Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Inhaltsverzeichnis
Leben
Jugendzeit
Übergang zur Philosophie
Fichtes Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre
Fichtes Kantrezeption
Jenaer Philosophie Johann Gottlieb Fichte
Die Wissenschaftslehre nova methodo
Fichtes Rechtslehre
Fichtes Sittenlehre
Fichtes Religionslehre
Beitrag zur Französischen Revolution (1793)
Fichtes judenfeindliche Äußerungen
Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters (1806)
Reden an die deutsche Nation (1808)
Würdigung
Johann-Gottlieb-Fichte-Stiftung
Werke (Auswahl)
Wissenschaftslehre
Weitere Werke
Literatur
Ausgaben
Sekundärliteratur
Weblinks
Einzelnachweise
Leben
Jugendzeit
Fichte war das erste von acht Kindern des Bandwebers Christian Fichte (1737–1812) und seiner Frau Maria Dorothea (geb. Schurich,
1739–1813) in Rammenau in der Oberlausitz. Er wuchs ärmlich in einem von Frondiensten geprägten dörflichen Milieu auf. Seine
Auffassungsgabe und sein gutes Gedächtnis fieleneinem Verwandten der örtlichen Gutsherrschaft, dem GutsherrnErnst Haubold von
Miltitz (1739–1774), bei einem Besuch in Rammenau auf: Er hatte eines Sonntags die kirchliche Predigt verpasst, woraufhin der
zehnjährige Fichte gerufen wurde, von dem man versicherte, er könne die Predigt wiederholen. Daraufhin imitierte dieser den Pfarrer
so perfekt, dass der Freiherr in seiner Entzückung dem Kind nach einer Vorbereitungszeit im Pfarrhaus zu Niederau den Besuch der
Stadtschule in Meißen ermöglichte. Danach finanzierte ihm sein Förderer 1774 eine
Ausbildung an der Landesschule Pforta bei Naumburg,[1] verstarb jedoch im selben
Jahr.
Nach seiner Schulzeit zog Fichte 1780 nach Jena, wo er an der Universität ein
Theologie-Studium begann, wechselte jedoch bereits ein Jahr später den Studienort
nach Leipzig. Die Familie von Miltitz unterstützte ihn nun nicht mehr finanziell, er
war gezwungen, sich durch Nachhilfeunterricht und Hauslehrerstellen zu finanzieren
und brachte das Studium zu keinem Abschluss.
In dieser aussichtslosen Lage bekam er 1788 inZürich eine Stelle als Hauslehrer, die Johann Gottlieb Fichtes Wohnhaus in
er aber nur zwei Jahre innehatte, da er der Auffassung war, dass man, bevor man Rammenau, Zeichnung von Kantor
Riedel
Kinder erzieht, zuallererst die Eltern erziehen müsse. Dort verlobte er sich mit
Johanna Marie Rahn (1755−1819), Tochter des Kaufmanns und Waagmeisters
Johann Hartmut Rahn[2] und Nichte des DichtersKlopstock.
Nach einem kurzen Intermezzo auf einer Hauslehrerstelle in Warschau nahm Fichte Anfang November 1791 eine auf ein Jahr
befristete Anstellung als Hauslehrer des Sohns des Ehepaars Louise von Krockow, geb. von Göppel, die mit Kant persönlich bekannt
war, und Heinrich Joachim Reinhold von Krockow (1736–1796), Königl. Preußischer Obrist, im gräflichen Schloss Krockow in der
Nähe der pommerellischen Ostseeküste an.[3] Im selben Jahr besuchte er Kant in Königsberg, wo dieser ihm einen Verleger für seine
Schrift Versuch einer Critik allerOffenbarung[4] (1792) verschaffte, die anonym veröffentlicht wurde. Das Buch galt zunächst als ein
lange erwartetes religionsphilosophischesWerk von Kant selbst. Als Kant den Irrtum klarstellte, war Fichte berühmt und erhielt einen
Lehrstuhl für Philosophie an der Universität Jena, den er 1794 antrat. Zuvor hatte er nach längerer Überlegung, ob eine
Eheschließung ihm nicht die „Flügel abschneide“, 1793 Johanna Rahn geheiratet. Drei Jahre später kam Sohn Immanuel Hermann
(1796–1879) zur Welt.
Hatte sich Fichte zuvor als Anhänger der Französischen Revolution bezeichnet, so profilierte er sich nun insbesondere durch die
flammend patriotischenReden an die deutsche Nation(als Text veröffentlicht bis 1808) als GegnerNapoleons.
