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ÜBER BEWEISE UND BEWEISARTEN BEI WILHELM OCKHAM

BOCHUMER STUDIEN ZUR PHILOSOPHIE

Herausgegeben von
Kurt Flasch – Ruedi Imbach
Burkhard Mojsisch – Olaf Pluta

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Band 53

HEINZ-HELMUT MÖLLMANN

Über Beweise und Beweisarten


bei Wilhelm Ockham

JOHN BENJAMINS PUBLISHING COMPANY


AMSTERDAM/PHILADELPHIA
Über Beweise und Beweisarten
bei Wilhelm Ockham

HEINZ-HELMUT MÖLLMANN
Ruhr-Universität Bochum

JOHN BENJAMINS PUBLISHING COMPANY


AMSTERDAM/PHILADELPHIA
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of Paper for Printed Library Materials, ansi z39.48-1984.

Library of Congress Cataloging-in-Publication Data


Möllmann, Heinz-Helmut.
Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham / Heinz-Helmut Möllmann.
p. cm. --  (Bochumer Studien zur Philosophie, ISSN 1384-668X ; Bd. 53)
Includes bibliographical references and index.
1. William, of Ockham, ca. 1285-ca. 1349--Style. 2. William, of Ockham, ca. 1285-
ca. 1349--Criticism and interpretation. 3. Knowledge, Theory of. 4. Science--Methodology.
5. Logic. I. Title.
B765.O34M65   2013
189'.4--dc23 2013000804
isbn 978 90 6032 386 1 (hb; alk. paper)
isbn 978 90 272 7216 4 (eb)

© 2013 – John Benjamins B.V.


No part of this book may be reproduced in any form, by print, photoprint, microfilm, or any
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 Elke Hansen-Möllmann gewidmet
Danksagung

Ich danke Herrn Professor Dr. Burkhard Mojsisch, Ruhr-Universität Bochum und
Herrn Pro­fes­sor Dr. Ruedi Imbach, Paris (Sorbonne) und Fribourg für die bereitwilli-
ge Aufnahme mei­ner Ar­beit in die „Bochumer Studien zur Philosophie“.
Herrn Professor Mojsisch danke ich zu­dem für seine freundliche Anteilnahme
an dem Projekt. Er hat die Phase der Überarbei­tung des Manuskripts für die Druckle-
gung mit seinem beständi­gen Zuspruch begleitet und überhaupt die Veröffentlichung
in die Wege geleitet.
Herrn Pro­fes­sor Dr. Helmut Pulte, Ruhr-Universität Bochum schulde ich Dank
für Kritik und Ratschläge.
Herr Dr. Olaf Pluta, Ruhr-Universität Bochum hat mir bei der Fertig­stel­lung des
Manuskripts noch wertvolle Hinweise gegeben. Auch ihm möchte ich danken.
Meiner Frau Elke danke ich für ihre umfassende technische Hilfe bei der Herstel-
lung des Ma­nuskripts. Ihr widme ich dieses Buch.
Inhaltsverzeichnis

Einleitung 1

kapitel 1
Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 35

kapitel 2
Suppositionslogische Identität und Kontingenz 77

kapitel 3
Zum Verhältnis der Satzformen 121

kapitel 4
Fides et scientia 167

kapitel 5
Aus dem Innern Gottes 211

kapitel 6
Theologie und Logikbegriff 261

kapitel 7
Formbegriff und reale Wahrheit 311

kapitel 8
Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 367

kapitel 9
Ontologie und Induktion 419

kapitel 10
Beweis, Satz, Akt 465
 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

kapitel 11
Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 507

kapitel 12
Verflechtung und Abgrenzung der Akte 551

kapitel 13
Naturgrund und Realerkenntnis 593

kapitel 14
Widerspruch und accidens 635

Nachwort 681

Literaturverzeichnis 705

Namenregister (Mittelalter) 719


Namenregister (Neuzeit) 721
Sachregister 725
Einleitung

Unter dem Titel Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham stelle ich Ock-
hams Phi­­­losophie im Spiegel seiner Argumentationen dar: Induktion, reprobatio (re-
ductio ad absur­dum) und persuasio, charakterisiere diese noch im Besonderen für
Ockham. Ich will zei­gen, dass alle Doktrinen und Meinungen Ockhams in diese Ar-
gumentationsweisen einge­bet­tet sind und aus ihnen entfaltet werden.
Ich lege für Ockham dies als eine besondere methodologische Struktur dar und
verteidige sie als in sich abgeschlossen (kompakt) und in besonderer Weise leistungs-
fähig. Sie bedingt Re­vi­si­onen gegenüber dem scholastischen Schlussfolgern und
die Verlagerung auf das ‘Ent­schei­den’ der Gültigkeit von Sätzen und consequentiae.
Vereinbarkeit wird wichtiger als Wi­der­spruchsfreiheit. Sätze und Folgerungen wer-
den nicht mehr so ‘vollzogen’, wie man das in der philosophischen Deduktion des
Mittelalters (Duns Scotus) oder der Neuzeit (Spinoza) we­nig­stens der Absicht nach
und näherungsweise, dann aber wieder im 19. Jahrhundert in der ma­thematischen
Deduktion (Mengenlehre, Analysis) kennt, sondern nach von Ockham fest­ge­leg­ten
Kriterien der Zulässigkeit beurteilt. Seine Induktionen richten sich hier nicht auf au­
ßer­sub­jektive Tatsachen, sondern auf die im Verstand durch Abstraktion gegebenen
Akte: die no­titiae, die Satz- und Begriffsformen. Falsche Deutungen des Sinns von
Satz- und Begriffs­ty­­pen, wie Ockham sie der mittelalterlichen Scholastik entnimmt,
werden von ihm repro­biert. Da­runter sind die ontologischen Auslegungen des Be-
griffssinns (ontologischer Realis­mus).
Ockham begründet seine nominalistischen Auffassungen dann mit Überredungs-
beweisen (per­­suasiones) und Induktionen, in denen auf der Basis nicht voll verall-
gemeinerter (kasua­ler) Bestimmungen hypothetische Lehrentscheidungen entstehen.
Theoretisch handelt es sich nach heutiger Terminologie um einen Mentalismus.

. Mit ‘Ockham’ bedingungslos einen Herkunftsort be­zeich­net zu sehen le­gen Ph. Boeh­ner,
1944 (Introductory), W. Köl­mel, 1962, V. Hirvonen, 2004 u. a. nicht zwingend na­he. M. McCord
Adams, Will­iam Ockham, 1987 wählt die­se Schrei­­bung, obwohl sie einen „wahrscheinlichen“
Geburtsort glei­chen Na­mens angibt. A. Pel­­zer, Etu­­­des d’hi­s­to­ire litté­raire sur la scolastique médi­
éva­le, 1964 sagt überall Guil­lau­me Oc­cam, Guil­lau­me und Guil­­lel­mus Ockham, cf. pp. 508–
519: Les 51 ar­tic­les de Gui­l­lau­me Oc­cam cen­­surés, en Avignon, en 1326 (1922). Die Ein­träge von
Ockhams Zeitgenossen in G. Gál, William of Ockham Died „Impen­i­tent“ in April 1347, Fr St 42
1982 lauten aus­nahms­los ‘Guilel­mus (Guil­lel­mus) Okam’ oder ‘G. Oc­­c­ham’ (darauf wies mich
O. Pluta, Bochum hin). Ich möchte den rationalen Charakter in Ockhams Argumenten und Be­
weis­tech­nik, den ich behandle, durch keiner­lei ‘Anonymisierung’ verstellt sehen.
 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Diese Einleitung soll nicht sagen, dass sich in diesem Buch eine Deutung
Ockhams finde, die besser sei als andere oder alle Interpretationen, die er bisher er-
fahren habe. Sie soll viel­mehr ein­zig mitteilen wie meine Deutung aussieht. Die ist
allerdings bisher noch nirgendwo versucht wor­den. In ihr werden von Ockham ge­
führ­te Beweise mit der Fragestel­lung un­ter­sucht, ob sich darin ein bestimmter und
auch eigenständiger Beweistypus (ein Muster) er­ken­nen lasse. Es soll ins­ge­samt ge-
zeigt werden, was Ockham beweistheoretisch ge­leis­tet und im all­ge­­meins­ten Sin­ne
bei­­ge­tra­gen habe. Die praktisch von Ockham geführten Bewei­se, die von ihm zum
Beweisen (Beweismöglichkeiten) direkt vertrete­nen Anschauun­gen, die noch für die­­
se An­schau­ungen selbst wieder geführten Beweise werden be­handelt wer­­den.
Dabei verdient der Gesichtspunkt Beach­tung, dass Ockham seine allgemeinen
Meinungen viel­fach geäußert, sie an den einzelnen Textstellen vornehmlich, ja fast
ausnahmslos be­weis­för­mig vor­getragen und sie so im Beweis begründet hat. Des-
halb müssen Beweise, die darin zu­­tage tretenden Beweis­formen und dazu noch alle
hier kompatiblen oder zweckdienlichen An­­schauungen ihrer Struktur nach so weit
be­zeich­net werden, dass sie nicht nur letzthin ein­sich­tig wer­­­den, sondern auch ihre
Übereinstim­mung zu erkennen geben. An den genannten all­gemeinen Anschauun-
gen Ockhams wird, wo er sie äußert, auch die Satzstruktur sicht­bar, die die Erkennt-
nis trägt. Auf sie sind Ockhams Darlegungen bezogen, an ihr arbeiten sie, sie geht in
die Beweisanlagen ein, die durch diese Übereinstimmung charakterisiert sind.

. Ockham hat Interesse gefunden als mittelalterlicher Rebell, der (a) den ontologischen Rea-
lismus in der Uni­ver­sa­­li­enlehre verworfen, (b) mit erkenntnistheoretisch fragwürdigen Be-
hauptungen skeptizistischer Art dem na­tür­li­chen Glauben an die mensch­liche Erkenntniskraft
widersprochen, (c) mit theologischen Sonderlehren das Ein­- und Ge­mein­verständnis der Scho-
lastik gesprengt, (d) mit kirchenpolitischen Kampfschriften, ur­sprüng­­lich vom fran­zis­kanischen
Armutsstreit ausgehend, ge­gen Papsttum und Kirche aufgetreten sei, schließlich (e) als an­geb­li­
cher Vor­läufer wissenschaftstheoretischer Neue­run­gen mit starker Prägung in logischer Tech-
nik. In den Punk­ten (a) und (b) hat es viele Beschwichtigungen gegeben, in Sonderheit auch von
Vertretern des Franziska­ner­ordens. Sie werden sogar in der vom Orden editierten Ausgabe der
Werke Ockhams als probate oder obli­ga­te Auslegung angeführt. Die in (c) benannten letztlich
nur scheinbaren Sondermeinungen interessieren vor al­lem den protes­tan­tischen Theologen,
wobei ihre eigentliche technische Begründung übersehen wird. Diese Be­grün­dung steht auch
im Gegensatz zu der vermeintlichen logischen Ausrich­tung Ockhams (e), deren Ertrag von vie­
len bestrit­ten, von anderen gleichsam nur im Aperçu unterstellt und noch vor jeder Evidenz
behauptet wird. Dem Punkt (d) werden wir im Verhältnis zu den anderen am wenigsten Au-
genmerk widmen. Zur Ockham in der älteren Litera­tur bedingt zugestandenen wissenschaft-
lichen Geltung s. z. B. W. & M. Knea­le, The Deve­lopment of Logic, 1962, 1966 J. Pinborg, Logik
und Semantik im Mittelalter, 1972. In neueren Beiträgen (D. Per­ler, M. Kauf­mann, J. F. Boler,
M. Liske, A. Goddù u. v. a) wird Ockham unter Teilaspekten mo­derner Wis­sen­schaft und
Erkennt­nistheorie problematisiert und meist bei der Aporie stehen gelas­sen. Die Autoren stel-
len für ge­wöhn­lich fest, dass eine Gesamterschließung Ockhams nach den eingesetzten Mitteln
oder Fragestellun­gen nicht möglich er­schei­ne und halten dann Ockhams Konzeptionen für
fragmentarisch und undurchdacht.
Einleitung 

Ockham setzt sich vom scholastischen Milieu ab­. In ihm hat er sich grundsätz­lich
und weit­ge­hend als Kritiker verhalten, in herausragendem Maß ge­ge­nüber Jo­han­­nes
Duns Sco­­tus, der da­bei als Vorgänger wie Antipode angese­hen werden kann. Das
muss also beweis­theore­tisch zum Ausdruck kommen oder wenigstens ablesbar sein.
Es geht also auch darum zu zei­gen, dass Ockham nicht irgendwelche in irgendeiner
noch unbestimmten Weise ‘begründete’ Mei­­nun­gen, Son­der­meinungen etwa, vertre-
ten habe, sondern eben dies in der (seiner) Bin­dung an die Be­weis­elaboration und
Technik (seine Technik schlechthin) vorgenommen und vollzogen habe und darin
integrierte Standpunkte (Meinungen. ‘Lehrmeinungen’, Problemlö­sun­gen) ver­­­treten
und vorgelegt habe, die diese technische Fixierung nicht überschreiten. Dies alles lässt
sich un­­­ter dem Aspekt seines Mentalismus zusammenfassen, der damit als von ihm
ar­gu­men­tativ be­­grün­det und verteidigt sich ausnimmt.
Ockhams Beweispraxis und seine Ansichten zu Beweis und Be­weisbar­keit sol-
len dann auch im weitergehenden philosophiegeschichtlichen Rahmen verglichen
wer­den. Doch gilt die Ar­­­­beit vorab der Darstellung des technischen Charakters

. Die Differenz von Duns Scotus und Ockham stellt sich hier so dar, dass sie unter metho-
dologischen Ge­sichts­punkten, d. h. über bloße Doxographie hinaus, (nur) von Ockhams Er­
örterungen und Beweisgängen, Ar­gumen­te und Beweistechniken her sich angeben und dar­
stellen lässt. Wenn da die in Ockhams Behandlun­gen der Fra­gen enthaltenen Elemente das
‘Maß’ des Ver­gleichs abge­ben, muss deren inhaltliche und mentale (men­talisti­sche) Qualität in
irgendeiner Hinsicht wenigstens auf ein autonomes Den­ken zielen, dessen Mo­men­te für sich
absolut sein müssen. Die Elemente der Erörterungen Ockhams müssen daher je Kri­tik (et­wa
die an Duns Sco­tus) als ab­so­lute und im Sin­ne der Elemente selbst absolute und positive ent-
halten. Die­se Ele­men­te müs­sen ihre Positivität po­sitiv bedeu­ten: i.e. alles was Ockham rechtferti­
gen will, was die Intelligibi­li­tät seiner Position oder Positionen bedeutet und die Kritik an Duns
Scotus (z. B.) unmittelbar besagt. Das gilt dann für Termini wie Ab­strak­tion, sig­ni­fica­tio, con-
sequentia, subiectum, passio, etc. pp. Alle solchen Elemente be­kom­men einen menta­lis­ti­schen
Cha­­rakter oder Referenzwert. Das gilt auch für significatio. Das Antipodentum des Duns Sco­tus
wird dabei nach dem Vergleich mit Ockham erst und nur eine Folgerung sein. Sie definieren so
die Berufungsgrößen, von de­nen her zugleich Ockhams Erörterung und ihre Bewertung aufge­
baut wird. Da­mit kann dann natürlich be­züglich die­ser ‘An­tipodenrolle’ des Duns Scotus für
Ockham kein his­torischer Erklärungsgrund gemeint sein. Es gibt so ge­se­hen keine Motivation
‘in’ Ockham selbst, wel­che mit­ seiner Dif­ferenz zu Duns Scotus in der Form von Ope­ra­ti­onen
und de­­ren Zerlegbarkeit und Bedin­gun­gen zu­sam­men­hän­gen oder zusammenfallen könnte.
‘Mo­­ti­va­tion’ gibt es vermutlich überhaupt nur derart, dass die Elemente (Mi­ni­mierungen), die
in Ockhams Ope­ra­tionen vor­han­den sein müssen, mit ihr zusamme­nfallen.
. Es wird sich dabei zeigen, dass weitgehend jene Stand- und Gesichtspunkte entfallen müs­
sen, die, sei es neben­her und unter anderem, sei es hauptsächlich, weltanschaulich gedeutet
werden können und so auch Ockham selbst eigentlich als weltanschauliche Meinung unterstellt
werden müssten oder auch nur könnten, sei es dass man glaubt, er habe hier eine Ab­­sicht ge-
hegt, sei es dass man unterstellt, er habe sie nicht wahrhaft oder effektiv ausschlie­ßen können.
Es würde dies wohl immer bedeuten, dass man ihn aus inhaltlichen Gründen, am Ende welt­­­
anschaulich, widerlegen könne. Verfasser glaubt, dass Ockhams Methode und Ar­­­gumentation
 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

von Ockhams Argumenta­ti­ons­­weise. Die so immer technisch abgestützte Origina-


lität Ockhams begrenzt die Zahl ver­gleich­ba­rer Dok­trinen oder Einzelentscheidun-
gen. Hier konnte Ockham selbst durch­aus der Ansicht sein, dass es im Gefolge der
scholastischen Argumen­ta­ti­­ons­­for­men einmal der grund­­legenden Über­prüfung des
Beweismöglichen bedür­fe. Die­ses In­te­resse wird aber nicht nach der Dar­stel­­lung der
Schlüs­­se, Syl­lo­gis­men und falla­ci­ae präsentiert wer­­den, wie wir sie im Kom­pen­di­um
der Sum­­ma Logicae Ockhams (SL) finden, sondern vorwiegend nach dem Sen­ten­zen­
kommentar (SK), ausgehend von dem Pro­lo­gus Ordinationis (Ord. Prol.). Ordinatio
ist das er­ste Buch des SK, der in Ockhams Schlussre­dak­ti­on vorliegt. Das gilt für die
Bü­cher II–IV des SK nicht mehr, die nur als Re­por­tatio oder Re­­­­por­tata, Mitschriften
von Schü­ler­hand, exis­tieren. Als ihr ‘Verfasser’ wird Adam Wod­ham (ge­stor­ben 1358)
angesehen.
Unter beweistheoretischen Gesichtspunkten und beweispraktisch bezieht
Ockham überge­ord­­nete Leitbe­grif­fe (wie notitia intuitiva und notitia abstractiva,
actus, habitus, usw.), Aussa­gen­for­men in gleich­sam mentalistischer (intensionaler)
Auffassung in seine Erörterungen ein. Er behält ein vorrangiges (zentrales) Interesse
an der Untersuchung von Aussagen (Satzty­pen) und den sie bildenden Begriffsar-
ten. Daran schließt sich die Bewertung der Sätze (Aus­sa­gen) nach Wahrheitsgehalt,
Wahrheitsmöglichkeit, Stimmigkeit (Konsistenz) und schließ­lich Taug­­­­­­lichkeit für den
Syllogismus an. In­duk­­tion, persua­sio und reprobatio (= Widerle­gung, in­di­rekter Be-
weis, reductio ad absur­dum) haben bei der Ermittlung der opiniones und soluti­o­nes
Ockhams eine mentalistische Thematik. Es werden Aus­sagen über die Geltung von

ihrer Art nach so konzipiert sei, dass sie das ausschließe: was außerhalb ihrer liegen müs-
ste, kann bei der im Wesentlichen in­duk­­tiven Verfahrensart Ockhams nicht glei­chermaßen
­wirksam geltend gemacht oder sogar nicht einmal er­wo­gen wer­­den.
. Die Arbeit stützt sich also im wesentlichen auf den Kommentar Ockhams (SK) zu den
Senten­zen des Petrus Lom­­­­bar­dus, das sind näher die sogenannte Ordinatio, eine wahrschein-
lich re­digie­rte und autorisierte Fassung der ent­sprechenden Vorlesungen Ockhams, die nur das
ers­te Buch dieses Sentenzenkommentars umfasst, die so­ge­nann­­te Reportatio, das sind knappe
Mit­­­­schrif­ten dieser Vorlesungen, die Bücher II–IV des SK an­gehend, sein zu­­sammenfassendes
Kompendium zur Logik, das unter dem Titel „Summa (Totius) Logi­cae“ be­kannt ist und die
„Quodlibeta“, die wie üblich ausgewählte Fragen be­treffen. Dazu kommt der Sentenzen­kom­
mentar des persön­li­chen Schülers Adam Wodham. Daraus werden zur Illustration nominali-
stischer Ansichten bzw. der Verarbeitung von Ockhams Anregun­gen Buch I–III herangezogen.
Wodham ist die „Sum­ma logicae“ (SL) de­di­ziert. Wie wenig Ockhams Methode von diesem
Schü­­ler und von an­de­ren Spät­scho­­­­las­ti­kern, die mehr oder we­ni­ger als Ock­­hams authentische
Anhänger angesehen wer­den, genuin übernommen wurde, lässt sich in Anbetracht ih­rer Be­son­
derheit und ihrer herausragenden Anlehnung an die Ar­gumentationsweise zeigen. Denn sie
trägt die Leh­­re, die sich nicht von der Struktur der Er­örterung löst, so dass die Diskrepanzen
etwa zu Johannes von Mi­re­court, Ni­­kolaus von Autre­court und auch Gabriel Byel derart beste-
hen, dass jeder Gesichtspunkt der Lehre au­ßer­halb der in der Argumentation hervorgebrach-
ten Struktur und ihrer Effekte und Wertigkeiten gar nicht Bestand haben kann. Das gilt von der
Seite Ockhams aus für ihn und für seine „Anhänger“ oder Op­po­nenten.
Einleitung 

Aus­­­sa­gen, Verwendbarkeit, Eigenart und Tragweite von Be­grif­fen als solchen mittels
In­duk­­ti­on, persua­sio und reprobatio aufgestellt, oftmals Bestreitun­gen, vielfach re-
duktive Be­haup­­tun­­gen. Die Induktion gelangt oft zur persuasio, die sich in einen Syl­
logismus eingliedern kann. Als des­sen Umkehrung könnte nun die Induktion selbst
er­schei­­­nen. Es wür­de dann auf den Ober­­satz (Ma­jor) geschlos­sen, nicht aus Major
und Minor auf die conclusio. So einfach liegen die Din­ge im Falle Ockhams aber
nicht. Da die Maximen, die Ockham verwendet und eben auch beweist oder be-
gründet und jene Be­weise, die er dazu gebraucht, den reellen Effekt einer Er­kennt­nis
oder Kenntnis der res ex­tra animam in se nicht ergeben, bzw. ihn nicht zu­las­sen, kann
die Induktion als Teil oder Ele­ment dieser Beweise nicht auf einer ideellen Setzung
die­ser res ex­tra animam in se und ihrer Bestandteile beruhen bzw. auch nicht auf sie
zurück­zu­füh­­ren sein. Das muss zugleich be­deu­ten, dass Widerlegungen solche ideelle
Setzung aus­schlie­­ßen und mehr noch davon ih­ren Cha­rakter daraus erhalten, dass sie
es tun. Das bedeutet auch, dass analytische Beweis­füh­run­gen mit dem tertium non
datur zur Ermittlung von Be­haup­­­tungen nach Beweisen ex nega­ti­vo aus­geschlossen
(= unmöglich) seien. Auf dieser Un­mög­lichkeit beruht die Induktion; sie nimmt sie
auf, sie berücksichtigt sie, sie setzt sie um in eben jene Maximen, die als reduktive An-
sichten (opiniones) oder solutiones Ockhams dann auftreten, wenn der intensionale
Cha­­rakter von Begriffen und Aussagen bestimmt wird, bei de­nen eben das Verhält-
nis der Begriffe und Begriffsarten oder auch der Aussagen und Aussa­gen­ty­pen eben-
falls nicht als analytisches oder im Beweis analytisch begründetes erscheint, sondern
in diesem Sinne abgelehnt, i.e. re­probiert wird. Dabei werden dann jene Maximen

. Wenn in der nachscholastischen Phase der Syllogismus als ineffizientes Erkenntnisverfah-


ren dif­famiert wurde, so etwa von Descartes, weil man nur gewinne, was man zuvor hineingelegt
habe, so würde hier in unserem Rah­men und mit Bezug auf Ockhams Mentalismus zunächst zu
widersprechen sein. Aber hier genügt die Antwort von R. Arnheim, Anschauliches Den­ken, Zur
Einheit von Bild und Begriff 11972, zuletzt 2001, der Syllogismus selbst be­ruhe auf der Induk-
tion. Sie be­stimme seinen Er­kennt­­­niswert (p. 21): „Bezeichnenderweise wurde im 19. Jahr­hun­
dert der Syl­logismus beschuldigt, dass er auf einem Zirkelschluss beruhe, indem er etwas als
eine neue Er­kennt­nis prä­sen­tiere, das in Wirklichkeit schon im Vordersatz enthalten sei. Diese
Anschul­di­gung setzt voraus, dass der Vor­­der­satz durch Induktion zu­stan­de gekommen sei.“
Ockham klassifiziert Begrif­fe und Sätze, und gewinnt ‘Re­geln’ und ‘Ausle­gun­gen’, die er ihnen
gibt, erst über die Induk­ti­­o­­nen. Er gewinnt also nicht prak­tisch-­em­pi­ri­sche Er­kenntnisse über
Induk­ti­onen, wie es John St. Mill, Spencer, Frazer, eventuell Dilthey, Sche­rer, Helm­­holtz, usw.
vorschwebte: er er­stellt, be­schreibt und bestimmt (erst) Erkennt­nis­for­men. Er kann sie so nur
bedingt be­züg­­­lich der Empirie erzeu­gen. Die Empirie oder empirische Wahrheit ist gegenwärtig,
aber ge­ra­de nicht in sich konsolidierbar. Die hierzu er­forderlichen Beweise kann es nicht geben.
Viel­mehr gibt es Wi­der­le­gun­­gen (re­pro­­ba­tiones). Die res ipsa in se wird nicht nach irgendeiner
für uns prä­sen­ten Realform erforscht oder erörtert. Ent­sprechend gibt es keinen ‘Begriff ’ von
Erfahrung. Zur Stellung der Induktion bei Ch. S. Peirce, auch im Ver­hält­­nis zum Syl­logis­mus, s.
J. v. Kempski, Charles Sanders Peirce und der Pragma­tis­­mus. 1952. Dort p. 93 Anm. 5: „Die Affini-
tät des Induktionsschlusses zur drit­ten Figur hat auch schon F. Überweg, Sy­stem der Lo­­gik, 11857
p. 365, ⁵1882 p. 422 bemerkt“. Nach v. Kempski p. 93 stellt Peirce diese Korrespondenz 1867 fest.
 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

an­derer Scho­lastiker, etwa des Duns Scotus oder der Ockham zeitgenössischen Oxfor-
der Gelehrten, die nur in etwa einen analytischen Charakter haben können oder im Be-
weismodus vorausset­zen, abgelehnt, oft auch durch den Ge­­­­genbeweis in einer instan-
tia: das ist ein Bei­spiel, das in sich kontingent, eben eine Allge­mein­heitsbehauptung
zurückzuweisen gestattet oder verlangt. Diese Allge­meinheitsbehaup­tung (oder all-
gemeine Behauptung) kann dann zu­gleich keinen (definiten!) intensionalen oder men­
talistischen Wert besitzen. Ihn konstruiert Ockham mit sei­nen Beweisen, in seinen
De­fi­ni­tionen und deren Verteidigung durch persu­a­siones, Indukti­o­nen etc.
Bei Ockham ist die Induktion je­weils an ein in sich in­halt­lich ne­­ga­tives Mo­ment
gebun­den, mit dem eine Erfüllung des refle­xi­ven, auf mentalia be­züg­li­chen Aus-
drucks im­plizit ‘aus­ge­setzt’, al­so nicht strikt angenommen oder eingeschlos­sen wird.
Da­rauf erhebt sich dann eine Aus­­sage oder Behauptung, die auch nur beschränkt gilt,

