz. ist das System der Begriff.
einwenden, daß darüber schon der Satz der
Man könnte Das System der Begriffe, das ist
Indessen nimmt dieser das System der reinen Erkenntnis. Und so wird dies der
Identität Gewißheit erteilte.
höchste Sinn des Systems, der sich hier nun ergibt.
Einwand den Begriff nur als den Inhalt des reinen Denkens
überhaupt und als solchen; nicht aber nach seiner vollinhalt-
Die Begriffe selbst, die reinen Voraus-
lichen Bedeutung als reaktives System, als Gegenstand,
als setzungen, die reinen Erkenntnisse, sie
Zweck, als Organismus. Von allen diesen Bedeutungen weiß
bilden ein System. Kein System ist abgeschlossen,
und darf sie nichts wissen; denn sie wie kein Begriff. Neue Aufgaben wachsen aus den neuen
die Identität nichts,
Lösungen heraus. Aber auch die neuen Aufgaben müssen in
gehört auch und erst recht nur in die Verfassung des reinen
die alten Lösungen hineinwachsen. Das fordert
Denkens überhaupt. Die Disjunktion allererst entfaltet diese das System.
e g e n- G 95. Das Denkgesetz des Systems. So
komplizierte Bedeutung des Begriffs, der zufolge der .

stand in der doppelten Bedeutung entsteht. wird der alte Satz zumDenkgesetze des
Alle Schwierigkeiten, die den Begriff des Gegen- Systems. Und in diesem Denkgesetze des Systems er-
kennen wir das Denkgesetz der Wahrheit mit
standes betreffen, sie müssen daher auch auf den Be- Bezug auf die inhaltliche Bedeutung der
griff selbst fallen und an ihm haften. Da mag denn eine
neue Schutzwehr, wenn nicht von Nöten, so doch wenigstens
Begriffe, die in ihr sich verknüpfen. Das ist der Unter-
schied Systems der Wahrheit von der Wahrheit der
des
von Nutzen sein. Daß man nicht an der Kraft des Begriffs
verzweifle, wenn ihm die Aufgabe zugewachsen ist, den Gegen-
Identität. Und doch
bleibt es ein Denkgesetz; denn das
Denken ist das reine Denken, das ist das Denken der reinen
stand zu erzeugen, nach der ganzen Fülle seiner Bedeutungen
War es doch dieser Erkenntnis. Das System ist diejenige reine Erkenntnis,
ihn zu bestimmen und zu vertreten. welche
und das System der reinen Erkenntnisse fordert. Diese
Zweifel, der gegen Piatons Idee erhoben wurde; Forderung.
396 Fortschritt der reinen Erkenntnisse

Klassifikation der Urteile


397
diese Sicherung erkennen wir in dem Satze, der ausschließt,
was dem System widerstreitet. der Kategorien demgemäß ablehnen dürfen, so scheint der
Das Urteil des Begriffs schließt die Urteile der Relation ab. alteVerdacht sich mit nicht geringerem Recht
und nicht
Den beständigen Zusammenhang zwischen System und Gesetz geringerem Schaden auf die Arten
des Urteils
haben wir durchgängig betrachtet. Das Gesetz aber, als das werfen zu dürfen: ob in ihnen Vollständigkeit
zulässig sei
Gesetz der Bewegung, hat einen beständigen Zusammenhang ,^^^ ^^" Arten des Urteils die
mit dem Urteil der Substanz, den wir in der Kausalität ,1 ^...'^^i'"
Vollständigkeit
xr
anzustreben? Wir haben von
als Funktion durchgeführt haben. So steht daher auch mit Anfang an mit dieser Frage gekämpft. Sie hat uns
Urteil der Substanz das Urteil des Systems in Zusammen-
jedoch
dem nicht verhindert die Arten des Urteils zu .gruppieren
und zu
hang. Im System kommt die Relation zu ihrem Abschluß; klassifizieren. Und
so wollen, so dürfen wir diese Fra^e
erstlich System der
im Gleichungen; sodann in der- ernster nehmen, als daß sie uns zu
nicht

jenigen Relation, welche der nicht relative Zweck zur iviassifikation die Anregung bietet.
einer übersichthchen

Aufstellung bringt. Die Relation ist die Syntax Klassifikation der Urteile. Alle
d er L o g i k. 1^1 ^liH'^
Klassifikation ist künstlich. Natürlich kann sie
96. Der Fortschritt der reinen Erkennt- nur in der Genealogie der Natur bei den Orga-
nisse. Die Relation ist diese Syntax, weil sie Sätze bildet msmen werden. In der Logik muß es bei der
Analogie der
aus den Worten, welche die Urteile der Logik und die der reinen Erzeugung sein Bewenden haben.
Die Einteilung der
Mathematik ihr darbieten. Sie enthält die Urteile der mathe- Urteile hat ja überhaupt kein selbständiges
Interesse; sie
matischen und der biologischen Naturwissenschaft. Es voll- dient ja nur zur Auffindung der
Kategorien. Diese aber
endet sich daher im Urteil des Begriffs das ganze Inventar bedürfen der Vollständigkeit nicht. Was plagt
man sich da
des reinen Denkens, als des Denkens der reinen Erkenntnis. mit dem Bedenken der Vollständigkeit
bei den Urteilen, die
Nicht das zwar ist uns mehr die Frage, ob die Anzahl der ja doch nur die Spuren bedeuten, in
denen die Kategorien
Kategorien erschöpft sei. Der Charakter des Begriffs, Ihren Lauf nehmen? Die angebhche Vollständigkeit der
als Kategorie, hat es vielmehr klar gemacht, daß eine solche Arten des Urteils kann und darf nur
eine relative Voll-
Vollständigkeit nicht eine Fülle, sondern eine offene kommenheit bedeuten, welche in der Klassifikation,
in der
Wunde der Logik ausmachen würde. Neue Probleme werden Neben- und Unterordnung dieser Arten
herstellbar wird An-
neue Voraussetzungen erforderlich machen. Der notwendige fang und Ende dürften eine solche in
unserem System der
Gedanke vom Fortschritt der Wissenschaft Anschauung bringen, soweit
343

hat zur notwendigen, nicht etwa bloß Begleitung, sondern A if /l^'*


entfaltet hat.
es bis jetzt sich

Voraussetzung den Gedanken vom Fortschritt Wir sind vom Urteil des Ursprungs
ausgegangen,
der reinen Erkenntnisse. und haben dann einen Anfang genommen,
wie ihn die Voll-
Der Anspruch an die Vollständigkeit der ständigkeit nicht gründlicher fordern kann.
Und wir sind
Kategorien wurzelt in der von der Logik der reinen aufgestiegen im Urteil des B e r i f f s
g zu der Kategorie des
Erkenntnis zu überwindenden Ansicht von einem a priori, ^ystems, welches seine höchste Bedeutung in
welches im Aristotehschen Sinne ein absolutes Prius bildet Gedanken des Systems der reinen Erkenntnisse,
dem
als des
und, wie wir jetzt sagen dürfen, einen absoluten Zweck dar- Systems der Wahrheit, zur Vollendung brachte.
Das System
stellt, der in seiner schöpferischen Vorsehung das menschliche bedeutet auch den Zweck. Im System der Wahr-
Denken gestaltet. Wenngleich wir nun aber die Vollständigkeit heit erkennen wir den höchsten
lirkenntnisse. Solchen Ertrag hat uns
Zweck der
die Forderung
Zttaammenhang von Urteil und Kategorie Rätsel im Worte Wahrheit 399
398

Recht den Namen des Begriffs, wenn


der Vollständigkeit gebracht nach dem methodischen
Sinne, nicht in ihr alle Relation
in dem wir sie verstehen konnten. Entweder der Begriff
Ihren Höhepunkt erreichte.

98. Zusammenhang von Urteil und Kate- steht am Anfang, oder am Ende; eine mittlere
Stelle darf es für ihn nicht geben.
gorie. So verlieren die Arten des Urteils den Schein der Zu- Und was vom Begriffe gilt
selbst in der psycho- das schon dem Worte nach vom System. Und daß es
gilt
fälligkeit, sei es in der Einteilung, sei es
Ursprung und System erscheinen nicht bloß der Wortsinn ist, der das System an das Ende
logischen Unterscheidung. stellt,
das hat das System der Wahrheit genugsam ergeben.
wie ein natürlicher Anfang und ein natürliches Ende. Und der
ganze Aufbau, der von diesem Anfange aus zu diesem Ende
99. Das Rätsel im Worte Wahrheit. Und
aufsteigt, stellt eine innere Zweckmäßigkeit dar,
die um so doch müssen wir gerade an dieses ominöse Wort anknüpfen;
wahrhafter ist, Verbesserung fähig
als sie der so bezaubernd es ist, so steckt doch eine tiefe
Zweideutigkeit
bleibt. Neue
Die Urteile sind das Bett der Kategorien.
noch in ihm: so enthüllt es ein neues Problem; eine neue Reihe
von Problemen. Was ist Wahrheit? Ist sie die
[';*
Probleme wer den neue Kategorien brin- Summe der Kategorien ? Anders dürften wir doch das Wort
gen, neue Voraussetzungen erforderlich
nicht wohl verstehen, wenn und sofern es mit dem
machen. Wenn aber die Kategorien einen normalen Lauf System
verbunden wird. Wenn wir aber von den Urteilen der Logik,
nehmen sollen, der die Wissenschaft befruchtet, so muß
als den allgemeinsten Voraussetzungen, absehen, so bleibt
derselbe in dem Bette der Urteile sich bewegen. Das Bett für
das reine Denken die Mathematik und die Naturwissenschaft
kann erweitert werden; dazu mögen die zeitweisen Über-
in ihren beiden Problemen übrig. Wir haben gesehen,
schreitungen und Überflutungen nützlich sein; aber es darf wie
selbst nicht verschwinden.
sich die Probleme der Geisteswissenschaften
diesen Arten des Urteils anpassen lassen. Mögen ihre
Das Gleichnis will sagen, daß das Urteil die Unter-
schlechterdings unerläßlichen Voraus- schiede von jenen Problemen auf sich beruhen; mögen sie
den ersteren zugerechnet, und, sei es drum, ihnen gleich-
setzungen der Kategorien bildet. Und wenn geachtet werden. Sind alle Fragen, alle Bedenken, alle Zweifel
man nun sieht, wie aus dieser negativen Bedingung des Urteils
selbst in ihrer Mannigfaltigkeit herauf- damit erledigt? Die Frage geht nicht auf die Probleme;
die Kategorien
sondern auf die Zweifel. Aber auch an die Probleme dürften
steigen, so dürfte sich darin eine tiefere Gewähr für den
noch Fragen sich richten lassen.
Gedanken erkennen lassen, der der alten Ansicht vom
Kate- Sind mit den Voraussetzungen, welche das bisherige
a priori beiwohnt. Ein Weg, ein Zug ist es, der die
Verzeichnis der reinen Erkenntnisse enthält, alle Wege be-
gorien in ihrer Fülle nach sich zieht. Wie die Abwandlungen
schrieben und gebahnt; alle Bahnen gebrochen, und alle Wege
desselben Themas, desselben Motivs, erscheinen die Kate-
geebnet, nicht sowohl, um zu den Problemen zu gelangen, als
gorien. Aber es ist die Kraft, die schöpferische Bedeut-
vielmehr, um die Behandlung der Probleme in Bearbeitung,
samkeit des Motivs, welche das Urteil ausmacht.
Wie kommen wir hier nur aber auf die Betrachtung von
um die Bearbeitung in Angriff zu nehmen?
344
Wir wollen annehmen, daß mit den bisherigen Urteilen alle
dem Verhältnis zwischen Urteil und Kategorie zurück, die Voraussetzungen gefunden
uns am Anfang beschäftigen durfte; und allenfalls am Schluß Probleme
seien, die für die selbst

sich wieder einstellen mag; sind wir


denn etwa schon am erforderhch sind; daß die allgemeinen Grundlagen in den 346

Schluß ? Das ist nicht der Fall; aber ein gewisser reinen Erkenntnissen gelegt und gesichert seien. Daraus folgt

Abschluß istunverkennbar; und er erfordert Überschau, aber noch nicht, daß die Arbeit der Forschung auf
gehen darf. Die Disjunktion trüge nicht mit
Grund dieser Voraussetzungen unumschränkt und unge-
bevor es weiter
Problem der Erfahrung 401
400 Erfahrung, Theorie und Forschung

genommen als Frage gegen die Suffizienz der reinen Voraus-


hemmt beginnen und fortsetzen könnte.
sich Die Frage, setzungen, als der Grundlagen der Wahrheit.
auf die wir hier stoßen, ist der Grund der härtesten
Kämpfe Die Erfahrung bezeichnet in der Ge-
innerhalb der Wissenschaften, wie zwischen ihnen schichte der Wissenschaft, der Philoso-
und der Philosophie; vielleicht liegt in ihr der eigent- phie, der Kultur überhaupt das allge-
liche Grund für die Schwierigkeit des Einvernehmens
und meine Problem, welches gegen die Sou-
des wahrhaften Einverständnisses zwischen Beiden. Spiegelt veränität der Theorie sich richtet. Ihre
sich doch dieser tiefe Gegensatz auch innerhalb der
Wissen- Herrschaft nicht in Frage gestellt werden; aber ihre
soll

schaften in dem Mißtrauen, das die Theorieund die An- Alleinherrschaft. Über diese Frage darf nicht hinweggegangen
wendung oft genug gegen einander hegen und sogar werden. Die Logik der reinen Erkenntnis selbst muß sie sich
ausspielen. stellen. Es wäre eine falsche Reinheit, wenn sie sich ihr ent-
100. Erfahrung, Theorie und Forschung. ziehen zu dürfen glaubte. So lockt die Theorie selbst den
Die bisherigen Arten des Urteils samt ihren Kategorien Zweifel hervor; den Zweifel an sich selbst. Die Erfahrung
bilden ein Material der Theorie. Von der Mathe- tritt in Kollision mit ihr.
matik ist es ohne weiteres klar; von der mathematischen Wir haben in der Erfahrung nur an die wissenschafthchen
Naturwissenschaft verstehen wir es hinlänglich; und auch Mittel gedacht, welche die Theorie von ihr zu entlehnen hat.
heraus-
der Zweck hat sich als ein solches theoretisches Prinzip Aber die reine Logik erfüllte ihren Begriff nicht, wenn sie nicht
gestellt. Läßt sich denn aber auch nur die Physik
ausschließhch auch den gemeinen Verstandesgebrauch, so-
auf Grund dieser Theorie samt allem Zubehör, der noch
in fern mit ihm der wissenschaftliche in natürhcher Verbindung
ihr enthalten sein mag, in Angriff nehmen; geschweige
die bleibt, berücksichtigte. So taucht hier wieder der alte Ge-
biologische Forschung? Wäre es so, so würde man anstatt des gensatz zwischen Denken undEmpfindung
schwerfälligen Ausdrucks der mathematischen Naturwissen- auf. Wieviel die Jahrhunderte auch geleistet haben, um seine
schaft den alten Ausdruck der Physik
im neuen Sinne Schärfe abzumildern, er ist trotz alledem der alte geblieben;
brauchen dürfen. Stände es so um die positive Leistungskraft versöhnlicher in der Form, in der Auseinandersetzung; im
der reinen Grundlagen, so wäre es allerdings unverständUch, Grunde aber ist man auf beiden Seiten zu einem Ausgleich
daß Newton auf die Erfahrung sich berief, anstatt zu einer Vereinbarung methodisch nicht ausgerüstet. Der
ledighch auf seine Prinzipien. Empfindungsfaktor der Erfahrung spottet
Das Wort Erfahrung, welches noch heute einen Stein aller reinen Theorie; und das reine Denken geht
des Anstoßes bildet, kann an sich darüber orientieren,
daß verzweifelnd seines wissenschaftlichen Charakters verlustig,
die Prinzipien allein den Boden der Probleme nicht bedecken: wenn es diesen anscheinenden Widerspruch nicht anerkennt,
den Abgrund schheßen sie; aber die Hemmnisse beseitigen um ihn zu bewältigen.
sie nicht. Und wie sie die Hemmnisse nicht erledigen, so Indessen hat das reine Denken noch ein anderes Extrem
erschöpfen sie auch die Mittel nicht, welche zur Förderung zu bestehen. Es ist nicht nur das Erzeugen von Grundlagen,
erreichbar sein müssen; denn Hemmnisse dürfen nur
als in dem es sich betätigt; in denen es gleichsam zur Ruhe kommt.
Anstöße betrachtet werden, die zu neuen Aufschlüssen hin- Es kommt nicht zur Ruhe; Stockwerk über Stockwerk muß
lenken. Erfahrung ist ja das Wort, das bei Aristoteles es errichten, als ob es in die Wolken ginge. Dieser rastlose
entstanden ist, wenigstens nach seinem aggressiven Sinne. Fortschritt im reinen Denken, auf den schon der Begriff uns
Gegen seine Metaphysik soll es keinen Einspruch erheben; geführt hat, ist vielleicht das eigenartigste Schicksal des
346 aber gegen P 1 a t o n s Ideenlehre. So werde es denn hier Coh^n, Logik der rclii6n Erkenntnis. U. Aufl. mm
Krüik Urteile der Krüik 403
402

beim Zweck nicht, der sich vielmehr unbefangen und un-


Denkens, vor dem man an dem normalen Hergang und dem
gediegenen Ertrag desselben irre werden könnte. Folge- beirrt das Gebiet erobert, vielmehr die Richtung, in der er
sein Gebiet zu bearbeiten, urbar zu machen hat.
rung schließt sich an Folgerung; man über- —
sieht nicht bloß nicht, wo hinaus es noch gehen mag; sondern,
Wo hingegen die Kompetenzkonflikte sich erheben
347 was schlimmer ist, man vermag nicht mehr zu dem Ausgang —
und sie müssen sich erheben , wo das gesamte reine Denken
zurückzublicken, in dem alle die Folgerungen entsprungen vor neue Instanzen geführt wird, und vor eine Kontrolle, die
waren. nicht mehr innerhalb seiner selbst vollstreckt wird; wo endlich
So schürt sich vom andern Ende her Verdacht und Un- nicht nur im systematischen Entwürfe die Urteile mit ihren
geduld gegen die Theorie. Und dem Folgern und Kategorien aufgebaut werden, sondern wo Heerschau an 348

Schließen hat es nicht an Mutwillen und an Übermut ihnen gehalten wird, was überhaupt, und wozu insbesondere
das sie im Einzelnen nütze seien, da nimmt das Denken eine neue,
gefehlt, um das Mißtrauen der emsigen Erfahrung gegen
abgekürzte Verfahren immerfort zu reizen, welches jenes eine absonderliche Richtung an, die man als die der Kritik
summarische Denken einschlägt und für recht hält. Auch zu erkennen hat. Die Arten des Urteils, die jetzt noch aus-
hier muß der reinen Logik das Urteil zufallen. Und es wird zuzeichnen sind, werden daher als Urteile der Kritik
eine Eigenart des Urteils sein müssen, in welcher dieses zu würdigen sein.
Urteil vollzogen wird. Wir hatten die Logik, als die der reinen Erkenntnisse,
101. D
i e K
r i t i k. So zeigt sich von allen Seiten, daß im Unterschiede von Kritik gefaßt. Es zeigt sich jetzt ein
die Arten des Urteils noch eine Kritik einzugehen, in positiver Grund dafür. In den Urteilen der Kritik
einer solchen sich zu entfalten haben. Bisher ging alles wie tritt die Kritik in das Gesamtgebiet der
in Naivetät vor sich; aber es war nicht unwissende Unschuld; Logik ein. Wir werden darauf zu achten haben, ob die
denn die reinen Erzeugungen erwiesen sofort sich fruchtbar uns aus diesem Gesichtspunkte bevorstehenden Arten des
an den Grundlagen der Wissenschaft. An der Wissenschaft Urteils zu ihrem vollen Rechte, zu ihrer Genauigkeit und
selbst aber, an ihrer Innern Selbstgenügsamkeit regte sich Klarheit kommen können, wenn nicht der ihnen gemeinsame
kein Zweifel. Jetzt soll der Zweifel zu Worte kommen. Er ist Zug der Kritik einerseits sie einschränkt, andererseits aber
jedoch an sich kein wissenschaftlicher Zeuge. Die Kritik auch ihre positive Bedeutung zur Erzeugung reiner Erkennt-
Was die Kritik von der Skep-
wird sein Anwalt. nisse wahrt und zu befreiender Anerkennung bringt.
m
sis unterscheidet, das ist eben die Sach-
lichkeit; das Eingehen auf die Momente der Sachlichkeit;
das Abwägen ihrer Tendenzen und ihrer Kompetenzen gegen-
einander.
So Kritik wieder in Kraft nach ihrer ursprüng-
tritt die
lichen und natürhchen Bedeutung; aber auf einem einge-
schränkten, abgesteckten Gebiet. Die sachhchen Grundlagen
werden in den Wissenschaften gefunden. Daher hat die Logik
die Urteile der Mathematik und der Naturwissenschaft in ihren
beiden Arten aufzustellen; und in den Urteilen der Logik die
allgemeinen Voraussetzungen für die spezielleren voraufzu-
schicken. Nirgendda kann von Kritik die Rede sein; auch
M<

?)
Paradoxien hei den Philosophen 405

nur höchstenfalls
jener haltlosen Mitte; so bedeutet es nicht
in sich selbst
einen Duchgangspunkt; sondern es hat gleichsam
die Kraft, den Umschwung zu bewirken. Deswegen »50

nicht, es durch das Wort der Um-


begnügt sich Aristoteles
die Kraft
gangssprache {6vvazhv) zu bezeichnen, in welchem
er bildet einen neuen
die innere Sprachform bildet; sondern
er dasselbe Wort mit dem Seienden
ver-
Vierte Klasse: Terminus, indem
Jetzt kann man
knüpft das Möglich- seiende (dw«^« ov).
349
:

Sein und
Die Urteile der Methodik. nicht mehr argwöhnen, daß jene Mitte zwischen
hineinfiele; und daß
Nichtsein vielmehr in das Nichtsein
Erstes Urteil: DasUrteilder Möglichkeit. also doch die Megariker Recht behielten.
Das m o g 1 ich
DieMegariker. Die Möglichkeit enthält in sich Seiende ist eben ein Seiendes. An seinem Sein
1.
und alle Schwierigkeiten, mit denen das reine sollnicht zu zweifeln sein. Es bildet einen
Durchgang
alle Vorurteile
Denken von Anfang an zu kämpfen hatte. Diejenigen Dialek- im ewigen Kreislauf der Dinge. ^ ^ ^ u
Grunde durch
tiker,welche aus der sokratischen Schule heraustraten, einen So sehr das Sein eigentlich und im letzten
die Entelechie bestimmt wird, so gesellt sich auch
Seitenweg einschlugen und in eine Sackgasse gerieten, die
zielbewußte Kon- Energie zu; wie das Werden zu dem Sem.
Megariker, haben eine dreiste, aber dieser die
des Aristoteles treibt ihn in diese
sequenz aus ihrem Denkbegriff gezogen, indem sie den Dualismus
Begriff Und der ganze
Möghchkeit bestritten und verwarfen. Und sie haben ihrei Haltung zum Möghchen. Er würde die
Wirklich k e 1
der
schätzen; er würde ihrer nicht sicher
negativen Definition der Möghchkeit den Rang eines
herr- in seinem Sinne nicht
das Werden
schenden Satzes gegeben (xvgtevütv). Es mutet uns an, wie und nicht froh werden können, wenn er nicht
erkennen könnte. Es ist
die Alternative des Parmenides gegen das
Werden selbst in seiner Wesenhaftigkeit
Oder Grundgedanke, der seine tiefsinnige Spekulation '?:J

Herakhts: Sein oder Nichtsein; darin hegt die Krise. derselbe


Ist
zu der Bewegung hinlenkte und
Zeno denken, wie er mit bei ihr festhielt.
man darf wenigstens dabei an
ge-
seiner Paradoxie die Vielheit und die Bewegung ihm doch auch das Wirkhche nicht nur und schlechthin
Einzelding; sondern auch in
bestritt. In der griechischen Sprache khngt die Möglichkeit schweige ausschheßlich das
die Substanz. Als
an das Vermögen und die Kraft ebenso an, wie in der deutschen diesem vielmehr nur die Grundlage,
den mo- im Werdegang denkt er daher auch
Sprache, wie in der lateinischen und demzufolge in eine solche Grundlage
macht.
ebenfalls zur Substanz
dernen Sprachen überhaupt. Daher haben sich die Vorurteile, das Möghche, das er deshalb
die den r a f t b e g r i f f umgeben, auch in den
K der Mög- Man möchte es als die Substanz der Bewegung
lichkeit eingenistet. erkennen dürfen. -« ^ ^
Die Paradoxien bei
, .

den
,
wissen-,,

Aristoteles' dualistische Substan-


2. 3
Paradoxien
tialisierung der Möglichkeit. BeiAristo- schaftlichen Philosophen. Große
Kleine Fehler mag
t e 1 e s Möghchkeit die Mitte halten zwischen Sein
soll die .
erfordern immer natürUche Aufklärung.
Möghche, Torheiten, die die Vernunft be-
und Nichtsein: ein unmöghcher Halt. So wird das der größte Denker begehen;
irre machen, gehen menials
als das Vergängliche, dem Ewigen
entgegengesetzt. leidigen, und das normale Denken
in welchem die Jahrhunderte zu beherrschen
In diesem Sinne bezeichnet er es mit einem Worte, von einem Denker aus, der
Wenn das Nur das mindere
die Aufnahme hegt ( höexöfxsyov ). aber vermag; geschweige die Jahrtausende.
Mögliche etwas aufnehmen kann, so schwebt es nicht nur m
Möglichkeit und Negation 407
406 Möglichkeit in der Substanz des Aristoteles

Talent, das in seinem selbstischen Drange Aufsehen machen


Wissenschaft. Piatonsuchte ihn; seine Grund-
frage ist überall: was ist Wissenschaft? Ihretwegen ver-
will, aber das böse Gewissen hat, daß es nicht durch neue
wandelte er den Begriff in die Idee, die Grundlage der Wissen-
Wahrheiten seinen Platz sich zu erobern vermag, greift zu
dem probaten Mittel, durch einseitige Beleuchtung halbe
schaft. Denn die Frage: was ist? schloß die tiefere Frage
Wahrheiten auf den Markt zu werfen, und durch diese teils ein: was macht die Wissenschaft zur Wissenschaft vom
Widerspruch, teils Zustimmung, jedenfalls Aufsehen zu er- Sein? So ist die Ideenlehre die Prinzipienlehfe der Wissen-
schaft.
regen. Es ist die alte Taktik der S o p h i s t e n, die inter- 1 . T
381 essanten Gesichtspunkte in Szene zu setzen; das Einseitige
Für Aristoteles dagegen ist die Wissenschaft keine In-
stanz, auf welche die Metaphysik bezogen und gerichtet
wäre;
erregt das flüchtige Interesse. Von der Sophistik aber unter- Sprache
sie ist es nicht in anderem Sinne, als es etwa auch die
scheidet sich die Philosophie, als Weltmacht, wie das Licht
ist, die auch berücksichtigt wird. Aber ganz
fern hegt ihm der
von den mancherlei Stufen der Finsternis. Und Aristoteles
gehört trotz den mächtigen Schatten auf seinem Bilde dennoch
Gedanke, daß es der Wissenschaft zukäme, über die MögUch-
zu den Lichtern der Weltgeschichte. Daher ist es eine ra- keit zu entscheiden. Wissenschaft, als solche, 352

tionale Pfhcht, seine Theorie der Möglichkeit nicht als einen im Unterschiede von den einzelnen, ist
Verstoß gegen das natürliche Recht des gebunden Menschen- ihm nur Metaphysik. Es gibt unter den einzelnen
verstands aufzufassen; sondern sie im Zusammenhange seiner Wissenschaften keine, bei welcher der Doppelsinn
Metaphysik zu verstehen. von Wissenschaft und Erkenntnis entstehen
4. Die Möglichkeit in der Substanz- könnte. Die Mathematik bedeutet ihm nicht ein solches Pro-
totyp. Auch die Logik enthält ihm keineswegs diese
Normen;
lehre des Aristoteles. Wenn anders er die Sub- in Metaphysik sich umsetzt. Die Metaphysik
stanz auch dem Begriffe gleichsetzt, so darf ihm außer sofern sie
lehrt das Seiende, als Seiendes. Wenn daher auch bei ihm
auch das Mögliche als Substanz gelten; ist es doch eine schier so ist das
Und wenn anders er die Identität von Sein und Denken bestehen bleibt,
unausweichhche Form des Begriffs. Gedachte, als Gedachtes;
Seiende, als Seiendes, zugleich das
die Wirklichkeit als Substanz denken durfte, so
mußte er auch der Möglichkeit eine Stelle und Station ein- oder umgekehrt. Das Denken aber behauptet die Möghchkeit;
sie ist also Sein.
räumen in weiten Gebiete des Seins mit seinen vielen
dem Negation.
Schlupfwinkeln. Wenn anders endUch er den Stoff als 5. Zusammenhang mit der
Form
dagegen die Wir hatten soeben mit der Negation ge-
die Analogie
Substanz anerkennen durfte, in der Verwandtschaft. Der
streift. Es besteht mit ihr eine wirkUche
Grundlegung nicht einsah, wie sollte er nicht dafür die Mög-
hchkeit eingesetzt haben, als die Form der Formen? Man
Satz des Widerspruchs enthüllt sie. Er gilt als
kann sie eben so sehr in seinem Sinne als den Stoff der Stoffe, das einzige Grundgesetz des Denkens; der Satz der Identität
Die er-
ist sein Trabant; seine Umkehrung ins
Positive.
oder als den Begriff der Begriffe denken. wird
Es liegt an der Unbestimmtheit, in welcher der Begriff, zeugende Kraft des Denkens ist nicht das Problem; es
fruchtbares
das Denken überhaupt bei Aristoteles stecken bleibt, nicht gefragt, ob sie eine Anmaßung, oder ein
daß das möglich Seiende in den Schein einer mythologischen Recht sei. Und die Fruchtbarkeit, der wissenschaftUche Maß-
bildet keinen Gesichtspunkt. Richtig ist, was nicht
Existenz rückte. War es doch nicht viel anders auch bei stab,
falsch ist. Die Gesetzhchkeit des Denkens ist Disziplin,
der Negation. Es fehlte eben der einzige gesunde, ra-
Daher ist der Satz des Widerspruchs der oberste
tionelle Vermittelungsbegriff, der allein von den Abenteuern Polizei.

der Metaphysik zu befreien vermag: der Begriff der Grundsatz. Daher der Zusammenhang zwischen
Posstbüe und Compossibile 409
408 EaaetUia und Substantia

Das Mögliche bare; in der Metaphysik aber das Absolute des Seins,
Möglichkeit und Negatio ii.
wie des Denkens.
ist das Denkbare. 7. Leibniz' Unterscheidung des Possi-
denkbar? was der Satz des Wider-
Und was ist Alles,
macht. bile vom Compossibile. Wir wissen, wie Leibniz
spruchs nicht ausschließt; nicht zu einem Undenkbaren
Undenkbare. Alle durch sein Verhältnis zur Wissenschaft dazu getrieben worden
Das Denkbare ist demnach das nicht
als ist, neue Grundsätze zu errichten. Es ist wahrlich
positive Kraft ist aus dem Denkbaren herausgetrieben; Möglich-
geworden; nur der Satz kein zufälliges Zusammentreffen, daß er auch an der
Grundlegung ist es zum Hirngespinst
vorgenommen hat. Er unterscheidet
Dasein. keit Revision
des Widerspruchs hält es in seinem erwartungsvollen
Dieses Denkbare, vielmehr nicht Undenkbare, es
ist das vom Possibile das Compossibile. Das Possibile
Das
in ist auch ihm das, was keinen Widerspruch enthält.
Möghche. So hat es seit den Nachfolgern des Aristoteles Compossibile dagegen erfordert connexion avec le
ist gleich
der Stoa und im Mittelalter gegolten das Mögliche ;
wird nicht meinen, das
Man
reste de l'univers.
dem nicht Undenkbaren.
Compossibile bedeute so eine Abschwächung gegenüber dem
6. Unterschied von Essentiaund Sub- nicht Undenkbaren; vielmehr ist es mit seinen
gesteigerten
stantia. Es läßt sich von hier aus auch eine Unterscheidung Connexion schon,
Bedingungen selbst gewachsen. Die
verstehen, die wir schon (vgl. oben S. 248 f.) berührt haben:
die
erhöhte
Substanz ist das der zentrale Begriff seiner Methodik, weist auf diese
der E s s e n t i a von der Substantia.
Kompetenz hin: die Connexion mit dem Universum. Und
Positive. Indessen Essenz bleibt nicht schlechthin das Ne- Com-
doch ist es nur der Rest des Universums; denn das
853 gative. Die theologische Spekulation hat ihr positive Be-
possibile fehlt ihm ja noch.
deutung zugeleitet. Gott ist die absolute Substanz; und der
werden. So wird das Mögliche in dieser neuen Bedeutung
doch kann man dieser Realität nicht gewiß Isoliertheit entrückt. Das Denken, dessen Kraft und Be-
Welche Reahtät meint man denn aber? die der Sinnendinge, beschlossen
dem Be- fugnis in dem Denkgesetze des Widerspruchs
oder auch nur eine ihnen ähnliche? Das würde ja Und auch das
Und wenn bleibt, läßt das Mögliche weltfremd bleiben.
griffe der absoluten Substanz widersprechen.
Mögliche der Essenz kann allenfalls dem absoluten Gott
zu- 354

man noch so sehr den Widerspruch verschleiern wollte, indem statten kommen. Das Compossibile dagegen beruht und
einer Allheit
man die Einzeldinge selbst in die Abstraktion
doch bestehen. So besteht in dem Zusammenhange mit der Wissenschaft,
m
die Heterogeneität bliebe hat. Es
welcher das Universum seinen methodischen Grund
vereinigte,
muß das Mögliche aushelfen, indem es mit der Essenz gleich- bedeutet die Möglichkeit der mathematischen Naturwissen-
gesetzt, und zu einer absoluten Möglichkeit ge-
Schaft.
macht Mrird.
Es daß Leibniz diese grundlegende Unter-
ist interessant,
Möglichkeit in das andere Extrem gerückt.
Jetzt ist die
scheidung auch durch ein ästhetisches Beispiel
u. a.
Vorher war sie nur negativ, das nicht Undenkbare; jetzt
ist sie

sondern zum Ursprungsquell erläutert, nämlich ob le Roman


de l'Astree möglich
nicht nur positiv,
sei. Leibniz entscheidet zwar auch die
Frage, ob der R o m a n
aller Positivität geworden; der Ursprungsgrund des
möglich sei nach dem Satze des Widerspruchs, der seine ab-
Denkbaren, und als solcher der des Seienden. Zwischen diesen
Compossibihtat
mittelalterliche Möglichkeit solute Möglichkeit bedinge; aber er läßt die
beiden Extremen bewegt sich die
irgendeinem Winkel des Universums
wirft mehr als bloß ihre davon abhängen, ob er in
bis in die neuere Zeit hinein; sie
stattgefunden habe. So greift das Mögliche augenscheinlich
Schatten in die lichtvollsten Ent Wickelungen D
e s c a r t es
absoluten
das nicht Undenk- über sich selbst hinaus; genau ebenso, wie es beim
hinein. Vor der Logik ist sie das Denkbare,
öott hei DeacarUa 411
410 Möglich «nd praktisch. Ontoloqischeg Argument

Sein begründet; denn was Gott denkt, ist getan. Dies ist
Gott also geschah. Aber das wird nicht als ein Übergreifen Argument seinem in
gedacht; die Kontrolle am Stattfinden soll nur
be- das ontologische
Neuplatonischen Ursprung.
deuten die Orientierung am Universum, an der Wissenschaft.
Später erst schleicht der Wurm des Skeptizismus
Dieser Kontrolle wird sogar der Roman unterworfen. Das
ist

daß der wissenschafthche Grundgedanke an dasselbe heran. Die Realität wird in Gott gedacht, das
das Interessante,
heißt dann nicht mehr, sie werde von ihm, sondern
vom
als die
sich sogar auf die Kunst, auf die Ästhetik,
Menschen gedacht. Für das menschliche Denken aber gilt
Logik der Kunst, erstreckt. Auch sie soll nicht in
Mithin wird
der Satz des Widerspruchs als höchstes Gesetz.
bloß denkbaren Möglichkeiten phantasieren; das Universum Aber man
Gott günstigenfalls zu einem nicht Undenkbaren.
soll ihr nicht ein Wolkenkuckucksheim sein. Wie
bedrohlich
kann es bei recht deutlich erkennen, daß
Descartes
nahe wird da der Vergleich mit der Ethik.
Das Mögliche und das Praktische. ihm das ontologische Argument eine tiefere Bedeutung hat.
An
8.
das Vermögen der Menschen werden Anforderungen ge-
Gott soll ihm ein Prinzip der Gewißheit-
steht; und das menschUche Denken kann sich nicht genug
bedeuten. Und deshalb bezeichnet er ihn als eine e n i

darin tun, solche Aufgaben sich zuzumuten und anzusinnen,


geboreneldee.
10. Gott bei Descartes. Es soll ihm
von denen es von jeher fragUch war, ob sie nicht vielmehr
fromme Wünsche bleiben müßten. Aristoteles hatte
Gott daher aber auch nicht mehr bedeuten,
in solcher Gesinnung die Idee des Guten verspottet; als was eine eingeborene Idee überhaupt
zu bedeuten hat, nämhch eine Grundlage des Denkens
unpraktisch; sie sei zu nichts nutze. So wird
sie sei
Gott daher eine Idee, wie der Triangel eine
zu
das Mögliche zum Praktischen. Damit aber sein.
solche ist.
ist
Wie der Triangel, als etwas Ausgedehntes, die
wird ein neues Netz von Zweideutigkeiten über das Mögliche
Substanz bedeutet, nicht anders auch bedeutet die Idee Gottes
gezogen. Sein ist.
den Unterschied von eine Grundlage, eine Wahrheit, die, als solche, ein
Es kommt auf
Die Frage, daß die Idee ja aber doch nur eine Idee sei, die
Tun und Handeln in der Praxis an; also dar- sie dem Leser
stellt er sich selbst; oder richtiger, er führt
auf, ob die Praxis, als Handlung, ein eigenes Gesetz hat. Ein
vor, der so klug ist, sie sich selbst zu stellen. Für
ihn selbst
solches ist Guten.
die Idee desWer diese leugnet, macht mcht
sonstwie besteht die Frage nicht; ihm kann sie eigentlich gar
die Handlung zum Tun, und wenn er noch so fein
diesen Unterschied ausklügelt. Man erkennt aber auch so kommen; denn für ihn ist die eingeborene Idee nichts weniger
sie ist ihm
als eine Idee im Sinne der Vorstellung;
866

von neuem die zentrale Bedeutung der Möghchkeit im all-


das erste Prinzip, und also das Maß und der Ankergrund
der
gemeinen Denken.
Das ontologische Argument. Die Ethik
t^ u-i Gewißheit.
9.
Wie konnte, wie durfte er aber die Prinzipien und die
führt uns wieder auf die theologische Spekulation zurück.
Maßstäbe der Gewißheit so kunterbunt aufstellen und ver-
Gott sollte, als Essenz, die absolute Vollkommen- teilen? Wie konnte er Gott neben den Triangel stellen?
Und
heit bedeuten. Es ist ein altes Wort, daß sein Gedanke der Triangel 356
Die Möglichkeit dieser Vorwurf geht nach beiden Seiten; nicht bloß
sein Wort, und sein Wort seine Tat sei.
dürfte dabei zu kurz kommen; sondern wahrhch auch
Gott.
hört in ihm auf, Potentialität zu sein; sie wird Po-
tenz. Und in dieser Potenz soll alle Realität enthalten sein. Man kann aber ebenso auch sagen, nicht nur die Idee Gottes
werde dadurch versinnlicht; sondern auch dem Triangel
wird
äußerlicher
Sie wird ja aber in ihm nur gedacht ? Das ist ein Und doch hatte
seine methodische Bedeutung verschleiert.
Einwand. Sie wird i n ihm gedacht ; also v o ri ihm ; also
ist ihr

n
Sinn von Kants Unterscheidung zwischen 413
Charakterzug des MiUelaliers
412

Tnangd auch die Essenz Gottes die Grundlage der 357


methodischen Smne den So soll
Descartes so streng in diesem wie die Substanz die der Materie
eingeborenen Idee gemacht; und demgemaö Sittlichkeit bedeuten,
zur
Gewißheit ausgezeichnet, und der Bewegung ist. Aber da es nicht zur Abscheidung der
irithmet"k und Geometrie in ihrer
Ethik kam, so blieb die Essenz zweideutig. Und so auch
die
unterschieden,
^^d v^n a e n anderen
n Wissenschaften
Möglichkeit. Daher ist die Unterscheidung, die Leibniz
zu^mmen ein-
wt konntVer'nun dennoch Gott und den Triangel
Phy k die üeo führt, so außerordentlich lehrreich. Auf die Konnexion mit
während doch sogar von der s i

dem Universum weist er hin. Und sein Beispiel ist außer dem
stellen, er

muß in ihm etwas Mathematischen der Roman. Er handelt von dem Übel und
T ' M^n^iäfdafoltologische Argumenterkennen laßt. Er Bösen und von den Plänen Gottes dabei; aber die Möghch-
Buchstabe
anderes bedeuten als was der menschlichen Hand-
n g e n e E t h i k. Die Moral entwickelt er im keit in Rücksicht auf die
nicht in Frage. Der .Grund und das Maß
h a t kei e e
und Phys^obgie wie ^s
i

Psychologie lungen kommt


L'slmmernge 'mit der Möglichkeit bleibt dafür in Gott liegen. Das ist die Nach-
bei den Besten und ue
so das rationelle Verfahren gerade
Mittelalter ist. Die Begründung der wirkung der mittelalterlichen Theologie.
sundestln im ganzen
Gottesidee. So geht es durch das 11. Die Möglichkeit der Physik. Die lo-
S^ttUchkeit Tieft in der ver-
entscheidende Cha^ gische Möglichkeit hat er daher nur für die Ästhetik
I^ÄmeMter. Vielleicht ist dies der Termino-
der Grund bessert; soweit eine Verbesserung durch diese neue
fakterzug des Mittelalters:
Gott, und nur in logie in Aussicht steht. Sonst freilich ist durch seinen Satz
der Sittlichkeit liegt in Mittelalters in be^ug auf des Grundes und vor allem durch den der Konti-
G o 1 1 Das ist die Schwäche des nicht von der Theologie nuität die eigentliche logische Vorsorge für die Mög-
sich noch
seine EthS. Die Ethik hat lichkeit der Physik
von ihm geschaffen worden.
zu eigener Methodik mundig
ge-
ist noch nicht
abgelöst: sie
Dennoch aber ist der allgemeine Sinn der Möglichkeit mit
Schwäche nicht doppeU rechnen dem der Denkbarkeit gleichgeblieben. Und so durfte sich
"^"'"^Man darf nun aber diese solchen
dann noch einmal in der LogiK. nicht nur die Sehnsucht nach einer Ethik in einer
einmal in der Ethik, und
Descartes ontologischen MögHchkeit geborgen und beschwichtigt fühlen,
me ist führwahr bei
Lo^ik -^^f^^^^.^^^'^'Z
dem Zeitalter, das sondern es konnte sich auch metaphysische Willkür und
Wenn daher in jener Schwäche mit
er
so es das A h n e n e i «^ Ungebühr noch fernerhin auf sie berufen. Es fehlte auch unter
er ablöst, noch zusammenhängt,
ist
J
dem logischen den Redlichen und Sachkundigen nicht an Beispielen dafür,
Tthi sehen Problems, das ihn zu jhm daß man keinen Unterschied anerkennen wollte zwischen den
F Das ontologische Argument dämmert
hier verleitet.
auf: daß die Gottesidee Grundbegriffen der neuen Mathematik und denen der Re-
in der künftigen Bedeutung
werde, welche in einer ligion. Kein Geringerer als Berkeley beweist dies.
zum BeweuSrund einer solchen Ethik Natur Bezug ha^ Es ist also Notstand der Logik, den die MögUchkeit
ein offener
meThS 'vergleichbaren Weise auf
f]« aufdeckt. gilt als das Denkbare. Hat das Denk-
Das MögHche
bare nur einen negativen Sinn? bedeutet es nur das nicht
hält diesen Undenkbare? oder steckt in ihm ein realer, positiver Sinn? n
ndieslBezrehung gebracht. Auch L
e i b n i z
Der Sinn von Kants Unterschei-
12.
heodteifchen Zufa'mmenhang aufrecht^ ^"^ J/dr dung zwischen Analytisch und Synthe-
die Ethik selbständig zu
machen. Aber der m o
es nicht
der Gottesidee ist unverkennbar
auch tisch. Das ist die Frage, die Kant sich gestellt hat. Sie
rausche Sinn ist der treibende Sinn in der Unterscheidung
von Ana-
bei ihm.
Syatematidch-ästhetische Möglichkeit 415
414 Analytisch und Synthetisch

Kategorie, geltend macht, die Forderung der allge-


ist
lytisch und Synthetisch im Urteil. Die
Diese meinen Naturgesetze für die synthetische, die
Möglichkeitsoll nicht mehr die Denkbarkeit bedeuten.
neue, die eigenthche Möghchkeit. Die Möghchkeit ist so z u
Bedeutung enthält eine doppelte Gefahr, die der Doppelsinn der der Erfahrung gesteigert; zugleich aber,
im Begriffe des Denkens herbeiführt. Das Denken ist das in diesem eigenthchen Sinne, auf die der Erfahrung
reine Denken. Dieses aber wird promiscue auf die Mathe- eingeschränkt.
868 matik. und auf Gott bezogen. Deshalb machte Kant hier Wie nun aber um die Möglichkeit von Gott?
steht es
der allerdings dem reinen Denken
einen scharfen Schnitt,
Man kann bemerken, daß Kant in dem ganzen Kapitel vom
seine Einzigkeit nahm für die Erkenntnis, infolgedessen Ideal von der MögUchkeit handelt. Hundert mögliche
ihm Gefährte an die Seite gegeben wurde.
ein
Dement-
Das Taler werden bekannthch dabei ausgespielt. Hält der Taler
sprechend wurde auch im Urteil das Denken zwiespältig. aber etwa den Vergleich mit Gott aus? Und wenn Gott zu 359

analytische Urteil beließ die MögUchkeit bei der Denkbarkeit;


einem Postulat werden muß, ist er damit weniger als
aber dieses Denken galt nicht fürder als E r k e n n e n; und möglich ?
diese Möghchkeit wurde nicht als die eines Gegenstandes Lassen wir aber Gott aus dem Spiele; entsagen wir allen
anerkannt. So schienen beide Gefahren beseitigt: die ana- Interessen des Mittelalters; wie verhält es sich denn mit der
lytische Möglichkeit kann nicht einmal den
Gegenstand der
Sitthchkeit, mit der menschUchen Handlung?
Indem
Mathematik produzieren; geschweige einer solchen der Kant für ihre Gesetzlichkeit die Idee rehabiUtierte, be-
Physik, oder gar einen Gott. Wie steht es nun aber um
die
müht er sich sogleich eifrig, den Makel der Untunhchkeit, der
synthetische Möglichkeit? praktischen Undenkbarkeit von ihr zu entfernen. Die MögUch-
Sie ist freilich von der Zweideutigkeit der bloßen
Denk-
keit darf also nicht auf die der Erfahrung, auf die der Natur
barkeit befreit; ruht sie doch zugleich auf einer vom
Denken
Auch die Ethik fordert
eingeschränkt werden.
unterschiedenen Stütze. Was hat aber das Problem der den Begriff der Möglichkeit; und das andere
Möglichkeit dabei gewonnen, und zwar in seiner doppelten andern Bedeutung fordern.
Problem muß den Begriff in einer
Was zuerst
Bedeutung, für die Natur und für die SittUchkeit ?
Möghchkeit in die po-
I

13. Die systematisch-ästhetische Mög-


die Natur betrifft, so ist freiUch die lich k e Leibniz hatte sich eines ästhetischen Beispiels
i t.
sitive Bedeutung, als die der Erfahrunggehoben worden;
bedient. ist das Beispiel zu einem systematischen
Für Kant
aber einen eigenen Weg hat sie, die doch Kategorie sein
soll,
Problem geworden. Auch die Ästhetik hat mit der
dadurch nicht erlangt. Kant hat sich damit geholfen, daß Möglichkeit zu rechnen und zu rechten. Wäre ihre MögUchkeit
er den Sinn dieser Kategorie, wie der ihr
koordinierten, so Nach-
nur die der Erfahrung, so wäre die Kunst nur
bestimmt hat, daß durch sie der Inhalt der Erkenntms ahmung der Natur. Wäre ihre MögUchkeit nur die ideale
nicht vermehrt würde. der Handlung nach dem Sittengesetze, so triebe die Kunst
Im Grunde ist auch dies nur die Einschränkung, aber die nur Erbauung. Die Selbständigkeit, die Reinheit der Kunst
Anwendung des ontologischen Arguments. Indessen zieht selbständige
in der Erzeugung ihrer Werke setzt eine
Summe derjenigen Bedingungen,
also die Möglichkeit nur die
selbst
ästhetische Möglichkeit voraus, der die Kunst
welche die früheren Kategorien enthalten. Sie gerecht zu werden hat.
Bedingung; vermehrt den Inhalt nicht.
stellt keine neue sie
So geht aus dem System der kritischen Probleme selbst
Erfüllung
Sie faßt nur die Bedingungen zusammen, deren unmittelbar hervor, daß die MögUchkeit, als synthetische,
die Möghchkeit ausmacht. Sie ist ein Wort; wie
Kant selbst
in eingeschränkter Beziehung auf die Erfahrung ihren Begriff
sagt, eine Definition. Und der strenge Sinn, den sie. als

pi
Kants Einheit des Bewußtseins 417
416 Fichte und Hegel

kann. Der Ontologie wurde eine schwere Bedingungen der Möglichkeit werden unter seiner Hand zu
nicht erfüllen
Schranke vorgeschoben. Aber die Schranke
wandelte sich Bedingungen des Selbstbewußtseins. Das
ontologischen Pro- Selbstbewußtsein wird jetzt das Zauberwort, mit dem er alle
selbst in eine Grenze, an welcher die
Licht
erweiterten und Probleme der Natur bewältigen zu können vermeint.
bleme von neuem auftauchten, und sogar sich bringt er aus dem Selbstbewußtsein hervor.
auswuchsen. So läßt es sich wohl verstehen, d^aß die
alte und Luft
Seele die Ontologie war, alsbald wieder So wird das Selbstbewußtsein zum allgemeinen Quell der Mög-
Metaphysik, deren Ontologie.
lichkeit. Es tritt, wie man sieht, aii die Stelle der
auflebte. ^ u^^^
Hegel War es denn aber etwa der Einfall des Talents bei Fichte,
Die dialektische Bewegung.
i

14.
zu sein; denn der ihn auf das Selbstbewußtsein brachte? Ist
glaubte gewiß, über die Ontologie weit hinaus
munter über die Sätze der I d e n 1 1 1 a t denn nicht vielmehr Bewußtsein und Selbstbewußtsein das
er konnte ja so
Widerspruchs spotten; aber er spottete Stichwort der neueren Zeit, mit dem die Wortführer, einer
und des
nach demandern, auftreten, seit Descartes zuerst in
Ontologie nur wieder
nur seiner eigenen Ketten. Er hat die Ausprägung es aufbrachte? Wir wissen, wie
in Fluß gebracht; nach seinem Stil würde man sagen können, individueller
Begriff trat jetzt seine Descartes damit gerungen hat, das Bewußtsein zuvörderst als
er habe sie auf die Beine gebracht. Der
reines Denken prägnant zu machen, zugleich aber auch für
dialektische Bewegung an, in welcher alles beiii
alle Probleme es zum Selbstbewußtsein zu erweitern. Leib ni
z
als Selbstentfaltung des Begriffs sich auf- hat diese Richtung fortgeführt, indem er das reine Bewußtsein
rollte. Es blieb also bei der Ontologie; der Apperzeption, von dem Bewußtsein schlechthin,
die Selbstver- als
860 Begriff, der Logos war das Sein; und Perzeption,
als die Mog- von dem der Vorstellung, als
w a n d u n g des Begriffs ist ihm nichts anderes
1
Newton argu- unterschied.
Hchkeit. Wie er mit dieser Möghchkeit gegen Einheit des Bewußtseins. Und
zu seiner Zeit 16. K.a n t s
mentierte, das hat der Philosophie nicht nur
den schwersten Schaden zugefügt es hat sie
von dem pla- Kant endlich hat seine Kategorien und seine
den Kant zu den Triumphen des Grundsätze unter dem Ausdruck der Einheit des
tonischen Wege abgelenkt,
Empfindhcher aber waren Bewußtseins zusammengefaßt. Die Einheit des Be-
Systems emporgeführt hatte. wußtseins machte er zum obersten Grundsatz.
noch immer die unmittelbaren Folgen da-
und sind es
Alle Schwierigkeiten lassen sich bei ihm aus dem einen Punkte
allgemeine Kultur; für die Re-
86i
von die
für Einheit des Bewußtseins,
daß
ligion; für das Recht; für den Staat; für die Ge- kurieren,
Einheit der
er die
Grundsätze, zu unter-
als
schichte überhaupt. Die scheinbare ontologische Sou- der scheiden beflissen war von der Einheit
veränität hatte den realistischen Schalk im Nacken;
was bedeuten sollte, bedeuten durfte. des Selbstbewußtseins; desjenigen Begriffs, dessen
Täuschungen er in den P a r a 1 o g i s m e n der rationalen
diktierte ihr, sie
15 Fichtes Selbstbewußtsein.
Wie Fichte
Rüstzeug der Psychologie grausam aufdeckte. Jetzt war wieder mit grellem
mit seinem idealistischen Talente überall das
auch den Rückfall die m Licht in diesen modernen Ausdruck der Ontologie hinein-
Romantik schmiedete, so hat er
Die Bedingungen geleuchtet. Wonach Descartes
verzweifelt gerungen
ontologische Möglichkeit bewerkstelligt.
hat, der methodische Sinn des C o g i t o war jetzt
gereinigt
der Möghchkeit bleiben bei ihm nicht die
Bedingungen
und gerüstet. Für das Selbstbewußtsein bedeutet Ich
der Erfahrung. Erfahrung hat für ihn nicht mehr
die
Newtons; w e 1 c h e B e - denke nur das Accompagnement; für die Wissenschaft
Bedeutung der Wissenschaft
Melodie.
deutung hatte Newton noch für ihn? Die aber ist es die
n. flf
Oohen, Logik der reinen Erkenntnis, A.afl.
Stellung der Empfindung Ding an sich 419
418

Indessen wir waren schon früher


mehrmals darauf ge- Verneint man dagegen die Frage, so würde ja alles Sein, als
Einheit des Bewußtseins trotz der fruchtbaren ein solches allein des Denkens, in die allenfalls rein mathema-
stoßen, daß die
Prägnanz, die ihr so geworden war, dennoch den Fehler in tisch erweiterte Möglichkeit zusammenschrumpfen;
gefaßt war. Schon bei dem die der reinen Naturwissenschaften aber schien ihr alsdann
sich trug,' daß sie offenbar zu eng
synthetischen Urteil trat uns diese Enge entgegen.
Ist versagt; und die Ontologie stände somit höchst gekräftigt
Aber während wieder auf ihrem unzerstörten Grunde.
denn etwa der Wille nicht Bewußtsein?
Ethik zum reinen Willen wird, bleibt er dennoch Sollte denn wirkHch aber die Empfindung gar nichts zu
er in der
Und ist etwa bedeuten, gar nichts zu sagen haben? Kant hat offenbar
von der Einheit des Bewußtseins ausgeschlossen!
bleibt es, auch trotz allem anders darüber gedacht. Er hat einen Grund-
das Gefühl nicht Bewußtsein? Und doch
als reines Gefühl der Ästhetik,
von der Einheit des Be- satz der Empfindung eingestellt. Und er hat ferner

ausgeschlossen! Man sieht es deuthch, daß die keineswegs mit der MögUchkeit die Reihe seiner modalen
wußtseins
Und dieser offenbare Kategorien abgeschlossen, hat ihr vielmehr eine Kategorie
Terminologie nicht in Ordnung sein kann.
Mangel macht es erklärUch, wie die Nachfolger
von neuem m beigeordnet, die es mit der Empfindung aufzunehmen hat.
zurückfallen, und die funda- Also will es scheinen, daß die Einheit des Bewußtseins auch
die elementare Unreife Descartes'
Verbesserungüberspringen konnten, welche die die Empfindung trotz ihrem Mangel an Reinheit in sich
mentale
des synthetischen Bewußtseins prinzipiell aufgenommen haben müsse. Darüber aber gerät der Begriff
Einheit
Dennoch aber war es zu augenfällig, daß des Reinen wiederum in Schwanken und in eine Ver-
gebracht hatte.
anerkannten Be- wirrung, die unheilbar scheint.
keineswegs alle mehr oder weniger schon
mitbestimmt 18. Das Ding an sich. Die Frage hängt, wie
fugnisse des Bewußtseins in ihr bedacht und
waren, und daher ihr gemeinsames Maß noch
nicht gefunden man deuthch sieht, mit dem schweren Anstoß zusammen,
Die Einheit des Bewußtseins vertrat lediglich
das den man an dem sogenannten Ding an sich von Anfang
hatten.
Denken und die ihr zugeordnete reine Anschauung. an genommen hat; den Fichte unter der zweideutigen
reine
engeren Sinne bei der Bescheidenheit diskutierte, daß nur ein Dummkopf diese
Ist denn nun aber auch in diesem
Ordnung? Inkonsequenz begangen haben könnte: alle Welt glaubte
Einheit des Bewußtseins alles in
aber, und glaubt es heute noch, daß Kant sie begangen habe;
17. Die Stellung der Empfindung. Diese
Dispositionen und Fichte selbst baute darauf sein angebUch neues System,
Frage führt in die schwierigsten und dunkelsten
Terminologie hinein. Wie steht es mit der zunächst noch mit der Huldigung, daß Kant in ihm sich
der kritischen
etwa selbst verbessere.
Empfindung? Gehört sie zum Bewußtsein, oder Das Ding an sich ist aber gründlich mißverstanden
gar nicht abgetan;
nicht? Die Frage ist aber in dieser Fassung
zur E i n h e i t des worden; es mußte mißverstanden werden, weil man seine
sie muß lauten: gehört die Empfindung
Bewußtseins? Darauf jedoch ist die Antwort in beiden
Rich- Grundlage, den Gegenstand der Erfahrung,
nicht begriffen, weil man die kritische Methode des neuen
tungen schwierig; sowohl sachhch, wie, was die
Interpre-
die Frage, so be- transzendentalen Lichtes nicht begriffen hatte, und daher
tation Kants betrifft. Bejaht man sachhch
Empfindung unter die reinen Ele-- nur als eine Methode des Selbstbewußtseins sie handhabte.
862 deutet dies, daß die
aufzunehmen sei; denn die Einheit Indessen wenn man von der geschichtUch wissenschafthchen
mente aufgenommen oder
nur die reinen Einsicht und Disposition einmal absieht, ohne welche freihch
des Bewußtseins ist rein; vereinigt daher auch New-
die Methode Kants, als die Fortsetzung der Methode
Bedingungen. aber die Empfindung eine reine Bedingung,
Ist
tons, schlechterdings nicht verstanden werden kann
wozu dann der Streit zwischen- ihr und der reinen Anschauung? 27*
1

Selbaibewußtaein 421

420 Bevmßtsein als Kategorie

Begriffe von engerer Leistung und Aufgabe


zu Kategorien
selbst,
wenn man in der kritischen TerminologieErklarungsgrunde
mihren geeignet sein? Hätten unsere Kategorien etwa wirkhch so
Ungewohntheit der
eigenen Unbestimmtheiten und Schwächen enge Befugnisse? Es ist offenbar die
für jenen Rückfall suchen will,
so bietet das Kapitel von der Sache, die sie uns befremdlich macht.
denn
Empfindung, welches aber eben kein
besonderes Kapitel is, Wir sehen uns aber zu dieser Aufstellung gedrangt;
sea
die breiteste und ergiebigste Angriffsfläche dar. Übera es darf nicht so fortgehen, daß das
Bewußtsein bald
das wissen-
stößt sie auf, von Anfang an bis zum Ende hm. Überall das Selbstbewußtsein bedeutet, bald

wird sie zurückgewiesen; und dennoch immer wieder zum m


schaftliche, bald gar die G e e i n g e f ü h 1 e; bald
364

Worte zugelassen. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, das Denken allein, bald die Empfindung zum
entscheidenden Stellen, Folgen dieser Promiskmtät smd
daß ihr sogar bisweilen, und zwar an Denken hinzugenommen. Die
das Wort geredet zu werden scheint. Das ist ein schwerer schwer genug. Das Unbewußte stellt sich als eine Er-
Muster zu be-
Notstand. Ob nicht doch die alte
Ontologic dabei ihre ver- gänzung ein und versucht, sich auf berühmte
hängnisvolle Nachwirkung geübt hat? rufen. Nicht ohne Fühlung mit solchem Unter bewußtsem
.„ j. ^ Spiritismus,
19 Das Bewußtsein als
Kategorie. Alle diese war allezeit das Ü b e r bewußtsein des
näher bringen, da ß einen Tribut des Geistes,
Erwägungen dürften uns den Gedanken der seine Anerkennung nicht nur als
ein Ort in der
dem Begriffe des Bewußtseins Urteils sondern nicht minder auch der Erfahrung fordert.
Ihrem
Arten des ausge- man wenn man sein Uberbewußtsein
Logik, unter den Zeugnis verschheße sich,

zeichnet werden müsse. Aller Streit dreht


sich um Kennt man denn aber
nicht anerkennen wolle.
das Bewußtsein; es wird zu den zentralsten Definitionen etwa das gewöhnliche Bewußtsein?
Alle noch schwerste der
benutzt; und es ist selbst doch nicht definiert Dieser letzte Einwand dürfte sich jedoch als
so verschiedenen Probleme entfalten sich aus den mannig- gegen den Versuch, das Bewußtsein als Kategorie
zu fassen,
das Bewußtsein annimmt. Und kann Begriff zur Kategorie ge-
faltigen Bedeutungen, die geradezu umkehren. Wie ein
Gebiete der Philosophie eine
es gibt keine Lösung im ganzen macht werden, der, wie man mit dieser Frage zugesteht,
nicht zur Voraussetzung hatte. Da ist Grenze des Erkenn ens bezeichnet? IndessenKate- muß
die das Bewußtsein
wohl die Frage berechtigt, ob ihm nicht der Wert man bei dieser Frage bedenken, daß auch alle anderen
doch
einer reinenVoraussetzung zukomme. D i e M
og11chke1 gorien nichts anderes bedeuten wollen und
sollen als eine

stellt sich als der Ort dar. der


das Bewußt- abgegrenzte Aufgabe zu stellen, und in dieser Formulierung
entstehen laß Operation zu
sein als Kategorie t.
der Aufgabe zugleich auch die methodische
Darüber
Ist die Möghchkeit doch in der alten Ontologie die Grund- bestimmen; die Leistung zur Lösung derselben.
hier das bei ihnen allen nicht, wie sie
selbst
lage zur Bestimmung des Seins: an ihre Stelle tritt hinaus fragt man
Bewußtsein. Auf dem Bewußtsein beruht die
Möglichkeit;
möglich seien. So läßt man sich an der Identität, an
in ihm ist sie enthalten; und die
Arten des Bewußtseins der Kontinuität genügen, indem man ihre
Leistung bestimmt.
entfalten die Arten selbst
der Möghchkeit; entfalten sich Und doch sind sie alle samt und sonders Formen des
Bedenken könnte uns hindern, Bewußtseins. Wenn nun aber bei den einzelnen
also in diese Arten. Welches
Kategorie auf das Bewußtsein zu über- Bewußtseins dieses selbst nicht zum
den Terminus der Formen des
tragen? Etwa, weil das Bewußtsein ein Begriff von zu weitem Problem wird, wenn man vielmehr ihnen allen nicht
bei
Problemen bezeichnet als Bewußtsein, ohne
UnTfang sei; weil es einen Knäuel von die Frage erhebt: wie sie alle, ledighch
deren Zusammenhang ebenso fraglich, als dringlich erscheint?
nur
besonderen kategorialen Inhalt gedacht, möglich seien:
Das Bedenken kann nicht ernsthaft sein. Sollten etwa