Ein utopisches Gesellschaftsmodell – eine Art sozialistische Gesellschaft auf nationalstaatlicher Grundlage – findet sich in dem Werk
Der geschlossene Handelsstaat(1800).
Sein Grabstein trägt einen Vers aus dem Buch Daniel (12,3 ): „Die Lehrer aber
werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die, so viele zur Gerechtigkeit weisen,
wie die Sterne immer und ewiglich.“
Fichtes Grundlage der gesamten Die Gräber von Fichte und seiner
Frau
Wissenschaftslehre
→ Hauptartikel: Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre
Ein zentraler Kern in FichtesPhilosophie ist der Begriff des „absoluten Ich“. Dieses absolute Ich ist nicht mit dem individuellenGeist
zu verwechseln. Später nutzte er die Bezeichnung „Absolutes“, „Sein“ oder „Gott“. Fichte beginnt in seiner Grundlage der gesamten
Wissenschaftslehre mit einer Bestimmung des Ich:
„Das Ich setzt sich selbst, und es ist, vermöge dieses bloßen Setzens durch sich selbst; und umgekehrt: Das Ich ist,
und es setzt sein Seyn, vermöge seines bloßen Seyns. – Es ist zugleich das Handelnde, und das Produkt der
Handlung; das Thätige, und das, was durch die Thätigkeit hervor
gebracht wird; Handlung, und That sind Eins und
[10]
dasselbe; und daher ist das: Ich bin, Ausdruck einer Thathandlung.“
Fichte ging es um die praktische Umsetzung seiner Philosophie, weshalb er die Errichtung eines lückenlosen philosophischen
Systems als zweitrangig erachtete. Im Vordergrund stand für ihn die Verständlichkeit seiner Lehre. Er vertrat ein positives
Menschenbild und ging davon aus, dass in jedem Menschen – und nicht nur im Gelehrten – der Grund echter Selbsterkenntnis (und
damit auch Gotteserkenntnis) gelegt ist und der Philosoph lediglich auf diese verweisen muss.
In seiner populären, z. T. polemischen Darstellungsweise schuf sich Fichte unter den Fachgelehrten viele Freunde, aber auch Feinde.
In erbitterter Feindschaft stand er zu Friedrich Nicolai. Goethe urteilte skeptisch über Fichte, „daß doch einem sonst so vorzüglichen
Menschen immer etwas Fratzenhaftes in seinem Betragen ankleben muß“. Trotz späterer Ablehnung übte Fichte großen Einfluss auf
Schelling und Hegel aus. Auch Hölderlin bekannte, Fichtes Vorlesungen aus seiner Jenaer Zeit viel zu verdanken. Einige Ideen
Fichtes knüpfen an die Thesen des etwa 20 Jahre älterenJohann Gottfried Herderan.
Fichtes Kantrezeption
Fichte reagierte auf die Frage, wie theoretische und praktische Vernunft zusammenhängen, indem er antwortete, dass die beiden Teile
der Vernunft in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen. Hierbei ist die praktische Vernunft der theoretischen
übergeordnet. Letztere benötigt demnach die praktische Vernunft; diese aber ist autonom. Auch für Kant war die praktische Vernunft
ein Vermögen des Willens – und damit autonom. Laut Fichte mündet diese Tatsache aber in seiner Theorie zur „Selbstsetzung“. Der
Wille bringt, indem er sich ein Gesetz gibt, zugleich sein Wesen als „Vernunftwille“ hervor. Dieser Vernunftwille macht das aus, was
wir sind – nämlich unser Ich. „Das absolute Ich ist, indem es sich setzt, und setzt sich, indem es ist.“[11] Aus diesem Grund kommt
der praktischen Vernunft absolute Freiheit zu. Fichtes Idealismus ist daher eine Konsequenz aus dem Primat der praktischen
Vernunft.
Der Kritik am transzendentalen Argument bei Kant entzieht sich Fichte, indem er die praktische Vernunft zur Bedingung für die
theoretische Vernunft erklärt. Hierbei geht er von der „Handlung“ des Urteilens aus und schließt mithilfe einer transzendentalen
Begründung auf das sich setzende Ich als Bedingung hierfür. Alles Urteilen ist Handeln des menschlichen Geistes. Diesem liegt der
[12] ist der Grund des Handelns.