. Da die Kontingenz hier mentale ‘Fakten’ oder actus mentales (mentalia), eben Begriffsarten
und Satztypen, be­trifft, muss die mit ihnen umgehende Induktion unbedingt voraussetzen,
dass analytische Operationen im Ver­hält­­­­nis der Begriffe, der Satzarten und schließlich auch für
(die) separaten Beweise untereinander mit einer An­ord­nung ihrer Begriffe nicht existieren. Es
gibt so im Prinzip nur separate Beweise und deren multiple Verfüg­bar­­keit in allen Diszipli­nen
und an allen möglichen denkbaren Stellen. Diese Beweise erstellen ja wie gesagt auch die Ma-
ximen, die ihrerseits vielverwendbar, allerorten oder durchgängig ‘berufbar’ sein müssen. Den
Be­weis, dass durchgängige Begriffsordnungen nicht existieren, hat Ockham öfter ge­führt: es ist
ein Widerle­gungs­­­beweis, der sich auf kontingente Abweichungen beruft, also auf sogenannte
instantiae. (Die) Begriffe kön­nen damit auch in keine Struktur eingehen, bei der sie im Verhält-
nis solcher Anordnung, wie sie Ockham be­streitet, selbst in ihrem gleich­sam realen, i.e. inten-
tional extramentalen Gehalt und so auch in ihrem Sinn, so­gleich und even­tu­ell ausschließlich
verstanden, also mit extramentalem Bezug, Beweise liefern könnten, so wie sie bei Duns Sco­tus
und Spinoza etwa vorlägen, wenn sie hier denn für gültige Bewei­se denn sollen gehalten wer­­­
den. Hierbei wäre dann noch gesondert zu erörtern, ob da in den Be­weisen resp. Beweisketten,
als welche sie betrachtet wer­den müssten und offenbar nach der Mei­nung der Urheber auch
betrachtet werden können sollen, bei durchweg und vorausset­zungs­los extramentaler Geltung
noch (rein) intensionale Einsprengesel (Inseln ge­wis­­sermaßen) mög­lich oder unentbehrlich
wären. Bei Betrachtung der Scotischen Beweisausgestaltun­gen könnte man solche Einspreng-
sel in der Form im Beweisgang dann neuer ontologischer Prin­zi­pien, ad hoc Anleihen bei
Aristoteles gegeben sehen. Man müsste also sehen, ob sie statthaft seien und ob sie korrekt in
den Beweisgang eingeschleust würden. Nach Ockhams Ab­straktions­leh­­re ist es zu bezweifeln.
Die im Grunde se­man­ti­sche Ordnung der Be­grif­fe, die für solche Beweise à la Duns Scotus
und eben auch Spinoza erfordert ist, sogar wohl pos­tu­liert wird, und namentlich bei Walter
Chatton, Ockhams Kritiker, das A und O bildete, müss­te überhaupt nach aris­totelisch-on­to­
logischen Prinzipien unerfasst erscheinen, so dass demge­mäß auch der in­ten­sionale Charakter
(in der dedukti­ven Verwendung solcher Prinzipen) streitig zu werden hät­­­te. Ockham indes
kor­rigiert den de fac­to ex­­tra­mental und realistisch ausge­rich­­teten Aris­to­­­teles mentalistisch,
intensional, i.e. auf die mentale Struktur und Klassifika­ti­on der Begriffe und Sätze bezogen und
er revoziert den bei Aristoteles po­s­tulierten oder meis­tens un­terstellten Not­wendigkeitsgehalt
in Richtung auf den Kontingenzcharakter, worin Be­grif­fe bzw. Sät­ze und Ge­­­­­­­gen­­stände extra
mentem bei Ockham sich begegnen.
Einleitung 

eine persu­a­sio be­deu­tet, oder gar ne­ga­tiv for­mu­liert ist: Nicht alle (Fälle von) x haben
y oder: Nicht immer wenn ‘x’. gilt auch ‘y’. u. ä. Wenn bei Aristoteles die Indukti­on auf
die sinnliche Erfahrung sich stützt, so bei Da­ten oder Ak­ten, die in den intellectus ra-
gen oder ihm zugrunde liegen, lässt bei Ockham die In­duk­­tion sich noch einmal und
an­ders be­grün­­den: die Intention auf die Realität wird ohne strik­tes­te Erfüllung bzw.
Erfül­lung als einem notwendigen Bestandteil der Forderung für die Gel­tung dieser
Intention gedacht. Auch die no­­­­­titia in­­tu­itiva, die nominell die em­pirische Er­fah­rung
besagt und sie funk­tional ver­tritt, wird nicht als a parte rei zu denken notwendig
erfüllt betrachtet, so dass mit der Benennung einer sol­chen empirischen Erkenntnis
deren ‘Existenz’ behauptet werden könne. Nach ihrer defi­ni­­tio kann sie im Sinne ihrer
ratio von allen akzi­den­tel­len Referen­zen ge­trennt und für eine Viel­­­­zahl von casus,
die heterogene Verursachungssi­tu­a­tionen bedeuten, als nicht auf die ex­tra­­­mentale
Gegenstandsgegebenheit bezogen verstan­den. Auch sie wird so in eine kontingent
gedachte Weltordnung einbezogen. Das accidens, über das sogar vorran­gig die Er­
fah­rung der Welt gedacht wird, ist in sich leer, das heißt: for­mell nicht (notwendig)
als real er­füll­bar und ge­­genständlich betreff­bar gedacht. Die Indukti­on muss von

. Da es für Ockham keinen Begriff von Erfahrung in sich geben kann, kann es auch keinen
Bezug des Begriffs auf Er­fah­rung im Sinne von Wahrheit geben, einmal ganz abgesehen davon,
dass man von Wahrheit vielleicht aus­schließlich bei Sätzen sprechen möchte. Indessen werden
bei Ockham vermöge der notitia intuitiva Be­grif­fe (Prädikationen) bestätigt, nicht Sätze. Wo
die Sätze Zustimmung (assensus, assensio) erhalten, geschieht es in­­ner­halb geeigneter Syllogis-
men und dabei entfällt der Wahrheitsbezug via Realitätsbezug (oder Objektbezug) eben­so wie
die (getrennte) Wahrnehmung der Begriffe als notitia incomplexa. Diese notitia incomplexa
ist aber Vor­aus­setzung für die notitia intuitiva, so wie sie kausalgenetisch dieser sich schon
verdankt. Der Satz, dem wir qua syl­logistischer Beweisführung zustimmen, liegt uns im ac-
tus apprehensivus als notitia complexa vor; er wird selbst complexum genannt. Doch gesteht
Ockham die immanente Präsenz der notitia incomplexa auch beim Syl­logismus zu. Sie ist dann
möglich, wird aber nicht (gleichzeitig) wahrgenommen. Die distinctio realis zwi­schen no­titia
incomplexa und notitia complexa wird nicht in den actus apprehensivus (notitia abstractiva!)
des Satzes übertragen, der damit unabhängig und induktiv möglich wird; er kann per casum
induziert werden. Wir ha­ben Sätze ohne den einzelbegrifflich bestimmten Realbezug und eben
damit überhaupt Sätze, die davon unab­hän­gig sind; wir werden die unbedingte Identität oder
Verwechselbarkeit von notitia intuitiva und notitia ab­strac­ti­va nur so vermeiden können, da
sie bezüglich der Begriffe selbst beide möglich sind und aufeinander fol­gen kön­nen. Erst ihr
fallweise disparates Auftreten sichert ihre Identität und damit den Begriff. Dabei ist (s. o.) er­
kenn­bar, dass diese Disparatheit zwar empirisch gestützt erscheint, aber in der Argumentation
nicht in der aus­schließ­li­chen Parallelität mit empirischen Daten verbleibt: denn wir erkennen
die notitia incomplexa der Begriffe in der notitia incomplexa propositionum nicht oder (ad
libitum) nicht mehr notwendig. Daher die Möglichkeit der Tren­­­nung schlechthin.
. Das accidens, das nicht im Sinne der inhaerentia passionis in subiecto im Satz als diesem
not­wendig verbun­den gedacht werden kann, ist auch im Sinn der ratio oder forma eines Be­
griffs oder einer Erscheinung, auch ei­nes actus oder einer notitia, wenn auf diese bezogen,
nicht deren notwendiger Bestandteil. So werden auch nicht die referentiae der notitiae Teile
 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Akzidenzien, das heißt von den von substantiae oder formae ge­trennt gedachten, i.e.
mit ihnen nicht notwendig ver­bun­de­nen Be­ziehungen ausge­hen. Da sie in sich leer
oder em­pirisch nicht erfüllt sind, kann ihnen eine Ne­gation zugespro­chen werden. Von
ihr gehen Ockhams induktive Operatio­nen, per­su­a­si­o­nes, Schlüsse a for­ti­o­ri aus. Die
Vereinigung des ac­cidens mit dem subiectum im Sinne der realistisch ontolo­gischen
Inhärenz kann nicht ge­grün­det werden; sie wird repro­biert. Diese re­pro­batio (Wider­
le­gung, indirekter Be­weis, re­duc­tio ad absurdum) aber be­schränkt sich auf die Ab-
weisung (re­fu­tatio) von The­sen, Meinun­gen, Maximen oder Begriffs­ver­wendungen,
sie be­gründet nicht wie bei Duns Sco­tus ‘analy­tisch’ dann positiv gemeinte An­sichten.
Diese in ih­­­rer inhaltlichen Begrenzung, reduktiven Be­­deu­tung, liefern die an die re­
pro­batio angefügten vor­genannten In­duk­tionen und persuasio­nes.10 Beider Identität
oder we­nig­stens Nähe zueinan­der soll beschrie­ben werden.11
Für Ockham kann angenommen werden, dass bei ihm weltanschauliche Aspek-
te, wenn sie in irgendeiner Spur vorliegen sollten, doch immer an den tech­ni­schen
Charakter der Ar­­gu­men­­­­­­ta­ti­on gebunden bleiben, als deren Umsetzungen erscheinen
und so dem Willen Ockhams ent­spre­chen, der sich in der Argumentation manife-
stiere und den durch diese erzeug­ten oder mit­ge­geben Strukturen, bzw. Bewertun-
gen.12 Alle Fragen werden in der Fixierung auf die Ar­gu­men­tation vor­ge­tragen und

ihrer Inhaltsbestimmung, ratio usw. Sie liegen akzidentell außerhalb derselben und stören
da­her in bestimmten kontingenten Anordnungen, casus des Vorkommens oder der Wirk­sam­
keit sol­cher notitiae nicht; sie bedingen keine Widersprüche. Infolgedessen verliert das Wider­
spruchs­prinzip seine regu­la­­tive Kraft oder Bedeutung.
10. Widerlegungen tendieren hier zu einer Ersetzung des Widerspruchsprinzips. Denn in ihnen
wird bei Ockham im Sinn der Induktion, eine empirische Funktion oder Relevanz greif­bar.
11. Bei Ockham wird für das accidens keine Ausgestaltungsqualität hinsichtlich der sub­stan­­tia,
for­­ma, des sub­iectum angenommen. Es bedeutet so keinen Gehalt einer passio in Be­zug auf
die substantia, das subiectum etc. Das gilt dann auch für theologische Sätze. Cf. einen sogar
extremen Fall Kap. 2 p. 91ff.
12. J. Zuidema, De Philosophie van Occam in zijn Commen­taar op de Sen­tentién, vol. I, 1936
sah bei Ockham Gnostizismus ohne wirkliche Vermittlung (Austausch) zwischen schlechter
irdisch-menschlicher Welt und irre­le­­­vantem Gott (cf. ab p. 205); die Texte verweisen in der Tat
auf ei­nen beinahe entschiedenen Nesto­ri­­­anismus. Cf. z. B. Ord. d. 2 q. 7 TO II 2 p. 260 lin. 18–21:
„dico quod in­ter na­turam et sup­­po­situm aliquando est dis­­tinctio realis sicut inter suppositum
et naturam assumptam.“ In irdi­schen Verhältnis­sen gilt das nicht eigent­lich: „ali­quan­­­do autem
penitus nulla est distinctio a parte rei.“ Nach Rep. IV q. 6 OT VII p. 99 lin. 7–9 ist die unio
zwi­schen Verbum (= filius) und natura assumpta eine „unio … accidentis ad sub­iec­tum.“ Da
dann das Ver­bum divi­num unbegrenzt (il­limita­tum) und anderswo als die natura assumpta,
näm­lich Christus hie­nie­den, sein kann, kann es über­all sein (ib. lin. 20) „se­­cun­dum potentiam
divinam et non virtute potentia pro­pria.“ Das ist ei­ne in­duk­tive Ver­all­gemeinerung via Om­­­
nipotenzprinzip. Diese tritt der Un­ter­schie­den­­­­heit des verbum (lin. 21) „se­cun­dum quid“ von
des­sen akzidenteller Ver­ei­nigung mit dem corpus humanum bei. Die po­ten­tia divina wirkt
oder fun­giert selbst hier noch bezüglich der di­vi­nitas selbst im Sinne einer abstrakten Unter­
Einleitung 

in dieser Weise quasi noch einmal versachlicht und, ge­­genüber dem scho­las­ti­schen
Mei­nungs­streit mit sei­ner Pluralität von opiniones, gewis­ser­­ma­­­ßen in sich neutrali­
siert. Dass bei Ockham Mei­nungsäußerungen, in Streit­­fra­gen sei­ne so­­lutiones, mit
der argumentativen tech­nischen Form verschweißt sind, in der sie vor­­ge­­­tra­gen und
begründet wer­­­den, wobei ih­nen der Weg argumentativ durch reprobationes und re­­­
fu­­ta­ti­o­nes bereitet wird, soll hier inso­fern bewiesen werden, als Ockhams Argumen­
ta­tio­nen und Operationen in die­­ser Weise be­schrie­­ben und womöglich voll­ständig
gedeutet wer­den.13
Die Argumentation Ockhams überdeckt des­sen Erörterungen, so dass seine Dok-
trin in et­wa we­niger interessant erscheint. Einmal sind sei­ne Standpunkte, wo man
sie für kategorisch hal­ten möchte, in Argumentationen eingebet­tet, also gebunden.
Das Dezisive liegt so bei der Ar­gu­mentation. Dann wieder sind inner­halb der – for-
mal gleichbleibenden – Argumentation, wie die­se erscheint, inhaltliche Aspekte mit
mehr Konzilianz und Variabilität vorgetragen wor­­­­­­­­­­den, als erwartbar wäre, wenn sie
im Denken Ockhams vorrangig wären. Der inhaltli­che As­pekt wird zudem, weil die
Met­hode und Ar­gu­mentation Ockhams selbst pragma­tisch oder in­ten­sional ist, i.e.
wesentlich auf die Akte des Verstandes, die Sätze, Satz- und Be­­­­­griffsarten usw. sich
bezieht, die intra­mentale Spezifi­ka­tion des Denkens betref­fend, in der Methode, al­so
der Argumentation mit­ge­ge­ben sein. Die einzelnen Argumente oder Argumen­ta­ti­ons­
weisen werden, wenn und wo sie er­schei­nen, als in einer freien Systematik auf­tretend
sich ausneh­men, wobei sie immer mit ex­klu­die­render Eigenschaft wirken. Sie werden
gleich­mäßig wie­der­holt. Sie bilden ein Ge­­­rüst, in welchem der methodologische As-
pekt er­scheint.
Wichtig ist, dass Ockham per Induktion nicht etwa naturwissenschaftliche
Fak­­ten erhebt, son­­­dern psychologische und erkenntnistheoretische: er arbeitet
mit der Induktion an der Klas­si­­fi­ka­tion von Satzformen und Satzarten, die er nach
Bestimmun­gen gibt. Diese, intramen­tal auf das Subjekt des denkenden Menschen be-
zogen, spezifizieren dessen Vermögen und Kom­pe­­tenz und schränken sie ein. Tech-
nisch und inhaltlich wird hier wesentlich nicht das ge­nerel­le Gesetz oder die gene­rel­le

schei­­dung von der Em­pi­rie, ohne die­­se Empirie für sich infrage zu stellen. Das Ganze gemahnt
an eine gewisse pa­gane An­schau­­­­ung: Gott bleibt Gott in sich. Sie be­stärkt in der An­nahme,
dass die Erlösung durch den Sohn im Mittelalter ein un­as­si­­mi­­lier­ter Fremd­kör­per hin­sicht­lich
des Chris­ten­tums von jeher war und blieb, daher sogar bei Ockham in der Form der (Revi­si­on
der) Scholastik auftreten konnte und, wie wir meinen, an ihr ursächlich mitge­wirkt ha­ben mag.
Hier geht es um die Be­wältigung eines My­thos, der nicht in die Form und die tenue scholas­ti­
scher Spra­che eingehen oder gar sie völlig bestimmen und de­for­mieren konnte. Ockham zeigt
sich rekalzi­trant. Ockham sprengt die Scholastik mittels der Abstraktion, die auch gegen die
Ontologie greift und durchgreift.
13. Vollständig ist dabei als terminus technicus derart zu sehen, dass inhaltliche Vorstellungen
und begriffliche Auf­fassungen so ausgelegt und berücksichtigt werden, dass gegen sie (inhalt­
liche) Einwände, sei es von seiten der Sache, i.e. der Logik, der Operationen selbst, oder nach
Text­be­legstellen vorderhand nicht leicht möglich sind bzw. entfallen (können).
10 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Behauptung erhoben, sondern das begrenzte ‘Auch noch Mög­­­­li­che’ (zusätzlich Denk-
bare), die kompa­tible Möglichkeit extra sensum communem, die Noch­mög­­lich­keit
ei­ner Erkenntnis, die dann materiell etwa be­züg­lich der divina essentia zur Aus­schlie­­
ßung der faktisch nicht möglichen Erkenntnis neben der hypothetisch noch zulässi-
gen führt. Ockham prüft Sätze (Satzarten) nach ihrer Struktur, klassifiziert Begriffsty-
pen, klärt Be­­­­griffsdefinitio­nen, um danach deren Zulässigkeit oder Zweckmäßigkeit
unter Revision oder Tilgung eines all­­gemeinen Folgerungsbegriffs (und zwar in An-
passung an die Induktion) dar­zu­­stellen.
Dabei bleibt der Begriffsrahmen, von dem Ockham ausgeht und den er strikt ein-
hält, be­grenzt: es sind die notitiae (notitia intuitiva und notitia abstractiva), die actus
(actus ap­pre­­hen­sivus in Sonderheit), die Formeln ‘de potentia divina absoluta’ (ge-
meinhin unbeachtet: in zwei Varianten14), das Ökonomieprinzip (Ockhams „Rasier-
messer“), ‘non est inconveni­ens quod’, ‘non est maior ratio quod (non)’, etc. die alle
der Induktion sich bedienen oder an­ge­nä­hert sind und zu den „Überredungsbewei-
sen“ (persuasiones) führen: ‘Non est impossi­bi­le’ u. ä. Dabei ergibt sich die Analyse
von Trugschlüssen (fallaciae). Sie ist nicht antezedent, wie man nach einer förmlichen
und starren Anwendung von Regeln und Erläuterungen einer ka­no­­nischen mittelal-
terlichen Logik erwarten könnte.15

14. Hier sind Entzerrungen bei den Charakterisierungsdetails unerlässlich. So kann der fol­
gen­­den von D. Per­ler, Nikolaus von Au­tre­court, Briefe, 1988, p. 97 kaum zugestimmt wer­den:
„Gott kann ei­ner­seits mit der „po­­tes­tas or­dinata“ gemäß den natürlichen Ur­sa­chen auf über­na­
türliche Weise wir­ken, an­de­rerseits aber auch unter Miss­­achtung der natür­lichen Ord­nung über­
natürlich-kon­tin­gent han­­­­deln.“ Perler will derart mit Verweis auf K. Ban­nach, Die Lehre von der
dop­pelten Macht Gottes bei Wilhelm von Ockham, 1975 das ganze 14. Jahr­­hun­dert be­zeichnet se­­
hen. Es gilt jedoch für Ockham, dass die po­ten­tia divi­na absoluta nicht der potentia dei or­di­nata
gleich ist, sondern von dieser abge­grenzt wird und sie für Aus­nah­­men übersteigt. Gott wirkt
auch nicht mit ‘na­tür­lichen Ur­sa­chen auf übe­rnatür­li­­che Wei­se’, son­dern er kann hypo­thetisch
die natürliche Ursa­chen­kette, so­weit und weil in ihr die distinc­tio realis zwi­schen Ur­sa­che und
Wirkung besteht, insofern über­sprin­gen, als er selbst sich zur Ursache an­stel­­le der Ursache set-
zen könnte. Er „handelt“ aber nicht ein­mal dann ‘un­ter Miss­­ach­­tung der natür­li­chen Ordnung
übernatürlich-kontin­gent’; beide Fälle wä­ren so nicht recht unter­scheid­­­bar, wie denn auch das
Wirken mit ‘natür­lichen Ur­sa­chen auf über­na­tür­liche Wei­se’ wo­möglich nicht feststell­bar ist, al­so
zu einem un­bemerkbaren Wun­der zu rechnen wäre, wobei es denn als ‘Wun­der’ nach der Inter­
pre­ta­ti­on von H. Blumenberg, Die Le­gitimität der Neuzeit, 1966 zu deuten wäre, gar dazu noch
als ‘un­merk­­­li­­ches’. Die Tex­­te, i.e. das scho­la­s­­ti­­sche Mate­r­i­al, sagen aber: Gott kann dann in der
Tat sogar noch ein zweites Mal qua po­ten­­tia di­vi­na ab­so­lu­ta wir­ken, nun aber qua poten­tia di­vi­
na ab­so­lu­ta su­pra­­na­turali­ter loquendo. Dann ist aber auf den empirischen Bezug an­ders als bei
der po­ten­tia di­vi­­­­na absoluta na­­­tu­­ra­liter lo­quendo Verzicht geleis­tet wor­den. An Perlers zitierter
Cha­rak­terisie­rung des No­mi­nalismus ist nicht ein Minimum verifizierbar: das Ma­te­rial zeigt für
kei­­nen darin ge­nannten Faktor oder Charakterzug eine explizite Verwendung im Sinne der von
Per­­­ler so­gleich hy­­per­bo­lisch gesuchten Ausgriffe bzw. allgemeinen Bezugsstiftungen.
15. H. Schröcker, Das Ver­hält­nis der Allmacht Gottes zum Kontradiktionsprinzip nach Wil-
helm von Ockham, 2003 will das Omnipotenzprinzip (oder dessen Gebrauch) bei Ockham
Einleitung 11

Der actus apprehensivus bezeichnet die Grundposition einer nicht mehr per An-
schauung16 oder über die species, den eigens konzipierten Begriffsgehalt, bestimmten
Erkenntnis, sondern ei­ne Po­sition, bei der der Intellekt mit menschlichen Begriffen
(conceptus als Besonderheit des ter­minus) in einer von allem, obiecta extra men-
tem, sensus, species, essentia, natura usw. un­ter­­schie­­denen Sphäre arbeitet. Mit dieser
steht er, mittelbar oder unmit­telbar, auch unter­halb der Sphäre Gottes. Erkenntnis,
die Gott, die Engel, die Seligen haben kön­­­nen, wird von Ockham im Vergleich über
die Erkenntnis, die der Mensch hat, moduliert und da­ne­ben von den Beweismög-
lichkeiten her bestimmt, welche diese menschlichen Akte selbst in­haltlich ver­­­­­mö­­ge
ihrer Definitionen nach den hier angemessenen Beweisoperationen (Indukti­on, per­
su­asio, Syllogismus) bieten und zulassen; unangemessne Folgerungen werden durch

durch das Widerspruchsprinzip be­grenzt se­hen. Das ist eine bezweifelbare Ansicht, weil der
Wider­spruchsatz bei Ockham einerseits in der Be­grenzung von Inhalten und danach deren
Real­gel­­tung nicht auftritt, andererseits das Allmachtsprinzip selbst über kontin­gen­­ten Inhal­ten,
Sach­verhalten und Sätzen operiert, welche ihrerseits dem Kontradiktionsprinzip schon in sich
nicht Raum geben und auf ihm nicht aufgebaut sind. Sie und ihre Inhalte können daher nicht
über das Kon­tra­dik­ti­­onsprinzip begrenzt und reguliert werden; es geht vielmehr darum, dass
allgemeine oder zu allgemeine An­nah­men (Maximen) von Ockham durch instantiae aufge­
brochen und widerlegt werden, wonach dann das Omni­po­­­tenzprinzip als Induktor einer Ge­
gen­annahme ins Spiel kommt (potentia divina absoluta naturaliter lo­quendo), wenn wir nicht
mit der potentia divina absoluta supranaturaliter loquendo oberhalb empi­ri­scher An­­­nah­­men
und Sätze und einem entsprechenden Bezug des Begriffsgebrauchs auf unsere uns em­­pirisch be­
kannte Wirklichkeit ope­rieren (bei den Sätzen die divina essentia betreffend). Wir haben dann
hier den Wi­der­spruch und die Freiheit vermöge des Allmachtsprinzips (als Mo­dus modo com-
posito gebraucht) dort. Wir müs­sen prin­zi­pi­ell, um zu Be­grif­fen und Be­griffs­verwendungen
zu kommen, die Gott betreffen, (etwa bei Relationsbe­grif­fen für die Bezie­hung zwischen den
personae divinae) die Empirie übersteigen. Das heißt: wo wir hier auf Wi­­der­sprü­­­che stoßen,
müs­sen wir die Begriffsverwendungen oder das Satzverständnis korrigie­ren oder aber, nach
ei­nem naturalen Ver­­­ständ­nis unserer selbst, den dogmatischen Lehrgehalt angreifen und strei-
chen. Auch das tut Ockham ver­mö­­ge der Akzidentalität, die bei unseren actus in anima gilt.
Auch beim accidens, wie bei der ihr ver­wand­ten Kon­tingenz (kontingen­ter Satz) greift nicht
das Wider­spruchs­prinzip, das leniter adiunctum zwar „‘gilt’“, doch keine kon­sti­tutive Funk­tion
hat. Für die intensionale Konstitution der Sätze und der Begriffe spielt es keine Rol­le. Es wird
sodann durch die distinctio realis und die Zweiheit von Identität und Nichtidentität (et­wa in
der re­duc­­tio ad absurdum und bei der Widerlegung der Annahmen des ontologischen Rea-
lismus usf.) ersetzt. Zu wei­te­rer Kritik s. Kap. 13 Anm. 78 Nach Ockham muss man an den
Widerspruchssatz eigens glauben, wenn man danach Seins­un­möglichkeit = Absurdität (Impos-
sibilität) begründet sehen will, cf. Kap. 5 Anm. 138.
16. Vorstellungsbilder, wie sie etwa bei den Modistae, bevor der Aristotelismus siegreich
wur­de, zwischen Den­ken, sprachlichem Ausdruck, Begriff und Begriffsform einerseits und
extra­men­taler Realität andererseits vermit­telt hatten, spielen keine Rolle mehr. Zu diesen s.
zu­nächst H. Roos, Die Modi signficandi des Martinus von Da­cien, Forschungen zur Geschichte
der Sprachlogik im Mittelalter, 1952, dann J. Pinborg, Die Entwick­lung der Sprach­theorie im
Mittelal­ter, 1967.
12 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

em­­­pirisch be­stimm­te instantiae und reductio ad absurdum (indirekte oder Widerle­


gungs­­­be­wei­­se) ausge­schlos­­­sen. Das gilt auch für die realistische Universalienlehre
und be­stimm­­te on­to­logische Auf­­­­­­fas­sungen und wissenschaftstheoretische Lehren auf
der Basis der Begriffs­ty­pen und Satz­mus­ter. Es soll aber dann gezeigt werden, wie on-
tologische Be­grif­fe (for­ma, accidens u. a.) von Ockham in Bezug auf Begriffsgehalte,
nach dem Unter­schied von es­sentia (substan­tia) und accidens dem Objekt und seinen
Umständen oder Aus­wir­kungen zu­geteilt, in die Ar­gu­­men­­­ta­ti­on inte­griert werden
und auch hier sie vorab der persu­a­sio zufüh­ren. Die Kausalität wird da­mit eben­so
wohl erklärt wie zugrundegelegt. Der Er­klärung der In­duk­tionsbasis bei den Argu­
men­tati­onen Ockhams soll besonderes Augen­merk gelten.
Wir haben bei Ockham eine innere Struktur als Prinzip und Basis des Erkennens
im kon­tin­gen­­ten Satz, dessen Begriffe, in der SL vorab auch extrema genannt, im SK
eher subiec­tum und passio, in ihrem Verhältnis zueinander durch die Operationen
(Argu­mentationen, In­dukti­o­nen, Widerlegungen und persuasiones) für ihn über Be-
stimmungen er­fasst werden müs­sen, die dann inhaltlich zusätzlich, wobei weitere Be-
weise von ihnen ausgehen, auch die Dif­ferenz zu allen anderen scho­lastischen Leh­ren,
auf die Ockham stieß, mitenthalten müssen.17 Was zwi­schen dem subiectum und der