-0
Materie und Bevmßtsein 423
422 UtUeracheidung von Beumßteein und Bewußtheit

warum dann durchaus zum Problem werden müssen, Bewußtsein. Die Frage, wie Bewußtheit zustande
ist er
komme, ist also ein Rückfall von Bewußtsein in
sollte es
wenn es Auszeichnung, als Kategorie,
seine eigene
gilt? Und warum Problem, das bei den einzelnen
sollte jenes
Bewußtheit. Der Schein der Poesie verklärt diese er- nicht
Barbarei; aber alle Poesie könnte die Wissenschaft
Kategorien gar nicht zur Sprache gebracht wird, jetzt auf der Wissen-
setzen. Die wahrhafte Poesie bleibt im Bunde mit
einmal so sehr das große Wort an sich reißen dürfen, daß es tiefsten Motive,
schaft; und entlehnt der Wissenschaft ihre
diese Auszeichnung hindern könnte? Man könnte dies nur des Alls erneuert.
auch wenn sie die mythische Beseelung
für den Fall verstehen, daß das Bewußtsein schlechterdings
in das sich diese Frage und
dieses
gar nichts anderes als dieses Problem seiner eigenen Möghch-
Das Mißverhältnis,
Wissenschaft versetzt, tritt schon darin zutage,
Interesse zur
keit zu besagen hätte; denn dessen Lösung frciUch darf frag- ersten
würdig scheinen. daß die Wissenschaft in ihrem Entstehen, in ihren
Begriffen schon diesem Interesse den Krieg erklärt.
Und die
20. Unterscheidung von Bewußtsein und Fehde der
ersten Begriffe der Wissenschaft, welche diese
Bewußtheit. Wir unterscheiden daher Be- ewigen Grundbe-
wußtsein und Bewußtheit. Die Frage, w e i Bewußtheit
griffe
ansagen,
geblieben.
sind die
Die Materie ist der erste
es zugehe, daß der Mensch und das Tier Bewußtsein
haben, schließen wir aus dem Zusammen-
dieser Begriffe. Nicht Okeanos ist das Wasser mehr,
Be-
hang zulässiger Probleme aus. Mag sie sich und nicht Tethys; sondern Materie. Also fort mit der
wußtheit; die Materie soll an ihre Stelle treten. Das ist die
dem Zusammenhang von Fragen einreihen, welche auch der umgekehrt
Losung der Wissenschaft. Wie kann man nun
1

Pflanze, und etwa auch dem Sonnenball Be- Wissenschaft ein Interesse an der Bewußtheit
wußtsein andichten. Logik ist Logik der Wissenschaft. Und im Zeitalter der
Wissenschaft ist nicht Mythologie wenngleich der Mythos affektieren? Wie kann man Materie und Be-
als eine Korrelation aufstellen?
;

die Naivetät und den Ernst der Wissenschaft hat. Allmähhch


wußtsein
Der Gedanke ist um so unerhörter, als ihm eine andere Einsicht
aber wird er Poesie, und zu gleicher Zeit erwacht die Wissen-
Worin unterscheidet sie sich denn
Es hat nicht lange gedauert, nachdem die Materie dem
schaft.
aber von dem Mythos? Durch nichts anderes als
Mythos entgegengetreten war, da erwachte der
auch seelenvollen
durch die immer schärfer, nüchterner und reifer, also
Beseelung
Gedanke, daß der Gegensatz zwischen Materie und
»65

befriedigter werdende Einsicht, daß es eine unerlaubte selbst


Bewußtheit gerichtet wird. doch eigenthch nur Schein sei. Die Materie
als eine Erzeugung des Bewußt--
Frage sei, die auf
Es ist Unreife, wenn geklagt wird, daß man nicht ver-
wurde
Wurm
im Schmerz seins erkannt. Die Zahl, vor allem, das b e
stehen könne, wie es zugeht, daß der
sich krümmt, und daß in Mozarts
Gehirn Melodien harrende Sein nebst der Bewegung, Begriff aber auch
das Unendliche, die Identität, der
Es ist Unreife und gleichsam Undank gegen die
So ist denn also der Kampf
singen.
Wurm
fragen; oder etwa die Biene, enthüllten diese ihre Natur.
Wissenschaft. So mag der einem wirk-
Sie der Materie gegen die mythische Bewußtheit zu
wie sie ihre Mathematik zu ihrem Zellenbau erlange. Bewußtheit ist durch
Uchen Siege ausgef ochten die mythische
weiß nichts von der Mathematik, noch auch nur von ihrem
:

das wissenschaftliche Bewußtsein über-


Instinkte. Den Menschen aber unterscheidet sein Wissen, Poesie des
seine Wissenschaft von dem Instinkt der Tiere. Hätten wunden. Es ist also nicht nur ein Rückfall in die
gebracht
auch war nur Instinkt, so hätten wir nur Mythos, wenn die Bewußtheit auf die Tagesordnung
wird; sondern es ist der gegründete
Verdacht alsdann vor-
Bewußtheit. Der Geist erzeugt Wissenschaft; daher
-

Bewegung als Verbindung von Denken und Wollen 425


424 Grundrichtungen des reinen Bewußtseins

dem Mythos die betätigen. Und es wird sich eine vierfache Mög- 367

banden, daß hinter jener Sehnsucht nach lichkeit herausstellen, gemäß der vierfachen Bedeutung
Feindschaft gegen die Wissenschaft lauert. Aus dem Mythos
M des Bewußtseins. Auch werden Unterabteilungen erforderlich
sogenannte Religion geworden; und d er ythos
ist
werden gemäß denen in den Hauptgebieten.
in der Religion ist der Feind der Wissen- Man pflegt von altersher das Bewußtsein ein-
schaft und der Kultur geblieben. zuteilen in Erkenntnis und Willen. Der
Bewußtheit ist Mythos; Bewußtsein Unterschied, so natürlich er scheint, und so einleuchtend
hat sich somit als
ist Wissenschaft. Der Einwand seine sachliche Bedeutung ist, wurde dennoch von
jeher be-
sich nicht
durchaus hinfällig erwiesen, daß das Bewußtsein - stritten. Im Grunde kann man den Satz des Sokrates,
weil es ewig von einem I g n o r a ö i
zur Kategorie eigene, daß Tugend Wissen sei, für eine solche Bestreitung halten.
e n e s Bewußtsein.
m u s bedroht sei. Das Bewußtsein ist es sich gegen Skepsis
r i
Das ganze Mittelalter kämpft mit der Frage, ob I n t e 1 1 e c
-

In seinen reinen Erzeugungen bewährt V u n verschieden, oder vielmehr eins


und o a s
Das Urteil der Möglichkeit soll t u s 1 t
und Mystik. seien. Auch hat die Frage immer Schwierigkeiten
gemacht,
die Kategorie des Bewußtseins erzeugen.
ob der Wille nicht vielmehr Begehrung, und
daher
unser Gedanke. Mithin muß das Bewußtsein dann
Das ist
dem Denken nicht gleichartig sei. So hat man den Willen
es die Möglichkeit als eine
sich als Kategorie betätigen, daß Tr i e b der E mpfi n
-
methodischen Durchführung bringt Und teils zum Denken nivelliert, teils als
n Art des Urteils zur
universell ist. so wird auch düng und dem Denken entgegengesetzt. Es
angegliedert,
wie das Bewußtsein umfassend, dürfte daher zweckmäßig erscheinen, eine andere
Unter-
umschreiben. Uni-
die Möglichkeit einen solchen Umfang Be-
Ausdruck. Wenn anders das scheidungsweise zu versuchen, welche der sachhchen
versell freilich ist ein bildlicher terminologischen Unklar-
seines Inhalts deutung gerecht bleibt, und di'3
Bewußtsein rein ist, so muß es die Erzeugung
ist, so Wird heiten vermeidet.
bedeuten. Wenn nun aber dieser Inhalt vielfältig
22. Die Bewegung als Verbindung von
die Reinheit zunächst die Gliederung dieses Inhalts
Die Bewegung hat
Kontinuität stellt solchen innerhchen Denken und Wollen.
fordern. Schon die
Das sich uns als Kategorie herausgestellt.
Zusammenhang jenes reinen Inhalts in Aussicht. Aber noch bevor diese Auszeichnung erfolgte, hatte sich die
dieses Inhalts wird dann die
weitere Forderung
System Bewegung bereits rein betätigt: in der Zeit, wie im
werden dürfen, werden müssen.
Die Grundrichtungen des reiben
Räume. Mithin ist die Bewegung reines
21.
Bewußtseins. Wir haben von Anfang an auf diese Inhalte
Denken. Und doch ist sie das Grund motiv
im
Bezug genommen; sie sind uns als die
drei Glieder d e s W i 1 1 e n s. also keine Heterogeneitat
Es entsteht
und Willen mit dadurch, daß die Bewegung
dem Denken
des Systems der Philosophie aufgetreten; Systems seine Wurzel wird; denn diese wächst
auch in das reine
ihre Vereinigung war einem vierten Gliede des
auch mit den intellektuellen
Denken hinein; sie kann daher
Jetzt dürfen wir für diese Hauptgebiete
drei
zugesprochen.
Aufgaben des Willens sich vereinbaren. So haben die
Wi s s e n
Grundrichtungen des reinen Bewußtseins Schaft in ihrer prototypischen Bedeutung und die Ethik
die Sache, der
bezeichnen, deren Vereinigung auch gemeinsamen logischen Ursprung.
sein wird einen
Abschluß der reinen Erzeugung des Bewußtseins man berechtigten Gedanken mcht
wird braucht diesen
In allen diesen reinen Erzeugungen
Aber
mehr als Identität zum Ausdruck zu bringen; dabei tritt das
e wu ß t s ei n s,
sich die Möglichkeit d es B Möglichkeit Eigentümliche des Willens in den Hintergrund. Man
erkennt
wird sich das Bewußtsein als
Ptychologie alt »ytUmatitehei QUed 427
Äathetitche» Bewußtsein
426
erschöpft; so wenig als das Bewußtsein. Das reine Bewußt-
ietzt den Vorteil, den das Wort Bewußtheit
prohibtiv
sein vollzieht eine dritte Richtung in der Erzeugung der
istmL
nicht einerseits an das Denken, andererseits Kunst. Diesem dritten Hauptgebiete der Kultur entspricht
darbietet
Begehrungsvemögen gebunden; im System der Philosophie die Ästhetik. Mehr noch als
afein Sogenanntes niederes
in der Ethik, dem Rechte und der Pohtik bildet die MögUchkeit
jrnae'n^^rfBlluM^ein-Vn^.'u^mBe.^rßt- in der Ästhetik einen tiefen Streitpunkt. Die Schulen nicht
es Bewßtsein;
s e in dieses Bewußtsein ist reines
Und nur, sondern auch die Weltanschauungen drohen sich hier zu
und die Sittlichkeit;
erzeugt seine Inhalte, die Erkenntnis spalten. Nicht allein die Natur gilt hier als die Norm oder als
s« oder beier d*« Wissenschaft
und die Ethik; denn auch in der Hemmschuh für die MögUchkeit des Schönen; sondern auch
wenngleich in ver-
H^^Fthik werden reine Erkenntnisse, die SittUchkeit wird zur Vereinbarung mit der Natur ge-
r Grundlage bilden Die
ärderlS'Uhodischer Bedeutung, fordert; also auch zur Erschwerung der Möglichkeit.
Indem so die Bewegung
.f^
sich im Denken aus Selbständigkeit der Kunst steht mithin bei der Möglichkeit
müssen und wird zur
Snet greift sie über dasselbe hinüber, in Frage. Und es ist die Selbständigkeit und
Grundirge des Die Bewegung
Willens. Reinheit des ästhetischen Bewußtseins,
unterscheidet und verbindet das Bewußt- also das Bewußtsein, welche ihre eigene Möglich-
und das Bewußtsein
sein de s D e n k e n s keit fordert.
Gegen- Die Psychologie als das systematische
24.
"^ *

Stande
\S
, t a n d e
Vefne Bewußtsein ist
Bewußtsein des
Der Gegenstand ist der Inhalt,
dem die reine
Glied von der Einheit des Kulturbewußt-
seins. Das reine Bewußtsein ist die Voraussetzung für die 369

«Problem des Bewußtseins


s
»• >"=L^"
drei Hauptgebiete der Kultur. In jedem derselben muß das
"^TdThe^r das Problem d e s Geg e n sta nd e s.
Bewußtsein als Einheit gedacht werden. Das war bereits
ist die F-^e nach der Mög-
Di Fra^ge L'ch'dem Gegenstand der Platonische Leitgedanke {iv u v^z^)- Indessen da dieser
h™ Einheiten drei sich bilden, so wird für diese drei eine neue
n d M ö ^1 c l m '-

"^n f: u^Treu":
"^'.nJehörenund nebenbei, daß die
i : rt ';s'a
Möglichkeit des
Einheit erforderlich. In allen dreien ist

Bewußtseins nur eine Abstraktion, so energisch sie in jeder


die Einheit des

Gegenstandes bedeutet. Dennoch steUt sie nur eine Ab-


SewußtseLs die MögUchkeit des derselben lebendig wird.
zwiefache Art des Bewußtseins bisher Kulturbewußtseins dar.
Wir haben eine zw
wThaben i
Gegenstand in einer zwie-
straktion desGanzen des
Also ist autn uci utg Der Mensch der Kultur ist zugleich auf Wissenschaft, auf
unterschieden.
t u FroDiemg
ti<.rio„tiinD Problem geworden. Und jomopmäß
demgemau hat
nai
Ethik und auf Ästhetik gerichtet. So wird die Ein-
fachen Bedeutung
^^jefache Bedeutung; m u 1 1 u r b e w u ß t s e i n s ein
K
heit des g e s a t e n
die Möglichkeit des durch
T"" M^MScSeit des Bewußtseins ist
MögUchkeit der
prägnantes Problem. Es ist dasjenige,

Grenstendef Die M^gliSikeit ist zunächst welches wir die Psychologie als ein GUed des Systems
der Philosophie bestimmt haben (vgl. oben S. 17 f.).

Demgemäß gewinnt nun auch die MögUchkeit eine

neue Bedeutung. Das zentrale Interesse derselben wird


methodisch abhängenden Geisteswissen sofort deutUch, wenn man an die Kollision
denkt, in
von ihr
welche P 1 a t o n s MoraUsmus mit seinem Ästhetizismus
''^V*Das ästhetische Bewußtsein. Die
geriet, und wie er dieselbe nicht im Sinne
der MögUch-
diese zwei Hauptarten
mcht
Möglichkeit ist 'edoch durch
Arbeit der Forschung 429
Kritik und Grundlegung
428

man fragt ndlegung, und nur Grundlegung ?


warum Gr
psychologischen Einheit des Be-
:

vollen ganzen
keit jener eben zu antworten: weil nur die Grundlegung reine
v^ßtseins gehoben hat. Auch die Frage der Freiheit So ist
nur diese wahrhafte Grundlagen
und nicht unwicht.g^ Erzeugung ist; und weil
Sst kann in nicht wenigen
aller drei Faktoren für schafft. Den Beweis bringen die Kategorien selber. Also
Fällen nur durch Berücksichtigung für das sichere Verständnis von der
entscheidenden, den
Bedeutung sachgemäß behandelt werden.
die vierte
Zusammenhang von Bewußt- Wert der Gewißheit bezeugenden Fruchtbarkeit
So wird der der Grundlegungen bedürfen wir keiner kritischen
Nachlese.
der Es ist
sein und Möglichkeit unverkennbar.
Wir wissen aber bereits, daß allen bisherigen Kategorien
Zusammenhang der Korrelation. Wo MögUchke t in Frage MögUch-
dieser vier Bedeutungen des gegenüber, die wir als naive bezeichnen dürfen, die
kommt kommt sie in einer
ein keit den Reigen der kritisierenden Kategorien
führen soll.
Berßtsls in Frage. Der Sinn der MögUchkeit ist
als Grund-
Naturwissenschaft in ihren Nicht jedoch gegen den Charakter der Kategorien,
anderer, wenn es sich um die
lagen der Wissenschaft, darf die Kritik sich ergehen; es
anderer, wenn um die
beiden Hauptgebieten handelt, ein würde sonst das Fundament des Ganzen, das reine
Denken
Gebieten, ein anderer, wenn um die K"nsj'
reine Erkenntnis in Frage gestellt. Was bleibt dann
Ethik mit ihren aber
Einheit des Gesamtbewußt- als
ein anderer endlich, wenn
die
für alle diese Be- für die Kritik übrig?
LL das Problem bildet. Wenn jedoch
Kategorie, einzustehen hat. 26. Die Arbeit der Forschung. Wir haben
deutungen die Möglichkeit, als
bereits (S. 399 ff;) Wissenschaft
zwischen der und
gemeinschaftliche methodische Be-
muß der Arbeit der Forschung
so sie eine allen unterschieden. Die
Bedeutung der Möglich-
deutung haben. Diese methodische bisherigen Kategorien stehen im Verhältnis zur
Wissen-
Art ermittelt werden die den
keit kann nur aus der ersten s haft; die Möglichkeit betrifft das
Verhältnis zur Forschung.
Voraussetzung, der Grundlegung
Begriff der
ursprünglich und genau Das Urteil der Möglichkeit ebnet die
zu dem Wert der reinen Erkenntnis Disposition für den Anfang und Ansatz
auszubilden vermag. „ j , _ _ ^
Grundlegung. der wissenschaftlichen Forschung. Hierzu
25. Die Kritik und die ist auf Schritt und Tritt Kritik notwendig; und nicht nur
Natur-
entstehen in der mathematischen
negative; sondern die ausgiebigste positive. Man
Die Kategorien hat daher
anderswo sonst. Sie entstehen aber auch
wissenschaft; nicht häufig die Möglichkeit, die in dem Kopfe des Entdeckers
Grundlegungen. Wir haben es
70 dort als Voraussetzungen, als arbeitet, mit der Phantasie des Künstlers verglichen.
eingesehen, daß es mcht schlechthin die
wohl allmählich
welche diese Grund- Und es ist sehr lehrreich, daß diese Erfindungskraft sich weit
Naivetät des Genies war. noch blieb,
Grundlagen durchschaute; mehr in der Mathematik und der mathematischen Natur-
legungen als die einzig sicheren wissenschaft allezeit hervorgetan hat als in der
biologischen
wie 4lmehr in dieser Intuition der
Argwohn der r 1 1 1 k K
vollem Ausdruck Forschung, wo doch die Dunkelheit und die Verwickeltheit
genug, daß die Kritik zu
mitspricht. Grund
Mißtrauen mcht noch anscheinend größer ist. Aber die Reinheit des Bewußtseins 371

gebracht werde, damit ihr geheimes ist auf diesem Gebiete auf den Zweck
angewiesen und
mehr anstecke und tiefer um sich greife.
beschränkt. Das mathematisch-naturwissenschaftliche Be-
Begriff der
So könnte man für den fundamentalsten das wußtsein dagegen operiert mit vielen Handhaben. So mag
Grundlegung einen logischen Ort fordern, und Urteil der
Indessen es zu erklären sein, daß auf diesem Gebiete das
allein ausersehen.
Urteil der Möglichkeit dafür Möglichkeit den allgemeinen Begriff der reinen
Erkenntnis,
diese Forderung nicht in Einklang
zu bringen sein mit
dürfte
Erzeugung. Wenn den der Grundlegung zu einer spezifischen Bedeutung für
dem Begriffe der reinen

/
Ermöglichung neuer Erkenntnisse von neuen Gegenständen 431
Hypothese
430
Allerdings hat er die Prinzipien auf die Mathematik, im Titel
Fortentwicklung der Forschung ausgeprägt hat: die
die wenigstens, beschränkt; aber er konnte andere „ausgezeichnete
Hypothese. „ ., * Spekulationen** darum doch nicht entbehren.
27. Die Hypothese. In der Hypothese vollzieht Mag man auch sie Prinzipien nennen dürfen; konnte er
Wiedererweckung P a t o n s;
sich die Renaissance als die trotz alledem dem Verdacht der Hypothese entgehen? Gerade
1

und
und zwar der tiefsten Erkenntnis, die Piaton erdacht ihm sollte es widerfahren, daß sein Grundgesetz der Gra-
n Denkens
zur ewigen Grundlage alles wissenschaftlichen vitation von H u y g e n s und von L e i b n i z als
gestempelt hat. Sie wurde zuvörderst als das Erkenntnis- „Absurdität" gekennzeichnet wurde. Einen stärkern Ausdruck
mittel und als der Erkenntniswert für die
Astronomie geltend das
für die Falschheit einer Hypothese kann es nicht geben;
gemacht. Kopernikus bezieht sich auf die Grundlagen, Mögliche wird dabei dem Denkbaren wieder gleichgesetzt;
welche die Griechen Hypothesen nennfen. Man hatte
ihm von
und die Hypothese hat doch außerdem noch ganz andere
abgeraten; und er lehnt daher
dem Gebrauch des Wortes Bedingungen zu erfüllen. Auch in dieser Beziehung, in der
keine Glaubens-
später den Ausdruck ab seine Hypothesen seien
:
Bedeutung der Hypothese für den Fortgang der
artikel, sondern nur Grundlagen der Rechnung.
Kepler Forschung hat das Schicksal der Optik gegen Newtons
Künstler der Hypo-
aber charakterisiert ihn als den großen Verwerfung der Hypothese entschieden. Wir kommen darauf
these. Für Kepler scheint sogar die Vergleichung
der Hypo-
zurück; zuerst werde die Bedeutung der Hypo-
besonderen Reiz
these mit der künstlerischen Phantasie einen
these in der Mathematik erwogen.
ausgeübt zu haben: in hypothesibus rerum na- 28. Unterscheidung der Hypothesen.
Die
er bleibt nicht bei solchen
turam depingimus. Aber
werden.
Die unmögliche Zahl. Kepler unterscheidet die
Vergleichungen stehen, wie wir genauer noch sehen geometrische, die astronomische und die
Newton war durch den Mißbrauch, den die Kartesianer physische Hypothese. Er tut dies aus seinem
mit den Hypothesen trieben, zu dem Worte gereizt
worden:
astronomischen Gesichtspunkt. Aber auch die Arith-
Hypotheses non fingo. Freihch, wenn sie nur Fiktion metik hat ihre Hypothesen. Die k o m p e x e Z a h 1 1

wären, verdienten sie die Verwerfung; wie aber, wenn Man


sie als hat sie
ist das sehr instruktive Beispiel einer solchen.
Kategorien gerechtfertigt wären ? Man sieht, es
kommt nicht
früher als unmögliche bezeichnet; und Cauchy
sowohl auf die Rechtfertigung einer einzelnen, besondern obwohl er um ihre Theorie
selbst bezeichnet sie als solche,
auf
Hypothese an; über diese mag Streit sein; als vielmehr so große Verdienste hat. Man kann an diesem Begriffe
Das
das logische Recht der Hypothese als Methode. Cauchys den Zusammenhang von Hypothese und MögUchkeit
als Kategorie.
.Urteil der MögUchkeit erzeugt die Hypothese scharf erkennen. Warum hat er denn die
komplexen Zahlen
Der Ausdruck Fiktion dagegen fällt aus der logischen als einzelne
für unmögliche erklärt? Weil er sie selbst
Bedeutung der Sache heraus. Auch für Kopernikus war di^se Zahlgegenstände angesehen, und deshalb in Frage
nicht da- sich nicht
nicht klargestellt; sonst hätte er sich nachträglich gezogen hat. Aber bei der MögUchkeit handelt es
gegen verwahrt, daß man seine Theorie nur für eine
Hypo- darüber entscheiden
in erster Linie um den Einzelgegenstand;
schärfer, weil Begriff des
die naiven Kategorien; sie konstituieren den
these halte. Keplers logische Einsicht ist hier
er die Platonische H
ypoth esi s auf die er
,
Gegenstandes, von dem der Einzelgegenstand ein
Exemplar
wiederholentlich sich beruft, kongenial erfaßt hat.
Newton
bildet.
hatte den Gedanken nach seiner allgemeinen Bedeutung
für
29. Die Ermöglichung neuer Erkennt-
97-; t die Naturphilosophie in dem Begriffe des
Prinzips auf- nisse von neuen r, p p n s t ä n d e n. Für die

genommen. So glaubte er der Hypothese entraten zu können.


432 Bewußtsein und Denken Zeit und Bevmßtsein 433

kritisierende Kategorie der Möglichkeit jedoch handelt es metrische Darstellbarkeit desselben erkannte.
sich um den Fortgang der Forschung
zum Be- Die geometrische Möglichkeit, die G a u ß erwirkte, hat mit
hufe der Ermittelung einer neuen Art von einem Schlage die Möglichkeit hergestellt. Das Bewußtsein
Gegenständen, welche freiUch den naiven Kategorien hat also hier in der räumlichen Anschauung die Hypothese
nicht widersprechen darf, welche aber von ihnen noch
nicht gerechtfertigt. Das Bewußtsein hat Kritik geübt an den Me-
373 zur Erzeugung gebracht worden ist. So erfindet das kriti- thoden des reinen Denkens; und es hat die Zahl ver-
sierende Bewußtsein — das Bewußtsein ist kritisierend gegen- einbart mit dem
Räume. Diese Vereinbarung
über dem naiven reinen Denken — einen Kunstgriff, dessen war zwar in der analytischen Geometrie bereits
MögUchkeit in diesem seinem Werte als Kunstgriff besteht. vollzogen; aber sie schien für das neue Zahlgebild zu ver-
Dieser Kunstgriff ist die Hypothese; die aber aus dem
tiefen sagen. Dieses Mißtrauen hat Gauß beseitigt. Das Bewußt-
Schachte des Bewußtseins heraufgezogen wird. Diese Be- sein also, in seiner Reinheit, ist nunmehr als die Instanz für
deutung hat die Möglichkeit der Hypothese. Wenn das das Denken festgestellt. Das Bewußtsein fordert und voll- 374

Imaginäre zu solcher Erzeugung neuer Zahlgebilde zieht die Vereinbarung der Methoden in den Disziphnen der
dienlich ist, so entspricht es der Kategorie der
Mögüchkeit. Mathematik. Kraft dieser Vereinbarung wird die Hypothese
Es istmöglich, das heißt: es ermöglicht als'MögUchkeit, als Mittel zur Erzeugung einer bisher unbe-
neue Erkenntnisse. Es ist ein neuer Weg, der damit kannten Art von Gegenständen beglaubigt. So vollzieht
erschlossen wird zur Entdeckung neuer Begriffe, neuer Gegen- die Kategorie der Möglichkeit in der Hypothese kraft des
stände; einer neuen Art von Gegenständen. kritisierenden Bewußtseins das Verhältnis und das Recht
30. Bewußtsein und Denken. Beachten wir zum Fortgang der Forschung.
den Unterschied von Bewußtsein und 31. Die Zeit und das Bewußtsein. Indessen
Denken für die Hypothese. Wir verstehen darunter das ist damit die Bedeutung des Bewußtseins nicht erschöpft.
Erwachen der Kritik. Und dieses Erwachen ist für jeden Der Möglichkeit treten andere Schwierigkeiten entgegen;
Fortschritt der Wissenschaft notwendig. Die Arten des und auch der Hypothese. Wir haben bisher das Bewußt-
also
naiven Urteils gehen unbeirrt ihren Weg; ihrer Reinheit sich sein nur dem reinen Denken gegenübergestellt. Besteht es
bewußt. Die eine braucht sich dabei auch um die andere nicht nur in diesem Verhältnis zum reinen Denken
als reines
zu kümmern; jede verfolgt ihren eigenen Weg. Indessen Bewußtsein? Das ist die schwere Frage; die schwerste^ die
ist

Vereinbarung der Mittel des reinen


doch die von Anfang an die Philosophie umlauert hat. Die MögUchkeit
Bewußtseins eine natüriiche Forderung; innerhalb der bringt uns in eine neue Situation dieser alten Frage gegen-
naiven Urteilswege ist aber dazu keine Veranstaltung ge- über. Vom ausschUeßlichen Gesichtspunkte des reinen Denkens
troffen. So stellt sich an dem Beispiel der komplexen Zahl aus gibt es keine andere Möglichkeit; sie fällt zwar nicht mit
dieser Zusammenhang der Hypothese, der der Denkbarkeit, aber mit der reinen Erkenntnis zusammen.
Mög 1 i c h ke i tund des Bewußtseins dar. Die Daher hat B o 1 z a n o die Zeit so definiert, daß sie das
Forderung des Bewußtseins und seiner Möglichkeit erhebt Unmögliche möglich mache. Das Zugleich (S^a, simul), das
sich für das reine Denken in dem Sinne, daß die Mittel sonst in die Formel des Satzes vom Widerspruch aufgenommen
des
4 reinen Bewußtseins zur möglichen Vereinbarung miteinander wurde, wird dadurch als eine positive Instanz dem
durchgemustert werden. Satze entgegengestellt: es bedarf nicht anderer Denkgesetze
Der Anstoß, den man an dem Imaginären nahm, wurde zur Ergänzung. Indessen die Zeit gilt ja allgemein auch nicht
beseitigt, oder zum mindesten gemildert, als man
die g e o - als reines Denken. So könnte es scheinen, daß sie die Aufgabe
Cohen, Logik d«r reinen Erkenntnis. II. Aufl. 28

ii
Einzelne Leistung der Empfindung 435
Problem der Empfindung. Logik und
Psychologie
434

im ganzen philosophischen Sprachgebrauche läßt sich so durch-


erfülle, diewir hier bemüht sind, dem reinen Bewußtsein schlagend es einsehen, daß eine dogmatisierende Wechsel-
Unterschiede vom reinen Denken zuzuteilen. wirkung zwischen der Psychologie und der
versperrt, indem
Diese Disposition haben wir uns jedoch Logik gemeinhin besteht. Welche von beiden die Ver-
abgeleitet haben. Die Zeit
wir die Zeit als Kategorie wirrung anfängt, ist schwer zu sagen. Nehmen wir einmal an,
nicht zu dem
gehört für uns unter die naiven Kategorien; die Psychologie bilde zuerst den Terminus, und zwar in dem
kritisierenden Bewußtsein. Das ist nicht die reine Zeit, Sinne, daß das Bewußtsein in seiner gewöhnlichen Bedeutung
sondern vielmehr der Schein der S u k z e s
s i o n dem
einen Inhalt empfangen habe.
,
So entsteht und
wird, dasjenige möglich werden, vielmehr
di€ Rolle zuerteilt verwächst die Empfindung mit dem einzelnen Inhalt.
sein zu lassen, was ohne sie sich
widersprechen
• geworden Sie hat ihn aber empfangen; woher? fragt die Logik. Und sie
dieser Möghchkeit
würde. Wiefern dagegen die reine Zeit bei dem einzelnen Gegenstand. So wird der
antwortet: von
mitwirkt, so ist es eben das reine Denken.
Wir fragen aber,
Denken ein Ver-
einzelne Inhalt des Bewußtseins zum ein-
ob das reine Bewußtsein nur zum reinen
zelnen Gegenstand. Jetzt scheint alles klar; der
hältnis hat. Das Problem der Empfindung stellt sich
einzelne Gegenstand ist die Ursache für den einzelnen Be-
hier entgegen. r- j ^ n;^ wußtseinsinhalt. Der psychologische Begriff der
876 Das Problem der Empfindung
32.
Die
Empfindung scheint nunmehr logisch begründet.
Empfindung macht den Anspruch, das Organ des Ein- So wird die Empfindung an das Einzelne gekettet,
zelnen zu Ob sie dies ist und sein kann, ist hier mcht
sein. das ja doch überhaupt den eigentlichen Gegenstand zu bilden
Die Möghchkeit, die Hypothese, also auch das
die Frage.
es gar
vermöge; das Allgemeine ist ja doch nur ein Abstraktes.
Bewußtsein, sie alle haben aber, wie wir schon sehen, Freilich bedürfen wir auch des Allgemeinen; aber wir bedürfen
Gegenstande zu tun; sie werden
nicht mit dem einzelnen seiner am letzten Ende doch nur für das Einzelne selbst. So
ledigUch als Mittel gedacht, neue Gegenstände
der For-
wird alles Denken allenfalls als ein Mittel beibehalten, um 376
erobern. Mithin kann nicht in diesem Sinne, der
schung zu schheßUch die Empfindung nach ihrem Werte auszumessen
charak-
nach dem herrschenden Anspruch die Empfindung und auszugestalten; diese selbst aber bleibt, wie man zu sagen
terisiert, sie hier in Frage kommen.
Hier darf uns nur die
pflegt, die unmittelbare Quelle der objektiven Er-
Frage angehen, ob die Empfindung zu den
M 1 1 1 e 1 n zu
kenntnis; sie gilt unwiderleghch als die Bürgschaft
rechnen sei, mit denen das kritisierende Bewußtsein
m der
das Einzelne. Und im Einzelnen allein erkennt man den
für

Wissenschaf tUchen Arbeit operiert. Gegenstand.


Dieser Frage dürfen wir uns nicht entziehen
und mcht
34. Die einzelne Leistung und der all-
entschlagen; ihre Vernachlässigung und Unterschätzung
ist

Problem der reinen Erkenntnis.


gemeine Anspruch der Empfindung. Es ist
verhängnisvoll für das ganze
sonderbar, wie auch nur psychologisch die Ansicht sich halten
reinen Er-
Nicht nur. daß die wissenschaftHche Bedeutung der konnte, daß die Empfindung das Einzelne gewährleiste; ist
ohne Klarheit hierüber nicht zum Verständms und
kenntnis sie doch schon in die fünf Sinne gespalten, zu denen
Annahme gebracht werden kann; sondern
zur allgemeinen allmählich noch andere hinzugenommen werden mußten.
auch dieLehrgestalt deswissenschaftlichen Aber dieser Einwurf ist geringfügig gegenüber demjenigen
Idealismus kann nicht sicher werden, wenn die Frage von dem Nutzen, den das Denken für die Erkenntnis
der Empfindung nicht genau und klar erledigt wird. des Einzelnen brachte. Wenn man nun aber demzufolge
33. Wechselseitige Beeinflussung
von
Terminus im Denken und Empfindung in Gegensatz zu bringen und zu
Psychologie und Logik. An keinem

-9
436 Allgemeiner Anspruch der Empfindung Tendenz aller Kategorien auf Empfindung 437

halten pflegt, so wollen wir hier vielmehr darauf sehen, wie Zusammenhang erkannt; das Infinitesimale ist die
das Denken, das reine Denken gar nichts anderes will und tut, Kategorie der Reahtät. So meldet die neuere Mathematik in
als der Empfindung zu Hilfe zu kommen; ihren Anspruch ihrem fundamentalsten Begriffe den Anspruch der Empfindung
anzuerkennen und aus eigener Kraft zu befriedigen. Das an: in der Kategorie der Realität.
wird der neue Gegensatz: daß die Empfin- 35.Die Tendenz aller Kategorien auf
dung selbst nicht leisten könne, was sie die Empfindung Diese Erwägungen mußten wir uns
fordert. Es ist Schein, daß ihr die Erkenntnis des Einzelnen rekapituUeren, indem wir das reine Bewußtsein aus dem
gegeben sei. Das ist eine Illusion, zu der die Psychologie Gesichtspunkte der Möglichkeit, der Hypothese erörtern.
und die Logik im Terminus der Empfindung zusammen- Genügt es, so fragten wir, das reine Bewußtsein zum reinen
wirken. Nicht aber ist der Anspruch selbst Illusion, Denken in das kritische Verhältnis zu setzen; ist nicht
der in der Empfindung zum Ausdruck kommt. auch die Empfindung zu berücksichtigen?
Lassen wir das Einzelne einmal auf sich' beruhen; halten Diese fatale, diese banale Frage warf sich uns in den Weg.
wir uns an den Begriff des Gegenstandes; so können Und wir erkennen nun, wie wir sie nicht etwa abschütteln,
wir den Anspruch der Empfindung, der auf ihn gerichtet sondern zur Erledigung zu bringen annehmen dürfen. Sie
ist, wohl verstehen. Man könnte zwar sagen, das sei eben bringt uns kein neues Anhegen, das wir nicht von Anfang an
die Leistung des reinen Denkens; mithin der Anspruch aller erwogen und gepflegt hätten. Es ist nur das alte Vorurteil
Kategorien. Aber dieser Einwurf verrät nur den grundsätz- von der eigenartigen und selbständigen Potenz
lichen Irrtum. Es ist allerdings der einzige Sinn aller Kate- der Empfindung, das uns zu dem Bedenken bringt, als ob die
gorien, diesen Anspruch der Empfindung vielmehr a u f Möglichkeit schwach und die Hypothese unzulänghch bliebe,
sich zu nehmen. Sie leiden unter dem Vorurteil, als ob sie wenn sie die Empfindung nicht in sich eingeschlossen hätte.
vermöge des reinen Denkens nur ein immanentes Spiel be- Das Bewußtsein käme nicht über das reine Denken hinaus,
trieben, und nicht den Gegenstand zu reahsieren vermöchten. wenn es nicht die Empfindung als ein neues Moment zur
Raum und Zeit scheinen günstiger gestellt, insofern sie kritischen Abschätzung heranzöge.
für ihren Inhalt eine Außenwelt erschaffen; aber auch Wie wäre es denn aber wissenschaftlich denkbar, daß die
diese Projektion wird mit dem IVIakel der Subjektivität be- Empfindung ein neues Moment bildete? Angenommen, in
haftet. Und doch ist es die Mathematik, die in ihnen waltet; der Physik käme die Empfindung zu einer solchen neuen und
kann es. einen Gegenstand geben, ohne daß sie ihn zur Dar- eigenartigen Bedeutung; wir wollen jetzt davon noch nicht
877 stellung brächte? Man macht indessen mit diesem Vor- handeln; könnte denn aber auch die Physik mit diesem
urteilauch die Mathematik verdächtig, indem man in den angebhch neuen Momente anders operieren, als daß sie es
Terminus der Reinheit Zweideutigkeit bringt. zu Zeit und Raum hinzunimmt, und zwar homogen
So kann man nach wie vor glauben, daß die Empfindung hinzunimmt; und ferner, als daß sie demselben durch die
zur Fortführung dieses ihres Anspruchs auf die Feststellung infinitesimale Realität die Legitimation ver-
des Gegenstandes ihrerseits berechtigt sei; wie sich ja auch schaffte? So sehen wir denn, daß die ganze Disposition und
die Physik selbständig neben der Mathematik behaupte. der Zusammenhang der reinen Erkenntnisse die Ten- 378

Wie steht es denn aber mit der Physik, als mathematischer denz zur Empfindung daß diese daher
verfolgt;
Naturwissenschaft? Behauptet sie nicht eben die methodische kein neues Rätsel aufgeben kann, welches durch die Kate-
Grundlage der Mathematik für die Physik? Wir haben in gorien nicht lösbar wäre. Was kann also der Anspruch der
dem Grundbegriffe der neueren Mathematik diesen intimen Empfindung für die Möglichkeit, für die Hypothese, für die
R. Mayer zu Substanz^ Energie und Masse 439
438 Mögliehkeü des Äthers

Vorsorge getroffen. Dadurch war für die Bewegungen jener


Kritik, die dem Bewußtsein zufällt, überhaupt noch zu be- Substanz »t»
infinitesimalen Art die Voraussetzung der
sagen haben? So wurde die Substanz,
unter einem neuen Bilde möglich.
36. DieMöglichkeit des Äthers. Newton die sonst nur ponderable Materie war, nunmehr zum Äther.
hatte die Hypothese für Fiktion erklärt und Substanz ist die Kategorie; Äther ist die
deshalb abgewehrt. Dieses Mißverständnis hatte seiner Theorie
des Lichts geschadet. E u 1 e r führte dagegen die
Hypothese; wie auch die Materie nur Hy-
Un-
pothese ist. Und wir haben (oben S. 297) gesehen, daß
d u 1 a t i o n des Äthers ein er stellte die
; Hypo- Einstein auch den Äther, als die Hypothese einer Materie,
these des Äthers auf. Aber wie er am Äther diese preisgegeben hat. Er hätte diese Art von Materie nicht auf-
Hypothese bestimmte, wurde sie dem Begriffe der Hypo-
geben können, wenn er sie nicht vorher als Hypothese gedacht
these nicht gerecht. Der Begriff der Möglichkeit wurde in
und erkannt hätte; wenn sie etwa nur als ein Gegebenes der
Rücksicht auf die Empfindung methodisch unrichtig be-
Empfindung hätte gelten können.
stimmt: Er sagte, wie A r a g o es darstellt, daß nach der
Emissions-Theorie die Entsendung der Teilchen
38. Der Anspruch im Begriffe der Emp-
findung. Es ist das Vorurteil der Empfindung, welches
die Masse der Sonne erschöpfen müßte. Indessen übersah er,
die Materie weniger als Hypothese erscheinen läßt. Die Hypo-
daß man die Durchmesser der Teilchen hinlänglich verringern
these, als ein Versuch des Bewußtseins der Möglichkeit,
kann, um das Volumen vor Veränderung zu schützen.
nimmt auf den Anspruch Rücksicht, den der Begriff der
E u 1 e r hatte zudem auch einen fortdauernden Empfindung geltend macht; aber sie befriedigt denselben
Eindruck, weil eine regelmäßige Fortpflanzung der
nicht etwa auf Grund der psychologischen Illusion der
Strahlen für unmöglich gehalten. Aber die Moleküle, die Empfindung, sondern gemäß den mathematischen Mitteln,
den Strahl zusammensetzen, könnten in einem Zwischenraum als ein Begriff zu denken
welche diesen Anspruch, der selbst
von 420 Meilen aufeinander folgen, und doch noch einen indem sie zugleich jene Illusion korrigieren.
ist, befriedigen,
Lichteindruck ergeben. Hier hatte also die Empfindung in
39. Robert Mayers Verhalten zu Sub-
ihrer pyschologischen scheinbaren Evidenz irregeführt.
stanz, Energie und Masse. Die Hypothese des
Die Rechnung hat erwiesen, daß ein Lichteindruck nach einem
Äthers hat zur Umgestaltung aller Grundlagen der Physik
Hundertstel einer Sekunde noch gesehen wird, geführt. Die Substanz wurde in die Energie verwandelt.
nachdem der Gegenstand verschwunden ist. Die Verein- Man kann nun aber schon bei Robert Mayer be-
barung von Zeit und Raum ergab sonach eine merken, welche Schwierigkeiten es ihm macht, die Energie als
eine Substanz zu denken, während er ihr die Masse ab-
richtigere Beziehung auf die Empfindung. In dem kleinen
Zeitteilchen durchläuft der Strahl 420 Meilen. Raum und sprechen muß. Auch hier irritiert die Illusion der Empfindung
Zeit genügten für die Richtigstellung der Hypothese.
in ihrem natürlichen und rationellen Anspruch. Und indem er
37. Die Interferenz. Und so hat der Raum nun endlich über jene Illusion Herr geworden ist, da fällt
er in das andere Extrem, und wird zum Anwalt des Spiri-
auch die endgültigen Beweise für die Richtigkeit der Hypo-
these erbracht in der Interferenz. Ein geometrisches
tualismus. So läßt sich an der persönlichen Entwickelung
Bild, die Wellenbewegung, hat den Beweis abge- des Entdeckers des Energiegesetzes die Logik der Hypothese
schlossen für eine neue Art der Materie. Raum und
studieren: die Möglichkeit darf nicht auf einem Denken be-
Zeit allein hätten das Bild dieser neuen Materie allerdings
ruhen, welches nicht als reines Denken, als mathematisch-
nicht zu Uefern vermocht. Die infinitesimale ReaUtät hatte naturwissenschaftliches sich zu charakterisieren vermag.
für die Kontinuität in jenen empirischen Zwischenräumen
440 Unainnliche Masse Atom als Hypothese 441

Dieses reine Denken allein definiert und erfüllt das Problem in derAuswahl der zur Vereinbarung geeigneten Bewußtseins-
der Empfindung. mittel für die Erzeugung des neuen Gegenstandes. Und
40. Die unsinnliche Masse von Hein- endlich zeigt es sich hier, daß der Gegenstand, dessen
rich Hertz. Inzwischen hat die Energetik weitere MögUchkeit die Hypothese erzeugt, nicht der einzelne
Fortschritte gemacht. Aber die Opposition, welche sie gegen Gegenstand ist; neue Art von Gegen-
sondern eine
den Substanzbegriff erhebt, läßt die Unklarheit erkennen stand, eine neue Art Erst die „univer-
von Materie.
über das Verhältnis dieser beiden Begriffe zueinander, sowie sellen Konstanten" der Relativitätstheorie
über die infinitesimale Realität, die beiden als Voraussetzung entfernen und erheben sich grundsätzUch über den Ausgang
dienen muß. Der Verdacht gegen die Empfindung ist ein von der Empfindung, wie wir dies (oben S. 297 f.) erwogen
heilsames Symptom in jener Auffassung; wenn nur nicht haben.
darüber die Substanz, als Substanz der Bewegung, 41. Das Atom als Musterbeispiel der
als welche sie auch nur in Energie sich verwandeln kann, Hypothese. Ein instruktives Beispiel für die Abschätzung
eleminiert würde. So konnte es geschehen, daß Hertz vor der Hypothese nach den Kategorien, die in ihr konkurrieren,
jener in der Bewegung selbst schwebenden Energie dem bildet das Atom. Es ist das Musterbeispiel einer Hypothese.
Begriffe der Masse wieder den Vorzug gab ; aber unter der Ein- De m k r i t hat das Atom erdacht im Zusammenhange
schränkung als ,, unsinnliche Masse *'. Diese un- mit seinem Gedanken des wahrhaft Seienden
380 sinnliche Masse bildet der Äther, der jetzt für die Elektrizität, (kei ov). Er hat es also als Sub&tanz gedacht. Und
wie für das Licht, die Substanz bildet. für die Theorie von der Struktur der Materie hat
Die Hypothese dieser unsinnlichen Masse sagt sich los die neuere Zeit das Atom wieder aufgenommen. Das Un-
von dem Kriterium der Empfindung; das geschieht zu Recht; teilbare ist wiederum die Grundlage der Teilung geworden.
wenn nur nicht im Gegensatz zur Empfindung der Begriff Und die Teilung ist nur die eine Seite in dem Problem der
des Denkens eine zu weite Bedeutung dabei annähme. Wenn Verbindung. Die Vereinbarung von Sub-
das Denken genau und sicher als das reine Denken verstanden stanz und Zahl genügt für das Atom als Möghchkeit,
wird, so bedarf es für diese neue Masse nicht des Appells an als Hypothese zum Behufe der Erzeugung neuer Gegen-
die Unsinnhchkeit, noch an die Verborgenheit; so wenig als stände und neuer Arten von Gegenständen, sowohl ab-
eine solche Berufung bei der ponderablen Materie gemacht wärts in zu entdeckenden Elementen, wie aufwärts in sei
wird. Denn auch bei dieser letzteren ist die Substanz ver- herzustellenden Verbindungen. In den Teilungen und Ver-
borgen und unsinnlich; und ihre Verwandlungen, wie ihre bindungen erweist das Atom sich als die fruchtbare Voraus-
Bewegungen, vollziehen sich unsinnhch, nämlich in infini- setzung.
tesimalen Schritten, die man aber dennoch nicht verborgen Ob das Atom selbst aber, als E i n z e 1 g e g e n s t a n d ,
nennt. vorhanden ist, das geht die Möglichkeit der Hypothese nichts
So zeigt es sich auch an diesen tiefsten Spekulationen der an. Die Möghchkeit betrifft nicht ihr eigenes Sein anders als
neuern Zeit, wie der Begriff der Hypothese durch Unklarheit mit Rücksicht auf das a n d e r e Sein, welches vermittelst
über die Art des Rechts der Empfindung selbst da ins ihrer erzeugbar werden soll. Es interessiert daher
Schwanken gerät, wo man entschlossen ist, ihre Alleinherrschaft ernsthch auch nicht, wenigstens nimmt man keinen ernstUchen
zu verwerfen. Und ferner zeigt es sich an dieser neuen Anstoß daran, ob das Atom im Bewußtsein nach dessen ge-
Hypothese der „unsinnlichen Masse", daß die Hypothese wöhnHcher Bedeutung aufgezeigt werden kann. Es wird
in dem Bewußtsein ihre Möglichkeit begründet nämlich
;
nicht von dem Nachweis der Empfindung in seiner eigenen
442 Faradaya Bestreitung des Atoms Faradays Bestreitung der Femhr'aft 443

Möglichkeit abhängig gemacht; und dennoch


wird es nicht Methoden des Bewußtseins zu einer neuen
prägnanten Bedeutung Abschätzung geprüft werden.
etwa dem Denken in einer nicht
überantwortet. So ist also die R ü c k s i c h t
auf die Empfin- 43. Faradays Bestreitung der Fern-
dung, auf den Anspruch, den ihr Begriff erhebt, überall kraft. Der Empfindung gegenüber geht Faraday auf die

latent- aber das Bewußtsein erstreckt sich so wemg auf die reine Anschauung zurück, welche die Kraft in
einzelne Empfindung, wie auf den
einzelnen Gegenstand; es Kraftlinien darstellt So wird der Raum zu einer
beschränkt sich auf die Einschätzung
von Substanz und neuen Leistung aufgerufen. Und diese neue Bedeutung des
Raumes ermutigt ihn zum Kampfe gegen Fernkraft
die
Die Hypothese des Atoms hatte eine
große Geschichte So ist es wiederum die Kritik des Bewußtseins,
hinter sich, als ihr von der Physik aus von neuem der welche die neue Möglichkeit, die neue Hypothese erweckt.
Krieg erklärt wurde, der allerdings schon
früher von der Mehr noch als die Substanz stellt ja der Raum
als eine
Physik
Mechanik aus gegen sie geführt wurde. Die selbständige, schöpferische Kategorie sich dar.
kennt kein Sein als ein absolutes; die Substanz ist ihr die Die Substanz ist das Korrelat der Bewegung. Der Raum
der Bewegung. Auch die Stoffe, /^^h die dagegen hat keine anderen Voraussetzungen als die infini-
Substanz
Ursprungsstoffe, also auch die Ursprungselemente
der Stoffe tesimalen Elemente, die er in seinem Beisammen
ver-
Voraussetzungen So stellt er eine eigentümhche Leistung des reinen
muß sie in Bewegungen auflösen, oder in schwere Frage, eiiügt.

für die Bewegung. Es entsteht nun Denkens dar, auf welcher die Richtung des wissenschaftüchen
aber die
ob für das Studium der Bewegung das
Atom die geeignete Bewußtseins gleichsam ausruht. Aus dem Gesichtspunkte
Hypothese sei. An dem Sein des Atoms selbst, ob es sinnlich des Raumes in einer neuen reinen Bedeutung hat Faraday das
oder unsinnUch sei, wird kein Anstoß
genommen; bei einer Atom bekämpft, und das Kraftzentrum an seine Stelle ge-
Hypothese handelt es sich ja gar nicht um den
Gegenstand setzt. So hat er die Hypothese in der Mögüchkeit des reinen
etwa die Hypothese zu vertreten hätte. Seme Bewußtseins begründet; in einer neuen Möglich-
selbst, der
Unteilbarkeit ist nichtsdestoweniger die Voraussetzung der keit des reinen Bewußtseins.
und damit der Verbindung. Seine Unwagbarkeit 44. Der Begriff des Maßes. Immer deutlicher
Teilung
wird die Voraussetzung der Wä g u n g und der W er t ig - wird der Zusammenhang zwischen Möglichkeit, Hypothese
k e i t Aber ob das Atom für die neueren Probleme der Be- und abschätzendem, also auch versuchendem
Be-
wegung als Hypothese ausreicht, das wird die Frage m dem wußtsein. Dieses Faktitive der Möglichkeit zeigt sich
Streite:ob Atom, ob Kraftzentrum. ferner auch in einem Grundbegriffe der mathematischen
42 Faradays Bestreitung des Atoms, bo Forschung. Wir unterscheiden Forschung
d a y zum tief- von Wissenschaft,
wird der größte Chemiker, so wird F a r a sofern die erstere die Musterung
sten Gegner der Atomtheorie.
Die Energie wird einschließt über die Mittel, die ihr zu Gebote stehen, und
zum Anstoß am Atom. Die Vertiefung, welche das
verschärft den Gegen-
somit einen Ruhepunkt, um
neue zu gewinnen. Ein solcher
Problem der Substanz gewonnen hat, Begriff der kritisierenden Forschung ist der Begriff des Maßes.
882 satz, der zwischen der beweglichen
und der teilbaren Substanz Maß {(jiixQov) gehört der ältesten griechischen Spe-
der Substanz Seine ursprünghche Bedeutung dürfte die
noch bestehen konnte. Die Selbstverwandlung kulation an.
verwirft die Hypothese, welche
allenfalls für die Teilbarkeit sittliche der der Satz entsprungen ist ;
sein, Maß das
der Materie ausreichte. An Faradays Beispiel kann man Beste (lAitQov Auch bei P 1 a t o n ist
agiotov), diese

aber zugleich studieren, wie bei


der neuen Hypothese die Grundbedeutung noch lebendig; auch da, wo, wie der Phi-
Maxima und Minima. Gleichheit 445
444 Maß und Metrum

hat ihm zu allen Zeiten eine Anwendung verstattet, der sie


1 e b u s die wissenschaftliche Bedeutung schon ganz
zeigt,
ihre tiefste und breiteste Fruchtbarkeit verdankt; die Er-
383 prägnant geworden ist. Aus der sittlichen Anwendung ist
Gefühle zeugung neuer Arten und neuer Gebiete ihrer Gegenstände.
die ästhetische herausgewachsen ; die
Schon die Gleichung ist ein solches Maß. Sie beruht
bilden die Vermittelung. Und gerade der ästhetische Sinn des
keineswegs auf der Gleichheit; sie ist ebenso Un-
Metrum konnte sich für den wissenschaftlichen selbst
gleichung. Sie geht auf Ungleichheit aus setzt solche in der
;.

förderlich erweisen.
Veränderung in Bewegung, um ein neues Verhältnis zu er-
45. Das ästhetische Metrum. Das Metrum
mitteln, welches durchaus nicht auf Gleichheit besteht. Wir
bringt solche Gedanken unter die Gemeinschaft einer Ordnung,
wissen, dieses neue Verhalten ist das der Funktion in
384
und stellt sie in Reih' und Glied derselben, welche nach ihrem
Werte ganz verschieden sind; das Metrum mißt
der Kontinuität. Wo sonst im Endlichen alles durch
begrifflichen
Gleichheit fixiert ist, da waltet im Gebiete der Funktion
mit einem anderen Maße als mit dem Maß der Begriffe, nämlich
die Kontinuität. Sie verstattet das Maß, welches von der
mit einem der Gefühle. Durch dieses Maß des
Maß Norm der Gleichheit dispensiert ist.
Gefühls wird das Begriffswort vereinbart mit dem musika-
I

Die Theorie der Maxima und Mi-


lischen Ton. Die größten Verschiedenheiten
47.
nima. Die grundlegende Bedeutung, welche der Theorie der
werden durch dieses Maß vergleichbar Maxima und Minima beiwohnt, möchte in diesem
T und vereinbar. Denn eine größere Verschiedenheit ihrem heuristischen Werte bestehen. Die Null wird hier
kann nicht gedacht werden als die ist, welche als bestehend
zum Maßstab, insofern sie den Überschritt zur Ableitung
anerkannt werden muß zwischen dem Denken in Begriffen,
bezeichnet, deren positiver oder negativer Wert das Maß
welche die wissenschaftUche Überzeugung von der Natur zu
wird für die Null. Die prägnante Bedeutung des Maßes liegt
ihrem Inhalt haben, und einem anscheinenden Denken,
im Unendlichen. Ohne die Infinitesimal-Analysis
welches diese ganze Art des Inhalts kraft ihrer methodischen
würde es das Maß nur in derjenigen Fassung geben, welche
Mittel verschmäht. Im Un-
wir beim nächsten Urteil kennen lernen werden.
Das Metrum bei Proklus. Diese ästhe-
46.
endhchen jedoch werden die Unterschiede von Gleich und
tische Bedeutung des Metrum, als Vereinbarung des
Verschiedenen, führt uns zur Einsicht in die wissen- Ungleich überstiegen und überwunden; ebenso wie die
Proklus,
der das von Gerade und Krumm; ebenso wie die von End-
schaftliche Bedeutung des Maßes.
universelle logische Moment des Maßes hervorgehoben, und
lich und Unendlich.
Vernunft als das Maß
der ge- 48. Gleichheit. Was ist denn Gleichheit ? P 1 a t o n
demgemäß die
entwickelt an ihr seine Idee. Wenn schon die Gleichheit
samten Erkenntnis bezeichnet hat, er hat auch das
nicht ein Abbild etwaiger gleicher I)inge ist, sondern
treffende Wort für seine mathematische Bedeutung gefunden
die Gleichheit des Ungleichen.** {fiitgov rag
vielmehr die Voraussetzung für solche, so liegt darin
„Das Maß ist
schon das Prinzip, die Gleichheit über sich
l^tni) Die Gleichheit ist uns schon
i^ni xal tiov iviüo>v h
öfter begegnet; wir wollen sie auch jetzt noch nicht
selbst hinauszuführen. Sie ist selbst nur ein

kennen. Dagegen müssen wir uns auf die Paradoxie ein- Maß; aber noch nicht das rechte, das erschöpfende. Die
lassen, welche in dem Worte des Proklus ausgesprochen ist.
K o n t i n u i t ä t ist ein Maßstab, der tiefer eindringt in
,

das Innere der Dinge. Allerdings faßt er die Dinge n i c h t


Es scheint ein unmöghches Beginnen, das Ungleiche Veränderungen;
gleich zu machen; und vollends in der Mathematik. als Dinge an, sondern als
dem Fluß ihrer Veränderungen. Das Gleichnis vom
Aber gerade die Mathematik bedurfte dieses Mittels, und sie in
446 Prinzip der ezipro Kräftemaß und Meßapparate 447

Fließen, welches Newton bis ins schierUnmögliche ge- Maß. Punkte und Ebenen
werden unter ihm ver-
steigert hat, indem er der Fluente dieUnterströmung tauschbar. Indessen liegt die Bedeutung des Maßes, als
der F uX
1 i o n erteilte, ist daher für das Maß bedeutsam. Kategorie, ursprünglich in der Dynamik;
wie denn in
In dieser Unterströmung liegt das Maß. ihr auch die ursprüngliche Bedeutung des Infinitesimalen
Hier scheitert das angebliche Maß der Gleichheit. hegt. Das Maß ist vorzugsweise Kraftmaß.
Der vorausgesetzte Grundsatz für
49. 52. Das Kräftemaß. Man kann sich vorstellen,
die Infinitesimal-Rechnung. Es ist eine Art daß der Begriff des Maßes einerlei geblieben wäre mit dem
von logischem Grundsatz, den man der ganzen anderen Begriffe, den wir hier noch nicht nennen wollen, den
Infinitesimal-Rechnung zugrunde zu legen pflegt, der Leser aber sich ergänzen kann, weil er eben so häufig
mit
daß dieselben Verhältnisse, welche im E n d- dem Maßbegriffe verwechselt wird; wenn nicht das Kräfte-
liehen gelten, auch im Unendlichen gelten. Was maß ein anderes, ein eigenes Maß gefordert hätte. Die
sind das aber ? Es sind die des
für Verhältnisse Beschleunigung ist ein anderes Maß als
Maßes; und keine anderen. die Geschwindigkeit. Ohne die Energie würde
Daher erklärt sich auch das Verfahren, von dem sonst man meinen können, die verschiedenen Arten der Kräfte
der Schein der Willkür und der Verdacht der Ungenauigkeit heßen sich allenfalls auf einen konventionellen Maßstab
schwer entfernt werden kann, daß man die Differentialien reduzieren. Die Energie erfordert und ermöglicht ein anderes
höherer Ordnung in einem Falle niederer Ordnung Maß. Sie hat die Funktion zur Voraussetzung; und diese
die infinitesimale Reahtät. Der Streit zwischen L e i
•86 weglassen dürfe: es handelt sich dabei eben um andere Maß- b niz
verhältnisse. Und es ist daher nur eine Forderung der Ge- und Descartes um das Kräftemaß
besteht und
nauigkeit, welche die Weglassung gebietet. So beruht die beruht in der neuen Bedeutung des Maßes.
ganze Methodik des Rechnens auf diesem neuen Gebiete in Das Prinzip der Kontinuität als
53.
demselben Prinzip des Maßes, welches dieses ganze Gebiet das Maß. Die Meßapparate. Wir haben hier die
erzeugt hat. dynamische Bedeutung des Maßes in einer noch allgemeinern
50. Der Unterschied zwischen Maß und methodischen Bedeutung zu erörtern. Wir haben früher
für die Vor-
Zahl. Aberwirerkennen den U nter schied zwischen schon beachtet, daß die populäre Veranlassung
stellung der Kraft in der Empfindung
liegt (vgl. oben
dem Maße, so sehr wir es als Kategorie auszuzeichnen
haben, und der Zahl in ihren beiden Grundarten S. 261 f. 295). Die Empfindung der Wärme nach ihren 886

und der Funktion. Diese letzteren sind die Voraus- spürbaren Unterschieden mag den nächsten Anlaß geboten
Maß dagegen haben. Sie ist aber nur Anlaß und Ausgang geblieben;
all-
setzungen zur Erzeugung des Gegenstandes; das
isteine kritische Kategorie, die selbst zwar kraft ihrer Kritik mähhch hat sich die Mathematik desselben bemächtigt, und
hervorgebracht.
neue Gebiete erschließt, vornehmlich aber über die Naivetät hat auf Grund ihrer Maße Meßinstrumente
jener Kategorien ernüchtert, um von neuem sie zu beglau- Das Maßprinzip des Hebels hegt der Wage zugrunde.
bigen. Ein solches legitimierendes Verhältnis er- Auch die Empfindung der Wärme wird im Thermo-
gibt sich jetzt zwischen dem Maße und der Zahl. meter objektiviert, und im Barometer wird sie ganz
51. Das Prinzip der Reziprozität. Diese auf den Raum wieder zurückübertragen. Das physikahsche
methodische Bedeutung des Maßes läßt sich besonders Maßsystem macht die Entwicklung augenfäUig, welche wir
prägnant in der neueren projektivischen Geome- oben als die der Wissenschaft überhaupt erkannt haben: von
trie erkennen. Die Reziprozität ist ein solches dem Bewußtsein hinweg zu der Materie.
448 Problem der Psychophysik Bewußtsein und Empfindung 449

54.Das Problem der Psych ophysik. Aber schon der Geist ist, so hat auch C u s a wahrlich nicht
wir haben zugleich bemerkt, wie die Empfindung bloß gespielt mit der Etymologie von e n s u r a M
und
dennoch zugleich ein eigenes Problem bleibt; und Mens. In der Infinitesimal-Analysis ist nun
wie das Urteil der MögUchkeit gerade der Weg ist, das Be- endüch das Maß geeicht worden, das Endhche in seinem
wußtsein in seiner kritischen Bedeutung flott zu machen, innersten Werden zu messen.
um es von den Arroganzen der Empfindung zu befreien. Welchen Sinn hat es dann aber, noch einmal rückwärts
Diese Tendenz und diese Leistung vollzieht das Bewußtsein, zu gehen, und in einem neuen Appell nicht an das reine
als Hypothese. Die Empfindung stellt sich jedoch nicht bloß Denken, sondern an das Bewußtsein
die Möghchkeit
in der Hypothese der Möglichkeit entgegen. Der Gesichts- des Maßes zur Hypothese zu machen? Man kann gar nicht
punkt des Maßes hat einen eigentümhchen Gegensatz hervor- anfangen mit dem Bewußtsein, ohne es sofort wieder in den
gerufen zwischen den wissenschaftlichen Maßen und der Muskel, die Nerven und das Zentralorgan zu materialisieren.
Empfindung, welche ja den Anlaß und Ausgang zu jenen Und man kann die Messung nicht anfangen, ohne sofort auf
bildet. die Wage zu bhcken, als auf das Produkt und die Gewähr des
Ursprünglich wird die Empfindung auf reinen Denkens. Es bleibt also ein Blinzeln, wie schon
die Wa g e ü b e r t r a g e n; außerdem aber soll P 1 a t o n den Blick auf die Materie bezeichnete. Soll aber
i\
die Empfindung selbst zu einem Maß- aus dem Blinzeln ein Sehen und ein Schauen sich abklären,
problem werden; und so wird es versucht, die so muß der Rückfall in die Materie sich alsbald zum Rückgang
Wage auf di^ Empfindung rückwärts zu auf die Physik rüsten, und zum Rückgang auf die Mathe-
übertragen. Damit entsteht die Möglichkeit in einer matik. Alle diese Reduktionen des Bewußtseins sind unum-
Foischung
neuen, den ganzen Sinn und Gang der in gänglich, wenn die psychische Elle zur Hypothese gemacht
Das Bewußtsein selbst
Frage stellenden Bedeutung. werden soll.
soll ein Maß abgeben; eine „psychische In der Tat ist es nicht die Kategorie des Maßes, die in
Elle" wird als Möghchkeit aufgestellt. So ist das Problem diesem ganzen neuen Gebiete bestimmend ist; sondern es ist
der der Grenze
Psychophysik entstanden, an der andere Begriff, den wir hier noch nicht kennen wollen,
der Psychologie und der Logik. der dort seine fragwürdige Rolle spielt. Unter solcher Zwei-
Zunächst könnte es scheinen, als ob der Begriff des deutigkeit des Grundbegriffs stellt sich die Psychophysik unter
Maßes dadurch nur zu einer ganz methodischen Anwendung die Kategorie der Hypothese, und unter das Urteil der Mög-
gelangte, indem das Psychische und das Physische lichkeit. Das eigentliche Problem aber ist der vieldeutige
dadurch zur Vereinbarung gebracht würden; wie Begriff des Bewußtseins.
dort das Unendhche und das EndUche. Aber in dieser Analogie 55. Bewußtsein und Empfindung. Darin
hegt nicht nur der falsche Schein der Richtigkeit dieser Ver- ist daher das Problem der Psychophysik besonders lehrreich,
gleichung, sondern auch die Kraft zu seiner Berichtigung. daß es den innern Zusammenhang zwischen der
Denn das Unendliche wird auch hier als das Maß gebraucht, Möglichkeit und der Hypothese einerseits, und
um das Endhche zu bewältigen. Wodurch denn aber? Weil dem Bewußtsein andererseits frei macht und offenlegt.
887 es das Geistige, also das Psychische ist, welches ktaft der Die Möglichkeit der Psychophysik, ihre Möglichkeit als
Kontinuität das Endhche durchsetzt, durchfheßt, und also Hypothese, ist zu prüfen nicht schlechthin am Bewußtsein,
wohl auch durchmißt. Der Fluß wird zum Maße. So hatte sondern genau und scharf an der Kategorie des Be-
es Newton angefangen. Und wie das Maß nach P r o k 1 u s wußtseins. Bewußtsein darf nur gedacht und begrifflich be-
Cohen, Logik der reinen Erkenntnis, n. Aufl. 29
lit.