Satz „Ich bin“ zugrunde. Das „schlechthin gesezte und auf sich selbst gegründete“
Um dem Vorwurf zu entgehen, dass wir eventuell gar nicht urteilen, sondern nur glauben zu urteilen, führte Fichte die „intellektuelle
Anschauung“ ein. Sie ist auch praktisch zu verstehen als „Anschauen seiner selbst im Vollziehen eines Acts“.[13] Wenn wir urteilen,
beobachten wir uns nicht, sondern stellen handlungsorientierte Fragen. Diese Fragen gehen von der Annahme aus, dass der Mensch
ein Vernunftwesen ist. Würde das nicht zutreffen, könnte er nicht urteilen, was nicht vorstellbar ist. Gleichwohl vertrat Fichte die
Auffassung, auch wenn der Mensch nicht an den Bedingungen vernünftigen Urteilens zweifeln könne, folge daraus nicht, dass er
diese Bedingungen tatsächlich erfüllt.
Die schärfste Abgrenzung zu Kant vollzog Fichte mit seiner Ablehnung der Konzeption eines „Dinges an sich“. Nur so kann in
seinen Augen die absolute Freiheit des Ichs bewahrt werden.[14] Das „Ding an sich“ wird bei Fichte lediglich zu einem „Anstoß“,
einem irrationalen Faktum innerhalb des Ich, welches das Ich zu bewältigen versucht. Die Folge ist der Ausschluss aus dem Ich,
gleichsam hinaus in die Welt als „Nicht-Ich“. Ist das absolute Ich demzufolge also ein „Ding an sich“ auf der Seite des Subjekts?
Fichtes Antwort: Nur wenn es „erscheint“. Das absolute Ich existiert nur im Handeln. In seiner philosophischen Reflexion wird das
absolute Ich zu etwas Objektivem, eine andereEntität der realen Welt gibt es nicht.
Jenaer Philosophie
Da Fichte die Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre schnell als unzureichend und ergänzungsbedürftig ansieht, macht er sich
auf dem Höhepunkt seiner Jenaer Periode nahezu zeitgleich an eine neue Ausarbeitung der Wissenschaftslehre (unter dem Namen
Wissenschaftslehre nova methodo) und an eine erste Ausarbeitung der praktischen Philosophie (in der Grundlage des Naturrecht und
der Sittenlehre).
Inhaltlich stellt sich seit der Grundlage der gesamten Wissenschaftlehre die Frage, warum das absolute Ich, welches autonom ist, auf
einen „Anstoß“ reagiert. Fichte macht deutlich, dass das absolute Ich nur ist, wenn es sich seiner selbst bewusst wird. Dies kann nur
geschehen, wenn es mitMaterial konfrontiert wird, auf das es zu reagieren hat. Würde es zu keinem Kontakt kommen, würde das Ich
„ganz in seiner Tätigkeit aufgehen“.[15] Um aber zu sein – und damit auch ein Selbstbewusstsein zu entwickeln –, muss es sich für
den „Anstoß“ öffnen und dafür Sorge tragen, dass der „Stein des Anstoßes“ erhalten bleibt. Nach iFchte kann das Ich demnach als ein
unendliches Streben nach Autonomie verstanden werden. Der „Anstoß“ ist hierbei gleichsam nur notwendige Bedingung des
Selbstbewusstseins, keine hinreichende. Die weiteren Bedingungen für das Selbstbewusstsein finden sich in den jeweiligen
Teildisziplinen der Wissenschaftslehre, die Fichte unterscheidet: Naturlehre, Rechtslehre, Sittenlehre und Religionslehre. Erstere hat
Fichte, aufgrund des von ihm entwickelten Primats der praktischen eVrnunft, nie ausgearbeitet.
Fichtes Rechtslehre
In seinen Grundlagen des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre von 1796/1797 (§ 8) bestimmte Fichte die Funktion
des Rechts ähnlich wie Kant: Das Beisammenstehen der Freiheit mehrerer sei „nur dadurch möglich, daß jedes freie Wesen es sich
zum Gesetz mache, seine Freiheit durch den Begriff der Freiheit aller übrigen einzuschränken.“ Doch schloss für ihn eine vernünftige
Ordnung der Freiheit auch eine angemesseneVerteilung gemeinschaftsbedingter Chancenund Güter ein.[18]
Für Fichte wird die Beziehung zwischen dem Selbstbewusstsein und – sozusagen – der Welt präzisiert. Das Bewusstsein kann sich
nur als frei handelndes Wesen begreifen, wenn es „den Begriff eines frei handelnden Wesens auf sich anwenden kann.“[19] Das kann
es nur, wenn andere das Selbstbewusstsein auffordern etwas zu tun und gleichzeitig(!) die Freiheit eingestehen, dieser Aufforderung
nicht nachzukommen. Da dieser Vorgang reziprok ist, folgt, dass das Sein des Selbstbewusstseins von der Anerkennung der Freiheit
anderer abhängt. Es wird deutlich, dass sich Fichte nicht auf das Moralgesetz als die bindende Kraft des Rechts versteht, sondern das
Eigeninteresse des selbstbewussten Ichs. Ein Rechtsverhältnis entsteht demnach aufgrund der bloßen Existenz eines Nicht-Ichs.
