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RHYTHM
INTO
LIFE
MARKUS VÖGEL
Bachelorarbeit
Studiengang Mediengestaltung Fachhochschule Vorarlberg
Eingereicht von Markus Vögel
Betreut von Hubert Matt
ABSTRACT
2. Vorproduktion ... 12
2.1 Ideenfindung ... 13
2.1.1 Grundsätzliche Überlegungen ... 13
2.1.2 Themenfixierung ... 14
2.2 Recherche, Filmvergleiche und Vorbereitungen zu
Hause ... 15
2.2.1 Informationen über den Drehort ... 15
2.2.2 Filmtheorie und Literatur ... 16
2.2.3 Filmanalysen und Produktvergleich ... 18
2.3 Konzepterstellung ... 21
2.4 Fazit Vorproduktionsphase ... 22
3. Produktion ... 23
3.1 Bildkomposition und Einstellungsgrößen ... 24
3.1.1 Drittelaufteilung und Nose-Room ... 26
3.1.2 Einstellungsgrößen und Wahl der Kadrierung ... 28
3.2 Licht und Farbe ... 30
3.3 Kameraperspektiven und Bewegung ... 31
3.3.1 Stativaufnahmen ... 31
3.3.2 Kamerabewegungen ... 32
3.4 Fazit Produktionsphase ... 33
4
4. Postproduktion ... 34
4.1 Bildmanipulation ... 35
4.1.1 Entsättigung der Farblichkeit ... 35
4.1.2 Zoom und Weichzeichnereffekte ... 36
4.2 Bildmontage ... 37
4.2.1 Montage von Zeit und Raum ... 38
4.2.2 Montage als Ideen-Assoziation ... 42
4.2.3 Montage als Formalprinzip ... 45
4.3 Tonmontage ... 47
4.3.1 Geräusche „sehen“ ... 47
4.3.2 Originalton und Atmosphäre ... 48
4.3.3 Kommentar und Musik ... 49
4.3.4 Musikalisches Leitmotiv ... 50
4.4 Fazit Postproduktion ... 54
C. Résumé ... 56
D. Verzeichnisse ... 58
Internet: www.kathakonline.net
5
A. VIDEOFEATURE KATHAK: GENRE- UND TITELBESTIMMUNG
Möglichkeiten ausschöpfen
Ich wollte das vielfältige Leben in Indien mittels verschiedener
filmischer Gestaltungsmöglichkeiten darstellen. Doch was ist
„das Leben in Indien“ oder was sind die wesentlichen Bestand-
teile des Lebens im Allgemeinen? Das Leben besteht neben den
als „real“ empfundenen Begebenheiten vor allem aus vielen
Träumen und gedanklichen Abschweifungen – all zu oft „ist
man ganz wo anders“. Und genau da wollte ich mit meinem Film
hin: das Leben als Symbiose aus realen Empfindungen, gedankli-
chen Abschweifungen und Träumen darstellen.
6
Zuordnung in ein Genre
Besonders zu Beginn meiner Arbeit am Schnitt des aufgenom-
menen Materials, als ich noch nicht genau wusste wo ich den
inhaltlich bzw. filmstilistischen Schwerpunkt des Films setzen
sollte, hatte ich gewisse Schwierigkeiten auf die Frage: „Was wird
das eigentlich für ein Film?“, eine schnelle eindeutige Antwort
zu finden.
Ein Dokumentarfilm wird bzw. ist es nicht, enthält der Film
doch spielfilmähnliche Sequenzen, ein Experimentalfilm ist
es allerdings auch nicht, dafür ist der Anteil an reinem doku-
mentarischem Material im Gegensatz zu den eher selten vor-
kommenden abstrakten Inhalten m.E. zu groß. Ein experimen-
teller Dokumentarfilm mit Spielfilm(ähnlichen) Elementen.
Ein spielfilmähnlicher Dokumentarfilm mit Experimentalfilm-
charakter. Ein Experimentalfilm aus dokumentarischen und
spielfilmähnlichen Inhalten. Ein Essay in Filmform, oder doch
ein Feature...
