SS 2003
Paul Rademacher
(Stand 21.10.2003)
2
Inhaltsverzeichnis
4) Kohlenwasserstoffe
n-Alkane: Nomenklatur, Eigenschaften (Schmelz- und Siedepunkte, Verbrennungswärmen)
Isoalkane
Konstitutionsisomerie
Nomenklatur höherer verzweigter Alkane
6) Cycloalkane
Ringspannung, Konformationseigenschaften, Ringinversion, cis/trans-Isomerie von
disubstituierten Cycloalkanen
8) Radikalische Substitution
Energiediagramm
Struktur und Stabilität von Radikalen
9) Halogenalkane
Eigenschaften und Verwendung
Polarität der C-Hal-Bindung, induktiver Effekt
10) Stereoisomerie
Chiralität, Spiegelbildisomerie, Enantiomere
Optische Aktivität, Racemat
Konfigurationsnomenklatur, R/S-System, Sequenzregeln
12) Eliminierung
E1, E2, E1cb, Stereochemie, Regiochemie
Konkurrenz von Substitution und Eliminierung
13) Alkene
Konfigurationsisomerie, E/Z
6
14) Additionsreaktionen
Hydrierung, Halogenierung, Hydrohalogenierung (AE, AR), Hydroborierung,
Hydroxylierung, cis- und trans-Diole, Ozonolyse
Polymerisation
15) 1,3-Diene
π-MOs von Butadien
Elektronische Struktur und Lichtabsorption von Polyenen
1,2- und 1,4-Addition
Diels-Alder-Reaktion
16) Alkine
Darstellung und Verwendung von Acetylen, 2-Butin
Cycloalkine
Hydrierung von Alkinen
Die Organische Chemie ist als eine Teildisziplin der Chemie im frühen 19. Jahr-
hundert entstanden. Der schwedische Chemiker Berzelius (1779 - 1848) ge-
brauchte im Jahre 1808 erstmals den Ausdruck "organische Chemie" und veröf-
fentlichte in seinem Lehrbuch von 1827 die erste eigenständige Abhandlung über
Organische Verbindungen.
Von den Verbindungen, die man heute als organisch bezeichnet, haben schon
viele existiert, bevor das Leben auf der Erde begann. Die Untersuchung der or-
gan. Verbindungen hinkte weit hinter derjenigen der anorganischen her, weil die
natürlich vorkommenden organ. Verbindungen viel komplizierter aufgebaut sind,
ihre Reaktionen daher viel schwerer zu verstehen waren und weil sie gewöhnlich
nicht in reiner Form, sondern in komplexen Gemischen vorliegen, die nicht so
leicht zu trennen sind wie anorgan. Gemische. Z.B. Holz und Gummi wurden
früher als typische organische Verbindungen angesehen.
Kohlenstoffverbindungen
8
1) Stoffvielfalt
ca. 20 Millionen bekannte organische Verbindungen.
2) Komplizierte Strukturen
Zum Verständnis der Eigenschaften einer Verbindung ist die genaue Kenntnis
der Molekülstruktur (räumliche Gestalt) erforderlich. Isomerien. Große
Moleküle.
3) Komplizierte Reaktionen
(Für Anfänger) häufig schwer verständlich.
4) Nomenklatur-Probleme
Es gibt kein einheitliches Nomenklatursystem für alle Verbindungen.
(Verschiedene) systematische Namen. Trivialnamen.
21
H3C 20 25 CH3
18
H3C
17 CH3
19 11
H3C H 14 H
9
1
8
H H
HO
4 6
H. Hart
Organische Chemie
Ein kurzes Lehrbuch
2. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim, 2002, € 49,90
< 600 Seiten >
E. Breitmaier, G. Jung
Organische Chemie
4. Auflage, Thieme, Stuttgart, 2001, € 49,95
< 986 Seiten >
13
H He
2.2
Li Be B C N O F Ne
1.0 1.6 2.0 2.5 3.0 3.4 4.0
∆ = 1.5 ∆ = 1.5
H–H 435
C-H 413
C-C 348 C-N 292 C-O 351 C-F 441
C=C 595
C≡C 780
N-N 161
O-O 139
F-F 153
Si-Si 340 Si-O 451
15
>99 %
Anorganische Verbindungen
(CaCO3 , ....)
0.1 %
Organische Verbindungen
0.03 %
2/3 1/3
Graphit
Härte = 1
Diamant
Härte = 10
Fullerene
Fullerene:
R. Buckminster Fuller, amerikanischer Architekt
H . + .H H .. H ~ H-H ~ He
(united atom)
.. ..