Auch Fichte definiert, wie so mancher Philosoph vor ihm, den Staat als Ausdruck des absoluten Willens, dessen Absicht es ist, die
Freiheit und Rechte seiner Bürger zu garantieren. Kollektives Handeln und individuelles Handeln werden mit dem Ausdruck
„sittliches Handeln“ in Eins gesetzt. Freiheit in der Geschichte sei nach Fichte die mehr oder weniger sittliche Gestaltung
gesellschaftlicher Verhältnisse der verschiedenenVölker.
Fichtes Philosophie lässt sich als ethischer Idealismus bezeichnen, wenn man voraussetzt, dass nur der Staat Rechtsverhältnisse
zwischen sich und den Bürgern bzw. unter den Bürgern schafft und dabei Beschränkungen seiner Bürger zugunsten eigener
materieller Zwecke vornimmt.
Fichtes Sittenlehre
Im System der Sittenlehre nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre von 1798 geht Fichte davon aus, dass das Selbstbewusstsein
des absoluten Ichs nur sein kann unter der Bedingung des Bewusstseins des Sittengesetzes. Hierbei ist sich das Ich des Sittengesetzes
niemals in abstracto bekannt, sondern „immer in Form konkreter Aufgaben und Pflichten der Welt“.[20] Das Ich kann sich nur eine
Tätigkeit zuschreiben, wenn diese mit der kausalen Wirklichkeit einer ihm unabhängigen Welt verbunden ist. Dies wiederum ist nur
möglich, wenn es sich einen Körper zuschreibt. Da dieser Körper Teil der Welt ist, unterliegt er auch den Naturtrieben. Das
Sittengesetz untersucht nun die Bedingungen derManifestation eines zugleich verkörperten und von Naturtrieben beherrschten Ich.
Fichtes Religionslehre
Fichte hinterließ keine systematisch ausgearbeitete Religionsphilosophie. Im Atheismusstreit, den Friedrich Karl Forberg mit einem
Artikel im Philosophischen Journal mit einem zustimmenden Nachwort von Fichte 1798 ausgelöst hatte, postulierte Fichte mit
Forberg, die Existenz Gottes sei nicht notwendig für die Errichtung einer moralischen Wertordnung, allerdings sei der Glaube an
Gott, verbunden mit einer göttlichen Moral, unumgänglich. Während Kant von der Existenz Gottes ausging und seine These
untermauerte, die Existenz Gottes sei notwendig im Hinblick auf die Bedingungen der Möglichkeit sittlichen Handelns, sah Fichte
nur die Notwendigkeit zu einer „moralischen Weltordnung“. Diese müsse nicht zwingend auf eine höhere Instanz – also Gott –
zurückgeführt werden. Die aktive Weltordnung selbst (ordo ordinans) könne man als Gott bezeichnen. Wer dies aber tut, der
„verkennt die unmittelbare Beziehung des Gottesbegriffs zum moralischen Bewusstsein“ und ist, so Fichte, „der wahre Götzendiener
und Atheist.“[20]
In seiner 1794 erschienen Streitschrift Eisenmenger der Zweite[26] polemisierte Saul Ascher gegen die judenfeindlichen Äußerungen
Fichtes, dem er den Namen des seinerzeit bekannten Judenfeindes Johann Andreas Eisenmenger, des Autors des Pamphlets
Entdecktes Judentum beilegte. Mit Fichte sei eine neue Dimension dessäkularen Judenhasses zu verzeichnen.