450 VorurUü von Unmittelbarkeit der Empfindung Untertcheidung. Psychophysik 451


l
Reines Bewußtsein Schätzung. Das
handelt werden als reines Bewußtsein. ist und bleibt die Art des Bewußt-
zugleich auch den Anspruch der seins.
aber enthält und befriedigt
Empfindung; aber es ist frei, und es frei macht 57. Die Unterscheidung. Wie kann denn nun
Illusion der Empfmdung, als einem aber von dieser Einsicht aus der ungeheuerliche Gedanke
von der psychologischen
angebUchen Datum von eigener erkenntnismäßiger Selb- entstehen, die Wege und Treppen verfolgen zu wollen, welche
Die Empfindung s * ^ e Im eh r
ständigkeit.
i i diese Unterscheidung zu durchlaufen oder zu
Psycho-
steti etwas Indirektes. Der Rückfall der P n durchspringen haben mag? Wird nicht dadurch vielmehr
physik in die Materie besteht darin, daß
sie die Em f
i die Unterscheidung wieder vereitelt, ihre Einheit von

düng direkt und unmittelbar zu machen sich Sonderung


Akt
und Einigung
zerstört und der
Fazit aufgehoben? Kann eine Unterscheidung
in ein
den Anschein gibt.
Vorurteil von der Unmittel-
» * „ • i
bis auf einen Rest sich zerstückeln lassen? Oder wird die
56. Das
barkeit der Empfindung. Di« Unmittel, Sache besser, wenn man die Zerstückelung zu vermeiden
m Empfindung den Anschein gibt; von dem Infinitesimalen
barkei tder Empfindung ist das Vorurteil der sich
geht nicht naiv zu Werke; den Schein des Geistigen sich erborgt, und auf Grund
von Anfang an. Die Psychophysik
sie benutzt das infinitesimale
Maß; aber sie mißbraucht es. dieses Scheins das allmähliche Wachstum des Geistigen,

Sie schleicht um den Umweg herum,


um wieder auf die Seehschen aufspüren und aufzeigen zu können vermeint?
Empfindung zurückzukommen, von der jenes
Maß doch ab- Das Bewußtsein ist in diesem ganzen Beginnen um seinen
warum es? Weil sie das Rätsel der kritischen Wert gebracht worden. Es ist auf die Empfindung
gelenkt hat Und tut sie
Infinitesimal-Analysis verkürzt, dekapitiert.
Sphinx lösen will; weil es ihr durch die
gelöst scheint. Und doch bedient sie sich ihrer, 58. Die äußere und die innere Psycho-
noch nicht
um eine neue Lösung, ja auch nur eine neue Formulierung
um physik. Es ist nicht von ungefähr, daß nur die sogenannte
zu versuchen. So sieht man deutUch,
wie das Bewußtsein äußere Psychophysik ausgebaut werden konnte;
eine um
neue Möghchkeit zu er- es ist dies die Folge des prinzipiellen Fehlers, daß das Bewußt-
Rat über sich selbst hält, zu
389

um eine neue Möghchkeit von sich selbst sein von Anfang an auf Empfindung fixiert wurde; als wäre
sinnen; und zwar
sie ein psychologisches Datum von eigener Faktizität, und
ersinnen. ,^ . ^i j j««
Kontrolle und das nicht vielmehr ein Ausdruck, der auf den externen
Hier zeigt sich aber die methodische
Kategorie, welches dem Bewußtsein als Wert des I n.h a 1 1 s den Anspruch bezeichnet. Daher kann
Recht der
einer Kategorie der Möglichkeit beiwohnt. Anpa ssung man es schroff auch so ausdrücken, daß die Empfindung
des Etwas Fragezeichen
des Anspruchs der Empfindung, nicht aberund an sich,
letzthch nichts anderes als ein sei. In
wäre sie etwas für sich diesem Fragezeichen das Bewußtsein seine Musterung,
stellt
der Empfindung selbst, als
an die den Gegenstand konstituierenden
Bewußtseins,
die Musterung seiner eigenen Quellen und Kräfte an. Das
Urteil der Möglichkeit ist das Urteil der Hypothese, und zu-
Direktive des
Kategorien, das ist die
als Hypothese. Fechner hat selbst das Wesen der gleich das Urteil des Bewußtseins. Aus dem Bewußtsein ist
e die Materie erzeugt worden. Und zur Materie letzthch die
U c h e i ü u n g erkannt. JJ i
Empfindung in der n t e r s
Unterschieds-Empfindung, das ist die infinitesimale Reahtät. Sie bleibt der letzte Bürge der Mög-

Empfindung. Die Empfindung ist niemals etwa ein lichkeit.

Empfindungs-Unterschied. So ist die Empfindung also eine 59. Die Psychophysik und die Bewußt-
Unterscheidung, also eine Kritik, eine Aü heit. Die infinitesimale Reahtät hat sich uns nunmehr auch
Qeschichtliche Möglichkeit 453
Unmöglichkeit
452

als solches,
begründet werden kann —
der Anspruch, nicht aber etwa
alsMaß erwiesen. Dieses Maß ist, die Lösung und die Befriedigung —
, dann ist die Unmöglich-

psychologische Elle. Unter dem Ges.chts- keit dargetan. Denn die Begründung dieses Anspruchs kann
die
infinitesimale ReaLtat Elemente
punkte des Maßes ist uns demgemäß die nur dadurch erfolgen, daß alle des
zum a 11 e i
zum Bürgen des Bewußtseins geworden; und Bewußtsein reinen Denkens auf ihre Vereinbarung
n i g e n Symbol der Gewißheit desselben. für diesen Anspruch geprüft und abgeschätzt
sich nicht ver-
ist nicht Bewußtheit. Die
läßt
werden; das kritisierende Bewußtsein läßt sie alle Revue
werden. Die Psycho-
stehen; nach ihr darf nicht gefragt passieren. Nirgend aber begibt es sich außerhalb des Zauber-
physik aber hängt an dieser Frage, und wurzelt m
diesem
kreises vom reinen Denken, nirgend läßt es der Empfindung
unreifen Interesse. Wer einmal das reine Bewußtsein
ein eigenes Recht und ein eigenes Forum sie ist und bleibt nichts
:

in der infinitesimalen ReaUtät nebst ihrem gesetzlichen anderes als ein Signal und ein Wertzeichen. Und dieses Frage-
Zubehör erkannt hat. der hat in ihr die höchste Abstraktion zeichen ist daher prinzipiell und methodisch definitiv zu lösen.
aufgestiegen ist. seit
ergriffen, zu welcher die Wissenschaft Worauf sollte man denn noch zu warten haben? Etwa
Mythos zu befreien, die Materie als erste
sie. um sich voin auf eine Empfindung, als eine psychologische Einzelerschei-
hat. Es war ein
Erzeugung des reinen Bewußsteins erdacht nung? Die kennen wir nicht; wir kennen nur einen logischen
langer Weg. den die Wissenschaft
zu wandern hatte von der
Ein un- Ausdruck der Empfindung. Oder sollte man auf die neue Ent-
Sen Materie bis zur infinitesimalen ReaUtät hüllung eines Unter- oder Überbewußtseins zu warten haben?
nun von dieser Charakteristik
methodischer Rückfall ist es, Wir kennen nur das reine Bewußtsein. Dieses betätigt
und scheinbar
und Legitimation des reinen Bewußtseins aus, um doch sich in der reinen Erkenntnis. Mit dem Ge sterspuk mag die
noch einmal von vorn anzufangen,
mit ihren Mitteln Be- Bewußtheit in einem iutimen Verkehr stehen; das reine Be-
aufzurichten. Das reme
nur die Frage der Bewußtheit wußtsein erledigt das mythologische Interesse. Es ist charak-
Zßtsein ^iugt und verbürgt die Möglichkeit; die Be- teristisch, und es bestätigt uns nur den Innern Zusammenhang
wußtheit liegt ienseit derselben. von Möglichkeit und Bewußtsein, daß die Unmöglich-
60 D i e U n m ö g 1 i c h k e i t. Wir haben den Unter- keit vorwiegend, wenn nicht überhaupt, aus dem Gesichts-
schied des Möglichen von dem DenJ^^aren durchgeführt Eine punkte des Bewußtseins in Frage kommt. Was in der Kultur
Analogie jedoch bleibt erhalten. Dem Satze der Identität und speziell in der Wissenschaft als unmöglich erklärt wird,
den Satz des Widerspruchs Ergänzung geworden.
ist durch das erleidet diese Ausschließung auf Grund des Urteils über
Richtung der Kritik, welche das Bewußtsein
Es liegt in der die negative die Befugnisse und die Grenzen des Bewußtseins.
MögUchkeit vollzieht, daß es zugleich auch
der
Ein Problem, welches
Entscheidung enthält.
Empfindung -den An- 61. Der sittliche Glaube an die ge-
den Anspruch der
die Lei- schichtlichen Möglichkeiten. Wir haben die
spruch, keineswegs aber etwa vermag, Beziehung der Möglichkeit auf das sittliche Urteil
stung - nicht zu begründen ist
schon ins Auge gefaßt; das Mögliche ist auch das TunUche.
m keineswegs ein Beispiel
ö g 1 i c h e s. Das Wort ist
ei n u n Das Praktische hat aber dieselbe verhängnisvolle
Ursprungs; es bedeutet nicht
für das unendliche Urteil des Zweideutigkeit, welche allgemein der Rücksicht auf die
noch nicht möglich wäre; aber vielleicht
daß das Problem Empfindung anhaftet. Der Zusammenhang von MögUchkeit
die MögUchkeit in ihrer Erzeugbar keit darstelle. Di e U n-
ch zur Mög- und Bewußtsein befreit auch für die praktische Möglichkeit
möglichkeit ist der Wider spru Empfindung nicht von dieser Perversität, die das Mögliche zu einem Nach-
lich k e t. Wenn der A n s p r u c h der
i
Ill)
Anspruch der Empfindung 455
454 Urteil der Wirklichkeit
.li

und nur weil und so weit die letzteren auch mitbedingend


hinkenden macht. reine Bewußtsein, insofern es über-
Das
sind für den Erkenntniswert der Wissenschaft, dürfen wir
S91 tragenerweise in der Sittlichkeit anzunehmen ist, bewährt sich
in ihnen Kategorien auszeichnen. Die erste große Station
auch in der Musterung und Vereinbarung der ihm gegebenen
ist eingerichtet und ausgestattet. Aber wir dürfen bei ihr,
reinen Elemente.
so wichtig sie für alle weiteren Schritte der Forschung bleibt,
I! Es hat uns vor allöm das Bewußtsein der
sich
es doch nicht bewenden lassen; wir müssen sie vielmehr nur
Bewegung wie es keineswegs als eine
herausgestellt,
als die allgemeine Vorbereitung ansehen. Wie das
heterogene Macht, die etwa nur in Muskeln und Nerven zu
Urteil des Ursprungs für jede Gruppe der Urteile und der
agieren hätte, sondern als eine eigene Richtung
Kategorien die Voraussetzung bildet, so ist es auch hier der
demreinenDenken zugehört. In der Kategorie
Fall. Die Möglichkeit ist der allgemeine Schacht, aus dem die
392
der Zeit haben wir die Antizipation der Zu- sie als Werk-
Forschung ihre Werkzeuge heraufholt, sofern
kunft erkannt, und zwar als das Eigentümliche der Zeit. zeuge der Kritik zu fungieren haben. Und es hat sich
Diese Antizipation wird im sittlichen dem Bewußtsein ein Quell der Möglich-
in
Urteil zum Glauben an die Zukunft, als den keit herausgestellt, dessen Tiefe demUr-
unerschöpflichen Schoß geschichtlicher
Möglichkeiten. Diese Zuversicht auf die Zukunft wird sprung entsprechen dürfte. Bei dem Bewußtsein
aber, nach seinem Unterschiede vom Denken, war ein Element
das treibende, und zwar das reine Motiv der Hand- zurückgedrängt wurde;
aufgetaucht, das bis dahin stets
lung. Was sie als sittliche Handlung ermöglicht, das
wurde der Anspruch den sein Begriff erhebt, berücksich-
möglich. So vollzieht die Möglichkeit jetzt
Wir bestimmten diesen Anspruch dahin, daß der
ist
auch die Vereinbarung an den Grundbe- tigt.
Inhalt des reinen Denkens außerhalb desselben Bestand
griffen des Individuums und der Gemein- und Gewähr bedeute.
schaft, den beiden Polen des sittlichen 2. Der Anspruch der Empfindung. Es
Selbstbewußtseins. könnte scheinen, als ob dieser Anspruch gar nicht ein neuer,
Dem Übermenschen Art wird die sittUche
aller
vielmehr, was man so nennt, ein selbstverständUcher wäre.
abgesprochen; wie aller Heroen-
Besteht doch von vornherein ein innerhcher Zusammen-
Möglichkeit
kultus in der Mythologie der Heldensage wurzelt
hang Denken, reiner Erkenntnis
zwischen reinem
und zu erledigen ist. Das sittliche Individuum wird durch Gegenstande der Natur. Was will also die
und dem
die Gemeinschaft orie eiert wie andererseits die
;
Empfindung Neues? Meint man nun aber, das reine
Gemeinschaft auf das Individuum
dirigiert wird. Das
Denken vermöge doch nur Abstraktionen zu schaffen, die
ist die sittliche Möglichkeit: die Ausweichung
Empfindung dagegen vermöge die GegenständUchkeit ge-
und Ausschließung jener Kollision; und die Öffnung und Frei-
Zukunft. diegener zu begründen, so haben die Erwägungen und Fest-
haltung der reinen Bewegung auf die
stellungen beim Urteil der Möghchkeit das Verkehrte dieser
Ansicht bereits erkennen lassen. Mithin kann der Gedanke
Zweites Urteil: Das Urteil der Wirklichkeit. aufsteigen, als ob der Anspruch der Empfindung abgetan und
erledigt wäre.
1. Die Möglichkeit analog dem Ur- Indessen hatte ja doch die Möghchkeit nur auf diesen
sprung. Wir stehen in der Gruppe derjenigen Urteilsarten, Anspruch hin ihre Vorkehrungen getroffen. Zwar waren
welche nicht sowohl den konstitutiven Aufbau der Wissen- dieselben von der Art, daß sie die Empfindung als ein selb-
schaft, als vielmehr die Stationen der Forschung betreffen;
:.!5

456 Empfindung und Denken Piatons Idee des Daseins 457

ständiges psychologisches Datum ausschlössen; aber die Verdacht gegen die Empfindung zu erregen. Nicht nur
Hypothese und das Maß zielten darauf ab, die Materie und die Heraklit, der hat
Gleichnisredner, Augen
und
Bewegung für den Fortgang der Forschung so zu bestimmen, Ohren als falsche Zeugen verworfen sondern ;

daß dabei unverkennbar eine andere Rücksicht mitsprach, selbst Demokrit, der wissenschafthche Pfadfinder, hat
als ledigHch die begriffhche und funktionale an und für sich die Empfindung mit der Konvention ( vofxog) und dem Dunkel
auf Substanz und Energie. Diese andere Rücksicht bedarf ((ncorlrj) zusammeugctan. Im Dunkel und Schein hegt daher
der deuthchen Bestimmung. Sie stellt die Frage: Was be- auch die Meinung, die Frucht der Empfindung. Das
deutet klar und genau der Anspruch, der als ein Recht der ,, wahrhaft Seiende** steht daher im Gegensatze zur Empfin-
Empfindung festgehalten wird? dung. So scheint es, als ob eine unüberbrückbare Kiuft, als
3. Empfindung und Denken als Arten ob ein unversöhnlicher Widerspruch zwischen dem reinen
der Bewußtheit. Wir vergegenwärtigen uns zuvörderst Denken und der Empfindung historisch und sachhch vorliege
wieder aus dem vorhergehenden Abschnitt den Unter- und notwendig sei.

schied von Bewußtsein und Bewußtheit. 5. Piatons Idee des Daseins. Indessen ist
Wo die Empfindung als ein selbständiges dieser Schein nur der oberflächlichen, ungründlichen Ansicht
Datum angenommen wird, da wird Be- entsprechend, die man gemeinhin vom wissenschaft-
wußtsein mit Bewußtheit verwechselt. lichen Idealismus hat. Wir sind von vornherein
Freihch Empfindung eine Erscheinung der Bewußtheit;
ist die darauf bedacht gewesen, die Rücksicht auf die Empfin-
wer wird das Abrede stellen wollen? Damit aber ist zugleich
in dung, wie wir jetzt kurz sagen dürfen, bei P 1 a t o n selbst
393 ausgesprochen, daß man bei diesem Moment nicht stehen zu beachten. Es sei, sagt er ,, nicht möglich, zu denken, wenn
bleiben darf, weil man damit schlechterdings nichts anfangen nicht aus Veranlassung irgendeiner Empfindung** (^^ dwazov
kann. Ein solches Moment der Bewußtheit ist das Denken ivvoit<rai tx tivog ai<T&TJ(Te(og)
rj . Er V'ärC ja WOhl aUCh uicht ZU
auch, und zwar in allen seinen Formen; aber es bleibt nicht den Malern gegangen, um von ihnen die Art der Farben-
ein solches; sondern es wird reines Denken. Und während mischung zu lernen, wenn er die Empfindung schlechtweg
für dieses der universelle, aber eben mehrdeutige Ausdruck als ein Teufelswerk erklärt hstte. Aber die tieferen An-
des Bewußtseins vermieden wurde, haben wir ihn bei der lagen des Systems der Ideenlehre lassen es erkennen, daß
MögUchkeit eingeführt; im Unterschiede vom reinen Denken; er sich nicht mit gelegentlichen Bemerkungen begnügt hat, 89i

dennoch aber durchaus als reines Bewußtsein. den gesunden Menschenverstand bei der Empfindung nicht
Die Frage ist nun, ob die Empfindung zu verletzen; sondern daß er einer besonderen Idee diesen
ebenso, wie das Denken, aus dem Cha- Inhalt und Wert zuerteilt hat: der Idee des eJvai.
rakter der Bewußtheit herausgehoben, Wie übersetzt man dieses shaL'^ Eine Idee des Seins?
und zu einem Moment, nicht zwar des Wie kann es diese noch besonders geben, da ja jede Idee das
reinen Denkens, aber des reinen Bewußt- Sein, das wahrhafte Sein vertritt? So hat man dieser Idee

seins gereinigt werden kann. gegenüber gefragt und da man keine bessere Antwort finden
;

4. Demokrit gegen die Empfindung. konnte, so hat man das Urteil gewagt, daß mit dieser Idee des
Seins eine Verunstaltung über die Ideenlehre hereinbreche.
Vom Standpunkte des unkritischen Ideahsmus aus glaubt man
alleguten Geister beschwören zu müssen, wenn nur ein solches Es ist kennzeichnend für H e r b a r t und seinen Realismus,

Problem- aufgestellt wird. Hat doch alle Philosophie, als eine


daß er dieses Urteil fällen konnte; sein Mißverständnis der
Idee hängt zusammen mit seiner fehlerhaften Begründung
eigene Angelegenheit der Spekulation, damit begonnen, den
Himmel ala Paradigma Dasein des Sittlichen 459
458

des Realismus. Für die Platonische Forschung ist


dieser matik und der experimentellen Physik und Astro-
Fehler Herbarts von schweren Folgen geworden.
nomie, wie er sie in der Republik dargelegt, wenn
Die Idee des Seins muß vielmehr als die Idee des
diese Frage ihm nicht aufgestoßen wäre. Er tadelt die P v -

Daseins übersetzt werden. Sein ist ja auch gar nicht thagoreer, wie sie am Gängelbande d^r Empfin-
'Ir
das Grundwort; sondern vielmehr das Seiende. Dieses
Wort dung, darauf eben kommt es heraus, ihre Versuche
anzetteln; und er prägt diesen Gedanken in dem großen
hat in der griechischen Sprache jene Zweideutigkeit, die
nach beiden Seiten gewirkt hat. Es bedeutet zunächst
das Worte : der Himmel selbst sei nichts mehr
Ding; und so wird der Schein erweckt, daß dem Dinge Sein als ein großes Beispiel für die Mathe-
zukomme. Aber das Ding heißt eben doch das Seiende. So matik. So sind alle Objekte der Empfindung nur Beispiele,
wird der Gedanke angeregt, daß ein abstraktes Sein
dem deren die Wissenschaft sich zu bemächtigen hat. Aber in
konkreten Dinge seinen Wert erst verleihe. Schon vor Piaton dem Beispiel liegt eine tiefe Kraft. Das Wort für Beispiel
hat diese Anregung große Folgen ergeben. Mit Pytha- {TtagdöfiYfia)in Seinem Doppelsinne deutet sie schon an:
goras und Parmenides abstrakten Worte
ist dem das Beispiel ist zum Ursprungsbild geworden.
aus derselben Wurzel, welches in der Umgangssprache
sogar Paradeigma bedeutet Beides. So stellt die
das Vermögen bedeutet, die Substanz zugedacht Empfindung den Gegenständen der Na-
in
m
worden. Und D e o k r i t hat dem Seienden das wahr- tur das Problem des Daseins, also die
haft Seiende (kei/ ov) entgegengestellt; man kann Idee des Daseins auf.
aber auch sagen, zur Seite gestellt. 7. Das Problem des Daseins für das
Wir waren schon aufmerksam darauf, w e P 1 a t o n die Sittliche. Sie wurde ja aber auch für den E t h k e r i

Formel Demokrits benutzt und verändert hat: aus dem notwendig. Das war ja gerade der Grund, der Piaton zur
wahrhaft Seeinden machte er das seiend Seiende Unterscheidung zwischen der Idee des Schönen und der Idee
(SvTiog ov). Das Wahre war bereits vergeben. Dieses seiend des Guten führte, daß das sterbHche Gesicht die Abbilder
die
Seiende bezeichnet die Idee überhaupt. Aber wir wissen, der einen ertragen könne, nicht aber die der anderen. Hat
Idee bezeichnet Piaton stets als eine SpeziaHtät: die Eine es etwa dabei sein Bewenden gehabt; oder ist nicht vielmehr

Idee irgendeiner Art (fxia xi^ ISia). Die Idee ist außerhalb der mythologischen Ausdrucksweise die Ethik
die Hypothesis für alle Probleme aller Art
von Forschung. gegründet worden? Sollte aber etwa die Idee des Guten nur
Die Forschung aber stellt sich nicht nur die
mathematischen für die Atlantis erdacht sein; oder aber für die Menschen
Probleme, denen die mathematischen Ideen und ihren Staat? Der Helios gibt nach dem berühmten
ethischen,
entsprechen (r« fia»rifiauxfi); und auch nicht nur die Gleichnis den Dingen nicht nur die Sichtbarkeit, sondern
und
896 denen die Idee des Guten (tir^i^ov) entspricht, auch das Dasein und das Wachstum. So entsteht für die •

von denen die Idee des Schönen für die ästheti- Idee des Guten nicht sowohl der Anstoß, als vielmehr der
schen Probleme von Pia ton schon unterschieden
wird; Antrieb, der in dem Dasein der Empfindung gelegen ist.
gestellt, wie sich alle Gerade bei der Idee des Guten bringt Piaton die An-
die Forschung wird vor die große Frage
diese verschiedenen Probleme zu dem
Problem des erkennung dioses Anrechts des Daseins in der Übersteigerung
Daseins verhalten. j c •
zum Ausdruck, daß sie das Dasein übertreffen solle; allerdings
Der Himmel ein Paradigma für die durch die Kraft der Würde {dwdfisi xai -getrßein); also nur
6.
Mathematik. Piaton hätte nicht die tiefe Einsicht in der Stufenreihe der Prinzipien. So stellt
schon haben können von dem Unterschiede der reinen Mathe- also auch die Ethik ganz notwendigerweise das Problem 896
verites de raison und virüia de faxt relations of ideas und matters of fad 461
460

daß die Sittlichkeit auf Erden


des Daseins: der allgemeine Ausdruck für das Problem der Erkenntnis
Wirklichkeit werde. Die Ethik, als ein System noch immer bleiben konnte. Die Skepsis kommt in ihm zum
von Begriffen, kann noch so wohl gefügt und ausgebaut sein; Worte, daß alle naiven Kategorien ein Luftschloß von Ab-
ob ihre Gesetze unter den Menschen, in den Völkern und straktionen auferbauten, dem die Wirkhchkeit nicht zuge-
Staaten Wirkhchkeit darstellen, gleichviel, ob jetzt, oder sichert wäre. In dem Terminus der Erfahrung
künftig, darüber kann sie nicht befinden; dieses Problem steckt dieser Anspruch der Empfindung,
stellt ihr das Dasein oder die Wirkhchkeit. Und in diesem und er ist sein rationellster Bestand-
Problem ist es die Empfindung, welche ihrem Begriffe gemäß teil.
den Anspruch geltend macht; oder wäre es auch nur, daß 10. Humes Unterscheidung der relations
sie ihn geltend machen heße. Der Unterschied ist sehr er- of ideas und der matters Hume» hat diese
of fact. 397

heblich; aber die Instanz der Empfindung darf nicht um- Unterscheidung Leibnizens übertrumpfen wollen; aber er hat
gangen werden, auch wenn sie ihr Recht nicht .selbst zu ver- ihr dabei nach seiner Geistesart alle wissenschaftliche Methodik
treten vermag. abgenommen. Das erste Opfer wurden die Wahrheiten:
Die Unterscheidung von Leibniz sie wurden in Relationen aufgehoben. Zwar können
8.
zwischen v6rit6s de fait und v6rit6s de raison. Relationen sehr viel bedeuten; dann muß ihnen aber die
Leibniz ist gewiß unverdächtig, wenn man ihn im Sinne des Substanz zugrunde liegen; und sie müssen die Relationen
Idealismus für das Recht der Empfindung anrufen will. Hat von Gesetzen werden. Gesetze aber bilden ja in dem
doch die Scheidung zwischen Denken und Sinnhchkeit mit Beispiel der Kausahtät für Hume die durchgängige Frage.
er
der starrsten Schroffheit durchgeführt. Dennoch aber hat er Für ihn gibt es nur Ideen in der modernsprachhchen Ver-
Wahrheiten des Faktums (veritös de fait) neben den deutung des Wortes. Also sind die Relationen die von Vor-
Vernunftwahrheiten (v^rit^s de raison) anerkannt. Wir stellungen (relations of ideas). Das zweite
wissen, wie er aus diesem Gesichtspunkte die D e n k g e
- Opfer war also die Vernunft geworden, die zur Vor-
setze erweitert hat. Aber in dem Faktum ist die stellung abgestumpft wurde.
Empfindung latent; ebenso wie in der Vernunft Nun kommt das andere GUed des Gegensatzes. Die
nach der Zweideutigkeit der* Ausdrücke Ratio und Wahrheiten können auch im Faktum nicht füglich anerkannt
Raison das Denken und das Rechnen hegt. werden. Es ist zwar schade; aber so konsequent ist Hume
Die Vernunftwahrheiten also beruhen im wissenschaftlichen doch. Was kann er nur aber dem Faktum zuordnen, da doch
Denken; die faktischen —
worin anders als in der Empfindung? die Relationen schon vergeben sind; und diese doch immer

So hat der Anspruch der Empfindung sogar bei Leibniz zu nur auf Vorstellungen bezogen werden könnten? Ein pleo-
der Aufstellung einer besonderen Art von Wahrheit geführt. nastisches Monstrum hat Hume bei dieser Umbildung des
9. Der Terminus der Erfahrung. Die Leibnizischen Gedankens zutage gebracht. Es sollte eigentlich
Probleme der Mathematik, zumal der neueren, als der Ma- unübersetzbar sein; aber die Vorliebe, welche für die philo-
thematik der mathematischen Naturwissenschaft, stellen sophische Publizistik der Engländer in jenen Tagen herrschend
freiheh auch das Problem der Wirkhchkeit; sie hätten keinen
war, hat eine Übersetzung zustande gebracht, und dadurch
Sinn, wenn ihnen diese Tendenz nicht immanent wäre. Aber unsere Sprache um ein Wort bereichert, welches einen zwei-
sie beherrschen und bewältigen nicht die ganze Tiefe der
deutigen Reichtum darstellt. Hume hat aus den verites de
Erfahrung; und auch die T e 1 e o 1 o g i e kann darüber fact die matters of fact gemacht. Ein Pleonasmus, der
nicht hinwegtrösten. So erklärt es sich, daß die Erfahrung durch die Beseitigung der v6rit6s motiviert ist. Immerhin aber
Kants synthetischer Grundsatz der Wirklichkeit 463
462 Tatsache und Tathandlung

bildet ist, die Einsicht zutrauen konnte, daß sein Idealismus


sind dadurch die Fakta zur Verwandelung in Probleme prä-
zugleich Realismus sei. Selbst die Position der Empfindung
pariert worden.
hatte er befestigt, soweit es irgend mit der Methodik des
11. Herders Tatsache und Fichtes Tat-
Apriorismus vereinbar war.
handlung. Herder hat dieses ominöse Wortgefüge 13. Der synthetische Grundsatz der
durch Tatsache übersetzt. Damit aber hat er ein sehr
zweideutiges Wort geschaffen: Hegt die Tat in der Sache,
Wirklichkeit. Indessen konnte über die Grenzen
dieser Vereinbarkeit Unsicherheit entstehen. Vor allem muß
oder die Sache in der Tat? Sachentat heße sich eher ver-
stehen. Jedenfalls aber hat Herder wenigstens die Tat in
man fragen, wie in aller Welt durch den Zusammenhang mit
das Wortgefüge hineingebracht; bei Hume steht nichts davon.
einer materialen Bedingung, als welche die

So ist aus der Tatsache bei Fichte die Tathandlung Empfindung bezeichnet wird, ein synthetischer
entstanden. Herder hatte aus f a c t die Tat gemacht; Fichte
Grundsatz errichtet werden kann. Materie steht im
Handlung. Gegensatze zur F o r m; sie kann nicht rein sein, noch rein
verwandelt auch noch die Sache in die
werden, ausgenommen durch den Übergang in die Form,
Jetzt kommt Zusammenhang in die beiden Worte; ist aber
die Tendenz noch erhalten, die L e i b n i z mit dem Worte
bei welchem sie selbst verschwindet. Von
der Materie
verband, als er es mit dem Begriffe der Wahrheit
dennoch der Empfindung bleiben übrig die Formen
verknüpfte? Die Handlung weist auf eigene spontane Wege;
der reinen Anschauung. Jetzt aber wird die
898
Materie selbst zu einer Bedingung; und auf diese Bedingung
in dem Faktum aber sollte ein Anspruch erkannt werden, der
wird ein Grundsatz gebaut. Wie ist das zu begreifen?
nach auswärts weist. So scheidet sich der romantische Idealis-
Die Wirklichkeit wird jedoch nicht schlechthin
mus auch Leibniz gegenüber von dem wissenschaftlichen.
Empfin- auf die Empfindung gegründet; sondern auf den Zu-
12. Kants Bezugnahme auf die
sammenhang mit ihr. Was bedeutet dieser dehnbare
dung. Wie Kant das Moment der Empfindung be-
Ausdruck? Bedeutet er eine Einschränkung, oder eine Er-
rücksichtigt, darauf hatten wir schon mehrfach unsere Auf-
weiterung? Soll nur Dasjenige als wirklich gelten dürfen, 399
merksamkeit gerichtet; und wir werden in dem vor iegenden
was nicht in der Empfindung unmittelbar ge-
Zusammenhang von einer neuen Seite aus dies zu betrachten
geben ist, sondern nur mit ihr mittelbar zusammenhängt?
haben; hier sei nur hervorgehoben, daß nicht weniger als
zwei Grundsätze der Rechtfertigung der Empfindung Oder aber will der Zusammenhang zwei Bedeutungen
dienen: der der Antizipationen der Wahr- der Wirklichkeit feststellen die eine, welche auf
:

Wirklichkeit. dem der unmittelbaren Empfindung beruht; die andere, welche


nehmung, und der der In
nur im Zusammenhang mit ihr steht?
ersten dieser beiden synthetischen Grundsätze wird der
Der Sinn des Wortes muß zur Ausschließung der zweiten
Gegenstand der Empfindung als das Reale
Wirklichkeit Frage führen; der Zusammenhang will der kritischen Me-
bezeichnet; und in dem zweiten wird die
Empfindung
thodik gemäJ3 von der Materie der
auf den Z u sa m m e nh a ng m t der Empfin- i
emanzipieren; dennoch aber den Anspruch der
dung gegründet. Auch ist die Widerlegung Empfindung, wie wir es nennen, anerkennen und aufrecht
des Idealismus, nämlich des Cartesischen, hier ein- erhalten. Es bleibt nun aber die große Frage, ob dieser An-
geschaltet, also diesem Grundsatze zugewiesen worden. Man
sieht, wie Kant auch blödesten Auge und dem unwissen-
dem spruch durch den Zusammenhang mit der Emp-
findung selbst geltend gemacht werden darf; oder ob die
schaftlichsten Geiste, der den echten Realismus in der
WirkUchkeit, um den Anspruch der Empfindung durch-
Newton'schen Wissenschaft zu erkennen, noch nicht ausge-
464 Reaktion auf Reize Grenzen der Empfindung 465

führen zu können, nicht dennoch vielmehr den strengen gegen die Wissenschaft, sondern geradezu gegen die allgemeine
und ausschließUchen Zusammenhang mit den reinen Bedin- Bildung in der Physiologie. Es ist ein Gemeingut der physio-
gungen, den reinen Erkenntnissen einzuhalten hat. Empfin- logischen Bildung geworden, daß die Empfindung ein sehr
dung ist ein Wort; das Wort für die kompUzierte Vermittelung fragwürdiger Begriff sei; nur wenn es sich um die logische
einer dem Bewußtsein auswärtigen Beziehung; der Zusammen- Frage handelt, glaubt man dies vergessen zu dürfen.
hang mit ihr kann nicht an sich schon die Sache ergeben, 16. Die Grenzen der Empfindungen. Das
welche durch die Wirklichkeit, als solche, letzthch bestimmt allernächste Bedenken,
das gegen die Selbständigkeit der
wird. Empfindung spricht, besteht darin, daß die Empfindung
14. Die Verlegung nach außen. Die Emp- ihrer eigenthehen Aufgabe, einen Anspruch
geltend zu
findung ist ein Ausdruck, welcher die Richtung des machen, nicht ausreichend gewachsen ist. Sie kann
Denkens in der Verlegung seines Inhalts be- nicht alles anmelden
und zur Anzeige bringen,
schreiben soll. Doch hierin schon liegt eine Zweideutigkeit. worauf dennoch das Urteil der Wirkhchkeit hinzielt und hin-
An dieser Beschreibung nehmen auch Zeit und Raum steuert. Die Skala der Farben und der Töne
teil; auch sieverlegen ihren Inhalt nach außen. Aber der setzt den Empfindungen des Gesichts und des Gehörs be-
Sinn der Richtung ist ein anderer; sie verlegen den stimmte Grenzen; darüber hinaus jedoch finden Be-
Inhalt von innen nach außen. Anders meint es der Ausdruck wegungen statt, welche das Problem der Wirkhchkeit auf-
der Empfindung; nach ihm soll die Verlegung vielmehr von stellen, ohne daß Empfindungen diesen Anspruch erheben;
außen nach innen erfolgen. Das ist die große Antizipation, ohne daß sie auch nur ihn anzusagen, oder anzudeuten ver-
in der der Sensuahsmus aller Art sich bewegt. Wenn ein möchten.
Außen als Korrelat des Innen von vornherein angenommen Man könnte dagegen einwenden, daß hier eben der be-
wird, so bedarf es nur der sehr bequemen Umsetzungen dieses regte Zusammenhang mit der Empfindung mitsprechen
Außen, und die Dinge sind da. Seitdem die Physiologie dürfe; denn wenn die Farbenskala in die Wärmeskala über-
die Irritabilität kennt, kann man für das Ding den unver- gehe, so bleibe doch eben die Empfindung; nur ihre Quali-
fänghchern Reiz einsetzen. Die Empfindungen brauchen tät werde verändert. Indessen kann dieser Einwand keine
dann nicht mehr das Objekt zu erschleichen; sie werden zu Befriedigung bieten. Nicht die Empfindung nach der Man-
Reaktionen auf die Reize. nigfaltigkeit ihres qualitativen Inhalts
15. Die Reaktion auf Reize. Reaktion ist sondern die einzelne Qualität in
stand hier in Frage;
ja aber die systematische Kausalität. Wenn man ihrer zur ihrer Besonderheit soll die Quelle einer besonderen
Definition der Empfindung bedürfte, so bedürfte man ja Wirkhchkeit sein; diese Quelle wird auf einmal zugedeckt;
zur Empfindung des gesamten reinen Denkens. Kann denn das Urteil der Wirkhchkeit aber strebt über sie hinweg. Die
die Physiologie die Empfindung nicht definieren, ohne bei Mannigfaltigkeit der Empfindungen verwirrt nur den be-
400 der Logik unverbürgte Anleihen zu machen? Die Physiologie, onderen Wert der einzelnen Empfindung; sie kann keinen
wie sie seit Johannes
Müller behandelt wird, hat in Ersatz bieten, wo die letztere versagt.
der Tat nicht wenig dazu beigetragen, den naiven Sensuahs- Die Mangelhaftigkeit in der Anzeigekraft der Empfindung
mus zu entkräften. Wenn heute noch nichtsdestoweniger hegt jedoch noch weit tiefer. Elektrizität und
die Empfindung als das Unmittelbare, oder gar als das un- Magnetismus können als spezifische Empfin-
mittelbar Gewisse
ausgegeben wird, so geschieht dungen nicht aufgezeigt werden. Man sollte denken,
dies in einem unverantwortlichen Widerspruch nicht nur das sei eine Instantia crucis gegen die Empfindung. Alle 401

Ooh«n, LogU der Minen Brkenntais. II. Anfl. 30


Wahrnehmung und Schließen 467
466 Spezifische Energie. Empfindung und Vorstellung

der Elektrizität Empfindung mit der Vorstellung hervortreten.


Wirklichkeit sucht die moderne Physik in Die Halluzinationen und die Illusionen diängen
spezifischen Empfin-
zu begründen; diese aber kann in einer
noch nachdrücklicher auf diese Kollision hin. Was kann von
einmal zum Ausdruck, geschweige zum Nachweis
dung nicht der Empfindung noch übrig bleiben an selbständigem Inhalt,
noch sagen, daß
gebracht werden; und da will man immer und auch nur an selbständigem Ausdruck und Anzeichen
alle WirkUchkeit sich auf
Empfindung gründet? Von physio-
dieses Inhalts, wenn sie auf die Verflechtung mit der Vor-
Irrationelle das in dem 40f
logischer Seite hat man daher das stellung angesehen und geprüft wird ? Aristoteles nannte
Leitbegriffe der Empfindung Hegt,
deutlich und schroff aus-
Unwissenschaftlichkeit zu die Vorstellung eine schwache Empfindung {cuü^ciq
gesprochen. Man scheint es als eine Es ist anders gekommen, als er es dachte: die Emj)-
halten wahrend aaOevijg),
empfinden, sich an die fünf Sinne zu findung hat die Schärfe ihrer Eigenart verloren dadurch, daß
hinzufugen
man doch denselben schon ein paar andere hat sie mit der Vorstellung in Verbindung kam. Die Charakteristik
müssen. e « « tr« der Empfindung mußte eine ganz andere Richtung einschlagen;
Die spezifische Energie der Sinn

. ,
e.t-s
17. und sie geriet dabei in ein anderes Extrem.
Zusammenhange die sonst nicht
läßt sich vielleicht aus diesem 19. Die Empfindung als Ausdruck desBe-
welche neuerdings gegen
recht erklärbare Opposition verstehen, wu ß t s e i n s. Man war allgemein von dem Gedanken aus-
den Gedanken der spezifischen der Energie Emp-
Muller gegangen, daß die Empfindung der unmittelbare, elementare
findung erhoben wird. Bei Johannes
steht
Anfang nicht bloß, sondern auch der bleibende, sichere, zu-
ideahsti-
dieses Gesetz in innerem Zusammenhange mit seinem längliche Ausdruck des Bewußtseins sei. Wir müssen hier so-
Grundgedanken. Es legt den s u b j e k 1 1 v e n F a k
sehen gleich unsere Korrektur einschalten. Wo die Empfindung so
t o r bloß, der die Empfindung nach
der einen Seite bestimmt.
welche dem peri- gedacht wurde, da wurde nicht sowohl das Bewußtsein ge-
Es macht die Praeponderanz unverkennbar,
dacht, als vielmehr die Bewußtheit gemeint. Die Emp-
verschieden immer ob-
pherischen Endorgan beiwohnt. Wie findung galt also als letzter Ausdruck der Bewußtheit.
auf dasselbe einwirken, die
iektiv die Reize sein mögen, weiche Wir wissen, die Bewußtheit geht uns nichts an; also auch ihr
Empfindung antwortet doch immer nur mit dem ihr gegebenen
angeblicher Ausdruck nicht. Das ist unsere logische Direktive.
So wenig vermag die Empfindung von dem Reize
Einerlei.
objektiven Inhalt betrifft.
Nun ist es aber eine willkommene Bestätigung, daß die
selbst zu sagen, was nämlich seinen
Physiologie selbst von dem Vorurteil der selbständigen Em])-
Also ist sie kein objektiver
Maßstab. Daher
modernen findung ablenkt und befreit. Man ist sehr weit darin gegangen;
stammt die instinktive Abneigung alles
vielleicht
Die spezifische und es darf fraglich scheinen, ob die Beschreibung der psychi-
Psychologismus dieses Grundgesetz.
gegen
Empfindung^ schen Vorgänge dabei zweckmäßig verfahren, und nicht viel-
Empfindung verrät die S u b i e k t i v i t ä t der mehr über das Ziel hinausgeschossen hat.
18. Die Komplikation der E "^ P ^^\^,^,.^.^4 20. Die Wahrnehmung und das Schließen.
m Vor st e1 Der Verdacht der Subjektivität
u n
i t d er 1 g.
in einer ganzen Reihenfolge
von Indem H e m h o 11 z
1 den sehr alten Gedanken von neuem
stützt sich und breitet sich aus
hat die darlegt und einschärft, daß ein Haus nicht gesehen werden
Argumenten der Physiologie
Bedenken. Zu den alten kann daß bei der Wahrnenmung also das
Pathologie neue hinzugebracht. Aber Descartes
;

auch in das Denken mitwirke, so nimmt er nicht nur das Denken


schon kennt die Erscheinung, daß der Schmerz der Kausalität in die Wahrnehmung auf; sondern er denkt
exzentrische
amputierte Bein noch lokalisiert wird. Diese dieses Denken zugleich in seiner kompliziertesten Gestalt,
lange sagt,
Empfindung, wie man heute, aber schon
seit
Zusammenhang der nämhch als Schließen. Er war hierin Schopen-
läßt schon den bedenklichen

I
i
üvhewußte Schlüsse Physiologie, Psychologie, Logik 469
468

man seinen eigenen Ge- erwägen müssen, welche dem Begriffe der Empfindung sich
hau er gefolgt; aber trifft vielleicht
Denken der Kausalität ein entgegenstellen, und waren endhch dazu gekommen, daß
danken in der Erwägung, daß das
der Empfindung selbst die Physiologie den Eigenwert der Empfindung aufgibt.
reiner Akt des Denkens sei, der nun erst nüt
in Verbindung treten müsse. Das Urteil der Denn was vom Hause gilt, das muß auch auf den elementar-
anzuer- sten Inhalt eines elementarsten Vorgangs innerhalb der Ge-
Wirklichkeit scheint er für diese Verbindung nicht
kennen. So kommt er auf das S c h 1 u ß v e r f a h r e n
zur sichtswahrnehmung übertragen werden. Dennoch aber wäre
Herstellung der Verbindung zwischen Kausalität und Emp- es verkehrt, den Anspruch der Empfindung darum fallen
zu lassen, weil seine Präzisierung schwer ist. Vielmehr können
findung. ^, ,
wir an diesem zentralen Beispiel es einsehen, wie unent-
.

21. Die unbewußten Schlüsse. Man wird


sagen, der Schluß arbeite ja offen mit den homogenen Mitteln behrlich die Logik für die Psychologie ist.
die Emp- Die Schwierigkeiten, die sich in der KoUision der Emp-
des Denkens; wie kann er denn nach der andern Seite
m findung herbeiziehen, und mit ihr das Denken
untermimeren findung mit den unbewußten Schlüssen darstellen,
verrät es. Es sollen rühren von der Selbständigkeit her, welche die Psycho-
sollen ? Es ist aber doch so der Ausdruck
;

unbewußte Schlüsse sein, welche dabei ins Spiel logie sich anmaßt. Sie kann die Unterscheidung zwischen
Jetzt ist die Bewuß t h e i t durch das Bewußtsein Empfindung und Denken nicht über äußerliche Merk-
treten.
hindurch beim Unbewußten glücklich angelangt. Wie male hinausrücken; ihre Merkmale bewegen sich allesamt
sollen wir dieses Unbewußte verstehen? Ist es die Unbe- innerhalb des Gebiets der Bewußtheit, welches das all-
wußtheit? Oder aber das U nb e wu ß t s e i n? Die gemeine Rätsel bildet, das nur immer in neuen Formen schein- 404

Unbewußtheit scheinbar nicht gemeint; denn die Bewußt-


ist
bar neu formuliert wird. Die Verbindung, die Verflechtung,
sonst würde man sich die Verschmelzung, die Vergleichung derartige Gesichts-
heit soll nicht ausgeschlossen werden;
:

nicht an das unendhche Urteil und das Bewußtsein,


das in punkte der Komposition macht die Psychologie geltend. Daher
ihm sprudelt, im Ausdruck noch anklammern. Nur das die Schwierigkeiten der Definition, gemäß den Konflikten

Unbewußtsein kann man meinen. unter den konkurrierenden Vorgängen. Anders wird das Pro-
blem, wenn die Logik die Leitung übernimmt.
Die klare Zerlegung und Entfaltung des Denkens
ver-
f wird im Unbewußten deklariert. Und Eine solche Leitung ist hier vorgesehen, wo die Emp-
mißt man; dieser Mangel
So findung als Ausdruck eines Anspruchs gefaßt wird, den das
doch soll dieser Defekt ein Schließen zum Ertrag haben.
denn deuthch, dt.ß df.s Unbewußte trotz allem Urteil der Wirkhchkeit nicht nur zu befriedigen, sondern auch
zeigt es sich
doch nur die Bewußtheit ist im negativen Ausdruck.
Sie erst zu formulieren habe. Wir haben es erwogen, wie die
im positiven Aus- Empfindung in der Tat den Inhalt, auf den sie bezogen wird,
bildet uns aber so wenig im negativen, wie
m druck ein statthaftes Problem. Nur dies läßt sich
an dem nicht einmal vollständig, weder qualitativ noch quantitativ
auch nur anzumelden vermag. Die Empfindung stammelt; das
Ausweg dieser Terminologie erkennen, daß die Empfindung
in ihrer Komphkation nicht .nur schlechthin
mit der Vor- Denken erst erschafft das Wort. Die Empfindung bezeichnet
stellung, sondern mit deren kompliziertesten einen dunkeln Drang; wohin sie zielt, das kann erst das Denken
beleuchten; das Denken erst gibt jenem Streben die Richtung
Formen erkannt ist.
22. Physiologie, Psychologie und Logik. auf das Ziel. Was ist es denn nun aber, was als Ziel in der
Richtung der Empfindung sich bezeichnen läßt? Von der Be-
Wir waren ausgegangen von dem Gedanken, daß der An-
Ideahsmus wußtheit und ihren Mannigfaltigkeiten müssen wir dabei ab-
spruch der Empfindung dem wissenschaftlichen
M
IHR nicht widerstrebt, hatten dann aber die alten
Bedenken wieder sehen. Wie es zugeht, daß wir blau, und daß wir eis
Das Einzelne, kritische Kategorie 471
470 Desiderat des Einzelnen

Unterschied sein zwischen dem Einzelnen, das ich mit dem


empfinden, das darf uns nicht weiter interessieren; so wenig Finger bestimme und Diesem, das ich als solches bezeichne.
es uns interessieren darf, wie es zugeht, daß wir Substanz, und Dieses ist schon ein Allgemeines, dem Jenes gegenübersteht.
daß wir Kausalität denken. Es scheint also darauf herauszukommen, daß man des Einzelnen
Die logische Definition einer Art des Bewußtseins im nur habhaft werden könne, sofern man es mit dem Finger
Unterschiede von der psychologischen Beschreibung einer Art stigmatisiert. Wenn man aber auf diese rudimentäre Weise
der Bewußtheit, ist auf die Bestimmung des besondern des Einzelnen allenfalls noch habhaft werden könnte, so müßte
Denkwertes gerichtet, welcher jener besondern Art des man es festhalten, um seiner sicher zu bleiben; wenn anders
Denkens zukommt und zusteht. Wenn wir uns nun der kriti- man seiner überhaupt sicher geworden sein sollte. So entsteht
schen Betrachtung hingeben, der diese Gruppe der Urteile ge- die Alternative: entweder auf die logische Legitimation des
widmet ist, und fragen: was fehlt denn noch eigentlich an Einzelnen zu resignieren; oder aber den Anspruch der Emp-
dem Begriffe des Gegenstandes, sofern er ein Problem nicht findung in einer andern Richtung desselben zu beglaubigen.
für die allgemeine konstituierende Erkenntnis, sondern
für die Diese andere Richtung des Interesses am Einzelnen stellt die
Forschung und ihre Stufen und SUtionen bildet ? so tritt uns n e u e S t u f e in der Arbeit der wissenschaftlichen Forschung
ein sonderbares Desiderat entgegen. aller Art dar.
23. Das Desiderat des Einzelnen. Unter 24. Das Einzelne als kritische Kate-
den Ausdrücken, mit denen Aristoteles die Substanz gorie. Der methodische Unterschied, welcher zwischen den
bezeichnet, steht auch das E i n z e 1 n e. Es ist das
Korrelat kritischen und den naiven Urteilen besteht, kann hier von
zum Allgemeinen. Aber das letztere Wort ist eine un- neuem einleuchten. Die letzteren gipfeln in dem System-
genaue Übersetzung. xaS^oAov bezeichnet ebenso sehr das Gegenstand. Der Gegenstand, als System, ist die Vollendung
Ganze, wie die Allheit. Das Allgemeine ist zunächst des Gegenstandes, soweit er für die Bedingungen der reinen
noch ein ganz unbestimmter Ausdruck, der seine logische Prä- Erkenntnis als Problem gilt. Die Einheit des Systems ist die
zisierung fordert, und später finden soll. Das Ganze Einheit des Gegenstandes. Sie könnte man als das A 1 1 g e
40&
haben -

wir durch das System ersetzt. Die A 1 1 h e i


t aber wurde
m e i n e in der tiefsten Bedeutung ansehen, die dem Aristoteü-
den Urteilen der Mathematik zugewiesen. Zu dieser Allheit schen Begriffe zugedacht werden kann. Jetzt aber wird ihm 406

konnte das Einzelne das Korrelat zu sein scheinen. Indessen ein schnurstracks widerstrebendes Interesse entgegengehalten.
haben wir gesehen, daß die Einheit keine besondere Dieses Allgemeine schwebt in den Funktionen der Reaktion;
Kategorie bildet, sie steckt in der Mehrheit, besonders jetzt dagegen genügt nicht einmal jener weitere Aufschwung
aber in der Allheit. Also wäre das Einzelne,
wie es zum Gegenstand, den die fernere Bedeutung des Systems, als
durch die Empfindung vorzugsweise gemeint sein wird, in der Zweck, nimmt, indem sie zum Individuum fortstrebt.
Mehrheit enthalten; so daß die Empfindung auch auf diese Auch dieses ist nur ein Wechselbegriff zur Gattung; und
gehen müßte. Urteil und Kategorie stellen mithin keine Ge- allenfallszu der Sammlung von Organen, deren Einheit es,
folgschaft dar für die Empfindung, wenn deren Tendenz
auf als Organismus, bildet. Das Einzelne aber soll mehr
das Einzelne gerichtet ist. bedeuten, und mehr fordern. Man sieht, wie vor diesem Pro-
Wenn nun aber Aristoteles Recht hat, daß das Einzelne blem unwillkürlich und unausweichlich das Denken zur Kritik
einen derartigen Wert des Seienden bedeute, woher
dann die wird. Und man kann es so allenfalls verstehen, wie das Denken
Mittel nehmen, diesen Wert zu bestimmen ? Das ist das
Rätsel aus Verzweiflung an sich selbst sich der Empfindung im all-

im Schicksal der Empfindung. Ist das Einzelne Dieses, das gemeinen Vorurteil wieder in die Arme wirft.
dürfte schon ein
ich mit dem Finger bezeichne? Aber es
472 Anerkennung des Anaprucha hei Piaton Isolierung des Einzelnen 473

Nicht das System tut uns not; sondern die Isolierung; weit. Die Zahl ist als die Substanz von seinem Vorgänger
die genau und streng durchgeführt werden muß. Gelänge es Pythagoras ausgezeichnet worden. Auch für Piaton ist die
nicht, dieses Problem des Einzelnen durch das reine Denken Zahlenlehre eine Wissenschaft vom ewig Seienden. Daher ist
zu bewältigen, so müßte in der Tat der Empfindung Eben- Zählen durchaus nur Denken. Denken aber ist Denken der
bürtigkeit mit dem Denken zugesprochen werden. Bis zu Einheit. Also nicht nur das Bilden der Zwei, wie das Beispiel
dieser Skepsis müßte die Kritik an den naiven Kategorien bei Piaton lautet, ist Denken; sondern schon das der Einheit.
hinausgeführt werden; denn freilich Skepsis bliebe es, oder Aber freilich meint er überhaupt auch nur, daß ein Moment
was dasselbe ist, mythologische Anbetung der Bewußt- in der Empfindung enthalten sei, welches den Anstoß zu
heit der Empfindung, als einer heimlichen, latenten; oder, diesem Denken gibt. Er meint nicht, daß das Denken der
noch schhmmer, als einer lauten und herrschenden Instanz. Zahl etwa innerhalb der Empfindung verhefe.
Unsere Losung aber lautet gegen die Selbständig-
: 26. Die Isolierung des Einzelnen. Immer-
keit der Empfindung; aber für denAnspruch hin darf man vielleicht auf diese kühne Charakteristik, in
der Empfindung. Nicht als Empfindung darf die welcher die Grenzen zwischen Empfindung und Denken sich
Empfindung ihren Anspruch durchsetzen; denn als Empfin- zu verwischen drohen, für unser Problem sich berufen. Aber
dung wäre sie nur Bewußtheit. Durch Empfindung kann das nicht zum Zählen werde hier in der Empfindung der Anlaß
Einzelne nicht zur Bestimmung gebracht werden. Nur durch betrachtet; sondern zu einem Anspruch, der dem der Zahl
das reine Denken und die reine Erkenntnis kann auch dieser ähnlich ist, und daher mit demselben verwechselt wird. Das
Anspruch des Einzelnen so befriedigt, wie formuliert werden. Einzelne ist weder Eins noch Zwei; denn Eins ist auch nur
Es ist ein neues und ein entscheidendes Interesse, das das Korrelat zu Zwei. Das Einzelne macht sich in einer Be-
dieser Anspruch geltend macht. Man kann sagen, daß die deutung geltend, welche durch die Zahl allein nicht begründet
Arbeit der Forschung erst in ihm zur Ruhe kommt, Hypo- werden kann. Die Zahl ist doch nur der Buchstabe für den
thesen sind nur die Vorbereitung zur Forschung. Und was Satz, den das System der Reaktion bildet. Jetzt aber gilt es,
sonst noch die Forschung im Auge hat, es kann nur erreicht im Unterschiede vom System und also auch von der Zahl die
und nur verfolgt werden, wenn der BUck auf das Einzelne Isolierung durchzusetzen. Das ist die neue Aufgabe,
gerichtet und geheftet wird. Im Einzelnen verdichtet sich die welche die Empfindung dem Denken stellt. Das Ein-
407 Kritik gegen alle bisherigen Kategorien, als ob sie nur von zelne ist die Kategorie, welche den Anspruch, den
Wert wären, sofern sie diesem Probleme dienen und zustatten die Empfindung stammelt, zur Aussprache bringt Wie
kommen. wird er durch sie befriedigt?
25. Die Anerkennung des Anspruchs bei 27. Das Problem der Existenz im onto-
P1a In einem anderen Sinne, als er es selbst gemeint
t o n. logischen Argument. Bevor wir an die Auflösung
hat, hat Piaton daher auch diesem Gredanken vorgearbeitet. im eigenthchsten Sinne als die
dieser Frage gehen, welche sich
Es ist einer der tiefsten und kühnsten Gedanken seiner Methodo- Frage nach dem Gegenstande aufdrängt und alles Interesse
logie, daß er in der Empfindung selbst ein der Erkenntnis auf sich zieht, wollen wir nochmals eine all-
Motiv des Denkens unterscheidet (vgl. oben gemeine Betrachtung anstellen, die uns in die innerste Ge- 408
S. 157). So seien die Zahlen die „Erwecker" und die „Her- schichte der Metaphysik hineinführt. Wir erkennen den Zu-
beirufer des Denkens", die in der Empfindung selbst schon sammenhang zwischen Dasein und Empfindung in
wirken. Indessen geht er hier in der Tendenz, den Konflikt dem Problem des Einzelnen. Nur das Einzelne wird als
zwischen Denken und Empfindung auszugleichen, offenbar zu Dasein anerkannt; nur das Einzelne vermag die Existenz

'%
474 Problem der Existenz im ontologiachen Argument KarUs Kritik des ontologiachen Beweisgrundes 475

darzustellen. Das Allgemeine ist und bleibt ein Uni- 28. Die Einheit von Essenz undExistenz.
versale, über welches der Nominalismus bereits
den Stab ge- Das ontologische Motiv wurzelt demnach in der Kate- 4a»