17. Ockham erhält den förmlichen empirischen, also kontingenten Satz für die Theologie auf-
recht und verlangt, dass aus ihm nicht geschlossen werde. So versteht er ihn abstrakt. Wir un-
terstellen einen strukturell (for­­­mal) für kontingent gehaltenen Satz, folgern aber aus ihm nicht,
was der Auslegung seiner termini entspräche (Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 460 lin. 25 – p. 461 lin. 8):
„frequenter propter so­lam variationem termino­rum potest una propositio es­se no­ta et alia ig-
nota, quantumcumque termini pro eisdem simpliciter supponant, et per consequens significa­
tum unius ter­mini non plus cognosceretur quam significatum al­­terius. Et ita in proposito, quod
divina es­sen­tia et eti­am divi­na per­so­na cognoscitur a philosophis /§ secundum tales conceptus
qui conveni­unt essentiae et perso­nae, §/ quam­­vis om­nem propositionem ignoraverint in qua
prae­di­catur aliquid de hoc termi­no ‘persona di­vi­na’.“ Da­zu die Ab­gren­zung zur consequentia
formalis ib. lin. 18f. Da die distinctio realis zwischen pater und filius an­­ge­­nom­men wird, kann
keine distinctio formalis zwischen den Termini folgerbar sein und auf dem Wi­der­­spruchs­­prin­
zip beruhen oder aus ihm folgen. Für pater und filius wird die distinctio formalis auf der ab­
strak­­ten Stu­fe hin­­wiede­rum angenommen (ib. lin. 13–15): „quamvis Pater et Filius distinguan-
tur realiter, ta­men una res sim­pli­­cissima est Pater et Filius, scilicet divina essentia.“) Es darf
nichts angenommen werden, was einer ana­ly­ti­­schen Definiti­on oder Folger­bar­keit der Termini
im (kontingenten) Satz entspräche. Es gibt keine Folger­bar­­keit aus termini. Ei­ne Fol­ge­rung aus
ei­nem ab­strakt ge­nom­menen kontingenten Satz eben würde die signi­fi­­ca­­tio enthalten oder
bedeu­ten. Der em­pi­ri­­­sche ‘kontingente Satz’ repräsentiert das Denken, den actus apprehensi­
vus schlechthin, aber eben da­mit wie­de­rum nicht die Genesis der Begriffe ex natura. Cf. Ord.
d. 2 q. 7 OT II p. 261 lin. 13–20 „di­co quod natura occulte ope­­ra­tur in uni­ver­­­sali­bus, non quia
producat ipsa universalitas extra ani­mam tamquam alia re­a­lia, sed quia pro­du­­cen­do cog­ni­ti­o­­
nem suam in anima, quasi occulte saltem immediate vel me­di­a­te produ­cit il­lo modo quo nata
sunt pro­du­ci. Et id­eo omnis communitas isto modo est naturalis, et a singu­la­­ritate pro­cedit nec
oportet illud quod isto modo fit a na­tura isto esse extra animam: sed potest esse in anima.“ Wir
müs­sen also kei­ne Verallgemeine­rung der Be­grif­fe akzeptieren, die ihrer determinatio unter
Hinzufügung von Inhalt entsprä­che und zwar auf der ab­strakten Ebe­ne; denn dass der pater
Einleitung 13

passio (oder dem accidens) nicht möglich ist, nämlich ein Aus­druck (der Notwen-
digkeit) ihres Verhältnisses mit einem realen Anspruch in der Rea­li­­tät extra animam
wie/oder in der Verstandeswirklichkeit, wird in die Argumentation Ockhams umge-
setzt und darin gleichsam kompensiert: als Negation der Verbindung qua Im­pli­ka­tion
aus­gedrückt als Nicht-Folgerbarkeit. Dafür kann indessen induktiv argumentiert wer­
den. Die Beweise Ockhams enthalten und statuieren dies als Tatsachenfeststellung
und Tat­­bestand im Sinne von Ma­ximen, die Negationen oder reduzierte (begrenzte)
Verallgemei­ne­run­gen ent­hal­ten: ‘Nicht im­mer…’, ‘Nicht alle…’ etc. Die Implikation
besagt so negativ die Verbindung zwi­­schen s (= subiectum im Satz, aber auch realiter
unmittelbar für Objekte ge­braucht, womit das obiectum als substantia gemeint ist)
und P (= passio, praedicatum im Satz und accidens in der Deutung des Inhalts mit
Bezug auf die Erfahrung). Die Implikation wird da­­rin selbst nega­tiv, d.h. meint die sig­
nificatio als Zielmoment dieser Verbindung. Die signifi­ca­tio ist die res ex­­­tra animam
als die Bedeutung der Begriffe (s und P). Sie werden auch als sub­­stantia und qua­­litas
verstanden. Das accidens kann nie in das subiectum als dessen infor­ma­tio eingehen.
Das gilt für den Ele­men­­tarsatz, d. i. der kontingente Satz, der ein ebensolches Faktum
festhält. Es gilt für die Deu­­­­tung des Elementarsatzes, die Ockham mit der Bestim­
mung der s und P in ihrem (wie ge­sagt nur negativ auszusprechenden) Verhältnis

mit der generatio zu tun habe, kann ja aner­kannt wer­den. Wir kämen damit formell zur Em­pi­­
rie zurück, auf deren Stufe wir aber nicht mehr denken, wenn wir die die divi­na essentia den­
ken; frei­lich müs­sen wir dazu die kontingente Satzstruktur unbedingt an­er­ken­­nen. Doch wir
hät­ten keinen kon­tin­­gen­ten Satz, wenn wir aus dessen termini beliebig, im Sinne ihrer Ausle­
gung fol­gern könn­ten; wir hätten dann nur die Analo­gie oder Identität von Folgerung und
Inhaltlichkeit. Das lie­ße das Fol­­gern pa­ra­dox erscheinen. Es wäre nicht mehr absolut definiert.
Ockham umgeht Aporien durch die Aner­ken­nung des kon­tin­genten Satzes als Grund­struktur
des Denkens. Das ist etwas anderes als dass Ockham grund­sätz­lich nur Kon­tingenz in reali
an­er­­kannt habe. Es „‘folgt’“ vielmehr erst induktiv aus diesem. Da­mit er­läutert Ockham die
Grund­ei­gen­schaft al­ler Philosophie und ihren Fehler: die Gleichheit von Inhalt und Fol­­ge­rung.
Die Fol­­ge­rung ent­spricht dem Inhalt und erläutert und begründet ihn. So typisch im deutschen
Idea­lis­­mus und mit der Ne­ben­folge, dass Re­den über das Denken und in eins damit über die
Welt sogleich auch Re­den über Gott ist. Das gilt auch für alle Kritik am Idea­lis­mus und ebenso
seine Erklärung, wenn man dessen An­spruch oder ‘Ver­fah­­ren’ als ‘Dialektik’ betrachtet oder
„konsequenzenlogisch“ ersetzt oder ergänzt und Sach­lich­­keit und Begrün­dung aus den Ei­gen­
schaf­ten der Ver­mö­gen des Den­­kens sucht. Was uns die sacra scriptura und die sacra ecclesia
lehren, sind in dem Sinne keine Fak­ten, die ‘secun­dum sen­sum intrinsecum alicu­ius obiec­ti
ipsius’ zu denken wä­­ren. Eben das ist auch ausgeschlos­sen (Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 460 lin. 22f):
„nullo modo – et­iam a fideli – pot­est cognosci paternitas nisi cognos­catur eodem modo ge-
neratio acti­va…“ er­schei­nen etiam (om. W 1495) und die zusätzliche Heraushebung durch
Parenthese unbegründet. Was Ockham sagt, gilt für den fi­de­lis; doch un­ab­hän­­gig davon wird
die Erkenntnis qua Dignität der Satz­struk­tur erör­tert. Und zwar einzig. Das gilt auch, wenn die
Schrift und die Kirche für sakro­sankt wenigstens er­klärt und die sancti (beatus Augusti­nus)
her­an­ge­zogen werden, wie es ib. p. 461 lin. 22 – p. 462 lin. 9 geschieht. Wie Augustin als ‘Zeu­ge’
herange­zogen wird, wider­spricht er bei Ockham weder den Er­kennt­­nis­strukturen noch der
Erkennt­nis­psychologie.
14 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

vornimmt und zwar auch für die Satztypen, die darüber hinaus im Anschluss an die-
sen kontingenten Satz noch exponiert wer­den können. Dann gilt es schließlich für
jene Argumentationen Ockhams, bei denen zwar for­ma oder sub­­stantia und accidens
(oder wandelbarer empirischer In­halt, wechselnde und fort­schrei­ten­de Wahrneh-
mung) aufeinander bezogen werden können, aber kein Satzinhalt selbst mehr katego­
ri­­ell bestimmt werden muss, wie das für das Verhältnis von s und P (und unge­fähr,
aber nicht ganz und gar gleichwer­tig deren Akte = notitiae) ge­schieht. Gleichwohl wer­
den auch hier die Sach­verhalte, die zur Naturphilosophie gehören und mit Messung,
Dau­er, Zeit, Veränderung usw. zu tun haben, immer noch in Sätzen von dem grund­
legenden Ty­pus (dem kontingenten Satz) ausgesprochen wer­den. Aber das Verhält-
nis von Subjektinhalt (sub­stan­tia, forma) und accidens (wechselnde Wahr­­­nehmung)
wird jetzt, wenn die informatio des ac­ci­dens im subiectum verneint und be­strit­­ten
wird, über Widerle­gun­­­gen ausgelegt, die nicht mehr die Satznatur oder s und P als
kon­­stitutive oder konstruktive Tei­le des wesentlich kon­tin­­­genten Satzes betreffen. Das
acci­dens, das niemals und in keiner Wei­se im subiectum an­hän­gig sein kann, ist im-
mer negativ bestimmt in seinem Verhältnis zum subiectum; es kann niemals und in
nichts in sich als darin anhängig ausgedrückt werden. Zugleich aber ist das sub­­iectum
oder die substantia bzw. die for­­ma von sich aus gesehen in ih­rem Verhältnis zum ac-
cidens ‘negativ’ akzentuiert. Diese negative Akzentuierung bezeichnet aber die Nega-
tion der Implikation genau im Sinne einer Ne­­gation der Realität oder des Be­zugs der
Sätze und Begriffe auf die Realität. Es bezeichnet die Modalisierung der Sätze. Auch
der Elementarsatz ist natürlich als propositio contingens ein modaler Satz. Das aber
hat eine Kon­sequenz: die Be­­griffe (conceptus), die in diesen Sät­zen verwandt werden,
können mit ih­rem implizit ne­ga­ti­­ven Charakter (negativ nach der Be­stim­mung ih-
res Gehalts oder Inhalts, auch ihrer empi­ri­schen Wahrnehmbarkeit ex parte rei) als
bloße und wie leere Zeichen er­schei­­­­­­­nen: terminus. Sie müssen nach diesen beiden
in sich kompatiblen Auslegungen betrach­tet werden (können). Aber die Erklärung
des Erkennens über die Aktlehre (mit notitia intuiti­va und notitia abstrac­ti­va, der
diesen jeweils zukommen­den ratio) kann unter Einverwendung der theologischen,
na­turphilosophischen und psycholo­gi­­schen Erkenntnisse, Aussagen und der diese
betreffen­den Beweise nur mit dem conceptus zu tun haben: nur hier können Wider­le­­
gung und Indukti­on den ‘außerhalb’ Verlautbarungen in den Sätzen und ihren Begrif-
fen lie­gen­den Bezugsmo­men­te und ‘Sachverhalte’ betreffen. Das Beweisen Ockhams,
wo es in­hal­t­l­icher Natur ist, muss mit dem Begriff als conceptus zu tun haben, nicht
mit dem bloßem sig­num und ihm an­ge­­nähert terminus.18
In die von der Argumentation hergestellte und dann gewahrte und fortgesetzte
Abstraktion (via notitia intuitiva und notitia abstractiva) geht für Begriffe und Sätze
ein negatives Mo­ment ein. Es bestimmt die Inhaltlichkeit (Inhalt der Begriffe und
Sätze) und damit auch die men­­ta­lis­­tische oder intensionale (pragmatische, modale)

18. In der SL geht es protologisch um Zeichenordnungen (Ordnungen/Anordnungen von Zei-


chen). Die sup­po­­si­­ti­ons­logische deiktische Identität der Begriffe wird auch für den Satz gefor­
dert, wenn con­­ceptus terminus er­setzt.
Einleitung 15

Struktur der Beweise, Sätze (Aussa­gen) und Begriffe und eben auch der kategorial
verwandten ontologischen Begriffe wie for­ma, sub­stan­­­tia, essentia, natura, species,
quidditas, accidens und schließlich auch der Begriffs­ar­­tenbe­zeich­nungen wie quid-
ditativum für das subiectum und connotativum, denominativum, negati­vum etc. für
die passio. Dieses negative Moment widerstreitet menta­lis­tisch also der in der re­a­
listischen Ontologie noch des Duns Scotus angenommenen natura communis oder
spe­ci­­es als universale in re. Dass sie für Duns Scotus auch konzeptualistisch gedeutet
wurde, soll hier au­ßer Betracht bleiben. Ockham verwendet oder benötigt keine rea-
listische oder kon­zep­tu­ali­s­­ti­sche Deutung der universalia. Für ihn sind universalia die
Begriffe. Damit steht er aber au­­ßerhalb der logischen Begründung oder Verteidigung
der universalia oder Begriffe, au­­­ßer­halb der inhaltlichen Definition der Begriffsge-
halte und deren logischer Verwendung in einem De­duktionsprozess, die indes auch
nicht möglich (definit) ist. In Ockhams Konzept können für dieses selbst genuin lo­gi­
sche Kon­­se­­quenzen nicht gezogen werden können; sie ent­fal­len konstitutiv. Sie kön­
nen auch für in den Sätzen gemeinte Sachverhalte nicht gezogen werden. Es zeigt sich,
dass die Satze falsch werden bzw. unangängig sich ausnehmen, wenn sie im Sin­­ne der
Aus­le­gung des in Sät­zen und Begriffen Gemeinten in der Realität verwendet wer­den
sol­len, so dass was in ihnen gesagt oder niedergelegt ist, in der Realität, i.e. im Sinne
ei­ner fak­ti­schen In­ter­pre­ta­ti­­on, mit einer strukturalen Entsprechung wiedergefunden
werden sol­l. Hier sehe man insbe­son­­de­re theologische Aussagen, wenn es z. B. um
Gott als den Schö­pfer oder die di­vi­na es­sen­­tia im Verhältnis zu den Relationen (Per-
sonen) gehen soll.19
Mit Ockham bietet sich das Mittelalter exemplarisch in einer Form dar, die von
der Seite des mo­dernen oder neuzeitlichen Denkens her verdunkelt wird. Überall sind
es die Par­ti­kel, die an das thematische Subjekt und dann auch an den Satz ange­fügt
werden müs­sen, die den Aus­griff auf die Realität extra animam in keinem irgendwie
selbst relevanten und wieder be­stimm­­­baren und dann auch bestimmenden Sinn noch
erlauben werden. In der Dar­legung die­­­ses in sich negativen Zusammenhangs besteht
und repetiert sich Ockhams Philosophie. Sie bie­­tet förm­liche transzen­den­tale Kompo-
nenten, die trans­zen­­den­­ter Dignität entbeh­ren. Der par­­­­tikelgemäße Ausdruck erlaubt
die Trans­zen­denz in reali und realibus nicht. Es gibt keine trans­zen­dente Geltung in
rebus. Das be­­sagt nicht schon, dass die Existenz der res ausgeschlos­sen sei. Ockham

19. Die regelrechte inhaltliche Betrachtung theologischer Aussagen oder aber die in­haltliche
Be­trachtung dogma­ti­­scher Fragen ist bei Ockham ausgeschlossen; bezüglich der Erkenntnis­
ver­mögen und ihres Verhältnisses zum Glau­­­­ben als einem hypothetischen (Erkenntnis­-)Ver­
mö­gen unter ihnen (nicht eigentlich logisch) von ihm an­ge­­gan­­gen, bleibt eine Glaubensaus­sa­ge
kompatibel, solange sie nicht zu einem Widerspruch führt, der ihren Sinn löscht. Das ist nicht
mehr des Duns Scotus Denkweise, der Glaubensaussagen für gültig er­­klärt, weil sie noch nie
zu einem Widerspruch geführt hätten. Da steht für Ockham der Be­­­­­weis aus. Für Ockham geht
es da­­­rum, die Va­li­dität des sprachlichen Ausdrucks zu beurteilen. Er nimmt nicht Ge­gen­stand
und Begriff als vor­ab zu­sam­­­men gültig und allgemeingültig an, sondern untersucht den Aus-
druck auf potentielle ‘Erfüllung’ hin.
16 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

kann auch nicht trans­zen­dentalphiloso­phisch in Zweifel gezogen oder vor die Schran­
ken gefordert werden.20 Zu den Parti­keln zählen schon Satzprädikat (passio), Impli­ka­­
ti­on, accidens, jede Referenz. So schließt die Differenz dieses mittelalterlichen Gegen­
stands (Ock­hams Philosophie) zu unseren kommunen Vorstellungen aus, dass wir
ihn je kennten, so­lange wir ihn nach diesen Vorstellungen korrigieren, gleichsam ‘be-
lehren’ wollen.21 Logi­sche Elemente, die genuin Logik zu be­sagen oder auszudrücken
hätten, werden in Bezug auf eine projektive oder projektierte Ge­gen­ständlichkeit un-
ter einem Vorbehalt stehen, bzw. gar einem Gesetz zu weichen haben: The­­­­matisierende
Ausdrücke können nie zu referentiel­len22 wer­den.23 Erkenntnisverlan­gen, das sich da

20. Cf. D. Perler, Ockhams Transformation der Transzen­den­talien, in: Miscellanea Mediae­va­lia
Bd. 30: Die Lo­gik des Transzendentalen, 2003 pp. 304–319, id. Direkte und indirekte Bezeich-
nung: Die metaphy­si­schen Hinter­grün­­­de einer semantischen Debatte im Spätmittelalter, Bochu-
mer Jahrb. f. Antike und Mit­telalter. 1999 (4) pp. 125–152. Das klingt vorkantisch, wobei es auch
darum gehen könnte mit den Transzendentalien auf der Grenze von Subjekt und Objekt eine
vermeintliche Realitätserkenntnis zu sichern, also ein A priori zu instal­lie­ren. Ock­ham ist we­
der Kantianer noch Vorkantianer (wie G. Martin, Wilhelm von Ockham, 1949 meint) oder Anti­
kan­ti­aner. We­­der Metaphysiker noch Rationa­list. Er ist em­piri­s­ti­­scher Agnostizist und men­ta­
listischer Kon­struk­­ti­vist. Der Vergleich mit Kant ist schwierig, weil Ockham über Akte nicht
über Vermögen operiert. Kants Fixierung auf Vermögen ist nach F. Nietz­­sche, Jen­seits von Gut
und Böse, 1886 § 11 obsessiv. Kant definiert sogar Ver­mö­­­­gen, die er nie wieder benötigt noch
er­wähnt, s. W. Bartu­schat, Zum systematischen Ort von Kants Kritik der Ur­teils­kraft, 1972. Ein
Ver­gleich Ockhams mit Maimon liegt näher, weil beide vom (Ele­men­­tar)Satz ausge­hen. Die
Sup­­positi­ons­logik ist dabei Leh­re von der suppositi­ons­logischen Identität, die Perler un­wichtig
ist. Cf. Kap. 2: Supposi­ti­ons­­logi­sche Iden­ti­tät und Kontingenz.
21. Die thematischen (inhaltlichen) Momente (opiniones, solutiones) dependieren bei
Ockham aus struk­tu­ralen, welche die eine Argumentation methodisch (= reprobationsresi-
stent, erfüllungsaffin) aufspannen muss.
22. Hier haben die connotativa die Interpreten angezogen. Cf. A. Goddù, Connotative Con-
cepts and Mathematics in Ockham’s Natural Philosophy, Vivarium XXXI, 1 1993 und Y. Zheng,
Ockham’s Connotation The­o­ry and On­­to­logical Elimination, Journal of Philosophical Research
26, 2001. Connotativa sind Prä­di­kat­ter­me (gram­ma­ti­ka­lisch bei Ockham praedicatum oder
passio genannt), die für das Satzsubjekt (sub­iec­tum) ei­­­ne Beziehung ange­ben, die auf ein sup-
positum verweist, das nicht mit dem im subiectum genannten iden­tisch ist, aber nur für das­
sel­be obiectum supponieren kann wie das subiectum: creator meint die creatura mit, gilt aber
nur von Gott. Nicht von der creatura, die denn auch nicht schafft. Das ist Gott vorbehalten,
wie in der christli­chen Leh­re geläu­fig und bereits sprachlich im Hebräischen vorbereitet. In
Ockhams Naturphilosophie (Phy­sik) wird nun die Rela­ti­on, wie sie für viele Phänomene an-
fällt, beim Licht, bei der magnetischen Anzie­hung, der Gra­vitation usw. aus­drück­lich nicht als
materielle Verbindung zwischen zwei res gedeutet. Damit gleicht sich die Natur­phi­lo­sophie der
The­­ologie, der Demonstrationslehre usw. an.
23. Ob die Sprache so verfasst sein kann, dass sie solche Operationen oder Ausdeutungen nicht
zulasse oder/und nicht erfordere, wissen wir nicht. Wir können es den berühmten Arbeiten
zum menschlichen Sprachbau und sprach­­­l­ich geprägtem Denken nicht entnehmen, wie etwa
Einleitung 17

auf fest gegebene Erkenntnismittel bezöge, wäre stets verfehlt. Wir hätten ge­wisse phi­
losophische Erkenntnis weder in actu noch reflexiv hi­s­to­risch gedacht in poten­tia.24
Ockham stiftet auch einmal die Vernunft: wie von einem archaischen Deside-
rat her defi­niert er sie, so dass damit auch sie für die Scholastik zuständig in einem
Umfang sich findet, der nicht einzig ei­nem engeren scholastischen Vorsatz, laut mit-
telalterlichem Bedürfnis, bei dem Religion (Cre­do) und Vernunft, Christentum und
Wissenschaft sich zu decken hätten, mehr dient, während es intentionell, gemäß dem
mittelalterlichen Interesse, bloß hätte überfasst wer­den können. Er definiert eine Ver-
nunft, die den Menschen appelliert, aber er tut es mit den Mitteln, die er gestaltend
einsetzt: im mentalistischen Konzeptrahmen konstruktiv wir­ken­­­­­­de De­finitionen.25
Die Schrumpfung des Gehalts auf den Begriff, der selbst keinen trägt, be­deu­tet, dass
der Be­griff als Akt mit seinen Verflechtungen zusammen keinen (weiter­ge­hen­den)
Sinn haben kann. Das schlägt zur Reduktion der consequentiae und Ablehnungen
der in fal­schen und re­pro­­bierten consequentiae vorliegenden Sätze aus.26 Da in den

W. v. Humboldt, Über die Verschiedenheit des mensch­­­­lichen Sprachbaus und ihren Einfluss auf die
geistige Entwicklung des Menschengeschlechts, posth. 1836, E. Sapir, Language, 1922 B. L. Whorf,
Sprache, Denken, Wirklichkeit, dt. 1963, H. G. Gadamer, Wahrheit und Metho­de, 1960, auch
nicht W. O. V. Quine, From a Logical Point of View, 1961 bzw. schon Logic and the Re­­ification of
Universalia, 1953 oder den the­oretisch-philosophischen Entwürfen von L. Witt­genstein, Tracta-
tus lo­­g­i­co-philoso­phi­cus, 1921 und R. Carnap, Einführung in die symbo­li­­sche Logik, 1954 u. 1960.
24. Der hiermit ausgesprochene Agnostizismus bedeutet gerade, dass Satz und Argument eine
(Art) Vermittlung des Satzsubjekts in das Satzprädikat nicht erlauben. Das hatte Ockham so
zum Prinzip gemacht, für den kon­tin­genten Satz bewiesen und in der Form seiner Argu­men­
tatio­nen beweisend sei es ermittelt sei es durch Gegen­bei­spiele, also casus, die instantiae bilden
sollen, widerlegt. S. zunächst Kap. 1: Das Verhältnis der Begriffe.
25. Da der Bogen des Beweisens (nur) bis zur Sprachform gespannt wird und in ihr aufhört,
an­de­­rer­seits die Spra­che mit der Formung (Abstraktion) des Begriffs als abstractum, als univer­
sa­­le, das bloß Begriff (ein mentaler Akt) ist, eine Reduktion der Erkenntnis be­deu­­tet und diese
Erkenntnis auch veranlasst, aber in den rebus extra men­tem nur ei­ne Bedingung hat, die die Be­
din­gung des Erkennens in einem un­be­grenzten Begriff der Realität aufhebt und ab­weist, muss
das Erkennen dort aufhören, wo der Be­griff oder ein mit ihm verbundener Inhalt (Satz) an eine
denk­bare Implikation (conse­quen­­­tia) stößt, so dass eben diese implizit ersetzt wird. Wir zeigen,
dass sie immer (je nach ver­­schiede­nen Fällen) aufge­ho­­ben, negiert, relegiert, umgekehrt oder
reduziert wird.
26. Die Genesis der Begriffe, die im Mittelalter von der Logik verlangt werden musste, kann
schließ­lich im Sin­n der Logik nicht mehr verteidigt werden. Das zeigt Ockham, indem er die
Logik abspaltet und nicht mehr ver­wen­­­­det. Dazu tritt der Begriff als ab­­stractum mentale und
ist darin als universale dreimal zu ne­gieren: es gibt kei­­nen pro­­jektiven realen Gehaltes in der
res extra mentem, keine im Geist abstrakt verfügbare (wieder findbare) = operativ intelligible
Uni­ver­salität des einen eigenen festen Inhalts, als Ent­haltensein anderer Inhalte (Be­grif­­fe) und
dann ei­nes Ge­­flechts, womit wir zur erkennt­nis­ar­ti­gen Bestimmung der Auffas­sung des Satzes
kom­men könn­ten. Wir haben derart die Sätze nicht. Kein funktioneller Satztypus (etwa das
18 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Sätzen ‘Sach­ver­halte’ genannt wer­den, werden diese negiert und die Intention auf
diese bestritten, i.e. aus der Erkenntnis ge­strichen. So wird der (kontingente) Satz
im Zusammenhang und Zu­sam­men­klang mit seinen Weiterungen und Folgerungen
gewissermaßen reduziert, bestritten, negiert und darin quasi um­gekehrt. Wir wissen
weniger und nicht mehr als in einem kontin­gen­ten Satz enthalten, bzw. intendiert ist,
gemeint sein kann. Es gibt konstitutionell so etwas wie den ge­gen-analy­ti­schen Satz
im Sinne des kontingenten. Es gibt darin eine Reduktion des Sprach­­mus­ters (aller
Sprachen), da ja die konstitutionelle Begrenzung, die hier für die Spra­che vor­liegt,
von keiner einzelnen anderen überwunden werden könnte. Die Sprachen sind so
mehr als alle Logik. Die Ockhams reduziert den Bedingungscharakter, der zu einer
ande­ren und hö­heren Abstrakti­on führen könnte, in der das Analytische oder eine
sonstige Allge­meinheit oder Apriorität statt­finden könnte. An die Stelle des ontolo-
gischen Prinzips oder ei­ner er­kennt­­nis­theoretischen Maxime,27 die ei­nen beweislo-
gischen Gedankengang enthalten (kön­nen) soll, aber den Beweis als solchen als Prä-
misse auch immer gleichsam vor­weg­nimmt, i.e. nicht zur Ausführung kommen lässt,
tritt bei Ockham der Block der je glei­chen Argu­men­te, die ein corpus bil­den.28 Diese
je gleichen Elemente, deren Kon­ti­nu­ität selbst nicht be­wiesen werden kann, ver­­weist
auf die In­duktion und kommt ihr gleich: die Elemente müssen dann je­weils induktiv
bewiesen wer­den zumal wenn sie intensionalen Wert ha­ben sollen.29

principium im Syllo­gis­mus) kann ver­stan­den werden, wie wenn die Begriffsarten im Verhältnis
einer Inklusion stünden und auf dieser beruhten.
27. Beides findet sich bei Duns Scotus. Das erkenntnistheoretische Prinzip muss damit inner-
halb der Scotischen Deduktion aber lo­gisch ein ontolo­gi­sches werden. Das erkenntnistheoreti-
sche Prinzip kann logisch gesehen nur in einer ontologischen Maxime grün­den, i.e. muss von
einer solchen abhängen, wenn und weil das ontologische Prinzip ja sonst ohne Implikation
(Fol­ge) wäre und nicht bestehen könn­te. Also muss es im erkenntnistheoreti­schen Prinzip seine
Konsistenz fin­den oder seinen Konsistenzausdruck haben, bzw. sein Konsistenzprinzip. Duns
Scotus könnte ohne die Einheit insgesamt nicht bewiesen haben. Im Gegensatz zu dieser Kon-
sistenz und der Einheitlichkeit ist Duns Scotus da­mit schon auf eine Diskontinuität hin verwie-
sen, hat eine innere laten­te Ten­denz zu dieser, die Ockham de facto realisiert und implizit mit
dem Gegenkonzept aus­drückt und saniert.
28. Die Antizipation des Beweisens, des Beweises, der nicht ausgeführt wird, stellt aber lo-
gisch-inhaltlich eine fal­la­cia dar, die Ockham im Prinzip durch seine Modalisierungen auflöst
und aufhebt, die die Definitheit appro­xi­mie­ren, also auf sie abzielen, einholen, einstellen, er­
rei­chen können sie sie nicht. Die Modalisierung aber muss immer der Fragmentierung kor­res­
pon­dieren: die Elemente eines Beweisganges insgesamt oder einer fortge­setz­ten Überlegung
werden damit je zerspalten, nicht in irgendeinem Sinne vereinheitlicht. Die Definitheit kann
nicht durch irgendeine für kontinuierlich gehaltene Operation (Operationenfolge) ersetzt, er­
langt werden. Wir müss­­­ten sie für sie immer ja voraussetzen.
29. Das Zirkulieren in dem corpus, in welchem die Gedankengänge Ockhams sich organisie­ren,
schließt aus, dass Realität (als Realität) in se gemeint werden könne. Es schließt also nicht nur
den Rückgriff auf das ontolo­gi­sche Prinzip aus oder den erkenntnisthe­o­re­ti­schen Grundsatz
Einleitung 19

Die Nähe der Genesis zum Akt ist derartig und bleibt darin vorderhand proble-
matisch, dass der Akt der De­finition nach und entspre­chend vollkommen darin ein-
geschlossen mit dem Ge­halt (= ratio) per argumentationem d. h. rational oder per
Beweis: persuasio, Induktion begrün­det werden muss, auch dass seine Anschlüsse
und genetisch nicht unerlässlichen Bedingungen (Um­­stän­­de, causae) per instan­tiae
und per reprobationem ausgeschlossen, i.e. in Frage ge­stellt werden kön­nen. Es wer-
den dann referentiae, i.e. passiones als nicht notwendig zugehö­rig relegiert, d. h. als
akzi­den­­tell erklärt, so dass sie nicht ohne Täuschung (fallacia) dem sub­iec­tum nach
des­sen es­sen­tia zuge­rechnet werden können.30 Mit Ockhams Philosophie fin­det auch
eine Be­gradigung statt: di­ver­se strukturale und u. a. ontologische Momente oder Fra­
gen werden auf einen Kern zurückgeführt. Was in der Scholastik von An­fang an und
z. T. tas­tend und ungeschickt erst erörtert werden musste und un­­durchdacht wirken
konnte, wird nun in­ein­an­­dergedrängt und mit einem Schlag beantwor­tet oder ausge­
schie­den und redu­ziert.
Wenn wir nun Ockhams Philosophie betrachten, haben wir einmal ein Bild, bei
wel­chem die Struktur des Konzepts, nämlich das universale als Begriff (und sonst
nichts), der Be­griff als ab­stractum in mente, aus oder gemäß der Realität extra ani-
mam im Sinne (wenig­stens un­ter dem Titel) der ‘Erfahrung’, repräsentiert durch die
notitia intuitiva, gewonnen, dann mit an­­­­­deren Begriffen im Sinne solcher Satzstruk-
turen ‘einher-’ oder zusammengeht, dass dieser Zusammenhang nicht unbegründ-
bare Erkenntnisbedeutungen im Satz meinen darf, oder gar als fallacia indizierbare.
Zum anderen aber geht es um argumentative Zusammenhän­ge und Be­­dingungen,
welche dieselbe ‘Lehre’ „noch einmal“, i.e. ein zweites Mal besagen, in­dem auch durch
die Struktur der Maximen und die Argumentationen, die sie begründen, kei­ne Ge­
genstruktur ge­gen diese Lehre entfaltet wird, d. h. deren Definitheit nicht zweifel-
haft wird. Es ist die Definitheit der Strukturen oder Lösungen, Meinungen, ihrer Be-
standteile und deren Cha­­­rakte­ris­tika, den Begriffsarten, den Satzformen, die bestehen

im Sinne einer Beweisersetzung der­art, dass dieser nicht selbst aliquo­mo­­do bewiesen werden
müsse. Auch die Realität in se direkt oder per Pro­kla­mation wird nicht ge­meint sein können.
Das aber bedeutet die Modalisierung, die bei Ockham stattfin­det. Sie aber kann sich nur auf
Frag­mente beziehen, die, soweit die Argumentation (der Be­weis­gang) für Ockham sich nicht
vereinheitli­chen lässt, damit immer selbst begründbar sein müssen: unter Kappung und Aus-
schließung der Implikation als Be­­­grün­dungs- und Ver­bindungsmodus. Aus der Implikation
wird per Aufhebung (Satz-)Mo­da­lität.
30. Eine christliche Theologie, die bloß auf Sein zielte, aber nicht mit den Ak­­ten grundlegend
beginnen oder rech­nen wollte, wäre lo­­gisch in Bezug auf das menschliche In­stru­mentarium
immer verfehlt. Das Mittelalter hat dies natürlicherweise berücksichtigt, i.e. fühlte sich hier
ursprünglich im Dilemma und hat die Transformation, die bei einer scheinbar souveränen
Begrifflichkeit endete, in Wahrheit nicht störungsfrei und niemals in der Freiheit von allen
Zweifeln er­reichen können. Cf. auch Kap. 6 Anm. 56.
20 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