Mit David Veit lernte Fichte einen Vertreter der jüdischen Aufklärung Haskala kennen und schätzen. Als Rektor der Berliner
Universität trat er kompromisslos und gegen allgemeinen Widerstand für einen zu Unrecht vom Senat der Universität bestraften und
mit Relegation bedrohten jüdischen Studenten ein.[27] Während vielfach eine „liberal-progressive“ Rezeption Fichtes – auch unter
jüdischen Intellektuellen[28] – vorherrschte, entwickelte sich später, insbesondere im Gefolge des Ersten Weltkrieges, auch eine
„völkisch-nationalistische“ Rezeption.[29] Dabei gewannen sowohl die Grundzüge als auch die Reden Fichtes erneut an Bedeutung,
indem sie in den Dienst des nationalistischen Pathos und der Judenhetze gestellt wurden. Die Nationalsozialisten nahmen dabei
Fichte zur Begründung ihrer Ideologie in Anspruch.
In den Reden ruft Fichte im Bereich der Bildung zu einer Nationalerziehung nach dem Vorbild von Johann Heinrich Pestalozzi auf,
die das menschliche Verhältnis zur Freiheit in der Vernunft- und Werterziehung verankern soll. Auch hier geht es wieder um die
sittliche Bildung zur Freiheit, zur Selbständigkeit, zur Veredelung. In dieser Erhebung zur Vernunft, zum wahren Selbst, welches in
der allgemeinen Vernunft zu finden ist, die jede Nation übersteigt, entfällt für Fichte auch die mögliche Feindschaft zu anderen freien
Individuen und Nationen, denn der so gebildete Mensch strebe danach, seine Mitmenschen zu achten, und liebe ihre Freiheit und
Größe, während ihn ihre Knechtschaft schmerze: „Aber es ist schlechthin unmöglich, dass ein solches Gemüt nicht auch außer sich
an Völkern und einzelnen ehre, was in seinem Innern seine eigne Größe ausmacht: die Selbständigkeit, die Festigkeit, die
Eigentümlichkeit des Daseins.“[33]
In den Reden finden sich mit einer klar konturierten Ausdifferenzierung der Menschheit in nicht gleichwertige Sprach- und
[34]
Kulturgemeinschaften sowie dem grundsätzlichenStreben nach deren Reinheit Ansätze einer rassistischen Theoriebildung.
Würdigung
Den Namen Fichtes tragen
Fichtegasse in Wien
Siedlung am Fichteplatzin Mainz
mehrere deutsche Sportvereine, die in derArbeitersportbewegung
verwurzelt sind, z. B. derVfB Fichte Bielefeld
J. G. Fichte, Fracht- und Ausbildungsschiff der Deutschen Seereederei
Zwei Denkmäler, ein Park und ein Museum (im Barockschloss
Rammenau) im Fichte-Geburtsort Rammenau
Fichteturm und Fichtepark in Dresden-Plauen Deutsche Sondermarke 2012
5-DM-Gedenkmünze zum 150. Todestag (→ 5. Gedenkmünze der
Bundesrepublik Deutschland)
10-Mark-Gedenkmünzezum 175. Todestag
70-Cent-Sondermarke zum 250. Geburtstag 2012
Johann-Gottlieb-Fichte-Stiftung
1996 wurde die der rechtskonservativen Partei Die Republikaner nahestehende Johann-Gottlieb-Fichte-Stiftunge.V. gegründet, die
sich nach eigenen Angaben der Vermittlung von traditionellen Werten im Sinne des Philosophen widmet.[35]
Werke (Auswahl)
Wissenschaftslehre
Die Wissenschaftslehre, Fichtes Hauptwerk, wurde von ihm mehrfach überarbeitet. u. a.:
Über den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogenannten Philosophie(1794) (Digitalisat und Volltext im
Deutschen Textarchiv)
Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre (1794/1795)
Wissenschaftslehre nova methodo(1796–1799)
Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre (1797/1798)
Die Wissenschaftslehre (1804) sowie folgende Ausgaben (1812) und (1813).
