Sie sind auf Seite 1von 7

KOKAIN UND LYSERGSÄUREDIETHYLAMID: PHARMAKOLOGIE UND

BIOCHEMIE

Prof. João Marcos Brandet


1. Kokain
Kokain oder Cocain (auch Benzoylecgoninmethylester) ist ein starkes Stimulans und
Betäubungsmittel. Es findet weltweit Anwendung als Rauschdroge mit hohem psychischen, aber
keinem physischen Abhängigkeitspotenzial. Chemisch-strukturell gehört es zu den Tropan-
Alkaloiden und ist ein Derivat von Benzoesäure und Ecgonin, einer in den Blättern des
südamerikanischen Cocastrauchs enthaltenen Substanz. Verwendet wird oft das – im Gegensatz zur
wenig wasserlöslichen freien Base– besser lösliche Hydrochlorid.

Methyl(1R,2R,3S,5S)-3-(benzoyloxy)-8-methyl-8-azabicyclo[3.2.1]octan-2-carboxylat (IUPAC)

Kokain bewirkt im Zentralnervensystem eine Stimmungsaufhellung, Euphorie, ein Gefühl


gesteigerter Leistungsfähigkeit und Aktivität sowie das Verschwinden von Hunger- und
Müdigkeitsgefühlen.
Kokain ist das älteste bekannte Lokalanästhetikum. Wegen seines Abhängigkeitspotentials, der
rechtlichen Rahmenbedingungen und der Toxizität wird es inzwischen so gut wie nicht mehr
eingesetzt. Kokain diente aber als Leitsubstanz für viele synthetische Lokalanästhetika wie z. B.
Lidocain, Benzocain oder Scandicain. Der Einsatz von Kokain für Eingriffe am Kopf ist nach der
deutschen Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung weiterhin zulässig.
Biosynthese N-Methyl-Pyrrolinium Kation
Kokain-Biosynthese

Reduktion von Tropinonen

Kokain ist ein Wiederaufnahmehemmer an Dopamin-, Noradrenalin- und Serotonin-Rezeptor. Es


verhindert den Transport und somit die Wiederaufnahme dieser Neurotransmitter in die
präsynaptische Zelle, was eine Erhöhung der Transmitterkonzentration im synaptischen Spalt und
damit ein erhöhtes Signalaufkommen am Rezeptor zur Folge hat und unter anderem zu einer
Erhöhung des Sympathikotonus führt. Bei höherer Dosierung können Symptome wie Nervosität,
Angstzustände und paranoide Stimmungen auftreten. Die Dauer des Rausches ist von der
Konsumform und der psychischen Konstitution sowie der eingenommenen Menge und Dauer
abhängig.
Kokain bewirkt eine Erhöhung der Atem- bzw. der Pulsfrequenz, evtl. Atemunregelmäßigkeiten
(Cheyne-Stokes-Atmung) und gleichzeitig eine Verengung der Blutgefäße und damit eine Erhöhung
des Blutdruckes. Dies kann u. a. Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzanfall zur Folge haben.
Beim Rauchkonsum erhöht sich zudem das Risiko eines Hirninfarkts, da durch den erhöhten
Blutdruck und die Verengung der Blutgefäße das Platzen einer Arterie im Gehirn wahrscheinlicher
wird. Durch die Störung der Gefühle für Hunger, Durst, Schlaf und Wachen kann es zu starken
Mangelerscheinungen in diesem Bereich kommen; auch das Furchtempfinden kann gestört werden.
Regelmäßiger Konsum kann die Körperreserven ausbeuten. Massiver Schlafentzug aufgrund von
Kokainkonsum kann zu paranoiden Halluzinationen, Verfolgungsängsten, zeitlicher und örtlicher
Desorientierung, gesteigerter Nervosität und Aggressivität führen.
Bei Schwangeren erhöht sich aufgrund des höheren Blutdruckes und der Verengung der Gefäße die
Gefahr der frühzeitigen Ablösung der Plazenta vom Uterus und damit die einer Früh- bzw.
Fehlgeburt. Durch die eingeschränkte Durchblutung infolge der Gefäßverengung kann der Fötus
zudem Sauerstoffmangel erleiden. Mögliche Schäden des Ungeborenen durch Kokainkonsum der
Mutter: Defekte des Zentralnervensystems, Herzfehler wie Herzrhythmusstörungen,
Gefäßverengungen sowie Fehlbildungen im Bereich des Urogenitaltrakts (Nieren, Harnableitungen,
Geschlechtsorgane), Hirnzysten und Hirnblutungen nach der Geburt, Fehlbildungen durch
Gefäßverengungen. Nach der Geburt können Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern auftreten, der
Kopfumfang kann geringer sein als durchschnittlich zu erwarten wäre.