: ..F . + .H : ..F .. H ~ F-H
..
. ....O . + 2 . H O :H
H : .. ~ H-O-H
. ...H . H
. N. + 3 . H H .N . H
.. ~ H-N-H
..
. C. . + 4 . H ..H H
C .. H
H .. .. ~ H-C-H
. H
H
18
Lewis-Valenzstrich-Strukturformeln
Vorteil:
die Methode ist einfach.
Mängel:
1) keine Aussage über die zwei- und die dreidimensionale Struktur.
2) Was ist der Unterschied zwischen Einfach-, Doppel- und
Dreifachbindung?
Warum gibt es keine Vierfachbindung?
3) bestimmte Moleküle lassen sich nicht mit einer einzigen Struktur
beschreiben.
4) in einigen Fällen versagt die Methode.
19
s und p-Atomorbitale
21
F.G.KlärnerOCI_folie7.doc
Orbital-Energieschema
(Aufbauprinzip)
4p
3d
4s
3p
3s
2p
2s
1s
22
Im elektronischen Grundzustand ist das bindende σ-MO mit zwei Elektronen besetzt.
Im ersten angeregten Zustand befinde sich in beiden MOs jeweils ein Elektron.
Dieser Zustand ist wesentlich weniger stabil als der Grundzustand.
Auch das H2--Ion weist mit drei Elektronen eine schwache H-H-Bindung auf.
Im He2 Molekül müßten beide MOs doppelt besetzt sein. Das Molekül ist instabil.
23
CH4 MOS
Molekülorbitale (MOs) von Methan CH4
z
H H
H H
Symmetrische Antisymmetrische
y
Kombination
H H H H
C 2s + 4 x H 1s
σ σ∗
H H H H
H H H H
C 2px + 2 x H 1s
π π∗
H H H H
H H H H
C 2py + 2 x H 1s
π π∗
H H H H
H H H H
C 2pz + 4 x H 1s
π π∗
H H H H
24
CH4 MOs2
Elektronenkonfiguration von Methan CH4
E σ∗
π∗
Wegen der hohen Symmetrie des CH4 sind die π und π* jeweils energiegleich (entartet).
Damit ergibt sich folgende Sequenz: σ < π < π* < σ*.
Die vier bindenden MOs (ein σ und drei π MOs) werden mit jeweils zwei Elektronen mit
antiparallelem Spin besetzt. Dies entspricht den vier "klassischen" C-H-Bindungen. Alle vier H-
Atome werden in gleicher Weise mit dem C-Atom gebunden. Die vier C-H-Bindungen sind also
äquivalent (gleich lang, stark, polar, ...)
Die vier antibindenden MOs (ein σ* und drei π*) bleiben im elektronischen Grundzustand
unbesetzt.
Es handelt sich um die energetisch günstigste Struktur von CH4. Bei einer quadratisch-planaren
Struktur würde ein C-2p AO nicht zur Bindung beitragen.
25
diatomics
Aus: P.W. Atkins, Physical Chemistry, 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 1983.
Beispiele
CH3-CH2-CO-NH2
Infrarot-Spektrum
13
C-NMR-Spektrum
Massenspektrum
1
H-NMR-Spektrum
29
500
°C n-Alkane C nH2n+2
400
300 Sdp.
200
100
0
Schmp.
-100
-200
0 5 10 15 20 25 n 30
alkane.plt
31
CH4-Modelle
Stab-, Kugel-Stab- und Kalottenmodell von Methan
Übliche Formelschreibweise
H H H H
CH4
H H H H
32
C34H70
4,7-Diethyl-3,5,9,13-tetramethyl-6-(2-methyl-butyl)-12-propyl-octadecan
33
N. Trinajstic, Chemical graph theory; CRC Press, Boca Raton, Florida, 1983. UB: 31 UNRA 152
C. Y. Yeh, Isomer enumeration of alkenes and aliphatic cyclopropane derivatives, J. Chem. Inf.
A simple algorithm for counting constitutional isomers of alkanes, single C-atom isotopically
H
H H
H H
H H H
H H H H
HH H
H H
H
H H H H
H H
eklipt. K. (I) gestaffelte K. (II)
Konformationsnomenklatur
Cyclobutan
Cyclopentan
41
Cyclohexan, Sesselform
Adamantan Twistan
42
Ea = 4 kJ/mol
Ea = 17 kJ/mol
Edukte / Produkte
Übergangszustände
Zwischenprodukte
Reaktionskoordinate
27,90 €
34,00 €
45
P-[13]-Helicen M-[6]-Helicen
Wiley-VCH, Weinheim, 1999.