Weitere Werke
Versuch einer Critik aller Offenbarung(1792) [36]
Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution
(PDF; 1 MB) (1793)
Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten (1794)
Grundlage des Naturrechts(1796)
Das System der Sittenlehre nach den Principien der W issenschaftslehre (1798)
Appellation an das Publikum über die durch Churf. Sächs. Confiscationsrescript ihm beigemessenen atheistischen
Aeußerungen. Eine Schrift, die man zu lesen bittet, ehe man sie confsicirt
(1799)
Der geschlossene Handelsstaat. Ein philosophischer Entwurf als Anhang zur Rechtslehre und Probe einer künftig zu
liefernden Politik (1800)
Die Bestimmung des Menschen(1800)
Friedrich Nicolais Leben und sonderbare Meinungen(1801)
Philosophie der Maurerei. Briefe an Konstant(1802/03)
Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters(1806)
Die Anweisung zum seligen Leben oder auch die Religionslehre(1806)
Ueber das Wesen des Gelehrten, und seineErscheinungen im Gebiete der Freiheit(1806)
Reden an die deutsche Nation(1807/1808) (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv)
Das System der Rechtslehre(1812)
Literatur
Ausgaben
Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der W issenschaften, 42 Bände, hrsg. von Reinhard Lauth, Erich Fuchs
und Hans Gliwitzky. Frommann-Holzboog, Stuttgart-Bad Cannstatt 1962–2011,ISBN 3-7728-0138-2
Fichtes Werke. 11 Bände. Hrsg. v. Immanuel Hermann Fichte, Nachdruck der Ausgaben Berlin 1845/46 und Bonn
1834/35, Berlin 1971. ISBN 3-11-006486-3
Fichte im Kontext. Werke auf CD-ROM. Berlin 32002, ISBN 3-932094-25-5.
Werke in 2 Bänden. Hrsg. Wilhelm G. Jacobs, Peter L. Oesterreich, Frankfurt a. M. 1997.ISBN 978-3-618-63073-9
Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters, Hamburg: Felix Meiner Verlag, 1978, Philosophische Bibliothek Band
247. ISBN 3-7873-0448-7
Jacobi an Fichte, Text 1799/1816 im Vergleich, Istituto Italiano per gli Studi Filosofici, Neapel 2011 (deutsc
her Text,
Einleitung von Marco Ivaldo, Noten, Kommentar , Appendix mit Texten von Jacobi und Fichte, italienische
Uebersetzung von Ariberto Acerbi, mit Register und Bibliographie),ISBN 978-88-905957-5-2.
Sekundärliteratur
Immanuel Hermann Fichte: Johann Gottlieb Fichte's Leben und Litterarischer Briefwechsel
. 2 Bände. Seidel,
Sulzbach 1830–1831
Weblinks
Commons: Johann Gottlieb Fichte – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Johann Gottlieb Fichte – Zitate
Wikisource: Johann Gottlieb Fichte – Quellen und Volltexte
Literatur von und über Johann Gottlieb Fichteim Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Werke von und über Johann Gottlieb Fichtein der Deutschen Digitalen Bibliothek
Werke von Johann Gottlieb Fichteim Projekt Gutenberg-DE
Werke von Johann Gottlieb Fichteim Project Gutenberg (für Nutzer aus Deutschland derzeit i.d.R. nicht abrufbar)
Internationale Johann-Gottlieb-Fichte-Gesellschaft e. .V
Dan Breazeale: Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.):Stanford Encyclopedia of Philosophy.
Curtis Bowman: Eintrag in der Internet Encyclopedia of Philosophy.
Ricarda D. Herbrand: „Zwischen Kosmopolitismus und Nationalismus – Johann Gottlieb Fichte “, in: TABVLA RASA.
Jenenser Zeitschrift für Kritisches Denken, April 2007.
Ernst-Otto Onnasch: Ich und Vernunft. Ist J.G. Fichte die Begründung seiner Grundlage der gesammten
Wissenschaftslehre von 1794/95 gelungen?(PDF; 892 kB)
Einzelnachweise
1. Karlheinz Klimt: Eine neue Klasse - Erinnerungen und Wertungen eines in Schulpforte Dabeigewesenen.Projekte-
Verlag Cornelius, Halle/Saale 2009,ISBN 978-3-86634-819-6.
2. Johann Gottlieb Fichte. Manfred Kühns großangelegte Biographie.In: Information Philosophie, 4/2013, S. 47.
3. Manfred Kühn: Johann Gottlieb Fichte: Ein deutscher Philosoph . Beck, München 2012,S. 150 ff. (eingeschränkte
Vorschau). (https://books.google.it/books?id=nEEIHKCT iooC&pg=PA150)
4. In der 2. Auflage 1793 „Kritik“
5. J. G. Fichte: Fichte an Voigt vom 22. März 1799. In: Hans Schulz (Hrsg.):J. G. Fichte, Briefwechsel. Band 2. Leipzig
1930.