(bleiben) muss, wenn Ock­hams Ide­en über­haupt signifikant erscheinen sollen;31 die
Konsistenz ist weniger er­klär­­bar. Sie kann so wenig de­­monstriert werden wie das
Konsistenzprinzip in den Beweisen ei­ne funk­ti­onale Be­deutung ha­ben kann. Konsi-
stenz und Wahrheit hören auf Richtgrößen zu sein.32
Ein Letztes ist, dass die Implikation die significatio wiedergibt, ihr entspricht und
nur sie mei­nen kann. Das bedeutet auch, dass sie keine Funktion zwischen subiec­
tum und pas­sio (oder Sät­zen) im gleichen Sinn ausdrücke und meine. Damit wird die
Einheit der Implika­ti­­on,33 die Einhelligkeit der Implikation in allen Verwendungen
ausgesprochen ebenso wie des Kon­sis­tenz­begriffs.34 Wir können danach immer Be-
griffe so kombinieren, dass ihre Ver­wen­dung als Träger (denkbarer) sinnlicher Da-
ten, also als durch die Erfahrung (notitia intuiti­va) er­langt, auch über ihre Verwen-
dung entscheidet, also auch diese einschließt.35 Der Be­griff als Zeichen (gedacht) ist

31. Die beiden Erscheinungsbilder der Ockhamschen Erörterungen, die genannt worden sind,
müssen einan­der decken; sie müssen zusammengeführt werden können. Besser: sie müs­sen
voneinander Licht erhalten. Es kann nur eine Begründung des einen aus dem anderen ge­ben,
bei welchem dieses die Signifikanz von jenem an­ge­ben könne. Das bedeutet dann, dass sie
keine analytische Form haben könne bzw. von einer Formation über­fasst werden könne, wel­­
che sie als analytische meinen könnte, das heißt: eine analytische immerhin noch zulie­ße. Sie
wird ausgeschlossen. Die Beweisform muss also die analytische negativ meinen können, i.e. die
analy­ti­sche Be­weis­form oder Definition der Wahrheit bzw. Geltung im Sinne der Signi­fi­kanz
negieren oder leugnen, dass Sig­ni­fikanz und Analytizität defi­nit zusammenfielen.
32. Da es keine analytische (und) semantische Wahrheit für Sätze und Folgerungen (geben
kann), kann auch das ‘andere’ Bild von den universalia nicht (logisch) begründet werden. Die
Ge­stalt der Argumentation ist derart, dass die analytisch-semantische Begründung nicht be­
grün­­­­det werden könne und nicht begründend sei. Es darf kei­­ne Argumentation geben, bei wel­
cher gleichsam ex negativo nur der Wert analytischer Operationen, deren Vor­aussetzungslo­sig­­­
keit oder scheinbare Unentbehrlichkeit in Rede stünde. Und dies vielleicht sogar nur impli­zit
und verborgen, indem eben Theorien, Konzepte wie die ontologisch-realistischen, wenn auch
nur vielleicht dem Schein nach, analytisch auslegbar wären. Duns Scotus hat diese so in die De­
duk­tion eingeführt.
33. Sie wird als Reflex auf die significatio diese so meinen als sei die significatio ein Umge­kehr­­
tes und die Im­pli­ka­­tion wieder das Umgekehrte davon. Also das Inverse eines Inversen. Die
Implikation meint so aber die signi­fi­ca­tio.
34. Dieser widerstreitet also in Sonderheit nicht (dem Begriff) der Definitheit. Das legiti­miert
auch die conse­quen­tia naturalis.
35. Es ist so erkennbar, dass der Empirismus John Lockes in der Ferne oder Nähe durch
Ockham mitgegeben, durch ihn inauguriert gedacht werden kann. Doch setzt es voraus, dass
man den Folgerungsbegriff selbst tilgt, wie das ja denn auch bei Hume weitgehend gesche­hen
ist und im Mittelalter durch Nikolaus von Autrecourt ge­schieht. Die Implikation, die de­fi­nit
über den naturalen Grund und darin sogar extramental, das heißt: jenseits der Differenz von
Subjekt und Objekt, begründet werden kann, kann nicht sogleich wieder „für“ ein solches Ver­
hält­nis eingeführt und auch gewissermaßen dagegen in Anschlag gebracht werden, so dass
Einleitung 21

demnach leer, so dass er gegenüber der res extra animam auch in keiner Form von ei­
genen sinnlichen Daten in Betracht komme und gedacht werden müsse. Das Zei­chen
(der Be­griff als terminus) und der conceptus als universale solum in mente haben dies
ge­mein­­­­­­sam, dass sie keine sinnlichen Daten als aus der res übertragene und keine
eigenen qua­­si in der Ent­spre­chung zur res eigens aufbauen, wenn dies denn unter-
schieden werden kann. Die Nä­he des Begriffs oder actus zur Naturalität des Men-
schen denkt Ockham frei­lich;36 er nimmt sie nur nicht als Eigenschaft des conceptus
usw. an und sucht eine Eigen­schaft nicht in Bezug des con­ceptus auf die Naturalität.
Die Implikation aber kann, wenn sie begründet sein soll und zu­gleich Inbegriff der
Konsistenz nie den Ausdruck der Folge­mä­ßig­keit in irgendei­nem be­grün­­­­­de­ten Sinn
abgeben, eben auch nicht in dem der Begriffe und der aus ihnen gebil­de­ten Sät­­­ze. Das
führt bei Ockham dazu, dass sein Denkkonzept oder sei­­ne di­­versen parti­el­len Kon­
zep­te von Relationen oder Aussagenverhältnissen auf der Ver­mei­dung (gar Aus­schlie­­
ßung) der Implikation als integralem Moment dieser Relationen und Aussagenverhält­
nis­­se beruhen müs­sen.37

wir, wie Autrecourt es will, einmal kriteriologisch von ihr Gebrauch machen könnten und
so­dann kritisch feststellen, dass sie nicht sein kön­ne, dass es mithin diese Relationen, die sie
lo­gisch ausdrücken soll, gar nicht (i.e. definit) geben kön­ne. Die Re­lation hätte sich da­bei als
ein Momentum zu umfassen, in welchem sie noch nicht Relation gewesen wä­re. Nach Au-
trecourt soll so die Differenz von intellectus und res extra animam intellektiv im Sin­ne der
Impli­ka­tion nie überbrückt werden können. Das ist seine Kritik. Ockham hat in einem Wi­der­
legungsbeweis einen sol­chen ge­ne­rativen Rückgriff einer Größe auf sich selbst abgelehnt. Dabei
wird der Beweismodus selbst als je­der Art von Größen (individua, universalia, Klassen, species,
genus usw.) gegenüber indifferent erscheinen und al­so ih­nen übergeordnet. Ockham sagt nicht,
dass die Implika­ti­­on nicht bestehe, nicht begründet sei oder nicht gelte. Doch er begründet
sie weder als Re­gu­­­la­tiv noch ge­braucht er sie als solches Re­gula­tiv, als welches Autrecourt sie
vor­aus­setzt. Das Atom, das bei Autrecourt wandelbar die Welt trägt, aber nicht bis in unsere
mentale cogni­tio ge­langt, ist in­di­viduum und species. Seinetwegen gibt es nach Autrecourt die
autonome Folgerung nach ab­strakten Begriffen und für ontologische Ausdrücke nicht. Das in-
dividuum als res liegt nur für Ockham unter­halb der Ab­straktion und der Ar­gu­mentation, die
an sie an­knüpft. Das Allgemeine, ge­nus und species, substantia usw. sind so als bloße Begriffe
gesichert. Ein Verdikt ge­gen die ontolo­gi­schen Be­griffe ist un­be­gründet oder sinn­­los. Die Wi­
der­le­gung (reprobatio) ist als Mög­lich­keit dadurch definiert und be­­grün­det, dass spe­cies und
ge­nus gegenüber der Im­plikation als dem Identifikat der significatio (und ihrer Tei­le) an­ge­setzt
wer­den können. Die scholasti­schen Be­­­griffe sind so noch in der Re­a­li­tät gegründet und mit der
Ab­­straktion zu­läs­sig. Die Suppo­si­­ti­onsarten der Suppo­si­tionslogik treten dann nur an die Stel­le
von Be­griffen wie genus, speci­es usw. Bei ihnen wird uniso­no die Impli­ka­­tion an sich ne­giert
(und be­strit­ten); sie werden rein in reprobationes gebraucht.
36. Cf. dazu Kap. 10 Abstraktion und scholastischer Beweiszweck und Kap. 12 dort bes. auch
Anm. 85.
37. Damit hebt er sich von Duns Scotus und Nikolaus von Autrecourt ab. Dessen The­­sen wer-
den am Kon­zept Ock­hams falsifiziert werden können.
22 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Wenn die Ockhamschen Beweisarten in ihrer Wirkung in verschiedenen


Themenbe­rei­chen de­monstriert werden sollen, wird es zuerst darum gehen, mit ihrer
Hilfe die Er­stellung der Satz­gebilde zu beschreiben, die die Erkenntnis, sei es die scho-
lastische, sei es Erkenntnis in genere tragen können, und dabei muss es zuerst um den
ele­men­­ta­ren Satz ge­­hen, der ledig­lich aus einem Subjekt und Prädikat besteht; denn
an ihm muss er­war­tungsgemäß Erkenntnis über­­haupt sich begründen lassen. Eine
nichtsprachliche cognitio rückt zu­nächst nicht in den Blick. Auch nicht eine cognitio,
die aliquomodo defi­niert, auf Sätze (Satzgebilde und dann even­tuell noch Satzarten)
bloß übertragen würde, so dass die Erkennt­nis (auch) außer­sprach­lich definiert sein
könnte. Anstatt der ontologischen Konzepte müssen für Ockham die Be­griffs­arten
gewonnen und distinktiv definiert wer­den. Das geschieht mittels der Induktion, nach­
dem zuvor die Zwansgläufigkeit des Enthalten­seins eines Begriffs in einem anderen
re­pro­­biert (widerlegt) wurde;38 dann muss mit Hilfe von instantiae (Gegenbeispielen)
gezeigt werden, dass nicht alle Sätze gleich sind oder sein kön­­nen; so dass auch nicht
alle intensionale Annahmen ausnahmslos für sie alle gelten kön­nen.39
Dann wird es da­rum gehen, dass die Differenzierung der Satzarten, die so entste-
hen, eine Dif­ferenz hinsichtlich ihrer Beweisfunktion im Syllogismus mit sich bringt.
Über dessen wissen­schaft­liche Bewertung soll hier nicht vorderhand eine Diskussion
geführt werden, sondern nur eine implizite, nämlich angesichts der Unterscheidun-
gen, die Ockham bei seinen Präparati­o­nen selbst vornimmt.40 Da aber der elementare

38. Ockham hat zu Duns Scotus gefragt, wie die notitia unius conceptus als solche die notitia
alterius con­cep­tus enthalten könne, so dass die eine notitia die des/eines anderen sei, d. h. die
Er­kennt­­nis des einen Begriffs auch die mit dem anderen ‘gegebne’ sei es logisch, sei es prak-
tisch (tatsäch­lich) ent­halte, so dass Enthaltensein auch faktische Gleichheit, Identität, Gleich-
zeitigkeit, Koinzidenz bedeuten kön­ne. Das schließt eine Frage nach der De­finitheit bereits ein.
Die Ant­­wort enthält die Ne­ga­ti­on oder Ausschei­dung der Implikation. In der Frage­stel­­­lung
sind weitere nach den klassischen uni­versa­lien­the­o­reti­schen Begriffs­auffas­sun­gen und ihren
Differen­zen, sc. ontologischer Realismus, erkenntnispsychologi­scher Konzeptualismus und ter­
mi­­nis­tischer Nominalis­mus, be­reits eingeschlossen oder neutralisiert. Cf. Kap. 1: Das Verhält­
nis der Begriffe bei Ockham.
39. Ockhams Kritiker W. Chatton schlägt solche Differenzierung aus oder kennt sie nicht. Das
ist, wo alles auf (die) Argumentation sich gründet, dasselbe. Chatton als Opponent Ockhams
wird von Adam Wodham als wort­­reich unkonzis bezeichnet: K. H. Tachau, Vi­si­on and Cer­t­i­tu­
de in the Age of Ockham, 1988 p. 184 Anm. 14.
40. Der Syllogismus ist eine allgemeine leistungsfähige mathematische Darstellungsform nach
H. Wang, A Sur­vey of Ma­­­the­ma­­t­i­cal Lo­gic, 1963, ch. I § 1; Der Syllo­gis­mus er­scheint bei Wang
als Alternative. Ockham bezieht die Syllogistik, besonders in der Annäherung an die von ihm
so genannte demonstra­tio potissima selbst schon auf die Mathematik und ihre Beweise, von
denen er sagt Ord. Prol. q. 5 OT I p. 167 lin. 1–5: „Et quia illae obti­nent primum locum in
demon­stra­­­ti­oni­bus seu in­ter demonstrationes, ideo Philosophus mul­tas condiciones fre­qen­­­ter
attribuit demonstrationi quae sem­per competunt demonstrationibus mathematicis vel semper
vel pro ma­io­ri parte.“ Das klingt nicht so ent­­­­schie­den, dass nicht Eigenart und Eigenständigkeit
Einleitung 23

Satz als kontingenter und die kontingenten Er­­kenntnisse tragender auch suppositi-
onslogisch definiert wurde,41 steht die Suppositionslogik (mit den verschiedenen Sup-
positiosarten) u. a. für die Widerlegung (reprobatio) zur Verfü­gung. Es kann dann
bewiesen werden, dass Sätze nach intensionalem Verständnis keinen Sinn haben. Sie
sind in dem Sinne nicht definit.
Grundsätzlich gilt, dass die für Ockham in kontingenten Gegenständen (res,
ob­iec­ta) vorlie­gen­­­de Realität in­ se von ihm nicht als solche selbst ausgeschöpft oder
erforscht (aus­kul­tiert) wird, sondern dass seine Behandlungsweise vielmehr in der
Abstraktheit, sc.in der ab­strakten (re­flexiven) Betrachtung und Bewertung der Sätze,
die der menschliche Ver­stan­d bildet, ter­mi­­­niert ist; res und realitas extra animam
kommen für den Verstand danach nur noch im Sinne einer weit­­gehend reduzierten
Folgerbarkeit in Betracht, für die nach Ockhams Verfahren ganz und gar argumen-
tiert wer­den kann.42
Ich werde im Anschluss Ockhams Entscheidungen, da die Wissenschaftlichkeit
oder auch nur Rati­o­nalität der Disziplinen, die das Mittelalter kennt, auch der Theo-
logie, auf die so schon charak­terisierten Formen bezogen ist, über das darin enthal-
tene Verhältnis von fides und scientia dar­stel­­­len und es in seinem Sinn begründen.43
Über die reelle Lösungskompe­tenz seines Modell wird man streiten müssen.44 Dabei

von Ockhams syllogis­ti­scher Beweislehre ein eigenes The­ma mit womöglich ei­ge­nem Ergebnis
werden dürfte. Cf. hier Kap. 3: Zum Verhältnis der Satzformen.
41. Hierzu s. die Darstellung Kap. 2: Suppositionslogische Identität und Kontingenz.
42. Wenn R. Dedekind, Was sind und was sollen die Zahlen, 1887 (Vorwort) annimt, dass „für
einen gro­ßen Teil der Wissenschaft vom Raume die Ste­tigkeit seiner Gebilde (in Eu­klids Ele-
menten) gar nicht einmal eine not­wen­di­­ge Vor­aussetzung ist“, sondern über einem unstetigen
Raum entwickelt wer­den kann, dann indi­ziert er Ab­strakt­­­heit an­stelle nicht auszuschöpfender
Konkretheit. Auch Ockham ‘schuf ’ für seine Argumentationen ab­­strak­­­te Begriffe, die nebst ein
paar ontologi­schen Grundbegriffen wie substantia, accidens, forma, qualitas, quan­ti­­­tas, habi-
tus, dazu sub­iect­um und passio, das Feld des rational von der Philosophie Behandelten ab­deck­
en.
43. Kap. 4: Fides et scientia, Kap. 5: Aus dem Inneren Gottes, Kap. 6: Theologie und Logikbe­
griff.
44. Alles hängt hier davon ab, ob man von einer gemeinscholastischen, gemeinchristlichen, ge-
meintheologischen Pro­­blematik ausgehen will oder kann, zu der Ockham eine Lösung gegeben
habe oder eben nicht. Wenn nicht, so ist zu fragen, wozu Ockhams Philosophie eine oder die
Lösung sei. Zum Modell s. hier einmal Anm. 38 zur no­ti­tia conceptuum. Es ist die Erfndung
der Abstraktion, wie Ockham sie gibt und verfolgt, durchführt, an die wir uns halten müs­sen;
sie überspringt das in se Reale, das als Kontinuum Gefasste. Darin wird man an das in Anm. 42
Gesagte er­in­nert Noch einmal R. Dede­kind, op. cit. (Vor­wort): „Die größten und fruchtbars­
ten Fort­schrit­te in der Ma­­­­the­ma­­tik und anderen Wis­senschaften sind vorzugsweise durch die
Schöpfung neuer Be­griffe gemacht (sic!), nachdem die häufige Wie­der­kehr zusammengesetz-
ter Erscheinungen, welche von den alten Begrif­fe nur müh­­­sam beherrscht werden, dazu ge­
drängt hat.“ R. Dede­kind bezieht sich u. a. auf seine ‘Entdeckung’, dass in der mathematischen
24 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

drängt sich aber ein anderes Pro­­­blem auf: für die Ver­teidigung und Begründung des
christlichen Glaubens besteht ei­ne gewisse Dif­fe­renz zwi­schen dem I. und dem II. Ar-
tikel des Confiteor.45 Ockhams Naturphilo­so­­phie, die er über seine Entscheidungen
(solutiones und opiniones) darlegt, weicht von seinen theo­lo­­gi­schen Deutungen nicht
ab, bzw. sie widersprechen sich nicht; sie ha­ben ei­­ne ge­mei­nsame Struktur.46
Wir sehen in der Struktur, die Ockhams Modell darstellt oder hat, komprimiert
die Ant­wort, die Ockham auf alle Fragen bereit hielt, nicht nur auf die universalien-
theoretischen Frage­stel­lun­gen, die darin mehr oder weniger verschwinden.47 In die-
sen weiteren Betrachtun­gen48 wird sich zeigen, dass die fortgesetzte induktive Beweis-
führung und ‘Verknüpfung’ (Ver­net­zung) der einzelnen Entscheidungen Ockhams in

Analysis der Begriff der „Stetigkeit“ aus den Grundkon­zepten sich nicht definieren lasse.
Ockhams Entdeckung wäre die Bestimmung der Formalität un­­ter Negation eines Teils der Ele-
mente oder Be­stim­mungsmerkmale von Operation. Mit T. S. Kuhn, The Structure of Scientific
Revolutions, 1962 dt. 1967 hier die Stiftung eines Paradigmas zu sehen, hieße Ockhams Modell
unterbestimmen, das abstrakt ei­nen exposi­to­ri­schen Charakter hinsichtlich seiner Elemente
(Grundlagen): Begriffsgewinnung, Satzbildung, Implikation, Ne­ga­tion (Über­­gehen) des Wi-
derspruchsprinzips usw. besitzt. Es hat keine naturwissenschaftliche Problem­lö­sungs­kraft.
Es müsste der natürlichen Vernunft zugezählt werden, die Kuhn nicht als Verstandslosigkeit
ab­wertet, ob­wohl sie vorparadigmatisch bleibt. Im Paradigma ist für Kuhn die Erkenntnis
innerhalb ei­ner wis­sen­schaftlichen Disziplin auf bestimmte Zeit gegeben und befangen. Er
apos­tro­­­phie­rt sodann für die Wissen­schaft (welchen Um­fangs, als Kobination von wieviel Dis-
ziplinen?) eine nicht abreiß­ba­re Kette von Indukti­onen. Die Frage, ob real­em­­piri­sche und psy-
chologisch-mentalisti­sche vergleichbar seien, impliziert einen unbekannten Maßstab.
45. Cf. W. Dilthey, Die Jugendgeschichte Hegels, 1906 GS Bd. IV, p. 9: „Wie kam in den Gott, des-
sen unverän­der­­li­ches unendliches Wesen in den Naturgesetzen sich manifestierte, die dunk-
le Unruhe des Strafwillens und dann die Umwandlung zur Versöhnung.“ S. dort auch p. 29:
Klopstock, Herder und Hegel seien der An­sicht ge­wesen, dass die Christianierung die germa-
nische Art verdorben, sie zum Untergang gebracht habe. Auch Nietz­sche war dieser Meinung
(Der Antichrist, 1888/1889).
46. Kap. 7: Formbegriff und reale Wahrheit u. Kap. 8: Glaube und Welt. Im Vorhof der Naur­
philosophie.
47. Viele Autoren hielten es für ausreichend, erkenntnistheoretische bzw. on­­to­logische Fra-
gen zu Ockham zu stel­len, bei denen sich ihnen dann erwies, dass Ockham sie gar nicht oder
unbefriedigend, wenn nicht unzu­läng­lich beantwortete. W. & M. Kneale, The Develop­ment of
Logic, 1962 u. 1966 verspotten sei­nen angeblichen gegen seinen Willen bestehenden Quasi-
Realis­mus, wo er doch den ontologischen Realis­mus verneint habe. An­de­re ver­su­chen einen
‘realistischen Konzeptuali­s­mus’ für ihn zu retten oder ihn für diesen; Duns Scotus fir­miert als
‘kon­­­zep­­tualistischer Realis’. Die Erklärung zu Ockhams Philosophie wird lauten müssen: Was
in den Be­grif­fen ist, kann auch in der Wirklichkeit sein und umge­kehrt; es gibt keinen Grund
(ratio) dagegen, aber es ist nicht ver­­mö­ge des Wider­spruch­sprin­zips gegeben oder beweisbar.
48. Kap. 9: Ontologie und Induktion Kap. 10: Beweis, Satz, Akt Kap. 11: Abstraktion und
scholastischer Be­weiszweck, Kap. 12: Verflechtung und Abgrenzung der Akte.
Einleitung 25

den partikularen Fragen, die in sei­­­­nen Er­ör­te­rungen und beim Gebrauch einer Ter-
minologie entstehen, eine bestimmte Form der Lüc­ken­losigkeit besitzen. Sie spielen
sämtlich auf einer Ebene, in der die Begriffe (Be­griffs­­­­akte) von re­flexiven Begriffen,
den notitiae, eben notitia intuitiva und notitia abstrac­tiva, erfaßt und über­­fasst wer-
den.49 Entscheidungen über ihre Bedeutungen, die sukzessive über die Ermitt­lun­­gen
hinsichtlich ihrer Reichweite erweitert und abgesteckt werden, geschehen mit­tels des
Be­griffs der ratio, der eine ‘jede’ Reichweite und Verfügbarkeit, auch die der Begrif-
fe als sub­­iec­tum oder passio eines Satzes, des obiectum extra animam, der res usw.
‘affizieren’ kann.50 Argumentation und Konzeption können am Ende gleichgesetzt
werden. Sie sind nie­mals äqui­valent den Sachen; sie werden absolut im Verstand ge-
wonnen = angenommen. Aber sie kön­nen vermöge des mentalen Ausdrucks Sachen
nach ihrer Eigenheit und Begren­zung mei­­­­nen. Es ist dann noch möglich den bereits

49. Dieselbe Lückenlosigkeit bestimmt für Ockham den Einsatz der Syllogistik in den wis-
senschaftlichen Dis­zi­pli­nen nicht. Die Syllogistik liefert den Disziplinen keine geschlossenen
Deduktionsgesamtheiten, in denen die Syllo­gis­men ihren unverbrüchlich festen Platz besäßen.
Prol. Ord. q. 1 OT I p. 10 lin. 9–14: „Potest etiam ea­dem ve­ritas esse principium in una scien-
tia et conclusio in alia, et hoc maxime quando aliquid de quo determina­tur in aliqua sci­en­
tia continetur sicut inferius sub aliquo de quo determinatur in alia scientia, sicut de ente, de
quo de­ter­minat me­taphysicus et de Deo, de quo determinat the­ologus.“ Damit wird aber das
‘determinatur’ ein Ele­ment, mit dem ei­ne ununterbrochene Folge (Kette) von Beweisen oder
‘Folgerungen’ nicht auftreten kann. De­ter­­­minatio als terminus technicus erscheint ohne Be­zug
auf eine Implikation oder Implikation des Implikations­be­griffs. Cf. zur Bestätigung ib. p. 11
lin. 6–17. Dass das ab­strakte Moment nicht als auch individuelles wirken dür­­fe, sagt Ockham
ib. p. 13 lin. 22–24: „non est con­ce­den­dum quod homo est populus vel exercitus, nec do­mus
est civitas vel vil­la, ita habitus ille nec est me­ta­phy­sica nec theologia.“ Aus einem habitus kann
nicht eine ganze scientia als da­rin impliziert entwickelt werden. Ed. nennt zu dieser Replik
Ockhams keinen scholasti­schen Adres­­saten. Er müsste ex uno con­cep­­tu seu com­ple­xo die gan-
ze scientia schlussfolgernd entwickeln wol­len. Duns Scotus käme dafür infrage. Da Ockham
eine geschlossene Ordnung der Prädikate in den syllogis­tisch ver­wand­ten Sätzen nachdrück-
lich ausschließt, gibt es die komplexe Einheit in wesentlich syllogistisch aus­ge­­führ­ten scienti­ae
nicht. Hier könnte sich die Grenze für Mathema­ti­sie­rungen von Äußerungen oder Teilaspek­ten
bei Ock­ham ab­zeich­­nen. St. Wolfl, Combinations of Tense and Mo­dality for Predicate Logic,
Journal of Phi­lo­sophi­cal Logic. Ag. 99. 28 (4), pp. 371–398 bezieht sich auf Ockham als Stich-
wortgeber einer Idee von ‘Son­der­­wel­ten’ mit je eigener Zeit. P. Garcia & F. Esteva, On Ockham
Algebras: Concurrence Lattices and Sub­directly Ir­re­du­ci­­ble Al­gebras, Studia Logica: an Internati­
o­nal Journal for Symb. Logic. S 95. 55(2), 1995 pp. 319–346 fassen die syllogistisch relevante
Algebra (Logik) G. Booles und A. De Morgans unter eine Ockham-Algebra.
50. Damit wird je die Inhaltlichkeit (Intensionalität, Mentalität) der Akte, Begriffe usw. so ge­
fasst, dass nur eine Ausschließung, i.e. eine Negation von dem/etwas was als accidentell ihnen
gegenüber gelten muss, nicht mehr ih­nen zu­gehören kann, ausge­drückt wird. Das Akzidentelle
appelliert dabei aber die Beziehung, so dass, da sie negiert wird, durch ratio so etwas wie eine
in sich leere Intensioanlität, der abstrakt oder abstraktiv gemeinte Iden­­titäts­fak­tor angegeben
oder angesprochen wird. Da alle Negationen formell zusammenfallen (können), be­zeich­­net
oder bedeutet ratio schließlich einen terminus.
26 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

in der Form des Satzes gegebenen Begriffen und Inhal­ten eine ratio zuzuschreiben,
die sie interpretiert. Das geschieht häufig in der Theo­lo­­­­gie.51 Kein abstrakter Begriff
lässt die Zuordnung oder Zuschreibung des realempirischen Ge­­haltes per Folgerung
zu, so dass danach eine existente men­tale Gegebenheit, ein Akt oder Ausdruck fol-
gerbar oder unterstellbar res oder Realität extra animam sein könnte/zu sein hät­te.52