Nefertari war die Lieblingsgemahlin von Ramses II. Sie ist auf vielen seiner Statuen - zumeist
wesentlich kleiner als der grosse R. - dargestellt.
Chiralität bedeutet Händigkeit.
Die Händigkeit der Moleküle.
47
Konfigurationsisomerie
CO2H CO2H CO2H
H OH HO H H OH C4H6O6
HO H H OH H OH
CO2H CO2H CO2H
J.L. Gay-Lussac (1778-1850) entdeckte 1826 die Isomerie von Weinsäure und Traubensäure.
L. Pasteur gelang 1853 die Trennung der Isomeren.
Die Erklärung dieser Form der Isomerie war erst später möglich. Die obigen Formeln stammen von
E. Fischer (1852-1919).
(+) und (-) bedeutet, dass die Verbindungen linear polarisiertes Licht im Uhrzeigersinn oder gegen
den Uhrzeigersinn (nach rechts oder links) drehen.
48
Asymmetrisches C-Atom
Asymmetrisches
C-Atom
Contergan
Thalidomid (Contergan®):
ein janusköpfiges Medikament
O O
H H
O C N O C N
(±)-N-(2,6-Dioxo-3-piperidyl)-
N N phthalimid, C13H10N2O4
H H
O O O O
R(+)-Isomer S(-)-Isomer ( )
Die beiden Isomeren sind Konfigurationsisomere. Sie unterscheiden sind nicht in ihrer Konstitution
sondern in ihrer räumlichen Gestalt. Die Moleküle lassen sich durch Spiegelung in einander
überführen.
Contergan, das den Wirkstoff Thalidomid enthielt, war Ende der 1950er Jahre in Deutschland als
Schlaf- und Beruhigungsmittel gebräuchlich und galt seinerzeit im Hinblick auf Nebenwirkungen
als besonders sicher. Wurde am 21.11.1961 vom Markt genommen.
Durch die Anwendung von Contergan in einem frühen Stadium der Schwangerschaft kam es jedoch
zu schweren Missbildungen der ungeborenen Kinder. In den Jahren 1958 bis 1961 wurden weltweit
etwa 10 000 Kinder mit Missbildungen der Gliedmaßen geboren. Davon allein in Deutschland, wo
das Arzneimittel stark verbreitet war, ca. 4000 behinderte Kinder.
Besonders tragisch ist der Umstand, dass es mehrere Jahre dauerte, in denen missgebildete Kindern
geboren wurden, bis endlich die Zusammenhänge mit der Einnahme von Contergan erkannt und vor
allem anerkannt wurden und notwendige Schritte eingeleitet wurden.
Contergan ist bis heute, rund vierzig Jahre nach der Katastrophe, ein Mahnmal, für die Bedeutung
von Qualität und vor allem Sicherheit von Arzneimitteln. Ferner soll Contergan als Symbol für die
Dringlichkeit stehen, das ungeborene Leben bei medizinischen Behandlungen und Untersuchungen
optimal zu schützen.
1954 synthetisiert, wirksames Schlafmittel und Sedativum, im Handel 1958-1961, teratogene
Wirkung.
Racemattrennung: beide Enantiomere weisen gleiche sedative Wirkung auf, nur das (S)-(–)-Isomere
ist bei Mäusen teratogen.
Noch in Gebrauch zur Behandlung entzündlicher Prozesse bei Lepra.
51
Polarimeter
52
Konfigurations-Nomenklatur
a>b>c>d
2) Das Molekül wird von der Seite aus betrachtet, die dem Substituenten mit dem
niedrigsten Rang (d) abgewendet ist.