7
Reportage orientiert sind, wie z.B. der Einsatz von Interviews
[3] vgl. Schleicher 2005, oder die Erklärung des Dargestellten durch Kommentare.3
S. 367f
Vielmehr entwickelte sich der Film im Laufe der Arbeiten
zunehmend von einem „Beitrag über ein Thema“ zu einer
undogmatischen Collage aus Bildmontagen, Metaphern und
Vergleichen, immer wieder vermischt mit „gewöhnlichen“ Do-
kumentarfilmsequenzen, wie sie vor allem für den Essayfilm
[4] vgl. Schleicher 2005, typisch sind. 4
S. 367
Das Genre konnte ich somit erst gegen Ende meiner Arbeiten
am Film klar festlegen, da sich meine Arbeit erst im Laufe der
Montage zunehmend in die Richtung des „Essayfilm“ entwick-
elte.Die Genredefinition ist für das spätere Zielpublikum wich-
tig, da das Publikum im vornherein wissen will, auf was es sich
in den nächsten Stunden bzw. Minuten einlässt, allein schon
die Erwartung des Rezipienten erzeugt jeweils eine individuell
8
geprägte Grundstimmung.6 Diese Erwartungshaltung könnte [6] vgl. Wolf 2003, S.87
natürlich ganz bewusst auf die Probe gestellt werden. Denn
eigentlich kann mein Film auch als Dokumentarfilm gesehen
werden, obwohl - oder gerade wegen - der vielen Einspielungen,
welche dazu dienen, sämtliche Bereiche des Lebens (also auch
Träume und Gedanken) darzustellen. Die Genrebezeichnung
Dokumentarfilm ist m.E. zu dennoch zu gewagt, andererseits
schreckt die Bezeichnung Videoessay unter umständen Zuseher
ab, da der Begriff nicht bekannt ist bzw. das Genre als zu experi-
mentierlastig eingestuft wird.
9
2. TITELBESTIMMUNG UND HANDLUNG
Der Titel ist, bezogen auf die Inhalte in meinem Film, gerade-
zu Ideal: so setzt sich doch auch mein Film mit verschiedenen
Aspekten des Lebens in Indien – auf weltlicher, „realer“ sowie
auf rituell-religiöser Ebene auseinander. Man könnte sagen,
mein Film ist eine Art Kathak-Tanz in audiovisueller Form. M.E.
Ebenso passend der Untertitel: Rhythm into Life: Rhythmus ins
Leben – der Tänzer entführt uns mittels seines Rhythmus von ei-
nem Schauplatz zum nächsten, der Klang der Schellen begleitet
uns durch den ganzen Film, mal schneller, mal langsamer, aber
doch immer wieder im Takt – eine rhythmische Narration oder
eine Narration des Rhythmus. Der Filmname beinhaltet so das
Grundkonzept und die Kernbotschaft des Films, ohne jedoch
[8] vgl. Sawtschenko 2000, m.E. zu pathetisch oder gar kitschig zu wirken.8
S.161
10
B. ARBEITSSCHRITTE ZUR ERSTELLUNG DES VIDEOESSAYS „KATHAK“
HINSICHTLICH EMOTIONALER FILMGESTALTUNG
11
2. VORPRODUKTION
12
2.1 IDEENFINDUNG
2.1.1 GRUNDSÄTZLICHE
ÜBERLEGUNGEN
13
2.1.2 THEMENFIXIERUNG
„If you don’t know what to film, just go to Old Delhi railway
station and start to film…“ Diese Worte eines befreundeten Vi-
deokünstlers aus Amsterdam (ausgesprochen bei einer ersten
Indienreise vor drei Jahren) kamen mir in den Sinn, als ich nach
dem Brainstorming zwar die Idee fixiert hatte, das Themenum-
feld Reisen bzw. Fremde Kulturen in einem Dokumentarfilm
umzusetzen, aber ich noch nicht wusste, was ich wo filmen sollte.
Nach ersten Recherchen im Internet habe ich in Erfahrung ge-
bracht, dass es in Indien - neben vielen anderen Dingen - grund-
sätzlich Verboten ist, Bahnhöfe zu filmen. Die Umsetzung „mei-
ner“ ersten Idee, ein Portrait der Menschen an und in der „Old
Delhi Railway Station“ in Delhi zu realisieren war somit nicht
möglich.