Nur so weit das Allgemeine an und aus dem gorie des Einzelnen. Nur der Einzelne vermag Existenz zu
brochen hat.
Einzelnen sich verjiüigt hat, nur so weit steht ihm
ein auf verbürgen. Aber Gott soll dieser Einzelne sein; wie könnte
dasselbe korrelativer Wert zu. Aber dieser Wert ist
und bleibt er an Empfindung preisgegeben werden? So hat das onto-
die
— soweit wir bis jetzt darüber urteilen können —
der des logische Argument dazu verholfen, das Denken da flott zu
Begriffs oder des Zwecks. Existenz hat nur das machen, wo sonst nur bei der Empfindung Rettung schien.
Einzelne. Hier liegt der Grund für den Streit zwischen So ist die Essentia, als Abzweigung von der äquivoken
Empfindung und Denken. Das Denken geht auf das Allge- Substanz, entstanden; und dieEinheitvonEssenz
meine; worauf anders könnte daher das Einzelne sich
gründen und Existenz wurde zur Parole. Wir haben schon nach
So geht von hier aus die schiefe der ethischen Seite den rationellen Sinn dieses weltgeschicht-
als auf die Empfindung?
Ebene des Sensualismus. lichen Argumentes betrachtet; jetzt läßt sich eine neue natür-
Vielleicht hätte er das Feld behauptet, wenn nicht von liche Bedeutung ihm abgewinnen. Die Existenz wurde von
worden
einem andern Problem gegen ihn die Fehde entboten der anscheinend unentrinnbaren Verkettung mit der Empfin-
Welt-
wäre. Die Kreuzung der Probleme, in welcher die dung abgelöst und wiederum dem reinen Denken eingegliedert.
geschichte sich vollzieht, zeigt sich hier in aller ihrer
Wunder- So konnte das Denken seiner ganzen großen Aufgabe, schlechter-
lichkeit. VieUeicht hätte man den einzelnen
Naturkörper der dings über die Empfindung Herr zu werden, sich wieder be-
Empfindung überantwortet; der wissenschaftliche Ideahsmus wußt machen.
könnte mit Piaton erloschen zu sein scheinen. Da kam
vom 29. Kants Kritik des ontologischen Be-
Gottesbegriff unerwartete Hilfe.
eine Gott sollte weisgrundes. Es darf nicht verschwiegen werden, daß
Existenz besitzen; der Wert einer Hypothesis ist zu gering über Kants I^itik des ontologischen Beweises neben den
für ihn. Er muß ein Einzelner sein. Auch die Einheit mächtigen und ewig wohltätigen Lichtern auch dunkle Schatten
ist zweideutig, weil sie eben der Anfang der Zahl ist. Die Ein- lagern. Sie hängen mit den Grundlagen der Terminologie zu-
heit Gottes soll seine Einzigkeit bedeuten. sammen. Die Existenz müsse hinzukommen. Man
Einzig ist ein ganz absonderUcher Begriff; er gehört der müsse zur Erfahrung hinausgehen, um dem Begriffe
Mehrheit an; stellt sich der Zahlordnung entgegen.
Wohin die Existenz beizulegen. Oder aber man müsse auf die
gehört er überhaupt? Hier haben wir seinen Ursprung.
Und beweisbare Existenz Gottes verzichten. So wird von der
Sinn. Der Einzelne, das ist zuerst der Kritik des ontologischen Beweises auf das Loch im Denken
seinen eigenthchen
Einzige. Eine neue Sorge ist freiUch damit
verknüpft, daß hingewiesen, aus dem der Maulwurf der Empfindung hervor-
Zählung
dieser Einzelne, wie er der sich widersetzt, so lugt. Wie Gott darüber zum Postulat begnadigt wurde,
Vergleichung enthoben sei. Die Unver- das geht uns hier nichts an. Wir sehen hier nur auf die Mängel,
auch jeder
gleichbarkeit ist aber erst die zweite Bedeutung: des
Ein- die in der gesamten Behandlung der Empfindung zurück-
wenn man ihrer versichert sein dürfte, so bhebe gebUeben sind. Und das ontologische Motiv deckt den Zu-
zigen; denn
doch noch immer die erste Bedeutung die eigentUche Frage. sammenhang auf, der zwischen dem Einzelnen und der Existenz
Man sieht also, die realistische Ansicht von Gott, als dem besteht; während der Zusammenhang zwischen der Existenz
Einzelnen, bildet den Kern in der Idee der Einzig- und der Empfindung gelockert wird, weil er zwischen
freihch von jenem Kerne sich frei zu dem Einzelnen und der Empfindung durchaus zerstört
keit, welche ihrerseits
machen strebt. werden muß.
Extensive und intensive Größe All
476 Kategorie der Größe

seiner analytischen Geometrie. Leibniz muß die Souve-


30. Die Kategorie der Größe. Nach dieser Be-
Monade
muß
^ trachtung können wir nunmehr an unsere Frage
Wie kann die Kategorie des Einzelnen den
herantreten. ränität der Ausdehnung bekämpfen. Seine
unausgedehnt sein, weil sie Kraft
zu vertreten hat,
deren Grund in der infinitesimalen Realität gelegt werden
Anspruch zur Befriedigung bringen, den muß. Inzwischen ist aber auch die Geometrie Infinitesimal-
die Empfindung, so weit und so klar sie es Geometrie geworden; und die Kategorie des Maßes hat die Be-
vermag, anzeigt und anmeldet? Besinnen wir denken beseitigt, welche gegen den angebhchen Widerspruch
eine kritische
410 uns zunächst, daß das Einzelne, als Kategorie, zwischen der infinitesimalen Reahtät und der Ausdehnung auf-
Kategorie sein muß; daß sie nicht eine konstitutive, sondern tauchten, und sich in Geltung erhielten.
die Abschätzung
eine methodische reine Erkenntnis bedeutet für 32. Unterscheidung zwischen der exten-
einer Stufe im Verlauf der wissenschafthchen
Forschung. Das
eine solche Ab-
iven und der intensiven Größe. Aber daraus «i
Urteil der Möglichkeit war auch vor
sind neue Schwierigkeiten genährt worden, auf die wir schon
Revision des
schätzung gestellt; und es mußte dabei eine bei der Psychophysik gestoßen waren, ohne daß wir sie
ganzen Füllhorns der Möghchkeit erfolgen. In dieser Revision entwickeln durften. Unterscheidung
Sie führten zu der
aller Probleme der Erkenntnis entstand
das Bewußtsem als
zwischen der extensiven und der inten-
K^itegorie. siven Größe. Genauer ist zu sagen, sie führten zu einer
Undfür das grundlegende Problem der mathematischen
Befestigung und einer neuen vertieften Richtung dieser Unter-
Naturwissenschaft entstand die Kategorie des Maßes.
Wie
allgemeinen scheidung; denn beide Arten von Größe waren vor Leibniz
die Hypothese gleichsam die Beglaubigung der
so und vor Galilei schon vorhanden. Wir werden später zu
Hypothesis für die neuen Kreuzwege der Forschung bildet, erwägen haben, welche Einwirkung es auf Kant
geübt hat,
bietet das Maß die Möghchkeit zur V
e r e i n b a r u n g der
scheint. daß er diese Unterscheidung aufnahm. Hier soll nur betrachtet
Grundbegriffe, wo eine solche schier ausgeschlossen werden, wie wir es zu verstehen haben, daß Kant beide Arten
Begrün-
Daher hegt die eigenthche Leistung des Maßes in der von Größe zu zwei Arten von Grundsatz ausgeführt, also
dung der Möglichkeit für neue Wege. Wir mußten uns auf die
den Be- von den Kategorien unterschieden hat.
positive Charakteristik beschränken; vermieden daher Es kann wohl für Kants Terminologie die Frage entstehen,
von dem das Maß sich unterscheidet: wie die infinitesi-
griff,
was denn eigenthch der Grundsatz im Unterschiede von
male Zahl von der Mehrheit. Das Problem des Ein- der Kategorie bedeute. Wir fragen hier jedoch nach der Ten-
zelnen erfordert im Unterschiede vom Maße denz der Unterscheidung; nicht nach den Mitteln, mit denen
dieGröße.
31. Größe bei Descartes und bei
,^.tu-
Leibniz. sie sich durchführt, oder sich durchführen mußte. Wir selbst

ausgezeichnet jedoch haben bisner die Tendenz verfolgt, durch die Bedeutung
Die Größe muß als Kategorie
der reinen Kategorien, als reiner Erkenntnisse, die Grundsätze
werden. Sie ist ein Grundbegriff, der als solcher schon in entbehrhch zu machen. Kant aber unterschied zwischen
der Antike hervortritt. Vielleicht aber kann
man an ihm alle
Aristoteles in reinem Denken und reiner Anschauung; daher bedurfte er einer
die Schwierigkeiten ablesen, mit denen
Verbindung der beiden heterogenen Bedingungen, die er im
seiner Physik kämpft. Bei Descartes läßt sich eine
Magnitudo Grundsatz suclien mußte. Am Grundsatze der Wirkhchkeit
Tendenz erkennen zur Unterscheidung von versagt nun aber die reine Anschauung; die von ihr zurück-
und Quantitas. Die Größe in -demjenigen Sinne, in dem gehaltene Empfindung dringt endhch ein. Er muß daher bei
sieGeometrieundArithmetikvereinigt, muß den modalen Grundsätzen den Charakter des Grundsatzes,
bei Descartes zum Leitbegriff werden; sie ist der Grundbegriff
Wirklichkeit, das Einzelne, Größe Kants SchemcUistmis 479
478

der auf der Verbindung von Denken und Anschauung beruht, allem das Problem der Funktion. Es darf sich jetzt nicht
aufheben: sie seien nur Definitionen; und dennoch synthe- darum handeln, eine neue Verbindung unter diesen schweifenden
tische Grundsätze? Elementen anzuzetteln, die nicht von vornherein als Verbindung
33. Kategorie oder Grundsatz? Fragen wir für dieses neue methodische Problem ins Auge gefaßt würde.
dagegen rückwärts bei der Größe, was sie als Grundsatz zu Die Größe ist die Kategorie, welche sich
bedeuten habe, indem wir von der Doppelheit der Größe ab- deckt mit der Kategorie des Einzelnen, mit
sehen, so bildet sie zunächst den mathematischen Grundsatz, der Kategorie der Wirklichkeit. Die letztere
mit der Zahl, als Grundstock. Der Zusammenhang zwischen ist nicht etwa ein Grundsatz, dem es erforderlich und gegeben
der mathematischen Größe und dem dynamischen Grundsatze wäre, die Größe in sich aufzusaugen, um mit ihr ihre eigene
in der Relation ist ferner ebenso klar und durchsichtig; v/enn Leistung zu vollführen. Denn es bleibt ihr keine Leistung;
sie ist nicht eine Verbindung der Größe mit noch etwas anderem.
man nur davon absieht, als ob die Grundsätze der Relation
mit Raum und Zeit, und nicht vielmehr mit der Größe operieren Sie ist nichts anderes als die Größe; ebenso,
müßten. Man sieht schon hieraus, daß nicht eine innere syste- wie die Hypothese nichts anderes ist als die Möglichkeit;
matische, sondern nur eine terminologische Notwendigkeit vor- ebenso wie die Möglichkeit für das betreffende Problem
lag, den Grundsatz von der Kategorie zu scheiden. nichts anderes ist als das Maß.
412 Bei dem Problem der Wirklichkeit aber kann man nur Unterschied zwischen Maß und Größe.
35.
unmittelbar den Vorteil einsehen, den die Kategorie vor dem Es Unterschiedzwischen
zeigt sich daher ein wichtiger
Grundsatz voraus hat: die Kategorie, als kritische Kategorie. Maß und Größe in bezug auf ihre Arten des Ur-
Jetzt bedarf es nicht mehr solcher Ausdrücke, wie, daß zum teils. Die Möglichkeit freihch bedeutet noch anderes außer
Inhalte der Erkenntnis nichts hinzukomme; daß hundert der Bedeutung des Maßes; die Wirklichkeit aber bedeutet in
wirkliche Taler dem Inhalte nach nicht mehr seien als der Tat nichts anderes als die Größe. Sie bedeutet eben nichts
hundert mögliche Taler. Alle diese Ausdrücke bewegen sich anderes als das Einzelne; und das Einzelne, das ist die Größe. 413

in der richtigen Tendenz, den Unterschied dieser Art von Die Größe, als Kategorie, ist das einzige Mittel, mit dem das
Kategorien, nämlich der kritischen, von den naiven zu kenn- Problem lösbar wird. Beide ..Kategorien haben eine solche
zeichnen; aber der Grundsatz läßt die volle Einsicht nicht zur strenge ÄquipoUenz, daß auch die Formuherung des Sinnes,
Reife kommen. Der Grundsatz, als solcher, muß doch immer der dem Einzelnen beiwohnt, eist durch die Größe vollziehbar
so angesehen werden, als ob er mit den Mitteln der reinen wird. Sonst schwankt das Einzelne unter den Zahlbegriffen,
i.
Anschauung zu operieren hätte; während er vielmehr mit unter denen es doch ein Monstrum ist. Das ist der Sinn der
anderen Kategorien die Leistung zu vollführen hat, die kritischen Kategorie, daß sie in der Bestimmung entspringt:
ihmobliegt. Die Wirklichkeit ist Kategorie; was besitze ich, um den neuen Anspruch zu definieren und zu
aber kritische. Sie ist angewiesen für das erfüllen? In dieser Abschätzung erhebt sich die Größe als
Einzelne auf die Größe. eine neue reine Erkenntnis. Sie ist nicht Maß; ihr sind engere
34. Die Wirklichkeit, das Einzelne und Aufgaben gesteckt. Aber die engere Aufgabe iöt zugleich die
die Größe. Das Einzelne ist das Problem der Wirklich- härtere; sie geht bis an die Grenze des Denkens, wo dieses
keit.Es darf nicht der Empfindung überlassen werden. Es auf die Empfindung stößt.
kann aber auch weder mit dem Räume, noch mit der Zeit, Kants Schematismus. Es muß noch
36. ein

noch mit der Zahl allein in Angriff genommen werden. Diese Punkt Kants Terminologie beachtet werden:
in das
Verbindung ist vielmals schon versucht worden; sie bildet vor Schema, welches die Verbindung zum Grundsatze zu-

«s^
480 Sinn der analytischen Geometrie Raumgchilde. Lage 481

Stande bringt. Und hier gerade ist es so bedeutsam, daß man des Maßes, welche den Problemen der Möglichkeit dient. Die
meinen könnte, der Gedanke des Schema sei hier entstanden. Wirklichkeit, das Einzelne fordert die Größe, als die Ver-
Das Schema nämlich, welches den Grundsatz der extensiven einbarung von Zahl und Raum. Der Zahl hängt
Größe installiert, ist die Zahl. Damit wären denn die Ele- der Verdacht an, als ob sie etwas Subjektives, Fiktives wäre.
mente versammelt, in deren Vereinigung die Größe besteht: Dieser Verdacht stört die Zuversicht auf die Wirklichkeit. Auch
Raum, Zeit und Zahl. So könnte es scheinen, als ob der Fehler, würde sie allein ebenso auf die Allheit gehen, wie auf die Mehr-
wenn ein solcher in der Aufstellung des Grundsatzes liegen heit. Zwar stellt auch der JRaum vornehmUch die Allheit als
sollte, durch das Schema korrigiert würde. Wir dürfen jedoch Beisammen dar; aber das ist eben nicht die eigenthche Größe;
auch diese Abwendung nicht gelten lassen. sondern die sogenannte unendliche Größe. Die Verbindung von
Erstlich wird die Zahl nicht koordiniert zu Raum Raum und Zahl muß als Vereinbarung gedacht werden, sofern
und Zeit; und zwar auch nur so nicht, wie die Kategorien und damit in ihr die Größe, als kritische Kategorie, erzeugt
immerhin koordiniert werden. Ferner entsteht der einseitige wird. Die Vereinbarung bedeutet, daß der Allheit des Raumes
Grundsatz der extensiven Größe, der auch als Grundsatz ein gegenüber die Zahl, als Mehrheit, einschränkend, zum Einzelnen
Fehler ist, abgesehen von der Unterscheidung zwischen exten- einschränkend sich geltend macht. So löst sich ein altes Be-
siver und intensiver Größe. Endlich bleibt die extensive denken.
Größe, letztlich auf die Zahl gestellt, für sich bestehen, und 39. Das einzelne Raumgebilde. Man hat
dient somit allenfalls den Grundsätzen der Relation zu einer vielfach Kants Raum gefragt, wie dadurch
gegen das
Voraussetzung; kommt aber nicht in den eigentlichen Zu- einzelne Raumgebild erklärbar würde. In der Tat vertritt ja
sammenhang hinein, in den sie gehört, nämlich mit der Wirk- die Form der reinen Anschauung den unendlichen Raum. Wir
hchkeit, mit dem Problem des Einzelnen. wissen nun zwar, wie derselbe die notwendige Voraussetzung
Der Sinn der analytischen Geometrie.
37. bildet nicht allein für die Geometrie, sondern auch für den
Indem wir an dieser Stelle die Kategorie der Größe ein- K r a f t - R a u m; für den Raum der Molekularkräfte. Aber
führen, ist sie von vornherein als die Größe der ana- sie darf nicht allein bleiben.Die Allheit des Raumes bedeutet
lytischen Geometrie charakterisiert. Das war ja nur die unendliche Zusammenfassung der Raum-Elemente;
der große Gedanke Descartes*, mit dem er den kriti- aber nicht das Verhältnis der Elemente selbst innerhalb dieser
414 schen Idealismus begründete^ daß er den Zweispalt aufhob Zusammenfassung und abgeschlossen für sie. Das Raum-
zwischen der Anschauung und dem Denken. Nur im Räume gebild wird als geschlossen, als Endlich begrenzt gedacht.
meinte man eine von der Phantasie des Denkens unabhängige Diese Forderung scheint der Raum-Allheit zu widersprechen.
Wirklichkeit zu besitzen er erschuf die
: Ausdehnung in Der Widerspruch wird zunächst gehoben durch den System-
und aus dem reinen Denken. Auch die Ausdehnung ist nichts Begriff nach seinen Abstufungen.
Gediegeneres als das reine Denken. Aber das reine Denken 40. Die Lage und die P r a e c i s i o. Ein System-Be-
ist eben auch nicht schlechthin Phantasie und Vorstellung; es griff ist auch der Begriff der Lage, der das Verhältnis der
wohnt ihm die Macht inne, die sonst der Raum darstellt. Punkte, der Raumclemente zu einander bestimmt. Die Lage 415
Diese D o p elb e d eu t u ng hat Descartes aber steht unter der Kategorie des Maßes; sie geht ebenso
Raum-Zahl. Sie ist die Größe. noch auf Allheit aus, wie auf Mehrheit. Die Größe erst fordert
38. Die Vereinbarung von Zahl und Raum. die Einschränkung des Raumes durch die Mehriieit, durch die
Sie konnte es auch bleiben in den Veränderungen, welche der endliche Zahl. Denn sie darf sich von der Allheit nicht
Zahlbegriff erfuhr. Diese Veränderungen leitete die Kategorie bezaubern lassen; sie hat die engere, aber die härtere Aufgabe
Cohen, Logik der reinen Erkenntnis. II. Aufl. .11

1
u.

482 Denkgeaetz der Oleichheit Größe und Gleichheit. Erstes Axiom 483

ZU lösen, das Einzelne zur genauen Bestimmung zu bringen. welches in der Größe liegt, beruht auf der Vereinbarung der
Diese Genauigkeit nennt Cusa bereits Praecisio. Der Zahl mit dem Räume. Und diese Vereinbarung vollzieht sich
"i). moderne Sprachgebrauch bezeichnet sie als Exaktheit, unter dem kritischen Denkgesetze der Gleichheit.
als ob alles ausgerichtet wäre, wenn das Einzelne zur Prä- 42. Der Zusammenhang der Größe mit der
zision gelangt. Gleichheit. Die Frage, woher die Gleichheit komme, ist
Das Denkgesetz der Gleichheit. Der
41. jetzt bündig beantwortet. Die Gleichheit ist ein Denkgesetz,
fundamentale Unterschied zwischen Größe und nämlich ein solches des kritischen Bewußtseins. Es ist danüt
Maß läßt sich durch den Unterschied von Denkgesetzen aber auch die Frage erledigt, woher die Größe komme; sie
formulieren. Das Maß respektiert einen Begriff nicht, der sonst brauchte überhaupt nicht zu entstehen; detm die Größe ist
als Grundbegriff gilt; der sogar mit der Identität gleichgesetzt Kategorie, welche in dem Urteil der Wirklichkeit entsteht.
wird. Indem das Maß über den Unterschied von EndHch und Aber bei der Schwere dieser Aufgabe, die das Einzelne stellt,
Unendlich sich hinwegsetzt, beseitigt es den Grundbegriff der darf es als eine Stütze der Begründung angesehen werden, daß
Gleichheit. Wir wissen, das Maß hat diese Kompetenz die Gleichheit als Denkgesetz formulierbar wird. Größe und
als Bewußtsein. Wir hatten Anstand genommen, das Bewußt- Gleichheit gehören zusammen.
sein als Kategorie auszuzeichnen. In der Tat dürfte es weniger Diesen Zusammenhang kann man in der Formulierung der
bedenklich scheinen, das Bewußtsein als Denkgesetz zu Axiome bei Euklid erkennen. Beachten wir zuerst wieder
formulieren; nämhch als kritisches. So wird die Abschätzung den Unterschied von dem Ganzen, das wir früher von dem.
besser begründet, welche das Bewußtsein im Urteil der Mög- System unterschieden haben (vgl. ob. S. 326). Euklid
lichkeit an den Mitteln des reinen Denkens vornimmt. In bringt auch das Ganze und die Teile mit der Gleichheit
dieser weiten Kompetenz verfügt das Maß. Die Größe da- in Verbindung. Aber er selber zeigt in der Formulierung des
gegen steht unter einem engeren Denkgesetz. Als solches ersten Axioms, wie tief der Unterschied zwischen der
fassen wir das der Gl ei ch h e i t. Sie ist nicht Identität; Größe, sofern sie durch die Gleichheit definierbar wird, und dem
darf nicht mit dieser verwechselt werden; aber ihre Konpetenz Ganzen ist. Das Ganze besteht nicht nur in den Teilen; son-
freilich ist der der Identität so ähnlich, daß der Irrtum der Ver- dern es setzt sie auch voraus aber es setzt nichts anderes
;
w
wechselung entstehen konnte. für sie voraus. Anders verhält es sich mit der Größe, und
Wir hatten schon beachtet, wie P 1 a t o n die Gleichheit zwar auf Grund der Gleichheit.
als instruktives Beispiel der Ideenlehre gebraucht. Woher 43. DieFormel des erstenAxioms. Wir sind
kommt die Gleichheit ? Die gleichen Steine oder Hölzer bieten gewohnt, das erste Axiom also zu formulieren: Zwei Größen,
allenfalls nur die Veranlassung für die Untersuchung der Steine die einer dritten gleich sind, sind untereinander gleich. Euklid
und Hölzer auf die Gleichheit. Sie selbst stellen die Gleichheit sagt freilich nicht Größen; er setzt das Gleiche im Plural. Und
nicht dar. So sind sie auch an sich selbst noch nicht Gegen- er sagt auch nicht einer dritten; sondern Demselben.
stände, Körper, Größen. Wie werden sie zu Größen? Das ist Aber Dasselbe ist ja doch ein Drittes, welches durch die
ja jetzt unsere Frage. Etwa dadurch, daß sie gezählt werden; Beziehung der beiden Gleichen auf es zu Demselben wird.
also daß sie Zahlen darstellen? Dann aber hätte Piaton nicht Ebenso auch werden die Gleichen durch die Gleichheit zu
mit der Gleichheit zu exempHfizieren brauchen; in diesem Größen; und nicht zu Ganzen. Wir dürfen daher die Frage
Sinne hatte er es an den Zahlen selbst oftmals getan. Die wiederholen: woher kommt das Dritte? Und wir
416 Gleichheit vielmehr soll sie zu Größenmachen; die Gleich- müssen sie um so dringlicher stellen, als eben bei Euklid das
heit enthält mehr in sich als lediglich die Zahl. Das Mehr, Dritte zu Demselben geworden ist; obwohl es sich um die
ai<
Sirecke 485

484 Grundgedanke der Koordinatengeometrie


Tendenz dadurch
ordinaten den Schaden, den die idealistische
erleiden könnte, daß die Zahl auf den Raum
übertragen wird.
Dasselbe (tavto) aber bezeichnet die einmal
Gleichheit
Identität.
handelt.
So sehen wir schon hier den Grund der Ver-
Es aibt kein Ding im Räume; nicht Koordina-
der Punkt ist es; er steht vielmehr in einer
wechselung von Identität und Gleichheit. tion und z-war in einer dreifachen,
und in ihr aUein
44. Das Sein des Dritten im I.Axiom.
Das
durch die Auflösung des
hat er seinen Bestand. So wird auch
417
und die Gleichen sind an sich noch
Dritte ist nicht Dasselbe; Punktes in ein Koordinations-Element das Vorurteil
entkräftet,
sondern das Dritte ist die
nicht die Größen;
als ob der Punkt ein Einzelnes sein könnte.
Größe, welche auf der Gleichheit beruht.
; i'-

es hält sich
Axioms zu ver- Das Einzelne verschmäht jede scheinbare Einheit;
So versuchen wir die Formulierung des ersten an die Mehrheit, an welcher die Größe sich vollzieht. Bei der
41«

stehen. Die Gleichheit ist die Voraussetzung der Größe. verständlich, daß der kine-
Vieldeutigkeit der Größe aber ist es
P 1 a t o n hat Recht behalten; Eukhd hat ihm Recht gegeben. matische Begriff der Strecke entstanden
ist.
^
An zwei Dingen allein läßt sich die Gleich- ^
macht^ die .

46 Die Strecke. Die Strecke


heit nicht feststellen; es bedarf dazu eines Dritten. Bedeutung der Größe für das Einzelne
könnte nicht
Dieses Dritte ist nicht etwa auch ein Ding; das deutlich. Sie ist das Element der eB w e g u n g; nicht
helfen; was zwei Dinge nicht können, kann
auch das dritte wie die Wirkhchkeit
der Punkt ist dies. Sie ist das Einzelne,
es ist nicht „Das-
nicht Das Dritte ist von anderer Art; aber es sucht. Sie ist die Größe, wie sie als kritische Kategone
es nur mit den
selbe"; das wäre die Identität. Diese aber hat Zahl und Raum. A^er diese
zu denken ist; sie vereinbart
Vorbedingungen des wissenschaftUchen Denkens zu tun;
sie
des Einzelnen.
Und hier handelt Vereinbarung steht unter dem Gesichtspunkte
geht noch nicht einmal an sich auf Zahlen. im Räume; sie schwebt auch
Die Zahl verstreut sich nicht
als um Zahlen allein; nämlich um
die
es sich sogar um mehr nicht als Entfernung; das wäre
doch nur Allheit bie
und Raum. Die folgenden Axiome
Vereinbarung von Zahl
schränkt sich ein auf die Strecke. In dieser
vollzieht sich die
(^gogtiOevai) ist
lassen dies deuthch erkennen ; das Hinzufügen vergibt sich damit nichts; sie verhert
geometrischen Konstruktion. Größe. Und die Größe
technischer Terminus der Kategorie; denn die
ein
beruht auf der Gleichheit. dadurch nicht etwa ihren Charakter als
Dasselbe" ist die Größe; und sie beruht, steUt sich in der Vi
if
Gleichheit, auf welcher sie selbst
Sie vollzieht sich an der Gleichheit. Wie könnte sie sich
nicht ihre Strecke dar
aber an der Gleichheit vollziehen, wenn
diese Gleichheit in den
Wenn "piaton fragte, woher die
ist uns jede
Grundlage, ihre Hypothesis wäre? Hypothesis gleichen Steinen und Hölzern
komme, so können wir jetzt
Kategorie; ist also auch die Größe. Umdie Identität strengstens
antworten: daher, daß sich in diesen Dingen
nicht nur Zahlen,
uns die Gleich-
von der Gleichheit unterschieden zu halten, sei
Strecken darstellen. In diesen Strecken haben
sondern
heit ein kritisches Denkgesetz. sind das Einzelne, bie
Koordinaten- wir die echten einzelnen Einheiten; sie
45 Der Grundgedanke der sind die Maßstäbe, welche uns die Gleichheit anweist; sie sind
Geometrie. Das Urteil der Wirklichkeit vollzieht sich in. nicht Maße; die wären von der Gleichheit entbunden. Sie sind
der Kategorie der Größe auf Grund des Denkgesetzes der Gleichheit gegründet sind. Und
die G r ö ß e n welche in der
aber, um das es sich bei der Wirk-
,
Denk-
Gleichheit. Das Problem
sich daher unter der Leitung dieses kritischen wir in
Uchkeit handelt, ist das Einzelne. Die Größe hat gesetzes der Gleichheit bestimmen
,1
bewähren und zu betätigen. Diese Leistuni; Wirklichkeit
;1
am Einzelnen zu
Zahl und den Größen der Strecken die
gehngt der Größe, weil sie die Vereinbarung von desEinzelnen.
Raum ist. Dies ist der Grundgedanke der K o o r d i n die
a t e n-
Ko-
Geometrie. So korrigiert Descartes durch
Kritische und naive Kategorie 487
486 Wirklichkeit und Realität

die Isoüerung
Die Definition der Größe als Strecke macht den Ausdruck der Reaktion aber gegenüber hält die Strecke
Wie könnte also das Be-
der extensiven Größe vermeidlich; denn was er fest; wenngleich nur provisorisch.
Strecke der infimtesimalen
Richtiges enthält, die Beziehung auf den Raum, enthält die denken stichhaltig sein, daß die
sei und ent-
Strecke; aber sie enthält mehr, nämlich die Beziehung auf die Zahl, daß die Wirklichkeit der Realität enthoben
welchen genauen
Zahl. Man könnte einwenden, daß diese durch das Schema raten dürfte? Hier vielmehr sehen wir wieder,
orientierenden Wert die k r i t i s c h e Kategorie
besitzt.
der Zahl für die extensive Größe gegeben sei. Indessen ist jene und
Zahl des Schemas nur die endhche Zahl. Die Strecke dagegen Der Unterschied der kritischen von
48.
ist nicht ursprünglich ein geometrischer, als vielmehr ein kine- den naiven Kategorien. Der Gedanke liegt ganz
ent-
matischer Begriff; mithin wird durch sie die Beziehung auf die vom Wege daß die Wirklichkeit der Realität sich
ab,
wäre. Es klafft
Bewegung gesetzt. Die extensive Größe hält sich durchaus in schlagen dürfte; als ob sie ihr gleichwertig
den Abstraktionen des Raumes und der endlichen Zahl; das jedoch zwischen beiden der Unterschied der naiven
und der
Einzelne bhebe daher unter ihr nur ein Stück der Vergleichung; Voraussetzung. Die kritische Besinnung bhebe
kritisierenden
wie auch die Gleichheit, mit der die extensive Größe operiert, oberflächUch, wenn sie die Vereinbarung zwischen Raum und
419 bezeichnenderweise als Gleichartigkeit benannt wird. zugleich im infinitesimalen Sinne forderte und
Zahl nicht
Die
Daher erfordert die extensive Größe eine Ergänzung von ganz durchführte. Sofort würde sich der Spieß umkehren.
Vergleichung
anderer Art; auf deren Recht wir zurückkommen werden. Die Strecke und die Größe würden zu solchen der
der Verschieden-
Strecke hingegen, ein kinematischer Begriff, fordert die Ver- herabsinken; die Gleichheit zu einem Korrelat
einbarung des Raumes ebenso mit der in- heit werden. Gegen ihre Übergriffe
müßte alsdann die Kon-
finitesimalen, wie mit der endlichen Zahl; Vergleichungsgro^en
tinuität aufgeboten werden, welche die 4S0
denn die Kinematik ist nur die Vorbereitung für die K i n e t i k. mit einem Maße mißt, unter dem die Herrschaft der Gleichheit
Es wäre doch höchst sonderbar und verdächtig, wenn die ist also gänzlich ausgeschlossen,
als ob
aufhört. Der Gedanke
Wirklichkeit, durch den Blick auf das Einzelne verengt, auch die Wirklichkeit die Realität entbehrUch
machte; aber daß das
das ist der
den Schwerpunkt verlieren müßte, der in der Realität Bedenken keinen ernsthchen Anstoß bilden kann,
liegt. Wir kommen so auf den Unterschied zwischen Unterscheidung zwischen den kritischen und den
Vorteil der
Wirklichkeit und Realität. naiven Urteilen.
47. Die Wirklichkeit und die Realität. 49 Die Wirklichkeit und der
Index der
Früher hatten wir allen Nachdruck auf die infinitesimale Empfindung. Die Unterscheidung bedeutetderdiejemge
For-
ReaUtät gelegt; Zahl und Raum, ohne diese, erschienen wie Ab- zwischen den methodischen Wegen und Stufen
straktionen, d^nen die Objektivierung versagt ist. Diesem Ver- schung und dem konstitutiven Aufbau der Wissen-
dikt verfällt auch die extensive Größe. Jedoch die Größe, als schaft. Die Gesichtspunkte der Forschung dürfen sich ver-
Strecke, soll davon frei sein. Und doch scheint es, als ob ihre schieben; und demzufolge wird auch ein Wechsel in dem Ge-
Mittel zu-
Kraft lediglich in dem Einzelnen liege, welches sie auf Grund brauch und in der Bevorzugung der konstitutiven
Wir haben von Anfang an den Zusammenhang
der Gleichheit konstituiert. Hat denn etwa aber das Einzelne der
lässig.
die Einheit des Ursprungs zurückgedrängt und entwertet? Empfindung hervorgehoben. Es sind in
WirkUchkeit mit der
solche der Wirklich-
Das Bedenken ist jedoch hinfällig; denn die Strecke ist ein der Tat nicht alle Interessen, die man als
mechanischer Begriff, der allemal die infinitesimale Realität durch das Urteil der WirkUchkeit ver-
keit denken könnte,
zur Voraussetzung hat; nur die Rücksicht auf die Reaktion treten; sondern diejenigen nur, welche
vom I n d ex der Emp-
des Sprach-
fehlt in ihr; sonst gelten in ihr alle Kraftbegriffe. Dem System findung angezeigt werden. Daher da« Schwanken

'i
488 Qualität der Empfindung und Kontinuität Größe und. Kontinuität 489

gebrauchs zwischen Wirklichkeit und Reahtät. Nur was die gleiche Objektivierung wurde das Mittel, beide Arten von
Empfindung als Außeninhalt ankündigt, wird Problem Inhalt in bezug auf den Empfindungs-Anspruch der Wirklich-
der Wirklichkeit. Dafür dient die Größe, als Strecke. keit genau zu unterscheiden.
50. Die Qualitäten der Empfindung. Alle So wird es deutUch erkennbar, daß die Wirklichkeit, als
Kombinationen dagegen lassen den Eindruck der Illusion das Einzelne, mit der Gleichheit der Strecke
zurück, der auch der Vorstellung und allem Denken anfängt; daß sie aber zur Kontinuität der
der Phantasie anhaftet. Auch die Empfindung entgeht Schwingung übergeht, um das Einzelne
dieser Gefahr nicht; denn auch in ihr arbeitet das große Spiel nach seiner qualitativen Verschiedenheit
der Mischungen und Verbindungen. Aber es scheint doch objektivierbar zu machen. Das Einzelne an sich
wenigstens möglich, ihrer Anweisung zufolge ein Einzelnes, als vertritt daher nur den quantitativen Standpunkt;
solches, zu isolieren, wie beim Gesicht und beim Gehör. Das daher wird es zur Größe, zur Strecke. Das Einzelne dagegen
Einzelne wird darin doch mehr prägnant als in allem Denken. nach seiner qualitativen Mannigfaltigkeit erfordert die
Das Einzelne knüpft daher den Zusammenhang zwischen der infinitesimale Realität, die an der Spitze der Urteile der Mathe-
WirkHchkeit und der Empfindung. Und dieses Ein- matik steht; der Urteile, welche auf die konstitutive Bestim-
zelne wird durch die Größe auf Grund der nmng der Qualität gerichtet sind. Das Einzelne fordert
Gleichheit festgelegt. Alle Instrumente, mit denen demnach eine doppelte Rücksicht.
die objektiven Inhalte der Empfindungen 52. Die Vereinbarun.J der Größe mit der
gemessen werden, gehen auf diese Größen- Gleichheit zurück; Kontinuität. Solange nämhch die Isolierung die
aber sie beschränken sich freilich nicht darauf. Denn es be- ausschheßliche Rücksicht bildet, so lange allenfalls kann die
steht für die WirkHchkeit der Empfindung nicht allein das Strecke ausreichend scheinen. Wenn dagegen bei zulänglicher
Problem, welches das Thermometer löst; sondern verschiedene Kritik die Einseitigkeit der Isolierung korrigiert wird, so
Arten, Qualitäten der Empfindung fordern den weitet sich wieder das Problem des Einzelnen; der Einzelne
Nachweis ihrer besonderen Wirklichkeit. hört auf, etwa ein Einziger zu seiji; oder auch nur der Einzelne
51. Die Schwingungen und die infini- Einer Reihe; die mehreren Reiher treten hervor, in deren jeder
tesimale Kontinuität. Hier versagt die Größe der Einzelne zum Problem wird; und zwar in der Bedeutung,
denn die Verschiedenheit tritt hier der daß die verschiedenen Einzelnen, als Einzelne,

ttl Gleichheit entgegen. Was hat nun die Wissenschaft denselben Anspruch der Wirkhchkeit erheben und erfüllen.
getan, vielmehr konstitutiv geleistet, um dieses Problem der Das Einzelne nimmt somit selbst gleichsam eine qualitative
Forschung lösbar zu machen? Pythagoras hat das Bedeutung an; wie es ja auch eigentlich der Zahl, also der
Mittel der Größe erschöpft, indem er die Intervalle be- Ouantität nicht zugehört. Auch die Empfindung stellt sich
stimmte; aber an den Schwingungen der Saite hat er bereits in einer Mehrheit von Ansprüchen dar.
Diese Schwingungen wurden aus
sie aufgezeigt. Wenn sie das Einzelne als Außeninhalt anmeldet,
dem Bereiche der Größen- Gleichheit in den so ist es zugleich die Mannigfaltigkeit desselben, auf

Bezirk derinfinitesimalen Kontinuität zu- die sie das Einzelne bezieht. Und so erkennt man in allen 422

sammengezogen; und dadurch w rde das Mittel der Anknüpfungen der Wirklichkeit die Notwendigkeit der Ver-
Objektivierung von der Akustik auf die Optik über- einbarung zwischen Gleichheit und Kon-
tragen. Es wurden dadurch zugleich aber die optischen In- tinuität.Um die Vereinbarung dieser Denk-
halte ebenso objektivierbar, wie die akustischen. Nur die gesetze handelt es sich in letzter Instanz bei dem Problem
Größe an der Empfindung 491
490 Größe und Maß

um eine k e i t. Wir hatten zuerst für die Wirklichkeit auf die Größe,
der Wirklichkeit. Man könnte sagen, daß
es sich
über- als Strecke, gepocht; allmählich aber war die Größe wieder
solche Vereinbarung bei der Infinitesimal-Rechnung auf die Fluxion zurückgegangen. Da könnte nun der Einwand, 423 i
haupt handele. Das ist allerdings der Fall; aber
warum denn?
gelangt? entstehen, daß die Wirklichkeit wieder in die Möglich-
Weil auf diesem Wege die Funktion zur Bestimmung keit zurückfiele. In der Tat, die Wirklichkeit ist auf ein
Frage nur nochmals gesteUt; was
In dieser Antwort wird die
relativ enges Gebiet der Kompetenz eingeschränkt, sofern sie
Funktionen^Theone?
bedeutet denn dieses ganze Spiel der die eigenthche Befriedigung an und in der Größe, als der ex-
Antwort. Sie
Die Wirklichkeit allein gibt die befriedigende akten Darstellung des Einzelnen, sucht und findet. Die Größe
ist nicht an die Empfindung
gebunden, und mcht auf die
Mathematik jedoch hängt methodisch mit der Fluxion zusammen; die
Empfindung beschränkt: der ganze Apparat der Strecke hält diesen Zusammenhang offen. Es ist Borniertheit
Diensten, und ist auf ihre Ansprüche be-
stellt sich ihr zu des Standpunkts und der Einsicht, wenn die Wirklichkeit
rechnet. ^ « ^ n* n diesem Zusammenhange versperrt wird. Keineswegs droht von
DieVereinbarungvon GroßeundMaü.
..

53. daher der Verfall in die Möglichkeit; wir werden vielmehr als-
letzte Rest des Verdachtes, daß die
Wirk-
So schwindet der bald zu betrachten haben, wie das kritisierende Urteil zu einer
Subjektivität der Empfindung gestützt, siqh
hchkeit, auf die andern Stufe im Stufengang der Forschung aufsteigt, indem
könnte. Wie sehr
selber nur als Subjektivität begründen die Festsetzung der Wirkhchkeit über die Größe hinaus er-
auch die Mannigfaltigkeit der
Empfindungsinhalte durch die
so strebt wird.
scheint,
entsprechenden Empfindungsorgane subjektiviert Um
jedoch den Vorwurf der Borniertheit auch von der
wird doch gerade diese Mannigfaltigkeit
zugleich
Bewegungen und gewöhnlichen Auffassung der Wirklichkeit, sofern sie sich auf i
durch Kontinuität der infinitesimalen
die die Größe bescheidet, abzuwehren, darf man anerkennen, daß
objektiviert. Wie die Gleichheit in die
ihrer Maßverhältnisse es als eine zureichende Befriedigung erscheinen kann, wenn der
Kontinuität zurückgeht, so geht auch
die Größe
auf, ledighch
Anspruch des Einzelnen zwar der Zahl allein entrückt, der
zurück in das Maß. Das Einzelne hört
fügt sich auch dem
vereinigten Mathematik dagegen lösbar werde. Hierauf
durch die Größe vertretbar zu werden; es dürfte sich die zuversichthche Sicherheit stützen, welche die
Leitbegriffe des Maßes ein Wirklichkeit sich zutraut. Sie beruft sich auf die Empfindung;
Beschleunigung^

, ,

So geht die Geschwindigkeit in die aber sie stützt sich auf die Mathematik in der Kategorie der
über, oder vielmehr zurück. Mit
dem neuen Maßverhältms
Größe und ihrer Vereinbarung mit der Kategorie des Maßes.
Bewegung und von Kraft auf; das
tritt eine neue Art von Das Problem der Größe an der Emp-
das Einzelne einer neuen Man-
55.
Einzelne wird findungselbst. So liegt denn in dem Urteil der Wirk-
nißfaltigkeit. So erschöpft sich, es muß so scheinen, lichkeit, wie sehr es sich auf die Empfindung bezieht, bei
Weit gefehlt, daß sie an dem Einzelnen der
Emp-
die Kritik.
Strecke, hängen bhebe, er-
Lichte besehen, eine Selbstbezeugung des reinen
findung, daß sie an der Größe, als
Denkens. Die Inhalte der Empfindung
streckt sie sich vielmehr auf das
ganze Gebiet der naiven
Gebote; und mit ihnen
werden mathematische Größen. Der Wert der
Kategorien; sie alle stellen sich ihr zu Kritik, welciie dieses Urteil vollzieht, ist nun aber unterwühlt
ihre Ansprüche, und sucht sie zu befriedigen.
allen erhebt sie
des Raumes
worden durcl-. die Unterscheidung, auf die wir schon mehrmals
in der Abstraktion
Der Außeninhalt bleibt nicht (vgl. ob. S. 477) gestoßen waren. Die extensive Größe wäre
stattet ihn aus.
hängen; die B e w eg u ng die Schwingung
,
kaum festgehalten worden,, wenn sie nicht von der intensiven
Die Begründung ^ ^^ ch v er ei ni gt e
54. Größe hätte unterschieden werden sollen Diese hatte freilich
Mathematik erhebt über diebloßeMoglich-
Intensive Größe Ihr Ersatz durch Acquivalent 493
492

tiefe sachliche Gründe; entsprang der Tendenz, für die


sie des Bewußtseins gedacht wi d, hat sie einen Anspruch zu ver-

Kraft-Relation eine Realität zugrunde zu legen.


Aber da sie genau genomrxcn, vielmehr ein solcher des reinen
treten, der,
durfte, so schien sie auch Und in dieser Bedeutung wird dieser Anspruch
in dieser Rücksicht gefordert werden •Denlce'ns ist.

fraglichere Beziehungen bequem. Die extensive Will man aber


für durch das Urteil der Wirklichkeit vertreten.
Größe blieb der äußeren Messung vorbehalten; die Emp- noch einen Schritt weiter gehen und die Empfindung
na c
somit
findungen aber wogen auf und ab, und stellen Art der Größe charakterisieren, so kann sie nur durch die

auch ihrerseits das Pr o b 1 e d m


er Gr ö ß e. So ist die
infinitesimale ReaUtät symbohsiert werden.
Der Gedanke da-
424 intensive Größe vornehmlich an der Empfindung, wenn gegen, aus dem UnendUchkleinen die
Empfindung entstehen
eintritt, macht
nicht entstanden, so doch befestigt worden. und anwachsen zu lassen, bis sie ins Bewußtsein
Es kann ja nicht in Abrede gestellt werden, daß die
e s- M sie zum Integral, und somit zu
einem EndUchen. So ist die
bildet. Nur
Psychophysik unausweichlich Materiaüsmus. F e c h n e r
Empfindungen eine natürhche Fragfe selbst
s u n g der
ist zu bedenken, daß diese Frage
von der P h y s i k und der durch seinen Theis-
hat dies zugestanden; er glaubte jedoch
Physiologie in mannigfachen Einzelfragen bearbeitet- mus den sonst unausweichhchen Materiahsmus zu
korri-
er
wird. Immer aber ist und bleibt es die Größe, wie sie a u ß gieren, ^ n
halb der spezifischen Empfindung Der Ersatz der intensiven Große
r^
bestimmbar
57
wird, auf welche man überall da rekurriert. Es verdient über- durch das Äquivalent. Die tiefere Bewegung der

haupt Beachtung, daß die Instrumente, mit


denen die auch einer
Wissenschaft steuert anderen Fragen, und dadurch
Empfindungen gemessen werden, stets vonderzuun
t er-
Lösung entgegen, welche jener falschen Wißbegier
endhch ^
suchenden spezifischen Empfindung e Ab- doch einmal den Frieden bringen muß. Die fundamentale Er-
stand nehmen. Die Empfindung der W ä r m wd rungenschaft des vergangenen Jahrhunderts schon
hat sich
die des T o n s An der Empfindung
reduziert auf die Ausdehnung des Quecksilbers; in der Wärmelehre vollzogen. U
auf die der Saite; die der Farbe
auf die des Lichtstrahls.
der Wärme hauptsächlich war die intensive
Größe, als der
Welche Veranlassung bUebe überhaupt, für die
Empfin- Grad, entstanden. Auch E. H. eWb e r war bei seinen
dung selbst die intensive Größe vorzubehalten, wenn grundlegenden Untersuchungen, welche die unschuldige
Ver-
diese nicht im Sinne der B e w u ß t h e i t zu einem Problem anlassung der Psychophysik geworden sind,
von der Tem-
gemacht würde, das wir als unmögUch erkannt haben.
Eine peratur-Empfindung ausgegangen. Wie man für die
Empfin-
verirrte Metaphysik es, welche der erfand, so
ist dung der Wärme eine besondere Art von Größe
wollte dem Stoffe
Psychophysik zugrunde liegt. ManBewußt- hatte man die Wärme selbst in einem besonderen
angeblichen Gegensatz von Materie und supponiert. Zwar hatte man immer schon an
diesem beson-
sein man glaubte durch die Bewußtheit den
entrinnen; deren Wärmestoffe gezweifelt, und die Wärme
wird schon
Boden der Materie abzugraben; aber man hat vielmehr
da-
bei B a c n ja in
,
der Scholastik als B e wegung
durch das Bewußtsein in die Materie nivelliert.
gedacht Wie nun die neuere Wissenschaft das Grundgesetz
56. Der falsche Begriff der
intensiven dieses Gedankens
der Energie auf die Durchführung
Größe. Diese ganze Verirrung entspringt aus dem fal- Wohl aber können
gründete, das bleibe hier außer Betracht.
schen Begriffe der intensiven Größe.geben; Es Wä r m
e -Ä q u i v a l e n t die Be-
wir daraus, daß das
oibtkeineintensive Größe. Es darf keine stätiguna brachte, für unser Problem
Belehrung schöpfen.
Empfindung, eine Art des Bewußtseins Äquivalent ist die Größe. Die Größe
denn die als
sie als eine Art
Das
hat keine Art von Größe. Sofern Umkehrbarkeit der Wärme in mechamschc Be-
also hat- die
Spiritismuß 495
494 Orundgesetz der Energie

wegung bestätigt. Die intensive Größe ist be- Die Wirklichkeit in den Geisteswissenschaften.
seitigt durch das Äquivalent. 59. Der Spiritismus. Die Größe, als das Kri-
58. Das Grundgesetz der Energie. Die terium der Wirklichkeit, macht sich mit einer sehr
eingreifen-
Wärme bildet nicht nur als Empfindung, sondern überhaupt den Deutlichkeit für die Geisteswissenschaften
ein besonderes Problem. Sie ist aufgehoben und die allgemeine Kultur kenntUch. Wo die Empfindung
nicht in

in das allgemeine Problem der Bewegung oder der ihrer angeblichen Selbständigkeit als Kriterium der Wirklich-
Energie. Das ist die große methodische Bedeutung, welche keit gilt, da kann die Unterscheidung zwischen
N a t u r und
der Wärmelehre für die Durchführung des wissenschaftlichen Spuk ins Schwanken kommen.Dieses traurige Beispiel
Idealismus zuzuerkennen ist: daß sie die Krücke der stellt der Spiritismus
Anders,
dar. wenn auch nur
s

Empfindung zerbrochen; daß sie von dem Interesse an der die Raum-Konstruktion als Vorbedingung
zur Größe ge-
Empfindung, als dem untrüglichen und unmittelbaren Kri- Forderung mochte
fordert wird. Eine Ahnung von dieser
terium der Wirklichkeit, abgelenkt, und die fundamen- sich in dem Zusammenhange erkennen
lassen, den der Spiri-
talsteEmpfindung auf die allgemeine tismus in dem Schlupfwinkel der vierten
Dimension 1'

der Raum ist


!.

Bewegung reduziert hat. Und in dieser Reduktion mit dem Räume herzustellen sucht. Aber auch
ist das Grundgesetz erdacht worden, welches die alte
operiert. Die
§ nur eine der Bedingungen, mit denen die Größe
Große.
Substan zin die Energie verwandelt hat. Es ist aber Größe istweder intensive, noch auch nur extensive
zugleich auf Grund dieses neuen Gesetzes die gesamte Technik, 60. DieGeschichte mit der Chronologie.
also die eigentliche Forschung der Wirklichkeit auf das Für die Geisteswissenschaften bildet die Ethik das Ana-
Äquivalent, also auf die Größe hingelenkt worden. Aus den logon der L o g i k; als Analogen der Mathematik dürfte
eigentlichen Betrieben der Forschung ist mithin die intensive sein und als
für sie die J u r i s p r u d e n z zu bezeichnen
Größe gänzlich verschwunden. Das Äquivalent hat sie nicht Analogon der Physik etwa die G e s c h i c h t e. Sie ist auf
nur entwertet und erledigt, sondern als ein falsches dem ganzen sitthchen Gebiete die Forschung der Wirklich-
Ausnahmemaß beseitigt. keit. Und auch an sie tritt die Illusion der Empfindung
der Vor-
Das Äquivalent widerspricht der Ausnahme, welche für heran; allerdings unter der komphzierten Gestalt
in denen die V o r -
die Empfindung in der intensiven Größe statuiert wird. D i e stellung. Ihre Quellen sind die Schriften,
4m Wirklichkeit ist ein allgemeines Problem Stellungen der Schriftsteller verdichtet sind.
Anspruch
Sie

der Natur, weichest allgemeiner und genauer zu be- erheben den Anspruch der Wirküchkeit; und dieser
geprüft werden.
stimmen ist, als die Empfindung dies vermag. Die Allge- darf nicht überhört, aber er muß verhört und
meinheit der Größe drückt das Äquivalent aus. Alle Diszi- Das Analogon der Größe ist nun für den Historiker die
plinen der Mathematik und alle Methoden der physikalisch- Chronologie. Sie bildet die methodische Grundlage.
chemischen Forschung werden verbunden, um das Problem Und je genauer diese Kontrolle geübt und durchgeführt
Wirk-
der Wirklichkeit zu stellen und zu lösen. Die intensive Größe werden kann, desto zuverlässiger wird die erforschbare
der Geschichte zu einem
bildet einen Abweg; sie lenkt ab von der Größe, als dem lichkeit. So wird die Wirklichkeit
Äquivalent. So führt das Einzelne zum echten Allge- Analogon der Natur der mathematischen Naturwissenschaft.
meinen. Und hängt in der Chronologie die Ge-
so
437

schichte auch mit der Mathematik zu-


sammen.
Zeit und Raum in der Geschichte 497
496 Da8 und der Einzelne

und die der Handlung


feststellbar. Und auch hier gilt
Das oder-der Einzelne; das ethische
61. es,die Forderung des Einzelnen mit der peinlichsten Genauig-
Grundproblem. Aber auch mit ihrer, der Logik ent- keit durchzuführen. Nichts ist ohne Belang; nichts ist, wie
sprechenden, methodischen Grundlage, mit der Ethik, der falsche Ausdruck lautet, unwesenthch. Die Identität der
verbindet sich die Geschichte im Problem der Wirklichkeit. Person und ihrer Handlung bildet nicht eine Gewißheit, die
Die kritische Kategorie, welche die Wirklichkeit bedeutet, von vornherein feststände; das ist falsche Metaphysik. Sie
zeigt sich besonders scharf bei dieser Frage. Was ist Wirk- muß vielmehr als Voraussetzung
gelten, welche die
lichkeit? Von dieser Frage wird die Gewissenhaftigkeit des Wirklichkeit, welche das Einzelne an ihrem Teile zu be-
Historikers unaufhörlich gespornt. Das Einzelne tritt in stätigen haben.
seiner unerschöpflichen Bedeutung und Mannigfaltigkeit her- 64. Zeit und Raum
in der Geschichte. Da
vor. Die Frage: was ist Wirklichkeit? kann auch dahin mögen auch die Empfindungen
mithelfen, wie sie,
ausgedrückt werden: was ist das Einzelne? Und diese Frage unter Leitung des Zweckbegriffs, das Indivi-
enthüllt sich in ihrer ethischen Fundamentalität und Univer- duum finden lehren; immer aber muß gegen die Fehler-
salität in der Form: was ist der Einzelne? Jetzt springt das quellen der Empfindungen Vorsorge getroffen werden. Diese
4lt

etliische Grundproblem in der Alternative: das Einzelne oder Kontrolle hegt bei der Größe. Und während wir für die
das Milieu? unmittelbar hervor. Und so stellt es sich heraus, Naturwissenschaft die Größe vorzugsweise in der Verein-
daß nichts ohne Belang ist in dem Prozeß, den der Historiker barung von Raum und Zahl gedacht haben, bei welcher jedoch
bestcändig der Wirklichkeit zu machen hat. Und immer in der Zahl selbst die Zeit mitwirkt, so ist in allen Problemen
Chronologie das Grundmaß ab-
wieder muß die Größe der der Geschichte die Zeit das prävalierende Moment
für
geben, das nicht verfehlt und nicht verfälscht werden darf. die Größe. Das Individuum und seine Handlung fordert yor-
62. Das Z e u g n i s i m Recht. Auch die Rechts- nehmhch diese Bestimmung. Aber der Raum wird nicht
wissenschaft hat die Wirklichkeit zu ihrem eigent- etwa ausgeschaltet; er wird zum geographischen
lichen Problem. Alle Mittel des Denkens muß der Richter Fundament. Und so wird andrerseits auch bei der Natur-
abschätzen, um die Wirklichkeit festzustellen, und in ihr Wirklichkeit die Zeit in dem kinematischen Begriffe
der
das Recht zu finden. Auch hier meldet sich die Empfindung, Strecke wirksam erhalten.
wenngleich wiederum als Vorstellung, in dem Zeugen und Überall vollzieht sich das Urteil der Wirklichkeit in der
seinem Zeugnis. In dieser Richtung hängt das Recht Abschätzung aller disponibeln Kategorien. Die Empfindung
auch formal im letzten Grunde mit der Ethik zusammen: wird gehört; aber verhört; denn ihr Anspruch ist unzulänglich,
in der Voraussetzung der Wahrhaftigkeit und nicht ohne Täuschungen. Der Leitstern ist das Einzelne;
Menschen. Aber die Wirklichkeit muß doch
aber das Einzelne in seiner Mannigfaltigkeit. Daher bleibt
des sitthchen die
auch durch Indizien feststellbar werden. Hi<T wird der
methodische Kategorie der Größe der sichere und zugleich der
Richter zum Historiker; und die Chronologie wird wiederum allgemeine Maßstab.
das ausschlaggebende Kriterium.
G3. D e einzelne Person und die einzelne
i

Handlung. Vor allem aber läßt sich hier die Bedeutung Die Wirklichkeit in der Ästhetik.
des Einzelne n deutlich erkennen. Um den einzelnen
65. Die Natur unddas Ideal.
Auch in dieser
Fall handelt es sich, und um die einzelne Person. Alternative, welche den bekannten Streitpunkt aller
ästhe-
Objekt und Subjekt treten unter den Gesichtspunkt des tischen Reflexion bildet, bewährt sich die Wirklichkeit
als
Einzelnen. Nur so wird die Identität der Person Logik der reinen Erkcnntnü. II. Aufl.

Cohen,
Wirklichkeit und Anschauung in der Aesthetik Formprchlem 499
498

der Empfindung schieden, sondern der Zielpunkt des ästhetischen Bewußt-


Kategorie. Denn wenn die Wirklichkeit auf
als die Darstellung seins, der im reinen Gefühle hegt, wird dadurch verdrängt
beruhte, so würde das einzelne Kunstwerk,
mit dem einzelnen und verdunkelt, wenn nicht überhaupt aufgegeben.
eines einzelnen Objektes, schlechterdings
Naturgegenstand zusammenfallen, den sie alsdann
zum bloßen Ferner aber schrumpft, wenn die Anschauung in den
Abdruck brächte. Wenn dagegen das Kunstwerk nicht Mittelpunkt der ästhetischen Tätigkeit des Bewußtseins
sein, wenn es, als Dar- gerückt wird, die ganze große Komplikation der psychischen
schlechthin ein solcher Naturabdruck
einer Natureinzelheit, nichtsdestoweniger
zugleich Prozesse zusammen, welche, elementar, wie in den feinsten
stellung
eine ideahsche Darstellung dieser, mithin die Darstellung eines und mächtigsten Verbindungen, die Voraussetzungen des
die in dem Kunst- ästhetischen Gefühls Man braucht nur an das
bilden.
Ideals sein soll, so kann die WirkUchkeit,
Empfindung rmproblem denken, wie es Adolf Hilde-
zu
werk zur Darstellung kommt, nicht ledighch in der F'o
des Künstlers ihren Grund haben. Denn diese konnte ja nur brand mit philosophischer Eigenkraft entfaltet hat, um
Empfindung von dem Naturgegenstand, nicht aber zugleich sogleich zu erkennen, daß die Anschauung da nicht zulänglich
die
sein kann, wo funktionale Beziehungen für die bloßen Raum-
von der IdeaUsierung desselben sein. ^ ^ und ^
Wenngleich nun aber die Empfindung als Grund vorstellungen in Anspruch genommen werden.
,

Bürgschaft der Wirklichkeit abgelehnt werden muß, so bleibt Wenn es nun aber nicht erst gesagt zu werden braucht,
Kraft, den allgemein daß solche komplizierte Tätigkeitsformen des ästhetischen
doch der Anspruch auf Wirklichkeit in
Dieser Anspruch wird durch die Bewußtseins von dem plastischen Künstler nicht ins Feld
die Empfindung anmeldet.
als durch die geführt werden können, um die Anschaulichkeit des Kunst-
Idealisierung energischer, intensiver befriedigt
welche an Zauberkraft der Illusion weit werkes herabzusetzen; wenn vielmehr aus allen diesen Er-
platte Empfindung,
zurücksteht gegen die Schöpferkraft der Kunst.
Sie bietet wägungen zwingend hervorgeht, daß diese Anschaulichkeit
deren Erfassung keine isoherte Empfindung in ihrer Evidenz, Unmittelbarkeit und Einheithchkeit durch
Wirklichkeit, zu
aller Empfindungs- alle jene geistigen Vermittlungen nur erhöht werden soll,
zureicht, und auch nicht die KompUkation
freilich auf jenes Ziel der Wirklichkeit hin- so wird auch durch diese grundlegende Diskussion der neueren
weisen, die selbst
Naturdarstellung Kunstwissenschaft die logische Tendenz bestätigt, welche hier
steuern, welches allein von der idealisierenden
gegen die Anschauung gerichtet wird. Das ganze Form-
piTPipht wird
Hier ist nun auch der Ort, problem konzentriert sich in dem Problem der Wirklichkeit,
66. D i e A n s c h a u u n g.
offenbar beflissen der idealen WirkUchkeit, welche allein die Wirkhchkeit der
der Anschauung zu gedenken, der wir
waren, den Wirkungsboden zu entziehen. Es war nicht nur Kunst ist.

reine Anschauung zu Und diese ideale Wirkhchkeit steht bekannthch um


der Widerspruch, den wir gegen Kants
Denkens nichts der Naturwirklichkeit nach. Trotzdem aber über-
erheben hatten, um unserem Begriffe des reinen
Spielraum zu erobern, der uns zur steigt nach dieser Theorie das Bewußtsein die Krücken der
seinen uneingeschränkten
Anschauung bewog: schon hier zeigt sich Empfindung; geht dennoch aber nicht etwa auf Stelzen,
AusschUeßung der
ästhetische Problem sondern es vertraut sich den Flügeln an, nicht denen der
ein neuer Grund zu dieser Abweisung. Das
über Ideal Phantasie, der Einbildungskraft, wie man sonst sagte,
wird überhaupt, auch abgesehen von der Kreuzfrage
Losungsworte der Anschauung desorientiert. sondern denen des Denkens der Naturformen und der
und Natur, von dem sitthchen Formen. Sie alle gehören zum Form-
die Anschauung
Erstlich wird der Schein erregt, als ob es auf
müßte; und pro b 1 e m. Und indem die ästhetische Tätigkeit, welche
ankäme, so daß es bei ihr sein Bewenden haben
ausge- diese Vorarbeit voraussetzt, in der Erzeugung des reinen
damit wird nicht bloß die Mitwirkung des Denkens SS*
Ungeachriehene Gesetze 501

Intuition
500
Anschauung. Und auch aus diesem über die Ästhetik
so ist
dieser Voll- weit hinaus greifenden Gesichtspunkte das Verfahren gerecht-
Gefühls zur Vollendung kommt, sind in
ästhetischen fertigt, keine Art der Wirklichkeit und
keine mit der Wirk-
endung alle die minutiösen Vorarbeiten des
Manmg- zusammenhängende Wahrheit auf die Anschauung
Bewußtseins, die sich in eine schier unübersehbare hchkeit
faltigkeit spalten, dennoch zur Harmonie verschmolzen, zur zu gründen.
Einheit vereint. , . „^ \.^
keine Strahlen
Der Höhepunkt des reinen Gefühls kennt Drittes Urteil: Das Urteil der Notwendigkeit.
Also kann er nicht nur
mehr, sondern nur ein Licht.
keine isolierten Empfindungen
mehr anerkennen, sondern 1 Die ungeschriebenen Gesetze. Vor
Notwendigkeit
welche die Anschauung dar- allem entsteht die Frage, was uns jetzt noch die
auch diejenige Einheit nicht, wir in allen Kategorien reine Erkennt-
bieten kann. Denn sie unterstützt gerade den falschen bedeuten könne; da ja
bestimmt haben. Die
als solche, auf nisse und notwendige Voraussetzungen
Gedanken, als ob die ästhetische Tätigkeit, die Vor-
auf Unmittelbarkeil, Notwendigkeit war demnach, so muß es scheinen,
Einheitlichkeit beruhte, und, daher auch Urteils hindurchging;
von Mitteln welche durch alle Arten des
während die ästhetische Einheit die Mitwirkung aussetzung,
von Anfang
voraussetzt, die durchaus außerhalb der Anschauungssphare wie sie ja auch das Motiv der reinen Erkenntnis
Denn Richtung geht das a p r i o r i , welches
Motive. Die einheitliche Evidenz, an ist. in ihrer
liegen, wie die sittlichen
vor der Entdeckung der Idee ein Leitgedanke
ge-
vertreten gewinnen wir vielmehr schon
welche die Anschauung soll,
„ungeschriebenen Ge-
selbständigen Eigenart des reinen Gefühls, welches wesen war; wie es in den
aus der
zur Voraussetzung setzen** sich zeigt. Diese werden als Natur von der
und sofern es jene komplizierte Vorarbeit Meinung und der Konvention
sich weder mit dem Ziel- Sitte und der
hat. Die Anschauung dagegen deckt Ungewordene, Ewige gegenüber dem
auf, die zu ihr unterschieden; als das
punkt, noch deckt sie die Vorbedingungen Indem die S o p h i s t en diese
müssen. Vergänglichen, Relativen.
selbst erst hinführen ,- ^ ,- »• sich ihre
Natur in Vernunft und Recht bestreiten, richtet
• .
hat idealisti-
67 D i e I n t u i t i o a. Die Anschauung der Notwendigkeit. Und die Not-
wirksamste Motiv in Skepsis gegen den Begriff
schen Ursprung: sie ist vielleicht das ehe sie Begriff
als ob es eine bessere wendigkeit beherrschte Geist und Gemüt,
Piatons Idee. So könnte es scheinen, als eine kos-
weiß ja aber wurde, in den Grundlagen des Mythos. Sie ist,
Empfehlung für sie nicht geben könnte. Man eine Voraussetzung für die
Idee kein Einverständms bis jetzt mogonische Potenz, gleichsam
daß über den Sinn der
Götterwelt selbst; analog dem Schicksal {Avdyxn =
slfxaQftiytj).
erzielt ist. Und so ist es nur zu sehr begreiflich, daß dieses der Tragödie. Nirgends
zweideutige Element im Begriffe der Idee
zum Grundmotiy 2 Der Ursprung 429

dessen Falschheit sich vielleicht sieht man deutücher den


Zusammenhang zwischen
eines falschen Idealismus geworden ist,
gegen den Rationalismus Philosophie und Poesie, wie hier. Es dürfte nicht zu viel
durch seine Feindschaft
hinlänglich
logisch be- gesagt sein, wenn wir den U r s p r u n g der Tragödie
bezeugt. Der Idealismus ist der wissenschaftliche, Die Notwendigkeit soll nicht
Wenn dagegen die Intuition nicht in diesem Begriffe erkennen.
'

gründete Rationalismus
mehr schlechthin das unergründliche Schicksal
bedeuten,
identisch ist mit dem
das reine Schauen, welches durchaus —
denn Heroen vorzugsweise sind
wenn die Intuition sich über dem Götter, wie Heroen
reinen Denken, betätigen soll,
wissenschaftliche Denken versteigen und es entkräften doch ihre Menschen —
unterworfen sind; sondern sie soll
das Handlungen dieser Heroen zur Ent-
dann sich in dieser Intuition, in den Gesinnungen und
und verdächtig machen soll, zeigt
und Auslegung kommen. Daher müssen
steht zur Wahr- faltung, Enthüllung
welche in unausgleichbarem Widerspruch
der Idee, die Zweideutigkeit des Momentes der
haftigkeit vi

^i
'i

Formale Logik 503


502 Notwendigkeit hei Demokrit

die Menschen der Tragödie Heroen sein, große, idealische sein, den Schleier tunlichst zu lüften,
den Bann zu lösen; und
Menschen, welche fähig sind, die Notwendigkeit zu expli- den die Notwendigkeit überden Begriff breitete. Darum
zieren. Jetzt erst kamen die P h i 1 o s o p h e n. mußte der Begriff Idee werden. Der Zwang
3. Demokrits Verbindu ng VC n Notwen- und die Not sollten von ihm abgewendet werden; in den Be-
digkeit und Logos. Wiederum führt Demokrit dürfnissen des wissenschaftlichen Denkens sollte sein Ursprung
den Reigen, wo es sich um die Schleichwege, um die großen zur Enthüllung kommen: als eine Schau, die der Geist in
Wagnisse des Denkens handelt. Er verbindet die Notwendig- seinen eigenen Tiefen über seine eigenen innersten Mächte
keit mit dem Logos (Xorog xe xal avdrxri). Jetzt ist- es mit anstellt.
als ob
Es kann der Argwohn der Selbstkritik entstehen,
der Mythologie zu Ende; fast könnte es scheinen, auch mit der
Poesie. Denn jetzt wird dem Zufall der Krieg erklärt. Und der die Grundlegung, die Hypothesis,gegen das dunkle
Zufall bildet doch nicht nur einen brutalen Widerspruch gegen Fundament der Notwendigkeit gerichtet wäre. Das Motiv
den Logos; sondern er ist auch, wie das Glück (xxxn) ei^ des a priori taucht dagegen auf; der Geist geht in sich
Dämon, der, wie mit eigener Vernunft in die Geschicke der selbst zurück; erkennt in sich selbst alle zuständige
Menschen und in den Zusammenhang der Dinge einzugreifen Notwendigkeit; und anerkennt keine jenseitige. So entsteht
und sich einzuschmeicheln pflegt; er gilt dem Dichter nicht als allerdings im I d e a 1 i s m u s der in allen seinen wahr-
,

Willkür. Bei Demokrit aber findet er keine Gnade: „Dife haftigen Versuchen Platonischer Abkunft ist, die Frage, mit
Menschen haben das Schattenbild der Tyche erdichtet als der wir begonnen haben: was kann die Notwendigkeit, als
Vorwand der eigenen Ratlosgkeit." {av^QO)i:oit{>xn^f^^(^^oveT:kd<ravTo eine besondere Art des Urteils, noch zu bedeuten haben?
aßovXlfn)
,:Q6if,amv lölng Man sieht, der Zufall wird hier nicht 5. Die formale Logik des Aristoteles.
bloß als asylum ignorantiae verpönt; nicht nur im logischen, Man kann aber hier besonders deutlich erkennen, welche
sondern auch im ethischen Sinne. Die Ratlosigkeit wird in Rolle dem Aristoteles zufiel im selbständigen Aufbau
ihm getroffen; der Widerspruch, den er gegen die Ver- der Philosophie. Und eine allgemeine Frage, die am Anfang
antwortlichkeit des Willens bildet. Mit der schon uns entgegentrat, fordert hier nun eingehende Erörte-
tiefsten Richtung der Äschyleischen Tragödie ist der
Ein- rung. Wir haben versucht, die Logik, als die Logik der reinen
klang hier zu erkennen. Erkenntnis, aufzubauen; wir waren von der Ansicht aus-
4. In der Idee tritt die Notwendigkeit gegangen, daß alle Logik, so alt ihre Geschichte ist, in der
zurück. Vorwiegend aber ist die Richtung auf das wissen- Tendenz der reinen Erkenntnis sich vollzogen habe. Dagegen
schaftliche Denken. Die Notwendigkeit wird zur Notwendig- sträubt sich aber im vorigen Jahrhundert, nicht eigentlich
keit des Logos. Was sonst so benannt wurde, war Mythos; früher, die sogenannte Logik. Wir bekämpfen
formale
jetzt wird die Vernunft durch sie gebunden. Bei P 1 a t o n nicht nur ihr sachliches Recht; wir bestreiten auch ihre reale
tritt scheinbar der Gedanke der Notwendigkeit zurück;
es Existenz; auf Aristoteles darf sie sich nicht berufen. Wo
läßt sich das wohl verstehen, insoweit es überhaupt genau aber Irrtümer in Standpunkten sich geltend machen, die in
Den Zwang, der auch in der Schöpfung des Genies achtbarer Arbeit zur Ausführung kommen, da verlohnt es
};

zutrifft.
4S0 zu herrschen scheint, hatte Sokrates in seinem Eidos- sich, da ist es erforderlich, dem Grund des Irrtums nach-
Begriff auch ohne das Daimonion genugsam dargetan; allen- zugehen.
falls brauchte Piaton es nicht zu verschmähen, im Sittlichen 6. Stilunterschied zwischen Piaton und
die Pflicht als das Bindende (siov) zu deuten. Aber für das Aristoteles. Die Gestalt, welche das philosophierende
wissenschaftliche Denken mußte er vielmehr darauf bedacht Denken bei Aristoteles annahm, enthält Züge und Seiten,
a priori und transzendental 505
504 SHlurUerschied zwischen Pl^ton und Aristoteles

Man weiß. wendigkeit wird von den Gründen und den


welche jene Ansicht zu rechtfertigen scheinen. Anfängen abgelenkt; aber auf die Folgen
m wie schon Z e n o die Sätze des Parmenides
als
zugespitzt.
Thesen gedacht hat, für welche er B e w e i imPlural.
s e aufstellte.
Das „unbeschränkt Allgemeine und
.