2. Lysergsäurediethylamid
Lysergsäurediethylamid, kurz auch LSD, ist ein chemisch hergestelltes Derivat der Lysergsäure, die
als Mutterkornalkaloid natürlich vorkommt. LSD ist eines der stärksten bekannten Halluzinogene.
Es ruft schon in sehr geringen Dosen lang andauernde pseudohalluzinogene Wirkungen hervor.
Pharmakologisch gehört LSD zur Gruppe der serotoninverwandten psychedelischen Substanzen. Im
Jargon wird LSD auch Acid (englisch „Säure“) genannt. Sowohl das Betäubungsmittelgesetz in
Deutschland als auch das Suchtmittelgesetz in Österreich stufen LSD als nicht verkehrsfähig ein.
Chemisch gehört Lysergsäurediethylamid zur Strukturklasse der Ergoline. Die Bezeichnung „LSD-
25“ rührt daher, dass es die 25. Substanz in Hofmanns Versuchsreihe der synthetischen Lysergsäure-
Abkömmlinge war. LSD ist eine chirale Verbindung mit zwei Stereozentren an den
Kohlenstoffatomen C-5 und C-8. Somit existieren vier verschiedene Stereoisomere des LSDs, die
zwei Enantiomerenpaare bilden.

Die vier möglichen Stereoisomere von LSD


Eines der vier Stereoisomere [(+)-LSD bzw. (5R,8R)-LSD] wirkt als Partialagonist mit großer
Affinität (Bindungsstärke) am Serotonin-5-HT2A-Rezeptor. Dieser wird mit dem
Wirkungsmechanismus vieler atypischer Neuroleptika in Verbindung gebracht. Auch andere
klassische psychedelische Halluzinogene werden von diesem gebunden. Es handelt sich aber um
keine selektive Bindung; eine Reihe von weiteren Rezeptorensubtypen der 5-HT-Rezeptoren, der
Dopamin-Rezeptoren und der Adrenozeptoren, binden LSD ebenfalls.
Sympathische Wirkungen umfassen eine Beschleunigung der Pulsfrequenz (Tachykardie),
Ansteigen des Blutdrucks (Arterielle Hypertonie), Erweiterung der Pupillen (Mydriasis),
Verschwimmen der Seheindrücke und Schwierigkeiten bei der Schärfeneinstellung des Auges
(Akkommodationsstörung), Absonderung von dickem Speichel, erhöhte Schweißbildung
(Hyperhidrosis), Zusammenziehen der peripheren Arterien (Vasokonstriktion), mit der Folge, dass
Hände und Füße kalt werden und sich bläulich färben, Aufrichten der Körperhaare (Piloerektion).
Die häufigsten parasympathischen Wirkungen sind: Verlangsamung der Pulsfrequenz
(Bradykardie), Absinken des Blutdrucks (Hypotonus), übermäßige Speichelbildung
(Hypersalivation), Tränenfluss, mögliche Übelkeit und vereinzelt Erbrechen. Mögliche motorische
Erscheinungen umfassen: verstärkte Muskelspannung, Zuckungen und Krämpfe, mannigfaltige
Formen von Zittern sowie komplizierte Verrenkungsbewegungen.

Literatur
Stanislav Grof: LSD-Psychotherapie. Klett-Cotta, Stuttgart 2000, ISBN 3-608-94017-0.
Albert Hofmann: LSD – mein Sorgenkind. Die Entdeckung einer „Wunderdroge“. Klett-Cotta,
Stuttgart 2001, ISBN 3-608-94300-5.
Günter Amendt: Die Legende vom LSD. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-
86150-862-5.
Annelie Hintzen, Torsten Passie, Beckley Foundation: The pharmacology of LSD: a critical review.
Oxford University Press/ Beckley Foundation Press, 2010, ISBN 978-0-19-958982-1.
Edwin I. Roth: The Post-LSD Syndrome: Diagnosis and Treatment. Author House, Bloomington IN
(USA) 2011, ISBN 978-1-4634-1569-3.
Andy Roberts: Albion Dreaming. A popular history of LSD in Britain. Cornwall: 2012, ISBN 978-
981-4382-16-8.
LSD-25. In: Thomas Geschwinde: Rauschdrogen: Marktformen und Wirkungsweisen. Dritte,
erweiterte und überarbeitete Auflage. Springer 2013, ISBN 978-3-662-09679-6, S. 59–92.
Robert Feustel: „Ein Anzug aus Strom“. LSD, Kybernetik und die psychedelische Revolution.
Springer VS, Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-09574-1.
Alexander Fromm: Acid ist fertig! Eine kleine Kulturgeschichte des LSD. Vergangenheitsverlag,
Berlin 2016, ISBN 978-3-86408-214-6.
Henry Hobhouse: Sechs Pflanzen verändern die Welt. Chinarinde, Zuckerrohr, Tee, Baumwolle,
Kartoffel, Kokastrauch. 4. Auflage. Klett-Cotta, Hamburg 2001, ISBN 3-608-91024-7.
Christian Rätsch, Jonathan Ott: Coca und Kokain. AT-Verlag, Aarau/Schweiz 2004, ISBN 3-85502-
707-2.
Christian Rätsch: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen. AT-Verlag, Aarau/Schweiz 2004, ISBN
3-85502-570-3.
Doris Schwarzmann-Schafhauser: Kokain. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf
Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York
2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 772.
Katrin Steinke, Elena Jose, Hans-Ullrich Siehl, Klaus-Peter Zeller, Stefan Berger: Kokain. In:
Chemie in unserer Zeit. 47, 2013, S. 56–60, doi:10.1002/ciuz.201300614.

Das könnte Ihnen auch gefallen