Die Enttäuschung hielt sich allerdings in Grenzen, da ich bei
meinen ersten Recherchen eigentlich zufällig auf einen Reisebe-
richt über einen mir bis dahin unbekannten Ort gestoßen bin:
Varanasi. Von einer ersten Faszination gefangen, welche sich
auch im weiteren Verlauf nicht mindern sollte, konzentrierte
ich meine Recherchen nach und nach auf diesen eigenartigen
Ort, an dem sich den vielen Schilderungen zur Folge das viel-
fältige indische Leben ungemein konzentriert wiederspiegeln
soll. Was dieses indische Leben nun ist, in diesem „... Meer aus
Armut, Staub und Resignation, aus dem vereinzelt prachtvolle
Monumente, überall aber eine Fülle genialer Notbehelfe heraus-
[13] vgl. Honold, Internet- leuchten“,13 das wollte ich dokumentarisch festhalten, filmisch
Zitat 2
umsetzen und Varanasi erschien mir als der geeignete Ort dafür.
14
2.2 RECHERCHE UND VOR-
BEREITUNGEN ZU HAUSE
2.2.1 INFORMATIONEN
ÜBER DEN DREHORT
15
2.2.2 FILMTHEORIE UND
-LITERATUR
16
beginn als äußerst hilfreich, nicht zuletzt um die Grenzen dieser
„Königsdisziplin des öffentlich rechtlichen Fernsehsystems“16 [16] vgl. Frickel, Internet-
Zitat 3
auszuloten und schließlich bewusst zu sprengen.
17
2.2.3 FILMANALYSEN UND
PRODUKTVERGLEICH
18
eine Moskauer Kinderstraßenbande beim Klauen von Schuhen
gefilmt wird17, schon fast wie in einem Musicalfilm, als etwa eine [17] vgl. Glawogger 2006,
00:41:14
Hausfrau beim Bügeln plötzlich zum Singen anfängt und sich
eine Zweite dazugesellt und sie ihr tägliches Leid in musikali-
scher Weise darstellen.18 Was mich damals noch eher missfiel, [18] vgl. Glawogger 2006,
01:14:05
empfinde ich heute als das eigentlich Geniale an dem Film: Gla-
wogger verlässt die eingefahrenen Genregrenzen, um mit allen
angebrachten filmischen Mittel bzw. Möglichkeiten die jeweili-
ge Situation bzw. das Lebensgefühl der Menschen dem Zuseher
möglichst eindringlich nahe zu bringen.
19
feste Einstellungen, die Kamera möglichst auf dem Stativ mon-
tiert, beschränkt. Vor allem aber faszinierte mich der Inhalt und
Aufbau des Films: In den 180 Minuten Länge wird man ständig
mit nicht vorhersehbaren optischen und inhaltlichen Wendun-
gen mit teils recht verstörenden Bildern und Geräuschen kon-
frontiert, welche sich nicht an starren chronologisch-räumlichen
Abfolgen orientieren. Mettler überzeugte mich mit seinem Werk
somit nicht von Seiten der filmästhetisch perfekten Kameraum-
setzung, dafür aber umso mehr durch die Inhalte, die Erzählwei-
se und den Aufbau seines Films.
20
2.3 KONZEPTERSTELLUNG
21
2.2.3 FAZIT VOR-
PRODUKTIONSPHASE
22
3. PRODUKTION
23
3.1 BILKOMPOSITION UND
EINSTELLUNGSGRÖSSEN IM
SPANNUNUNGSMUSTER
24
Grafik 1: Gamma-Bewegungen geometrischer
Körper (vgl. Arnheim 2000, S.441)
25
3.1.1 DRITTELAUFTEILUNG
UND NOSE-ROOM
Grafik 2: Drittelaufteilung
ähnlich des Goldenen Schnitts
26
so in sich ausgeglichen – bei gleichzeitig dynamischem Bildauf-
bau. Ein als ausgewogen empfundener Bildaufbau dieser An-
ordnungsweise ist ein Stück kultureller Evolution, welcher sich
massenhaft durchgesetzt hat.24 [24] vgl. Mikunda 2002,
S. 50ff
Abbildung 1: Nose-Room:
mehr „Luft“ in Blickrichtung
lassen
27
3.1.2 EINSTELLUNGSGRÖS-
SEN UND KADRIERUNG
Vor allem durch die im Film Kathak oft verwendeten Nah- und
Detailaufnahmen fühlt sich der Betrachter automatisch in das
Geschehen hineingezogen, es entsteht Nähe und Intimität. Dies
wird z.B. bei der Aufnahme des meditierenden Rickshawfahrers
deutlich, als ich in einer langen Einstellung nur das Detail seiner
[25] vgl. Bienk 2008, S. 134 Augenpartie aufgenommen habe.25
Ebenso wie die verwendeten Nah- und Detailaufnahmen, oft in
Kombination mit selbigen fördert eine offene Kadrierung das
Gefühl der Nähe und der Intimität. Da dem Zuschauer nur ein
Ausschnitt des Ganzen geboten wird, muss sich dieser den Rest
des Bildausschnittes (dies geschieht oft nur Unterbewusst) selbst
dazudenken. Beim Betrachter entsteht zusätzlich das Gefühl, di-
rekt neben dem Geschehen zu stehen. Dies wird vor allem in
der ersten Lektion deutlich, als nur die in die Pedale tretenden
Beine des Rickshawfahrers - aus verschiedenen Perspektiven
gefilmt - als Sinnbild für das Ganze - die Fortbewegung mittels
einer Fahrradricksahw - stehen. Im Gegensatz dazu erzeugt eine
Abbildung 2: Offene
Kadrierung schafft Nähe und
Unmittelbarkeit
28
geschlossene Kadrierung, d.h. eine Einstellung, in welcher der
gesamte Bildausschnitt gezeigt wird, eine emotionale Distanz.