Diesen Beweisen gab er den Titel des Logos


7.
kommen wir von
das streng Notwendig e". Und so
Pia ton hat in seinem Parmenides diese Argumentation hier aus nicht nur zu einem Verständnis für die Tendenz,
im großen aufgeführt; und im Grunde entspricht auch
welche die formale Logik verfolgt, und von
Stile der sie
Hypothesis dieser Struktur: sie wird
logischen auf die Frage,
geleitet wird sondern vor allem zu einer Antwort
die
sich ergeben, ;

daraufhin angenommen, daß Folgerungen aus ihr Die Notwendigkeit, die uns 432
die sich uns hier entgegenwirft.
so daß die Übereinstimmung im Sinne der analytischen war die Platonische; sie war die Not-
ganze bisher beschäftigt hat,
Methode die Kontrolle bildet. Auch ist ja wohl die wendigkeit des a priori; die der reinen Erkenntms.
Als
Schema disponiert. Aristo-
Rhetorik nach einem solchen
Kant das a priori aufnahm, gefiel ihm die Definition, welche
die Technik des
teles war also gewiß nicht der Erste, der Lambert davon gab, und er nahm
noch auch sein Korrespondent
Denkens in seinem eigenen Stil energisch ausübte; sie an: es sei das „unbeschränkt Allgemeine
und das streng
der sie sich zum Problem macht. Dennoch hegen
der Erste, Erstens also genügte die Notwendigkeit
Unterschiede im Stil des
hier die eigentlichen
Notwendige".
Dann
nicht; die Allgemeinheit wurde ihr vorgespannt.
Aristoteles von demienigen Piatons. Unbeschrankt-
poetischen aber wurde die AUgemeinheit noch durch die
Piaton schreibt keineswegs mit Vorliebe in die Regel be-
steinig werden. heit gesteigert; als ob hier nicht die Ausnahme
Bildern; sondern er kann sehr hart und sehr dürfte. Ferner aber genügte die Notwendigkeit mcht;
etwa so spröde und so stätigen
Und Aristoteles schreibt gar nicht
könnte, wie Cicero sie wurde zur Strenge.
nüchtern, daß man nicht mehr begreifen priori und transzendental. Man
nachrühmen konnte. 8. a
poetischen Schwung und Fluß ihm a r e et d i s t i n c t e
muß bei alledem an D e s c a r t e c
Der eigentliche Unterschied im Stil Beider
s' 1

denken, welches auch in seiner formellen Blässe zu


einer all-
Not-
läßt sich in der Richtung auf die gemeinen Regel wenig eignet. Daher mußte Kant diesen
sich
wendigkeit genauer beleuchten.
Zusammenhang seines a priori mit der Notwendigkeit
Interesse an
Bei Piaton konzentriert sich förmUch das begründen
Denken; auf die abschütteln, wenn er die reine Erkenntnis in ihm
der Notwendigkeit auf die A n f ä n g e im das a priori selbst,
wollte; und so ist es gekommen, daß er
Grundlegung. Bei Aristoteles erstreckt es sich auf
den F o r t -
man möchte sagen, fallen ließ, indem er durch die neue Prägung
Dieses
ßang; auf die Entwickelung; auf das Ergebnis. Transzendental
das für den Aus- des alten, verhängnisvollen Wortes
Interesse erfüllt ihn so schwer, daß darüber Diese Notwendigkeit war
Auseinander- es ergänzte, berichtigte, ersetzte.
gang zu kurz kommt. Es fehlen wahrlich die bisher nicht sowohl unser Problem, als unser
Leitstern. Jetzt
in den zweiten
Setzungen über die Hypothesis und das Axiom welchem Aristo-
auch Bezug aber regt sich ein neues Interesse; dasjenige,
Analytiken nicht; und P r o k 1 u s konnte darauf teles Autorität und Typus verliehen und gesichert hat.
Philosophie der Mathematik
nehmen, während er sonst seine Wir stehen ja in den kritischen Urteilen; es könnte daher
durchaus im Geiste Piatons entwirft. Aber die Tiefe der neuen Sinne der
unsere Frage nach dem jetzt noch möghchen
idealistischen Begründung, durch welche die Hypothesis das Notwendig-
Schoplung Notwendigkeit nur bedeuten, ob die Kritik auf die
unersetzliche Argumentaller wissenschafthchen durch die Möglichkeit
allen seinen schärfsten keit noch sich richten könnte; oder ob sie
geworden und gebheben ist, sie ist in Be-
Die Not- und die Wirklichkeit bereits erschöpft sei. Die kritische
Auseinandersetzungen nicht ausgegraben.

tu

i
«iMHaa
An sich. Modus 507
506 Allgemeiner Fall

11. Die differentia specifica von Notwendigkeit


sinnung über den Wert der Kategorien und die Abschätzung
und Wirklichkeit. Es trat uns dann wieder bei dem
dieser Werte gegeneinander müßte aber dennoch wenig
Begriff entgegen, als die Gattung. Aber dieses All-
gründlich scheinen, wenn sie vor der Notwendigkeit Halt
Und zudem bedeuten die kritischen Urteile die
gemeine der Gattung hat keine eigene Wirklich-
machte. keit, die vielmehr nur in den Individuen liegt. Jetzt dagegen
Kreuzwege der Forschung; sollte denn aber die Not- ist das Allgemeine mit dem Einzelnen verknüpft und ver-
wendigkeit in dem Werdegang der Forschung nach allen ihren
körpert; worin besteht bei diesem innerlichen Zusammenhange
Seiten nicht eine entscheidungsvoile Station, eine aufschluß- dennoch der Fortschritt ? Das ist die Frage nach dem
reiche Stufe bilden? So kommen wir auf den neuen Sinn der
Notwendigkeit im Unterschiede von aller bisherigen Be-
Zusammenhang und dem Unterschied von
Wirklichkeit und Notwendigkeit. Das Ein-
deutung der Sache. zelne bildet den Ausgang für die Notwendigkeit; der allgemeine
9. Das Einzelne in seiner Mannigfaltig-
Fall ist eine Fortentwickelung des Einzelfalles. Freilich stellt
keit. Die bisherigen Bedeutungen dürfen wir vorerst unter- das Einzelne selbst eine Notwendigkeit dar; aber jetzt gilt es
schiedslos zusammenfassen und der reinen Erkenntnis gleich-
eine neue.
Jetzt aber haben wir uns zunächst an die Wirk-
433 setzen.
12.Da sAn sich. Selbst bei Aristoteles läßt
lichkeit zu halten, von der aus die Notwendigkeit auf- es sich erkennen, daß das Allgemeine nicht nur die Zusammen-
steigt. Die Wirklichkeit kennzeichnet das E i n z e 1 n e. Soll fassung der Einzelnen sein soll. Außerdem, was von jedem
es etwa beim Einzelnen sein Bewenden haben in der Forschung? (xata navtog) gilt, begreift CS auch in sich das An sich
Wir haben schon beachtet, wie das Einzelne eine Zweideutig- (}ca9^ atTo). (Vgl. ob. S. 213.) Also die Auszählung des Ein-
keit in sich trägt, an der es zerschellen könnte: es ist das zelnen kann die Allgemeinheit nicht bewirken; geschweige, 434
Einzelne der Ma n ni gf a 1 1 i gk ei t. Wir konnten das
daß sie die Wirklichkeit zur Notwendigkeit steigern könnte.
Bedenken heben: das Einzelne wurde dadurch erst wahrhaft Es ist nur aber die Frage, ob das An sich jenes neue Recht
zur Wirklichkeit, daß die Größe mit der Kontinuität ver- enthalten kann.
einbart wurde, und so das Einzelne in seiner Wir wissen bereits, daß in diesem An sich die Zweideutig-
qualitativen Mannigfaltigkeit begründet keit des Aristotelischen Begriffs steckt, der, als schöpferischer
und beglaubigt werden konnte. Begriff, Substanz und Kausalität und Wirklichkeit und mehr
10. Der allgemeine Fall. Aber auch die Mannig- noch bedeutet; da wird es ihm nicht schwer, auch noch die
faltigkeit erschöpftnoch nicht die Bedeutung, welche dem Notwendigkeit auf sich zu nehmen. Das An sich also bietet
Einzelnen zusteht. Wenn wir das Einzelne, wie wir es pflegen, keine sichere Auskunft; es ist überall bei günstigster Auf-
nicht nur als das Exemplar seiner Gattung, sondern auch als fassung nur Fragezeichen; nicht aber Antwort. Wir müssen
den Fall seines Gesetzes bezeichnen, so tritt uns diese andere daher weiter überlegen, wie und woher der allgemeine
Bedeutung des Einzelnen sogleich entgegen: der all- Fall sich gewinnen laß; zuvor jedoch werde nochmals auf
gemeine Fall. Wiederum ist es der Begriff der All- das Einzelne die Betrachtung zurückgelenkt.
gemeinheit, der uns hier entgegentritt; wir haben uns 13. Der Modus bei Spinoza. Es ist eine der
seiner schon öfter zu erwehren gehabt. Zuerst hatten wir die tiefsten Zweideutigkeiten im System Spinozas, daß das
Allheit an seine Stelle gesetzt; aber auch da erhebt sich Einzelne bei ihm im Lichte der Notwendigkeit steht; und
das allgemeine Glied. Indessen sind die Glieder vielleicht beruht darauf zumeist sein geschichtlicher Einfluß.
der e i h e nicht zu verwechseln mit dem Einzelnen, welches
R Der Begriff des Modus, der bei ihm eine zweideutige Präg-
hier zum allgemeinen Fall erhoben werden soll.

'

Ijl
«^

508 Naturgesetze und reine ErkenrUniase Notwendigkeit in der Mathematik 509

nanz erlangt hat, trägt diesen doppelten Charakter. Der Auf diese Frage erteilt die Spinozische Terminologie die
Modus ist zunächst res particularis und dies ist gefährlicher-
;
zwiespältige Antwort, die schon durch sein quatenus
weise gleichbedeutend mit res singularis; also es ist
das bloßgestellt wird: insoweit der Modus sub specie
Einzelne. Aber der Modus drückt zugleich eingeschränkt er- aeternitatis betrachtet wird. Werden denn aber
weise die Substanz aus. Die Substanz ist die göttliche Natur, nicht unter diesem Lichte die Mängel erkennbar, welche
die nach ihren Gesetzen der ewigen Notwendigkeit
handelt. dem Einzelnen anhaften? Und dennoch bleibt es das
be- denn aber etwa die Notwendigkeit
Insofern daher der einzelne Modus sub specie aeternitatis Notwendige? Hat
trachtet wird, ist seine Existenz durch die Gesetze der Natur eine zwiefache Bedeutung; eine für die Substanz, und eine
bestimmt;also ist das Einzelne in seiner andere für den Modus? Es gibt keinen Ausweg aus dieser
Wirklichkeit zugleich das Notwendige. Sackgasse.
14. Die Naturgesetze und die reinen 15. Das Einzelne und die Notwendig-
Erkenntnisse. von jeher als der Triumph
Dieser Satz gilt keit in der Mathematik. Der Pantheismus
strengen, konsequenten Denkens; und doch hätte schon die ist in gleicher Weise für die Naturwissenschaften, wie für
ethische Konsequenz davor abschrecken sollen. Ist etwa die Ethik ein Hemmschuh der Forschung. Und nicht einmal
die
Konsequenz richtig, die Hegel daraus gezogen hat, daß die formalistische Überspannung der mathematischen Ten-
das Wirkliche das Vernünftige, also das Notwendige sei? denz kann Spinoza retten ; denn auch die Mathematik
die göttliche Notwendigkeit nicht einmal für
das Unterscheidung zwischen dem
Einzelnen
Und wenn sanktioniert die
sittliche Gebiet gilt, spricht nicht das allein schon gegen ihre
und dem Notwendigen; obwohl das Wirkliche
sie

Gültigkeit für die Natur ? Es ist auch hier nur Verwechse- nicht kennt; und obwohl daher das Einzelne bei ihr mehr
lung der Notwendigkeit mit den reinen als in der Physik mit dem Notwendigen sich zu decken scheinen
Erkenntnissen, was ihre Gl ei c h s e t z u n g könnte. Man müßte die mannigfachen Arten übersehen
mit der Wirklichkeit verschuldet hat. dürfen, in welchen der Zusammenhang der mathematischen
Welches sind denn die leges naturae, die der Modus auf Einsichten sich knüpft; wie die Definitionen von den
seine

Weise exprimiert? Auf sie gerade kommt es an, wenn aus dem A X i o n e n schon sich unterscheiden, und wie die De-
435 Einzelfalle der allgemeine Fall sich erheben darf. Bei
Spinoza monstrationen mannigfach geführt werden; wenn man
sind sie nur ein anderer Ausdruck für die Substanz
selbst
der Notwendigkeit eine eigene Bedeutung absprechen dürfte.
gemäß einem ihrer Attribute. Spinoza macht ja in seinen eigenen Grundlagen solche Unter-
Wir werden also in die Unbestimmtheit der absoluten schiede; und er spricht ja daraufhin seinem System die Wahr-
Substanz zurückgetrieben, sofern die Gesetze der Natur heit zu. Braucht etwa nur der Philosoph die Notwendigkeit,
durch den Modus ausgedrückt werden; nicht aber der
Modus die jedoch in der göttlichen Substanz gleich der Wirklichkeit
durch die Gesetze der Natur bestimmt wird. Jene
leges ist? Dann wäre der Pantheismus nur ein Ontologis-
enthalten nicht einmal diejenige Bestimmtheit, in der umgekehrten Richtung; aber dieser Umkehrung
4S6
naturae
konnte
mus
welche in den reinen Erkenntnissen entfaltet werden läßt sich nicht die günstige Interpretation abgewinnen, die
anklingende
sie sind nur der an das moderne Bewusstsein wir dem ontologischen Argument zuwenden konnten (vgl.
Natur, Forschung
Ausdruck für die absolute Substanz der göttlichen ob. S. 475). Die stellt die Frage der Not-
den
welche der einzelne Modus an seinem Teile darzustellen, wendigkeit; daher muß die Logik ihre Eigenart beleuchten;
Beruf und Wert haben soll. Darf aber dieser Wert des Teils sie darf sie nicht in der absoluten Substanz aufgehen, noch
für das Ganze zugestanden werden? in die Wirklichkeit untergehen lassen.

[]' f
Induktion 511
510 Versuch. WtederTiolbarkeit

Forschung im Versuche. WirkUchkeit. Die Forschung dagegen kann bei dieser Ein-
16. Die Das
Interesse der 'Forschung hat insbesondere bei diesen Arten
seitigkeit nicht verharren; sie geht nicht an ihr vorbei; und
sie stößt sie nicht etwa um; aber sie erweitert sie. Das
des Urteils die Leitung. Von der Hypothese waren wir zur
andere, welches sie in dem allgemeinen Falle anstrebt, ist
Wirklichkeit fortgeschritten; aber auch diese ist nicht die
letzte Station. Man könnte vielmehr an der Bedeutung des und bleibt ein Einzelnes; aber es bleibt nicht nur dieses,
Einzelnen irre werden; so energisch drängt die Forschung sondern es wird mehr. Welche logischen Mittel vollziehen
sich nun in dem technischen Mittel der Wiederholbarkeit?
auf den allgemeinen Fall hin. Wie will man ihn ge-
18. Die Induktion. Indem Aristoteles die
winnen? Das Einzelne behauptet seine Wirklichkeit dem
Anschein nach unabhängig von der Forschung; darauf beruht
Entdeckung des Begriffs dem Sokrates zuschreibt, ver-
Empfindung. bindet er damit noch den Dank für eine andere Entdeckung:
der zweideutige Zusammenhang mit der
die der Induktion. Er hat wohl zeigen wollen, daß
Der allgemeine Fall dagegen kann nicht existieren; so wenig
als die Gattung; als das Allgemeine überhaupt. Hier also Begriff und Induktion zusammengehen. So nimmt denn
tritt recht eigentlich die Forschung in ihrer Eigenart auf;
auch die Induktion an der Zweideutigkeit des Begriffs ihren
vollen Anteil. Alle Unklarheit, die sich der reinen Erkenntnis
der allgemeine Fall muß ein Erzeugnis der wissenschaftlichen
Arbeit werden. Der Versuch
tritt in seine Rechte. von jeher widersetzt hat, hat sich unter dieser Fahne gesammelt.
17. Die Wiederholbarkeit. Dem Einzelnen Bei Sokrates freilich bedeutete die Induktion vornehmlich
Beobachtung; hat es mit allen die Hinführung {iicaywrn) auf dasjenige Allgemeine, welches
gegenüber gilt die sie
Mitteln und unter allen Kautelen als solches festgestellt. der Begriff und in diesem der Zweck darstellt. Der
Der Versuch dagegen wagt Änderungen an dem ge- Zweck ist die Quintessenz in der Metaphysik des Aristoteles.
gebenen Einzelnen; er macht also ideale Gebilde, die er zu So konnte er die Induktion loben; galt sie ihm doch nur
als die Vorbereitung seines Begriffs und seines Zwecks. In
keinem anderen Behufe entwirft, als um die Notwendigkeit,
die das Einzelne, als solches, nicht darzutun vermag, auf der Renaissance vergriff man sich mehrfach, wie wir
es schon sahen, bei den Schlag>Ä örtern ; so geschah es auch
seinem Wege zu ermitteln. Und der Entwurf, den der Ver-
such zustande bringt, muß vor allem gegen den Verdacht mit der Induktion.
des Einzelfalls geschützt werden: die Wiederholbar- Was haben die fundamentalen Versuche, die Galilei
keit bildet die Kontrolle. Der Einzelfall soll ersann, und für deren Deutung er neue Begriffe, neue Zahlen,
also nicht ein solcher bleiben; als solcher gehört er der Ver- neue Zeiten und neue Räume, und also neue Bewegungen
gangenheit, allenfalls der Gegenwart an; er soll gänzlich und neue Kräfte erdachte, was haben sie mit der Induktion
dem Gebiet entrückt werden, auf das die Empfindung gemein? Baco verwarf daher mit einem gewissen naiven
sich zu beziehen vermag; die Wiederholbarkeit bezieht ihn Rechte auch die Autorität Galileis, indem er sich zum Wort-
auf die Zukunft, und sucht ihn solchergestalt zu ver- führer der Induktion auf warf. Welche Unklarheit aber in
ewigen. dieser seiner sogenannten Theorie der Induktion nicht sowohl
Man sieht, die Wiederholbarkeit macht aus dem Ein- verborgen, als ganz offenbar ist, darüber sollte man nach-
zelnen nicht nur einen anderen Fall, sondern überhaupt gerade nicht mehr zu reden haben. Jedoch, es ist freilich
etwas anderes. Dieses andere ist der allgemeine Fall; er noch immer nicht Gemeingut der Bildung und des Unterrichts
widerspricht geradezu dem Interesse des Einzelnen. Dieses geworden, daß die Theorie der Naturwissenschaft vorzugs-
wird mit Verflüchtigung bedroht, wenn es aus seiner Iso- weise, neben der Logik, in der Mathematik ihre Grundlage hat.
437 lierung verrückt wird; auf diese Eindeutigkeit pocht die Man würde daher, wie man in der Geschichte mit dem Ende
Itl

Folgen Und Folgern Induktion, Deduktion, Kausalität 513


512

anfängt, wenn man mit der Neuzeit beginnt, so auch die dividuums festgehalten bleiben muß; es darf nicht unter-

realistische Bildung beim Schwänze anfassen, wenn man mit gehen unter den allgemeinen Fall der Bewegungsgesetze.
Das Einzelne, als das Individuum, ist dem gegenüber selbst
der Induktion anfangen dürfte.
Die Induktion, welche das Einzelne zusammensucht, um
488
ein Allgemeines. Es ist und bleibt der allgemeine Fall der
impo- biologischen Forschung: dessen Notwendigkeit daher nur von
an und in diesem Einzelnen, wenn es nur in recht
erlangen, spottet dem jetzigen Standorte aus ins Licht tritt.
nierender Anzahl auftritt, das Allgemeine zu
ihrer selbst, und weiß nicht wie. Man möchte darüber zu 21. Induktion und Deduktion. W^enn da-
verzweifelt ist gegen hier der Gedanke auftauchen konnte, daß die Induk-
einem Realisten der Universalien werden; so
Standpunkt der Induktion macht doch tion ihrerseits die Deduktion einschließe, so steckt darin
diese Position. Der
nicht genüge mehr als etwa ein Wortstreit um die Standpunkte und ihre 439
das tatsächliche Zugeständnis, daß das Einzelne
Opportunität. Möchte immerhin die Induktion die Deduk-
darum das Allgemeine als Aufgabe hin. Und nun
stellt er
Einzelnen selber dennoch tion aufsaugen können; wenn nur die letztere dabei nicht
soll nichtsdestoweniger in dem
sein; als ob die ihre Säfte einbüßen muß. Darum und um nichts Geringeres
das Allgemeine zu suchen und zu ermitteln
könnte. handelt es sich bei diesem Streite; die Verwirrung, welche
Menge es bringen
19. Folgen (sequi) und Folgern. Wider- die Induktion betrifft, geht zugleich die Deduktion an.

spruchsvoll, wie die Losungsworte sind, welche die ober- Beide Methoden gehören zusammen. Die
verbindet Induktion wird an der falschen Stelle angeknüpft, wenn sie
flächlichen Schichten der Bildung durchfliegen,
mit diesem unklaren Worte der Induktion zugleich die mit dem Begriffe verbunden wird. Die Induk-
sich
Ansicht, daß die absolute Notwendigkeit Spinozas
den tion gehört zur Deduktion. Wohin aber gehört
diese ?
Standpunkt der Wirklichkeit verträte; während allerdings
Spinoza das sequi ex naturae legibus
fordert. 22. Deduktion und
Kausalität. Diese
mit Frage glaubt^ man nicht stellen zu müssen; man hält es für
Das Folgen ist doch aber wohl nicht gleichbedeutend
Oder sollte etwa in der Tat d a s F o 1 g e n selbstverständlich, daß Deduktion die aus Ableitung
der Induktion.
gleich Folgern sein, uno so die Induk-
dem obersten Annahmen bedeute. Auf dieser Ansicht
Dann wäre ja aber die In- von der Deduktion beruht der Streit um die Induktion;
tion das Folgern einschließen?
zugleich aber auch die Unklarheit über die eigentümliche
duktion zugleich Deduktion?
20. Der Organismus. Wir stehen hier vor dem Bedeutung und Leistung der Notwendigkeit. nun die Um
Erörterung der Notwendig- rechte Antwort auf die gewichtige Frag zu finden, gehen
wichtigsten Wendepunkte in der
keit. Schon bei dem Zweck waren wir auf eine ähnhche Unterscheidung
wir wiederum auf die ein, die

Kollision gestoßen (vgl. ob. S. 365, 368 f.). Wir


vermieden dort zwischen der Notwendigkeit und den rei-
gebrauchten dafür den der A npa ssu ng nen Erkenntnissen zu machen ist. Unter den
den Ausdruck; wir reinen Erkenntnissen ist es aber besonders eine, welche von
an die Funktion; aber es war doch im Grunde das Problem
der
Die Induktion war Anfang an die Rolle der Notwendigkeit übernommen hat,
Induktion, welches den Zweck aufstellte.
und dem so daß ein besonderes Urteil der Notwendigkeit dadurch
dort aber nur der Weg, auf den der Zweck hinwies,
und genaues Ziel vorzeichnete: er sollte den überflüssig schien ; es ist dies die Kausalität.
er sein deutliches
Organismus zur Anpassung bringen auf die Probleme
23. Connexion n6cessaire. Schon C u s a ge-
M
e c h a n i k. Wir wissen braucht den Ausdruck der notwendigen Verknüp-
und daher auf die Gesetze der fung; Descartes und L b n z halten ihn fest, und
aller dieser Anpassung das Problem
des In- e i i
aber, daß trotz Cohen, Logik II. Aofl.
aer rftincn ErkttimtnU!. SS
Verknüpfung der Funktion 515
514 Kausalität^ Funktion, Notwendigkeit

ihrer kritischen Selbstbesinnung angesehen werden können,


zentralen Ausdruck für das Problem
der
nehmen ihn als
reinen Erkenntnis. Das fundamentale Mittel aber, die o n- K so ist auch die Kausalität eine solche reine Voraussetzung
Wenn daher allerForschung. Aber da das Einzelne noch nicht in ihr zum
hexion zu bewirken, ist die Kausalität. Vorschein kommen kann, so kann auch die Notwendigkeit,
Notwendigkeit der Konnexion das Problem der reinen
die ,

welche einen Wendepunkt in der Entwicklung der Forschung


die Notwendigkeit bd und in
der
Erkenntnis ist, so liegt
richtigen Punkte
dem vom Einzelnen aus bildet, nicht in ihr hegen. Allenfalls kann
Kausalität. u H me greift daher an
der Kau- man sagen, daß sie insbesondere die Notwendigkeit antizipiere,
an, indem er die necessary i o n
c o n nex
daß man für weil sie vorzugsweise auf diesen Wendepunkt hinsteuert;
salität bestreitet. So mag es zu erklären sein,

die Notwendigkeit nichts mehr übrig hatte, da man sie der m und weil sie, als Funktion, die konstitutive Methode bildet.
und verbraucht hatte. Aber sonst kann es nicht schroff genug fixiert werden, daß
Kausalität bereits untergebracht
die Notwendigkeit von der Relation, von der Kausahtät ab-
24 Kausalität und Funktion. Indessen
zutrennen ist.
allgemeine Notwendig-
liegt iii der Kausalität nur diejenige 26. Nicht notwendige Verknüpfung,
beiwohnt;
keit welche der reinen Erkenntnis überhaupt sondern Verknüpfung der Funktion. Die
allenfalls kann man sich die.
Bevorzugung gestatten, daß,
Kausalität Logik leidet vielfach unter dem schwankenden Gebrauch
was von allen reinen Erkenntnissen gilt, von der und Gebrauchswechsel ihrer wichtigsten Begriffe. So haben
welcher
vorzugsweise gelte. Aber schon der Zusammenhang,
Kausalität und System
obwaltet, sollte ^zur wir die Zweideutigkeit von Sein und Dasein erkannt;
440 zwischen die von Wirklichkeit und Realität hat die Logik
Vorsicht mahnen; die Kausalität zeigt sich
doch dann schon
Kompetenz und in ihrer großen Hilfs- um ihren eigentlichen Grund gebracht; die von Sein und
in der Enge ihrer
Substanz bildet einen Anstoß, bei dem sogar die Wahr-
bedürftigkeit. Die Kausalität hat ihre Be- haftigkeit in Gefahr gerät. Und so sehen wir es nun mit
deutung in der Funktion. Wie diese die durch-
Denkens ist, so ist Kausalität und Notwendigkeit. Nicht die notwen-
greifönde Methode alles mathematischen dige Verknüpfung ist die Kausalität;
Naturwissenschaft;
es die Kausalität für die mathematische sondern die Verknüpfung der Funktion;
konstituierende Methode derselben. Die kon-
sie ist die
aber keineswegs gleich- die Verknüpfung der Kontinuität.
stitutive Methode der Wissenschaft ist
Notwendig =
N^H
Methode der F o r s c h u n g. Schon daß 27. nicht priori. Man soll auch 441
zusetzen mit einer
das a priori nicht als Notwendigkeit bezeichnen; das ist
ist, und daß sie
die letztere eine unter unübersehbar vielen
daß sie mcht einerlei ja der tiefe Sinn der Veränderung, die Kant
an diesem
diese alle voraussetzt, läßt es erkennen, Begriffe vollzog, indem er einen anderen Titelbegriff an seine
der Wissenschaft.
sein kann mit jener konstituiven Methode Stelle setzte. Man weiß noch nichts von Notwendigkeit,
25.Kausalität und Notwendigkeit. Die
und man darf noch nichts davon wissen, wenn man vom
Notwendigkeit setzt das Einzelne voraus;
vom Ein-
nichts; für a priori die erste Bekanntschaft macht; man soll dann
zelnen aber weiß die Kausalität schlechterdings sich. nur für die reine Erkenntnis, für die reine Voraussetzung,
sie gibt es nur Elemente, die
gemäß der Kontinuität eine
Ge- für die Hypothesis interessieren lernen; und die Axiome
Relation eingehen. Sie hat noch nicht einmal denschon Euklids mögen die Zehrung sein, die man bei dem Ausgang
genstand; den bringt erst das System; wie könnte sie
n e n und die G e o
- schon mit auf den Weg nehmen kann.
das Einzelne fassen? Wie das R e c h Daß Voraussetzungen der Wissenschaft zugrunde liegen,,
Arbeit der Forschung sind,
m e t r i e eine Vorausetzung der
Entwicklungsgange mit dieser Einsicht muß das Philosophieren anfangen; aber
aber nicht als eine Station derselben in dem 33»
ii
'\

VieldeutigkeU des Gesetzes. Logischer Charaläer des Axioms 517


Urteil der NotwendigkeU
516
Notwendigkeit beiwohnt. Dieser Begriff ist der Begriff des
mag.
was Welt die Notwendigkeit zu bedeuten haben
in aller Gesetzes.
an
29. Die Vieldeutigkeit des Gesetzesbe-
Anfang, sondern buchstäblich
das gehört nicht in den
Schon das Einzelne schien ein solches Ende zu griffs. Als wir die Erörterung der Kausalität aufnahmen,
das Ende.
voraufgegangen, kann in der mußten wir in das Problem des Gesetzes eintreten. Wir
sein- ohne daß das Einzelne Der
Problem werden.
Tat 'die Notwendigkeit nicht zum erwogen die Mehrdeutigkeit dieses Begriffs, der bald für
Einzelfallführt zum allgemeinen. o W
r n aber be- einerlei der reinen Erkenntnis überhaupt,
genommen wird mit
u m c h e o
steht nun endlich die ei g e n t derNotwen- 1 1 1
also mit Voraussetzung, Grundlegung und Prinzip, bald mit
cische Aufgabe des Urteils dem Axiom. Wenn das Gesetz in der Bedeutung des Prinzips
voraus-
digkeit, wenn es solchermaßen das Einzelne oder der reinen Erkenntnis genommen wird, so muß die Not-
wendigkeit etwas anderes bedeuten; oder aber, wenn die
*^*^*28.
Die eigene Bedeutung des Urteils Notwendigkeit, und etwa sie voi'nehmlich, das Problem des
uns in die kri-
der N o tw e n d g k e t. Versetzen wir
i i
Urteils leitet. Wir
Gesetzes aufstellt, so muß das Gesetz bei ihr etwas anderes
tische Stimmung, welche diese Arten des bedeuten als bei der Kausalität. Wenn dagegen das Gesetz
mit ihm und an ihm
haben das Einzelne; aber was haben wir wäre mit dem Axiom, so würde es sich
i
von gleicher Bedeutung
vielmehr was wäre
Was wäre aus der Forschung geworden, angewiesen und be- fragen, ob durch das Axiom die Bedeutung des Gesetzes
wenn sie auf das Einzelne erschöpft würde; oder aber ob die Notwendigkeit in einem
sie geblieben,
maßte sie schleichen,
schränkt bliebe. Welchen Schneckengang andern Sinne das Problem des Gesetzes aufstellt.
fortbewegen
wenn an der Hand des Einzelnen allein sich
sie 30. Der logische Charakter des Axioms.
gebe ja Begründung und A b - Von der Kausalität haben wir es ja gesehen, daß sie zwar
könnte Nun sagt man, es komme;
Bearbeitung
leUu ng, wodurch der Einzelfall inIndividuums diese Aus- in dem allgemeinen Gedanken eines Gesetzes entspringt,
vdr selbst haben beim Problem des denselben aber in der Funktion präzisiert; mithin aber auch
ankam, das Verhaltms Funktion
ist also
drücke nicht vermieden, weil es darauf auf die Funktion einschränkt. Die
Zwecks zu der Kausalität und dem System klarzustellen. das einzige Muster des Gesetzes, das uns
des
war doch dabei mit untergelaufen; bisher bekannt geworden; es kann die Frage entstehen, ob
Aber eine Antizipation
dort noch mcht von
und dies rächt sich nun hier. Wir durften haUenW'r um-
es rechtund richtig ist, den vieldeutigen Ausdruck des Gesetzes
Ableitung sprechen; die Induktion darauf anzuwender. Wie steht es aber mit dem Axiom;
gebrauchten Wir wissen
gangen, indem wir dafür Anpassung kennen wir es bereits nach seinem logischen Charakter?
f fso noch nichts darüber, wie aus dem Einzeltall der all- Wir kennen es nur als das allgemeine Trostmittel für den
wir anerkennen das Pro Wem des
gemeine werden kann; aber ersten Anfang des philosophischen Nachdenkens; es bekräftigt
Ableitung, die D e-
allgemeinen Falles. Wenn man die uns die Richtung auf die reine Erkenntnis, als das einzige
selbstverständUch hält, so daß sie einer be- Aber weiter wissen wir nichts vom Axiom,
d u kti o n für Ziel der Logik.
412
bedürfte, so kennen wir jetzt den machten wir eine kritische
sonderen Urteilsart nicht erst beim Urteil der Wirklichkeit
eicentlichen Grund dieses Irrtums
in der Übe
r seh a t
Bekanntschaft mit dem ersten der Axiome, indem wir
müssen jetzt noch
I fn g d er Kausalität.
Aber wir
der Kau-
dieGröße aus ihm ableiteten. Axiome sind also
die Kompetenzen dazu da, daß Lehrsätze aus ihnen abge-
einen Schritt weiter darin gehen,
indem wir eines ande n
Stät einzuschränken; und erst leitet werden. Dieser G danke konnte uns wohl gele-
Begriffes sie entkleiden, mit dem
man sie sonst zu ident.fi- gentlich einmal aufstoßen; aber auf einen neuen Weg hat er **^
der
Se?en pflegt, wir die Schwere schätzen, welche
lernen
„ZtiaarmnenTuing mit dem Wirklichen** 519
518 Prinzipien der Mechanik und LehraäUe

allgemeine Gesetze geben muß, welche im eigentlichen Sinne


bisher uns nicht gewiesen. Vielleicht stehen wir hier an dem
als Naturgesetze gedacht werden, so muß es eine
eigene Art
Wege, der uns zu dem allgemeinen Falle hinfuhrt.
des Urteils geben, welche diese besondere Art des Gesetzes zur
444

Indessen muß es doch sonderbar scheinen, daß die Axiome Diese Aufgabe und diese
Erzeugung bringt.
die Vermittelung bilden sollen für das Bekanntmachen
eines
Leistung weisen wir der Notwendigkeit zu.
allgemeinen Falles; während sie doch vielmehr das Allgemeine
32. Der „Zusammenhang mit dem Wirk-
bilden, das sich in den einzelnen Lehrsätzen zum
lichen*' bei Kant. Die wenigen Seiten, welche Kant
Einzelnen entfaltet. Es kann daher die Frage entstehen, dem Gründsatze der Notwendigkeit widmet, haben vor allem
ob die Axiome überhaupt das richtige Beispiel seien für das Gute gebracht, daß sie die Notwendigkeit mit der Wirk-
wird. das
Gesetz, wie dasselbe von der Notwendigkeit gedacht
lichkeit in genaue Verbindung gesetzt haben. Das zweite
In der Tat wäre doch wohl einerseits der Streit um Deduktion
Verdienst besteht darin, daß auch auf den Begriff des Gesetzes
und Induktion weniger verworren und in engere Grenzen Aber hier
den in seiner Mehrdeutigkeit der Blick gelenkt wird.
eingeschränkt, wenn die Ableitung der Lehrsätze aus
isteine gewisse Eiligkeit unverkennbar, welche die richtigen
Axiomen vornehmhch und vorbildUch als Deduktion gegolten
Axiome die lo- Ansätze an der klaren Durchführung hemmte. Schon der
hätte, und wenn andererseits überhaupt die
Ausdruck „dessen Zusammenhang mit dem Wirklichen" kehrt
.

gische Bedeutung des Gesetzes darstellten.


die Sache um; das Notwendige wird auf den Zusammenhang
31. Die Prinzipien der Mechanik und mit dem Wirklichen zurückgebogen; während umgekehrt
die Lehrsätze. Den Axiomen entsprechen die Prin- muß,
für das Wirkliche ein Zusammenhang gesucht werden
zipien der Mechanik: sind diese allein und aus- in dem es zu einem Neuen wird.
schließlich Gesetze? Schon bei Newton zeigt sich diese
Zweideutigkeit, indem er die leges motus den Nun aber weiter: „dessen Zusammenhang mit dem
Wirklichen nach allgemeinen Bedingungen der Erfahrung
Lehrsätzen voraufschickt; sind denn aber die
bestimmt ist, ist notwendig". Von welcher Art sind denn
letzteren nicht auch Gesetze? Wir spüren bereits den
Zusam-
diese neuen, „allgemeinen Bedingungen"? Wir kennen
bei
menhang, den das Wirkliche, das Einzelne anspinnt. Außer
Kant als solche nur die Grundsätze; diese nennt er
den Prinzipien, den allgemeinen Grundlagen der Wissenschaft, Bedingungen der Erfahrung.
müssen die Lehrsätze selbst, welche die Forschung
die formalen
zu-
Jeder Lehrsatz als Sind denn nun aber die „formalen" Bedingungen nicht
findet, als Gesetze zu würdigen sein.
gleich die „allgemeinen"? Er nennt sie auch, oder an
ihrer
sonst
solcher und an seiner Stelle muß diesen Wert haben; Sind
Statt die Kategorien, die „allgemeinen Naturgesetze".
könnten andere nicht auf ihn folgen und in Zusammenhang allgemeinen Bedingungen etwas anderes als
denn aber die
mit ihm treten. Allerdings sind sie etwas
die allgemeinen Naturgesetze?
Ganz besonders aber wird diese Forderung deutlich an
durchaus anderes; aber für Kant lag noch eine besondere
solchen Lehrsätzen, denen eine umfassende Bedeutung zusteht, und die Klarstellung
wie Schwierigkeit vor, welche die Präzision
so daß ihnen eine universelle Geltung zugesprochen wird;
dieses Begriffs gehindert haben mag.
das Gesetz der Gravitation eine solche eximierte
Bedingungen der
sich aus dem Streit über 33. Die allgemeinen
Bedeutung hat. Dennoch aber läßt
dasselbe erkennen, wie scharf die Grenze ist zwischen einem
Erfahrung. Er braucht besondere Gesetze für das
Prinzip der T e 1 e o 1 o g i e. Der Zweck unterscheidet sich
Naturgesetz von höchster Allgemeinheit und einem darin von der Kausalität der Mechanik, daß er ganz andere
Gesetze im Sinne der reinen Erkenntnis oder des Prinzips.
Gesetze sich zum Probleme machen tnuß, wenngleich
Wenn anders also es außer den reinen Erkenntnissen noch

1
Naturgesetz Zahlf Artf Sinn der Gesetze 521
520 Allgemeine Bedingungen der Erfahrung.
I
1

nur zum Probleme, als welche der Mechanik vorliegen und


nur da ins Spiel, wo auch die Induktion
zugänglich werden. Diese aparte Art von Gesetzen bezeichnet
mitspielt. Es waltet in der Tat ein Zusammenhang
ob, überdessen Art der Streit ergeht. Die einzelnen
Kant in der „Einleitung** der Kritik der Urteilskraft als
Lehrsätze, so sehr sie, als Lehrsätze, den Wert von Natur-
„besondere empirische Gesetze*'. Diese darf er hier also nicht
gesetzen haben, halten doch zugleich, als einzelne, den Zu-
meinen; denn die Notwendigkeit muß doch für die mathe-
matische Naturwissenschaft erhalten bleiben. Am meisten sammenhang mit dem Einzelnen aufrecht; und somit das
Interesse der Induktion. Dies ist weiterhin noch
treffen in der Erörterung jener Definition das hier vorschwe-
bende Ziel die Ausdrücke: „nach allgemeinen Gesetzen der genauer zu verfolgen; hier soll nur bis zu dem
Erfahrung**; „nach empirischen Gesetzen der Kausalität**.
Punkte die Betrachtung geführt werden, daß es eine neue
Das also sind die „allgemeinen Bedingungen**, die hier gemeint Art des Urteils sei, welche den Begriff des Gesetzes in dieser
445 sind: die allgemeinen Gesetze der Erfahrung; nicht die all-
neuen, eigentümlichen Bedeutung aufstellt. Und auf
gemeinen Naturgesetze. Den Unterschied von ihnen be- diesem Zusammenhang von Notwendig-
zeichnet noch schroffer der allerdings nicht unverdächtige
keit und Gesetz beruht der Zusammen-
Ausdruck der empirischen Gesetze der Kausalität. hang von Notwendigkeit und Deduktion.
36. Die Frage der Forschung nach Zahl
Das Naturgesetz. Wir sehen aus all diesem
34.
Schwanken, daß es auf ein neues Problem ankommt: und Art der Gesetze. Immer deutlicher und be-
deutsamer entwickelt sich der Sinn des kritischen Urteils in
das des Naturgesetzes. Das Naturgesetz hat einen
Inhalt zur Voraussetzung, der, so umfassend und universell der Notwendigkeit. Man glaubte in der Kausalität zugleich
hat; die Notwendigkeit zu besitzen; indessen zeigt es sich, daß
er sein mag, dennoch die Forschung zur Voraussetzung
4tC

nicht einmal das Gesetz in der eigentlichen Bedeutung, als


mithin auch einen bestimmten Standort der Forschung be-
zeichnet.Das Naturgesetz als ein Gesetz der einzelnes Naturgesetz, in der Kausalität enthalten ist. Freilich,
wie ein Gesetz formuliert werden müsse, das lehrt die Kau-
Forschung, unterscheidet sich sonach in methodischer
Schärfe von dem allgemeinen Naturgesetz im Sinne salität; denn sie ist Funktion. Aber, als solche, beschreibt sie
nur die Syntax des Gesetzes; bestimmt allerdings dadurch die
des mechanischen Prinzips, oder der reinen Erkenntnis:
soll

es nun etwa ein solches Gesetz für die Forschung nicht geben? mathematische Verfassung der Naturwissenschaft; aber eben
Damit wäre auch der Lehrsatz selbst aufgegeben, und auch nur die Verfassung. Wie die Wirk-
aller innerer Zusammenhang der Forschung. lichkeit zur Realität sich verhält, so ver-
Schon das Einzelne, mit dem doch die Notwendigkeit hält sich die Notwendigkeit zur Funktion;
nur daß die Realität Buchstabe ist, die Funktion dagegen
zusammenhängt, verwirft das Mäkeln an den einzelnen
wäre; Satz. Die Syntax aber formiert in den Buchstaben das Gesetz
Sätzen; da ist keiner, dem sein Wert nicht gesichert
also stellt jeder ein Naturgesetz dar. Das Naturgesetz und in dem mathematischen Gesetze die mathematische
erst vollzieht den Begriff des Gesetzes; Naturwissenschaft. Die Notwendigkeit dagegen ist der Leit-
und das Axiom selbst sind nur Vor-
die reine Erkenntnis
begriff der Forschung innerhalb der durch die Kausalität der

bedeutungen davon. Und auch die Ableitung, welche Funktion konstituierten Wissenschaft.
37. Der Sinn der Gesetze. Die Forschung
an und aus ihnen sich abspielt, sie bildet noch nicht das
Problem der Deduktion. wird vor die Frage geführt wieviele Arten von
:

35. Deduktion nur, wo auch


Induktion. Gesetzen gibt es? Denn es genügt ihr nicht, daß es etwa
Deduktion kommt nur da in Frage, tritt nur eine gebe, nämlich die der reinen Erkenntnis und ins-
Allgemeines und Einzelnes a priori und angeboren. Empirisch 523
522

Wasnützt alle Verfassung wenn der Notwendigkeit, der auf Schritt und Tritt die Wege der
besondere die der Kausalität.
einzelnen Gesetze ihren fruchtbaren Forschung durchzieht. Denn sie muß das Einzelne erforschen
in ihr nicht die
Forschung begnügt sich auch nicht ebenso aber muß sie für das Einzelne das Gesetz finden: ist
Grund erlangen? Die
denn auch diese haben es immer nur das alte, dem immer nur das neue Einzelne
mit den Gesetzen, als Prinzipien;
Wert, daß sie einzelne Gesetze aus, untergeordnet werden muß; oder aber gilt es auch, neue
nur darin ihren
hervortreiben. Alle diese wichtigen Fragen und Unter- Gesetze zu finden
sich
Kausahtat «-c^t es 39. a priori angeboren. Wie tief die
und
Scheidungen kennt das Urteil der g^^^^^
;

Formulierung des Gesetzes, Unklarheit über die Begriffe der Notwendigkeit und des
nur die Anweisung zur wer-
formuliert Gesetzes eingenistet ist, kann man auch an dem Streit um
wozu Gesetze überhauptHorizont der Kausalität das a priori erkennen und ermessen. Man hält das
d e n, das geht schon über den
Kritik; und vor diese Kritik a priori für einerlei mit angeboren; und daraufhin
Diese Frage ist eine Frage der
geführt; vor die Frage nach dem Sinn wird es von derselben Autorität bekämpft und behauptet.
wird die Forschung
Die Axiome sollen nach H
e 1 in h o 1 1 z nicht a priori
der Gesetze. j u * • j«,..
Einzelnen angelangt, und hat in dem-
, ,
gelten; denn sie seien nicht angeboren. Sind sie denn aber
Sie war bei dem
festgestellt; aber sie wurde zur For- darum nicht oder weniger Gesetze ? Wenn sie auf Er- !

selben die Wirklichkeit


derung des allgemeinen Falles fortgetrieben
Man wird nicht fahrung beruhen, richtiger auf der fortschreiten-
etwa jetzt noch den Einwand erheben, daß ^as System den Begründung der mathematischen Forschung,
somit die Notwendigkeit sind sie dann weniger Grundgesetze? Gibt es denn eine
den allgemeinen Fall ergebe, und
Denn wie sehr die Kausalität durch das System andere Art von a p r i o r i als die der wissenschaftlichen
erübrige.
ergänzt wird, so geschieht diese Ergänzung
^eit mehr der m Grundlage? Helmholtz nimmt im selben Atem eine andere
Richtung auf das Einzelne, welches durch
die Reaktion im an: die desAngeborenen; und die Raumanschauung
wird; es ist daher nur selbst hält er für angeboren. So sehen wir in dieser tief-
Begriffe des Gegenstandes vorbereitet
einerlei halt mit dem all- gewurzelten Ansicht die eigentliche Bedeutung der Not-
Schein, wenn man das System
für
zudem operiert das Systeni doch nur mit wendigkeit aufgehoben, entwertet und außer Acht gelassen.
gemeinen Fall: und
447
über die Konstituierung Was jenseit aller Begründung in dem Dunkel der Orga-
der Funktion; also kommt es nicht
setzt der allgemeine Fall den nisation liege, das wird für die wahre Notwendigkeit
des Gesetzes hinaus. Ohnehin
gehalten. Indessen handelt es sich dabei immer noch nur um
Einzelfall voraus.
Zusammenhang zwischen dem Ali- die Axiome; was wird denn aus den einzelnen, den eigentlichen
,

38.
gemeinen, dem Gesetze und dem Einzelnen. Naturgesetzen ?
Der falsche Nebensinn des Empi-
Es zeigt sich so der genaue Zusammenhang
zwi- 40.
Der Streit um das a priori, das Mißver-
schen dem Allgemeinen und dem Gesetz,
rischen.
und das Allgemeine ständnis des wissenschaftlichen Idealismus hätte nicht so
wie beide hier gefordert werden: das verheerende Dimensionen annehmen können, wenn die selb-
e. Wie kann das E in-
Gesetz gehen Beide auf das E i n z e 1 n
als Vertretung des ständige Leistung der kritischen Notwendigkeit klargestellt 448
zelne in ein Allgemeines verwandelt,
Die Forschung wird allerwege worden wäre. Es genügt allerdings nicht, wie wir immer
Gesetzes deklariert werden?
Einzelne ein Gesetz wiederholen müssen, daß man reine Erkenntnisse und allen-
vor die Frage gestellt, ob und wie das falls auch allgemeine Prinzipien habe; man muß durchaus
darstelle; ob das Gesetz d u r c h e i n n e u e s auch der einzelnen Gesetze sicher sein können; und
Das der Kreuzweg
Einzelnes sich verifiziere. ist
524 Neuer Weg der Notwendigkeit Zusammensetzung der Urteile 525

nicht nur der Art ihrer mathematischen Formulierung. Diese Arten des Urteils haben das Urteil selbst
einzelnen Naturgesetze aber bringt man in Verruf, indem nicht überstiegen und nicht überschritten.
man sie als empirische kennzeichnet; während es doch Das hypothetische Urteil und das disjunktive haben zwar
gerade, wenn die Forschung nicht stillstehen soll ihre Aufgabe schon eine Steigerung im Urteil vorgenommen; aber diese
ist, die Erfahrung zu erweitern. Die Erweiterung hielt sich doch innerhalb des Urteils selbst. Wie es der Ge- 449

aber der Erfahrung fordert ebenso sehr sichtspunkt der Relation erfordert, hat sich in ihnen
die der Gesetze, wie die des Einzelnen. eine Zusammensetzung begeben; es wäre jedoch
41. Der falsche Gegensatz von Wissen- falsch, diese als eine Zusammensetzung yon Urteilen zu be-
schaft und Forschung. Es ist die falsche Etymo- zeichnen. Es ist nur eine Zusammensetzung nicht zwar von
logie des Aristoteles, daß die Wissenschaft (^mtrtnf^ri)' Worten, aber von S ä t z e n, die ihre Struktur bildet. Die
stillsteht, und nur die Erfahrung weitergeht; seit Sätze aber sind keineswegs für sich selbst Urteile; sondern nur
Kant sollte Unterscheidung unmöglich geworden
solche die Ansätze und die Fortsätze zu denselben; das Urteil selbst
sein; dennoch will man die empirischen Gesetze nicht recht als besteht in der Einheit der Kausalität und in der des Systems.
Gesetze anerkenenn. Wenn das Urteil der Notwendigkeit Wenn dagegen das Urteil der Notwendigkeit auftritt, wenn
nicht mehr leisten könnte, als diese Unklarheit aufzuklären, so die Abschätzung des reinen Besitzes sich an die Forderung
wäre der Gewinn nicht gering. Freilich müssen die empi- empirischer Gesetze, welche das Einzelne befassen, heranwagt,
rischen Gesetze auf ihren Zusammenhang mit den allgemeinen dann genügt auch die Strukturveränderung
Gesetzen geprüft werden; aber diese Abhängigkeit hebt keines- des Urteils nicht, welche in der Relation sich vollzieht;
wegs ihre Selbständigkeit auf; denn diese besteht in. einer dann muß die Zusammensetzung der Urteile
neuen Allgemeinheit. selbst versucht werden. Es ist dies ein schwerei Versuch,
42. DasVerhältnis des Allgemeinen zum der neue Fragen mit sich bringt.
Einzelnen. Nun erhebt sich aber über diese neue* All- 44. Die Zusammensetzung der Urteile
m gemeinheit die schwere Frage, ob sie berechtigt, ob sie stich-
haltig, oder etwa nur von einer vorübergehenden Oppor-
für den gesetzlichen Zusammenhang des
Einzelnen und des Allgemeinen. Überschlagen
tunität sei. Die Frage betrifft das schwierige Verhältnis wir die bisherigen Fragen. Die Kritik klammert sich an das
m des Allgemeinen zu dem Einzelnen. Bei der allgemeinen Einzelne; fragt doch aber, wozu es nütze sei, wenn es nicht
Strukturformel der Kausalität spricht das Einzelne noch das Allgemeine widerspiegele. Die Kritik hält sich weiter fest
nicht mit; jetzt aber, im empirischen Gesetze, soll das Ein- am Einzelnen, indem sie es für das einzelne Gesetz fordert.
zelne, als solches, in dem Allgemeinen enthalten sein. Wie Wozu wären allgemeine Gesetze, wenn sie nicht in einzelnen
kann man aber das Einzelne in seiner unübersehbaren Mannig- sich entfalteten. Diese Korrelativität des Einzelnen und des
faltigkeit im voraus durch das Allgemeine bestimmen, und Allgemeinen, die sich in dem einzelnen Gesetze zusammenzieht,
in ihm befassen wollen? Die Frage stellt uns wieder vor die führt zu der Zusammensetzung der Urteile. Das eine
Losungsworte Deduktion und Induktion. Urteil enthält das Allgemeine; das andere
Der neue Weg der Notwendigkeit.
».

43. Urteil das Einzelne.


Daß dem Urteil der Notwendigkeit eine eigene und eine große Die Eigenart der Notwendigkeit wird von hier aus
Aufgabe zufällt, das ist uns allmählich immer deuthcher unmittelbar deutlich. Oder sollte etwa die Zusammensetzung
geworden; sehen wir nunmehr, wie die Notwendigkeit dem^ der Urteile, was sie selbst auch aussagen mögen, unterbleiben?
zufolge neue Wege einschlägt. Alle bisherigen Dann gäbe es keinen wahrhaften lebendigen Zusammenhang

.s)k
der Deduktion. Beweis Apodiktisches Urteil 527
526 Neue Aufgabe

zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen. Das ist die Demonstrationen geblieben. Der Beweis ist

große Konsequenz, die sich hier herausstellt; nur dieNot- jedoch das wichtigste Anliegen der Forschung. Die Kritik
wendigkeit vermag das Einzelne und das fordert den Beweis. Man sieht daraus, wie bedenklich eng
Allgenieitie in den Zusammenhang des Ge- der Zusammenhang ist, der zwischen den kritischen und den
setzes zu bringen. naiven Urteilsarten besteht. Man entschlägt sich der For-
45. Die neue Aufgabe der Verknüpfung, derung dieses Zusammenhangs, wenn man das a priori auf
als Deduktion. Man übersieht diesen wichtigen Ge- dem Gipfel der Glaubwürdigkeit betrachtet, sofern es an-
danken, der allein schon die Selbständigkeit des Urteils der geboren sei; dann liegt es freilich jenseit des Beweises. Die
Notwendigkeit klarstellt, indem man einmal das Einzelne an reinen Erkenntnisse entheben sich jener Forderung nicht;
den Fingern glaubt abzählen zu können, und andrerseits ja so wenig, wie die Axiome. Wir haben es erwogen, wie die
schon das Allgemeine bei der Kausahtät sicher untergebracht Hypothesis die Übereinstimmung mit dem Einzelnen fordert
meint; außerdem aber bei den Urteilen der Quantität Dieser
I (vgl. ob. S. 433 ff.; 470 ff.). Es ist also der Grund-

450 doppelte, dieser dreifache Irrtum ist beseitigt. Was die begriff der reinen Erkenntnis auf den
Quantität betrifft, so wird darüber noch ein besonderes Beweis hin angelegt; er würde nicht zu seiner Er-
füllung gelangen, wenn nicht die Notwendigkeit als die r e i n e
Gericht zu halten sein. Die Verkennung der Notwendigkeit
hängt aber noch mit einem allgemeinen Irrtum zusammen, Erkenntnis des Beweises sich bewähren könnte.

nämhch mit dem vom Denken, als Verknüpfung. 47. Das apodiktische (apodeiktische)
451
Es genügt nicht, das Einzelne und das Allgemeine zu Urteil. Es ist, ob in der Tat der Gipfel hier erreicht
als

isolieren; sie müssen zusamhiengebracht werden. Da haben würde; wir bhcken von hier auf den Fußpunkt zurück. Von
wir also eine neue Aufgabe für das Schlagwort der der reinen Erkenntnis waren wir ausgegangen; und jetzt
Verknüpfung. Die Notwendigkeit dagegen arbeitet mit offenem fragen wir: warum und wozu dieser Ausgang? Aber die Frage
Visier; sie vermeidet den Ausdruck der Zusammensetzung gilt nicht allein, noch vornehmlich den reinen Erkenntnissen
selbst. So heße sie sich leichter beantworten; und ist sie schon
Ji?

nicht; und dennoch versucht sie in dieser die innigste Ver-


knüpfung: die Deduktion. Die Zusammensetzung beantwortet; denn die reinen Erkenntnisse werden ange-
schien äußerlich, und daher für die Eigenart eines Urteils nicht nommen zum Behufe der Konstituierung der mathematischen
angemessen; wir sehen jetzt, daß sie einen neuen, einen Naturwissenschaft. Diesen Zusammenhang von Frage und i^

grandiosen Versuch bildet, die größten Schwierigkeiten zu Antwort nennen wir nicht Beweis. Das Problem des
bewältigen. Welche größere Schwierigkeit ließe sich denken, Beweises betrifft die einzelnen Gesetze
bezug auf das Einzelne, das sie in sich
I..
•I

als die Überwindung des Gegensatzes zwischen dem Einzelnen


in
und dem Allgemeinen in dem neuen Begriff des einzelnen fassen. Zu diesem Beweise vollführt das Urteil eine Zu-
Gesetzes? Und es gibt keine Aufgabe von einer größern sammensetzung von Urteilen. Die Zusammensetzung ist
logischen Innerlichkeit und Durchdringung. dabei unvermeidlich; denn es handelt sich um eine Mehrheit
.1,

46. Von der Methodik der


Der Beweis. von Urteilen, deren jedes einen eigenen schweren Inhalt hat.
Wissenschaften haben wir bisher nur die A x o m e i Dieser Inhalt soll vereinigt werden; diese Vereinigung
ist die Aufgabe des Beweises; der Beweis soll den Einzelfall
und die Definitionen beachtet. Die letzteren sind die
Ausführungen, die Selbstentfaltungen des Begriffs, so- zum allgemeinen Fall erheben. Die Notwendigkeit ist die des
weit sie nach den verschiedenen Bedeutungen des Begriffs Beweises, die apodiktische; die der anoSst^is des Ein-
zulässig sind. Ganz unberücksichtigt sind bisher aber die zelnen aus und in dem Allgemeinen.
'J Vorurteil der Induktion. Newton und Kepler 529
528 Logiscfier Orundwert des Beiveiaverfahrens
l Ü

der reinen Anschauung. Für die Konstruktion der


Die Rechtfertigung der speziellen
48. Figur mag er zulänglich sein, um dadurch die geometrische
I .