51. Diese ratio, als ratio assignata (Ord. d. 30 q. 1 OT IV p. 290 lin. 1–3) bezeichnet, wird nicht aus
‘per expe­ri­en­ti­am’ Gewus­s­tem und nicht als ‘per se notum’ gewonnen und sie er­schließt letztere
auch nicht. Propositio con­tin­gens, proposi­tio im­­mediata, proposi­tio per se no­ta repräsentie­
ren die Genese unseres Wissens und unse­rer Be­griffs­­bildung, aber sie sind un­ent­faltet. Die
Satz­arten selbst kön­nen ihre Bestimmungen (nur) durch sie qualifi­zie­rende Argu­men­­ta­ti­onen
erhalten, die be­züg­lich und ver­möge der no­titiae erfolgen können, wobei die notitiae als ac-
tus hypo­theti­sche Größen sind und ur­sprüng­lich verschiedene Defini­ti­o­nen erhalten können.
Sie werden in­ten­­sional wei­ter er­kundet, indem von ihrer ratio aus fortgesetzt die akzidentel-
len Umstände abgeschieden wer­den. Daneben be­deutet ratio auch Argument (Grund) oder
Verstand. Die allgemeinen ontologischen Begriffe wie essentia, for­ma, accidens, qualitas etc.
werden von Ockham erkenntnistheoretisch verwandt. Überall muss er mit rationes ar­bei­ten,
denen nicht Sät­ze entsprechen, die ihrerseits scitum per ex­pe­rientiam oder notum per se sind.
Generell muss er das Verhältnis von Be­­­griffen auf eine(r) „Bezie­hung“ zwischen ihnen gründen,
die nicht der Implikation entsprechen kann, sondern de­r Inhibition, Umkeh­rung, Aufhebung,
Negation solcher Implika­ti­on. Die Begriffe in ihrem Verhältnis oder (intensional) äquivalent
ei­nem solchen dürfen sich nicht ‘enthalten’, i.e. logisch oder se­­­man­tisch implizieren. Damit un-
terscheidet er sich von Zeitengenossen: denn W. Chat­ton nahm es an. Ni­ko­­laus von Autrecourt
forderte es und sah es für unerfüllbar an. Ein einiger Begriff, wel­cher als empi­risch ge­ne­rier­bar
an­ge­sehen und eben nicht im Sinne des ontologischen Realismus in­ten­sional in­terpretierbar
sein (kön­nen) soll, darf in keinem anderen enthalten sein bzw. nicht identisch einen weiteren
und von ihm ver­schie­­denen enthalten. Denn entweder wären so zwei unterschiedene Begriffe in
einem einzi­gen ent­halten oder um­ge­kehrt ein einziger Begriff in zwei sowohl inhaltlich wie fak-
tisch oder extensional zerlegbar. Ockham hat auch so ar­­gu­­men­tiert. Chatton und Autrecourt
dagegen gingen von einer Gleich­heit von in­ten­si­­o­nal und extensi­o­nal aus. Ockham ak­­­zeptierte
sie nicht, son­dern ­schloss sie per argumentum aus.
52. Es scheint, dass gerade Ockhams Schüler Wodham dieses besondere Moment der Deter-
minatheit der Aus­drücke in mente, aus dem je nicht auf die Realität, i.e. eine in se ausgedehnte
und durchlaufbare ‘Gestalt’ gefol­gert werden kann (nach Ockhams Argumentationen gefolgert
werden können soll) nicht beachtet. Hier zeigt sich, dass am Ende, wie das Folgern überhaupt
suspendiert werden muss, auch die Universalienproblematik aus­geschieden werden kann. Für
Ockham hing sie von nicht zu gebenden Begründungen ab, was er mit reprobati­o­nes (reduc-
tiones ad absurdum) aufwies. Summa: die ‘Lehre’ Ockhams dependiert aus Argumentationen,
i.e. Beweisen mit einem reflexiven (= intensionalen) Charakter. Wir betrachten ihn als pragma-
tisch subjektivis­ti­schen. Das eigentlich neuzeitliche Zerfallen in Subjekt- und Objektmoment
respektive Naturmoment findet sich bei dem argumentativen Charakter des Ockhamschen
Denkens nicht. Der Subjektstandpunkt, besser noch der mentalistische Standpunkt, ergibt sich
aus Notwendigkeiten, die die Argumentation reflexiv als ihre eigenen zei­gen möchte, wenn
sie zwischen Abstraktion (Beweis, Beweismöglichkeit) und Empirie (weltlicher Genese un­­­­­­
serer Begriffe und Sätze) abwägt und vermittelt. Aber eben auch deutlich trennt. Freilich ist
Einleitung 27

Am En­­de kann Ockham auf der Basis der von ihm philosophisch mit Hilfe der ontolo­
gi­schen, hier aber nicht mehr realontologischen Konzepte redigierten Wirklichkeits-
auffassung auch dog­­­matischen Fragen, z. B. der conceptio immaculata und dem pec-
catum originale, be­geg­­­nen und sie gleichsam naturalisieren = über die Ausspa­rung
von Einwänden neu­tra­li­sie­ren. Er wird ein moderner Denker, soweit er, im Gewande
des mit­tel­alterli­chen Be­griffs­apparates, vor allem die mentale (die mentalistisch be-
stimmte) Verfassung des Gei­stes sichert.53
Ockhams Besonderheit ist: Argumentation und Meinung fallen hier einmal
gänz­lich und aus­schließlich und damit auch historisch zusammen, und historisch ist
Ockham mit der Form ei­nes Modells, worin jede Antwort, die er geben konnte, ent-
halten ist.54 Es soll überlegt wer­den, in wel­­cher Weise Ockham historisch hat wirken
können, gerade dann, wenn zuzu­ge­­ben ist, dass seine ‘Lösungen’ empirisch in den
Bereich der Scholastik, deren Ter­mi­nologie er pro for­­­ma übernimmt, (ausschließ-
lich) fallen.55 Ausgangspunkt sind auch da ‘Be­griff ’ und ‘Satz’ bzw. die typologisch

der ‘Übergang’ in die Realität qua Argumentation verlegt, die eben keinem ‘logischen A priori’,
keiner apriorischen Logik ent­spre­chen kann. Der ‘Schnitt’ beruht hier auf deren Negation.
53. Das wird noch einmal in Kap. 13: Naturgrund und Realerkenntnis und Kap. 14: Wider­
spruch und ac­ci­dens gezeigt werden.
54. Wieweit Ockham historisch für seine Zeitgenossen eine reelle ‘Problemlösung’ schaffen
konnte, die der­en Problembewusstsein entsprochen hätte, wird gerade angesichts Ockhams
Mo­dell, dessen Aus­dehnung und Reich­­­­weite, schwer zu sagen sein. Hätte es einen generellen
Verdacht der Scho­las­ti­ker ge­gen das gesamte Mit­­tel­al­ter realisieren oder bei diesem bedingte
(reduktive) Lösungen bieten können und wie, für sie intelligibel, eines im anderen? Anzeichen
dafür treten erst in Ockhams Ge­fol­ge auf, wenn man die Averroisten des 12. Jahrhun­derts nicht
für Gegner des aristotelisch-scholasti­schen Sy­stems halten will wie Nikolaus von Autrecourt
es war. Aber dieses ‘Problem’ wäre erst Ockhams Erörte­run­­­gen der Strukturen zu entnehmen,
in denen es explizit mit Be­zug auf die Strukturen auch nicht genannt wird. Der­­­art wäre die
Pro­­­blem­­­lösung oh­ne antezedentes Pro­blem er­folgt. Ockhams Modell wird in seinen Fi­nes­sen
aber von nieman­dem übernommen. Eine Sonderfrage gilt Ock­hams eigenem bewussten oder
un­be­wuss­tem ‘Pro­­blem’, sei es dass es Mo­tiv gewesen wäre, sei es dass noch ein besonderes
(beinahe undenkbares) Motiv be­standen hät­te, das jedem Problem vorausgegangen wä­re. Beide
wä­ren wahr­schein­lich unun­terscheidbar und nicht ra­tional. Die the­o­retische Ausdrucksform
(Lösung) könnten ih­nen wohl nie nachweislich ent­spre­chen. Das Konzept des His­toris­mus,
worin Mo­tiv und ‘Pro­blem­for­mulierung’ äquivalent sind, ist – wenigstens für das Beispiel
Ockham – nicht zu halten.
55. Der Einfluss Ockhams auf Luther, Ockhams diesbezügliche Vorläufer- oder Wegbereiter-
schaft sind ange­spro­chen und behaup­tet worden. Sie werden von Ockhams Seite nicht inhalt-
lich, von der Luthers nicht struk­­turell bestätigt werden können. Luther zeigt eine Besonderheit.
Cf. W. Dilthey, 1906 p. 10: „Die lu­the­ri­sche Dogmatik beruht auf der Pau­linischen Verbin-
dung des Alten Tes­­­taments mit dem Evangelium Christi ver­mit­tels der Begriffe der Strafge­rech­
tigkeit, Opfer und Versöhnung.“ Diese Besonderheit mag auf einer ‘Ver­mit­tlung be­ruhen’, die
durch das Mittelalter hindurch, insofern dieses hier (bloß) durchlässig war, ihn er­reicht hat. Es
28 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

erfassba­ren Sätze und Begriffe zusammen mit der Kausalität, die sie nach ihren
Umgebun­gen in Überein­stim­mung mit ihren Erschei­nungs­­fo­r­men meinen und
be­sitzen können.56 Ob von ihr eine Ausstrahlung auf die Form der späteren the­o­lo­
gischen Aus­­sa­ge beste­hen konnte, muss gefragt werden.57 Denn es sind bei ihm immer

wäre hier bloß eigentümlich unaffiziert geblieben. Das kann genetisch den Ausdruck und die
For­matio­nen Ockhams ausgemacht, bewirkt oder beeinflusst ha­ben. S. außerdem P. Vignaux,
Luther commentateur des Sentences, 1935.
56. M. Kauf­mann, Be­gri­ffe, Sätze, Dinge: Referenz und Wahrheit bei Wi­l­helm von Ockham,
1994 (cf. H. Jung­­hans, Ockham im Lichte der neueren Forschung. Referenz und Wah­r­heit bei
Wilhelm von Ockham, 1968 !) diskutiert Ockham nach Detailproblemen – in denen er sich
ihm ausschließlich darstellt – unter beständig un­mit­tel­barem Be­zug auf heutige sprachanaly-
tisch vermittelte Wissenschaftstheorie und Philosophie. Die Diskus­si­o­nen werden kon­jektural
geführt und bleiben offen; unbestimmte punktuelle Annahmen werden gleichberechtigt wie
Wissens­fakto­ren geführt. Von da und den beigefügten fragmentarischen Konklusionen, die sie
erhalten, ge­hen Ex­tra­pola­ti­o­nen zur grundsätzlichen Verfasstheit von Ockhams Denken aus, so
dass es deren viele gibt. Sie bleiben auch offen. Zu den solcherart wesenlosen Detail­proble­men
ge­hört der To­pos ‘oratio mentalis’; sie wird technisch in Beweisen, Widerlegungen und In­duk­
ti­o­nen herangezogen. Sie kann womöglich fallweise in­duk­tiv begründet werden. Ihre häufige
Hervorhebung in der Li­te­ratur sieht auch J. Boler, Ockham on Difference in Ca­te­gory, Fr St 56,
1998 pp. 97–113 p. 104 Anm. 27 mit Vor­be­halt. M. Lenz, Mentale Sätze. Wilhelm von Ockhams
Thesen zur Sprach­­­lich­keit des Den­kens. 2001 macht mit ‘men­tale Sätze’ einen Aspekt thematisch,
der in der Par­al­­le­­li­tät von ge­spro­­che­ner, geschriebener und ge­dach­ter Spra­­­­che benannt eine
direkte oder leiten­de Funk­­ti­on nicht hat. So Lenz selbst p. 148. Auch der Aspekt ‘Semantik’ den
J. Pin­borg, 1972 hervorhebt, ist in der mo­­dal = intensional = prag­ma­tisch = men­talistisch zu
se­hen­den Umge­bung von Ock­hams Ope­­ra­ti­­o­nen künst­lich. D. Per­ler, Se­man­­ti­sche und episte­
mo­­lo­gische As­pekte in Ockhams Satzthe­o­­rie, Vi­va­ri­um XXIX, 2, 1991 pp. 85–103, id. The­o­ri­en
der Intenti­o­n­a­lität im Mi­t­tel­al­ter, 2002 führt sie im Titel. In­­­ten­ti­o(n) ist, auf die älte­re im­po­­sitio
fol­gend, ein gemeinscholastischer Begriff. Ihn für Ockham auf die ex­tra­­men­ta­le Sach­mei­nung
be­zie­hen heißt von dessen Argumentation zur vor­greiflichen Wertung übergehen. Zur histori-
schen Ent­wick­lung s. C. Knud­sen, In­te­ntions and Im­positi­ons, 1982, doch cf. vorab: L. Baudry,
Le­xi­que phi­lo­sophi­que de Gui­llau­me d’Ock­ham. Étude des noti­ons fonda­men­ta­les, 1958, G. Leff,
William of Ockham, The Meta­mor­­pho­­sis of scho­­la­stic dis­cour­se, 1975, pp. 128–131, J. Swiniars­ki,
A New Presentation of Ockham’s Theory of Sup­po­si­ti­­on, Fr. St 30, 1970 pp. 181–217 und Ockham
Ord. d. 22 q. unica OT IV p. 48 lin. 5 – p. 49 lin. 5 u. SL I c. 11.
57. Eine ihre Funktionen ist ihre Beweisbarkeit. Hier ist Ockham als Verneiner für Luther
wichtig gewe­sen. Nach M. Lenz, Himmlische Sätze: Die Beweisbarkeit von Glaubens­sät­zen nach
Wilhelm von Ockham. Bochu­mer Phi­los. Jahrb. f. Antike und Mittelalter, 1998, 3 pp. 99–120
ist bei Ockham Beweisabsicht die Darlegung der Be­weis­­bar­keit transzendenter theologischer
Sätze, ob de potentia oder in actu bleibt unerörtert; diese be­weis­ba­ren Sätze, die Sätze und ihre
Beweisbarkeit könnten also existieren oder nicht. Es bleibt zu zeigen, ob das der Auf­fas­sung
Ockhams, dem was er sagt und der Art (und der Schärfe) seiner Beweisführungen Ord. Prol.
q. 1 (und dem Anschluss von q. 2) entspricht (oder nicht). Lenz arbeitet mit einem unbestimm-
ten Begriff von the­­o­lo­gi­­scher Aussage oder Satz. Es fragt sich eher, ob es sie nach Ockham über-
haupt eindeutig geben kann und dies ein sinn­vol­ler ter­minus in Bezug auf seine Darlegungen
Einleitung 29

a parte mentis hu­ma­nae besser intellectus humani zu denkende Aussagen. Für letz­te­­
ren werden sie im Sinn der Intellektivität (Er­kenntnisför­mig­keit), nicht der Beweis-
barkeit bestimmt konstruiert. Der kon­­tin­gente Satz steht im Mittel­punkt; er ist zah-
lenmäßig häufiger als der der natür­li­chen The­­­o­lo­gie an­ge­hörige eventuell beweisbare
Satz. Die als kontingent klas­sifizierten Glau­bens­sät­ze kön­nen nur geglaubt wer­den.
Daneben wer­­den vie­le the­o­lo­gi­sche Sätze von Ockham als kon­tin­gente strukturiert,
doch dabei der Empi­riewertigkeit nach­haltig ent­zo­gen, und dies in er­staun­­lichem
Ausmaß.58 Es ist da eine Frage, ob Luther direkt von Ockhams tech­ni­­­schem Ver­fah­
ren ge­prägt werden konnte.59 Die hermeneutische Aneignung von Philo­so­phie, auch

und Erörterungen ist. Im Text geht es um fol­gendes: wo für den viator keine Erkenntnis der
divina essentia und des von ihr Dependenten Theologischen, wie es den or­­­do sa­lu­tis betrifft,
angenommen werden kann, die bloß in der visio beatifica (inclusive der genannten weiteren
theolo­gi­schen Aussagen) gegeben sind, kann der beatus, der diese evidente (intuitive) Erkennt-
nis von Gott etc. haben kann, per divinam potentiam absolutam auch die notitia abstractiva
des viator von demselben Satz, der hier ein Glaubenssatz ist (und fides gilt ganz naturalistisch
und untheologisch allem, was man nicht weiß) haben oder auf sie schließen und sie beweisen.
Gott schafft ihm neben der Erkenntnis von sich ‘Gott’, die quasi in der res simul­tan als Er-
kenntnismittel besteht, noch die weitere abstraktiv in einem anderen Medium. Also kann Gott
uns die no­­titia abstractiva von solchen Sätzen geben. Denn sie existiert (de potentia divinam
absolutam) als der Er­­kennt­nis des Menschen (und des Seligen) kompatibel zu denkende Er-
kenntnis. Das ist die These. Sie ent­hält ei­ne in­duk­­tiv begründete Abstraktion. So Ockhams Ge-
dankengang. Die Struktur dieser Sätze lässt Ockham weg. Es ist da­her sinnlos, sie grosso modo
als Parallelität himmlischer und irdischer Sätze insgeheim (im­plizit) zu un­terstel­len. Ockham
lässt offen, welche dogmatischen Wahrheiten über Gott hinaus der beatus erkenne.
58. Überhaupt operiert Ockham induktiv immer gegen diese Empiriewertigkeit. Hier gilt zu-
nächst, dass wir die a parte rei bestimmte wirkliche (im Vorlauf klare) Erkenntnis der res extra
animam gar nicht haben (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 68 lin. 1–21): „Intellectus autem noster pro statu
isto nihil cognoscit intuitive clare et per­fec­te, et ideo non potest discernere illud a quolibet alio.
Et propter hoc non potest discernere inter actum rec­tum et refle­xum, et sic de aliis, quamvis
possit (sic!) discernere ab aliquibus aliis.“ Aber Ockham induziert direkt aus der Un­ge­wiss­heit
der notitia intuitiva auf die ‘Existenz’ der notitia abstractiva (ib. p. 36 lin. 17 – p. 37 lin. 3): „nulla
res est, saltem in istis inferioribus, nec alia ratio sibi propria (i.e. eine Bestimmung, die solcher
res formell zu­ge­­wie­sen wür­de) sub qua potest res intuitive cognosci quin illa cognita ab intel-
lectu possit intellectus dubitare utrum sit vel non sit, et per consequens possit (sic!) cognosci
abstractive.“ Auch hier also wird auf die Existenz der no­ti­tia ab­strac­tiva wieder besonders in-
duziert (s. o. Anm. 58). „Igitur omne idem et sub eadem ratione quod est ob­iectum in­­tuitivae
notitiae potest esse obiectum abstractivae. Et manifestum est quod quidquid reale potest cog­
nos­ci ab­strac­tive, potest etiam cognosci intuitive.“ Denn die notitia abstractiva folgt ‘mit’ der
notitia in­tuiti­va.
59. Hierzu s. K. Bannach, Relati­o­nen: Ihre The­orie in der spätmittelalterlichen Theologie und bei
Luther, Frei­bur­ger Zeitschr. f. Philos. und The­ol. 47(1–2) 2000, pp. 101–126. Dabei ist a parte
Ockham wichtig, dass die Re­la­ti­onen, die für die sacra theologia und divina essentia gleich-
sam aus dem empirischen Bereich (i.e. aus unserer Erfahrung) übernommen werden, wie es
30 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ock­hams, muss, da obligatorisch unmethodisch erfolgend, als Kopie von Opera­ti­o­nen


ins Be­wusst­­sein gleich einem eigenen Organ, das von Ockhams Be­mü­­­­hun­­gen und
Er­­geb­nis­sen nicht erfasst wurde, auf eine Kritik stoßen, innerhalb deren ge­ra­de gel-
tend zu ma­chen ist, in wel­chem Maß Ockham auf die christliche Religion im Rah­men
seines Modells und sei­ner Tech­nik rational reagierte.60 Aber es gibt da Fragen: Kann

Ockham prinzipiell für (s)eine Theologie der menschlichen Verständ­lich­keit postuliert, em-
pirische „Erdenreste“ abgestreift werden können. Sie würden zu Ungereimtheiten (‘Kon­tra­­­­­­
diktionen’, fehlgeleiteter Kausation u. ä.) führen. Auf der Ebene Gottes kann dann u. a. mit
dem Begriff ‘for­ma’ operiert werden. Aber es hapert mit der ‘Beweisbarkeit’. Darin ward der
Erdenrest nicht abgetan.
60. Inaugurator einer besonderen Auffassung von Hermeneutik war H. G. Gadamer, 1960. In
ihr wirkt Heideggers Lebensphilosophie mit ihrer reduktiven Anthropolo­gie (im Vorrang gegen
das Wissen­schafts­i­deal) weiter. Her­me­neu­tisch versuchen ‘wir’ Bewusstsein selbst un­mit­tel­bar
‘Be­wusstsein’ berühren zu las­­sen. Wir schweben über den geschichtlichen Phänomenen und
möchten doch glau­­ben sie zu berühren. Es erin­nert an die Praktiken in an­ti­ken, spätantiken,
vielleicht schon ar­chaischen My­ste­rienkulten. Dass sie mit christ­li­chen (schon jüdischen) Auf­
fassungen vergleichbar seien, ha­ben A. Schwei­t­­zer, Die Mystik des Apostels Pau­lus, 1930 und
D. Bonhoef­fer, Widerstand und Ergebung, 1951 p. 226f (Brief vom 27.6.1944) bestritten: „Die
christ­­li­­che Auf­er­­ste­hungs­hoff­nung unterschei­det sich von der mytho­lo­­gischen darin, dass sie
den Men­schen in ganz neu­er und ge­­­genüber dem Alten Testa­ment noch verschärf­ter Weise an
sein Le­­ben auf der Erde ver­weist … Darin blei­ben Neu­­­es und Al­tes Testament ver­bun­den. Er­lö­
sungs­­mythen entstehen aus den menschlichen Grenz­­er­fah­run­­gen.“ Doch wird das Geschehen
um ‘Christus’, den ‘Erlöser’, wie Bonhoeffer es beschreibt, al­le­go­­risch ver­stan­den: Es wird ‘über­
nommen’. Ihm wird ‘nach­ge­lebt’. Damit werden wir aber in das Bewusstsein ver­wie­sen und in
ihm, wie es neuzeitlich zu sein hat, begrenzt bzw. gefangen gehalten. Dabei muss das Bewusst­
sein al­les was es er­greift (er­grei­fen will) als Ge­stalt außerhalb seiner selbst sehen und derart es
immerfort set­zen, um es, da­­mit es ‘be­stehe’, in sich hineinzu­ho­len, wenn denn das geht. Her­
me­neutik à la Gadamer wurde offenbar mög­lich und ‘legitim’, weil da ein Ab­stand empfunden
wur­de. Die besonderen Phänomene (Gegenstände) des Geis­tes ‘in se’, die Be­wusstsein sind,
müs­sen für den Epigonen in solches überführt werden. Er erwirbt darüber eine Lebensform
und wird Adept. Er bedarf da nicht der Methode, sondern der Hal­tung. Nur ist es ge­rade der
eigene besondere Ge­gen­stand, den die Her­me­neu­­tik sich über im Grunde freie und mit wie im­
mer an­thro­pologischen An­­­­­­lei­hen, also mit dem was sie als ‘men­schen­gemäß’ setzt, nochmals
konstituiert. Da­bei wer­den ihr Uni­ver­salia aus allen Ge­gen­stands- und Erfahrungs­be­rei­chen
unentbehrlich, die den Ge­gen­stand eben jeweils ver­stel­len. Die Her­me­neu­tik, die Ga­da­­mer
initiierte, hält sich über Allge­mein­heits­­­­ver­ständ­nis­­­­­se in Gang und ist da­rum auf uni­ver­salia
aus. Das ist dis­pa­rat zur ge­nu­in spe­zifischen Verste­hens­­in­ten­ti­on. Dil­they, den Ga­da­mer mit
der Ver­­en­­gung auf ei­ne Al­ter­na­ti­ve von im­me­di­ater menschlicher Wahr­­­heit und äu­ßer­licher
szientischer Met­­hode ver­stell­te, um sich von ihm spie­gel­fechte­risch abzusetzen, verfügte über
ein Wis­sen, worin se­man­tisch sei­ner argu­men­ta­­­ti­­ven Dar­stel­lung ‘vor­ge­arbeitet’ war, um mit
der ten­den­zi­ell ‘eng­sten’ Ver­knü­­pfung von a­n­t­e­ce­dens und con­se­­quens an je­­dem Punkt der ar­
gu­men­tati­ven Darstellung erst und sogleich den weitesten As­pekt zu er­öff­nen. Da­rin tritt die
Ab­sicht in­duktiven Fort­schrei­­tens zutage, ge­gen das Gadamer Sturm lief. Cf. W. Dilthey, 1906.
Einleitung 31

Ra­­tionali­tät über Ockhams Operatio­nen (in einem absoluten Sinne) hinausgehen?61


Defi­niert sein Mo­­dell selbst Ra­ti­o­na­li­tät?62 Gibt es dafür einen Maßstab in objekti-
ven Pro­blem­stel­lungen, i.e. sol­chen, die als per se ex­tra­mental zu verstehende für das
Subjekt mit sei­­nen men­talen Hand­lun­­gen, For­­men des Ope­rierens, also Techniken,
bzw. bei Ockham mit sei­nem mentalisti­schen Ver­fahren infrage kä­men?63 Wenn man

61. Das bleibt in vielen Arbeiten offen: D. Perler, Analytische Zugänge zu Ockham, Philos.
Rundschau, XL, 2 1995 (Rez. u. a. zu M. Kaufmann, 1994). ‘Ana­ly­tisch’ hier ist ein Verlegen-
heitswort wie ‘seman­tisch’. Deren Gebrauch setzt vor­aus, dass Ockham eine Wissen­schaft
betrieb, die man schon kenne, anerkenne und nun ana­lysieren will. Man wür­de sie da­mit
trotz womög­lich äuße­ren Abbildungsansatzes ‘aus sich’ klären und bes­ser ‘ver­stehen’ wol­len.
Ockham müss­­te als Analyti­ker und im ei­ge­nen Medium Entdecker weiterhin un­­ab­­­hän­gig sein
dürfen. Cf. noch D. Brown, Ana­­lyticity: An Ockhamist Approach, 1997. Nä­he­rungs­weise ana­ly­
ti­sche Sätze be­­trach­­tet Ockham mit Vor­be­halt: sie sind bedingt em­pi­rie­un­ab­hängig und nicht
ganz beweiseffi­zi­ent.
62. Hier ist die Konkurrenz der exakten Wissenschaften zunächst nur eine bedingte. St.
C. Kleene, Introduction to Metamathematics, 1952 pp. 59–65 be­zeich­nete formale Systeme und
metasprachliche Beweis­th­eorien als der In­ter­­pre­­­ta­­tion durch nicht­­­­for­male oder se­mi­forma­le
Theorien bedürftig, sollen sie überhaupt als mathe­ma­­ti­sche Sy­ste­me gelten kön­nen. Diese ‘Ver-
dopplung’ betrifft auch metaphysische oder (vermeintlich) andere Grundvor­aus­set­­zun­­gen for­
ma­ler Sy­steme, z. B. Wahrheit, Apriorität usw. und lässt sie zwischen ‘formal’ und ‘nichtformal’
ste­­hen. Wahr­heit und Apriorität leiten Ockham nicht. Wenn die Rationalität, die Ockham in
seinen Ope­ra­ti­o­nen vorträgt und be­­­züg­lich dieser Ope­ra­tionen begründet, propagiert und sy-
stematisiert, religiöse Wahr­hei­ten oder Dog­­­men tilgt, beim ordo sa­lu­tis etwa oder hin­sichtlich
des mythischen Grun­des der Religi­on, z. B. bei pec­ca­­tum originale und Sündenbegriff in gene-
re, bleibt die Frage nach seinem Motiv notwendig unbe­ant­­wor­tet.
63. Bei Ockham wären das in jedem Fall auch christlich-theologische, damit in einem weite-
ren Sinn religiöse, die wir potentiell als psychologische ansehen könnten. Sie müssten dann
in einer objektiven Technik behandelt wer­den (behandelt worden sein), während wir für die
Themen selbst vielleicht einen höchstens subjektiven, ei­nen viel­leicht sogar (es sei trotz des
‘hölzernen Eisens’ gesagt) irrationalen Sinn annehmen müssten. Ihm stünde die objektive
Technik als absolute gegenüber; sie hätte das Irrationale wegzulassen bzw. zu exterminieren.
Ockhams Identifikation des wie immer religiösen oder auch psychologischen bzw. ethnolo­
gisch-psychologischen Pro­blems, z. B. des peccatum originale und des peccatum mit dem
accidens, das selbst den Widerspruch verkör­pert, eliminiert dieses Problem gleichsam a limi­
ne technisch und löscht seine innersubjektiv psychologische Fi­xie­rung. Dabei fragt sich, ob
Ockham auf ei­nen Wahrheitsbegriff überhaupt noch bezogen werden kann. Wahr­­heit müsste
im gegebenen Fall des peccatum in An­­betracht der innerpsychischen Identifizierung des ‘Pro­
blems’ und seiner Beziehung auf das accidens und erst recht nach der darauf negativ gegebenen
Antwort ausge­schlossen sein; die semantische Auslegung wird des­a­vou­iert, für eine formale
entfällt sie. M. Kauf­mann, Ockham und Davidson über die Wah­rheit, in: G. Meggle/U. Wes­sels
(eds.), Ana­lyomen 1, 1994, pp. 453–463 be­zeich­net da keine abso­lu­te Fragestellung. Es fra­gt
sich, ob es au­ßer­halb der theolo­gi­schen Fra­ge­stel­lun­gen einen objektiven Wahrheits­maß­stab
in re­al­empirischen ‘phy­si­­kali­schen’ Daten oder auch nur ‘Proble­men’ geben kön­ne. Er wird mit
ganz der gleichen Tech­nik von Ockham aus­­geschlossen. In der jüngeren Forschung gibt es oft
32 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

einmal davon absieht, dass die ‘Forschung’ zu Ockham jederzeit punk­tu­elle, parti-
elle und tangentielle Vergleiche zu moderner Wissen­schafts­­the­orie und gar Theo­rie­
bil­dung einführen und anstellen kann, wür­de es schon denkbar sein, Ockham selbst
einmal ge­gen ‘vergleichbare’ Thesen und Erörte­run­gen zu isolieren und seinen Wert
davon abhängig zu machen, dass hier Befunde möglich wä­ren, die danach (erst) den
Vergleich zuließen, bzw. le­gi­timierten. Dabei muss auch nicht ein dann für affin oder
kon­trär gehaltenes Comparatum den absoluten Maßstab abgeben.64 Die exak­ten
Wissen­schaf­ten, die die­ses Pro­blem der Ab­so­­lutheit, der Vollkommenheit (technisch
oder ideell) bereits für ihre Systeme sich stellen, sei es innerhalb fort­lau­fen­der Arbeit,
sei es bei geschichtlichem Rück­blick, haben uns nicht affir­ma­tiv beschieden.65 Es wird
aber bei Ockhams Rationali­tät, wie bei al­len Wissenschaften und deren rationaler
Formation, den wissenschaftlichen oder philosophischen Sprach- und Aus­drucks­ana­
ly­sen, eine Fra­ge sein, wie sie sich zur Ethik ver­hal­te.66