Der Zuseher wird automatisch zum Beobachter und eine Identi-
fikation mit den dargestellten Figuren findet nur erschwert statt.
Ich habe Einstellungen dieser Art bewusst im Film platziert, um
im Film Abschnitte der Entspannung und Ruhe zu verstärken.26 [26] vgl. Katz 2000, S. 343ff
Abbildung 3: geschlossene
Kadrierung fördert emoziona-
le Distanz
29
3.2 LICHT UND FARBE
30
3.3 KAMERAPERSPEKTIVEN
UND BEWEGUNG
Abbildung 4: Kameraperspek-
tive aus etwa 1m Höhe
31
3.3.2 KAMERABEWE-
GUNGEN
32
3.4 FAZIT PRODUKTIONS-
PHASE
33
4. POSTPRODUKTION
34
4.1 BILDMANIPULATION
Abbildung 5: Traumsequenz
„Salutation“: Farbentsät-
tigung auf 15-25% (hier
natürlich schwarz-weiß)
35
4.1.2 ZOOM UND WEICH-
ZEICHNEREFFEKTE
Abbildung 6: vgl.
kathakonline Bsp_1:
Zoom und Weichzeich-
nereffekte
36
4.2 Bildmontage
Bei der Montage der einzelnen Bilder wurde mir der Ausspruch
Peter Kubelkas immer mehr bewusst, was kreatives Filmema-
chen bedeutet: „Es ist mehr als das bloße Aneinanderreihen
vorher abgefilmter Sequenzen. Der Film bietet wie kein anderes
Medium die Möglichkeit das Leben als ein komplexes Zusam-
menwirken darzustellen.“ 34 [34] vgl. Kubelka 2002,
01:28:15
Genau das machte ich mir während der Arbeit am Schnitt zum
Vorsatz und ist mir nach anfänglichen Schwierigkeiten (emoti-
onale Distanz zum aufgenommenen Material, s.o.) im Verlauf
der Arbeit an der Montage m.E. auch immer besser gelungen.
Ich stellte mir die Frage: Was will ich mit welcher Szene aussagen
und welche Mittel, also welches aufgenommene Material, steht
mir dazu zur Verfügung. In meinem Film kommen darum, ne-
ben der einen Handlungsablauf beschreibenden, sogenannten
„Visuellen Szene“, sehr häufig spezielle Montageformen jenseits
des „unsichtbaren Schnitts“ zum Einsatz, welche ich bewusst
wählte, um inhaltlich und ästhetisch unterschiedliche Einstel-
lungen bzw. Sequenzen zu einer neuen Aussage zusammen zu
montieren.35 [35] vgl. Höf in Beller 2002,
S. 115f
Im Film Kathak habe ich verschiedene Montagekonzepte vereint,
die unsere Emotionen auf unterschiedlichste Weise aktivieren.