Gesetze. Der Beweis ist die Rechtfertigung der Vernunft; Definition von aller sonstigen Begriffsbestimmung zu unter-
ihre Selbstrechtfertigung. Aus dem sokra tischen scheiden; aber die Demonstration, wenn sie noch
Logos des Begriffs macht P o n in der Idee das Rechen-
1 a t
so sehr am Gängelbande der reinen Anschauung geführt zu
schaf tgeben (>io>v SiSSvm), Selbst der Begriff Gottes wird werden scheint, muß dennoch innerhalb dieser selbst ihre
im Mittelalter dem Beweis unterworfen. Aber aus diesem eigenen Wege sich bahnen; und auf den Beweis, der in diesen
Gesichtspunkte wird der Beweis mehr zur Charakteristik der neuen Bahnen sich ergeht, kommt es in letzter Instanz an. So-
reinen Erkenntnis; wir aber wollen ihn jetzt für die Kritik fern nun aber anerkanntermaßen auf den Beweis alles an-
der Forschung würdigen. Hier besonders liegt und wächst kommt, so läßt es sich daraus schon verstehen, daß die neuere
seine Kraft. Die reinen Erkenntnisse werden nicht beständig mathematische Forschung bei der reinen Anschauung sich
¥ in die Kontrolle gezogen; obwohl die Epochen der Wissenschaft nicht zufrieden gibt, sondern auf das Denken wieder rekurriert.
gerade darin sich vollziehen, daß die Prinzipien selbst auf So ist die Notwendigkeit das Urteil der mathematischen
die Genauigkeit ihrer Formulierung geprüft werden. Die
Forschung.
speziellen Gesetze dagegen stehen in einem loseren, 51. D.a s Vorurteil der Induktion. Indessen
offeneren Zusammenhang mit den neuen Tatsachen; hier in der Mathematik doch noch ein durch-
besteht
istder Beweis unmittelbar geboten; und die Durchsichtigkeit, sichtiger Zusammenhang zwischen den Lehrsätzen und den
wie die Genauigkeit der Forschung, hängt vom Beweise ab. Axiomen, so daß die Meinung immer wieder Beifall finden
49. Der logische Grundwert des Beweis- konnte, der Beweis hinke doch nur der erfinderischen An-
verfahrens. Man frage jetzt nicht: ist nur aber das schauung nach. Für die Naturforschung dagegen
Beweisverfahren selbst untrüglich? Diese Frage wird uns gewähren die mechanischen Prinzipien in einer
alsbald beschäftigen; jetzt betrachten wir nur den Sinn und gleichen Bestimmtheit diesen Zusammenhang nicht. Hier
Wert der Notwend gkeit, als des Urteils des Beweises. Müßte wird daher der Beweis vorzugsweise not-
die Forschung ohne den Beweis arbeiten, so würde ihr nicht wendig; und je weniger die Naturforschung auf die Demon-
würde
nur der allgemeine Fall entgehen; sie über- stration sich beruft, desto mehr sollte sie einsehen lernen, auf
4»2 haupt gar nicht wissen, was ihr damit dieselbe ihre Geltung zu begründen.
fehlt. Der Zusammenhang des Einzelnen mit den reinen Dieser Einsicht steUt sich nun aber das Schlagwort der
Erkenntnissen würde nicht durch die speziellen Gesetze ver- Induktion hemmend und verwirrend entgegen. Daß die
mittelt; er erschiene dann wie ein Ausfluß instinktiver Anlage. Axiome auf Induktion beruhen sollen, das ist ein logischer
Auch daß die Grundlagen die Grundlegungen sind,
Fehler; wenn dagegen die speziellen Naturgesetze anif Induktion
würde gar nicht zur Einsicht kommen; die Vernunft würde hin angenommen werden, so wird dieser logische Irrtum zu
zum Instinkt. Und darunter würde nicht etwa nur die Logik, einem methodischen Fehler für den Fortgang der Foi'schung. j;
sondern ebenso auch die Forschung leiden. Der Stolz der Wenn die Forschung geglaubt hätte, bei der Induktion 4SS

Mathematik bezieht sich auf ihre Beweise; wir wissen, daß Keplers stehen bleiben zu dürfen, so wäre un- Newton
die Beweise mit den Axiomen zusammenhängen; aber wir möglich geworden.
dürfen auch sagen, daß die Axiome
auf die Be- 52. Unterschied Newtons von Kepler.
weise hin erdacht sind. Auch Kepler wahrlich gibt Demonstrationen; aber sie be-
50. Nachteil der reinen Anschauung. treffen das Einzelne der P 1 a n e t e n im Zusammenhange
Hier zeigt sich auch ein neuer innerer Schaden in dem Begriffe
Cohen, Logik der mnfen ErknmtniB. ü. Aufl. 34
630 ErUtvickelung Ahaoltäe Totalität der Bedingungen 531

mit der Hypothese der Kegelschnitte; das ist noch mechanischen Operationsvorgang. So läßt sich auch hier er-
nicht der prägnante Beweis. Diesen hat erst Newton kennen, daß die Präformation abgelehnt werden soll,
erbracht, indem er das spezielle Gesetz der Gravi- bei welcher das Einzelne aus dem Allgemeinen einfach hervor- 454
tation aufstellte, und aus diesem die Einzelbewegungen geht; daß dagegen eine kompliziertere Notwendigkeit durch
der Planeten demonstrierte. Jetzt ist die Tendenz des Be- den Zusammenhang mit der Teilung, also mit der Mechanik
weises unverkürzt zum Vollzug gekommen der Zusammenhang
:
angestrebt wird. So bemächtigt sich auch die biologische
des Einzelnen mit dem Allgemeinen eines einzelnen Gesetzes. Forschung des eigentlichen Verfahrens des Beweises. Und
So dürfen wir sagen, daß Newton nicht nur der Systema- darauf gründet sich ihr theoretischer Anspruch.
ti ker der mathematischen Naturwissenschaft geworden ist 55. Die absolute Totalität der Bedin-
durch sein System der Prinzipien; sondern auch der Logi- gungen. Indessen haben gerade diese Fragen, die mit dem
ker, der Begründer der Notwendigkeit dadurch, daß er den Problem der Schöpfung zusammenhängen, dazu bei-
H ;
Beweis in den Mittelpunkt des Systems getragen, die ganze Logik des Beweises zu verwirren; und des-
gerückt hat. halb die Deduktion gegenüber der Induktion in Verruf zu
53. DieEntwickelung. Der Zusammenhang von bringen. Man weiß, welche große Mühe Kant
sich gemacht
Notwendigkeit und Beweis ergibt sich sonach deutlicher und hat, die falsche Dialektik in dem Grundfehler des dialek-
dringlicher noch für die mathematische Naturwissenschaft tischen Beweises aufzudecken; und wie er die falsche Meta-
als für die Mathematik; seine Forderung erhebt sich aber auch physik dadurch entwurzelt hat. W^enn das Bedingte gegeben
für die biologische Naturwissenschaft und ist, so sei das Unbedingte, so sei die absolute
für dasgesamte Gebiet der Geisteswissenschaften. Totalität oder die vollständige Reihe
der
Dadurch wird freilich die Notwendigkeit, wie der Beweis, Bedingungen gegeben; so dachte, so argumentierte
wieder schwierig und dunkel. Die Biologie hat diesen Zu- die alte Metaphysik. Man kann übrigens schon hieraus sehen,
sammenhang sogar in einem besonderen Terminus formuliert: daß die Notwendigkeit, die im Beweise operiert, etwas anderes
dem der Entwickelung. Der Gedanke ist alt; er geht ist als die Kausalität. Wenn anders nämlich die Kausalität
auf Aristoteles zurück, mii dessen Metaphysik er in als Funktion operiert, so muß sie, wie weit sie immer ihre
der Korrelation der Begriffe Möglichkeit und Wirklichkeit Netze werfen mag, doch immer Bedingung bleiben; das Un-
zusammenhängt. Aber das Mögliche bedeutet dabei die bedingte hatte P 1 a t n erdacht, um seinen ethischen Abso-
Potentialität des Wirklichen, und das Wirkliche lutismus gegen seinen logischen Kritizismus zu einem Aus-
*

daher nur die Entwickelung des Möglichen. druck der Selbstironisierung zu bringen. Die Metaphysik aber
54. Die Teilungsentwickelung. In der nahm diesen Ausdruck höchster kritischer Ironie für bare
neueren Zeit ist die Entwickelung unter den Gesichtspunkt Münze. Nur so weit blieb sie doch an der Angel hängen,
der Mechanik gebracht worden. Schon C u s a hebt die E x - daß sie ihn zum Beweise gebraucht.
p 1 i c a t i o und die Evolutio hervor. Auch hier sehen 56. Der Fehler der absoluten Notwen-
wir L e i b n i z ihm nachfolgen. Und die neuere biologische digkeit. Jene Beweise der alten Metaphysik hängen sonach
Forschung, soweit sie sich von den unmethodischen Aus- an dem Unbedingten der absoluten Totalität der Bedingungen;
schreitungen der Entwickelungs-Mechanik fern- ihre Notwendigkeit ist demgemäß eine absolute. Und mit
hält, geht in seinen Wegen. Die Zerlegung der Eisubstanz in diesem Absoluten suchen sie das Bedingte, also das
Zellen ist Teilungsentwickelung; sie verbindet Einzelne zu verknüpfen; die heterogenste Verbindung, die
also die Selbst diff er enzierung, die Entwickelung mit dem gedacht werden kann. Wir erkennen so aber den methodischen
34*
Descartes und Leibniz über virites 533
532 Auflösung des Motivs der alten Metaphysik

Notwendigkeit des Be- streben und postulieren dürfen: in den reinen Erkenntnissen.
Vorteil, der darin besteht, daß wir die Notwendigkeit aber bescheidet sich auf die speziellen
nicht aber auf Die
weises auf die speziellen Gesetze begründen; Gesetze; auf sie richten sich die Beweise, in denen die Not-
absolute. Die speziellen Gesetze haben
auf wendigkeit sich selbst errichtet. Wir werden sehen, wie wir
eine doppelte Relativität: rückwärts
Prin- von diesem Bedenken aus die Charakteristik der logischen
die reinen Erkenntnisse und die
Einzelne. Struktur des Beweises versuchen wollen.
m zipien, vorwärts auf das Die Struktur des Beweises. Denn endlich
Die Auflösung des Motivs der alten
59.
57 werden wir an die Betrachtung dieser logischen Struktur
Metaphysik. Das Einzelne wird, als solches, durch die
Prä^gnanz herantreten dürfen. Wir waren schon darauf aufmerksam,
die
einzelnen Gesetze weder gegeben noch bewiesen; Zusammensetzung dabei ins Spiel tritt.
Eigenart der Notwendigkeit daß eine
des Beweises, in welcher die daß
Sie erscheint uns weniger auffällig, weil wir jetzt wissen,
455

besteht, vollzieht sich in der Verwandlung des Ein- handelt. Das


es sich bei der Notwendigkeit um den Beweis
zelnen zum Allgemeinen. Die Wiederhol-
Antizipa- kritische Urteil wird zum mindesten an einem andern Urteil,
barkeit des Falls, welche durch die begünstigt wenn nicht gar über ein anderes Urteil kritisch. So natürlich
tion der Zeit veranlaßt und Das erscheint jetzt die Zusammensetzung der Urteile. Aber
der
Verwandlung gerechtfertigt.
1 . 'i

wird, wird in dieser


Ausdruck schon, bildlich wie er ist, und zwar eine äußerliche
sein, indem es
H»! Einzelne hört darum nicht auf. Einzelnes zu Tätigkeit abbildend, macht eine genauere Bestimmung
er- 4Ö6
gehoben wird; es
I

unter den Gesichtspunkt der Notwendigkeit forderhch; zumal es sich um die innerlichste Leistung des
wird nicht etwa zum Modus der Substanz;
denn die Substanz
Denkens handelt, bei der das Denken seine weitesten Kompe-
kommt hier nicht in Frage, wo es sich vielmehr um die spe- tenzen umspannt, und zugleich auf seine tiefsten Gerechtsame
ziellen Gesetze handelt, welche das Einzelne
zum Notwendigen
Totalität der Bedingungen bildet zurückgeht.
stempeln. Nicht die absolute
'r;
Überfluß in den reinen 60. Descartes und Leibniz über v6rit6s.
die Direktive; an einer solchen ist Losung
engere Wenn Descartes die richtige Weisung mit seiner
Erkenntnissen und Grundsätzen; der Beweis sucht die Wahrheit
wird erteilt hat:v6rit6 = etre, so erkennen wir
und genauere Vermittlung mit speziellen Gesetzen. So nunmehr in dem Beweise; es gibt keine andere logische
das ganze Motiv der alten Metaphysik Wahrheit. Leibniz nennt ja auch die reinen Erkenntnisse
zurückgeschlagen. Wahrheiten aber er setzte korrela t den v6rit6s de raison
58. Das Unbedingte ist auch
nicht aul- ;

Substanz für die Kausalität diev6rit6sdefait (vgl. ob. S.460). Die Letzteren sind unsere
gegeben. Wie die absolute
speziellen Gesetze, auf sie bezieht sich und gründet
sich die
Totahtät
abgewehrt werden mußte, so muß auch die absolute Notwendigkeit; mit ihnen operiert der Beweis. Da kann es
Bedingungen ferngehalten werden für die Notwendigkeit
der eine äußerliche Zusammensetzung der Urteile
um
daß auch die sich nicht
des Beweises. Und es entsteht der Gedanke, eine tiefgehende und aus der Tiefe kommende
verzichtet handeln; es muß
Verbesserung entbehrlich werde, und daß auf sie
Kant diesem ganzen Unbeding- Richtung des Denkens sich dabei auftun. Wir stehen vor
werden müsse, welche
dem Schluß.
ten gegenüber aufgerichtet hat daß es nicht gegeben,
:

61.
^ ^
Das syllogistische Schlußverfahren.
aber aufgegeben sei. Es will scheinen, als ob auch der die
Der Beweis vollzieht sich im Schlußverfahren. Auch hier
Aufgabe der absoluten Totalität der vollständigen Reihe
ab- wirkt der Logos fort; aus dem Aorog wird der ^rvAXorKn^os.
Bedingungen von der eigentUchen Tendenz des Beweises
haben wir schon, so weit wir sie er- Im griechischen Worte liegt die Zusammenführung der Ge-
lenke; die Totalität
fll

Induktion und Syüogisttk Folgerung nach Qualität 535


534

danken. Und der Zusammenhang nimmt hier die festeste Hoffnung nicht sinken lassend, daß die emsige
allenfalls die

Bedeutung an, die unser deutsches Wort wiederum bezeichnet; Sammlung des Einzelnen das Allgemeine ergeben werde.
der Schluß ist der Zusammenschluß. Die Notwen- 63. Die Induktion bei Bacon. Lässt sich
digkeit, als die des Beweises, wird dadurch von neuem in der denn aber eine Sammlung des Einzelnen fortführen, ohne daß
scharfen, zwingenden Bedeutung bestätigt, die ihr von
Anfang das Allgemeine zum Prinzip und also zur Voraussetzung ge-
an beiwohnt. Die Notwendigkeit, als die Notwendigkeit
des worden wäre, und zwar in der ganzen Schwere seines Anspruchs
Schlusses, kommt so von der andern Seite wieder zu der Be- und seiner Strittigkeit? Induktion ohne das Bewußtsein des
deutung einer unverbrüchlichen, herrschenden Geltung. Die voraussetzenden Prinzips hat Bacon selbst als die per
Zusammensetzung der Urteile wird zu einer Verkettung enumerationem simplicem verspottet; aber alle die

der Gedanken, der sich nicht entrinnen lasse; und


die Not- Korrekturen, die er angebracht hat, ändern an dem Notstand
wendigkeit erscheint wiederum wie eine absolute.
Grund der Sache nichts. Er hat den Zusammenhang der Induktion

m genug, daß dagegen zur Vorsicht gemahnt werde; und die mit der Rechnung bei Galilei verworfen; mithin hat
Mahnung ist so dringlich und so überlaut geworden,
daß es er nicht eingesehen, daß die Induktion ohne diesen Zusammen-
i^
andrerseits scheinen könnte, als hätte sie über das Ziel hinaus- hang nur provisorische Bedeutung hat, also ein unselbstän-
geschossen. Die ganze Geschichte der Wissenschaften und
dem- diges Verfahren, s. g. unvollständige Induktion ist. Die Be-
gemäß der Philosophie läßt sich an diesem Motiv abwandeln; deutung der Induktion Hegt darin, daß
der Schluß wurde der Deduktion gleich- auch sie ein Schluß ist, eine Art des Schlusses,
gesetzt; und so trat die Induktion zu ihm also eine Art der Deduktion.
und zu ihr in Gegensatz. 64. Die Folgerung und der SvHogismus.
62. Die Aufstellung der Induktion
ge- Daß die Induktion vielmehr nur eine Art der Deduktion ist,

gen die Syllogistik. Was nun den Vorwurf des läßt sich schon ohne den eigentlichen Schluß erkennen. Die
Formalismus in dem Streit um den Wert der Syllo- Zusammensetzung der Urteile, welche die neue Richtung der
457 gistik betrifft, so bezeichnet schon der Zusammenhang, den Notwendigkeit auszeichnet, ist nämlich von zwiefacher
wir zwischen Notwendigkeit, Beweis und Schluß Art. Die eine stellt nur zwei Urteile zusammen; sie

aufstellen, die Position, die wir ihm gegenüber einnehmen leitet aus einem Urteil ein anderes ab. Diese Art wird als

müssen. Ohne Beweis keine Notwendigkeit; Folgerung, oder als unmittelbare Folgerung,
und ohne Schluß kein Beweis. Es kann oder als Verstandesschluß bezeichnet. Die an-
sich also bei dieser Frage nur um die falsche Spitz- dere Art bildet den s. g. Vernunftschluß, den
findigkeit handeln, wie der jugendliche Kant
die Aus- eigentlichen Syllogismus; sie stellt drei Urteile
führung der Syllogistik gerügt hat. Andrerseits zeigt gerade zusammen: einen b er sa tz, einen Untersatz, einen
der Gegensatz, mit dem man die Induktion gegen die De- Schlußsatz. Schon diese wenigen, aber grundlegenden
duktion ausspielt, wie unvorsichtig man dem Gedanken der Unterscheidungen enthalten das Problem; sie selbst schon
Syllogistik gegenüber sich verhalten hat. Ist denn die sind nicht etwa nur formal im Sinne von äußerlich; jeder 458

Induktion nicht vielmehr selbst ebenso Schritt dabei ist bedeutsam und präokkupierend.
ein Schluß? Man scheint dagegen durch die Induktion 65. Die Folgerung nach der Qualität.
den voraussetzungslosen Gang der Forschung Frage nach dem Sinne des Nicht- A. Was
bezeichnen zu wollen, der vom Einzelnen zum Einzelnen zunächst die Folgerung betrifft, so haben die Regeln
fortschreitet, immerfort sich nur an das Einzelne haltend, und derselben eine Voraussetzung, welche die allgemeinste
li

AUgemeinheit im Unterschied von Allheit 537


536 Folgerung nach Quantität. Aüe

Rück- Die Allgemeinheit des Urteils, aber


68.
Art der Zusammensetzung enthält, nämlich die der weder die des Subjekts, noch die des
sichten, in welche die Urteile nach der Qualität und der
Objekts, ist das neue Problem. Man sieht
Quantität eingeteilt werden. Daß ein Urteil unter diesen hier wieder den innern Zusammenhang zwischen Urteil und
beiden Rücksichten gedacht wird, ist schon eine
Zusammen-
Kategorie. Ist die Allgemeinheit eine Kate-
setzung; dasselbe Urteil wird dadurch in zwei
Urteile
gorie? Diese Frage kann man Bedenken tragen zu bejahen;
zerlegt. Die Qualität nun scheint keine Schwierigkeit
denn nach Aristoteles wäre das Allgemeine
zu bereiten; Bejahung und Verneinung bilden einen genauen
gleich der Substanz, und gleich dem Begriff. Damit 450
Unterschied; aber schon in dem unendlichen Urteil
c h t - A ein
aber schon das Schichsal des allgemeinen Urteils, als eines
ist das N
ist
regt sich eine bedenkliche Instanz i
Urteils, fraglich geworden. Man braucht also nicht erst den
:

oMf-A, oder aber ein ^^- A? * * « * •


Fehler in der Quantifizierung des Prädikats zu bemängeln; und
66. Die Folgerung nach der Quantität. es genügt nicht, die Lücke an dieser Stelle auszubessern.
Noch eingreifender aber sind die Schwierigkeiten bei der
Es ist auch nicht mit der Frage geholfen, ob nicht der Fehler
u Quantität. Hierbei steigert sich dadurch noch die in der Quantifizierung des Subjekts gelegen ist; auch
Schwierigkeit, daß noch eine dritte Rücksicht
hinzutritt,
hier ist jeder Versuch einer Verbesserung hinfällig: man muß
nämlich die der Relation; so daß die Zusammensetzung schlechterdings auf die Allgemeinheit des Urteils
eine dreifache wird. Wir stehen hier vor der Schwie-
die Frage richten.
hingewiesen worden war (vgl. ob. S. 205,
69. Die Allgemeinheit im Unterschiede
rigkeit, auf die schon
liegt in der traditionellen Formel: A
1 1 e S sind P.
249 f.); sie
neuere von der Allheit, wird der Notwendigkeit
Nach dem Vorgange von L'art de penser hat hier die dienstbar. Die Allgemeinheit soll als eine
EnglischeLogik eingesetzt, indem sie zur Quanti-
eigene Kategorie ausgezeichnet, von der
fizierung des Subjekts die des Prädikats hinzufordei te. der Allheit unterschieden werden. Und
die
Indessen wird dabei als unumgänglich vorausgesetzt
sie soll dem Urteil der Notwendigkeit zu-
Quantifizierung des Subjekts; und sie gilt als einwandsfrei
Fragen, fallen. Man könnte auch sagen wollen, daß die Kategorie der
und als selbstverständlich. Ist sie das aber? Alle Notwendigkeit dem Urteil der Allgemeinheit zufalle. An
die gegen Schluß und Folgerung gerichtet werden, dieser Wechselbedeutung von Kategorie und Urteil würden
dennoch
sind bereits in dieser Frage, die nicht gestellt wird, wir keinen Anstoß mehr nehmen. Wir werden aber sehen,
enthalten.
daß in der Tat das Urteil der Notwendig-
Alle als Allheit oder als Allgemein-
67.
keit die allgemeine Tendenz bezeichnet,
heit? Es kommt schon alles darauf an, wie man den Aus- welcher die Allgemeinheit sich einfügt, sich
druck „alle" versteht: ob als Allheit, oder
als
dienstbar macht. Um nun aber zunächst füi die Folge-
Allgemeinheit. Beide Ausdrücke werden gemeinhin
rung diesen Gedanken durchzuführen, müssen wir die Er-
gleichgesetzt; während doch schon die alte Metaphysik
die
örterung des Schulbeispiels noch näher betrachten.
Omnitudo in einem besonderen Sinne nahm, nämlich für die 70. S i s t X f ü r P. Es genügt nicht, das quantitative
Uns bedeutet die Allheit die
absolute Substanz. Alle in Anspruch zu nehmen; die ganze Gliederung des Urteils
Kategorie der unendlichen Reihe. Es ent- trägt den Grund des Fehlers. Es ist falsch, für das kate-
steht nun die Frage, ob die Allgemeinheit gorische Urteil, als das Urteil der Substanz, die Formel
als eine neue Art des Urteils ausgezeich- anzusetzen: S ist P. S ist nicht P, sondern S ist S für P;
net werden darf.

Ui
8 nicht Anzahl Einzelnes Urteil 539
538
iM

genauer S ist x für P. (Vgl. ob. S. 250). So wird es sogleich


bar; sie ist schlechterdings Allheit; an ihren Prädikaten,
deutlich, daß S nicht einen bestimmten Inhalt bedeuten darf, wenn man einmal so sagen darf, tritt die Zahl als Größe auf.
sondern allein die Voraussetzung für einen solchen; Welchen Sinn hat es daher, zu sagen: alle S sind P? Darf
\
'*

richtiger für die Bestimmung des Inhalts.


Die doch S in keiner Anzahl gedacht werden.
Formel S ist P aus der Verwechslung des Urteils mit dem
ist Die Antwort kann sehr bestimmt gegeben werden S i s t
:

Satze entstanden; als ob das kategorische Urteil zu nichts gar nicht als Anzahl gemeint. Es wäre auch
anderem da wäre, als die Gliederung des Satzes in Subjekt höchst sonderbar, wenn dem sogenannten allgemeinen Urteil,
und Prädikat darzustellen oder allenfalls vorzubilden. also einer fundamentalen Art des Urteils, ein so radikaler Fehler
Wenn dagegen S ist P eine Art des Urteils unter der anhaften würde, als den ihn die neuere englische Logik ansieht
Rubrik der Relation zu vertreten haben soll, wie wäre dann und korrigieren zu können glaubt. Von unserem Entwürfe aus
''I
diese Relation zu verstehen? Die Relation der Größe müssen wir überhaupt an dieser Bedeutung von alle S Anstand
ist ausgeschlossen; obschon der ungeheuerliche Fehler in den
nehmen; denn erstlich haben wir der Allheit eine präg-
Lehrbüchern nicht gar selten ist, daß S = P gesetzt wird. nante wissenschaftliche Bedeutung zugewiesen, mit der der
Die Relation kann aber doch unmöglich gegen die I d e n - unbestimmte und zweifelhafte Sinn, von dem alle S doch
tität verstoßen; S kann also nicht identisch mit P sein nun einmal nicht zu befreien sind, sich nicht verträgt. Die
m 460
Allheit vollzieht höchste Bestimmtheit,
sollen. Man sieht, daß das kategorische Urteil nur als die die
Voraussetzung für die eigentlichen Relationen gedacht von welcher alle S weit entfernt
sind, sofern ihr Verhältnis zu
werden kann, wie es sich uns im Urteil der Substanz klar- allen P, wie gerügt wird, unbestimmt bleibt. Wenn
gestellt hat. Jetzt stehen wir vor den Konsequenzen, die daher unsere Allheit diesen Gesichtspunkt vertritt, so kann 461

sich daraus ergeben. Sie erstrecken sich weiter, als wir sie derselbe nicht auch von „alle S** vertreten, oder auch nur
zunächst in Erwägung ziehen. unterstützt werden.
Den andern Grund für den vorliegenden Fehler wollen 72. Das einzelne Urteil. Ferner aber haben wir

wir jedoch noch kurz betrachten, der in der Bedeutung des unter den Urteilen der Quantität das einzelne Urteil
Urteils als Verbindung hegt. Die Relation scheint ausgelassen; wie wir auch die Einheit nicht einer beson-
dieser Ansicht Vorschub zu leisten. S ist P bedeutet danach deren Art des Urteils zuerteilt haben: sie gehört allen an;
die Verbindung von S und P. Aber was bedeutet Verbindung? sie steigert sich in ihrer GHederung. Das Einzelne, dem das

Die Unbestimmtheit des psychologischen Ausdrucks muß Allgemeine entgegentritt, haben wir dagegen in dem Urteil
eben durch die Logik, durch die Relation korrigiert werden: der Mehrheit untergebracht; es ist die Einheit der
S ist X für P. Mehrheit. Wie die Mehrheit in Einheiten sich aufreiht, so ist
71. Sist nicht Anzahl. Wenn nun schon S auch die Einheit mit dieser Mehrheit verknüpft. Sie ist nicht
ist P eine falsche Formel ist, so ist die Formel alle S sind P selbständig; sie hängt und schwebt in der Reihe der Mehrheit.
eine Steigerung des Fehlers. S ist nur x, und darf nur x sein, Es fehlt also dem angeblichen Allgemeinen an dem Korrelat
Wenn der Gesichtspunkt der Relation mit dem Gesichtspunkte des Einzelnen. Wiederum ein Fingerzeig gegen die quantita-
der Quantität, die Substanz mit der Allheit verbunden wird, tive Bedeutung von „alle S**.

so ist diese Verbindung durchaus statthaft; aber sie muß sich Erst dem Urteil der Wirklichkeit war es vorbe-
eben auf die S u b s t a n z sie darf sich nicht auf S beziehen,
,
halten, das Einzelne in seiner methodischen Bedeutung zu
sofern dieses S als Subjekt, nicht aber als Substanz begründen und festzustellen. Das ist ein neuer Beweis, wie eine
gedacht wird. Die Substanz ist nicht abzähl- Kategorie, die man der Quantität, und nur ihr zuweisen zu
Besonderes und Allgemeines 541
540 Besonderheit als Kategorie

Il

müssen glaubt, die das Fundament für diese zu bilden scheint, Mehrheit nichts gemein. Wir kennen genugsam die umfas-
dennoch ihr fremd ist, sofern man die Quantität in metho- senden und tiefgreifenden Aufgaben der Mehrheit. Sie hat
freilich Sonderung zu vollziehen; aber nur im Ausdruck
k-i:

discher Genauigkeit auf die Mathematik einschränkt.


73. Anstatt der Mehrheit die Besonder- ist diese Sonderung mit der Besonderheit verwandt, die uns

heit. Wie steht es nun aber um die Mehrheit selbst, jetzt vorliegt. Jene Sonderung, die zugleich ebenso sehr
abgesehen von den Einheiten, aus denen sie besteht? Einigung ist, hat die Zeit und die Zahl zu erzeugen; um
Entspricht sie der dritten Art, welche man unter jener solche Grundformen der reinen Erkenntnis handelt es sich
^H
Quantität, die wir bestreiten, dem Allgemeinen und dem Ein- hier nicht mehr; wir stehen hier innerhalb der kritischen
zelnen als das Besondere koordiniert ? Das Beson- Urteilsarten. Wie aber der Beweis das hauptsächliche Werk-
dere muß uns von entscheidender Bedeu- zeug der Kritik ist, so muß das Besondere die unent-
ff'
tung sein; der Gang unserer Überlegungen fordert es behrliche Kategorie werden, welcher allein
heraus.Wir stehen in diesem ganzen Zusammennange in dem dieVereinbarung des Einzelnen mit deni
Problem und Interesse des Beweises. Die Notwendigkeit soll Allgemeinen gelingen kann. Nimmt man die
die Notwendigkeit des Beweises sein; nicht die der reinen Besonderheit als Vielheit, so bleibt sie unbestimmt; die

Erkenntnisse. Der Beweis fordert im Unterschiede von jenen Mehrheit selbst läßt ihre Eigentümlichkeit nicht hervor-
reinen Erkenntnissen die besonderen Gesetze. So könnte treten.
Besonderen vom
Vi

man schon mit einem Wortspiel hieraus die Notwendigkeit der 76. Unterscheidung des
Besonderheit entnehmen; die einzelnen Gesetze bilden in der Allgemeinen. Das Besondere darf auch nicht als das
J
Tat eine Besonderheit gegenüber jenen allgemeinen Gesetzen Allgemeine gelten; das Allgemeine muß von ihm
der reinen Erkenntnisse. Indessen liegt die Sache tiefer und unterschieden gehalten werden. Das Besondere ist aber nicht
einfacher für die Besonderheit. nur nicht das Allgemeine; sondern auch das Nicht- Allgemeine.
:1

74. Die Besonderheit als Kategorie. Der Man könnte versucht sein, das Ursprungs-Urteil auch hier in
Beweis soll die Aufgabe haben, das Einzelne in den allgemeinen Anwendung zu bringen, und das Allgemeine aus diesem Nicht-
*1 Fall zu verwandeln; er soll also das Einzelne mit dem All- Allgemeinen des Besonderen herzuleiten. Wer wollte in der
gemeinen vereinbaren und versöhnen. Dazu bedient er sich Tat verkennen, daß die besonderen Gesetze den Ursprung
462
der einzelnen Gesetze; dazu sucht, erstrebt, erschließt er sich der allgemeinen enthalten, und immerfort das Verlangen
die einzelnen Gesetze. Wie können aber die einzelnen Gesetze, nach ihnen und den Glauben an sie wacherhalten. Das
die doch, als Gesetze, selbst Allgemeinheiten sind, jene
so N i c h t - A 1 1 g e e i n e wird so in Wahrheit
m
äußerst schwierige Vereinbarung mit dem Einzelnen bewirken ? zum Besonderen, um das Allgemeine tiefer
Maji sieht, es fehlt hier eine Kategorie; und es war wirküch zu begründen und zu befestigen. Ohne den Beweis
kein Wortspiel, wenn uns die einzelnen Gesetze eine Be- fehlt ihm die Festigkeit, und also auch eigentlich der Grund.
sonderheit darzustellen schienen. Die Besonderheit Ohne das Besondere kann aber der Beweis nicht von Statten
wird, als eine Ka t e g o r i e, v o n den einzel- gehen; also wäre und bliebe das Allgemeine nutzlos. Die
'I
wr ^ nen Gesetzen gefordert, und neu eingestellt. Gesetze werden für das Einzelne erdacht; das Allgemeine hat 463

Es ist das neue Problem des Beweises, welches in einer neuen nur für das Einzelne Sinn; aber diesen Sinn, der
Prägnanz die Besonderheit ans Licht fördert. erschlossen wird, den der Schluß eröffnet,
75. Die Besonderheit ist nicht Mehr- muß das Besondere erst vermitteln. So
heit. Diese neue Bedeutung der Besonderheit hat mit der bringt das Besondere in seiner Eigentümlichkeit das Allge-
ll't
Alle Menschen werden Brüder 543
542 Fehlerquelle der Folgerung und der SyUogistik

So führt die Verkennung des Allgemeinen zu einer Wertung


meine, von dem es sich unterscheidet, doch erst zur eigent-
des Besonderen, in welcher der Sinn und Begriff des Beson-
hehen Geltung. Es ist selbst nicht das Allgemeine; aber das deren ebenso mißhandelt wird, wie der des Aligemeinen; und
464

Allgemeine erlangt keine Fruchtbarkeit ohne das Besondere.


in welcher schheßHch der Charakter der Logik überhaupt,
77. Einige S Wir haben gesehen, wie die Formel
. . .

sofern sie die Grundlehre der Bestimmtheit ist, aufgehoben,


„alle S" den Sinn der Allgemeinheit gänzhch verrenkt; die
vernichtet und vereitelt wird.
Allgemeinheit wird in die Allheit verschoben; die kritische
Die Rüge gegen die traditionelle Logik kann hier nicht
Notwendigkeit in die Quantität. Immerhin bleibt doch der
Dagegen schroff und nicht breit genug ausgesprochen werden. Man
allgemeine logische Charakter scheinbar erhalten.
darf annehmen, daß das ungünstige Urteil, welches man zu
wahrt die übhche Bezeichnung des partikularen
allen Zeiten über die SyUogistik zu fällen, bald sich
'
i i

Urteils nicht einmal mehr diesen Schein. „Einige


S"
erdreistete, bald aus höherem Sinne bei guter Sachkenntnis
treten jetzt auf den Plan. Man sollte denken, die Logik mache
sich gedrungen fühlte, vielleicht zu einem großen Teile diesem
sich selbst damit den Garaus; so augenfällig, so selbstver-
Fehler zuzurechnen sein dürfte. Im Streite der Meinungen
räterisch ist dieser Verfall in die unheilbare Unbestimmtheit.
werden die Schäden nicht immer an den Stellen aufgedeckt,
Aller Sinn für Bestimmtheit und Genauigkeit muß abge-
an denen sie dunkel gefühlt werden. Die falsche Be-
stumpft und abgestorben sein, wenn man in der Logik sich mit
Einigen abspeisen lassen kann. Und diese Einige figu- sonderheit ist der Grundschaden der
rieren vollends noch unter der Fahne der Quantität; während
SyUogistik.
Der Fehler, der durch die Formulierung der Einigen
sie doch das gerade Widerspiel derselben sind, und ernstlich
begangen ist, ist um so anstößiger, als dadurch der Wert der
nur eine quantit6 n^gligeable vorstellen Wie diese „einige S"
Besonderheit verdächtigt wird; und doch möchte man sagen,
in die Logik sich einschleichen konnten, wäre schlechterdings
.:i
unverständlich, wenn sie nicht unter dem Deckmantel der
daß das ganze S c h 1 u ß v e r f a h r e n von der
Induktion geschützt gewesen wären. Kraft der Besonderheit abhängt. Diese Be-
deutung läßt sich schon bei den Regeln der Folge-
78. Besonderheit die Fehlerquelle der
Folgerung und der SyUogistik. Die positive rung erkennen. Also auch hier wird die Ordnung, Schätzung
man dem Besonderen zuerkannte, bezog und Beleuchtung der Regeln von dem Verständnis der Be-
Bedeutung, die
oder weniger ausgesprochen auf das Schlag- sonderheit abhängen. Und dieser Wert ist grundlegend auch
sich mehr
für den der Allgemeinheit.
M wort der Induktion. Wir werden sehen, wie es darum steht;
!^l
wir werden die Induktion im Zusammenhange 79. Alle Menschen werden Brüder: dies
mit der Deduktion, weil mit dem Beweis, er- meint jeden Menschen. Wir wissen, der Sinn dies
wägen. Aber das können wir jetzt schon sehen, daß der In- allgemeinen Urteils bezieht sich gar nicht auf die ab-
zählbare Allheit; gar nicht auf die Gesamtheit, noch
duktion nur schlecht gedient sein kann, wenn man sie mit
Einigen bewirtet; wenn man in der Unbestimmt- überhaupt auf eine Zusammenfassung, bei welcher
die Einzelnen, als solche, verschwinden müßten; gemeint
heit sie sitzen läßt. Aber das ist eben der Grund für die Be-
ist vielmehr gerade jeder Einzelne selbst.
günstigung der Einigen, daß sie gegen das Allgemeine Front
machen, dem ja kein wirkUcher Wert beiwohne. Die Ne- Das ist der Sinn und die Pointe der Notwendigkeit; sie zielt
auf jeden, während die Allheit nur auf die Zusammenfassung
gierung des Allgemeinen wird so zum Wert und Sinn des
Besonderen. Einige S scheinen noch immer respektabler als ausgeht, W^enn der Dichter sagt : alle Menschen
alle S, die man nur für ein leeres Aushängeschild ansieht.
werden Brüder, so will er nicht eine Bruderschaft der
544 Aügemeinheit ohne Atumahme
Bejahung und kategorisc. 545

!
Menschen in idealer Zusammenfassung konstituieren, bei
82. Die Identität der Begriffe und die
welcher es auf den einzelnen Menschen nicht ankäme. Diese
geschichtliche Wirklichkeit. Indessen ist dieses
Ja
ungenaue Abstraktion -hegt ihm fern; ihr könnte sein Kuß Beispiel doch nicht das geeignete; denn die Menschen
nicht zugedacht sein. Gerade umgekehrt soll jeder
sind ja Brüder; die Bestreitung des Satzes würde dem
Mensch als Bruder umschlungen werden. Die Satze des Widerspruchs verfallen. Der Dichter sagt, sie
Allheit wäre hier eine statistische Abstraktion.
Die All-
¥ gemeinheit, welche einen jeden zum Mitglied macht, werden Brüder, weil sie tatsächlich in der geschicht-
mit der Notwen- lichen Wirklichkeit nicht als solche anerkannt
ist gleichbedeutend werden. In den Begriffen dagegen waltet Identität ob. Die
digkeit. Menschen sind Brüder. So sollte man der Logik gemäß
80. Die Allgemeinheit schließt die
Aus-
sich ausdrücken. Der Dichter aber hat in der Ästhetik
m nah mef alle aus. Die Notwendigkeit ist der logische
Ausnahme- noch außerdem eine besondere Logik. Daher darf er die
Leitfaden, dessen sich die Ethik gegen die indem
logische Identität scheinbar verstärken, er in
fälle bemächtigt, mit denen die Politik die allgemeine der Allgemeinheit gleichsam für jeden
Regel der Nächstenliebe zu bestätigen pflegt. Die ohne Ausnahme das Recht anmeldet. Aber diese
Allgemeinheit bedeutet, als Notwendigkeit, daß schlechter- plastische Evidenz läßt daher auch den Sinn der Notwendigkeit
dings keine Ausnahme zulässig sei. Der Neger zurücktreten, der ja auch überflüssig ist. Der Identität gegen-
Mensch, auch wenn er noch nicht Christ ist. Diese Not-
[iil

ist über ist die Notwendigkeit doch nur ein Pleonasmus.


wendigkeit erstreckt sich auf alle Folgerungen und Schlüsse, 83. Die Ablenkung der Bejahung in das
in denen das Problem des Menschen sich aufrollt. Und das
d ist
kategorische Urteil. Bei der Unklarheit, unter der 466

gerade der Sinn der Notwendigkeit, daß sie für Folgerungen die Charakteristik der Urteile leidet, wird es nicht überflüssig
und Schlüsse brauchbar sei, und einen Leitfaden bilde. sein, auch darauf noch aufmerksam zu machen, daß in unserm
81. Die Grundlage des kategorischen Beispiel, wie wir es jetzt erkennen, nicht in erster Linie ein
fei - Urteils. Machen wir uns zunächst wieder die logische kategorisches Urteil vorliegt, sondern ein Urteil der Be-
Struktur klar. Die Formel alle S sind P muß irreführend sein, jahung. Das große Leistung der Bejahung Identität
ist die :

da schon die Formel S ist P sich alSv falsch herausgestellt hat. zu proklamieren, und zu stiften. Der Dichter umgeht die Be-
Das allgemeine Urteil ist, als Urteil der Notwendigkeit, ein jahung, indem er anstatt ,,sind'* werden sagt, wodurch der
kritisches Urteil. Es hat daher ein naives Urteil zu seiner Sinn zum kategorischen Urteil hin abgelenkt wird. Die Ver-
Grundlage. Als ein solches kann man das kategorische letzung der Identität rügt er dadurch um so aggressiver. So
Urteil ansehen; nur darf man S ist P nicht zur Formel machen; will es seine ästhetische Logik. Aber die logische Not-
sondern S ist x für P. Dieses x braucht nicht allein als die wendigkeit tritt dabei nicht in Kraft; sie ist ja auch gar nicht
Seins- Grundlage für P gedacht zu werden; es kann ebenso vonnöten. Die Ästhetik bedarf ihrer nicht in diesem Falle;
auch als Disposition zu denken sein, als Dispositions- sie ist von der logischen Identität hinlänglich bedient. Um die
material für P. Gemäß solcher Disposition würde eben Notwendigkeit als die Tendenz der Allgemeinheit zu erkennen,
der Neger in dem x des Menschen stecken, und P würde der müssen wir daher an andere Fälle denken, in denen es sich
Wert sein, der auch in dieses x eingesetzt werden müsse. nicht um Identität handelt. Wir haben eben gelernt, daß
So fordert es die Allgemeinheit, welche vielmehr die Not- unter dem Zeichen der Identität nicht einmal das kategorische
wendigkeit bedeutet. So ist die Kritik mit dem kategorischen Urteil eigentlich in Frage kommt; denn auch das Dispositions-
i?r'
Urteil verwachsen. material wird Luxus, wo die Identität herrscht.
Cohen, Logik der reinen Erkenntnis. II. Aufl. 85

l!r '!
p: 546 ^Me Studenten sind Memchen Notwendigkeit hei den Axiomen 547

84. Alle Studenten sind Menschen. Nehmen Die Verkettung, die wir hier, wo es sich um Notwendigkeit
wir daher das bekannte Schulbeispiel „alle Studenten handelt, hervorzuheben veranlaßt werden, bezieht sich keines-
sind Menschen** einmal in Betrachtung. Angesichts der Diszi- wegs allein auf die Glieder selbst, welche und sofern sie in der
plinargesetze, oder ernsthafter noch der sozialen
Reform- fraglichen Relation stehen, sondern vielmehr auf die Glieder
fragen dürfte es den Schein der Trivialität einbüßen;
sie sind einer neuen Relation und somit aül diese selbst, welche
! etwa nicht Übermenschen. Hier kommt es also nicht neu zu stiften ist. Das ist der Sinn und die Tendenz
auf Identität an; bestände sie, so müßte von
ihr Abstand der Notwendigkeit: daß sie ne-oie Relationen
genommen werden. Hier tritt das kategorische Urteil in Kraft; erzwingen will. Die Verkettung will die Kette er-
der Student wird zum Dispositionsmaterial, zum
Problem für weitern.
den Begriff des Menschen. Soll er z. B. denselben Gesetzen Das aber ist der Fehlerinder Auffassung
und derselben Gerichtsbarkeit unterworfen werden, wie der der Notwendigkeit, daß man sie n^r auf dasjenige
bürgerliche Mensch überhaupt? So kann man hier das
kate- bezieht, was noch nicht namhaft gemacht
gorische Urteil in seiner eigenthcheA Bedeutung angewendet worden ist. So beschränkt man die Notwendigkeit auf
finden. einen innern Zwang, auf die Unverbrüchlichkeit eines Be-
bedeutet dann aber dabei die Allgemeinheit,
, •
*
Was stehenden, während ihre eigentliche Bedeutung dar-
wenn sie vollends den Sinn der Notwendigkeit haben soll? über hinausgreift, und in ihren Zauber etwas hineinzieht,
Man kann nicht zweifeln, daß es auf Notwendigkeit abgesehen was noch ni«.' t gedacht ist, aber eben ge-
1^
ist; denn der Begriff der Korporation selbst wäre hier dacht werden muß.
nicht am Platze. Diese ist Zusammenfassung, also Allheit, Im Grunde beruht diese falsche Ansicht auf der Ver-
auch wenn nicht abzählbar ist. Die Korporation würde
sie wechselung der Notwendigkeit mit dem
I aber gerade in eine andere Richtung den Gedanken lenken, a priori der reinen Erkenntnisse. Freilich
467 als in welcher das Urteil seiner Tendenz
nach verläuft. Auf gebricht es auch diesen nicht an der echten Kraft der Not-
den Menschen soll der Student hingewiesen werden; nicht auf wendigkeit, neues aus sich hervorzutreiben sie wären sonst
;

die Korporation. Also um Notwendigkeit


handelt es sich; nicht reine Erkenntnisse. Aber die Notwendigkeit, als die
um Verbindung und Verkettung der beiden Begriffe. Alle des Beweises, geht, wie unsere Disposition uns leitet, von ein-
Studenten sind Menschen, bedeutet: die Begriffe zelnen Gesetzen aus, um an deren Hand vorwärts zu schreiten.
Student und Mensch sind in eine Relation 86. Der Sinn der Notwendigkeit bei den
zu versetzen welche mehr ist als die Verbindung, Axiomen. Statt vorwärts sollten wir sagen abwärts;
wie innig und intim man immer diese sich vorstellen
mag; die Ableitung ist der Weg, auf den es ankommt. Es
welche mehr besagen will als die Identität sogar. verlohnt sich, noch an einem andern Beispiel diesen 4«8

f. Worin besteht dieses Mehr, welches die Not- Irrtum zu beleuchten. Die Axiome gelten als Muster der
wendigkeit hervorhebt und ankündigt? Notwendigkeit. Dennoch aber wird es bisweilen als ein Mangel
85. Die fehlerhafte Auffassung
der Not- empfunden, daß sie unbeweisbar seien. Man glaubt
wendigkeit. Täuschen wir uns nicht über die Bedeutung, allenfalls diesen Mangel dadurch verbessern zu können, daß
welche die Art oder der Grad der Verbindung für die Herstellung sie des Beweises nicht bedürften. Indessen steckt in diesem
in den
dieses Mehr haben kann. Die Verbindung hegt lediglich angeblichen Desiderate eine logische Unreife, welche schon
Arten und Kompetenzen der Relation; und für diese bereitet durch die Idee, als Hypothesis, erledigt sein sollte. Euklid
das kategorische Urteil die Disposition und die Unterlage. hätte seine Axiome schwerlich formuliert, wenn er nicht die
36*
Aequipollenz, Opposition, SvbaUemation 549
548 Notwendigkeit, Allgemeinheit,, Besonderheit

daher nur die der Konversion von eigentlicher Be-


Bedeutung der Platonischen Hypothesis deutung. Die Äquipollenz und die Opposition
begriffen hätte. Die Axiome haben Notwendigkeit; nicht, haben nur mit verschiedener Qualität zu tun ; der
weil diese ihrem Inhalt, insoweit er ausgedrückt ist, beiwohnt, Inhalt wird nicht verändert. Denn bei der Qualität
sondern weil sie neuen Inhalt hervorzubringen ver- kommt nur die Bejahung und die Verneinung in Frage; nicht
mögen. Die Notwendigkeit ist faktitiv. aber etwa auch die unendliche Kontinuität. Es wird daher
Dieser e r z.e ü g e n d e n Notwendigkeit uirt erstellt sich kein neuer Inhalt an den Tag gefördert; es wird daher nicht
die Allgemeinheit. Das allgemeine Urteil ist in der Tat nicht eigentlich gefolgert.
selbständig; die Allheit aber bedeutet etwas ganz anderes. 90. Die Äquipollenz. Die Äquipollenz
Auch die Mehrheit hat eine energischere, prägnantere und macht aus dem Urteil alle S sind P das Urteil kein S ist
solidere Bedeutung, als daß sie durch einige, jene Bastarde nicht P. Das ist nichts Neues; das leistet von Anfang an die
der Logik, vertreten werden dürfte. Verneinung. Es ist daher nicht richtig, zu sagen, diese Fol-
87. Die K^o r d i n a t i n der Kategorie und gerung stütze sich auf den Satz des Widerspruchs; denn sie
der Urteilsart. Hier zeigt sich nun aber wiederum ist schlechterdings dasselbe. Noch ungeheuerlicher ist es,
der Vorteil, den die Erzeugung der Kategorien an der rich- eine andere Art von Beweis für diese angebliche Folgerungs-
tigen Stelle, bei der rechten Urteilsart mit sich führt. Indem regel anzurufen.
wir die Allgemeinheit im Zusammenhange mit der Notwen- 91. Die Opposition. Auch die Opposition
digkeit erkennen, stellt sich dadurch eine Kategorie an der ist nur Kontradiktion. Die Ausschließung des kontra-
rechten Stelle ein, von der die Mißgeburt jener Einigen ein diktorischen Gegenteils, als des Widerspruchs, ist der Inhalt
falsches Bild gibt, die jedoch von der Notwendigkeit gefordert dieser Forderung. Auch das ist keine Folgerung. Das ist das
wird, um der Allgemeinheit zur Seite zu treten. Schwergewicht der Verneinung, daß sie den Wider-
88. Die Notwendigkeit erzeugt aus der spruch geltend zu machen vermag. Und endlich kann
Allgemeinheit die Besonderheit. Wir wissen durch die Veränderung von Bejahung in Verneinung kein
ja, die Notwendigkeit ist die Notwendigkeit des Beweises. neuer Inhalt vermittelt werden, wenn eben das unendliche
Der Beweis prozediert in Folgerung und Schluß. Die einzelnen Urteil ausgeschlossen bleibt. Der Schein, daß die Umkehrung
Gesetze sollen das Einzelne treffen, und mit dem Allgemeinen, der Verneinung in die Bejahung diesen Inhalt erzeuge,
iHi
welches sie enthalten, verknüpfen. So entsteht die beruht auf der Zweideutigkeit des Nicht-P.
1 t'' Besonderheit, als eine selbständige Kate- Es bleiben also nur die drei Regeln übrig, in denen es
gorie. Und wenn wir oben die Notwendigkeit als eine er- sich um die Quantität
handelt; in ihnen kann sich ein
zeugende bezeichneten, so erkennen wir nunmehr den neuer Inhalt erzeugen. Dieser neue Inhalt besteht in der
Zusammenhang dieser Erzeugung mit der Tendenz der Not- Besonderheit, welche aus der Allgemeinheit
Allgemeinheit
wendigkeit, als Allgemeinheit. Die herauszuwachsen hat.
li. erzeugt Besonderheit.
die Beide Kate- 92. Die Subalternation. Als erste Regel
gorien entspringen der Notwendigkeit. Die für diese Folgerung nimmt man die Subalternation
Allgemeinheit, welche in der Notwendigkeit liegt, strebt kraft an. Aus alle S sind P folgt nach dieser Regel einige S
:

dieser über sich selbst hinaus, und erzeugt die Besonderheit. sind P. Hier dürften die Einigen an ihrem Platze sein; so
Diese Erzeugung vollzieht sich zunächst in der Folgerung. bedeutungslos ist dieser Platz; so belanglos ist diese Folgerung.
469 89. Die Regeln der Folgerung. Unter den Ist denn das überhaupt eine Folgerung? Hat denn das Wort
fünf sieben Regeln der Folgerung
oder ist
Utnkehrung 551
bbO Kontraposition

I
sondere, dessen wir bedürfen. Sehr verräterisch ist daher der
Alle einen Sinn, wenn es die Einigen nicht in sich schließt?
Terminus, mit dem man diejenige Umkehrung belegt, welche
Wenn wir dagegen Alle nicht im Sinne der Allheit, sondern
das Besondere herbeibringt, als conversio per accidens.
in demder Allgemeinheit, also der Notwendigkeit zu nehmen
Diese Umkehrung ist keineswegs akzidentell; sondern sehr
haben, so würde an Stelle der Einigen die Besonderheit zu hauptsächlich.
treten, der Allgemeinheit zur Seite zu treten haben.
Die
95. Die conversio per accidens. Nehmen wir
470 Besonderheit müßte dann aber einen andern Wert haben, wieder unser Beispiel vor. Aus alle Studenten sind
äußerlichste
als welcher aus dieser Subalternation durch Warum
"'

Menschen folgt: Menschen sind Studenten.


einige
Teilung entsteht.
aber nur Einige? Sollte nicht das Studium die all-
93. Die Kontraposition. Auch die Kontra-
gemeine Regel bilden für den Bildungsgang des Menschen?
Position vermag den Inhalt der Besonderheit nicht zu Man sieht, hier tritt eine bedenkliche Besonderheit auf. Wenn 471

ermitteln. Vor allem operiert mit dem Nicht-P, also


auch sie
ich von dem Begriffe des Menschen ausgehe, und ihn in Be-
mit der kontradiktorischen Verneinung. Wenn also aus: ziehung setze zu dem Begriffe des Studenten, so stoße ich auf
kein S ist P sie folgert: einiges Nicht-P ist S, so ist die eine empfindliche Absonderung. Man sieht, hier bedeutet das
Verbindung des Non-P mit dem saloppen Ausdruck Einige ungenaue Wort Einige
nicht: wie viele, das weiß ich nicht,
nur dadurch möglich, daß im Nicht-P noch ein anderer Sinn lasse ich unbestimmt, darauf kommt es nicht an; sondern
steckt als der kontradiktorische. Man hat daher die Vorsicht vielmehr der Gegensatz zur Allgemeinheit
gebraucht, die Folgerung nicht auf Einige, sondern auf
„min-
bäumt sich hier auf.
,.
destens Einige** zu formulieren. Damit ist aber der völlige Die Umkehrung als Erzeugung der
96.
Notstand deklariert; denn jetzt ist alle Unterscheidung Besonderheit. Und es genügt auch nicht, zu denken,
zwischen der Allgemeinheit und der Besonderheit mutwilhg daß Einige Nicht-Alle bedeuten; dadurch würde die Kon-
aufgegeben. Richtiger ist es, zu sagen, daß die Unterscheidung version auf den Unwert der Subalternation herabgedrückt
noch gar nicht gefunden, daß die Besonderheit im eigentlichen werden; wofern nicht in Nicht- Alle schon die aggressive For-
Sinne noch gar nicht zur Folgerung gelangt ist. derung und Frage auftaucht: warum nicht Alle? Warum
94. Die Konversion. Die Konversion
erst
alle S nur eine Besonderheit? Das ist der Wert dieser
bringt das Besondere zu eigentlicher Bedeutung. Aus Folgerungsregel, daß aus dem allgemei-
sind P folgt: einige P sind S. Wir dürfen Einige
endhch
aus der nen Urteil die Umkehrung des besonderen
P^|!
fallen lassen, und die Urteile also richtigstellen: Urteils hervorspringt. Es ist nicht nur eine Ver-
Relation
Relation von S für P in allgemeiner Geltung folgt die neinung; geschweige, daß sie, wie bei der Kontraposition,
P für S in Geltung der Besonderheit. Hier findet demnach unbestimmt ließe, ob nicht doch vielleicht das Allgemeine
eine Umkehrung statt; nicht sowohl eine
Umkehrung von
noch statt hätte; sondern es ist ein durchaus Neues, das
S und P, alsvielmehr eine Umkehrung der Rela-
hier erzeugt wird: das Besondere als Kategorie.
tion. Denn eben nicht gleichgültig, was in der katego-
es ist
Wenn man indessen das Besondere, wie es gewöhnlich
sich daher mcht
rischen Relation S, was P ist. Man sollte geschieht, als schon vorhanden annimmt, so vereitelt man
I daß Umkehrung, wie man sie nennt,
den Begriff der Folgerung; denn man schränkt sie auf den
dafür interessieren, die
Gegenseitigkeit findet
ein; während sie doch in
eine reine (Conversio simplex) sei; diese
sie liegt also wiederum
speziellen Inhalt
bei der allgemeinen Verneinung statt;
Umkehrung bringt derallgemeinen Erzeugung des Beson-
schon in der Kraft des Widerspruchs; die deren ihren logischen Wert haben muß.
so nichts Neues. Und vor allem bringt sie nicht das Be-
552 Allgemeinheit, Besonderheit

Der Irrtum beruht darauf, daß man die reine Um-


kehrung für die Hauptsache hält, und allen-
fallsauch mit der akzidentellen sich zufrieden gibt. So ver-
legt man den Wert der Folgerung in die U m k e h r u n g ,

und läßt dabei auch noch den halben Wert gelten. Die Be-
sonderheit ist dagegen ein unentbehr- Die Syllogistik.
licher Grundbegriff; sie ist ebenso sehr als K a t e-
gorie anzuerkennen, wie die Allgemeinheit. Ihr Wert 1. Die drei Sätze. Die Folgerung ist die erste Art
wird ebenso, wie der der Allgemeinheit verkannt, wenn sie der Zusammensetzung der Urteile. In ihr beginnt das Denken
unter die Rubrik der Quantität gestellt wird; sie gleichsam zu stammeln für die Sprache, welche die Vernunft
gehört der Notwendigkeit an; in ihr vollzieht sich die Not- im Syllogismus redet. Der Schluß fügt den z'wei Urteilen ein
wendigkeit der Folgerung. drittes hinzu. Und
auf dieses dritte kommt
Die Korrelativität der Allgemein-
97. e s a n. Es heißt daher der Schlußsatz (conclusio,
heit und der Besonderheit. Man kann eine avuTtiQatrfia). Vou den beiden Vordersätzen, Prämissen,
Korrelativität der Allgemeinheit und der heißt derjenige der Obersatz (propositio major), welcher
Besonderheit annehmen. Denn man kann weder Alle das P des Schlußsatzes enthält. Untersatz heißt der-
sagen, ohne das Besondere dabei zu denken, noch umgekehrt. jenige, welcher das S des Schlußsatzes enthält. Der Titel
Es hat keinen Sinn, so darf man streng es bezeichnen, ein all- des Untersatzes aber lautet nicht nur propositio minor,
gemeines Urteil aufzustellen, wenn nicht in der Absicht, das sondern auch assumptio
(::Qo<rÄt]ipig). Dieser zweite
472 Besondere daraus abzuleiten. Es ist ein Vorurteil, daß das all- Titel gibt was wird hinzugenommen in ihm?
zu denken:
gemeine Urteil an und für sich Wert habe. Daher wendet sich Und ebenso ist der griechische Ausdruck, der insbesondere für

h gegen dieses Vorurteil das andere, welches ihm allen Wert den Obersatz gebraucht wird, bezeichnend: er heißt Xrififia.
abstreitet. Wir werden es alsbald noch genauer erörtern; aber Das bedeutet freilich Annahme überhaupt; aber wodurch
wir können es schon hier sehen, daß beide Thesen falsch sind. unterscheidet sich diese Annahme (sumptio) von der assumptio
Der Wert des allgemeinen Urteils liegt in seiner Verkettung des Untersatzes?
mit dem besonderen Urteil. Und die Verkettung verstehen 2. Die drei Begriffe. Auch die Begriffe
wir hier zunächst als Folgerung, also immer schon als
Hinaus- werden dieser Ordnung gemäß unterschieden: derjenige,
gehen und Übergreifen auf ein neues Urteil. So hängt das welcher P im Schlußsatz ist, heißt Oberbegriff (terminus
Besondere mit dem Allgemeinen in der Notwendigkeit zu- ma j r); derjenige, welcher S im Schlußsatz ist, Unter-
sammen. Und die Notwendigkeit vollzieht sich zuerst begriff (terminus minor). Aber noch fehlt die Haupt-
!!',]

in der Folgerung. sache : sie besteht im M i 1 1 e*l b e g r i f f (terminus m e -


d i u s (to fisfToy, oQog fii<rog). In diesem Medium liegt der
Zauber des ganzen Schlußverfahrens; während das Myste-
rium, wie es von jeher anerkannt worden ist, in dem Obersatze 478

liegt. Der Obersatz enthält freilich den Mittelbegriff; dessen


Zauber wirkt aber auch im Untersatz. Es entsteht daher der
Verdacht, daß man vielleicht alle Mystik in dem Obersatze ge-
funden und in ihn gelegt hat, weil man den Wert der Assumptio

!l^
554 Einzelnes, Allgemeines Figuren 555

im Untersatz unterschätzt hat. Was wird denn in ihm die Kompetenz desselben für die Durchführung des Einzelnen
assumiert ? nicht. Die Wirklichkeit kennt nui die allgemeinen Gesetze.
Es ist das S des Schlußsatzes, dessen der Untersatz sich Daher muß die Notwendigkeit hinzukommen ihre Aufgabe liegt
: 474

annimmt. Es wird in der griechischen Terminologie das in dem Besonderen, also auch in den besonderen Ge-
Äußerste (o^o? etrxaxog) genannt. Freilich ist es das Letzte; setzen. Und sie sind es, welche des Einzelnen sich anzunehmen
nämlich dasjenige, auf das man hinauswill. Das pflegt haben, um es mit dem Allgemeinen zu verbinden und zu ver-
aber zugleich dasjenige zu sein, von dem man ausgeht. Wir einbaren. In dieser Tendenz verläuft das fundamentale
haben es bei der Folgerung nur mit der Korrelativität des logische Beweisverfahren des Syllogismus.
Allgemeinen und des Besonderen zu tun gehübt; das Ein- 4. Keine symbolische Quantität des Ein-
zelne ging uns dabei nichts an. zelnen. Hier kann nun vor allem der Einwand ge-
3. Der Unterschied des Einzelnen vom macht werden, daß ja in dem Schema der Syllogismen das
Allgemeinen. Es ist charakteristisch, daß es immer Einzelne tatsächlich keine Bezeichnung gefunden habe; es
kontrovers gewesen ist, ob das Einzelne nicht gibt da nur allgemeine Bejahung (a), allgemeine Verneinung
gleichbedeutend sei mit dem Allgemeinen. (e), besondere Bejahung (i), besondere Verneinung (o). Es
Man beachtete ja nur den Unterschied von Alle und Einige; gibt also der Quantität nach nur Allgemeines und Beson-
so schien es ein geistreicher Ausweg, das Einzelne zum All- deres. Wir haben jedoch schon bei der Folgerung gesehen,
gemeinen zu schlagen. Indessen geht bei diesem Spiel der daß das Besondere hier nicht den Wert der Besonderheit
Wert der Wirklichkeit verloren. Wir haben gesehen, daß in hat, der ihm gebührt. Das unlogische Wort Einige verrät
dem Urteil der Wirklichkeit die Kategorie des Einzelnen dieses Mißverhältnis.
erzeugt wird. So ist die Kategorie jetzt bereits vorhanden; So wenig wir daher von den besonderen Urteilen für
aber wie wird sie wirksam für den kritischen Begriff der die Besonderheit erwarten dürfen, so wenig brauchen wir
Wirklichkeit ? für das Einzelne zu fürchten, wenn es in der Schablone
Wir haben gesehen, wiees keineswegs etwa die Emp- der Syllogistik nicht verzeichnet ist. Es ist in der Tat in dem
findung welche die Wirklichkeit, das Einzelne zu
ist, allgemeinen Urteil enthalten; und das ist statthaft;
gewährleisten vermöchte; sondern daß es der mathematischen denn nicht auf alle S kommt es an, sondern auf die allge-
Mittel bedarf, insbesondere der Größe, um diese Wirk- meine Geltung, wenn sie auch nur auf e i n S sich
samkeit in Vollzug zu setzen. Nun sind aber diese Mittel bezieht. Der Einzelfall selbst fordert seine Verwandlung in
der Wissenschaft selber wieder allgemeiner Art; und ihre den allgemeinen Fall, um als Einzelfall sich zu begründen.
Ergebnisse sind Gesetze. So entsteht in der Tat die Kollision Zu dieser Verwandlung bedarf es jedoch der Kategorie der
zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen, dieweil das
Einzelne im besten Sinne der Fall des Gesetzes ist. Wie
Besonderheit.
aus den
Betrachten w nun von diesen Erwägungen
Schematismus der Syllogistik.
unterscheidet sich nun dennoch das Ein- 5. Die Figuren. Man unterscheidet zunächst die
zelne vom Allgemeinen? Alle Mittel der Wirk- Figur des Schlusses. Wenn der Mittelbegriff (M) das S
lichkeit vermögen es nicht zu isolieren, wenngleich diese des Obersatzes und das P des Untersatzes bildet, so entsteht
Isolierung ihre Tendenz ist; denn in allen wirkt das All- die erste Figur. Bildet M
in beiden Prämissen das P,
gemeine nach, und so kommt es auch zum Widerschein im so entsteht die zweite; bildet M
in beiden Prämissen
Einzelnen. Es bleibt bei der Definition des Einzelnen, welche das S, so entsteht die dritte; und endlich wenn M im
dem Urteil der Wirklichkeit vorbehalten ist ; aber weiter reicht Obersatz das P und im Untersatz das S bildet, so nannte
566 Modi
MiUeWegriff 557

Ga e n u s diese die vierte Figur. Die drei ersten


1

Figuren hat Aristoteles aufgestellt, aber er selbst


sichtigung verdienen? Wo steckt denn nun das
hat nur in der ersten Figur vollkommene Schlüsse
Besondere in der Struktur des Syllo-
{avXXoyifffiol tsAfioi) anerkannt. Trendelenburg hat die gismus ?
dritte Figur fallen gelassen, nicht nur die vierte, 7. Der Mittelbegriff als die Vertretung
was meistens geschehen ist. Kant
aber hatte auch die des Besondern. Der Mittelbegriff hat die
zweite bestritten, und schon im Titel seiner Schrift seine Kraft und die Vertretung des Besondere n.'
Meinung ausgedrückt: „über die falsche Spitzfindigkeit der Er ist das hauptsächliche Instrument des Syllogismus,

475 vier syllogistischen Figuren**. Wenn Aristoteles selbst die Ursa h e (to niv r<^Q ahtov xh fii<To%), wie Aristoteles
c

die Vollkommenheit nur der ersten Figur zu- ihn benannt hat. Dieser Titel läßt sich nicht nur aus
der absoluten Bedeutung verstehen, welche Aristo-
sprach, so für unsern Gesichtspunkt schon dadurch die
ist
Sache erledigt; denn reine Erkenntnis kann nur durch ein teles dem Begriffe, als dem absoluten Prius (izqo'tfqov

vollkommenes logisches Verfahren erzeugt werden. anXütg) zugedacht hat; er begründet sich aus dem natür-
D e Modi. Die Figur wird ferner mit der
6. i
lichen Sachverhalt. Denken wir uns nur in denselben hinein.
Qualität und der Quantität kombiniert; so ent- Die Forschung geht von dem Einzelnen aus. Das Einzelne
steht der Modus (r^oTros). Aristoteles ist von der bildet den nächsten Anstoß. Um
das Einzelne zu erklären,
Unterscheidung der Modi in der ersten Figur ausgegangen. wird das Allgemeine erdacht. Diesen Schritt im Denken 476

Die erste Figur enthält vier Modi mit den scho- bildet das Urteil der Notwendigkeit. Aber mit diesem Schritt
lastischen Namen Barbara, Celarent,
: Darii, tut sich eine Kluft auf; das Einzelne verliert sich im All-
Fer i 0. Die Anfangskonsonanten bezeichnen die gemeinen. So kommt es zu einem zweiten Schritt,
Reihenfolge; die Vokale a, e, i, o, die Quan- den der Syllogismus vollzieht. Man sieht, der erste Schritt
tität und Qualität der Urteile. Man sieht,
die ist nur des zweiten wegen da; er hätte ohne ihn keinen Sinn.

daß das Einzelne in der Quantität unberück- Ein a 1 1 g e m e i n e s U r t e i 1 hat gar keinen Sinn
sichtigt geblieben ist. Und auch das Besondere und Zweck, so scheint es jetzt, wenn es nicht zum Ob er-
ist nur in den beiden letzten Modis enthalten. Es satze eines Syllogismus gebraucht wird. Auch
ist daher selbst von einem so eifrigen Syllogistiker, wie es die Folgerung macht den Sinn des allgemeinen Urteils noch
Ueberweg war, zugestanden worden, daß der Wert nicht durchsichtig. DieConversio peraccidens läßt zwar
dieser Schlußmodi, sowie aller anderen partikularen in den das Besondere hervorspringen; aber wozu ist dieses Besondere
anderen Figuren, durch diese Unbestimmtheit zwar nicht nütze? Innerhalb der Folgerung hat das Besondere daher
aufgehoben, aber beschränkt werde. Es macht sich hier auch die negative Bedeutung des nicht Allgemeinen. Erst
wieder die Unbestimmtheit fühlbar, die in den Einigen im Syllogismus kommt Licht über das
liegt, die eben vollends nur mindestensEinige sind. Besondere, und zwar vom Einzelnen her.
Wir ziehen daraus die Lehre: daß die Kraft des Beson- Erst wenn ich mit dem Einzelnen anfange, was der Syllo-
deren fälschlich in jene i oder o verlegt wird; und wir werden gismus tut, nicht die Folgerung, komme ich zum Besonderen.
in diesem Gedanken durch die Tatsache bestärkt, daß ja Und dieses Besondere liegt nicht in und o, i

auch das Einzelne keine Auszeichnung erhalten hat. Dieses sondern im Mittelbegriff.
ist dem Allgemeinen zugewiesen. Es kommt also nicht auf das 8. DieVermittelung zwischen dem Ein-
Zahlwort eins an; wie sollte das Unbestimmte Einige Berück- zelnen und dem Allgemeinen durch den
Mittelbegriff. Der Syllogismus ist eine Zusammen-
»>

Skepsis gegen den Ohersaiz Zusammenhang der drei Kategorien 559


558

Setzung von Urteilen. Die Zusammensetzung ist jedoch nicht samt der ursächlichen Bedeutung, die ihm daher beiwohne,
etwa äußerlich; dann könnte sie nicht Notwendigkeit er- bespöttelt; ohnehin wird sie ja in den anderen Figuren ab-
zeugen. Der Knoten, mit dem die Notwendigkeit geschürzt geschüttelt. Man pflegt von den alten skeptischen Zeiten her
wird, ist das Besondere, welches im Mittelbegriffe liegt. sich immer nur für den Obersatz zu interessieren, und
alle skeptische Superklugheit gegen ihn zu richten. Wie
Er aber ordnet auch die Zusammensetzung. So betätigt sich
die Kraft des Mittelbegriffs schon in der Anordnung der kann nur der Obersatz allgemein etwas behaupten, bevor
Prämissen. So könnte es scheinen, als ob die Mittelstellung es von Cajus im Blatt gestanden hat ? Man kann sehr gering
allein dem Mittelbegriffe seine Kraft verliehe; indessen ist die von der Geschichte der Logik denken; aber das
Anordnung der Prämissen von dem Mittelbegriffe in ihnen wäre doch wohl nicht möglich, daß sich ein solcher Schnitzer
nicht zu trennen. Worauf es ankommt, ist dies: daß dem hätte vererben können, wenn er einer wäre. Das Schlimme,
Besonderen die Vermittlung zwischen dem Ein- man könnte auch denken, das Schlimmere ist ja eben, daß
zelnen und dem Allgemeinen zukommt. Diese der Schnitzer nicht nur von der Logik formuliert, sondern
Vermittlung besorgt der Mittelbegriff. Daher muß er das von allen Wissenschaften begangen wird; und daß die For- jfcM
Besondere vertreten. Ohne ihn würde die Zusammensetzung schung keinen Beweis vollziehen kann, ohne sich von ihm leiten
der Urteile nicht diejenige Anordnung enthalten können, zu lassen: kann ein solcher fundamentaler Leitgedanke ernstlich
durch welche die Vereinbarkeit bedingt wird. ein so grober, ein so sinnfälliger Fehler sein?