Erörterungen, die wie sie eingelei­tet wer­den, ihres Ertrags nicht sicher sein können; es sei denn
man sähe ihn in den fast stets dubitati­ven Erwä­gun­gen selbst. Zur analogen Behandlung von
Religion und ‘Physik’ cf. auch Kap. 7: Form­be­griff und reale Wahrheit, Kap. 8: Glaube und
Welt. Im Vorhof der Na­tur­philo­so­phie.
64. Ockhams Operationen selbst können, wenn sie systematisiert und vereinheit­licht wurden,
nicht durch den in­nerscholastischen Vergleich ihren absoluten oder idealen Charakter ge­win­
nen oder verlieren, wie wenn sich so ei­ne Klärung über den absoluten oder bedingt absoluten
Wert von Argumenten, Be­weis­­gän­gen usw. gewinnen lie­­ße. Ockhams Argumentationsart wird
passim in dessen nach Ord. d. 4–8 darzustellenden Refutationen der Er­klä­rungen, die Thomas
von Aquin und Duns Scotus den grundlegenden christlichen Glaubenssätzen, die es­sen­tia di-
vina und den darin anzutreffenden Bezie­hun­gen der göttlichen per­so­nae, gewidmet haben,
in Bezug auf ihren scholastischen Kern und die Referenz zur Ontologie deutlich werden. In
manchen Arbeiten wird der scho­lasti­sche, methodologische, philosophische oder einfach ra-
tionale oder intel­lek­tu­el­le Vorteil oft nicht bei Ockham, sondern bei an­deren Scho­la­stikern
gesehen: z. B. E. Karger, William of Ockham, Walter Cha­tton and Adam Wode­ham on the Ob-
jects of Know­led­ge and Be­lief, in Vivarium 33,2, 1995 pp. 171–196. Mit demsel­ben scholas­ti­­­schen
Perso­nal M. Lenz in der Arbeit Anm. 58. F. Amerini, What is Real? A Reply to Ockham’s On­to­lo­
gi­­cal Pro­­gram, in Vi­­va­ri­um 43,1, 2005 pp. 187–212 spricht von einem „reduced realism“ (p. 210),
E. Kar­ger, Men­tal Sen­­tences Ac­cor­­ding to Burleigh and to the Early Ockham, in Vivarium 34,2,
1996, pp. 187–212 sieht Bur­leighs ‘na­tu­ra com­mu­­nis’ und Ockhams unive­r­sa­le als ‘fictum’ als
verwandt an und letz­te­res für die ‘Kon­zep­tion’ oder Idee von men­tal sentence stehen.
65. T. S. Kuhn, 1962 dt. 1967 verneint die Möglichkeit. H. Wang, Sko­­­lem and Gö­del, Nor­dic
Jour­nal of Philo­so­p­hi­cal Lo­gic Vol. 1, No. 2, 1933 pp. 119–132 rekurriert auf „begrün­de­te“ Par­
tikularlösungen.
66. D. Perler, Emotions and Cognitions. Four­teenth-Cen­tu­ry Dis­cus­si­ons on the Passions of
the Soul, in: Vivarium XL,2 2005 pp. 250–274 will den mit­tel­a­lterlichen Menschen direkt und
insgesamt und bezieht sich exempla­risch auf Ockham und Wodham; er referiert für ersteren
gewiss nichts, was dieser tech­nisch un­ab­­hän­gig von sei­­nen Ar­­­gu­mentationen vortrüge, also
gerade nicht als unvorgreifliche Anthropologie. Ob mittelalterlich obligate oder in­­di­vi­­­du­elle
Einleitung 33

Meinungen in seine Beweisdiskurse eingehen, ist zu fragen und ob, gäbe es sie, die Be­weis­
form, da­von affi­ziert, letzt­lich definit oder absolut bestünde. G. J. Etz­korn, Ockham’s View
of the Hu­man Passi­ons in the Light of his Ph­ilo­sophical Anthropology, in: W. Vos­­sen­kuhl u.
R. Schönberger (eds.), Die Gegenwart Ockhams, 1990 pp. 265–287 zielt hypothe­tisch auch auf
Ockhams Wesensart und Nei­gun­gen. Im Übrigen han­delt er von den bei­den Sphä­ren des sen-
sus und des intellectus. Wo Ockham die Argumentation kennzeichnet, ist der Ver­stand betrof-
fen. An Etzkorn knüpft an V. Hirvonen, Passions in William Ockham’s Psychology, 2004. Von
ei­ner tiefen Verflochtenheit von Ockhams Intellektualität und Gesinnung ging sei­nerzeit aus
J. Miethke, Ock­­hams Weg zur Sozialphilosophie, 1969.
kapitel 1

Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham

Denkt man über das Verhältnis der Begriffe im Satz oder in Sätzen nach, sei es um
diese zu klassifizieren, sei es um Erkenntnisarten (deren Legitimation) zu beschrei-
ben, so kommt man nicht umhin, dieses Verhältnis der Begriffe in ‘Parallelität’ zum
Satz zu set­zen, ja es als des­sen Struktur autonom zu machen oder doch wenigstens
partiell so zu verste­hen:­ man macht was man in die Struk­tur ver­­legt förmlich zum
Inhalt des speziellen Satzes. Es ist dann für die­sen Satz zu be­wei­­­sen oder abzulehnen,
was der Satz und mit ihm das Den­ken, wenn es denn da­rin statt­­­­­­finden soll, sein und
vorstellen können soll. Ockham je­den­falls hat ei­nem sol­chen Prin­­­zip gehorcht und in
Johannes Duns Scotus ein Vorbild oder einen Vor­gänger ge­habt, der indes, unbewusst
oder programmatisch, Erkenntnis weidlich als deduk­ti­ve ver­­­stand und hier in der
Form des analytischen Satzes ausprägte, bei dem der Sub­jekt­term, gleich­­­sam das Prä­­
di­­kat ‘ent­hält’ und beide inhaltlich quasi übereinstimmen oder von­ein­an­der ab­­­hän­­gig
sind: das eine wie das andere gewissermaßen in Übereinstimmung miteinan­der.
Ockham hat dazu unter anderem wie folgt negativ, i.e. bestreitend, Stellung bezo-
gen: „… cum dicitur quod subiectum primum continet propositi­ones immediatas,
quia subiectum ea­­rum continet praedicatum, dico, sicut probatum est prius, quod nec
subiectum continet pri­mo praedicatum nec notitia subiecti continet primo notitiam
praedicati, secundum quod ipse ex­po­nit ‘primo continere’, quia ad ista habenda re-
quiruntur distinctae rationes cognos­cen­di, se­cun­dum istum Doctorem.“ Gemeint ist

. Cf. G. Patzig, Bemerkungen über den Begriff der Form, Archiv für Philosophie, 9/1–2, Stutt­
gart 1959. pp. 93–111. Patzig (p. 94) zitiert Kant „von dem der Satz stammt, das Formale in
un­­­­­­­serer Erkenntnis sei das haupt­säch­lich­ste Geschäft der Philosophie.“ Doch soll Ockham in
dieser Arbeit von keinen anderen Philosophen her an­ge­gangen werden, weder von Kant noch
von Aristoteles oder Thomas von Aquin oder Duns Sco­­­­­tus her. Auch nicht von ir­gend­wie oder
sogenannt allgemeinen Fragestellungen der mittel­al­ter­li­chen Philosophie her.
. E. Gilson, La philosophie au moyen âge, De Scot Érigène à G. Occam, Paris 1925 p. 228 sagt,
Duns Scotus hal­­­te am syllogistischen Beweis fest. Im Traktat „De primo principio“ (ed. et comm.
W. Kluxen, 1974) steht die aus­­­sa­gen­lo­gische Beweisart je­doch im Vor­dergrund. Im Gesamtver-
folg seines Be­weisvorhabens nimmt Duns Sco­­­­­­tus schon geführte Be­wei­se je auf (integriert sie
also) und ver­knüpft sie so miteinan­der. Ob dabei das Sco­ti­sche Beweisvorhaben wirklich ganz
einheitlich sein könne, muss diskutiert werden.
. Ord. Prol. q. 9 OT I 1 p. 262 lin. 5–16.
. Zur Natur der propositi­o immediata s. Kap. 3: Zum Verhältnis der Satzformen.
36 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Duns Scotus. „Si­mi­liter, aliquando praedica­tum est per­fectius quam subiectum, sicut
declaratum est, ideo etc.“ Ein praedicatum, z. B. bea­tifica­bi­lis kann ‘nobilior’ sein als
das subiectum, z. B. homo in dem Satz ‘homo est beatifica­bilis.’ Das Prädikat kann
damit auch nicht aus dem Subjekt deduziert werden. Auch der potentiell em­­­piri­sche
Sachverhalt ist ebenfalls nicht, im Sinne des Begriffsgebrauchs, also förmlich em­pi­
risch, de­du­zier­bar. „Dico etiam, sicut declaratum est, quod non semper ter­mini con-
tinent vir­­tu­aliter no­­­­­ti­t­i­am principii immediati, quia declaratum est prius quod aliqua
principia im­me­di­­a­ta non cog­noscuntur ex terminis cognitis.“ Diese principia sind
also nicht die sogenannten pro­po­siti­o­nes per se notae, bei denen mit der Kenntnis der
termini auch der Satz selbst ein­seh­bar und eben sein Sachverhalt verstanden werden
kann. Anders wäre der Begriff in seinem vollen Sinn gleichsam ‘ausgedehnt’ im Sinn
des Sachverhalts Basis der Induktion, die quasi auf den Satz nach Form und Inhalt
zu führen hätte. Der Sachverhalt fällt so bei Ockham nicht mit dem Satz zusammen,
wenngleich der Satz als obiectum scientiae seu cognitionis zu den­ken ist. Der Satz
muss, wenn er keine Folgerung (Folge) in sich zulässt oder enthält, für den Sach-
verhalt stehen, indem er eben diese Folgerung oder Folge nicht enthält. Das ist die
Grund­­lage der Urteile Ockhams über kontingente Sätze, die empirische Bedeutun-
gen ha­ben und solche, die per Abstraktion über diese Stufe hinausreichen, z. B. die

. Zur propositio per se nota s. näher Kap. 3.


. In der Weise operiert Wodham und legt so seine Entscheidungen an. Das bedeutet u. a.
dass die distinctio re­a­lis ein Modus des Satzes modo composito, i.e. transempirisch werden
(kön­nen) müsste, i.e. als Teil oder Wei­ter­führung der Abstraktion in diese (den actus menta­
lis oder apprehensivus) gehörte, nicht aber die Grund­la­ge der Begriffsbildung per notitiam
in­tuitivam ausschließlich zu bilden hätte. Ockham verwendet die proposi­tio per se nota mo­
dell­haft für eine Widerlegung im Sinn einer engsten Verbindung heterogener termini, die er
für al­le Sät­­ze insgesamt ausschließt. Die nimmt er für die propositio per se nota an, um diese
derart als au­ßerhalb der Be­­gründung der Intensionalität stehend anzusehen. Er geht also von
kei­ner Iden­­tität in reali oder sach- bzw. ge­gen­standsnah für Begriffe in Sätzen aus. Er kann al­so
Sät­ze im Grund auch nur modal apostrophieren. Das schließt die Begründung des Satzes aus
dem re­­alen Sein aus und ebenso ihre Gleichheit damit aus. Will man das als Er­kennt­nis­ziel
oder Er­kennt­nisgrundlage, wie Wodham und dann auch Nikolaus von Autrecourt, ist man
nicht bei Ockhams Operieren, Erklären, Bestimmen und schließlich Beweisen. Distinkte Rea-
lität, Identität, Überein­stim­mung der Begriffe in reali würden einen Vorgriff auf das Be­wei­sen
darstellen (s. auch Anm. 79 u. 80) und der bei Ockham üblichen Indukti­on widerspre­chen.
Falschheit und Absurdität werden von Ockham nicht, wie von Wod­­­ham und Au­tre­court bloß
unterstellt, sondern nach dem intensionalen Standpunkt re­pro­bativ be­wie­­sen. Das ge­schieht
technisch nicht in analytischer Auslegungsform und nicht secundum tertium non datur.
. Diese Abstraktion beginnt bereits, wenn der Satz und Satzgehalt mit der Gewinnung der
Be­griffe und im Sinn der notitia abstractiva (actus apprehensivus) nach der notitia intuitiva,
bei der die Begriffe im Verstand fixiert wer­den, entsteht. Sie lässt sich tendenziell fortsetzen,
et­wa wenn man erklärt, dass man von Sachgehalten spre­che, die allein Gott betreffend über die
Ebene der creaturae hin­aus­gehoben seien, die al­lein in den Prä­di­ka­ten (con­­notativa) des Sat­zes
noch mitgenannt sei­en.
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 37

theologi­schen, selbst wenn viele dieser Sätze formell als kontingente erscheinen: ‘Fili-
us est incar­na­tus’ etc. Hier werden sie suppositionslogisch – im Sinne der Abschnei-
dung und Bestreitung von Fol­ge­rungen erscheinen, welche, weil sie implizit einer
Abstraktion über die Empirie (Kontin­genz) hinaus entsprechen, einen allgemeinen
Gehalt über die Natur Christi im Sinn der Inhä­renz beinhalten könnten.
Da Ockham für die Satztypen, die er behandelt und für die er seine Aus­­­sagen
macht, be­wei­­­send operiert, müssen seine Beweisgründe (rationes) für den Zusam-
menhang so­wohl wie sei­nen Gegenstand, i.e. die Sätze, die nach ihrer Art bewertet
werden sollen, syn­the­­tische Qua­li­tät ha­­­­ben. Die Klassifikation bedarf also des Be-
weises und dieser muss so­mit ef­fek­­tiv oder quod est idem definit hinsichtlich seiner
Termini sein, das bedeutet: er muss reali­ter oder nä­he­rungsweise induktiv und dar-
in ausschließend sein; es kann nicht ne­ben ihm eine andere und darin kompatible
Meinung geben. Dies macht der Text auch deut­lich.10 Der Sub­­jekt­be­griff ei­nes Satzes
kann virtualiter den Prädikatsbegriff enthalten, denn die­ser kann ja zu jenem tre­ten;
damit ist aber eine Zwangsläufigkeit des Hervortretens und Hin­zutretens der pas­sio
zum sub­iec­tum – noch – nicht gegeben. Die Beweisart Ockhams muss die Induktion
sein: denn er muss den Inhalt im Verhältnis zu einem anderen In­halt, Begriff oder
‘Ge­­gen­stand’ an­schlie­ßen, ohne diesen aus jenem aufzuschließen.11 „Sub­iec­tum conti-
nere virtu­a­liter no­titiam pas­­si­o­nis non est aliud quam subiectum continere virtua­liter

. Es zeigt sich danach, dass die Suppositionslogik konsequentermaßen für Widerlegungen


gebraucht werden kann; sie drückt somit noch aus, dass sowohl intensional wie intentionell ein
Satz nicht im Sinn der Folgerungen determiniert sein kann, die rein für seinen Inhalt und die­
sen betreffend, aus ihm gezogen werden können sollen. Die Sätze, so ließe sich sagen, müs­­sen
notwendig kontingent(e) sein.
. Was können die Begriffe konstitutionell in ihrem Zusammenhang bieten, um eine Folge-
rung zuzulassen? Dies ist eine Frage, die auf die Analysis als Modus der Erörterung oder Folge­
rung verweist. Was müssen die Begriffe konstitutionell in ihrem Zusammenhang bieten, um
eine Folgerung zuzulassen? Diese Formulierung zielt auf die Synthese ab­. Beide Fragen kön­nen
intensional ‘für die Begriffe’ noch einmal gestellt werden. Was be­sagt dann Ex­­­tension? De­ren
Formulierung wird im Gegensatz zur Intensionalität stehen. Die intensionale Fragestel­lung als
nominalistische sieht notwendig von der Extension ab.
10. Ord. Prol. q. 9 OT I 1 p. 244 lin. 16–20.
11. Die Induktion schließt den Wahrheitsfaktor explizit nicht ein. Zu­­gleich nimmt sie den
In­halt, auf den sie sich be­­zieht, nicht im Sinne eines medium extrinse­cum auf. Anders H.
Jung­hans, Ockham im Lichte der neueren For­schung. Referenz und Wah­r­heit bei Wilhelm von
Ock­ham. 1968. Für die Induktion als Methode gibt es Wahr­­­heit und Referenz nicht, wie diese
per se in sen­su acciden­ta­li zu gelten, gegeben zu sein hätte. Induktion ist so mit der Ab­strak­ti­
on ver­bunden. Refe­renz, Kon­no­tation, acci­dens u. ä. geben einen ‘Bereich’ an­­, in welchem wir
nicht for­­schen. Methodologisch es definit gar nicht können. Die Induktion zielt auf die Defi­nit­
heit. Es gäbe sie mit der Intention auf ein ‘realiter esse in se’ nicht.
38 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

pas­sionem. Sed sub­­iec­tum potest con­ti­nere virtualiter passionem, quamvis non possit
cau­­sare notitiam pas­­­sio­nis. Er­go etc.“12
Ockham macht deutlich, dass die empirische Wahrnehmung nicht gleich (gleich-
wertig) der ab­­­strak­ten ist:13 „Tertio, dico quod etiam non semper notitia distincta
subiecti et notitia dis­tinc­­­­ta passionis im­mediate continent virtualiter notitiam illius
propositionis immediatae. Quia, secundum istum Doctorem14 ista est immediata: ca-
lor est calefactivus. Nec est quaerenda alia cau­­­­­sa quare calor est calefactivus nisi quia
calor est calor. Et tamen potest cognosci subiectum distincte et similiter passio dis­tinc­
te et non ista propositio: calor est calefactivus. Ergo etc.“ Das Ganze wird gleich­sam
in dop­­pelter Ausführung gegeben. Denn es folgt dort:15 „Assump­­tum patet: quia si
aliquis videret calorem intuitive per intellectum et cog­nosceret quod sol ca­le­­­faceret
ista inferiora, si numquam cognosceret per experientiam quod calor pro­duceret calo­
rem, quia nullum calefactibile esset sibi approximatum, talis non plus cog­nosceret
evidenter quod calor est calefactivus quam quod albedo est productiva albedinis. Et
ita notitia distincta sub­­iecti et passionis non sufficiunt ad notitiam talis propositionis
imme­diatae.“16

12. Die Stelle findet sich Ord. Prol. q. 9 OT I p. 244 lin. 16–20. Ein völlig induktiver Beweis
ib. p. 244, lin. 22 – p. 245, lin. 2: „Secun­do dico quod subiectum non continet semper virtua-
liter passionem, quia fre­quenter passi­o­nes sunt quidam con­cep­tus res­pec­tivi, secundum ali-
quos (Joannes de Rea­ding, zuvor zit. p. 131, lin. 2–19.) vel con­no­ta­tivi, secun­dum alios, (Ed. ib.
Anm. 1: Ut ipse Ockham, supra p. 139, lin. 5–12; cf. Etiam Petrus Aureoli, Scrip­­­­tum, I, I, d. 88,
Sect. 23, nn. 189–195 – ed. E. Buy­taert, II, 1025–1129.) et important aliqua quae non conti­nen­­­tur
virtualiter in subiecto; et ita nec illi conceptus continetur virtualiter in sub­­­iecto.“
13. Ord. Prol. q. 9 OT I 1 p. 245, lin. 4–10.
14. Duns Scotus, Quaestiones in Metaph. Aristot., I, q. 4, n. 18 – ed. Wad­ding, IV, 534.
15. Ord. Prol. q. 9 OT I 1 p. 245, lin. 11–18.
16. Mit dem abstrahierten Begriff kann nicht die Idee von Kausalität als realer in Bezug auf das
was das Satzprä­di­­­kat nennt oder konnotiert, was also mit ihm zusammen auftreten kann, ver-
bunden werden. Es wird so auch kei­ne Kausalität als in re geschöpfte ausgedrückt. Aber vermö-
ge zusätzlicher empirischer Erfahrungen, die mithin als hinzutretende immerhin möglich(e)
sind, kann Kausalität unterstellt, zugestanden werden. Das gilt für jeden ab­­strahierten Begriff,
für calor wie für die hier vergleichend genannte albedo. Die Vorstellung, sie bewirke Kau­sa­­
li­tät oder wirke kausal, kann nur als absurd betrachtet werden. An diesen Fall wird also die
Tatsache, dass auch die calor es nicht könne (bzw. die diesbezügliche oder die negierte Tat-
sachenbehauptung) herangebracht. Beide (ca­­lor und albedo) sind natürlich Relationsbegriffe
und die Absurdität ist ein Komplement der Kontingenz. Denn wir können für sie oder ihre
Gegenstände nichts ausdrücken, was als abstractum ihnen konkret gleich wäre. Das ist die
Bedingung der Abstraktion bei Ockham. Es erklärt Widerlegungen und consequentiae falsae,
fallaciae etc. Die Absurdität, die Nikolaus von Autrecourt den scholastischen Sätzen, mit der
Meinung, sie dadurch dis­kre­­­­di­tie­ren zu können, unterstellt oder nachweisen möchte, ist also in
Wahrheit diesen nach ihrer Genesis bereits ein­be­schrieben und nahe: sie ‘entspricht’ ihnen be-
reits in ihrer rudimentären suppositionslogischen Charakteri­sie­­rung mit Hilfe des Begrif­fes als
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 39

Die notitia-Ebene bezeichnet nun diejenige, in welcher die Begriffe gemäß ihrer
Zusammen­fü­­­­gung (compositio, complexio) gewertet werden können. Wenn Einsich-
ten (Erkenntnisse) de­­­­­­klariert werden können sollen, welche mit ihrem Wert genea-
logisch und seiner Dependenz aus der notitia intuitiva festgelegte empirische oder
natürliche Erkenntnis übersteigen können sollen, entweder ‘inhaltlich’ (thematisch
im Sinn ihres Gegenstands, z. B. Gott) oder in dem Sin­­ne pragmatisch, dass sie einen
natürlichen Status des Menschen nicht mehr entsprächen, et­­­wa nach der visio beati-
fica, dann beziehen sie sich auf die Ausgangs- oder Grundlage der Er­­kennt­­­­nis in der
Empirie (notitia intuitiva) bloß noch so, dass sie, wenn die Begriffe unter sich ei­ne
grund­­­le­gen­de Differenz enthalten und begründen, ihrerseits inhaltlich in ihrem Ver­
hält­nis zu­einander durch Induktion be­grün­det werden können.17
Dass aus einem Begriff nicht auf einen anderen gefolgert werden könne, ist bei
Ockham ste­hende Ansicht, etwa wie folgt ausgesprochen:18 „dico quod non est de ra-
tione subiecti con­­­­­­­­­­ti­­ne­re virtualiter passiones, sicut declaratum est.“ Ebenso sind auch
nicht die con­­clusiones der Syl­logismen, die mit dem Aristotelischen Ausdruck ‘scien-
tia’ (ἐπιστήμη) heißen, Teil und ‘Fol­­­­­­­­­ge’ des subiectum se­cun­dum suam rationem. Für
Ockham schließt die virtuelle Kennt­­­nis ei­­nes Prädikats aus dem Subjekt nicht dessen
wirkliche ein. Dieses gehört folglich auch nicht zur ratio subiecti. Sollte das Subjekt

terminus, i.e. wenn wir sie als den res gleich oder nahestehend denken. Die Ab­­surdität steht am
Ende bei der der Schlussfolgerung, die für Ockham ja bei den contingentia nicht katego­risch
aus­geschlossen ist, d. h. für den kontingenten Satz in diesem Sinn nicht ausgeschlossen werden
muss; sie steht beim consequens überhaupt. Denn das consequens ist nicht ohne weiteres oder
gut folgerbar. Das zeigt schon die Konstruktion der demonstratio potissima durch Ockham:
sie ist die am ehesten und meisten intel­lek­­ti­ve intensio­na­le Gestalt des syllogistisch verfassten
Beweisens.
17. Die Argumentation geht vom Status einer Diminution aus, die sie mit einer Behauptung
ausgleicht und in­duk­tiv opti­miert. Es wird eine förm­li­che (ver­bor­­ge­­­ne) Ab­schwächung, an
deren Stelle man eine unangreifbare Po­si­ti­­on gesehen haben mag, die aber nicht auskultiert
war, durch eine Optimierung er­setzt und aus­gegli­chen. Indem diese zugleich ein Ideal aufstellt,
gleicht sie eine Erkenntnis nach ih­rem Mit­tel ab; sie setzt dieses als de­fi­nit und behauptet sie
auch nach ihrem bloßen Cha­rak­ter des Mittels. Mit diesem ge­winnt sie ih­ren Vor­teil. Sie ver­
mag al­­so etwas auf den Mittel­charakter, dessen Wert ergebend, zu redu­zie­ren. Ei­ne solche Statu­
ie­­rung des Mit­tels, den Be­griff, den Satz oder neu­traler, den ac­tus ap­pre­­­hen­sivus betreffend,
bietet Ockham. Den No­mi­­na­lismus be­zeichnet dann nicht die Singularität der Erkenntnisda-
ten in sich (wie U. Eco glaubt). Dort liegt die Minderung (Ab­schwächung). Auch die notitia
intuitiva bei Ockham bezeichnet bereits die im Sinn des Real­be­zugs nicht voll­kommene Adap-
tation, ist also Reduktion. Darüber er­hebt sich kom­pen­sie­rend die no­ti­tia ab­stractiva, wäh­rend
die notitia intuitiva als Minderung das Mini­mum kriterienartig angibt, das nicht unter­schritten
werden darf; sie vertritt die Inkonsistenz. Wo die notitia intuitiva nicht unterstellt werden kann,
wurden die mensch­li­ch empi­ri­­schen Begriffe nicht signi­fi­kant ver­wen­det, jene, die an der von
Gott geschaffenen Welt zu gewinnen waren.
18. Cf. Ord. Prol. q. 9 OT I 1 p. 246 lin. 5ff (Ib. lin. 4: Quid est de ratione primi subiecti?).
40 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

das Prädikat oder mehr noch die conclusio seu sci­en­tia de facto und real einschließen
können, weil es virtuell zugestanden wird, dann müsste das Virtu­el­­­le das ja wohl in
Einheit mit dem Widerspruchssatz tun, formell also nach dessen Gel­­tung real sein
und reales Enthaltensein bedeuten, das wir an der Realität messen könnten. Wir hät­
ten niemals das Reale (oder reale Enthaltensein). Wir reflektieren aber gar nicht auf
das – for­melle – Enthaltensein der Begriffe ineinander und stützen uns auch nicht
darauf:19 „Nec est de ratione subiecti quod eius notitia prin­cipaliter intendatur in
scientia, quia principa­li­ter in­ten­­ditur notitia totius propositionis. Si­mi­li­ter, aliquan-
do subiectum aeque perfecte prae­cog­nos­citur, sicut luna non per­fectius co­gnoscitur
quia scitur quod eclipsatur, sed aliquid ali­ud cog­noscitur de ea quod prius non co­
gnoscebatur.“20 Ockham muss, wenn unmittelbares Ent­­haltensein der Begriffe (oder
auch Sätze) ineinander von ihm nicht angenommen wird, für deren Charakter wie
Bestimmung „Relationen“ anset­zen, die alsdann, weil sie Bezüge (im Prin­­­­­zip Inhalte,
Effekte, deren Belang usw.) nicht auf glei­cher Ebene bedeuten können, von diesen
Bezügen in einer gewissen Weise getrennt wer­den müssen. Diese werden gemeint,
in­dem sie nicht aus ihnen (als Relationen) entwickelt wer­den können.21 Die Art der
Verknü­p­fung zwischen den verschiedenen Ebenen, also Rela­ti­o­nen und die ‘Gegen-
stände’, Elemente, sin­­gularia, items usw. auf die sie verweisen, könnte die Indukti­on
sein. Dazu müssen aber die Fol­geinhalte der unteren Stufe in der Art präpariert er-
scheinen, dass die Induktion darauf sich als Abstraktion erheben kann: sie müssen
eine Ne­ga­tion, eine Be­schneidung, eine Diminution etc. enthalten. In diesem Sinn
hätten sie als wahr zu gelten.22

19. Ib. p. 247 lin. 6–11.


20. Macht Duns Scotus hier überhaupt Unterschiede zwischen Begriffen, Begriffsarten und
dann Satzarten, bzw. Begriff(en) und Satz? Die Nicht­un­ter­scheidung schließt da wahrschein-
lich die von mental (intensional) und ex­tramental schon ein. Duns Scotus könnte damit jeder
Ar­gu­mentation einen ontolo­gischen Grund geben, der rein in abstractis schon im­mer Grund
für den Gehalt und die Geltung der Begrif­fe wä­re, sie, wo er sie benötigt und wie er sie verwen-
det, für synthe­ti­siert (hergestellt) hal­ten könnte. Ockham leistet dies abstrakt und ar­gu­men­ta­
tiv wirklich, wobei er zwischen den vorder­hand empirischen Begriffen einer ersten Stufe und
so­l­chen, die re­fle­xiv diese Begriffe in ihren Sät­zen betreffen, unterscheidet (no­ti­tia, ha­bi­tus,
cau­satio, ratio, Relationsterme).
21. Das müsste logisch nicht notwendig im Sinn der ‘Folgerung’ aus ‘Inhalten’ geschehen. Es
ließe sich denken, dass eine „Erscheinung“ (‘Präsentation’) in eine andere „operativ“ über­führt
werden könnte. An solche Schema­ta ist im Bereich der Scholastik nicht gut zu denken. ‘Impli­
ka­­tion’ müsste womöglich neu gedeutet werden, etwa wie es für den mathematischen Intuitio-
nismus Brouwers durch Beth, Heyting u. a. geschah.
22. Die Idee schon bei A. N. Kolmogorov, On the Principle of the Excluded Middle, 1925 in:
J. van Hei­­jenoort (Hg.), From Frege to Gödel. A Source Book in Mathe­ma­tical Logic 1897–1931,
2002 pp. 416–437. Wahr sind in diesem Sinn auch al­le kontin­gen­ten Sätze, bei denen das Ver­hält­
nis der Begriffe, subiectum (s) und passio oder Prä­­­­dikat (P), nicht im Sinne einer Verbindung
beschrieben wer­­den kann. Geschähe das nach re­a­lis­tisch gedach­ter inhaerentia accidentis in
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 41