37
4.2.1 MONTAGE VON ZEIT
UND RAUM
Match Cut
Bei Anwendung eines Mach Cuts werden zwei in Ort und Zeit
voneinander unabhängige, aber inhaltlich miteinander in Bezug
stehende Begebenheiten zusammengeschnitten. Dadurch wer-
den an sich unterschiedliche Bedeutungsstränge miteinander
verknüpft. Im Match Cut wird die ganze Widersprüchlichkeit
der Montagearbeit sehr deutlich: der Moment des Auseinander-
reißens einer Szene ist zugleich der Moment des neuen Zusam-
[36] vgl. Schleicher, S. 183ff menfügens.36
Die Szenen „Rickshawfahrer bei der Arbeit“ und „Mann in der
Wüste“ habe ich im Match-Cut Verfahren miteinander kombi-
niert, um die zwei Lebensbereiche des Rickshawfahrers „Stress
bei der Arbeit“ und „innerer Ausgleich bei der Meditiation“ vi-
suell miteinander in Bezug zu setzen.
Abbildung 7: vgl.
kathakonline Bsp_2:
Match Cut
38
Alternierende Montage / Cross Cutting
Um dem Zuschauer das Gefühl zu geben als Beobachter ver-
schiedene Szenen einer Straße zu betrachten, vermischte ich die
an völlig verschiedenen Orten stattfindenden Handlungen „Stra-
ßenkreuzung“ und Zuckerrohrsaft“ in Form der alternierenden
Montage. Da ich die Sequenzen der Straßenkreuzung zusätzlich
mit dem permanent knatternden Geräusch der Pressmaschine
unterlegte, hat der Zuseher tatsächlich das Gefühl an einem Ort
zu sein und abwechselnd den Blick auf die Straßenkreuzung und
dann wieder auf die Arbeiten an der Saftpresse zu werfen.
Die alternierende Montage befriedigt das menschliche Bedürf-
nis nach Abwechslung und Wiederholung gleichermaßen.37 [37] vgl. Schleicher 2005,
S. 179
Abbildung 8: vgl.
kathakonline Bsp_3:
Alternieriende Montage
39
Plansequenz
Bei Anwendung einer Plansequenz sollte schon beim Dreh sehr
sorgfältig gearbeitet werden, da bei dieser Art der „Montage“
später nicht Zwischengeschnitten wird. Die ganze Eingangs-
sequenz im Film Kathak stellt eine (dynamische) Plansequenz
dar – in Kombination mit einer Kamerabewegung. Die als Plan-
sequenz eingesetzte Szene wirkt darum so authentisch, weil die
dargestellten Geschehnisse nicht zeitlich komprimiert werden,
was ja eigentlich eine der Hauptaufgaben der Montage bzw. des
Filmschnitts ist.
Der Zuschauer hat darum beim Betrachen der Szene „Betreten
des Tempels“ nicht das Gefühl ein Beobachter, sondern ein un-
mittelbar Beteiligter zu sein und wird gleich zu Beginn des Films
[38] vgl. Schleicher 2005, in einem „visuellen Sog“ in das Geschehen getragen.38
S. 188
Abbildung 9: vgl.
kathakonline Bsp_4:
Plansequenz
40
Short Cut
Vor allem der digitale Filmschnitt ermöglicht neue Techniken in
der Filmmontage. Die kleinste Mögliche Schnitteinheit ist heute
tatsächlich ein einziger Frame, also 1/25tel einer Sekunde. Dies
erlaubt nun extrem kurze Einschübe ausgesuchter Einstellungen,
welche vom Zuseher z.B. mit plötzlich aufkommenden Gedan-
kenblitzen assoziiert werden können.
Weiters können extrem kurze Schnitte verwendet werden, um
zwei visuelle Eindrücke symbolisch miteinander zu verschmel-
zen. So habe ich die Szene mit dem Rickshawfahrer in immer
schneller werdenden, sich rhythmisch wiederholenden, immer
kürzer werdenden Schnittfolgen montiert (am Schluss schließ-
lich Schnittwechsel von nur mehr einem Frame).