9. Der Begriff des Menschen als be- n. Der Zusammenhang der drei Kate-
gorien. Wir beantworten diese interessante, vielmehr diese
sonderes Gesetz. Machen wir uns nun an dem be-
kannten trivialen Schulbeispiel die Sache klar; wir weit wichtigere Frage, als sie gemeinhin genommen wird,
hier noch nicht. Wir achten nur von hier aus darauf, daß man
werden später sehen, daß das Beispiel gar nicht so unbedeutend
bei der künstlichen Erhitzung über die Frage nach dem
ist,wie es scheint. Alle Menschen sind sterblich. Cajus ist
Mensch. Ergo ist Cajus sterblich. Mensch ist hier der Allgemeinen die nüchterne Frage nach dem Recht des Be-
Mittelbegriff. Er verbindet das Allgemeine des sonderen zu stellen verabsäumt hat. Woher kommt
Obersatzes, die Sterblich keit, mit dem Ein- das Besondere? Mit welchem Rechte kann der Mittel-
begriff eintreten, und wieder eintreten, um im Schlußsatze
477 zelnen des Untersatzes, Cajus Mensch, der
Begriff des Menschen, bildet hier das Beson- heimlich zu verschwinden? Erst indem wir diese Frage,
die Notwendigkeit dieser Frage erkennen, verstehen
wir den
dere, welches das Einzelne mit dem Allgemeinen zu ver- Kate-
knüpfen vermag. Woher kommt aber diese Bedeutung des innerlichen Zusammenhang der drei
Besonderen, diese Kraft eines besonderen Gesetzes in den gorien des Allgemeinen und des Einzelnen
Begriff Mensch? Das einzelne Gesetz ist, als Gesetz, ein
durch das Besondere. Der Syllogismus vollzieht
den Zusammenhang dieser Kategorien; und nur im Zu-
besonderes. Wie aber kommt der Begriff 478

Mensch zu der Bedeutung eines Gesetzes? sammenhang vollzieht sich ihre Bedeutung.
12. Die Bedeutung des Syllogismus
für
Und wie könnte er ohne diese verbindliche Kraft eines Gesetzes
die Prämissen, und zwar das Allgemeine und das Einzelne
das Einzelne. Man könnte hier den Einwand erheben,
in ihnen zur Verbindung und Vereinbarung bringen?
daß wir ja das Einzelne wenigstens schon haben; nicht

10. Die Skepsis gegen den Obersatz. Diese


also im Zusammenhang mit dem Allgemeinen und dem Be-
sonderen es erst zu gewinnen brauchen. Indessen sehen
und
Frage pflegt man nicht zu stellen; man glaubt ihrer ledig Wirklichkeit doch
lernen wir hier, daß seine Bedeutung für die
zu sein, indem man die Mittelstellung des Mittelbegriffs
Das Bild des Syllogismus 561
560 Problem des UrUersatzea

nur eine Antizipation ist; daß dabei der Beweis, durch den 14. Die Leistung des Mittelbegriffs. Um
das Gesetz begründet, und der Schluß, durch den es gewonnen das Besondere zu verstehen, genügt es nicht, auf seinen
wird, unumgänglich vorausgesetzt werden. Also entsteht Unterschied vom Allgemeinen zu achten; sein Verhältnis zum
das Einzelne zwar nicht erst im Urteil der Notwendigkeit; Einzelnen muß klar sein; der Syllogismus erst macht es klar.
aber seine Bedeutung im Urteil der Wirklichkeit kann es Das ist sein Vorzug vor der Folgerung, in welcher der
sich im Syllogismus erst nicht nur sichern, sondern auch Ausgang vom Einzelnen nicht vorgesehen ist. Erst der Schluß
bringt den Untersatz und in ihm das Einzelne herbei.
Aber
erarbeiten. Und diese Einordnung des Einzelnen in den
er bringt mehr. Das Einzelne hat er nur angenommen,
„assu-
Syllogismus führt uns zur Beantwortung unserer Frage nach
Obersatz
dem Rechte des Mittelbegriffs und des Be- miert" ; übernehmen aber mußte er etwas, was der
sonderen in ihm. Werden wir auch fragen, woher das Einzelne ihm vermacht den Mittelbegriff. Worin betätigt sich nun
hatte,
komme; mit welchem Rechte der Untersatz es einführt? die Kraft des Besonderen im Mittelbegriff? Darin, daß er
Isolierung des Einzelnen aufhebt. Das ist die große
i.
Wir pflegen danach so wenig zu fragen, als wir nach dem die
Besonderen fragen; es gilt uns als ein natürliches Recht. Leistung des Mittelbegriffs.
Und dennoch hat der herrschende Schematismus das Ein- 15. DieBedeutung des Besondern für das
zelne von dem Allgemeinen gar nicht unterschieden; hat Einzelne. Wenn der Formalismus der Syllogistik den
er es nicht anerkannt, oder hat er es ver- Untersatz als allgemein hinnimmt, so wird dies dem Mittel-
kannt? begriffe verdankt. Aber über der allgemeinen Gültigkeit,
bewirkt wird, sollte man die Besonderheit
13. Das eigene Problem des Untersatzes. welche dadurch
Es liegt allerdings ein harter Schaden in der Terminologie, nicht verdunkeln, von welcher diese Wirkung ausgeht.
U n-
daß sie nur das Allgemeine (a) und das Besondere (i oder o) sere Frage nach dem Rechte des Mittel-
unterscheidet. Wir wissen bereits, daß durch Einige die Be- begriffs ist nunmehr beantwortet. Ohne das
geben,
sonderheit nicht vertreten wird. Wir sehen jetzt aber, womit Besondere könnte es nicht nur das Allgemeine nicht
man geneigt ist, dieses für eine Steigerung des Beson-
dieser Fehler außerdem zusammenhängen mag, nämlich mit sofern
deren zu halten; sondern viel wichtiger und richtiger
ist es,
der nicht vollzogenen Auszeichnung des Einzelnen. Alle
daß ohne das Einzelne
Besondere das
Skepsis richtete sich, wie gesagt, auf den allgemeinen Obersatz;
dadurch aber wurde der Unterschied des Allgemeinen vom nicht aufhören würde. Einzelnes zu sein.
Es könnte also nicht zum allgemeinen Falle
werden.
Einzelnen nicht hervortretend; es genügte schon der Gegensatz
Und wir sehen jetzt, daß dadurch auch seine
Begründung
des Allgemeinen und des Besonderen, welches Letztere ohnehin
gehemmt wäre;
Wirklichkeit
noch unklarblieb. Der Untersatz bildet dem- und Feststellung für die
und des
nach ein eigenes Problem, ebenso wie der Ober- denn diese beruht auf der Voraussetzung des Beweises
satz; er führt das Einzelne ein. Und er verbindet Schlusses.
Das Bild des Syllogismus. Das Bil^,
dieses mit dem Besonderen. Aber wenngleich diese Verbindung 16.
dem der Syllogismus entsteht, stellt sich uns daher fol-
allgemein gelten mag, so mag dies für das einzelne Urteil in in
Ordnung sein; hier jedoch steht das Urteil als Untersatz; gendermaßen dar. Der Schlußsatz enthält das
es führt den Unterbegriff ein; dieser Unterbegriff ist das Problem; daher die Behauptung, die Thesis. Daß Cajus
479 Einzelne; wie darf dieses in diese Gliederung eintreten? sterblich das ist die Frage. Es handelt sich in ihr um
sei,

Diese Frage führt uns zu unserer Frage nach dem Besonderen zwei Begriffe von entgegengesetzter Quantität; Cajus
Allgemeine. Zur
zurück. vertritt das Einzelne; die Sterblichkeit das
OohiB, Logik d(w rtlnftn Erkftnntnit. TL. A,ufl,
m

Kategorischer Obersatz 563


Einteilung der Schlüsse
l'i 562
n
steht, also im Dienste des Beweises, im Dienste des
also
Ausgleichung dieses Gegensatzes gilt es, ein Besonderes zu
Schlusses. Daß die kategorische Relation an und für sich all-
erdenken; so wird Cajus zum Menschen. Jetzt ist er nicht
gemein gültig das versteht sich für ihre Bedeutung als
sei,
mehr ein Einzelnes, sondern er stellt ein einzelnes Gesetz,
um den Schluß. Der kate-
jetzt aber handelt es sich

480
die Besonderheit des Menschen dar. Der Untersatz
gewinnt so die Bedeutung einer eigentlichen Unterlage. Und
über diese wird nunmehr ein Obersatz errichtet. Dieser
Urteil;
gorische
>vissen,
Obersatz, nicht das Urteil, besagt, wie wir
daß S x f ür P sei, nicht aber etwa P x für S sei. Nach
i
knüpft an das Besondere an; in dieser Anknüpfung dieser Überlegung kommen wir wieder zu der Kombination
des kategorischen Urteils mit dem Allgemeinen
im kategorischen
wird es zum Mittelbegriffe. Und jetzt erst greift die Ver- Folgerung sahen,
Obersatz. Wie wir es schon bei der
knüpfung zu dem Allgemeinen, welches das Problem war. allgemeine Urteil
dürfen wir hier um so das 48i
mehr sagen, daß
Zuerst verbindet das Besondere das Einzelne mit sich; sodann
erst im kategorischen Obersatze zu dem
Rechte seiner Existenz
erst das Allgemeine mit sich. Jetzt ist die These bewiesen; Recht be-stritten.
sie tritt als Schlußsatz in ihr Recht das Einzelne ist mit dem
:
gelangt. Aber gerade hier wird dieses
19 Der kategorische Obersatz.
Der kate-
Allgemeinen verknüpft. Das Besondere hat die Verknüpfung Dunkel, welches
in doppelter Richtung vollzogen. Das Allgemeine an sich gorische Obersatz lichtet in der Tat das
bewirkt. die Allgemeinheit in ihm bildet. Und hier erkennen wir
hätte sie nicht der Allge-
17. Die Einteilung der Schlüsse. Die Be- auch den Nutzen, welcher aus der Verbindung
Erschleichung,
deutung, welche wir hier bemüht sind, dem Besonderen zu- meinheit mit der Notwendigkeit erwächst. Die
die man sonst in „alle S*' beargwöhnt, wird
dadurch ver-
zuweisen gegenüber dem teils anerkannten, teils bestrittenen mcht ein
Allgemeinen, führt uns zu einer andern Frage in der Technik mieden. Dieses allgemeine Urteil ist ja doch
Obersatz; und zwar ein kate-
des Syllogismus, nämlich zu der Einteilung der Satz für sich, sondern ein
gorischer Obersatz. Was das aber bedeutet, das
kann man
Schlüsse. Nach den Urteilen der Relation werden von sich von jener
altersher kategorische, hypothetische, dis- sich nicht klar gemacht haben, wenn man
junktive Schlüsse unterschieden. Erschleichung beunruhigen läßt. Was wird denn
erschlichen? Etwa ernstlich, daß alle S zugleich P
seien?
18. Der kategorische S yl o gi s m u.s. Die 1

erste Stellung kommt dem kategorischen Syllo- Aber das kann ja in einem kategorischen Urteil gar mcht
gismus zu, wie dem kategorischen Urteil. Schon hier liegt ausgesprochen werden. Man käme dann auf den absurden
Ausweg, daß das kategorische Urteil schlechterdings nur ein
eine Schwierigkeit, welche gesteigert wird durch die Be-
identisches Urteil sein dürfte. Der Hund säuft, das
zeichnung des kategorischen Obersatzes in der Qualität der Desperation: er sauft
Allgemeinheit. Je fraglicher diese wurde, desto frag- bedeutet nach dieser geistreichen
hündisch. Das kategorische Urteil aber nichts wemger
ist
licher mußte der kategorische Obersatz werden. Wir kommen
als ein identisches; es ist die Grundlage zu den heterogensten
dabei auf den Satz alle S sind P zurück. Wir wissen, daß er
Verbindungen, sofern sie sich nur in die Schranken der Re-
zu besagen hat.: S ist x für P; und diese Relation gilt all-
lation einfügen lassen. Aber es ist die Grundlage;
nicht
gemein. nunmehr
selbst schon eine Relation. Diese Einsicht haben wir
Manwird nicht auf die sonderbare Frage verfallen, wie
denn anders als allgemein diese Relation gelten könne; sei vom kategorischen Urteil auf den kategorischen Obersatz
sie doch eben die kategorische Relation. Dieses Bedenken zu übertragen.
fällt aus dem Rahmen dieses Kapitels heraus; denn in ihm
20. Die angebliche Erschleichung. üie
Allgemeinheit des kategorischen Obersatzes ist keineswegs
lernen wir, daß das Allgemeine im Dienste der Notwendigkeit 36»
»#

564 Subsumtionsschluß als AUemation. Nicht alle 8 sind P, sondern aUe M sind P. 565

eine Erschleichung; sie kann keine sein; denn sie setzt über sind denn die Oberbegriffe, unter die subsumiert werden
den Inhalt von S und P selbst nichts fest; nicht einmal über könnte? Sind denn Begriffe nach ihrem vollen Umfang und
die Relation von Beiden mehr als die bloße Disposition. Die ihrem genauen Inhalt schon vorhanden und gesichert; oder
Logik kann über den Inhalt von S und P überhaupt nichts aber soll nicht vielmehr der Beweis, und also der Schluß das
aussagen; sondern nur über ihre Relation; oder wenn es Gebiet der Begriffe erweitern, und ihren Inhalt reicher und
sich um A und B handelt, um
ihren Wert als Kategorien. Es durchsichtiger machen? Man sieht, die Subsumtion
degradiert den k a t e g o r s c h e n S c h1uß zur
I hat daher gar keinen Sinn, sich darüber zu ereifern, ob in dem i

allgemeinen Obersatze der Inhalt von S oder der von P an- Subalternation. Man sieht aber überhaupt, wie da-
getastet würde; um den Inhalt handelt es sich überhaupt nicht; durch der innere Zusammenhang der logischen Mittel, der
der ist durch die Identität sakrosankt. Wenn nun aber so der reinen Erkenntnisse platt und äußerlich wird.
allgemeine kategorische Obersatz von dem Verdachte der 23. Nicht alle S sind P, sondern alle
M
Erschleichung gereinigt werden soll, so gilt es zugleich, die sind P. Wenn anders der Syllogismus das Werkzeug des
Schwäche zu erkennen, die bei seiner Stärke liegt. Beweises ist, so muß er der Erzeugung der Begriffe dienen,
21. Der Wert des kategorischen Ober- und für dieselbe unumgänglich sein; nicht nur für ihre Em-
.4: satzes. So wenig das kategorische Urteil die absolute schachtelung. In der Schätzung des SyUogismus ist es jedoch
Substanz enthält, die Substanz vielmehr in der hypothe- umgekehrt zugegangen: weil man den kategorischen Schluß
m tischen und der disjunktiven Relation erst in Vollzug tritt, als Subsumtion verkannte, hat man die Deduktion
so wenig kann der kategorische Obersatz eine absolute, eine überhaupt für solche angesehen, und demnach verachtet.
abschließende Bestimmung enthalten, die mehr besagte, als Schon die Formulierung des Obersatzes hat irregeführt;
alle S sind P stelle es ja bloß, daß P in S
kategorisch anti-
was die Grundlage, die Vorbedingung, die Disposition zu den
Relationen, und also wohl auch zu den Schlüssen der Relation zipiert sei. Man verwechselt aber eben dabei das Urteil und
wird
zu bedeuten hat. Er wäre eine Erschleichung, ein Vorurteil, den grammatischen Satz: die Rose ist rot, darin
Röte in der Rose vorweggenommen, aber in dem 488
wenn er ein Urteil wäre; er ist aber ein Obersatz; er ist für freilich die
Voraussetzung, die Vorbedingung kategorischen Urteil wird nur das x zugrunde gelegt.
Man
den Syllogismus da; er ist die
für die Syllogismen der Relation; er ist nicht weniger als dies, kann hier einen Vorteil darin erkennen, daß Aristoteles
das kategorische Urteil noch gleichbedeutend
genommen hat
aber auch nicht mehr. Er besagt, daß die Relation, welche
mit dem bejahenden; daher hat er alle Kraft in den
Mittel-
zwischen S und P zu suchen ist, so zu suchen sai, daß all-
Subsumierbarkeit. Der Obersatz
gemein S als das x zu denken sei, welches durch P bestimmt begriff gelegt; nicht in die
werde; nicht umgekehrt. Das ist der allgemeine Wert des müßte daher besser so lauten: alle M sind P. Dann
kategorischen Obersatzes. würde das Interesse sogleich auf den Hauptpunkt hin und
22. Der Subsumtionsschluß als Alter- von dem mißverständlichen S abgelenkt werden.
nation. Die falsche Ansicht von dem kategorischen Ober- Der Grund des Irrtums, daß die Ma-
24
satze im Schluß hat die ganze Ansicht vom Syllogismus thematik auf Induktion beruhe. In einer
nutzheh,
beeinflußt. Und die positive Bedeutung, die man dem kate- Hinsicht ist indessen das alte Schulbeispiel ganz
aber zu-
gorischen Schlüsse allenfalls einräumen zu dürfen glaubte, nämlich insofern, als es ein zwar sehr allgemeines,
biologisches Gesetz zum
indem man ihn zum Subsumtionsschluß machte, gleich durchaus empirisches
so
hat erst recht geschadet, wie wir später noch genauer sehen Problem macht. Der Verdacht der Erschleichung trifft
einzelnes, ein besonderes Gesetz. Ganz
werden. Hier können wir nur wiederholentlich fragen: wo doch zunächst nur ein

mmi BWBB*
m
Hypothetischer OberscUz — hypotheHschea Urteil 567
566 Vorzug und Fehler von Fries

mathematische Lehrsätze Bildund Vorbild entwirft er. Das ist gewiß nicht wenig; aber
verfehlt ist es dagegen,
mehr ist in ihm nicht zu suchen; und nlehr aus ihm nicht zu
als Beispiele für den kategorischen Schluß heranzuziehen;
Und doch fehlt noch so viel.
entnehmen.
dann trifft der Verdacht der Erschleichung die ganze Mathe- Grund-
Der kategorische Schluß
27. als die
matik; und so hängt mit diesem Mißverständnis der Deduktion und den
die Ansicht zusammen, daß die Mathematik auf lage für den hypothetischen dis-
Induktion beruhe. Nach unserem bisherigen ter- junktiven. Es fehlt nicht nur viel; es scheint wirklich
alles noch zu fehlen; nur die leere Anweisung scheint der
minologischen Verständnis würde man diesen Irrtum dahin
formulieren dürfen, daß sie auf lauter Untersätzen, wie auf
kategorische Schluß zu enthalten. Woher
aber dasAll-
einem Beine, ruhte. Wir werden aber sehen, daß dieser
gemeine nehmen, das die Anweisung aufstellt? Es
soll doch nicht etwa wirklich bei der Erschleichung bleiben?
Irrtum nicht nur die Deduktion verkennt, sondern auch die nehmen, das der
Induktion beeinträchtigt.
Und woher das Besondere
Mittelbegriff in sich birgt?Nur das Einzelne
25. Der Vorzug und die Fehler vonFries. aber wir sahen schon öfter, daß seine
Es war ein wirklicher Fortschritt, den Fries in der Theorie hat man allenfalls;
mathematischen Feststellung mit einer Vorwegnahme des Beweises, also des
des Syllogismus vollzog, als er die
hypothetischen Syllogismus Syllogismus, unausweichlich verknüpft ist. So werden wir
Sätze und Beweise dem
zu der schlichten Folgerung geführt, welche aus dem Begriffe
zuwies und vorbehielt. Aber dieser Fortschritt wurde durch
derRelation sich ergibt: daß der kategorische
zwei Mängel beeinträchtigt; erstlich dadurch, daß
auch für den mathematischen Beweis die Induktion an- Schluß die Grundlage bilden muß für den
genommen, diese also nicht für die andere Art von natur hypothetischen und den disjunktiven
Schluß, als in welchen beiden die eigentlichen Relationen
wissenschaftlichen Problemen ausgezeichnet blieb. Auf diesen
liegen, also die eigentlichen Schlüsse sich vollziehen
müssen.
Punkt haben wir an dieser Stelle noch nicht einzugehen. Der
andere Mangel aber liegt darin, daß auch er den kate- Die Relation ist eine zwiefache. Wir werden den
gorischen Schluß als den der Einordnung annahm. hypothetischen Schluß als den der De-
26. Der kategorische Syllogismus als die duktion, und den disjunktiven Schluß als
allgemeine Schablone des Schlusses. Uns den der Induktion zu erkennen haben.
dagegen gilt der kategorische Obersatz und somit der ganze 28. Unterschied des hypothetischen
auf ihn gebaute kategorische Syllogismus nur Obersatzes vom hypothetischen Urteil.
Wert der hypothe-
die Frage entstehen, welchen
als die allgemeine Schablone für die eigentlichen Es könnte
wir das hypothe-
ihm wird noch gar nichts bewiesen; er soll nur
In tische Schluß noch haben könne, nachdem
Schlüsse.
tische Urteil erlangt haben. Die Frage würde auf
dem Miß-
zeigen, bewiesen werden muß und werden kann: daß
wie
der kritischen Urteile beruhen,
4M die Notwendigkeit sich als Allgemeinheit proklamiert; und verständnis der modalen,
daß S, als x für P, sich gleichsam transsubstantiiert, nämlich welche die Forschung und ihren Fortgang zu leiten haben.
dem hypothetischen Urteil besitzen wir nichts mehr und
in M. Der Mittelbegriff nimmt die Kraft der Substanz auf In
Bedingung und Gesetz; und
II sich. Und kraft der Besonderheit, die nunmehr ihm beiwohnt, nichts weniger als
Funktion, welche es offenbar macht,
nimmt er das Einzelne an, und stellt sich mit ihm in den allerdings auch die
Untersatz. Aus dieser Gliederung im Mittelbegriffe, vielmehr wie, nach Galileis Gleichnis, im Buche der Natur die

Philosophie mit mathematischen Buchstaben geschrieben


ist.
um den Mittelbegriff herum, entspringt der Schlußsatz. Diese
große Lehre enthüllt der kategorische Schluß; das allgemeine Wenn wir aber diese Offenbarung verstehen und fortpflanzen
Zerlegung des mathematischen Beweises hei Euldid 569
568 Aristoteles' Verwerfung des hypothetischen Schlusses

31. Beeinflussung des Proklus. Hierin hat


wollen, so müssen wir diese Funktionenschrift im Buche der
verbinden. Und diese Syntax des Aristoteles auch schlechten Einfluß auf Proklus geübt,
486 Natur syntaktisch so daß
hypothe- der sonst ganz von Platonischem Geiste erfüllt ist,
hypothetischen Urteils entsteht dadurch, daß das
tische Urteil zu einem hypothetischen Obersatze
gemacht man seinen Kommentar zu Euklids Ele-
wird. Dadurch wird die Anweisung, die im
kategorischen menten als die beste Philosophie der Mathematik be-
gemacht. zeichnen möchte. In der Bedeutung der Hypothesis
Schlüsse nur Schablone ist, fruchtbar und urbar
das Allgemeine? So fragten aber wird er durch Aristoteles, auf den er sich hier besonders
Woher kommt beruft, schwankend und irregemacht.
wir. Der hypothetische Obersatz gibt die
Antwort.
32. Die Zerlegung des mathematischen
Die Vorzugsstellung der hypothe-
11

29. Beweises bei Euklid. Euklid selbst dagegen


tischen Obersätze. Da sind vor allem die Axiome, hatte offenbar den Zusam.menhang des mathematischen
1
liegen; auf
die allen mathematischen Lehrsätzen zugrunde Beweises mit dem hypothetischen Obersatze durchschaut;
8

die alle zurückgehen. Sie sind notwendig; Sind


sie selbst aber er hat ihn aber mehr zerlegt, als formuliert. Das erste 486

notwendig,
bewiesen? Die Frage ist falsch sie sind :
Moment der Voraussetzung ist bei ihm die Aussetzung
weil sie die Grundlagen des Beweises für (tx^emg), die Feststellung des Gegebenen. (Vgl.
l'li

andere Sätze enthalten. Und sofern die anderen Euklid und die sechs Planimetrischen Bücher, von Max
so und
Sätze richtig sind, als notwendig erschlossen sind, Simon, 1901.) Darauf folgt die Behauptung {öL0QL<rii6g),
darin allein sind sie selbst notwendig. Ist das nicht ein Zirkel- die Feststellung des Geforderten. Auch darin
reinen
schluß? Keineswegs; wenn anders der Begriff der werden Voraussetzungen zu präzisieren sein. Darauf folgt
Erkenntnis richtig war. Auch die reinen Erkenntnisse besitzen die Konstruktion {xaxatncsv^). Was diese für die Aus-
keine andere Notwendigkeit als diejenige, daß sich die
Axiome führung der Bedingungen bedeutet, werden wir alsbald zu
und andere Grundsätze und Prinzipien aus ihnen entfalten. erwägen haben. Dann erst kommt der Beweis {ar^oöei^cq)
Sie sind Grundlegungen; und nur insoweit als sie und endlich der Schluß {<TV[i7tiQa<T(ia). Dieser wird die Be-
diesen Geltungswert bewähren, sind sie reine
Erkenntmsse. deutung des Schlußsatzes haben, da der Syllogismus zum
Wenn das schon für diese gilt, wie vielmehr alsdann für die Beweise gehört. So ist in dieser Terminologie die H y p o
-

Axiome. Daher ist es von tiefer Bedeutsamkeit, daß die thesis zwar nicht genannt, geschweige als Obersatz,
eigentlichen Art des Schlusses
Obersätze der ersten nichtsdestoweniger aber in breiter und präziser Ausführung
hypothetische Obersätze sein müssen. zur Geltung gebracht.
Aristoteles' Verwerfung des hypo- 33. Geschichtliche Bedeutung der Ele-
30.
mente Euklids. Der Ruhm, den die Elemente
thetischen Schlusses. Es ist bezeichnend, daß haben, hat auch sachlich die Wissen-
Aristoteles den hypothetischen Schluß nicht an- Euklids behauptet
Unbestimmtheit schaft ausgezeichnet, deren Lehrgebäude er errichtet hat.
erkennt; weil er unter der Hypotbesis
wittert. Es verrät sich hierin sein inneres logisches Miß- Ohne sein Werk hätte sich schwerhch im Mittelalter und in der
Mathematik
trotz seiner großen Frührenaissance der Sinn wach erhalten für die Axiome,
verhältnis zur
aus für den Beweis, und demzufolge für die Präzision
Kenntnisse und seiner vielen eingestreuten Beispiele Anordnung
wenn in der Mathematik. Man kann sagen, die
diesem Gebiete. Man versteht die Mathematik nicht,
der Lehrsätze, die Aufeinanderfolge derselben vollzieht sich
man sie in ihrer Reinheit nicht eo ipso als das methodische
bei ihm nach dem Prinzip des hypothetischen Syllogismus.
Werkzeug der Naturwissenschaft erkennt.
Konstruktion. Definition 571
570 Orund des Unterschiedes von Axiom und Theorem

Prämissen für die 36. Di€ Konstruktion. Auch die Konstruk-


Die voraufgehenden Lehrsätze sind die
tion rechnen wir durchaus mit in den hypothetischen
Begründung erlangen. Und so ist jeder
Durch sie werden die Bedingungen
folgenden, die so ihre
man nehme, welchen man wolle, ein Apparat hinein.
Lehrsatz selbst,
ausgebreitet,zwar gesteigert, aber zugleich präzisiert und
gleichwertiges Beispiel des hypothetischen Syllogismus. dabei gezogen
geklärt. Nicht grundlos werden die Linien, die
34. Der Grund des Unterschiedes von Hilfslinien genannt; sie bringen Hilfe für den
werden,
Axiom und Theorem. Worin unterscheidet sich Beweis; aber diese Hilfe besteht zunächst in einer
neuen
denn für den Fortgang des Beweises das Theorem vom
Dadurch, daß es einen Mittelbegriff, und in ihm
Bedingung. Sie führen jedoch zur Vereinbarung und zur
Axiom?
Besondere hinzubringt, welches den Gegensatz zum
Übereinstimmung mit den gegebenen und
mit den geforderten Bedingungen. Im
das
Axiom bildet. Man möchte das Axiom im Verhältnis zum
Grunde ist daher die Konstruktion vielmehr eine Rekon-
Theorem dem kategorischen Obersatze vergleichen im Ver-
struktion der Lösung nach analytischer Methode.
hältnis zum hypothetischen. Vielleicht darf man in dem
Daß sich die Konstruktion der Anschauung be-
Parallelen-Axiom ein Moment des Mittelbegriffs vermuten,
dient, können wir demgemäß nicht als eine veränderte Methode
und daher seine Strittigkeit verstehen. r e ine n
Axiom ansehen, wie Kant nach seiner Würdigung der
35. Unterscheidu ng: L zwischen kommen durfte. Schon
Ansicht
und Postulat, 2. zwischen Postulat und Anschauung zu dieser
P 1 a t n aber hatte davor gewarnt, daß man den Beweis
Aufgabe; 3. z w s c h e n Aufgabe und Lehr-
i
des Satzes in seiner Zeichnung als Figur sehe. Und
s a t z. Es ist ferner zu achten auf den Unterschied
des mit
wie Descartes, haben denselben Gedanken
487

Axioms und der Postulate (a^nj^ara), obwohl das Cusa,


Nachdruck ausgesprochen. Die Konstruktion unterscheidet
Postulat, wie das der geraden unbegrenzten Linie, deip axio- einer Zeichnung
sich nicht von dem ersten beliebigen Anfang
) matischen Charakter sehr verwandt ist. Daher entsteht der
eines geometrischen Bildes.
Unterschied zwischen Postulat und Auf- 37. Die Definition. Endlich haben
wir auph noch 488

gabe. Euklid hat ein besonderes Buch der Data {öeöof^eva) eine andere Eigentümhchkeit der mathematischen
Methodik,
geschrieben. Hier kommt die Platonische Erfindung Zusammenhange zu würdigen.
Pr die Definition, in diesem
der analytischen Methode zu ihrem vollen Austrag; mathema-
Keineswegs beruht der eigentümliche Wert der
daher aber auch der fruchtbare Sinn des H y p o t h e s i s. auf ihrem Zusammenhange mit der nach-
Es ist aber außer dieser Bedeutung, welche die Rekon-
tischen Definition
träglichen Konstruktion; sondern vielmehr auf
dem hypo-
struktion der gelösten Aufgabe aus ihren thetischen Obersatze, der der Definition
einwohnt. Wenn
Bedingungen an und für sich hat, hier besonders auf
zwei anstoßende Winkel mit ihrem nicht gemeinschafthchen
den Zusammenhang zu achten, der zwischen der Aufgabe dieselben Neben-
Schenkel eine gerade Linie bilden, so sind
und dem Lehrsatz besteht. Indem Euklid die Aufgaben Dies ist der hypothetische Obersatz, unter dessen
winkel.
und ihre Lösung in die Verfassung der Lehrsätze verflochten gegebenen Falle vollzogen wird
Leitung die Definition im
hat, hat er die Begründung der letzteren vertieft. Das
ist
aber sie beweist
Die Konstruktion macht es anschaulich;
anerkannt; damit aber ist eigentlich auch der logische Cha- Syllogismus.
nichts; den Beweis vollzieht der
rakter des geometrischen Beweises als der des hypothetischen
38Die Implikation des hypothetischene
Syllogismus anerkannt. Und je verschlungener dieser Zu- Schluss
sammenhang für die sichere
mehr Begründung Obersatz es. In dem h y p o t h e t s ch e n i

Kratt
wird, desto ist
und Beweise erkennen wir daher die
auf den Syllogismus zu rekurrieren.
I

Induktion nicht als Induktionsschluß gedacht 573


572 Mathematik das Vorbild der apriorischen Deduktion

undden Wert der Deduktion. Darin besteht die Schicksal des Apriorismus überhaupt. Die Mathe-
große Gefahr, welche in auf die Konstruktion
dem Rekurs matik istdas Vorbild der Wissenschaft, sofern Wissen-
und die Anschauung liegt, daß die Eigenart der Deduktion schaft auf reinen Erkenntnissen beruht. Diese aber sind nicht
dadurch verschoben und verdunkelt wird. Die Mathe- ein totes Gut; sondern ihre lebendige Kraft betätigt sich
in den Grundlegungen, welche letztlich in den Ober-
i:.

matikist die Wissenschaft der Deduktion


Und sie ist dies nicht auf Grund der Konstruktion, noch sätzen der hypothetischen Schlüsse, als der eigentlichen
auf Grund des Zusammenhanges der Definition mit der Träger der Beweise, zutage treten. So beruht die Gewißheit
Konstruktion, sondern lediglich auf Grund des hypothetischen dei Mathematik, die sie zum Prototyp der Wissenschaft

Syllogismus. Jeder Begriff in der Mathematik macht, samt und sonders auf der Deduktion. Die Deduktion
ist die Implikation eines solchen; im ist daher der Anker, den die Wissenschaft auswirft, um
Axiom und vollends im Lehrsatze expliziert er sich. Es ist Wahrheit zu begründen und zu befestigen. Die Bestreitung
purer Mißverstand, wenn man dabei abstrakte Leere und der Deduktion bedeutet daher die Gefährdung der wissen-
technischen Formalismus vermutet. Schon der Obersatz sorgt schaftlichen Wahrheit. Es ist die ganze wissenschaftliche
dafür, daß neue Besonderheiten, also neue Gesetze und Wahrheit, die dabei auf dem Spiele steht; denn mit der
Begriffe eintreten; der Mittelbegriff des Obersatzes enthält Mathematik wird zugleich die mathematische Naturwissen-
sie in sich. Und so zieht er auch mittelst desselben das Einzelne schaft hinfäUig.
herbei, das der Untersatz darstellt. Vielleicht hat aber gerade dieser Zusammenhang dazu
39. Die neuen Ober- und die neuenUnter- verleitet, der Mathematik die Deduktion abzusprechen, weil
i!
sätze im mathematischen Beweise. Und es man sie damit auch der mathematischen Naturwissenschaft,
bleibt nicht bei dieser Z w e h e t von Obersatz und Unter-
i i wenn nicht der Naturwissenschaft überhaupt zugestehen zu
satz, sondern in der Verkettung der Sätze tauchen neue müssen glaubte. Ohnehin ist das Problem des Verhältnisses
Obersätze und neueUntersätze auf. So spinnt zwischen der mathematischen Naturwissenschaft und der
sich ein gewaltiges, in die Breite und in* die Tiefe zugleich biologischen einer der Punkte, über die eine sichere

sich erstreckendes Geflecht in dem mathematischen Beweise Klarheit nicht besteht Wir halten an unserem Leitgedanken
fort; da wird alles Einzelne eingeflochten, so weit es der Be- fest, welcher die mathematische Naturwissenschaft, sofern

sonderheit sich einordnen läßt; und doch hängt alles am in ihr reine Erkenntnisse die Grundlage bilden, der Mathematik
letzten Ende in den Axiomen. Man würde dieAxiome angliedert. Mithin muß auch in ihr Deduktion walten. Die
Grund-
entwerten, wenn man der Mathematik reinen Erkenntnisse haben den logischen Wert von
den Charakter der Deduktion absprechen sätzen, welche zu besonderen Gesetzen sich ent-
489 dürfte. Es daher nur konsequent, wenn Diejenigen,
ist falten müssen. Hier aber scheinen schon mehr einzelne
welche in alter Zeit zu dieser sonderbaren Meinung
und neuer als nur besondere Momente ins Spiel zu treten; und
kamen, auch die Axiome
auf empirischer Verallgemei- so wird dadurch der Schein verstärkt, als ob es sich nicht
nerung, also auf Induktion beruhend annähmen; eigentlich lediglich um Deduktion in ihnen handelte. Und so wird von
also nicht annahmen, sondern verwarfen. hier aus auf den mathematischen Beweis zurückgeschlossen.
40. Die Mathematik das Vorbild der 4L Die Induktion wird nicht als In-
apriorischen Deduktion. Es handelt sich jedoch duktionsschluß gedacht. Die Deduktion 490

nicht allein um die logische Charakteristik des mathematischen wird vorwiegend als D e d u k t o n s s c hl u ß i

gedacht. Auf dem Zusammenhange mit dem Schluß


Beweises bei dieser Frage; sondern um den Sinn und das
Disjunktiver Oheraatz Vorztig und Fehler hei Fries 575
574

beruht für die einen ihr vorzüglicher Wert, bei den anderen
43. Der Vorzug und der Fehlerbei Fries.
dagegen ihre Fragwürdigkeit. Dahingegen besteht für den
Der disjunktive Syllogismus wurde im Altertum dem
Begriff der Induktion die Schwierigkeit vor allem hypothetischen subsumiert: und auch in der
k daß streng und ausschließ-
sie nicht neu er n Zeit hat man diese Ansicht fortgeführt, auch wo es
darin,
Induktionsschluß gedacht ist. nicht nur der Umformungen wegen geschah, die schon das
lich als
Irrtum im Sprachgebrauche disjunktive Urteil sich gefallen lassen mußte. Man interes- 491
Aristoteles selbst hat diesen
Sokrates
die Erfindung der sierte sich eben nicht für die Aufgabe, das Beweisverfahren
veranlaßt, indem er dem
Induktion neben der des Begriffs zuerkannte; von einer
für die biologischen Probleme abzusondern
von
Erfindung des Syllogismus aber sagte er dem für die mathematisch-mechanischen. Das ist auch der
sagen. So wurde Fehler bei Fries, der den disjunktiven Syllogismus als
nichts, und konnte und wollte er nichts
die Induktion zu Fahrt ins ungewisse Allgemeine,
einer
den der Induktion erkannte daß er die Induktion
:

sicheres Steuer hatte. Oder aber


nicht auf die Biologie beschränkte, sondern auf die Astro-
während die Deduktion ihr
man mißtraute dieser scheinbaren Sicherheit, und gab sich nomie mitbezog. Und dieser Fehler verdunkelt den
mit der Fahrt aufs Geratewohl zufrieden. Der ganze unerquick-
hohen Wert, den die Theorie der Induktion
liche Streit über Deduktion und Induktion wird mit einem
seines Schülers Ap dauernd besitzen wird. Bei Fries
e 1 1
erklärt sich dieser Fehler aus einer verhängnisvollen Irrung.
Schlage erledigt, wenn man die Induktion in dem elemen-
Während er nämlich der naturphilosophischen Romantik
taren, man möchte sagen pädagogischen Sinne aufgibt, in dem
sonst sich tapfer widersetzte, ließ er sich von der Identität,
sie lediglich die Hinführung zum Allgemeinen bedeutet,
welche S c h e1 1 i n g zwischen Mechanik und Biologie
undsieausschließlich als Schluß der Induktion annimmt.
erstrebte, dennoch verblenden; daher verwischte er auch im
42. Der disjunktive Syllogismus als der Induktion und II
Unterschied zwischen
der Induktion. Was bedeutet denn die Syllogismus den
u
Deduktion.
Hinführung zum Allgemeinen? Nichts anderes 44. DerSchlußvon n auf n + 1. Freilich findet
als die Anweisung zur Bildung des Begriffs.
in der Entwicklung der mathematischen Forschung auch
Diese haben wir im disjunktiven Urteil erkannt. So
die Induktion ihre Anwendung; aber man sollte sie da nicht
hat sich uns der disjunktive Begriff als eine reine Erkenntnis
so nennen; denn sie ist nur heuristisch, und daher auch nur
ergeben, auf welcher an ihrem Teile die Verfassung der
provisorisch dort in Wirksamkeit. Wenn der binomische
Wissenschaft beruht. Jetzt handelt es sich nicht mehr um
diese, sondern um die Kreuzwege der Forschung. An diesen
Lehrsatz erst allmählich die Reihe der W^erte durchläuft,
welche der Exponent annehmen kann, so ist dies nur scheinbar
bilden die kritischen Urteile die Wegweiser. Und so entsteht
Induktion; eher könnte man es Versuch nennen. Übrigens
innerhalb der Notwendigkeit und ihrer Schlußmittel d i e
macht der Schluß von n auf n + 1 diesem ganzen
Frage: wie sich der Unterschied des bio- Versuchsverfahren ein Ende. Ähnlich verhält es sich mit der
logischen Begriffs von dem Gesetzes- angeblichen Induktion Keplers. Sofern er in dem Gesetze
begriffe der mathematischen Naturwissen- des Kegelschnitts die Bahnen der Planeten ent-
schaft im Beweisverfahren wahren und durch- deckte, war er in dem einen Brennpunkt der Ellipse dem
führen lasse. Dieser Frage dient derdisjunk
Begriffe des Zentrums auf der Spur. Hier ist durchaus De-
tive Syllogismus, als der Syllogismus der duktion in Wirksamkeit; nur noch nicht zum Abschluß
Induktion. Seine Unterscheidung von dem hypotheti- gekommen.
schen Syllogismus ist daher geboten.

mgi»<>^h
Untersatz als Verwandlung bll
576 Disjunktiver Syllogismus als der der Induktion

Das P des Obersatzes sammelt die verschiedenen Arten, an


Der disjunktive Syllogismus ist der
45. denen jene Charaktere sich vorfinden; etwa die Taubenarten.
der biologischen Induktion. Die logische Charakte- Sind es alle Arten, welche in diesem P gesammelt
Art des Syllogismus hat nur solche B e i s p i e 1 e
ristik einer sind ? Die Frage -ist ebenso falsch, wie die, welche auf alle S
definitive
zu berücksichtigen, in denen die fragliche Art eine gerichtet wurde. Die Allgemeinheit ist vielmehr Notwendigkeit;
methodische Leistung vollbringt; ein eigenes Problem selbst
und die Notwendigkeit ist produktiv; hat sich im Schluß
und dessen Lösung selbständig durchführt. Die Aus- als solche zu bewähren. Der Begriff ist ein Ideal;
zeichnung des disjunktiven Syllogismus ein Ideal der disjunktiven Allgemeinheit, oder vielmehr
für die biologische Induktion ist um
so
Notwendigkeit. Und die Produktivität dieser disjunktiven
dringlicher geboten, als die Biologie mit Recht
nach der Notwendigkeit liegt im Syllogismus der Induktion.
Mechanik hinstrebt. Wenn jedoch Verwirrungwie und Wären alle Arten der Taube im P des Obersatzes ver-
Verirrung hier verhütet werden soll, so muß ebenso,
die
sammelt, so fehlten ja immer noch die Übergangs-
Selbständigkeit des Problems, so auch die des
Beweisverfahrens formen in ihrer abschlußlosen, freien Folge. Be- Der
der Biologie gewahrt bleiben. griff soll ja ideal bleiben. Das ist es, was die
So zentral ist das Interesse für die Eigenart des
dis-
488 Gegner Darwins nicht verstehen. Daher fordert der
Probleme der Biologie lassen
junktiven Syllogismus. Alle Obersatz seinen Untersatz, in welchem ein E i n z e 1 n e s,
sich als solche des A r t b e g r i f f s fassen.
Der Artbegriff eine neue Taubenart hervortritt.
Gattungsbegriff; ebenso der Ober- Der Untersatz als Verwandlung.
aber ist ebenso der 47. Die
begriff nach seinen Arten, wie der Unterbegriff nach den Stoiker, die den disjunktiven Syllogismus auszeichneten,
Artbegriffe liegt an und für sich der Begriff der
¥;'
seinigen. Im benannten den Untersatz nicht als Hinzunahme {lüQdtrXrjxpig), 4M
Varietäten, und ebenso auch der ihrer Zwischen- sondern alsVerwandl ng (fisiäiriipig). Und es ist, als
glieder und Übergangsformen. Mit einem Worte: der ob das Einzelne dadurch ein Neues würde; es wird
Artbegriff ist der Begriff. Indem man aber so der Verwandlung dadurch zugeführt, daß seine Isolierung
alle Abwandlungen des werden zugleich
Begriffs übersieht, aufgehoben, und es als eine Art den anderen Arten zu-
die Schwierigkeiten, die Kontroversen und die Differenzen geordnet wird. Diese Zuordnung ist der Inhalt und
aus, was
der Standpunkte verständlich; die einen schließen Wert des Schlußsatzes.
anderen heranziehen. So wird die Disjunktion in ihrer 48. Das Verhältnis des disjunktiven
die
Zweischneidigkeit als die Methodik des Begriffs
ersichtlich.
zum kategorischen Obersatze. Man könnte nun
So muß denn auch erklärlich sein, daß die Forschungen,
es wiederum fragen, worin sich denn eigentlich der Schluß-
die sich sonach um den Begriff drehen, nach dem
Schema des satz von dem Obersatze unterscheidet. Die Antwort
disjunktiven Schlusses sich vollziehen; müssen sich
doch die darauf läßt sich am schärfsten dadurch geben, daß man
Formulierungen der Ergebnisse an dieses Schema halten, wenn wiederum auf den Obersatz selbst die Frage richtet: worin
anders sie auf die Feststellung des umfassenden, lückenlosen er sich denn von dem kategorischen Obersatze
Begriffs gerichtet sind. unterscheidet? Wie wir jedoch den disjunktiven Obersatz
46. Der disjunktive Obersatz. Beachten wir als das Ideal des Begriffs uns wiederum lebendig gemacht
zunächst den disjunktiven Obersatz. DerMittel- haben, ist die Frage schon erledigt: der disjunktive Obersatz
begriff sammelt die biologischen Momente, welche selbst enthält in sich nicht die Allgemeinheit,
von
an verschiedenen Arten sich finden; etwa die
Form des der seine Notwendigkeit, wenn sie fruchtbar werden soll,
Farbe.
Schädels oder die des Schnabels, oder auch nur die Cohen, Iiogik dnr Miren Brkenntnis. n. Aufl. 3f
678 Entweder — Oder Indirekter Beweis. Stamr/Aaum 579

dirigiert sein muß. Diese Direktive liegt ein version. Alle S sind P sollte nur so verstanden werden
für alle Mal im kategorischen Syllo- S weist allgemein auf ein P hin, als auf seine Art, oder seine
gismus. Auf ihn gestützt macht der disjunktive Obersatz Gattung. Dann erscheint die Forderung verkehrt, daß P
sein Ideal des Begriffs geltend, welches unweigerlich umgekehrt auch S sein sollte. Als ob dies anders überhaupt
das Desiderat aller Varietäten und aller sich denken ließe als so, daß die Gattung rückwärts auf die
Übergangsformen einschließt. Art Beziehung gewinne.
49. Der Fortgang der biologischen Forschung. 52. Die Fragen nach Umfang und Inhalt
Welchen Sinn hat nun aber das Desiderat dieses Ein- und der indirekte Beweis. Es erledigen sich so
schlusses? Welchen andern könnte es haben als den, daß auch die wechselnden Ansichten, daß der hypothetische
daraufhin der Schluß seinen Lauf nehme, um neueArten Schluß ein Schluß des Inhalts, der disjunktive ein
an der Hand des die biologischen Merkmale enthaltenden Schluß des Umfangs sei; oder daß der kategorische
Mittelbegriffs einzuführen. Besorgt der Unter- Schluß den Umfang betreffe. Da der disjunktive Schluß der
satz fleißig und genau diese Einführung, so kann der Durchführung des Begriffs für die Probleme der biologischen
Schlußsatz sicher vonstatten gehen, der für die neue Induktion dient, so kann es sich in ihm nicht allein um den
Art an ihrem Teile das Ideal vei wirklicht, welches nach dem Umfang handeln. Ohnehin erweist er seine Beziehung auf
Obersatze Ideal bleiben muß. Der Begriff würde in den Inhalt durch seine Verwendung für den indirekten
seiner logischen Idealität aufgehoben, wenn die Induktion Beweis. Zwar ist die Negation scheinbar hierbei vor-
in ihrer disjunktiven Forschungs-Syllogistik jemals zu Ende waltend; aber man möchte annehmen, daß der Umweg des
hängt
kommen könnte, kommen dürfte. So die In- fitj in diese Technik hineinspiele; so durchaus ist das positive
duktion über das Problem der Arten, als Ziel durchsichtig, auf das der Schluß hinsteuert.
das Problem der Biologie, mit der logi- 53. Der Stammbaum der Arten. Um
den
schen Bedeutung des Begriffs zusammen. eigensten Begriff des Inhalts handelt es sich, wenn die Dis-
50. Der falsche Schein im Entweder- junktion sich als Selektion verwertet; denn durch diese
Oder. Auch hier darf man sich durch das Entweder- soll die Lücke der fehlenden Arten ausgefüllt, und der
Oder nicht beirren lassen; der Ausschluß
ist nur Zusammenhang, der Zusammenschluß der Arten begründet
das Mittel; der Zusammenschluß der Elemente, welche werden. Das logische System wird zur natür-
es nun immer sein mögen, ist der Zweck. Die Sicherung lichen Abstammung und Verwandtschaft,*
dieses Zusammenschlusses vertritt der Begriff. Und diese um das Ideal der Induktion zu verwirklichen. Es soll nicht
reine Erkenntnis, welche der Begriff für die Verfassung separate, isolierte Arten geben; sie sollen ein System
der Wissenschaft bildet, nunmehr auch für die Forschung bilden, und auf Grund dieses Systems soll der disjunktive
durchzuführen, dies liegt dem disjunktiven Schlüsse ob; es Syllogismus alle Probleme der Induktion lösen; denn die
ist seine Eigenart. Schon die Folgerung, schon der kate- Methoden der Mechanik werden schließlich zu keinem andern
gorische Obersatz weist in der Allgemeinheit auf die Gattung Ziele auch hierbei in Angriff genommen, als um den Stamm-
und die Art hin. Aber dort bedeutet die Allgemeinheit nur baum der Arten lückenlos aufzuführen.
die Notwendigkeit schlechthin; hier erst bedeutet sie den 54. Eine Frage des psychologischenVor-
Zusammenhang des Begriffs. Urteils. Man wird hoffentlich nicht mehr fragen wollen,
51. Ein neuer Sinn der Regel der Kon- ob die wissenschaftliche Induktion tatsächlich in Form
vers i o n. Das ist ein neuer Grund für die Regel der Kon- des Syllogismus sich ergehe; man könnte die Frage sonst 495
37*
Problem des Zufälligen Hypothetische und deduktive Autonomie 581
580

richten. Die Frage Ethik und in der Rechts-


auch auf die hypothetische Deduktion Grundlagen, in der
psychologischen V o r u r teil, und auch wissenschaft, Allgemeinheit nach dem
aus. Die
stecktim
noch in dem der formalen Logik. Muß etwa die
Infinitesimal- kategorischen Schlüsse haben wir schon vorher am
Rechnung in Form des unendlichen Urteils entdeckt worden Beispiel: alle Menschen werden Brüder, betrachtet. Der
psychologische Gesichtspunkt Mittelbegriff Mensch schließt den Engel und das Tier aus;
sein? Möchte immerhin der
also der logische ebenso den Übermenschen und den Untermenschen, der nur
dafür nicht zwingend sein; der sachliche,
ist es durchaus. . , , tt * •
Werkzeug-Mensch ist, was man bald Sklave, bald absoluten
55. D a s Problem des Zufälligen. Es ist Arbeiter nennt. So wird der Begriff Mensch hier zum Problem
biologischen Begriffs oder zur Aufgabe gemacht. Und alle Bewegungen, Kämpfe
interessant, wie die Notwendigkeit des
ii>

sich auch in seinem Gegenteil bewährt.


Der Zufall ist und Reformen in der sittlichen Welt der Geschichte werden, 496
aber ist ein wissen- wie man sich auch gegen die schlechterdings in jener All-
ein Gebild des Mythos; das Zufällige
sehr ihre Wirk-
schaftUcher Begriff. Die Tatsache, so gemeinheit begründete Notwendigkeit sträuben mag, dennoch
so lange sie
lichkeit bewiesen ist. muß von ihr geleitet und gesteuert. Es ist doch der strikte Begriff
als zufällig gelten, fe

Zusammenhang
einem allgemeinen, vielmehr allgemeinsten des Menschen in seiner ausnahmslosen Allgemeinheit, auf
der Induktion,
noch nicht eingegliedert ist. Das Problem den es ankommt. Diesen kategorischen Sinn hat die Idee
stellt diesen Superlativ der Humanität,
das nimmer befriedigt werden kann, die in der Tat mehr bedeutet als das
Bescheidenheit um
auf Aber die höchste Wißbegier lenkt zur Gefühl der Menschlichkeit.
so läßt die Induktion erkennen, daß alles 58. Die hypothetische und die deduk-
ist, oder vielmehr nichts.
So hat tive Autonomie. Die hypothetische Not-
zufällig
Darwin nachgewiesen, wie die Farbe selbst einen wendigkeit betrifft das Sittengesetz selbst. Das
der Art abzugeben
wichtigen Charakter für die Bestimmung hypothetische Urteil schon ist das Urteil des Gesetzes, also
vermag. führt es auch zum Sittengesetz, dem Gesetze der Freiheit.
_ „ ,
Unterscheidung wesentlicher
, 1 1 •
i.