a
d a
d
b c
c b
S R
53
CCl3
CH
DDT = Dichlor-Diphenyl-Trichlorethan, Insektizid
IUPAC-Name:
Cl Cl 1,1,1-Trichlor-2,2-bis(4-chlorphenyl)ethan
H Cl Cl H
Cl H Cl Cl
H Cl
H Cl
Cl H H Cl
H Cl H H
Cl H Cl H
γ-HCH, Insektizid
Cl O Cl
TCDD, "Sevesogift"
Cl O Cl
2,3,7,8-TetraChlor-Dibenzo-1,4-Dioxin
NO2
O
Nitrofen
Cl Cl
1,3-Dichloro-2-(4-nitro-phenoxy)-benzen oder
2,4-Dichlorophenyl-p-nitrophenylether
54
X X X X
PCB,
X X globale Umweltgifte
O
CN, Tränenreizstoff ("Tränengas", chemische Keule)
Cl
ChloracetophenoN
Inhalations-Anästhetika
F F F H F Cl
H C O C C H H C O C C H
F F Cl H F Cl
Enfluran Methoxyfluran
(2-Chlor-1,1,2-trifluorethyl)- (2,2-Dichlor-1,1-difluorethyl)-
difluormethyl-ether methylether
F Cl
Halothan
F C C Br
F H 1-Brom-1-chlor-2,2,2-trifluorethan
55
Nucleophile Substitution
Energiediagramm
Sn2 SN1
Lösungsmittel
Unpolare Lösungsmittel
niedrige Dielektrizitätskonstante (ε<15), niedriges Dipolmomente (µ<2,5 D)
Polare Lösungsmittel
hohe Dielektrizitätskonstante (ε>15), hohes Dipolmomente (µ>2,5 D
Aprotische Lösungsmittel
sind keine (bzw. sehr schwache) Brönsted-Säuren
Protische Lösungsmittel
sind (zumeist schwache) Brönsted-Säuren
Beispiele:
1. Unpolare Lösungsmittel
Kohlenwasserstoffe (Petrolether, Pentan, Hexan, Cyclohexan, Benzen, Toluen, ...),
Schwefelkohlenstoff (CS2), Tetrachlormethan (CCl4)
Literatur
C. Reichardt, Solvents and Solvent Effects in Organic Chemistry, 2. Aufl., VCH Verlagsges. ,
Weinheim 1988. <31 URD1116(2)>
58
Phasentransferkatalyse
PTC
CH3(CH2)7Cl + Na+CN- CH3(CH2)7CN + Na+Cl- 100 %
1-Chloroctan Nonanitril
Phasengrenze
Typische Phasentransferkatalysatoren
+ +
R4N+Cl- = N N Cl-
Cl-
Benzyltrimethyl- Benzyltriethyl
ammoniumchlorid
+
N
Cl-
59
Die Solvatation kann die Reaktivität stark beeinflussen. Protische Lösungsmittel solvatisieren
Anionen schwacher Säuren.
Z.B. F- ist in H2O ein schlechtes Nucleophil, in HMPT ein gutes
Kleine Ionen werden von (kleinen) Solvensmolekülen besser solvatisiert als große. Das führt zu
einer höheren Aktivierungsenergie.
Beispiel: CH3-I + :Nu- Æ CH3-Nu + I-
Freie Aktivierungsenergie ∆G* [kJ mol-1]
Alkene
CH3-CH=CH-CH3 2-Buten
H 3C H trans-2-Buten, -106 1
C C
H CH3 (E)-2-Buten
Cyclopropen -36 ?
(unbeständig)
Cyclopenten -135 44
Cyclohexen -104 83
61
Ethen
Struktur π-MO
H H H X
X X X H
Z = zusammen E = entgegen
Diels-Alder-Reaktion
CN
NC CN
NC CN NC
+
NC CN
O O
+ O O exo-Addukt
H (stabiler)
O H O
O
H
H O endo-Addukt
+ O (weniger stabil)
O
O O
Polymerisationverfahren
Initiation Propagation
+ C C + C C
1
Radikal. P.: R1 R 2 R1 C C R C C C C
2
-R
+ C C + C C
Anion. P.: MA A C C- A C C C C-
- M+
+ C C + C C
Kation. P.: HB H C C+ H C C C C+
-B-
+ C C + C C
H. Quast, Würzburg
H. Quast, Würzburg
Weiterführende Literatur
Siehe z.B.:
[1] K. Jug, P. Hiberty, S. Shaik, σ-π energy separation in modern electronic theory for ground
states of conjugated systems, Chem. Rev. 2001, 101, 1477-1500.
[2] S. Shaik, A. Shurki, D. Danovich, P. Hiberty, A different story of π-delocalization - The
distortivity of π-electrons and its chemical manifestations, Chem. Rev. 2001, 101, 1501-1539.
67
Wichtige Benzenderivate
C2H5
Knotenebenen: 0 2 2 4
Knotenebenen:
0 2 2 4 4 6
Knotenebenen:
0 2 2 4 4 6 6 8
69
OC1-32
Zusammenfassung: Organische Chemie I (Kohlenwasserstoffe)
Reaktion Mechanismus
Substitution SR, SN1, SN2, SNi, SE
Addition AR, AE, Cycloaddition
Eliminierung E1, E2, E1cb
Aromatizität
π-Elektronendelokalisierung
Reagenzien
Nucleophile
Elektrophile
Radikale