Durch die schnellen Schnitte scheinen auch die zwei Örtlich-
keiten „Rickshawfahrer im Straßenverkehr“ und „ausgedorr-
ter Wüstenboden“ miteinander zu verschmelzen - ein weiteres
Sinnbild für die Verschmelzung des täglichen harten Alltags des
Rickshawfahrers mit seinen Erfahrungen aus seiner geistig-spi-
rituellen Welt. Die „Wüste“ (die Leere) und der aufgebrochene
„Wüstenboden“ (die Welt als in scheinbar wirre Fragmente zer-
teiltes Ganzes), stehen als Sinnbilder für essenzielle Erfahrun-
gen, wie sie bei der anschließend gezeigten, vom Rickshawfahrer
praktizierten Meditation gemacht werden können.39 [39] vgl. Schleicher 2005,
S. 186f
41
4.2.2 MONTAGE ALS
IDEENASSOZIATION
Assoziationsmontage
Mittels Einsatz der Assoziationsmontage kann der Rezipient ei-
ner Abfolge von Bildern eine neue Bedeutung zusprechen. So
montierte ich die Bilder „Heilige Kuh“, „Götterstatue“, „meditie-
render Mensch im Schneidersitz“ und schließlich „Arbeiter im
Schneidersitz“ so aneinander, dass sich der Zuseher ausgehend
von der als heilig verehrten Kuh, über ein weiteres heiliges Ab-
bild (der Götterstatue), hin zu einer religiösen Tätigkeit (der Me-
ditation), dann in reinem weißen Licht und schließlich wieder
im „realen“ Leben, also in der Seidenfabrik, befindet.
Der Schluss: Kuh = heilig bzw. die Verbindung zu spirituellen
Erfahrungen lässt sich aus der unmittelbaren Montage der Ein-
stellungen „Kuh“, „Heiligenstatue“, „Ritualhandlung“ und „rei-
[40] vgl. Kandorfer 2003, nes weißes Licht“ ziehen.40
S. 173
42
Metaphorische / Symbolisierende Montage
Übertragende Sinnzusammenhänge lassen sich mit Hilfe der
Metaphorischen bzw. Symbolisierenden Montage veranschauli-
chen. Die wegfliegende Krähe in der Wüste steht als Metapher
für die Seele des toten Huhns, welche nach dessen Köpfung
„zum Himmel“ fliegt.
Besonders bei der Anwendung von Metaphern muss man sehr
Vorsichtig sein, da erzeugte Sinnbilder sehr schnell vordergrün-
dig bzw. banal erscheinen und so einer Sequenz oder gar dem
ganzen Film eine ungewollte kitschig-oberflächliche Note ver-
leihen können.41 [41] vgl. Kandorfer 2003,
Ich habe mich trotzdem dazu entschieden, die doch schon sehr S. 174
43
Inellektuelle Montage
Mir war es wichtig, dass der Film nicht nur eine Aneinanderrei-
hung von unterschiedlichen Sequenzen mit jeweils abgeschlos-
senen Aussagen und Handlungssträngen ist, sondern dass sich
gewisse Bedeutungen bzw. Sinnzusammenhänge einzelner Bil-
der erst im Verlauf des Filmes ergeben. Mit Hilfe des Einsatzes
der intellektuellen Montage kann dem Publikum ein grundle-
gender, den ganzen Film betreffender Denkanstoß gegeben wer-
den, die jeweilige Szene für sich alleine stehend lässt dabei noch
keinen eindeutigen Sinnzusammenhang erkennen.
So ergeben verschiedene Szenen auch in meinem Film noch
keinen eindeutigen Sinn. Beispielsweise der Kathaktänzer, wel-
cher am Ende der Sequenz „unit 7“ regungslos im Sonnenlicht
steht, oder der „Mann mit rotem Tuch“ welcher ebenfalls beina-
he ohne Regung frontal in die Kamera blickend sein religiöses
Ritual vollzieht. Erst im vorletzten Kapitel wird endgültig klar,
dass dies alles Symbole der Ruhe, des Stillstandes, des Innehal-
tens inmitten der Hast und der allgegenwärtigen Unruhe waren,
nun zusätzlich in Abfolge mit den „ruhenden“ Götterstatuen
[42] vgl. Kandorfer 2003, abgebildet.42
S. 179f
44
4.2.3 MONTAGE ALS
FORMALPRINZIP
Rhythmische Montage
Mittels der rhythmischen Montage wird ein neuer, in der Wirk-
lichkeit in dieser Weise nicht vorkommender Bewegungsablauf
mittels Schnitt von Bild- und Tonmaterial generiert. So habe ich
die Endsequenz „Zuckerrohrsaft“ und die darauf folgende mo-
tivähnliche Sequenz „Seidenfabrik“ zusätzlich mit der - nach
mehrmaligem kurzem Vor- und Zurücklaufen der jeweiligen
Einstellung nun bewegungsähnlichen - Sequenz „Handtrom-
mel“ kombiniert. So wird aus dem Einsatz von filmexperimen-
tellen Möglichkeiten unter Berücksichtigung der rhythmischen
Montagetechnik ein neues Symbolbild geschaffen. Die Über-
gangssequenz kann nun als Symbol der immerwährenden Prä-
senz des geistlichen in der realen Welt gedeutet werden (wer gibt
den Rhythmus vor – die Trommel (geistlich) oder die Maschinen
(weltlich)?).43 [43] vgl. Kandorfer 2003,
S. 177
Mittels kreativer Ausdrucksmittel kann die Aufmerksamkeit des
Zuschauers gezielt gesteuert werden, um eine symbolbehaftete
Botschaft zu vermitteln, welche sich hinter einer auf den ersten
Blick als „technische Spielerei“ anmutenden Sequenz verbirgt.