56 Die Aber wie hebt man den Widerspruch auf, der zwischen
und unwesentlicher Merkmale des Be- Freiheit und Notwendigkeit zu bestehen scheint
demzufolge eine
Die biologische Zufälügkeit hat Hier muß der hypothetische Syllogismus Hilfe bringen;
griffs.
Diese muß. Keine Sittlich-
ganz andere Bedeutung als die physikalische. er ist der Syllogismus der Deduktion.
zum Problem gemacht werden; jene keit ohne Deduktion. Die ethische Deduktion
als solche, provisorisch
darf es niemals; sie würde den
disjunktiven Syllogismus hat Kant als Autonomie
bestimmt, und damit eigent-
die Unter-
hemmen. So zeigt sich auch von hier aus, daß lich die Freiheit verabschiedet und antiquiert. Frei-

scheidung der Merkmale des Begriffs in w e se n t- heit auch eine Art von Autorität. Und sie konnte
ist
unwesentliche hinfälhg und irreführend daher eine solche Mystik verwickelt werden, daß sie
in
liche und
sich um
ist. Der Begriff ist nur Wesen; und zumal, wo es dabei zum Verschwinden kam; wobei an ihr nichts ver-
Zufalhgkeit. loren gegangen sein mag; um so mehr aber würde man an
Lebewesen handelt, gibt es keine unwesentliche
der Autonomie verloren haben, die man jedoch von der
57.Die Bedeutung der kategorischen Freiheit nicht unterschieden hat.
Notwendigkeit als Allgemeinheit. Die Be- Die Autonomie bedeutet das Prinzip
deutung der Notwendigkeit für die
Geisteswissen- der Deduktion in der Ethik. Auch das Sitten-
schaften prägt sich deutlich und bestimmt in deren gesetz kann nichts Höheres zur Grundlage haben als die
Disjunktive Gemeinschaft Stufenfolge der kritischen Urteilsarten
582 583

Grundlegung; so sehr der ethische Glaube P 1 a t o n s hier Auch hier drückt die Abstammung, wenngleich
an seiner Logik Anstoß nahm. Es muß doch so bleiben in nur in mythischer Form, das Prinzip der ethischen
der Ethik, wie die Logik es begründet hat; von dem hypothe- Induktion aus; denn freilich ist die Einheit des
tischen Obersatze dirigiert, muß die Handlung deduktiv Menschengeschlechts nur ein Musterbegriff der
sich vollziehen, wenn anders sie nicht aus Zwang, aus geschichtlichen Induktion. Von besonderer Bedeutsamkeit
Befehl, aus Instinkt, aus hergebrachtem Vor- ist jedoch hier die disjunktive Notwendigkeit insofern, als sie

urteil hervorgehen soll. Alle diese Mächte entziehen sich die besonderen Gesetze der sittlichen Kultur zu einer
der Deduktion. unerläßlichen Forderung und zu einem unausweichlichen
Die Deduktion kann nicht eine absolute Bindung be- Ergebnis macht, wenn anders die Notwendigkeit im Schlüsse
deuten, bei welcher die spontane Betätigung ausgeschlossen sich fruchtbar zu erweisen hat. Und so schwindet von hier aus
wäre; das wäre nicht Deduktion, die von der Oberleitung das Vorurteil von der Leerheit eines absoluten Sittengesetzes
eines Obersatzes ausgeht, und zu einem Untersatze fort- die hypothetische Notwendigkeit geht in die disjunktive über,
schreitet. Die deduktive Autonomie schließt ebenso aber durch die sie ergänzt wird; in der sie sich an den Lebewesen zur
auch die absolute Spontaneität aus, die in eine
?>"J
Verwirklichung bringt.
Unbestimmtheit untergeht; der Obersatz deckt die Direktive 60. Die Stufenfolge der kritischen Urteils-
auf, von der aus eine unzweideutige Operation möglich arten. Wenn wir jetzt die Klasse der kritischen
wird. Urteilsarten kurz überschauen, so ist es zunächst
In der Rechtswissenschaft ist die deduk- nunmehr außer Zweifel gestellt, einmal, daß die Urteile
tive Notwendigkeit in offenbarer Geltung bei der Frage der drei ersten Klassen die Ergänzung forderten, welche
über die Lücken und die Widersprüche im Recht und bei jene ihnen darbieten; der Unterschied liegt in dem der
der Obliegenheit des Richters, nicht allein das Besondere für Verfassung und der Forschung nach ihren jeweiligen Stufen.
den fraglichen Einzelfall zu finden, sondern überhaupt auch Ferner aber hat sich auch der Ausdruck der Kritik für
der Rechtsfindung durchaus sich nicht entziehen zu dürfen. die Modalität, wie der Ausdruck für diese letzte Klasse
Die Deduktion ist die ihm obliegende Notwendigkeit. hergebracht ist, bewährt; denn die Kritik ist es, die die
59. Die disjunktive Gemeinschaft der Forschung von Stufe zu Stufe begleitet und leitet. In der li

497 sittlichen Kultur. Die disjunktive Not- Entwickelung dieser Stufenfolge zeigt sich endlich wiederum
leistet die Entfaltung des Sitten-
wendigkeit endlich die Orientierung, welche in dem Urteil des Ursprungs
gesetzes zu besonderen Gesetzen der Kultur; gelegen ist.
wie die Notwendigkeit überall das Besondere fordert. Das Das Mögliche der Hypothesis bildet den allgemeinen
disjunktive Urteil erzeugt in seiner Anwendung auf die Ausgang; es ist selber wie eine Art des Unendlichen. Von 498

Geisteswissenschaften den Begriff der Gemeinschaft, da schreitet die Wirklichkeit zum Einzelnen fort, das sie durch
das Analogon zu dem des Systems. In dem Begriffe die Gesetze bestimmt, welche in Analogie zu dem Begriffe der
der Gemeinschaft ist die Forderung der besonderen Ge- Größe zusammenwirken. Aber die Operation mit diesen
setze enthalten; denn er ist der Idealbegriff der sittlichen Gesetzen bildet für die Wirklichkeit selbst eine Antizipation,
Kultur auch in dem Sinne, daß er das Vorbild ist für alle die — der Notwendigkeit. Sie ist der Schluß, welcher jene
Arten der relativen Gemeinschaften unter den vorausgesetzten Operationen in Syllogismen aufschließt.
Menschen. Diszerniert wird nur diejenige relative Gemein- 61. Die Disposition des kategorischen
schaft, welche die absolute ausschließt. Obersatzes für die anderen Arten des
584 Logischer Charakter des Syllogismus

Syllogismus und die Analogie zum Urteil


des Ursprungs. Und endlich bewährt sich hier wieder,
welche dem
wie in Abfolge des Ursprungs, die Disposition,
kategorischen Urteil für die anderen Urteile der
ist der kate-
Relation beiwohnt, auch für die Schlüsse. So
Schluß der Allgemeinheit, als der Notwendigkeit,
gorische
Beschluß und Begrenzung. 4»
gleichsam der Schluß des Ursprungs; denn
auch die
Substanz könnte ihre dispositäre Bedeutung nicht besitzen,
Die Logik des Urteils.
wenn nicht der Ursprung auch in ihr nachwirkte. Und so ge-
I.

wahren wir, daß die Kategorie, das Urteil des Ursprungs


ihre 1. Begriff und Schluß im Urteil. Die Logik
fundamentale Kraft über das ganze Gebiet der Logik erstreckt, der reinen Erkenntnis hat sich als Logik des Urteils aufgebaut.
Arten Weder Begriff, noch Schluß sind dem Urteil koordiniert
indem sie ebenso wirksam die Schlüsse leitet, und ihre
t^i^
bestimmt, wie sie die des Urteils erzeugt. worden in der Gliederung der Logik. Der Begriff ist
Der logische Charakter des Syllo-
62 als eine Urteilsart zur Auszeichnung gekommen.
gismus. Damit aber begründet sich nur um so deutlicher Und die Syllogistik ist innerhalb des Urteils
der locnsche Charakter des Syllogismus nach
seiner Bedeutung der Notwendigkeit entworfen worden; der Schluß,
reine Erkenntnis. Die reine Erkenntnis, als die der der Urteile verkettet, hat die Wurzel dieser seiner Kraft ini
für di°e
kraft
Notwendigkeit, welche im Ursprung wurzelt, wächst Urteil der Notwendigkeit.
desselben zu dem Schlußverfahren aus, in
welchem durch Nur das Urteil bildet das Quellgebiet der Logik. Weder
der mittels die Kategorien, noch Grundsätze, Gesetze oder Prinzipien
Deduktion und Induktion der Beweis geführt wird,
mit dem Allgemeinen verknüpft. wurden dem Urteil gleichgestellt. Das eben ist das Verfahren,
des Besonderen das Einzelne
Und in der Induktion hört das Allgemeine nicht etwa auf; den Schatz des Apriorismus zu hüten, und seine
sondern es nimmt nur eine noch gesteigertere Bedeutung an, Zweideutigkeiten zu vermeiden. Wie die Grundbegriffe zu for-
nämlich die des idealischen Begriffs. mulieren und anzuordnen seien, darüber soll die Diskussion
in Fluß erhalten bleiben; angeborene Begriffe sind schon im
Ausdruck vom Übel. Damit ist schon gesagt, daß die Fest-
legung von Grundsätzen in dem Sinne, daß sie unveränderiiche
Grundlagen der Wissenschaft bilden, abgewehrt wurde. Die
fortschreitende Wissenschaft sucht und findet ihrem sach-
lichen Fortschritte gemäß immer tiefere und genauere Grund-
lagen; sie muß daher ihre Prinzipien immer neu formulieren,
und demgemäß ihre Grundbegriffe gemäß ihrer Geschichte
verwandeln.
l; i

2. Der Vorzug des Urteils. Man wird nicht


mehr einwenden, daß dasselbe Bedepken jaauch für den
Entwurf der Urteilsarten bestehe; denn wir kennen jetzt den
Vorzug der Disposition, den das Urteil darbietet. Freilich
soll auch die einzelne Art des Urteils keine definitive Form «»
Entwickdung Ursprung, RecUücU und Gegebenes 587
586

Einsicht und zwar solche, durch welche der Begriff der Ge-
darstellen;auch sie wird von den Veränderungen beeinflußt
schichte bedingt ist, wenn wir in den Arten des Urteils
werden müssen, welche die Kategorien und die Grundsätze
betreffen. Die Arten des Urteils, welche hier entworfen diejenigen Motive des wissenschaftlichen
wurden,, machen keineswegs den Anspruch, gegen die Gefahr
Denkens zu beglaubigen versuchen, welche den Begriff
des falschen Apriorismus gefeit zu sein, welche die Kate-
und die Geschichte der Wissenschaft be-
gorien so vielmals zu bestehen hatten. Dennoch aber ist
gründet und fortgeführt haben.
die Lage des Urteils günstiger. Schon daß eine Anzahl 4. Die Unterscheidung der formalen
von Kategorien in je einer einzelnen Logik von anderen Arten. Die Logik des Urteils
erledigt ferner den leidigen Unterscheid zwischen einer for-
Urteilsart entspringen, läßt die weitere Latitude
erkennen, die dem Urteil eigen ist. Die Art des Urteils erweist malen und einer sachlichen Logik; sei die letztere nun öOt

sich so als eine Richtung, eine Tätigkeit des Denkens, Metaphysik, Erkenntniskritik, oder gar den
während die Kategorie das Gebild dieser Tätigkeit ist, und Wissenschaften einverleibte Methodologie derselben.
daher der falschen Alternative: geworden oder angeboren?
Was nicht sachlich ist, das ist auch nicht
leichter ausgesetzt ist.
formal. Nur das Formale ist sachlich; je formaler eine
3. Die EntWickelung und ihre geschicht-
Metodik ist, desto sachlicher kann sie werden. Und je sach-
licher in der ganzen Tiefe der Sache ein Problem formuliert
lichen Motive. Entscheidend aber ist für das Urteil
wird, desto formaler muß es fundamentiert sein. Die Logik
die historische Einsicht. Es ist ein beklagenswerter
des Urteils erzeugt formal aus dem Urteil die Kategorien,
Mangel der historischen Bildung, daß in einer blöden Ein-
m seitigkeit nur die Entwickelung als der historische als die reinen Erkenntnisse. Diese aber sind die Sachen,
Wegweiser während diese doch in ihren Motiven sich
gilt;
welche den Inhalt und Gehalt vornehmlich der mathema-
tischen Naturwissenschaft ausmachen. Das formale Urteil
selbst die Richtung vorschreibt. Das wäre doch nicht Ent-
erzeugt diese sachlichen Grundlagen, als die Voraussetzungen
wickelung, was ohne Spur und ohne Richtung sich ergehen
der Wissenschaft.
und sich ausbreiten würde. Wenn die geschichtliche Ansicht
auf Richtungslinien in der Welt der Ge-
5. Das Urteil des Ursprungs, der Rea-
danken verzichten müßte, so müßte die Geschichte lität und das Gegebene. Voraussetzungen, Grund-
legungen, sie bilden unsere methodische Richtschnur. Diese
dem Begriffe einer Wissenschaft entsagen. Und wenn sie
hat uns an unsern Anfang herangeführt: den das Urteil des
in dem einzelnen Gebiete des Geistes solche Richtungslinien
nicht finden könnte, sowürde auf diesem Gebiete Wissenschaft Ursprungs bildet. Das Gegebene ist ein Vor-
unmöglich denn Wissenschaft beruht auf reinen Erkennt-
sein;
urteil Empfindung und der Vorstellung. Das Urteil
der
jenen Rich- bedeutet reines Denken; daher muß jedes letzte Element
nissen. Und die reinen Erkenntnisse werden in
desselben vielmehr ein erstes sein. Und dieser Forma-
tungslinien entworfen, welche in den Arten des Urteils ver-
lismus des Ursprungs hat seine Sachlichkeit in dem Urteil
zeichnet werden
der Realität bewährt. Der Ursprung hat sich als der
Mag man auch hier die Titel und ihre Anordnung un-
infinitesimale Ursprung betätigt, und als solcher die neuere
absehbar ändern müssen, immer jedoch werden nicht nur
Mathematik als die Mathematik der mathematischen Natur-
Arten des Urteils auszuzeichnen sein, sondern auch
solche
Arten, in welchen eine Mannigfaltigkeit von wissenschaft vollzogen. Alle Mittel und Voraussetzungen der
Kategorien ihre Quelle findet. Und wiederum ist es mathematischen Naturwissenschaft entfalten sich aus diesem
nicht historisches Vorurteil, sondern vielmehr historische
Ursprung der Realität.
Energie 589
588 Unser Eleatiamtts

Naturwissenschaft die Bahn freigemacht. Der moderne


Auch Ergänzungen, die notwendig sind, werden von
die
Begriff der Bewegung, wie Galilei ihn bestimmte, hatte
hier aus herbeigeführt und an ihrem Orte eingestellt. Als
die Beharrung zur Voraussetzung; aber diese ist und bleibt
solche Ergänzungen haben sich hier die alten Grundbegriffe
die Beharrung der Bewegung; sie ist nichts weniger und nichts
der Zeit und des Raumes herausgestellt. mehr als ein Korrelat. Ihre Voraussetzung ist eben die infini-
Und nachdem die Urteile der Mathematik auf Grund tesimale Realität. Und man wird sich endlich
der Urteile der Denkgesetze das Alphabet ge- entschließen müssen, das Sein, an welchem
schaffen haben, treten die Urteile der mathematischen Natur-
es der Substanz nun einmal gebricht, in
wissenschaft auf den Plan, um mit diesem Buchstabenmaterial
jener zu begründen. Diesen Zusammenhalt von
die Philosophie der Natur zu schreiben. Nun beginnen die
eigentlichen Aufgaben der sachlichen Logik.
Substanz und Realität fordert der Gang der
Wissenschaft, die in ihrem dunkeln Drange des rechten Weges
6. Unser Eleatismus. Was ist denn der ganze sich wohl nicht immer bewußt ist, nichtsdestoweniger aber
Sinn der Logik? Wir meinten, daß der Uralte von Elea diesen
so sicher ihn geht, als er ihre Geschichte vollzieht.
Sinn für alle Ewigkeit bezeichnet habe. Wir faßten aber die
7. Die Aufgabe der Logik. Dieses ihres
Identität von Denken und Sein in der Strenge
Weges dieWissenschaft bewußt zu machen,
auf, daß wir annahmen: es dürfe im Sein kein Problem stecken,
das ist die Aufgabe der Logik. Sie unterscheidet demgemäß
602 für dessen Lösung nicht im Denken die Anlage zu entwerfen
das Urteil des Gesetzes von dem Urteil der Substanz.
wäre. Das wäre kein Problem des Denkens, und könnte
Und wie dort mit dem Gespenst der Materie aufgeräumt
somit auch keines des Seins sein. Das Urteil des Ursprungs wird, so hier mit dem der Kraft. Die Energie ver-
hatte uns sogleich auf die steilste Anhöhe hingestellt. Das
1}
knüpft Substanz und Bewegung. Die Korrelation zieht sich
Urteil der Substanz mußte diesem Barometerstand sich
in ihr zusammen. Sie ist die Selbstverwandlung
anbequemen. Die Substanz war längst nicht der Substanz, wie der Bewegung. Aber sie wäre und bliebe
mehr der allgemeinste, alle Probleme umfassende ein Bild nur, wie auch die Bewegung bis auf Galilei ein 508
Ausdruck des Seins; und nur diesen Wert sollte unzulängliches Ereignis und ein solches Gleichnis war, wenn
doch wohl der Ausdruck des allgemeinen Seins bezeichnen. sie nicht mit den infinitesimalen Realitäten
Der Ursprung und die Realität waren ihm zu operieren vermöchte. Diese sind ihr gegeben, und das
voraufgegangen; und sie behaupteten sich als die Vermögen, mit ihnen zu arbeiten, bezeichnet die Funktion,
unentbehrlichen und unersetzlichen Grundlagen der Substanz die fundamentale Methode der mathematischen Naturwissen-
selbst. Der Substanz war somit so zwar der Rücken gedeckt, schaft. Hier sieht man wieder das Füllhorn von Kategorien,
aber auch der Rückzug zu weiteren Grundlagen, die sie welches das hypothetische Urteil, als das Urteil des Gesetzes,
zu umfassen vermöchte, abgesperrt; sie mußte aufwärts ihre bildet.Die Kausalität wird zur Funktion
Tragkraft versuchen. Sie wurde zu dem führenden Begriffe gebändigt; diese aber belcDt sich und erstarkt zur
der Korrelation; sie wurde die Substanz der Energie.
II.
Bewegung. Bewegung ist der Grundbegriff der mathe- 8. Die Energie. Freilich darf man die Energie nicht
matischen Naturwissenschaft; zu ihr bildet die Substanz die
lii

wieder in die Materie zurückschrauben. Ein solcher Abfall


korrelative Voraussetzung. vom substantiellen Werte, den die Energie in sich aufge-
Das Urteil der Substanz hat nicht nur zugunsten der nommen, ist der Notbegriff der unsinnlichen Masse. Keine
Geisteswissenschaften das Vorurteil der absoluten Sub- Art von Masse ist sinnlich; daher kann auch eine unsinn-
stanz zerstört; sondern ebenso auch für die mathematische
Gegenstand und Zweck 591
System der Reaktion
690

Und wenn vorerst der Begriff eingeschränkt und abhängig


Masse keine Ausnahme von der allgemeinen Masse
bilden.
liehe
von Masse den erschien, insofern er von dem Begriffe des Gesetzes unter-
Die Empfindung bildet bei keiner Art schieden wurde, so verändert sich jetzt das Bild. Alle Gegen-
denjenigen,
Grund, weder den zulänglichen, noch auch nur ständlichkeit, soweit die Energie sie darzustellen vermag,
könnte. Die
mit dem die Forschung, als solche, anfangen verblaßt nunmehr zu dem Schemen einer methodischen Vor-
Erhaltung der Energie bedeutet jenen unzerstör-
bereitung, welche samt und sonders doch nur auf den morpho-
baren Zusammenhalt von Substanz und Bewegung, den die
physikahschen logischen Gegenstand hinzielt. Dieser Gegenstand ist der
Energie selbst schon bezeichnet. Alle Art des Zweck
Energieform, also S elb s t v er wa n d- eigentliche Naturkörper. Und wenn der diesen
Seins muß daher
die Begriff des wahren Gegenstandes finden und suchen zu lehren,
lung der Energie sein. Eine heterogene Masse, die eigentümliche Aufgabe hat, so bedeutet er nichts weniger
der Energie entrückt wäre, kann es nicht geben;
der Erhaltung
Materie heterogen zu sein als den echten und wahren Begriff.
die Art, welche der ponderabeln
scheint, muß in ihrer Energieform bestimmt
werden. Der So sahen wir, wie die Mechanik und die T e 1 e o -
unsichtbar ist nicht nur negativ^ 1 o g i e keineswegs Widersprüche bilden; sondern wie sie sich
Ausdruck unsinnlich oder
Denken der ergänzen; in der Ergänzung vereinbaren. Aber wie die Urteile
sondern auch dem reinen Denken, als dem
widerstrebend und widersprechend. Aber der mathematischen Naturwissenschaft im Urteil des Systems
reinen Erkenntnis,
einen ihre Grenze in der beschreibenden Naturwissenschaft be-
man darf vielleicht in diesem Ausdruck nicht sowohl
den Ver- rühren, so schließt sich überhaupt mit dieser Art des Urteils
unzulässigen Widerspruch erkennen, als vielmehr
Begriff der der Kreis derjenigen Arten des Urteils, welche die sachlichen
such eines unendlichen Urteils für den richtigen
'jljq
Werte der reinen Erkenntnisse erzeugen. In dem Urteil des
sse
Zweckbegriffs bilden sich schon Komplikationen und Kolli-
9. Das System der Reaktion. Das
der
Urteil
sionen von Richtungen, die nicht mehr ausschließlich als
Begriffs
führte uns zur Naturwissenschaft
des
Und Zweck eröffnete sich als eine Richtungen des erzeugenden Denkens sich erkennen lassen;
Biologie. der
schon nach die vielmehr Richtungswege der Forschung darstellen.
regelrechte Kategorie. Wie das Gesetz nicht
seiner spezifischen Bedeutung im Axiom und Lehrsatz Als solche treten hier schon auf die Deduktion und
der Mathematik zur Geltung kommt, sondern
erst im e - m die Induktion; die eine wird durch das Urteil des
Prinzip und im a uN r es e t z, so Gesetzes, die andere durch das Urteil des Systems vertreten.
chanischen t g
vollzieht auch der Begriff weder in der
Mathematik noch in Der Begriff wird daher genötigt, von dem Gesetzesbegriffe
Naturwissenschaft seine spezifische Be- sich abzuscheiden und auf den Zweckbegriff sich einzu-
der mathematischen
in der Biologie. schränken. Das ist wiederum formale, methodische Vor-
deutung, sondern erst in der teleologischen,
Kategorie der bereitung; in solcher ist der Zweck genau eben so viel wert
Indessen ist das disjunktive Urteil, dessen
804
Begriff wird, in erster Linie das Urteil des S y te
s s. m
Und als Kategorie, wie die Kausalität und die Substanz. Aber die

die Kategorie des Systems deckt die


Blößen auf, mit denen Vorbereitung soll zur Sache selbst führen. Diese ist nicht
ist. A 1 1 e A k 1 1 o n mehr der Gegenstand, als der Naturkörper; sondern die 606
die KaüsaUtät auch als Funktion behaftet
Aktion sein will; Sache, um die es sich nunmehr handelt, ist die Forschung
muß Reaktion werden, eines Gegen-
wenn sie
in ihren Wegen und Stufen.
dergestalt sein will, daß sie die Erzeugung
11. Die Urteile der Methodik der For-
standesbewirke.
10. Der Gegenstand und
der Zweck. Der schung. So entstanden uns die Urteile der Me-
Urteilsart.
Gegenstand wird die zentrale Kategorie in dieser thodik, wie wir die alte Modalität bestimmten. In
Urteile der Methodik Allgemeinheit als Prinzip des Syllogismus 593
592

in der kritischen Sprache ausdrücken, etwa, sofern das Einzelne *o8


ihnen tritt die Kritik auf. Warum sind denn hundert
als eine Hypothese gelten darf, als eine bloße Möglichkeit?
wirkliche Thaler nicht mehr als hundert mögliche Thaler?
Gibt es nun hier keinen Ausweg? Wenn es keinen gäbe, so
Weil es sich um ein Urteil der Kritik dabei handelt, die nicht
wäre das Mittel hinfällig, welches wir in dem Einzelnen an-
schlechterdings von der Rücksicht des Besitzes und der
Habsucht besessen zu sein braucht. Das Urteil der Mög- riefen, um die Wirklichkeit zu vollziehen. Indessen ist dem
Hypo- nicht also. Das Allgemeine bedeutet nämlich nicht nur jene
lichkeit eröffnet die weite Perspektive auf die Möglichkeit des Begriffs; sondern etwas Anderes und Neues.
these. Und diese ist nicht nur für den Sternenhimmel der 12. Streichung des allgemeinen und des
fruchtbare Grundbegriff. Wir sahen, daß der fundamentalste
einzelnen Urteils bei der Quantität und
Begriff aller Spekulation, insbesondere auch der philoso-
Bewußtseins hier zu seiner
ihre Wiederaufnahme bei der Modalität.
phischen, der Begriff des
Die Veränderung der Quantität hatte die der Moda-
Auszeichnung gelangen konnte; und daß in ihm alle Falten
lität zur Folge. Das Einzelne wurde bei der
der Möglichkeit verborgen liegen.
Das Urteil der Wirklichkeit erscheint jedoch
Quantität gestrichen. Die Mehrheit führte zur
Zeit, und die Allheit zum Räume. Das allgemeine
m' noch interessanter. Die Wirklicnkeit bildet den schwersten
Empfin- Urteil wurde ebenso gestrichen, wie das

Anstoß des reinen Denkens; sie glaubt man in der
einzelne. Das Urteil der Notwendigkeit
dung geborgen; und nur in der Empfindung gegeben. Wir
erst führte und wurde unszum allgemeinen
reduzierten sie auf die Kategorie des Einzelnen. Aber
Urteil. Wir haben das Urteil der Allheit in seinem
auch diese ist nicht eine erzeugende Kategorie; sie darf es
Würde mathematischen Eigenwerte kennen gelernt; mit diesem hat
nicht sein innerhalbder kritischen Urteilsarten.
das banale allgemeine Urteil nichts zu schaffen. Jetzt aber
nun aber eine kritische Kategorie nicht zu Gebote stehen,
darf in einem unverdächtigen Sinne das allgemeine Urteil zu
so müßten wir auf die reine Erzeugung der Wirklichkeit
Worte kommen.
Verzicht leisten. Aus solcher Notlage befreit die Kategorie
der Größe, welche der des Maßes
im Urteil der Mög- Die Allgemeinheit besteht in dem
Prinzip des Syllogismus, welches sie enthält und
lichkeit analog ist. Sie ist keine einfache Kategorie; sie setzt
aufstellt. Wie Kant sagte, ist die P e t t o des allgemeinen
die Zahl und den Raum voraus; nicht minder auch i i

Obersatzes das Prinzip, welches daher nicht erschlichen sein


das System. Sie ist eben eine kritische Kategorie. Mit
kann. Dieses Allgemeine, der Ansatz des Schlusses, erzeugt
ihr gelingt es, des Einzelnen Herr zu werden, und es zu be-
als sein Korrelat das Besondere. Mit dem Besonderen
stimmen.
erst entsteht die Möglichkeit, das Einzelne mit dem
Indessen erfordert diese Bestimmung ein Hinausgehen
Allgemeinen zu vereinbaren.
auf einen neuen Zusammenhang. Wir hatten soeben
gesagt, daß auch das System eine Voraussetzung für die Größe
Der Syllogismus rechtfertigt daher
bildet; nicht minder aber auch die Funktion. Man sieht also,
auch erst das Einzelne als Einzelnes, weil
und sofern er es mit dem Allgemeinen in Zusammenhang
daß die Größe ein Operationsbegriff ist für die erzeugenden
bringt, also auch von demselben unterscheidet. Diese Recht-
Methoden selber. Diese müssen daher in Vollzug treten,
fertigung des Einzelnen hat ferner zur Voraussetzung die
wenn das Einzelne zur Bestimmung kommen soll. Diese
Erzeugung des Besonderen im Mittelbegriffe des Schlusses.
aber bringen das Einzelne wieder in Gefahr, seinen Eigenwert
Also auch von dem Besonderen scheidet sich das Einzelne; und
zu verlieren^ und in ein Allgemeines sich zu verwandeln, das
doch wird es durch dasselbe mit dem Allgemeinen verkettet.
will sagen, in einen bloßen Begiiff; oder wie soll man dies
Cohen, Logik der reinea Erkenntnis. II. Aufl. S8
Zwei Gegensätze in der Philosophie
Logik dea Idealismus 595
594

des Ei nzelne n n o ch 2. Die Verbindung der


So wird der Eigenwert
^-^
mit der historischen E n tsystematischen
wi c k el u n g. Den
genauer durch ^.'\\^,tTev i^cuuiv
aer D^^^^^^ Idealismus, mit dem wir die Logik der
IQ nip Notwendigkeit reinen Erkenntnis
sahen wir nun Dedu^^^^^^^ charakterisieren, verstehen wir vielmehr in
geschicht-
In dlm Sr\:U der N^otwendilkeit lichem Verbindung
Sinne. Und die der
matischen EntWickelung mit der syste-histo-
so Präzisiert und-j^ rischen Orientierung haben wir demgemäß
JharikÄ^eLn Denkens gipfelt
Deduktion. Dj« y^rkettu^«
aller-
wege angelegenthch angestrebt. Der Ideahsmus,
eS sich in der syllogistischen fordert diese intime Verbindung heraus.
der klassische,

- ^D^rSrntn^^r^Ä
fÄÄ":tS>
K-^?fnVFüUe dtr
u^d.ent-
,.t. ^f
hche
^^ irgendwo der Ausdruck klassisch eine sach-
Weisung enthält, so ist es hier vorzüglich der
Fall Nicht
Wert und
^^"r^tfi^i^drerdaThiÄ
ndem es aas
seine Grundart
nur die Autoren, auf die der Idealismus als
Autoritäten sich
darin seinen berufen darf, machen ihn klassisch, sondern
der genaue und
lebendige durchgängige Zusammenhang mit
der Wissen-
volUnde »«" O^,^,^,«,^ schaft und mit dem Prototyp der Wissenschaft, der Mathe-
.„, Lösung bringt, So
^" ." " NO . w "n Yl g k . n".4ndigl.it
'i l',
w matik, zeichnet ihn aus.
3.Pia ton und Aristoteles. So gingen wir aus
!!•

•aii- .Sg^LS.' 'voSf


uu
/» ^r^- ,-^nr tl Ju von Piatons Idee, als der H y p o t h e s s. die
sogleich in der Erfindung der analytischen
sich
i

Methode bewährt
50S

5^ sAÜa'^ii d?, Al?.i'.'..er'-iS.-"»o..n F.„c.„ng. Soviel wir jedoch auf Aristoteles


eingingen, so war es
doch vorwiegend sein universeller Eklektizismus,
an dem
wir die vielerlei Nuancen in dem Widerstand
gegen den Idea-
Die Logik des Idealismus.
t

'^ lismus überschauen und durchblicken


II konnten.
Die zwei Gegensätze in der Philo-
4.
'•
"'r"aT"s;ibV.u°w«V.sVin.^DrLS^i: sophie. Es gibt eigentlich nur zwei Gegensätze
aufgebaut. Den
r 'n \ 'l. hat 4h als Ligik des llealismus
in dem illusorischen
in aller Philosophie und Wissenschaft:
Idealismus und
Eklektizismus. Und in dieser Mischung, die das Erbteil
if Vll versteher^^^^^^^ nicht
Be«n«^in. oder g» de. alles Gegensatzes gegen den Idealismus ist, ist der Mangel
sSnlberÄ.a„sdes Klassizität begründet. Diese fordert und gibt strenge und
der
Selbstbewußtseins^^v^^^^^^^^
SinL' zum Problem. reine Einheitlichkeit. Daher lassen sich auch die Darstel-
lungen des Idealismus nach dem Grade unterscheiden,
in
welchem sie sich von der Mischung der Stile frei zu
machen
vermögen.
5. Descartes und Leibniz. Von Piaton mng
unser historischer Blick auf Descartes und
auf L e i b n i z
über. Sie gehören zusammen, wie Kepler,
Galilei und
Newton zusammen gehören. Sie alle wirken zusammen
entraten. m der Begründung der mathematischen Naturwissenschaft.
7assSng da^^^ der Notwendigkeit nicht
S8
Widerspruch zum Psychologismus 597
Logik des Ursprungs
596
selbständiger Anspruch durch das reine Denken abgewiesen
wenngleich auch di^ ^ wird. Wenn die Idee hauptsächUch Hypothesis ist, so ist
und ^fSaSkterS ihr^^^^^^
Schemeln beitragen -":[
Uchen Leitungen so
.^J
h^bend^^^^^^^^ ^[XJÄ P^ doch den die Kategorie des Ursprungs die fundamentalste Grundlegung;
sie ist die Grundlage der modernen Wissenschaft.
«f^tucn a» Ohne die Beglaubigung dieser aktuellsten Grundlage
Vorsprung, daß sie Charakteristik
decken und ««^ann und
demzufolge g^^.^ hinausführen. war es nicht schlechterdings notwendig, die Logik als die
Logik der Wissenschaft anzuerkennen. Und so gebrach es dem
Idealismus an dem wichtigsten Fundamente seiner Lebens-
fähigkeit, seiner Wahrheit, seiner Richtigkeit. Die Logik
des Ursprungs macht die Logik der Wissenschaft zur Logik
des Idealismus. Denn alle anderen Grundlagen derselben
hängen nicht nur etwa mit der infinitesimalen Realität zu-
In dieser «""«^ zu sammen, oder von ihr ab; sondern sie beruhen auf ihr; sie
Leibniz.
nationale 7nlammenhang überhaupt
gisamenhang^^^ wurzeln in ihr; sie sind aus ihr herausgewachsen, indem
deutet, was der
besagen vermag, li«f,.«^'"'^*f,rn'm freilich andere Motive, andere Kategorien, immer ver-
Jahrhundert zusammen-
die er mit seinem JahrJ^^^^^ wandtester Art, in die Entwickelung eingingen. Wir haben
die Schwächen, durch w^rd aa ^^^.^^^j_
hauptsächliche Starke ^^^j^^^en dieses intime Verhältnis an der Energie betrachtet.
hängt. Seine
bare%iüösUche Verbindung
der L^^^^^^^ ^^.^^^^^^ 8. Widerspruch zum Psychologismus.
Naturwissenschaft.Das a prioi ^^^^^ ^^ Im Idealismus der Logik liegt ihr Widerspruch gegen den
''»^^^le L^J^ung. Es^^^^^^ .^ Psychologismus begründet. Wir haben von vorn-
das Transzendentale wei^ ^^^ ^^^^^
Worte wurde, herein die Psychologie in das System der
a priori nunmehr zu einem ^^^^^^
„ur stammelt; im
der Logik reif und
^«^/^'^^„nti
mundig. Die E^^«"«!^^;^
S
so ihre G^^^^^
.achten Anfang
Philosophie hereingenonlmen, sind daher vor dem
Verdachte geschützt, daß wir ihre Interessen und ihre Auf-
gefunden; nicht ihre Sch^^^^^^^^^ gaben verkleinern und verdunkeln könnten. Indessen so
^ Klassizität errw^i
h^en Gipfel; die Zwei-
hoch wir diese Aufgaben stellen, sofern sie in das System der
gefunden hat. Die scharfen Klar-
Philosophie einbezogen werden; und so schwer wir übrigens
auch die Probleme erachten, welche der Psychologie außerhalb
dieses systematischen Zusammenhangs auferlegt werden, so 510

müssen wir doch gegen den Psychologismus, als eine selb-


III
Die «-ategori« ständige Methodik der Philosophie, den Idealismus aufbieten.
Sprungs an.
^^ ^^er ihre prag-
Urteil zurück und wird «^^^"«L^^^ Realität, in dem Und nur der Idealismus kann den Widerspruch begründen,
der'
weil er die Gesamtheit, den Inbegriff, die Einheit der philoso-
nante Kraft bewährt
sie
^^^l^^'^lh bezeugt. Diese reine
infinitesimale phischen Probleme errichtet und befestigt. Das aber ist der
sie als die «f^^i'^^^^^h 'des
Trmmpn
ae Idealismus be-
Erkenntnis darf "anals den ^^^^^^^ Grundfehler des Psychologismus, daß er
zeichnen; denn aller
Idealismus der modernen das allgemeine Problem der Erkenntnis
^rzelt in der infmites-al^^^^^^^^^ ,em vereinzelt.
Vorzug erwog 9. Das Ausgehen vom Bewußtsein oder
des Ursprungs als ^^^ Emp-
aber von den reinen Erkenntnissen. Das
Logik und die Wistenachafteh 699
598 Svolutionitmu» und Nativismu»

methodo- ausgegeben wird. In der Logik des Idealismus erscheint die


Bewußtsein wie wir gesehen haben, eine kritische,
ist.
überschau über den Schatz Empfindung enst in dem kritischen Urteil der Wirklichkeit.
fog^he Kategorie, die erst in der us m Und erst in dem der Notwendigkeit erlangt sie den Abschluß
der Erkenntnisse sich einstellt. D e r P s y ch o 1 o g i s
dem Bewußtsein a u und ihrer Rechtfertigung.
dagegen geht von
s.

während der Idea- 12. Die Logik und die Wissenschaften.


glaubt nur von ihm ausgehen zu können; Der Idealismus der Logik gibt endlich
sachlichen Werten der Wissenschaft den
Hsmus von den
hsmus auch erst der Logik ihre Sicherheit gegen-
^^^^^niss e n ausgeht. Jener also bleibt
sich der des Mythos ver- über den einzelnen Wissenschaften. Um
auf einer Stufe stehen, die
ffleichen läßt, für den Natur eben beseelt und mit Bewuut-
die
sogleich damit zu beginnen, so bleiben diese eben einzelne,
und die Wissenscha t wenn sie nicht durch die Logik zu der E i n h e i t der mathe-
fin iegabt ist. während die Philosophie matischen Naturwissenschaft verknüpft werden, der die bio-
Anfangspunkte Beide durchaus
an diesem
Materie und das
^^i^Vf
Unendliche und die Zahl, kurz ^^ logische Naturwissenschaft angegliedert wird. Hiergegen
Denken dafür einsetzen.
scheint das N w e t o n'sche Beispiel zu sprechen, der ja doch
das reine x .„:,„„, ver-
10 Evolutionismus und
Nativismus das System der mathematischen Prinzipien begründet haben

binden sich. So ist mit der Vereinzelung des wollte. Indessen ist der Widerspruch nur scheinbar; denn

Problems zugleich verknüpf t ein Rückschritt m


der Anfassung Newton hat in der Tat ebenso seinen kräftigen philosophischen
SsselbTn. Und dieser Rückschritt
führt unrettbar auf den Anteil, wie andererseits Descartes und L e i b n i z ihren
Daher verbinden sich auf mächtigen mathematischen haben. Des Dichters Klage
Abwegdes Eklektizismus.
jener Seite die Standpunkte des E
v o u t o n 8 m u s und
1 i .
über den Streit zwischen Transzendental-Philosophie und
miteinander. Nicht einmal Wissenschaft wollen wir hier nicht eingehender betrachten.
d« Nativismus friedlich Psychologismus e nen sichern Ob jemals eine Personalunion dieser Arbeitsrichtungen all-
fiSen das Angeborene bietet der
wissenschaftliche nicht gemeiner werden wird für die schöpferische Arbeit in beiden
Ichutz: dessfn der Idealismus, der
Rückschritt liegt aber schon in der V e r e in Richtungen, das bleibe hier unerwogen. Aber das macht die
bedarf Der Logik des Idealismus zur einleuchtenden Forderung: daß nur
des Problems des Bewußtseins
fe 1 u n g selbst; die Isolierung phüo. mit Rucksicht auf die schöpferische Arbeit die
möglich wäre, die Konzentration des
wenn sie selbst
Personalunion eine Ausnahme bilden darf; nicht aber hin-
auf dasselbe, bildet eine verhangmsvoll-
rophischen Interesse
sichtlich der Bildung und des Wissens.
Verengung des systematischen Horizontes.
Emplin -„_{:_. 13. Der Idealismus als der wahrhafte
11. Die Beschränkung auf die
wenn man b«" Realismus. Diese Forderung muß nach beiden Rich-
düng. Dies wird unmittelbar deutlich,
Material, auf welch^ die tungen geltend gemacht werden. Der Realismus wird
Senktf wie das wissenschaftliche bei
angewiesen ist, in seiner Enge, aufhören, ein unklares, auf weite und tiefe Strecken der
selbständige Psychologie
dennoch d«>: Weite der allge Bildung ein verheerendes Schlagwort zu sein, wenn sowohl
aller Schwierigkeit desselben,
Interessen gegenüber zunickst«"; nach der philosophischen, wie nach der wissenschaftlichen
meinen philosophischen
wissenscha f t liehe n Be Seite diese Forderung durchgeführt werden muß, Die
Das eigentliche Gebiet der
und bleibt doch für jene Psychologie das Geb et Wissenschaft muß begreifen lernen, daß
„. arbeitung ist sie aufdem Grunde philosophischer Grund-
der Empfindung. Schon die Vorstellung tritt

auf jenem Boden nicht lagen steht. Und Philosophie wird zur
dagegen zSrück. Das reine Denken
ist
Frivolität, wenn vom A priori orakelt
ÄSen; wenn es selbst nicht für
antiquiert wenigstens
Logik und das System der Philosophie 601
Phänomenalisinus
600

III. Die Logik und das System der Philosophie-


Idealismus- 1. S o kra t es, d er B e gr ü n d er des System-
fic7/ein G^; sL^mJAt. Der
Realismus, der
gedankens. Die Philosophie kommt nur
flTder wahrhafte Realismus. Erkenntnisse gegründet jst.
als System zu ihrem Begriffe. Dem geschicht-
„cht im IdlaUsmus der reinen Materialismus wie Spintua- lichen Takte Schleiermachers ist die Einsicht zu
r.t Eklektizismus der ebenso sehr verdanken, daß Sokrates
der Begründer des Systems
e r Person und
Bddes in derselben Sache, in e i n
"' Smu^
ist
wie immer, die
der Philosophie sei. Mit dem System
beginnt die klassische
woTößlieh in e i n e m Problem. So hängt,
zusammen.
Philosophie. Daher ist Sokrates der Systematiker des Be-
Wahrheit
WarCgLeit mit der sachlichen griffs, und deshalb sein Entdecker. Das System der Philo-
Das falsche Problem der Psycho- sophie hat seitdem die Logik zu ihrem Fundament.
14
in dieser Rücksicht
enthält der Psycho- 2. Die Einheitlichkeit aller philoso-
ln0ie Auch
Indem Logik
d.e
^Imtsfundamentalen
beträchtliche Gefahren.
Korrelation
er
W>ssenschatt ve -
phischen Probleme im Schwerpunkte der
Logik begründet. Welchen Sinn und Wert hat der
von -«T
ihrer
an ihre Stelle zu setzen, w r
Zusammenschluß aller Probleme der Philosophie in die Einheit
Hräni?t sucht er die Psychologie
philosophische Problem vereinzel eines Systems? In der Sammlung und Ordnung kann derselbe
fabeng Sehen daß er'ias
ist damit ««hon ausgesprochen, daß er un sich doch nicht erschöpfen. Die Einheit der Probleme bedeutet ms
Cnd isoliert: es
Grundlage der Wissenschau zugleich ihre Einheitlichkeit. Es darf keine Frage
ceeicnet ist. die fundamentale -
der Psychologie bilden mcht die Vorau auftauchen und Zulaß erhalten, welche nicht in einem metho-
fu Mden Den Inhalt
den Inhalt
Wissenschaft, wie sie dischen Zusammenhange mit allen den anderen Fragen steht.
setzunsen. die Methoden der
unverkennbar bilden. Die Folge ist, daß mcht der Der Grund des Systems ist sein Mittelpunkt, der zum Schwer-
derTSk ihre Anordnung.
Wert der Grundlagen, ihre Formulierung, punkt für die Tragkraft aller Fragen wird. Die Einheit-
zum PWlo^h^^^^- P^^^^^^^^^ lichkeit des Systems fordert einen Mittel-
,."•1

Te steti eSiLte lbs;hätzung Interesse an der Entwicklung punkt in dem Fundamente der Logik. Dieses
semacht wird; sondern daß das
anderen Rätsel verschlingen soll. methodische Zentrum bildet die Idee der Hypothesis,
ferßewußtsdns alle
Phänomenalismus. Auch dem Idea- die wir zum Urteil und zur Logik des Ursprungs entwickelt
15 Der
lismus verstattet man eine
Anmeldung; aber - jy-^ h^Ysmus" haben.
7..m Phänomenalismus
und zum Subjektivismus 3. Der geschichtliche Grund für die
durch die Empfindung zum Logik als Grundlage des Systems. Wir durch-
denn der Reahsmus soll ja erst m
seinWide.-
Realismus schauen jetzt den tiefen geschichtlichen Grund, der die Logik
Objektivismus werden. So wird der Seins wird
Grundlegung des wahren zur Grundlage des Systems macht. Wir wissen, daß die Logik
^niel verkehrt; aus der
von der von P 1 a t o n ab so verfuhr, wie Kant den Begriff
Ä^ung und schein; während
objektiven
der
Wahrh«t
Weah.mv.
{""überleitet Die Transzendental verstand indem sie sich an der :
Erscheinung zur und ver
verruckt die Methodik Mathematik orientierte, und ihre Wahrheit an deren Ge-
Vereinzelung des Problems
wißheit maß. Indem die Logik also im System der Philosophie
eitelt den Wert der Erkenntms.
die durchwirkende Voraussetzung blieb, wurde die wissen-
m schaftliche Wahrheit das Vorbild der Wahrheit. D e s -
1»!
c a r t e s mochte im Geschmacke seiner Zeit, wie breit immer.

Mi
\ %
der Lösungen Agnostizismus 603
602 Anspruch auf die Möglichkeit

geben könnte, entbehrte sonach der Logik,


ergehen: derselbe Band seines
welche andere könnte es dann Grund-
als seiner
über den Zweifel an allem sich läge;
diskutierte brachte der aber
Es 8 ai in welchem er darüber haben?
SiLenVchaSicIen Welt seine ^e o m e
tr i e. D.ese e^^^^^^^^^
5. Die allgemeine
seine Logik zu verstehen sei. Vernunft. Bevor wir diese
das richtiee avis au lecteur, wie
Wenn es ein einheitliches
System der Philosophie l^rage beantworten, sei noch besonders
darauf hingewiesen,
mit welchem Grunde wir bei solcher Sachlage
«« Kriterium eine algememe die Möglichkeit
gebeS, so muß es eine Norm. eines Systems bezweifeln dürfen. Die
allgemeine Ver-
|:f otwiBreit-^rh^U; ^^ g^:^auXsJmmt un nunft, die doch gleichbedeutend mit dem System der
Philosophie ist, wäre mit der Logik
zugleich aufgegeben.
Die allgemeine Vernunft beruht doch wohl auf
ÄLtS-uTsieteru^^^^^^ meinen Verstandesgebrauche, den nicht minder auch
dem allge-
ursprünglich sich bezeuge; und
ob und wie sie «ch über- die Logik
s'e beschreibt und bestimmt, und der sie in letzter
der Gewißheit, welches den ein- Instanz zur
tragen lassl Das Prinzip Grundlage des Systems macht; der auf die
Systems bildet, weist die Logik als Geistes-
heitlichen Grund des
wissenschaften übertragbar, und dadurch zur all-
ist vorzugsweise dies^
5f GrundlSe des Systems aus. Es gemeinen Vernunft wird.
Richtune welche Descartes
zum modernen Syste
modernen Systemat.k^ 6. Der Agnostizismus der modernen
Satiier'maiht. zum Begründer Metaphysik. Jetzt kommen wir auf die Frage zurück,
J-
. e 'l.W nM7 Wi^'sehen/daß' die llÜ Vchon für woher das System die Grundlage nehmen könnte, wenn
diese die Logik verschmäht wird ? Die Frage
für
Probleme die einheitüche -e^ho^^^^^^ erfordert mehrere
SirFormXunVder Antworten. Die erste, welche die Geschichte nicht aufhört
erwachst der naturhche
Voraussetzung bildet. Aber daraus der Lo darauf zu geben, erteilt ein Standpunkt, der sich Agnosti-
Anspruch, der sich auf die Möglichkeit
Logik des zismus nennt. Er proklamiert den Widerspruch gegen die
Tungen bezieht. Es fällt aus der
die Lösungen die
Sysfems heraus, wenn reinen
Erkenntnis; er kann ein System der Philosophie, eine Philo-
P^nke-i ge Sophie überhaupt nicht anerkennen. So sollte man denken.
auf diesem Wege im unzureichend De- Indessen der Widerspruch gegen die Erkenntnis wird in diesem
* „ ^ » n werden als werden; Lager nicht als eine Preisgabe der Philosophie erachtet Man
verdächtigt
.u zweifelt, als unz'ulänglk gegründet
nur andere Lösungen, sondern eine sagt nicht: es gibt keine Mathematik, keine mathematische
wrnn man daher nicht
welche eine ganz Naturwissenschaft, und so auch geschweige erst recht kein
von Lösungen anstrebt,
Tndere Art Voraussetzung haben; namlich Wissen von Gott und der menschlichen Seele, von dem Grunde
andere A?t von F r a g e n zur der Unsterblichkeit und von der Realität der sitthchen Welt;
die\ogik nicht die Grundlage bietet.
solche tür wdche sondern man sagt: unsere Gewißheit von der Mathematik und
sich außerhalb der Logik eine sis
Aneenommen, es ließe zustande der Naturwissenschaft ist nicht größer —
Fragen die andere Art
andefe FoS^ der philosophischen
unzweifelhaft die Logik dadurch :-
wird überhaupt nicht beachtet —
Äen rwte'd'ch
der Philosophie
ausgeschieden, wenn
als die von den sittlichen Ge-
heimnissen. Daher sei die Gewißheit nicht in der Logik ge-
dem System legen; und man könnte sie daher überhaupt fahren lassen
dem anderen Wege JersteUb^^^^^^^
ShLVt eTn solches aufdie Orientierung an der ^i^^^^^^^^^ und auf Grund des Agnostizismus ein Analogon zum Wissen
Und mit der Logik wäre
einheitliche Prinzip der Ut annehmen, in welchem die sittlichen Wahrheiten selbständig
verloren ßeßangen, welche das und ursprünglich sich begründen ließen.
;ißhelt efgS und ermöglichte. Das System, wenn es eines
ZweidetUtgkeü in den Denkgesetzen Logik und Metaphysik in Einheit 605
604
iin
welches von jeher Spott und Schande über
Dieser Standpunkt kann eine gewisse Ehrlichkeit der die Philosophie
gebracht hat. Warum läßt man sich denn nun aber
Naivetät haben, nämlich der unverblümten Unwissenheit, dieses
Hinterpförtchen der sogenannten Denkgesetze offen? Warum
Verachte nur Vernunft und Wissenschaft. Mit diesem Zauber-
nicht unerschrocken dem Agnostizismus
wort läßt sich dieser Standpunkt aus der Gemeinschaft der beispringen?
auf Grund der Wahrhaftigkeit nach Wahrheit strebenden
'
Die Antwort gibt das Mittelalter, welches
Menschen entrücken. Denn die Wahrhaftigkeit im modernen Abart wieder auflebt, in dem probaten
in dieser
Mittel von der zwiefachen Wahrheit.
gesteigerten Sinne des Kulturbewußtseins setzt die Erziehung Die Variation
und Übung der Wissenschaft voraus. Ohne wissen-
ist jedoch nicht ungeschickt. Man will nicht mehr sagen:
die Logik mag in Ordnung sein; aber wir bedürfen
schaftliche Wahrheit keine Wahrhaftig- einer andern
keit. Und ohne Wahrhaftigkeit keine Wahrheit für die anderen Probleme. Man sagt daher lieber:
wenn man die Logik von dem Wissensstoff der unsichern
Wahrheit. Der Agnostizismus zerstört nicht nur die Wissenschaft befreit hat, dann bleibt derjenigfe Lehrgehalt in
wissenschaftliche Wahrheit, sondern damit auch die Wahrheit
ihr übrig, mit dem man auch die andere Art
überhaupt in jedem philosophischen Sinne. Die Wissenden von Wahrheiten
unter den Gläubigen sind nicht im Unklaren darüber, daß
bearbeiten könne. Darum hält man die Denkgesetze fest,
sie den wahrhaftigen innerhchcn Glauben preisgeben, um für die anderen Interessen des Titels vom Denken nicht
verlustig gehen zu müssen. Man müßte ja dann
wenn sie ihn mit verzweifelter Faust von der Kontrollinstanz schlechter-
dings vom Glauben und nur vom Glauben reden.
der Ethik, also der wissenschaftlichen Wahrheit losreißen.
I Immerhin enthält dieser naive Standpunkt noch den Lebens-
8. Logik und Metaphysik in Einheit.
In den vorstehenden Ausführungen haben wir, von der Not
funken des ehrlichen Gemütes.
der Zeit gedrungen, versucht, ein ungefähres Bild von dem
Gefährlicher und widerwärtiger ist der andere Standpunkt,
Beginnen zu zeichnen, welches »jetzt unter dem vieldeutigen
der ebenfalls stets von neuem auftritt, und eine andere Antwort
auf die obige Frage nach der Möglichkeit einer Grundlage
Namen der Metaphysik die Kreise der wissenschaft-
Er sagt nicht, lichen Philosophie, und damit die Interessen der Freiheit
gibt: dabei aber an der Logik ausweicht. und
der Redlichkeit der Wissenschaft und der Philosophie zu
die Logik enthalte nicht mehr Gewißheit, als sich über die
Geheimnisse des Glaubens erreichen läßt. Er sagt zwar auch,
durchbrechen droht. Wir wissen, daß kein Gegen-
die Mathematik habe keine Gewißheit, noch auch die mathe-
satz zwischen Logik und Metaphysik be-
matische Naturwissenschaft; und damit ist ausgesprochen,
stehen darf. Die Logik, als die Logik der rjeinen Er-
Abei hier schon kenntnis, ist immerdar Metaphysik gewesen; oder hat die
daß auch der Logik die Gewißheit fehlt.
Zweideutigkeit dieses Standpunkts. Grundlage der Metaphysik gebildet. Denn die Metaphysik
beginnt die
hatte vor Kant eine Verschiedenheit und eine Zwiespältigkeit
Die Zweideutigkeit in den Denkge-
7.
der Probleme.
setzen. Man macht einen Unterschied in
9. Der Protestantismus Kants. Darin
der Logik und ihren Gesetzen. Die wissen-
schafthche Logik erkennt man nicht an; deren Gesetze also
liegtderprotestantischeCharakterKants:
daß er der mittelalterlichen Ausflucht von der zwiefachen
darf man ablehnen. Die Naturgesetze haben keine Gewißheit
Wahrheit in jedem Sinne ein Ende macht. Die Ethik wird
516 in sich. Aber an ihnen ist auch die eigentliche Logik un-
der Logik im System koordiniert. Aber ihre Gewißheit ist von
schuldig; diese beschränkt sich auf die D e n k g e s e t z e.
anderer Art als die der Logik. Daß sie jedoch im System koor-
Das Denken gilt aber hier nicht als das reine Denken der
dinierbar werden können, das begründet sich in der metho-
Wissenschaft, sondern als das alles realen Inhalts entleerte,
)

606 Metaphysik des Absoluten Logik und Ethik 607

dischen Analogie der beiderseitigen Prinzipien. Also bleibt Logik und Ethik. Jener vagen Metaphysik
11.

die Logik die Grundlage des Systems. die Logik der reinen Er-
gegenüber behaupten wir
10. Die Metaphysik des Absoluten. Die kenntnis als die eine und die erste Rich-
Logik des Urteils und des Ursprungs hat den Hauptbegriff tung der Metaphysik, welche die Voraussetzung
entkräftet, mit dem jene falsche und unwissenschaftliche der anderen Richtungen wird. Keine Metaphysik
617 Metaphysik operiert: es ist der mittelalterliche Begriff des ohne Logik. Und keine Metaphysik ohne
Absoluten. Die absolute Substanz ist nicht nur zur das System der Philosophie. Das System der
Voraussetzung der Relation, sondern zur Korrelation ge- Philosophie erledigt und entwertet auch ihrer Bestrebung
worden. In dieser Korrelation vollzieht die mathematische nach die falsche Metaphysik. Wir haben bei jeder Urteilsart
Naturwissenschaft ihren Idealismus, indem sie sich von dem auf ihre Anwendungen innerhalb der Geisteswissenschaften
Materialismus der Materie, wie der Kraft, losringt. Dieser Bezug genommen. Und wir haben die Ethik im engern Sinne
wissenschaftliche Idealismus macht allen Pantheismu als die Logik derselben bezeichnet. Man wird keinen Anstoß
nicht nur nichtig, sondern auch überflüssig, indem er die an diesem Ausdruck nehmen, als ob dadurch die Logik als
fruchtbaren Motive in demselben seinerseits erledigt. Unter Grundlage des Systems zurückgezogen würde.
dem Scheine des Spinozismus, der selber zwar die absolute Die Logik ist nur in dem Sinne die Grundlage des Systems sis

Substanz unbarmherzig genug relati\iert, ihren Begriff und und also der Ethik, daß sie allein es lehren kann, in welcher
Namen jedoch aufrecht erhält, wirtschaftet nun jene angeb- methodischen Weise die Ethik Gesetze zu suchen und zu
liche Metaphysik mit dem Titel des Absoluten. errichten habe. Diese Gesetze aber nach ihrem Inhalte hat
Die Erkenntnis des Absoluten hat sie fallen lassen, wie die Ethik selbst zu finden. Und da die von der Ethik zu
sie absolute Gewißheit überhaupt fallen läßt. Man hat sich findenden Gesetze für die Geisteswissenschaften aufgestellt
sogar so weit verstiegen, daß man nicht nur die Absolutheit werden, in deren Material die Ethik sie zu suchen hat, so
•& der Naturgesetze, sondern sogar die der Denkgesetze preis- dürfen wir daher im engeren Sinne des Gesetzes die Ethik
gegeben hat; auch diese seien der Entwickelung zu über- als die Logik der Geisteswissenschaften bezeichnen. Wir
antworten: kann man moderner denken? Dennoch aber hatten gleich anfangs auf einen wichtigen Unterschied hierbei
stellt man das Absolute als den letzten und einzigen Grund zwischen der Logik und der Psychologie hingewiesen (S. 40 f.).
des Seins und desjenigen Denkens hin, welches keinen andern Mit dem zweiten Gliede des Systems ist uns der Zusammenhang
Inhalt als, den des Absoluten übrig behält. Benannte sich der mit der Logik ganz durchsichtig geworden.
erste Standpunkt selbst als Agnostizismus, so bleibt für diesen Es fehlt nur noch der Hinweis auf das dritte und das
der Absolutismus als der am wenigsten präjudi- vierte Glied desselben.
zierende übrig. Aber man weiß, daß es, abgesehen vom 12. Die systematische Selbständigkeit
Eklektizismus, nur einen Gegensatz gegen den Idealismus der Ästhetik. Die Ästhetik ist ein wichtiges Glied
gibt: das ist und bleibt der Materialismus. Der Spiritua- im modernen System der Philosophie. Der deutsche Geist
lismus ist nichts anderes als der Materialismus des vollzieht seine Einheit in der Rettung der Kunst für das
Absoluten. Übrigens aber bliebe es zum Standpunkt in einheitliche moderne Bewußtsein. In der Einbeziehung der
seiner Glätte noch offen, anstatt nach dem unendUchen Ästhetik in das kritische System bezeugt sich Kant als der
Objekte sich nach dem nicht minder unendhchen Organ und Bahnbrecher des neuen Jahrhunderts, des Jahrhunderts der
— Sit venia verbo — der Methode seiner Offenbarungen als klassischen Dichtung. Wie sehr die Aufklärung, wie um-
Intuitionismus zu benennen. fassend und wie gründlich sie das Verständnis der Kunst und
608 Systematische Selbständigkeit der Ästhetik
Einheit des KuUurhewußtseina 609
das Interesse an ihrem geistigen Werte angeregt, erweckt und
befruchtet hat: die Freiheit des Selbstbewußt- der Künstler nicht in beschaulicher Träumerei, sondern im
seins ist dem Problem der Kunst doch erst daraus erwachsen, Studium ihrer Gesetze und ihrer intimsten Schöpfungen.
daß es zu einem ebenbürtigen Gliede im System der Philo- Nicht nur für die Schlagworte, sondern für das Verständnis
sophie erhoben wurde. Und auf das Selbstbewußtsein in der Methoden und der Grundlagen bildet die Logik daher das
einem eigentlichen Sinne kommt es in der Ästhetik vorzüglich Fundament der Ästhetik.
an; mehr beinahe als in der Logik und selbst in der Ethik. 13. Die Einheit des Kulturbewußtseins
In der Logik entsagen wir ausdrücklich der Einheit des in der Psychologie. Es bleibt nur noch übrig,
Bewußtseins. Wie es darum in der Ethik stehe, bleibe hier auch für die Psychologie, und zwar im Sinne des
außer Betracht; so viel steht fest, daß auch in ihr die Einheit Systems, die Logik als die Voraussetzung zu erkennen.
des Bewußtseins noch borniert ist. Die Ästhetik erst läßt die Hier ist die Anknüpfung an die Ästhetik geboten. Wir
Schranken fallen. Sie kann es tun; und sie tut es in dem sagten von ihr, daß sie die Freiheit des Selbstbewußtseins
Sinne, daß alles, was sonst in der Wissenschaft, also in der darzustellen habe. In der Tat ist das Selbstbewußtsein der
Logik und in der Ethik Gesetz und Inhalt ist, vor ihr zum eigentliche und einzige Inhalt des ästhetischen Bewußtseins.
bloßen Stoffe herabsinkt. Nicht daß sie die Gesetze der Logik, Natur und Sittlichkeit gehen nicht zwar unter, aber auf in
noch auch der Ethik verletzen oder vernachlässigen dürfte; diesem neuen Inhalt eines reinen Selbst. Zum Problem der
nicht daß sie die Inhalte, die Gegenstände der Natur und der Psychologie aber hatten wir in der Einleitung (oben S. 17 f.)
Sittlichkeit verstümmeln oder entstellen dürfte. Sie würde die Einheit des Bewußtseins gemacht. So ent-
]f W9 dann die Kunst in ihren offenbaren Geheimnissen nicht dar- steht die Frage, wie sich diese Einheit des Bewußtseins, das
stellen und nicht enthüllen können. Das Problem der Ästhetik Problem, der Psychologie, von dem Selbstbewußtsein der
seine Eigenart: daß unter
gewinnt erst damit Ästhetik unterscheide.
u ng jener
Au f reo h t er ha 1 1 beiden Arten Die Antwort kann nicht zweifelhaft sein. Auch das
lli,i{ von Gesetz und jener beiden Arten von ästhetische Selbstbewußtsein wird nicht als Einheit des Be-
Inhalt und Gegenstand eine neue Art von wußtseins anzuerkennen sein, so wenig als das logische und
Gesetz und eine neue Art von Gegenstand das ethische. Man kennt genugsam den Streit und den Kon-
vollziehbar wird. flikt nicht nur zwischen dem logischen und dem ethischen, 520
Wie sehr das künstlerische Schaffen in seiner klassischen, sondern auch zwischen dem ästhetischen und den beiden
gesetzgeberischen Reinheit, das Schaffen des Genies, über ersteren Arten des Bewußtseins. Man sage nicht, wo Streit sei,
welches nicht die Mode verirrter Jahrzehnte Zeugnis abzulegen habe eben das ästhetische Bewußtsein seine Einheit noch nicht
vermag, die keusche Ehrfurcht vor dem Sittengesetze zu errungen. Das ist ein scheinbarer Ausweg, und er enthält
seiner natürlichsten Voraussetzung hat, das bleibe hier un- einen verhängnisvollen Irrtum.
ei wogen; nur daran sei erinnert, wie sehr die Idealisierung in In derjenigen Einheit, welche das ästhetische Bewußtsein
der Kunst die reine Natur zur Voraussetzung hat. Wäre aber bildet, sind die Gesetze und die Gegenstände der Natur und der
etwa die reine Natur nicht vorerst die wissenschaftliche? Sittlichkeit zwar enthalten, nämlich aufgesogen; aber also in
Der Grundbegriff der Idealisierung, wenn anders er zum ihrer Eigenart und dem Eigenwert ihrei Erkenntnisweisen
Gesetze und zum Gegenstande der Natur keinen Widerspruch keineswegs in bestimmter, deutlicher Abgeschlossenheit er-
bilden darf, zeigt daher hinlänglich, daß die Logik die funda- halten und aufgerichtet. Darauf aber kommt es für die
mentale Voraussetzung der Ästhetik ist. Die Natur
sucht Einheit des Kulturbewußtseins an, daß die
verschiedenen Arten der Gesetze und der Inhalte nicht in ihrer
l'i

Cohen, Logik der reinen Erkenntnis. II. Aufl. S9


''

610 als Grundlegung Reinheit und Einheit 611

Verschiedenheit ausgelöscht und in eine neue Art von Gesetz und die praktische Aufgabe unaufhaltsam zusammenfließen;
und Inhalt verwandelt sind, sondern daß ihre Verschie- den rein theoretischen Gehalt der neuen Aufgabe gilt es
denheit gegen einander frei und kraft- hervorzuheben.
voll sich behaupte; und daß dennoch diese Ver- Eine Gefahr hegt ja schon in dem Titel der neuen
schiedenheit in einer neuen, der eigentlichen Einheit zur Ver- Psychologie, in dem an die Stelle der Reinheit die Ein-
einigung gelange. heit treten soll. Dieser Wandel der Terminologie kann
Diese Vereinigung der einzelnen Gebiete vollzieht sich im hier nicht seine Erklärung finden. Indessen muß festgestellt
System, wie in der Wahrheit zwischen Logik und Ethik. werden, daß ein Hauptsinn der Reinheit in der Einheit er-
Aufgabe der Psychologie wird es, diese Einheit des Bewußtseins halten bleiben muß. In der Einheit des Kulturbewußtseins
in der Verschiedenheit seiner Richtungen, die der Verschie- soll der L ei begriff der systematischen Entwickelung
denheit der Kulturrichtungen gemäß sind, als wahre und zur methodischen Wirksamkeit kommen. Auf diese metho-
lebendige Einheit zur isolierten Beschreibung und Bestimmung, dische Bedeutung, welche sonst der Reinheit zusteht, kommt
und in ihrer Wechselwirkung und Durchdringung zur Be- es hier bei der Einheit an.
leuchtung zu bringen. Freilich besteht für diese Aufgabe der Nicht auf ein Faktum, nicht auf ein Erleben, geschweige
Schein einer absonderlichen Gefahr: daß sie nämlich von einer ein unmittelbares, ist es dabei abgesehen; nicht auf einen
theoretischen in eine praktische sich verwandeln könne. Ausgangs- oder Endpunkt einer persönhchen AktuaHtät.
Denn diese Einheit erst bringt die Einheit des Men- Alle diese Andeutungen, welche die Pädagogik und die
schen, und somit den Begriff des Menschen zur Selbsterziehung der Kulturmenschen in dieser Einheit sich
Erzeugung. Der Selbständigkeit des Objekts gegenüber, und zum Ideal aufstellen dürfen, sind für die systematische
selbst auch gegenüber der Einheit, die sein ästhetisches Selbst- Psychologie nur Nebenwirkungen, die nicht zur Haupt-
gefühl bildet, fordert der Begriff des Menschen die Einheit sache gemacht werden dürfen, sofern die Methodik der
jener Einheiten. Die Letzteren müssen in ihrer Verschiedenheit Psychologie in das rechte Licht gerückt werden soll. Die
aufrecht erhalten bleiben, und dennoch in die wahrhafte Aufgabe der Methodik ist die der systematisch-genetischen
Einheit des menschlichen Kulturbewußtseins eingehen. Die Entwicklung aller Erscheinungsweisen des Bewußtseins, im
Einheit des Menschen hat die Logik zu ihrer ersten metho- Hellen und im Dunkeln, in der Reife und im Keime, in
dischen Grundlage; die Psychologie aber bildet das Ideal der Komplexion und in den Elementen. Wenn jedoch für
ihrer Vollendung. Die Denkgesetze bilden das Fundament dieses gesamte Chaos die Entwickelung aus dem Brenn-
jener Einheit des menschlichen Geistes; die Kultur aber in punkte des Systems das Problem ist, so muß die Einheit
ihrer Gesamtheit und Einheitlichkeit ist der Höhepunkt der das Ziel sein, auf das die gesamte Entwickelung methodisch
menschlichen Entwickelung. Die Darstellung dieser Ent- hinsteuert. Für das begehrte Faktum tritt die Fiktion ein,
wickelung und dieser Einheit, als ihres Höhepunkts, das ist für den Grund und den Urquell die Grundlegung.
die große Aufgabe der systematischen Psychologie, die höchste Man darf den Grund nicht in geheimen Ursprüngen der
Aufgabe des systematischen Philosophen. lebendigen Kraft des Bewußtseins suchen. Allem solchen
14.Die Einheit des Kulturbewußtseins fundamentalen Prius gegenüber tritt die Einheit des Systems,
als Grundlegung. Um jedoch diesen systematischen wie sie sich in der Entwickelung des Systems vollzieht, als
Charakter der Psychologie, als Aufgabe, nicht zu verkennen, Grundlegung in ihre methodischen Grundrechte für das im
darf man bei der Verbindung nicht stehen bleiben, noch sie System begründete Bewußtsein ein. An dieser Methodik hat
vorzugsweise ins Auge fassen, in welche hier die theoretische die Psychologie festzuhalten. Wie kein gegebenes Faktum,

i m
612 Psychologie der Zukunft

SO gibt es für sie auch keinen gegebenen Urgrund des Be-


wußtseins — es sei denn als Grundlegung für den Ausgang
der genetischen Entwickelung und mit strikter Rücksicht
auf die vorausgesetzte Einheit. Und nur kraft und in An-
sehung dieser Einheit des Kulturbewußtseins kann die Psycho-
logie auch den Idealmenschen der Kultur zur IdeaUsierung
bringen. In diesem einheitUchen Doppelsinn, der reinen
Methodik und ihres Erfolges, hat die Psychologie der Zukunft
die systematische Aufgabe des Ideahsmus zu erfüllen.
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201-6503 Printed
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609

JAN .:3-1958

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