6. Gottlieb Imhof: Kleine Werklehre der Freimaurerei. 5. Auflage. I. Das Buch des Lehrlings. Alpina, Lausanne 1959,
S. 42.
7. Hans-Helmut Lawatsch:Fichte und die hermetische Demokratie der Freimaurer . In: Klaus Hammacher, Richard
Schottky, Wolfgang H. Schrader, Daniel Breazeale (Hrsg.): Sozialphilosophie. Fichte-Studien. Band 3. Editions
Rodopi, Amsterdam/Atlanta 1991,ISBN 90-5183-236-2, S. 204.
8. Allgemeines Handbuch der Freimaurerei.Dritte, völlig umgearbeitete und mit den neuen wissenschaftlichen
Forschungen im Einklang gebrachte Auflage vonLennings Encyklopädie der Freimaurerei, Verein deutscher
Freimaurer, Leipzig. Max Hesse’s Verlag, 1900. Lemma Fichte, Johann Gottlieb
9. Lennhoff, Posner; S. 475–475
10. GA I, 2, 259.
11. Otfried Höffe: Klassiker der Philosophie. München 2008, S. 32.
12. GA I,2,258
13. GA I, 4,216
14. vgl. GA III, 2,298
15. Otfried Höffe: Klassiker der Philosophie. München 2008, S. 36.
16. Rohs: Johann Gottlieb Fichte. Beck, München 1991,S. 60.
17. siehe z. B. Rohs: Johann Gottlieb Fichte. Beck, München 1991,S. 60.
18. Reinhold Zippelius: Rechtsphilosophie. 6. Auflage. § 26 I, II 2, 3.
19. Otfried Höffe: Klassiker der Philosophie. München 2008, S. 37.
20. Otfried Höffe: Klassiker der Philosophie. München 2008, S. 38.
21. Bernhard Willms: Einleitung. In: Bernhard Willms (Hrsg.):J. G. Fichte: Schriften zur Revolution. Ullstein,
Frankfurt/Main 1973, S. 33.
22. So Gerald Hubmann: Sittlichkeit und Recht. Die jüdische Emanzipationsfrage bei Jakob Friedrich Fries und anderen
Staatsdenkern des Deutschen Idealismus. In: Horst Gronke, Thomas Meyer, Barbara Neisser (Hrsg.):
Antisemitismus bei Kant und anderen Denkern der Aufklärung . Königshausen und Neumann, Würzburg 2001,
S. 125–152, hier S. 131f. Gelegentlich wird auch von „Antisemitismus“ gesprochen, so etwa bei Bernward Loheide:
Fichte und Novalis. Transzendentalphilosophisches Denken im romantisierenden Diskurs. Rodopi, Amsterdam 2000,
S. 22. Hans-Joachim Becker:Fichte und das Judentum – das Judentum und Fichte . In: Helmut Girndt (Hrsg.):Fichte
in Geschichte und Gegenwart. Beiträge zum vierten Kongress der Internationalen Johann-Gottlieb-Fichte-
Gesellschaft in Berlin vom 03.–08. Oktober 2000(= Fichte-Studien. Band 22). Rodopi, Amsterdam 2003,S. 19–36,
hier S. 19 (formuliert mit Blick auf dieBeiträge zur Berichtigung): „Es gilt als eines der frühesten Dokumente für
eines Übergangs vom religiösen Antijudaismus zum politischen Antisemitismus avant la lettre.“ Auch z. B. Gudrun
Hentges: Schattenseiten der Aufklärung. Die Darstellung von Juden und „W ilden“ in philosophischen Schriften des
18. und 19. Jahrhunderts. Wochenschau, Schwalbach/Taunus 1999, ISBN 3-87920-485-3, S. 110 u. ö., spricht von
Elementen sowohl eines „traditionellen“ wie eines „‚aufgeklärten‘ Antijudaismus“ wie aber auch bereits eines
„modernen Antisemitismus“. AuchMicha Brumlik: Geheimer Staat und Menschenrecht. Fichtes Antisemitismus der
Vernunft. In: Micha Brumlik (Hrsg.):Deutscher Geist und Judenhaß. Das Verhältnis des philosophischen Idealismus
zum Judentum. Luchterhand, München 2000,S. 75–131, spricht S. 122 u. ö.. von einer Entwicklung von
Antijudaismus zu Antisemitismus in dieser Schrift.