In der Induktion wird die Extra­po­­­la­­tion auf die Major vorgenommen. Es muss
für sie aber auch unterstellt werden, dass die Sätze des Syllogismus, die zur Extrapo-
lation der Major füh­ren, auf Begriffen fußen, die hinsichtlich ihres Inhaltes un­wan­del­
bar sind und einen bzw. ih­ren Gegenstand treffen (können). Sie ‘betreffen’ ihn damit
gänz­­­lich und vollständig. Ist das nicht der Fall, so ändert sich die opinio, die über den
Wert und notwendi­gen Charakter einer das Verhältnis der Begriffe in einem Satz an-
zunehmenden opinio zu lauten hat. Das gibt den Ge­genstand von Ockhams Disputen
und Widerlegungen bezüglich der opi­niones an­de­rer Scho­lastiker ab, eben auch des
Duns Scotus. Es muss sich natürlich dabei um Sätze eines refle­xiven Gehalts (oder
Inhalts) handeln, die wiederum Sätze einer unteren Kategorie von prak­tisch empiri-
schem Gehalt oder Inhalt betreffen und sie kategorisieren oder klassifizieren, frei­lich
in der Form des Prinzips und eben per Beweis zu verteidigen oder anzugreifen. Es
muss allerdings auch bedeuten, dass dann die Begriffe der Sätze der unteren Ordnung
nach ihrer Art zumindest, wenn nicht reell nach ihrem direkten Inhalt, irgendein Ver-
hältnis besitzen, näm­lich dasjenige, das in dem Satz höherer Ordnung für sie reflexiv
ausgesagt wird. Das bedeutet, dass nominalistisch kein Widerspruch zwischen den
Stufen respektive den ihnen zugehörigen Sätzen und Satzarten sein darf.23 Induktive
Schlüsse sind je­doch un­ab­hän­gig von dem realiter faktisch ge­setz­ten Inhalt.24 Es geht

subiecto seu substantia u. ä., so wä­re man un­mittelbar auf ei­ner Stufe der Begriffe und Sätze
und ihres Verhäl­t­nis­­­­ses, bei der was über sie in ei­nem un­echten Sinne formal gesagt würde,
auch em­pirisch in se wahr wäre. Das lehnt Ockham ab.
23. Dabei gibt es indes eine Strukturgleichheit zwischen den beiden Sätzen. Die Satztypen
sind prinzipiell gleich. (Ockham muss schon von der Gleichwertigkeit aller Sätze (Satztypen)
aus­gehen, weil die Be­griffe selbst in sich über ihren Zeichencharakter hinaus, in welchem sie
Definitheit haben sol­len, kei­nen Sinn haben können.) Die Aus­sagen der oberen Stu­fe sind struk­
turell gleich mit de­nen der unteren, die sie intendieren, sei es direkt, et­wa wenn Begriffe wie
causa z. B. ver­wandt werden, sei es so, dass sie reflexiv Begriffe für das ge­brauchen, was die
Begriffe der un­­te­ren Stufe zu sein haben, etwa connotativa, subiectum, passio etc. Der Be­griff
subiectum be­zeich­­net damit nur eine mentale Erscheinung, einen actus mentalis o. ä. Er meint
abstracti­ve nichts anderes, er meint es abstractive. Die Differenz tritt da­bei nur so auf, dass
die unteren Sätze als instantiae der in den oberen ge­troffenen Verallge­mei­nerungen auf­tre­ten
(können). Dann ist eine Widerlegung der Maxime getroffen worden. Das ist nun oft der Fall.
Damit ist das Verhältnis der Begriffe (auch der unteren Stufe) negativ im Sinne der Ex­klu­­sion
einer Ver­­­­­­allgemeinerung, die nicht gelten soll, gegeben, respektive auch im Sinne ei­nes ausge­
schlos­­­se­nen Schlusses – eines Schlusses auf die Empirie. Bzw. ei­nes Schlusses auf die Gege­
ben­heit der empirischen Wahr­heit. Wie solche Wahrheit nicht an­ge­nommen werden kann, ist
am Ende das ‘Schließen’ überhaupt in der Äquivalenz mit der Wahrheit unbegründ­bar. Das
begrenzt auch den Wert von Ontologie. Cf. auch Anm. 44.
24. Cf. Ord. Prol. q. 9 OT I p. 246 lin. 12–18. „Similiter, nobilior est scientia qua scio quod ani-
ma intellectiva est beatificabi­lis, sup­po­si­­to quod hoc sciretur evidenter, quam illa qua scio quod
anima intellectiva est peccabilis, po­si­to etiam quod haec es­set scita scientia proprie dicta.“ D. h.
in einer conclusio, die einen unbedingten Cha­rak­­ter als scien­tia hat, mithin de facto abgeleitet
werden kann, ohne noch in etwa(s) empirisch gestützt oder auch nur em­pirisch denkbar zu
42 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

allein darum, dass im Ver­­hältnis der Teile eine Negation der­­art vorhanden (enthalten)
ist, dass sie intensional den Wert des ei­nen Teils (subiectum) be­grenzt oder beschnei-
det. Ihn also mindert. Damit tritt man an die Stel­le der materiellen Impli­ka­­­tion.25 In
genau dieser Weise ‘folgt’ nichts aus dem subiec­tum als dem einen Begriff oder dem
was wir an seine Stelle setzen: ratio.26
Mit der an sich negativen Feststellung, dass das Subjekt „virtualiter“ sei­ne passio
enthalten kön­­­­ne, ist nicht auf der nächsthöheren abstrakten Stufe auch eine wei­tere
schon gegeben:27 „Non est de ratio­ne subiecti continere virtualiter passiones“, was aber
eben nicht bedeutet, dass nicht das „subiectum con­­ti­ne­at virtualiter passio­nem“.28 Das

sein. Für den weitgehend fiktiven Fall hat Ockham hypothetisch „scientia proprie dic­ta“ an­
genom­men: den Fall des am meisten beweisenden Syllogismus. Hier kann es sich nicht mehr
um rein empiri­sche Sätze han­deln. Aber auch da ist die empirische Geltung nicht ausgeschlos­
sen; sie ist nur nicht not­wen­dig eingeschlos­sen. Sie ist in dem Sinne nicht eingeschlossen, wie
die notitia abstractiva, d. i. der actus ap­pre­hensi­vus, in wel­chem der Satz (oder der Syllogis­mus)
vollzogen wird, seinerseits von der empirischen Wahr­nehmung (notitia intuitiva), in wel­­­­­­cher
die Begriffe gewonnen und verifiziert werden, unabhängig ist. S. Kap. 3.
25. Da hier überall Exklusionen gewirkt werden, muss eine analytische Qualität im Denken
Ockhams ange­nom­­­­men werden (sie ist nicht ausgeschlossen). Indes eine mit syntheti­schem
Effekt. Cf. auch Thesenzusammen­fas­sung am Ende des Kapitels und ebd. Anm. 115: wir haben
eine an einen Schnitt ge­bun­de­ne Exklusion.
26. Dass die Identifikation der ratio subiecti mit dem subiectum zu Fehlschlüssen führe (es
werden darin aber kei­­­­­ne extensionalen Elemente übernommen, die per accidens zukämen und
erst zu fallaciae führen), oder, wie C. Knudsen, Walter Chattons Kritik an Ockhams Wissen-
schaftslehre, 1976, meint, ‘Wis­sen’ vertue, das der Auf­fas­sung des Satzes oder der Be­gründung
der durch den Satz zu leisten­den oder gegeben ‘Erkenntnis’ entspre­che, kann schlussbezogen
nicht behauptet und unterhalten werden. Indem ein Be­griff, in Son­­der­heit einer, der selbst ‘Be-
griffliches’ meint, wie subiectum, durch eine Be­­­­stimmung, z. B. ratio oder notitia, redu­pli­­ziert
werden kann, sind Induktionen möglich, die de facto ei­nen unbedingten Aus­schluss­charakter
ha­ben, wie P. Vig­naux, No­mi­na­lis­me au XIVe siècle, 1958 zu noti­tia intuitiva und notitia ab-
stractiva feststellte. Es geht bei al­len ‘Ope­­ratio­nen’ Ock­hams da­rum, dass der oder ein Ein-
wand nicht möglich ist; er wird so aus­geschlossen, das ent­spricht der mit der Ab­strak­tion zu
(gewähr)leistenden Eindeutig­keit. Fehl­­te es an die­ser, so wä­ren andere Auf­fas­sungen ‘mög­lich’
(für Ockham nicht wirklich); Ockham sucht die zu wi­derle­gen (reprobare) und ab­zu­­wei­­sen
(re­fu­ta­­re). Man steigt vom Be­griff zur opinio über Sätze auf. Die sind nicht als solche in sich
gedach­te Sät­ze. Die pseu­­do-mög­li­chen falschen Auffassungen entlarvt Ockham argumentativ
als pseudo-empirisch. Cf. auch Anm. 36.
27. Ib. p. 246 lin. 5–12.
28. Wir verallgemeinern nicht von einer unteren Stufe im Sinne von deren ‘Negation’ hier ‘vir­
tu­­a­liter’ (als Mo­dus notwendig modo diviso verwandt, da wie der Satz mit ihm zusammen
em­­­­pirisch wahr) derart, dass wir ‘vir­tu­­a­liter’ auf der höheren Stufe übernehmen könnten, wo
‘vir­tu­a­liter’ modo composito verwandt weder induktiv noch analytisch sein kann oder muss.
Die notitiae enthalten sich nicht, wie induktiv über Beispielen klar ist.
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 43

Subjekt bestimmt intensio­nal auch nicht die ‘scientia’:29 „Nec etiam quod ab ipso de-
terminetur et spe­­cificetur scien­tia, quia sub­iec­tum potest esse simpliciter idem re et
ratione et tamen scienti­ae esse distinctae prop­­­­­­ter dis­tinc­­tionem passionum.“ Eben­­­­so:
„Nec est de ratione subiecti quod a subiecto scien­tia habeat su­am dignitatem, quia
subiecto ex­sistente eodem, propter maiorem nobilitatem uni­us passio­nis quam alte-
rius pot­est una sci­en­tia esse nobilior30 quam alia.“31 Wir müssten, wenn wir mit dem
Modus ‘virtualiter’ gleichbleibend von der einen Stufe auf die andere gehen woll­­­­­­­­­­­­­ten,
eine fallacia ausführen: wir haben was potentiell essentiell gelten müsste, fak­tisch als
accidens (re­la­ti­onal) gesetzt.32 Das accidens übersteigt hier die essentia.33 Wir haben
also mit Ockhams Vorgehen nicht zwangsläufig die Stufen verwischt und vermischt.34
Der Mo­dus, der modo di­viso in einem Satz auftritt, kann dessen Wahrheit in se nicht
besagen, so wie es für die­sen keine Wahrheit per essentiam und in der Entsprechung
zu essentia gibt. So sind ja die kon­­tingenten Sätze bei Ockham ausgelegt und verstan-
den worden. Der Mo­dus modo diviso ver­standen ist wie der kontingente Satz nach
dem Suppositionspräskript wahr, in­dem die s und P deiktisch (demonstrando idem pro
quo extrema supponunt) dasselbe obiectum mei­nen. Virtualiter hat nun in sich einen
ne­ga­ti­ven Akzent. Wir wissen nicht, was ‘continere vir­tuali­ter’ heißen kann, können

29. Scientia = syllogistica con­clusio. Ein Satz (!) Er trägt als actus ap­pre­hensivus das Wissen.
30. Der Ausdruck ‘nobilitas’, ‘nobilior’ hat eine relationale Komponente, welche die beweisfä­hi­
ge (induktive) Wahr­heit in der Empirie übersteigt und daher nicht innerhalb dieser ausge­wie­
sen werden muss. Er ist rein appel­la­tiv. Der Beweis damit persuasiv. Die Theologie als (Wis­sen
und Wissenschaft) ist nie empirisch, immer nobi­li­or! Das ‘nobilior’ gilt immer, gleich­­gültig ob
die Ordnung der scientiae faktisch wäre, etwa ob es hier eine Stu­fung geben kön­ne oder nicht.
Der Begriff ‘nobilior’ muss nicht ausgewiesen werden. Wir können es nicht! Da­mit ist er in ei-
nem gewissen Sinn analytisch definiert worden! (Wir müssen ihn ja auch nicht ex empiricis re-
bus schö­pfen oder erzeugen, definieren, synthetisch präsentieren und ge­währ­leisten können).
31. Cf. Ord. Prol. q. 9 OT I 1 p. 236 lin. 17–19.
32. Wir hätten dann entgegen der Abstraktion eine größere Reichweite gesetzt. Es ist nicht un­
wahr­scheinlich, dass Duns Scotus in dieser Weise seine ‘Abstraktionen’, Konzepte und Kom­ple­
xe stiftet. Sie sind dann ebenso onto­lo­­­­­gisch wie diffus erkenntnistheoretisch statuiert wor­den.
33. Mit der forma accidentis nimmt Ockham einen solchen Fall an. Cf. Ord. d. 17 q. 5 OT III
p. 491 lin. 11ff.
34. Wir kommen daher auch nicht notwendig zu Paradoxien (Aporien). Die vermeidet
Ockham mit seinem No­mi­nalismus und zwar schon hinsichtlich der Fragestellung. Bei Wod­
ham kommen wir ihnen (in einem Falle) na­he. Wir haben in Aporien, Antinomien, Parado­xi­en
kei­ne besonders tiefe Einsicht. H. Blu­­men­berg, 1966 ma­chte sie nach dem Widerspiel von la­
ten­ter Ir­ri­ta­ti­on und scheinbar of­­fenem Irrsinn zum Schlüssel der philosophi­schen Ge­gen­­stän­
de und be­griff Phi­loso­phie und Geistesgeschichte als Bekun­dung von Vexation, da be­son­­ders
Ockhams No­­mi­na­­lis­mus. Dieselbe Stellung der Aporie bei Th. W. Adorno, Zur Me­ta­kritik der
Er­kennt­nis­theorie. Studi­en über Husserl und die phä­no­meno­logischen Antino­mi­en. 1956, id
Ne­gative Dialek­tik, 1966.
44 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

die An­nah­me aber wahrheitsbezogen im Sinne des Supposi­ti­ons­prä­skripts machen.


Wir können den­sel­ben Mo­dus aber nicht modo composito von einem hö­­­he­ren Satz
prädiziert und den Satz der unteren Stufe reflexive betreffend – ob­wohl der Modus
mo­do diviso die Wahr­­­­­­­heit des Satzes „ausge­drückt“ (mitge­tra­gen) hat – so annehmen,
dass er die Wahr­heit des Satzes angäbe oder ihn nach seinem Wahrheitsstande definit
zu bezeichnen vermöchte. Da das wider die Induktion ist, muss Fol­ge­rung qua De­
finitheit überhaupt aufge­ge­ben wer­den. Fol­ge­rung und Wahrheit kön­nen nicht mehr
die Qua­li­tät des Satzes sein, we­nig­s­tens, qua De­fi­nit­heit (vermöge und in Be­zug auf
die De­finitheit) nicht, wenn sie zusam­men­stehen sol­len.35 Die Konsistenz muss al­so
außerhalb der materiellen Implikation ange­sie­delt sein oder beste­hen. Die Negation
(Min­de­rung) des em­pirischen Gehalts, der die/eine Ab­strak­tion per Induk­ti­on oder
persuasio er­gibt, be­deu­tet, dass der abstrakte höhere Inhalt mit dem empi­ri­schen un­te­
ren kompatibel sei. Die Ver­wen­dung des Modus modo diviso und die mo­do com­po­­sito
in Be­­­­zug auf die­sel­be Stufenanordnung sind inkom­pa­ti­bel.36 Es ist eindeu­tig, dass eine
solche Un­ter­schei­­dung bei Duns Scotus nicht gemacht oder nicht ein­ge­halten wer­­den
kann. Das muss be­sa­­gen, dass er entweder über keine gültige Ab­straktion ver­fügt
oder diese anders an­ge­legt wer­­den könne. Die so bezüglich der Abstrakti­on auftreten­
de Un­ter­schei­­­­­­­­dung aber geht zu Las­ten der Implikation als einem unanfechtbaren
Verknüp­fungs­­zei­chen oder In­di­kator von Fol­gerung und Konsistenz.
Neben dem Wortgebrauch von scientia als conclusio im Syllogismus steht der-
jenige von sci­en­­­­­­tia als scientia im Sinne der Gesamtheit ei­ner Disziplin. So in der
berühmten Frage der Scho­­­lastiker: „Utrum theologia possit esse scientia.“ Aber auch da
ist bei Ockham das Mo­dell für den theoreti­schen Beweischarakter syllogistisch. Dabei
kann er die un­un­­ter­bro­­chene Kette von Beweisen und Beweisschritten aufgeben und
aufheben, die vielleicht bei Duns Sco­tus Ma­xime war. Ockham erörtert das Beweisen
selbst in einem ausgespro­chen in­­­­ten­­si­­o­na­len Bezug; er thematisiert das Beweismit-
tel des Syllogismus explizit in sol­chem in­ten­sionalen Sinn. Der Rang des Syllogismus
bei Duns Scotus lässt sich wahrschein­lich we­ni­­ger gut aus­ma­chen. Dabei ist auch der
ununterbrochene Beweisfluss, den Duns Sco­tus viel­leicht anstrebt, bei dem in der Ket-
te der Schritte dessen Teile ineinander greifen oder we­nig­­stens auch fürein­an­der je
inhaltlich bedeutend werden, in Wahrheit zumindest dort un­ter­­bro­chen, wo Duns
Sco­­­­tus neue und eigene ontologische Prinzipien einschleust (intermit­tiert), um den
Fortgang der Argumentation zu sichern. Er spaltet oft Teile aus diesen Maxi­men ab,
die er einzig ver­wen­den will, besondere Deutungen, die er etwa Einwänden, die mit
Hilfe eines sol­chen Prin­zips ‘fiktiv’ gemacht wurden, entgegenstellt: Das ist eine pre-
käre Ab­strak­­tion oh­ne theoreti­sche Gestalt und Fundierung. Sie stützt sich auf eine

35. Anders: die materielle Implikation muss nicht mehr (die) Analytizität oder deren Wahr­heit
bedingen oder be­sa­gen können. Ockham kennt natürlich weiterhin die bona et valida conse-
quentia.
36. Für die Sätze a se kommen beide ‘modi’ infrage. Cf. hier Ockhams Exerzitien bezüglich der
Syllogismen in der SL. Anders wären denn auch Sätze und Begriffe nicht definit. Die mentalia
sind da aber nicht realia. Cf. Anm. 26 o.
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 45

in sich negative Sig­nifikanz und Empirie und setzt ihr die davon absehende abstrakte
Deutung entgegen, die aber dann gar kei­ne Grund­­­­la­ge mehr hat. Das Postulat be-
ruht auf der Ausrede. Das argumen­tum ad hoc ist von der Verallgemeinerung nicht
geschieden. Die Synthesis der Begriffe und An­­sichten ist damit, wie Kant das nann-
te, ‘er­­­schlichen’. Bei den Intermittenzen werden Onto­lo­gie und die ad hoc be­weis­­the­
o­re­tische Klä­­rung ineinander geschoben (vermengt). In der Sco­tischen Be­weis­praxis
herrscht zugleich in­halt­­­lich die ex­ten­si­onale Intention vor, wenn er sei­nen „Got­tes­be­
weis“ in „De pri­­­mo prin­ci­pii“ un­ter­nimmt und mit der Wahl ge­eigneter Be­grif­fe, die
er im Fort­­gang der De­­­dukti­on in einer Ausgestaltung des Bereichs der Prä­dikate dann
fort­führt, hin­reichend grundgelegt zu haben meint.37
Aristoteles hat man dafür gerühmt, dass er die Theorie der Syl­lo­gis­­men, also
die Syllogistik, in Richtung auf die Aussagenlogik überschreite, jene durch die­­­se er­
weitere.38 In den Ana­ly­ti­ken würden die Cha­rak­tere der Syllogismen aus­sagenlogisch
‘be­wie­­sen’. Ockham (SL) schei­det ungültige Syllogismen durch Evidenz aus. Die logi-
sche Verbindung wird dann be­stritten, nicht selbst behandelt. In Ordinationis Prologus
geht es da­rum, dass ein Prototyp des Syl­lo­­gis­­­mus, der sich nur inhalt­lich aus­zeich­­­­­nen
lässt und somit unterscheidet, die sogenannte de­mon­stra­tio potissima, gegen an­de­
re, für weniger beweiskräftig gehaltene Syllogismen des­sel­­ben grund­legenden Typs
herausgear­bei­­tet wird. Dabei ist das Verfahren dies, dass erst ein­mal (drei) Be­stim­
mungen, die die de­mon­­­­stra­tio po­tis­si­ma charakterisieren sollen, gegeben wer­den, wo­
rauf­­hin die Sätze und Be­griffs­­­arten hin­sicht­lich der Erfüllung dieser Bestimmun­gen
und zwar in ihrer Gesamtheit ver­gli­chen wer­den.39 Der Syllogismus, der demonstratio
po­tis­­si­­ma heißen soll, wird so be­handelt, dass er als unabhängig von der realen Erfül-
lung und der em­pi­ri­­schen Wahrnehmung erschei­nen soll oder kann, was bedeutet,
dass er aus anderen Syl­logis­men nicht durch Steige­rung oder Ab­­­än­de­rung ab­geleitet
werden kann.40 Unbedingt kann der Charakter einer Syllo­gis­mus­art rein ana­­lytisch

37. Ockham erörtert reflexiv die Beweismöglichkeiten bezüglich rein intensional verstande­
ner Begriffe; sie wer­­den so gesehen, wie sie dem Verstand angehö­ren sollen. Daneben will
Ockham in­haltlich die einzelnen Be­weise mit ihrem sachlichen Ge­­halt dann nicht notwendig
einer ein­zigen Disziplin zu­rech­nen, sondern wie sie, secun­dum syllogismum eben, vereinzelte
sind, über die Disziplinen hinweg multipel verwend­bar sehen. Cf. A. Zim­­mer­mann, Metaphy-
sik oder Ontologie, 1965. Ockham ver­neint, dass ein Be­weis, der in einem ‘Ge­fü­ge’ stehe, nur
dort und da­mit in einer be­stimm­ten Wissenschaft al­lein seinen Platz habe. Da­mit kann er auch,
wenn er das, etwa induktiv, beweisen kann, noch­­­­mals quasi a fortiori (induktiv!) fol­gern (po-
stulieren), dass wir uns was die sci­en­tia streng und strikt angehe, nur mit scientiae = conclusio-
nes im Syl­lo­gis­mus beschäf­ti­gen kön­­­nen.
38. Z. B. J. Lukasiewicz, „The Logic of Aristotle“, Oxford 11951.
39. Cf. Kap. 3: Zum Verhältnis der Satzformen.
40. Dabei findet auch nicht einmal eine eigentliche Widerlegung statt. Nach Ph. Boehner, Me-
dieval Logic. 1952 p. 82f leitet Ockham Syllogismusarten qua consequentiae auseinander ab.
Ord. Prol OT I nimmt er in der Ten­­den­z den Weg über die notitiae (intuitiva und abstractiva
46 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

damit gar nicht getroffen wor­den sein. Ari­s­to­te­­les selbst hatte dabei ja ei­gent­­­lich ei­ne
Tren­nung zwi­schen direktem und indirek­tem Be­weis gemacht41 und je­nen für stär­­­ker,
für eigent­lich konstruktiv, d.h. die Sache se­cun­dum quid ge­bend gehalten.42 In der

im Vergleich) und kann kei­ne ana­ly­ti­schen Funk­ti­o­nen, Definitionen und Operationen gel-
tend machen. Der rein intensio­nale Charakter der demonstratio potissima als sol­­­­cher kann mit
seinem Un­­terschied zu anderen, bloß extensional aus­legba­ren oder wenigstens nicht explizit
nicht bloß ex­tensi­o­nal aus­leg­baren Satz- und Schluss­for­men (hier Syllogismen) nicht dargetan
wer­den, nicht für Ockham im Kon­­text und wahr­schein­lich überhaupt nicht. Es sei denn man
woll­te Paradoxien in Kauf nehmen.
41. Zum indirekten Beweis s. zunächst Aristoteles, Analyt. Poster. I, 26. 87 a 6. und Analyt. Pr. I
23. 41 a 23 (nach der Übers. von E. Rolfes): „Immer, wenn man etwas durch die Unmög­lich­­­­­keit
erhärtet, schließt man zwar auf Falsches, weist aber damit das, was ursprünglich zur Erörterung
steht, aus der Vorausset­zung nach, wenn bei Annahme seines kontradiktorischen Gegenteils
etwas Unmögliches folgt.“ Der direkte Beweis hat jedoch Vor­rang s. z. B.: Analyt. Pos­ter. I, 25.
86 b 33. Indes muss auch oder gerade unter der Voraussetzung, dass der direk­te Be­­­­­­weis das ti
esti beweise, gefragt werden, ob dann der – konstruktive – Beweis, der ja zeigt, dass die Sache
de facto ist und diese darin aufweist (herstellt), nicht bereits notwendig an­­de­ren als den bloß
logischen Cha­rakter ha­be. Bezüglich Ockhams ‘Konstruktion’ der de­mon­stra­tio potissima, die
ebenfalls an die definitio quid rei an­ge­schlossen ist, lässt sich zei­gen, dass sie von Ockham nicht
logisch abgeleitet wird (cf. Kap. 3) In der Be­­wer­­tung der Sätze weicht Ockham ohnehin von
Aristoteles ab, auch hinsichtlich der Prä­mis­­sen im Syl­lo­gis­mus (I. Figur). Ockham an­er­kennt
Aris­to­te­les als Leitfor­mat und übernimmt doch nicht des­sen qua­lita­tive Be­­weis­hal­tungen. Er
suszipiert ihn über die Abstrak­ti­on. Er korrigiert oder adaptiert aris­­totelische Lehren (Maxi­
men), in­dem er sie auf Kontin­genz und den kontingenten Satz bezieht, wo Aristo­te­les die Not-
wendigkeit unter­stellt oder pos­­tuliert. Er ist mehr als Duns Scotus die Quelle der Lö­sun­­­gen und
Entscheidungen Ockhams. Phi­loso­phen fin­den Leh­ren, indem sie schon exis­tie­ren­­de Ant­­wor­­
ten als Fragen wie­­der­­­ho­­len. Cf. C. J. Burck­­hardt, Richelieu Bd. 3, 1966 p. 139, dass Kants „trans­­
zen­­­­­dentale Dia­lek­­tik in der Kri­tik der reinen Ver­­­nunft in einem ganz be­­­stimm­­ten Sinn noch das
Pro­­gramm des (sic!) pars specialis der Me­ta­phy­sik des Suarez wie­der­gibt.“ Suárez’ Di­stinkti­on
zwischen metaphysica gene­ra­lis und metaphysica specialis tritt schon im 14 Jahr­hun­dert auf:
A. Zim­mer­mann, Allgemeine Me­ta­phy­sik und Teil­me­taphysik nach einem ano­ny­men Kommen-
tar zur ari­sto­te­­li­schen Ersten Philosophie aus dem 14. Jahr­hu­n­dert. Arch. f. Gesch. d. Philos. Bd.
48 H. 2, 1966 pp. 190–206. Danach (p. 191) leitet seinen Ano­ny­mus nicht „der Wissen­schaft­s­­
begriff Ockhams.“ Zu diesem Wis­senschaftsbegriff s. A. Zim­mer­mann, 1965. Nach E. A. Moo­
dy, The Lo­gic of Willi­am of Ock­­ham, 1935 folgt Ockham Aris­to­­te­les ge­treulich und hebt ihn
keineswegs auf­. Ein met­ho­do­lo­gi­sches Be­­wer­­tungsproblem.
42. Man sieht in intensionaler oder mentalistischer Form oder Auslegung ein konstruktives
Ver­­­fah­ren bei Ock­ham. Wenngleich es über Definitionen vonstatten geht. Die Präferenz für
die definitio se­cun­­dum quid tritt dann auch bei Ockham in der Auszeichnung der demon­stra­
tio potissi­ma noch ein­mal auf. Sie findet sich formell auch bei Hobbes oder Leibniz. Nur wird
bei ihnen der Ausgriff auf die Realität extra animam für konstitutiv ge­hal­ten und eben für
zwingend mitgegeben und eingelöst ausgegeben. Es ist der Gedanke der Einlösung, der bei
Ock­ham fehlt. Er würde seine Argumentationsschemata sprengen und prinzipiell wider­legt
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 47