45
Leitmotivmontage
Bei der Vielfalt an verschiedenen Eindrücken, mit denen der Zu-
schauer bei Sichtung des Filmes konfrontiert wird, ist es wichtig,
dem Rezipienten ein immer wiederkehrendes Motiv mit gleicher
oder ähnlicher Bedeutung zu präsentieren.
Dieses Motiv, in meinem Film in Form des Kathaktänzers bzw.
dessen Beine, kehrt an verschiedensten Stellen im Film wieder,
dient somit als „Reiseführer“, welcher dem Zuseher ein gewisses
[44] vgl. Kandorfer 2003, Gefühl von Bekanntheit und Halt vermitteln soll.44
S. 178
Dass es oft ausreicht dieses Leitmotiv auch nur auf auditiver Ebe-
ne darzustellen, werde ich im folgenden Kapitel näher erläutern.
46
4.3 TONMONTAGE
Film kann in den allermeisten Fällen als eine Symbiose von Bild-
mit Tonmaterial verstanden werden. Allerdings ist Symbiose
nicht mit Synchronität gleichzusetzen. Kreative Filmmontage
bedeutet vor allem auch der kreative und durchdachte Einsatz
von Tonmaterial. Nicht alles, was als Bild zu sehen ist, muss auf
der Tonebene zu hören sein und nicht alles, was man hört, muss
zusätzlich auf visueller Ebene dargestellt werden. Denn ein Bild
wird auch nur durch die Darbringung seines (bekannten) ak-
kustischen Pendants aus dem Erfahrungsschatz des Rezipienten
abgerufen. [vgl. Kubelka DVD]. [45] vgl. Kubelka 2002,
00:17:45
Aufgrund dieser Tatsache eröffnen sich hinsichtlich emotionaler
Tongestaltung mehrere gestalterische Perspektiven, welche ich
bei der Montage des Films Kathak berücksichtigte. Gleich in der
ersten Szene kann man das Geräusch des Kathaktänzers nur auf
akustischer Ebene vernehmen – der Rezipient soll neugierig ge-
macht werden. Erst im weiteren Verlauf des Films wird das Ge-
räusch mit dem visuellen Bild der Beine im rhythmischen Tanz
in Verbindung gebracht.
47
4.3.2 ORIGINALTON UND
ATMOSPHÄRE
48
4.3.3 KOMMENTAR UND
MUSIK
49
4.3.4 MUSIKALISCHES
LEITMOTIV
Bestandteile
Diese o.g. Bassline, die (modifizierte) Tonabfolge einer Glocke
und natürlich das Geräusch der aufklatschenden Füße mit den
daran befestigten 150 Glöckchen des Kathaktänzers bilden in
meinem Film das in verschiedenen Varianten immer wieder-
kehrende musikalische Leitmotiv, welches die einzelnen Baustei-
ne des Filmes zusätzlich auf der akustischen Ebene miteinander
[48] vgl. Flückinger 2001, verbindet.48
S. 183ff
Einsatzintensität im Film
Nachdem die Bestandteile des Leitmotivs in die einzelnen Se-
quenzen eingebaut waren und innerhalb der jeweiligen Sequenz
auch recht gut funktionierten, fiel bei der Sichtung des komplett
zusammengefügten Materials auf, dass bestimmte Bereiche des
Films auf der Tonebene „überladen“ wirkten. Um mir ein „Bild“
von der Einsatzhäufigkeit zu machen, notierte ich sämtliche
Anfangs- und Endzeiten der Leitmotivbestandteile und bildete
daraus die folgende Grafik.