23. So beispielsweise Erich Fuchs:Fichtes Stellung zum Judentum; in: Klaus Hammacher, Richard Schottky, Wolfgang
H. Schrader (Hrsg.): Kosmopolitismus und Nationalidee; Fichte-Studien 2, Rodopi, Amsterdam 1990, S. 160–177.
Hartmut Traub: J. G. Fichte, der König der Juden spekulativer V ernunft. Überlegungen zum spekulativen Anti-
Judaismus; in: ders. (Hrsg.): Fichte und seine Zeit; Rodopi, Amsterdam 2003, S. 131–151. T eils auch J. Katz: Vom
Vorurteil bis zur Vernichtung. Der Antisemitismus 1700–1933; München 1989; S. 61 f.
24. Sämmtliche Werke, Bd. 6, S. 37–288.
25. Beiträge zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über die französische Revolution, l.c., S. 191–193
26. Saul Ascher: Eisenmenger der Zweite. Berlin 1794 (Digitalisat (https://books.google.de/books?id=ISYBAAAAcAAJ)
in der Google-Buchsuche).
27. Vgl. Erich Fuchs, Reinhard Lauth, Walter Schieche (Hrsg.): Fichte im Gespräch. Berichte der Zeitgenossen ; 6 in 7
Bänden, frommann-holzboog, Stuttgart 1978f f., Bd. 4 (1987), S. 404ff. Dazu z. B. Klaus Hammacher:Fichte in
Berlin, in ders. (Hrsg.): Fichte und die Literatur; Fichte-Studien 19; Rodopi, Amsterdam 2002; S. 37–54, hier S. 52–
54. Micha Brumlik: Deutscher Geist und Judenhaß; Luchterhand Literaturverlag, München 2000, S. 125
28. Erik Lindner: Deutsche Juden und die bürgerlich-nationale Festkultur: Die Schiller - und Fichtefeiern von 1859 und
1862, in: Andreas Gotzmann, Rainer Liedtke, Till van Rahden (Hrsg.): Juden, Bürger, Deutsche, Tübingen 2001, S.
171–192, ISBN 3-16-147498-8
29. Vgl. etwa die Studie von Hans-Joachim Becker:Fichtes Idee der Nation und das Judentum. Fichte-Studien,
Supplementa 14, Rodopi, Amsterdam 2000.
30. Vgl. dazu: A. Diemer: Einleitung, in: J. G. Fichte: Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters, Felix Meiner Verlag,
Hamburg 1978, S. XV.
31. Hirschberger, J.,Geschichte der Philosophie, Band II, Neuzeit und Gegenwart , Freiburg im Breisgau, o. J., S. 374.
32. vgl.: W. Jacobs: Johann Gottlieb Fichte, mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten; Reinbek: Rowohlt, 1984, S.
117–118
33. J. G. Fichte: Reden an die deutsche Nation; Deutsche Bibliothek in Berlin, 1912; S. 219.
34. Niels Hegewisch, Reinheit in Vielfalt. Elemente rassistischer Theoriebildung in der Publizistik des frühen deutschen
Nationalismus, in: Birgit Aschmann, Thomas Stamm-Kuhlmann(Hgg.), 1813 im europäischen Kontext, Stuttgart
2015, S. 85–89.
35. http://www.fichte-stiftung.de/
36. Online (http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/19Jh/Fichte/fic_ve00.html), Faksimile (http://dlis
v03.media.osaka-cu.ac.jp/infolib/user_contents/fukuda/0036.djvu) ; 2. Auflage 1793: Versuch einer Kritik aller
Offenbarung, bei Projekt Gutenberg (http://www.gutenberg.org/etext/18255), zeno.org (http://www.zeno.org/Philosop
hie/M/Fichte,+Johann+Gottlieb/Versuch+einer+Kritik+aller+Offenbarung); Faksimiles bei gallica (http://gallica.bnf.fr/a
rk:/12148/bpt6k64806f.image.f1), bei google books (http://books.google.com/books?id=acIF AAAAQAAJ), bei
archive.org. (http://www.archive.org/search.php?query=versuch%20aller%20offenbarung%20creator:fichte)
Der Text ist unter der Lizenz„Creative Commons Attribution/Share Alike“verfügbar; Informationen zu den Urhebern und
zum Lizenzstatus eingebundener Mediendateien (etwa Bilder oder ideos)
V können im Regelfall durch Anklicken dieser
abgerufen werden. Möglicherweise unterliegen die Inhalte jeweils zusätzlichen Bedingungen. Durch die Nutzung dieser
Website erklären Sie sich mit denNutzungsbedingungenund der Datenschutzrichtlinie einverstanden.
Wikipedia® ist eine eingetragene Marke der Wikimedia Foundation Inc.