50
51
Grafik 3-1: Einsatzhäufigkeit der Leitmotivbestandteile, Teil 1
LEITMOTIV
4.3.4 MUSIKALISCHES
52
Diese Überladung an Geräuschfragmenten lag einerseits an dem
oft unmittelbar wiederholten Einsatz des eines Leitmotivbe-
standteils in zwei aufeinanderfolgenden Sequenzen, aber auch
an der teilweise unregelmäßigen Verteilung der einzelnen Be-
standteile. Aus der grafischen Darstellung wurde nun ersichtlich,
dass vor allem in den ersten Abschnitten (Prolog bis unit one)
der Bassanteil viel zu hoch ist, während in anderen Abschnitten
(unit 3, 4 und 5 bis zur Mitte der Sequenz) die Leitmotivbestand-
teile fast nicht zum Einsatz kommen. Mittels der Grafik konnte
ich nun Abschnitt für Abschnitt im Film korrigieren, der Einsatz
des Leitmotivs wirkt nun im ganzen Film m.E. wesentlich homo-
ger und ausgeglichener.
53
4.4 FAZIT POSTPRODUK-
TION
Die Arbeit am Schnitt stellte sich als die mit großem Abstand
zeitintensivste Arbeitsphase bei der Erstellung des Films heraus.
Dabei versuchte ich von Anfang an intuitiv vorzugehen, das
heißt, losgelöst von konzeptionellen Vorgaben Schritt für Schritt
eine Sequenz nach der anderen zu erstellen. Nach der Idee, den
Tempel bzw. die Heiligenstatuen als ein im Film immer wie-
derkehrenden Bezugspunkt zu wählen, von dem aus sich die
einzelnen Handlungsstränge aufbauen bzw. an dem sich die
Handlungsstränge wieder treffen, war das Grundproblem eines
Handlungsrahmens schon gelöst.
Von da an arbeitete ich zwischen den einzelnen wöchentlich
stattfindenden Arbeitsbesprechungen verschiedene Sequenzen
bzw. Abschnitte weiter aus. Dabei war für mich wichtig, die
einzelnen zum größten Teil unfertigen Abschnitte zu den Be-
sprechungen zu einem zusammenhängenden Gefüge zu montie-
ren. Dadurch konnte nicht nur Zeit während der Vorführung
gespart und für hilfreichen Gedankenaustausch und Ideeninput
genutzt werden, sondern man bekam ein gutes Gespür für den
Gesamtrhythmus des Films. So musste ich in sich „stimmige“
Sequenzen zum Teil so umbauen, dass der Film als Gesamtes
ein stets ausgewogenes Verhältnis von schnellen und langsamen
Sequenzen erhielt.
Nach der Arbeit mit dem Filmmaterial wurde mir vor allem
Bewusst, welche „Macht“ hinsichtlich der Filmgestaltung in der
Montage liegt. Im Gegensatz zum fiktionalen Film, wie ich es
z.B. beim Dreh eines Kurzfilms im Studium erlebte, wird selten
Material „auf Schnitt“ gedreht, d.h. es liegt beim Dreh kein kon-
kretes Storyboard vor, an dem man sich orientieren kann. So
müssen ständig mögliche Sinnzusammenhänge, Metaphern und
Symbole im Material erkannt und auf deren Um- bzw. Einsetz-
barkeit hin überprüft werden.
54
Im ganzen Entstehungsprozess des Films stellte die Nachpro-
duktionsphase den meine kreativ-gestalterischen Fähigkeiten
forderndsten und zeitintensivsten, gleichzeitig aber – vor allem
hinsichtlich der unvorhersehbaren, immer wieder neuen Wen-
dungen und Entwicklungen des Filmes - auch spannendsten
Umsetzungsschritt im gesamten Herstellungsprozess dar.
55
C. RÉSUMÉ: GEFÜHLE STEUERN
56
die Ecke, weiters haben wir doch unsere speziellen „Videodozen-
ten“ an der FH und was soll dieser Risckshawfahrer ohne Ricks-
haw mitten auf dieser Sandbank schon für ein Motiv abgeben?
57
D. VERZEICHNISSE
LITERATUR
58
Katz Steven D., 2000: Die richtige Einstellung
Frankfurt am Main, Zweitausendeins
59
INTERNET / ONLINE
60
FILM
Kubelka Peter, 2002: Film als Ereignis, Film als Sprache, Den-
ken als Film
Wien, ZONE DVD-Produktion
61
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
62
E. EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG:
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Ort, Datum Unterschrift
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