Aus­sa­gen­logik sind die Formeln, die den indirekten Be­weis (reduc­tio ad absur­dum)
tra­­­­gen, Teil des ei­nen Kanons, in dem die Ableitung mög­lich ist.43
Man könnte überdies, die aristotelische Differenzierung und Stufung von di-
rektem und in­­­di­rektem Beweis beibehaltend, sagen, dass der indirekte Beweis, in-
dem er eine Nichtzuge­hörig­keit und Nichtidentität ermittelt und feststellt, ein aus
der substantia ausgeschiedenes Ak­zi­denz, gewissermaßen vermöge des Be­wei­sens a
posteriori, für die Zone der essentia und ihre Eigenschaf­ten durch den Beweis selbst
aufgibt. Das könnte wie­der als intensionales Moment auch des normalen indirekten
Beweises oder reductio ad absur­dum verstanden werden.44 Für Ockham gilt: Das Ak-
zidenz steht der Wahrnehmung und Kenntnis formell nä­her; es ent­­hält die mit der
Wahr­nehmung des subiectum nicht gegebenen ‘Eigenschaften’, die wir in Sätzen von
ihm aus­sagen:45 „Passiones importantes acci­dentia sunt notiores ipsis subiectis, et fere
uni­­­­v­ersaliter actus et operationes ex quibus sumun­tur pas­si­­ones sunt notiores quam
sub­iec­ta. Similiter, forma quae importatur per passionem ma­teriae est per­fec­tior ipsa
ma­teria. Et ex hoc se­quitur quod non est de ratione subiecti quod sit pri­mum mo­vens,
nec quod sit prima ratio mo­­­­­­­­­­­­­­vendi intellectum ad omnem notitiam ad quam in­clinat
talis habitus.“46

werden können. Bei­des ist äquivalent und begründet Ockhams einheitlich mentalisti­sche, auf
die Abstraktion und die Inten­si­o­na­lität aus­gerichtete und in ihr begrenzte Methode.
43. Hier siehe den Streit zwischen logischen Formalisten (Frege, Whi­te­head-Rus­sell, Hil­bert)
und konstruktivis­ti­schen Intuitionisten (Brouwer), in welchem letztere das tertium non da­tur
nicht an­wenden wollen. P. Lo­ren­zen will ihn durch die operative Begründung von Kalkülen
ent­schärfen. Cf. K. Ebbinghaus, Ein formales Modell der Sy­­llo­gistik des Aristoteles, 1964.
44. Aristoteles arbeitet gegen die antike Atomlehre mit ‘ontologisch abgefassten’ Widerle­
gungen. Onto­lo­gie wird so nicht begründet werden können. Darf sie vorausgesetzt werden?
Laut H. G. Gadamer, Antike Atom­theorie, Z. f. d. ges. Naturwissen­schaft 1, 1935, pp. 81–95 hat
Aristoteles vermöge sei­ner bes­­ser begründeten On­to­­­lo­gie eine zeit­wei­li­ge (sic!) Über­legenheit
über Demo­krit be­ses­­sen. Das heißt der Onto­lo­gie zusätzlich eine prak­ti­sche Be­deu­tung zuspre­
chen, was Äquivokation und petitio prin­cipii bedeutet. E. Schrö­­dinger, Nature and the Greeks,
1954, dt. 1955 p. 151 be­tont Demokrits fundamentale erkenntnistheoretische Problemlösung
und hebt zu­­dem auf den be­­grenz­ten und letzt­lich zwei­­felhaf­ten Be­weis­wert bei antiken und
mo­dernen na­tur­phi­­­lo­so­phi­­­­­­schen und phy­si­­­ka­­li­schen An­sich­­­ten oder Erkennt­nis­sen, ja Na­
tur­gesetzen ab. Wahr­­heit bil­de das In­­te­res­­se wis­­­sen­schaft­li­­cher Be­­­­mü­hung, die doch, wie die
philosophi­schen Lehren, oft, gar meist, in Apo­rien mün­de.
45. Ord. Prol. q. 9 OT I 1 p. 246 lin. 23 – p. 247 lin. 5.
46. Hiermit wird auch der Bereich der empirischen Erkenntnisse (auch in der Naturphiloso-
phie) um­schrieben. Gegen ihn wird der Begriff der forma in dem Sinne postiert, wie darin die
per se em­­pirische Erkenntnis (auch im Sinn der Fragmentierung (augmentatio) von qualita-
tes (ac­ci­den­tia), die präzise nicht möglich ist, sich überstei­gen lässt. Mit der forma wird eine
abstrac­tio bezeichnet, in der die spezifisch beinahe ungreifbare akzidentelle Wan­­del­barkeit der
Er­sche­i­nun­­gen auf der höheren Stufe nicht mehr Gegenstand ist. Die „Nahtstelle“ zwischen
sub­stan­­tia und accidens sei nicht erkennbar, sagt schon Duns Scotus, wie Ockham belegt (ib.
48 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Nun muss die Ebene der Empirie und damit auch der Begriffsbildung, die durch
die notitia in­tu­­i­ti­­va erfolgte, in Richtung auf die höhere Stufe der Abstraktion über-
stiegen werden und da­mit gelangt man auch notwendig zu notitia und ratio, die die
Charaktere der Satzarten und die in diesen lie­genden und inhärenten Erkenntnisse
betreffen:47 „dico quod in fine discursus sta­tur ad unum complexum quod fit notum
per discursum et prius erat ignotum, cuius tamen om­nes ter­mini prius erant noti
notitia incomplexa. Unde cum discursus sit praecise inter comple­xa et nul­lo modo
adquiritur inter in­complexa, per discursum nullo modo adquiritur notitia in­com­­
ple­xa cuiuscumque termini, quia quaelibet talis praesupponitur ad finem discur­sus.
Nec et­iam notitia apprehensiva complexi ad­quiritur, quia illa potest praehaberi; sed
prae­ci­se per dis­­­cur­sum adquiritur notitia iudicativa. Verbi gratia qui vult discurrere
a creaturis ad Deum – secun­dum eorum (sc. Scotus und Skotisten) modum loquen-
di – prae­supponit notitiam incom­ple­xam et Dei et creaturae, puta: quid significatur
per utrumque terminum.“ Dass die notitia in­­­­­­complexa potest praehaberi bedeutet
nicht, dass sie besessen wer­den muss. Das heißt: dass die Induktion des Begriffs aus
der Erfahrung in Ansehung äußerer Gegenstände erfolgte. So ist die eingeschränk-
te allgemeine Formulierung mög­­­lich, die durch das Beispiel kreditiert wird. Es wird
bloß eine Fundierung des actus appre­hensivus, wie er hier als comple­xum, das heißt:
satzförmig bzw. auf Sätze sich stützend, ge­sucht; sie geht nicht aus der notitia incom­
ple­­xa, das heißt: der Wahrnehmung und Kenntnis der Begriffe (in­complexa) hervor.
„Potest et­­iam quaelibet complexio formari ante discursum, et ita omnis notitia in-
complexa et etiam om­­nis actus apprehensivus potest praecedere, et non ad­quiritur.“
Nämlich nicht durch den dis­cur­sus, das heißt: den wissenschaftlichen Beweisvoll­zug
(dis­cursus scientificus). „Sed ad­qui­ri­­tur notitia qua assentitur huic complexo ‘Deus est
ens infinitum’, vel ‘aliquid est ens sum­mum’, vel alicui tali.“48
Die fides, die mit den hier vielfach zitierten Sätzen zu tun hat, ist eine opinio.
Eine Meinung al­­so. Sie ist in dem Sinn ein Dafürhalten:49 „Ista opinio est fides, et non
est opinio secundum quod distinguitur contra fidem.“ Der Inbegriff des (höchsten)

p. 236 lin. 11–14): „Prae­te­rea, ista acci­den­­tia, secundum is­tum, distincte co­gnoscuntur a nobis
pro statu isto, et ta­­men de­­pen­dentia sui ad substantiam non potest cognosci in particulari, sicut
nec substantia ipsa a qua dependet, secundum istum Docto­rem“ (Stelle bei Scotus: Quaestiones
in Metaph. Aristot. VII, q. 3 (ed. Wadding, IV, 677s)).
47. Ord. Prol. q. 7 OT I p. 202 lin. 15 – p. 203 lin. 8.
48. Die Beispiele, die Ockham unter der Hand gibt, müssen nicht strictissi­me als Bei­spie­le
für dasjenige ge­nom­men werden, was stringent erst auf der Höhe des Ideals, die­ses un­bedingt
erfüllend, gelten kann (könnte). Evtl. las­sen sich solche Beispiele über­haupt schwer, nur in sel­
tener Anzahl oder potentiell bzw. de facto gar nicht ge­ben. Sie müssen der Ober­linie des Ide­­a­
len nicht so entsprechend, dass sie dessen Sinn dem Begriff nach völlig er­füllten und wie­der­gä­
ben; gleichwohl ist die Induktion als Ausschluss einer unvorgängigen all­gemeinen An­­nah­me
möglich.
49. Ord. Prol. q. 7 OT I p. 206 lin. 21–22.
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 49

menschlichen Er­kennens ist nicht die fides.50 Die fides bezeichnet kein Wissen und
entspricht dem menschengerechten Wis­­­­sen und Erkennen nicht, wie Ockham eben-
da ganz deutlich sagt:51 sie zeugt nicht für die Wahrheit. Es gibt so auch keine Dignität
des Theologen qua Wissen. Wohl weiß der The­o­­lo­ge in der Gesamtbetrachtung der
theo­logischen Materie(n) mehr als der Laie, der den­noch im Ein­zel­fall, bezüglich ge-
wisser credi­bi­lia, mehr wissen mag.52 Die fides begrün­det auch hier keinen (und gar
einen höheren) Wissensbegriff;53 der Theologe und der Laie beziehen sich auf die cre­
dibilia mit einem habitus iudicativus. Es gilt:54 „rationes aliquando generant ipsam (fi­
dem).“ Es handelt sich aber nur um die fides ad­quisita, und die „rationes sunt rati­o­nes
pro­ba­­bi­les adductae pro credibilibus“. Hier mag Ockham fides durch opinio, credere
durch opi­na­­­ri wiedergeben, wobei er den Aristotelischen Satz „Quidam enim credunt
nihil mi­­nus qui­bus opinantur, quam alteri quibus sciunt“ (Niko­machische Ethik, VII,
c. 5) in die­sem, sc. sei­nem Sinne strafft: „aliqui ita firmiter quandocum­que opininatur
sicut alii qui sci­unt.“55 Da­mit steht das Wissen nicht ganz auf der höchsten Stu­fe.56 Es
bringt per se da, wo es den Ge­gen­­stand in den credibilia hat, noch keinen Vorteil;57
erst wo es ihnen entgegen­steht. Zuletzt geht es Ockham um Begrenzung falscher Aus­
legung qua Argumenta­tion.58

50. Ib. p. 206 lin. 2–8.


51. Ib. p. 206 lin. 2–8.
52. Ib. p. 206 lin. 9–11.
53. Der Wissensbegriff bleibt also menschlich fixiert.
54. Ib. p. 206 lin. 19.
55. Ib. p. 206 lin. 20–22.
56. Es kann bezüglich der credibilia nicht notwendig strukturiert werden.
57. Die rationale Wertigkeit der fides adquisita bleibt wie die rationale Struktur der credibilia
unbestimmt. Damit ist auch ihr menschliches Maß unableitbar. Ihre Bedeutung ist ungewiss.
Jedenfalls ist bei Ockham Gott nicht das Maß (mensura) der Dinge, die Konnex mit dem Men­­
schen und damit auch Relevanz für ihn haben. Offenbar folgt die Relevanz aus dem em­pirisch
und induktiv anzusetzenden Konnex. Das macht notwendig die fides infu­sa zu einer gänzlich
unbestimmten Größe resp. Erscheinung.
58. Wenn diese falsche Bestimmung von theologischen Aussagen durch die ontologischen
Mittel bei Duns Scotus und ebenso stark Thomas von Aquin von Ockham refutiert wird, wird
das ontologische Sprachmaterial unter Be­zug auf empirische Vorstellung erst von Ockham re-
duziert und schließlich vermöge der Korrektur per argu­men­tum selbst weidlich abgewiesen.
Cf. Kap. 2: Suppositionslogische Identität und Kontingenz. Theologi­sche Aus­­sage und onto-
logische Explikation werden ex argumento reduziert und erlauben keine Induktion mehr. Das
theologische ‘Wissen’ entspricht der Satzgeltung. Sie kann suppositionslogisch erklärt wer­den.
Die Supposi­ti­ons­­logik kann also mit der Widerlegung weder disparat noch inkonsistent sein.
Sie wird widerlegungsprobat.
50 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Sollte der Subjektbegriff den Prädikatsbegriff eines Satzes enthalten (können), so


wären beide im Sinn der notitiae, die von ihnen möglich wären, zwangsläufig verbun-
den: denn die notitia ei­­nes Begriffs (der dann einen anderen enthält) oder die noti-
tiae der Begriffe muss, wenn der Begriff Einsicht (intellectio) enthalten oder besagen
können soll, dann auch mit dem, was in ihm wahrgenommen oder nach der Bildung
des Begriffs durch notitia intuitiva ausge­drückt und bezeichnet wird, vollumfänglich
identisch sein. Wir hätten sonst einen Gegen­grund ge­gen den Begriff qua Restwert,
nämlich das was nicht in ihm enthalten oder mit ihm wahrge­nom­men worden wäre.
Es würde dem Begriff angehören oder nicht. In beiden Fällen wäre der Begriff in-
haltlich nicht funktionsfähig. Dies verweist auch darauf, dass ihre Verbin­dung (so
wie ihre singuläre Entstehung) nur per Induktion behauptet resp. dargetan oder be­
strit­ten wer­den könnte. Das gilt generell: Die In­duktion, die den Glaubenssatz als
einen su­pra­na­turaliter doch erkennbaren setzt, setzt diesen Glaubenssatz als einen
(formell) empiri­schen für den bea­tus. Damit ist er im Sinne un­se­rer Er­fahrung ausge-
schlossen.59 „(Quinto) ar­guo sic: si subiec­tum sic conti­ne­ret praedica­tum etc., seque-
retur quod cognito aliquo subiec­to quaelibet passio pos­set de eo eviden­ter cog­nosci.
Consequens est simpliciter falsum.“ Davon gilt diese conse­quen­­­­tia: „Consequentia
patet: quia posset haberi notitia passionis vir­tu­te notitiae sub­iec­­­ti, et his habitis pos-
set haberi no­ti­tia praemissarum, et tandem notitia con­clu­si­o­nis. Falsitas con­­se­quentis
pa­tet: quia si sic, omnes tales essent evidenter cognoscibiles: ani­ma intellectiva est
be­­­­atificabi­lis, potest videre divinam essentiam, potest habere caritatem. Quae ta­men
non pos­­sunt cognos­ci na­turaliter sed tantum su­pranaturaliter.“ Ob sie überhaupt
wahr sei­­en, braucht nicht erörtert zu werden.60 Auch die induktive Begründung oder
Wahr­neh­mung eines Sat­zes, ei­ner Prämisse o. ä. schließt nicht deren Wahrheit im
strengsten Sinne ein.61

59. Ord. Prol. q. 9 OT I p. 235 lin. 10–19.


60. Auch ib. p. 236 lin. 21 – p. 237 lin. 2 wird nochmals mit einer solchen consequentia bewie-
sen, deren conse­quens dann sich als falsum herausstelle.
61. Notitia erscheint als ein Sachverhaltsmoment der Abstraktion. Die Induktion entscheidet
da­bei nicht über den Sach­inhalt des Begriffs notitia, i.e. sie schöpft ihn auch nicht aus. Wir ha­
ben bei solchen reflexiven Begriffen, wie notitia, ratio etc., die auch füreinander eintreten, die
al­so fiktiv und partiell, kasual und kontingent einander übergreifen kön­nen, keine im Sin­ne der
ele­­mentaren kontingenten Sätze vorfindliche Struktur von subiectum und passio. Diese wäre
auch widersinnig, weil sie entweder als Kombination von substantia und accidens er­schei­­­nen
müsste oder als empirisch uneinsehbar. Begriffe wie notitia und ratio können nicht em­­pirisch
gefüllt werden. Wir können nur induktiv zeigen, dass sie sind. Was sie sind, kön­­nen wir, wie­
derum induktiv, zeigen, in­dem wir akzidentelle Umstände von ihnen abtren­nen und de­­mon­
strieren, dass sie unter Umständen anders vor­kom­men, als wir es unterstellten. Das ist ei­ne
demonstratio (reprobatio) durch instantia. Das schließt Kausalas­pek­te ein: wir zei­­gen, dass
die causae, auch die notitiae als causae, in variablen Verhältnissen variable, evtl. ge­gen­­sätz­li­
che Wirkungen haben (können). Die Induktion kupiert also den elementaren Satz zwi­­schen
subiectum und passio. Das bedeutet, dass sie auch die Erhebung des elementa­ren Sat­­­zes zur
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 51

Die evidente Kenntnisnahme von actus apprehensivi oder actus mentales kann
diese bloß in se be­­treffen und so, dass deren Auslegung und ihre Bestätigung, bzw. die
Bekräftigung einer An­­­­­­­­­­sicht sie betreffend einzig induktiv erfolgen kann. Sie kann nie-
mals aus inhaltlichen Be­grif­­­­fen deduktiv erfolgen. Wir ge­­­­­hen auf die Em­pirie zu erst
vermöge der Induktion; wir ver­treten nicht von vorn­he­rein skeptizistische Sätze des
Nichtdafürhaltens oder Zweifels. Die no­ti­­­tia subiecti als die no­­titia passionis (omnium
passionum) einschließend würde zu­gleich be­deu­­­­ten, dass die notitia praemissarum
die notitia conclusionis einschlösse. Ockham führt al­so keinen ‘Widerle­gungs­­beweis’,
in welchem gezeigt würde, dass dies (wenn einmal an­­ge­nom­­­­men, dann doch) nicht
sein könnte. Ockham muss auch in genau solch einem Sinn nicht auf die Vorstellung
oder Mutmaßung eingehen, dass das subiectum – als Begriff – die pas­­­­sio als Begriff
in ir­gend­­­­­ei­nem Sinne kausal enthalten könnte:62 „Et quando di­ci­tur quod sub­­iectum
est cau­sa ef­fi­ciens suae passionis, hoc osten­de­tur postea esse falsum.“ Auch in die­sem
Sinn muss er nur em­pi­risch und induktiv dagegenhalten. Denn die veränderliche pas­
sio kann im Sinne des kontingenten Vorkommens ohne das subiectum sein, wie das
accidens oh­ne die sub­stantia. Es gibt ja den kontingenten Satz.63 Dieser kann nicht
aus dem subiectum (oder dem In­halt des entsprechenden Begriffs) in Richtung auf
die passio fortgeführt, erklärt und er­wei­tert werden.
Ockhams Standpunkt gegenüber dem Scotischen lässt sich mit Allgemeinheits­
wert in der un­­­mit­telbaren Zitation des Duns Scotus durch Ockham und seiner Ant-
wort da­rauf bestim­men.64 „Si dicatur, sicut dicit iste Doctor,65 quod anima vel potentia
intellectiva non est nobis na­tu­ra­li­ter cognoscibilis ‘sub illa ratione propria et speciali
sub qua ad talem fi­nem et sub qua est ca­pax gratiae consumma­tae’ et sic de aliis.

Abstraktion verhindert und ver­­bietet, die wir ontologisch vornähmen und für die wir lo­gische
Grund­la­gen haben müssten. Mit den ‘logi­schen Grund­la­gen’ wäre ein abstractum gemeint, das
zu­gleich empirisch zu gel­ten hät­te.
62. Ib. p. 235 lin. 1–2.
63. Der Satz kann insbesondere nicht über die auf der höheren Stufe angesetzten notitiae (sub­
iec­­ti et passionis) be­wiesen werden, die dabei notitiae causae und notitia effectus würden. Cf.
ib. p. 252 lin. 18 – p. 253 lin. 3. und ib. das Résumé p. 253 lin. 1–3: „Et ideo non obstante quod
en­­ti­tas unius esset causa entitatis alterius, non ta­men non oporteret quod notitia esset causa
no­titi­ae.“ Die satzförmig ausgedrückte Erkenntnis/Wahrnehmung (no­titia com­ple­xa) des Ef­fek­
tes müsste für eine Verbindung zwischen causa und effectus als Teil der Begriffe oder Sa­chen
in­telligibel sein können. Nach p. 252 lin. 18–21 wird die causa so Voraus­set­zung ihrer selbst.
Das ist ein Fall von ‘Selbstimplikation’. Die empirische kontingente Erkenntnis von cau­­sa und
effectus begründet keine Im­pli­kation. Solange wir „Selbstimplikati­o­nen“ ha­ben, ist Onto­lo­gie
noch nicht ausgeschlossen. Die Implikation be­­zeichnet so negativ die On­­­to­logie. Die Supposi­
ti­onslogik richtet sich gegen diese „Selbstimplikationen“. Sie hat ent­­spre­­chend ihr Recht durch
Widerlegungen, wie man bei der Deutung der Inhärenz, zur for­ma usw. sieht.
64. Ib. p. 235 lin. 20 – p. 336 lin. 7.
65. Scotus, Ordinatio, I, Prol. q. 1, q. unica, n. 28 (ed. Vaticana, I, 17).
52 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

‘Non enim cognoscitur a nobis anima nec na­tu­­ra nostra pro statu isto nisi sub ratione
aliqua generali, abstrahibili a sensibili­bus’, sub qua non ordinatur ad beatudinem nec
ad visionem divinae essentiae. Et ideo istae pas­siones non pos­sunt a nobis cognosci
virtu­te notitiae subiecti nobis possibilis /§ pro statu is­to. Contra: ani­ma nostra sub
illa ratione est na­­turaliter cognoscibilis vel a se vel ab aliqua na­tu­ra intellectua­li, et
tamen ille finis a nulla natura intellectuali est naturaliter cognosci­bi­lis.§/“66 Ockham
hat da­mit gegenüber Scotus einge­wandt, dass das Verhältnis von subiec­tum (sub­stan­
tia) und pas­sio oder accidens ‘per se’ nicht im Sinne einer zwangsläufigen Re­lation
einseh­bar sei, un­ab­­hän­gig davon, ob und wie­weit die substantia aus empirischer
Wahr­nehmung’ ab­stra­hiert wer­­­den könne oder nicht. Ockham macht für Be­­­­­­griffe
und Aussagen die Induk­ti­­ons­­­vor­aus­set­zung gel­tend. Diese Indukti­ons­­vor­aussetzung
war schon in der Ablehnung der Über­tra­gung der Re­la­ti­on von causa und effectus auf
die Relation von notitia causae und noti­tia ef­fectus mit­­ge­dacht worden: Die Relation
kann nicht auf der höheren Stufe, i.e. als Relati­on, selbst schlüs­sig ge­dacht werden.67
Dabei hat Duns Scotus, wie Ockhams Zitat zeigt, das sub­iec­tum für nicht em­pirisch
gesichert gehalten. Er setzt aber mit sol­chen Begrif­fen (entwe­der) in der De­­duk­tion
an oder wird sie à la fin nicht aus der Deduktion aus­schlie­ßen wollen. Ockham will
diese De­duktion nicht machen. Sie entscheidet also nicht über unser Wissen und be­­
stimmt nicht unser Erkennen. Duns Scotus, der einen abstrakten Wissenszugewinn
sucht oder zulässt, kann, nach Ockham, diesen nicht sichern. Dies wird über die an-
dere Methode Ock­hams sub­stantiiert.68

66. /§…§/ markierte Zeilen fin­den sich nicht in allen Manuskrip­ten.


67. Cf. auch Anm. 61.
68. Duns Scotus kennt weitere ‘nicht beweisbare’, i.e. menschlich (empirisch) nicht in­­telligible
Wahrheiten. Ock­­ham führt sie auf (p. 236 lin. 8–19). Er sieht aber darin nur Scoti­sche Un­ge­­
reimtheit oder Uneinheitlich­keit, da Duns Scotus daneben die Idee der Beweisratio­na­li­tät für
Aussagen aufrecht erhalte, die aus der voraus­ge­­setz­ten Erkenntnis in uns pro sta­tu is­to ent­zo­
genen Medien und Gegenständen nicht abgleitet werden könne. Ock­ham denkt be­­züglich der
Bedeutung und Inhaltsarten von Begriffen und Aussagen mehr als Duns Sco­tus tech­nisch. Er
unterscheidet zwischen der propositio necessaria und der propositio contingens. Pro­positio
neces­sa­­ria ist da der Satz, der aus keinem anderen syllogistisch hergeleitet werden kann.
Ockham kann auf dieser Ba­­sis ei­ne Induktion bezüglich der wissenschaftlichen Er­kenn­barkeit
theologischer Aussagen vorbringen und per­­­su­asiv vortragen (Ord. Prol. q. 7 OT 1 p. 188 lin. 10–
15): „Prae­­terea, non est maior ratio quod necessaria cre­di­­bilia sint scita proprie dicta quam
verita­tes contingentes credibiles sint evidenter notae modo suo. Sed istae non sunt evi­den­­ter
notae; tunc enim posset quilibet scire se esse in caritate, quod corpus Christi est in altari, quae
vi­dentur simpliciter fal­sa.“ Falsch ist, dass wir die (genannten) kontingenten Sätze evident er-
kennen könnten. „Igi­tur ne­ces­saria the­olo­gi­ca non sunt scita sci­en­tia pro­p­rie dic­ta.“ Ockhams
persuasive Formel lautet: ‘Non est ma­­­ior ra­tio quod’. Wir finden in den ‘ne­ces­­­saria’ und den
‘contingentia’ keinen strukturellen Grund für beide Satz­ty­pen einen Un­­­terschied in der Evi-
denz anzunehmen. Dies eben auch bei theologischen Aussagen.
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 53

Der Syllogismus wird von Ockham nicht bloß im Sinne des formellen logischen
Voll­­zugs ver­standen, sondern es wird eine besondere intensio­na­le und intellektive
Kompo­nen­­te in ihn ein­geschlos­sen, die eigens angegeben wird.69 Das ist po­­­tentiell ge-
gen die förmliche Syllogis­tik des Aristoteles.70 „Ad argumentum principale dico quod
Philosophus ibi ex­ten­dit demon­stra­­ti­o­nem ad omnem syllogismum ex necessariis et
prioribus. Sed non omnis ta­lis syl­logis­mus est demonstratio quia si conclusio non sit
dubitabilis non est demonstratio. Si­cut e­nim num­­quam est demon­stra­tio mihi nisi
quando scio conclusionem per praemissas, – ali­ter enim sci­rem de­mon­strare multa
quae credo esse falsa, – ita numquam est demonstratio sim­pli­ci­ter nisi quando scio
conclusionem per praemissas; et ideo dicit Philosophus71 quod est ex cau­­sis con­clusio­
nis.“ Der Beweis erfolgt also aus den Prämissen, die die causae conclusionis sind. „Et
ideo si praemissae fuerint verae et pri­­mae et immediatae et notiores et priores, et ta­
men non fu­e­rint cau­sae conclusionis, – hoc est no­­titia praemissarum non fuerit causa
notitiae con­clusio­nis –, non erit demonstratio.“ Nämlich in dem Beweis, in welchem

69. Ockham fasst den species-Begriff intensional auf und akzeptiert ihn derart erst einmal oder
unum­wun­den. Aber über seine Zulässigkeit alias Notwendigkeit/Entbehrlichkeit wird reflexiv,
relational und im Ver­gleich ent­schieden. Cf. Rep. II q. 12–13 OT V p. 309f. Da erscheint die spe-
cies als Größe oder Begriff als geringer als die no­ti­tia intui­ti­­va sensitiva und die notitia intuitiva
intellectualis. Im Verhältnis oder Zusammenhang beider er­scheint sie ent­behr­l­ich (ib. p. 309
lin. 17f): „utra­que cognitio est ita perfecta similitudo obiecti et perfectior quam species.“ Sie
kann nicht gleich­mächtig sein. Dass die cognitio intuitiva sensualis die similitudo obiecto be-
sitze oder beanspruchen könne, er­scheint plausibel. Sie grenzt an sie. Dass die cognitio intuitiva
intellectualis, wenn sie auf der cognitio intuitiva sen­­sualis fußt und von ihr abstammt, genauso
vollkommen sei, ist nicht unbedingt be­streitbar; dass die species voll­­kommener als die cognitio
intuitiva intellectualis sei, ist nicht behauptbar. Benö­ti­gen wir sie? Wir benötigen sie nicht für
den habitus, der in intellectu der notitia intuitiva folgen muss (ib. lin. 19–21): „sed intellectus
est omnia intelligibilia tam per actua­lem quam per habitualem. Unde habitus ita perfecte est
similitudo rei sicut species vel actus.“ Der sen­­­­sus kennt dagegen nur aktuale Erkenntnis, sc.
dasjenige betref­fend, was er wahrnimmt. Was wäre es was ei­gens an der species wahrgenom-
men (= erkannt) werden könnte oder müss­te? Ockham führt einen induktiven Beweis, bei dem
species nicht in eine Relation (in Relationen) ent­wic­kelt werden kann und daher kei­ne Identität
(Existenz) haben soll. Ein solcher Beweis ist ebenso widerle­gen­der Beweis. Es wird gezeigt, dass
die Relation, die die Entität als ihr innerer Anteil zu bestimmen hätte, nicht exi­stie­­ren kann. Da
bei analytischen Be­weisen das Widerspruchsmoment außerhalb der zu ermittelnden Identität
(En­tität) angesetzt erscheint (= es ist nicht Teil des In­halts), wird Ockhams Beweis sogar als den
normalen in­di­rekten Beweis (reductio ad absur­dum) über­dec­kend und ihn negativ charakteri-
sierend angesehen werden kön­nen. Die Frage, ob mit der species als Inbegriff der Inhaltlichkeit
nicht unbedingt bereits Notwendigkeit und All­­ge­mein­heit gegeben sein müssten, erörtern wir
hier nicht, zumal ja auch die Syllogistik vom Satztypus erst einmal absehen kann. Das universa-
le ist bei Duns Sco­tus species oder in der De­duk­ti­on natura communis. S. S. Day, 1947. Zu zwei
Theorien des Duns Sco­­­tus vom universale s. L. Baudry, 1958 p. 278ff.
70. Ord. Prol. q. 6 OT I p. 182 lin. 11–23.
71. Aristoteles, Analyt. Poster. I. c. 2 t. 9 (71 b 22).
54 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

der actus iudica­tivus auf das Schlie­­­­­ßen im Syllogismus verla­gert ist: ‘Ich’ zweifle an der
conclusio; habe aber dann und un­ab­hängig davon die praemissae. Da­nach kann ich
per Vollzug der conclusio zustim­men. Die pro­positio per se (primo modo oder secun-
do modo), eine im Grund empiri­sche Aus­sa­ge, bil­det nicht den Maßstab für die De-
duktion, die selbst evident mache, weder hinsichtlich der Prämis­sen noch hinsichtlich
der conclusio.72 Auf der Ebene der Sätze kann die ‘notitia un­i­­us propo­si­­­ti­onis die causa
notitiae alicuius aliae propositionis’ sehr wohl sein. Die (Kausal­­-) Re­lation, die hier für
die notitiae zweier Sätze besteht (ausdrücklich: der notitiae comple­xae), kann wie­der
empirisch abgestützt werden. Sie ist nach Ockham von der notitia (incom­ple­xa) der
in den Sätzen gegebenen Begriffe unabhängig, bzw. (real) verschieden.
Erkennbar kann eine übernatürliche Erkenntnis Gottes für den Menschen weder
sinn­bild­­lich noch maßstäblich geltend gemacht werden. Sie kann natürlich gesehen
und induktiv begrün­det nur so angenommen werden, dass die menschlichen und
weltlich-empirischen Bedingun­gen des Erkennens, d. h. im Grunde der Welt, hier
nicht mehr stören dürfen: induktiv ge­sehen nicht mehr störend sind. Das ist etwa
bei den Aussagen, die divina essentia betreffen, nach­weis­lich nicht mehr der Fall. Die
potentia Dei absoluta als Regel kann als ein Bestim­mungs­­merk­mal gesehen werden,
das, hypo­thetisch ein­ge­schoben, den Effekt an den Men­schen ‘ver­mit­telbarer’ Er-
kenntnisse und Erkenntnisarten eru­­­ieren und begrenzen hilft. Die po­ten­­tia Dei ab-
soluta als eine Macht (Positi­on), von der aus tatsächlich eine über­weltliche (wis­sen­­
schaftli­che!) Er­kennt­nis denkbar wäre, ohne für den Menschen natürlich mög­­lich zu
sein, wird von Ockham abgelehnt.73 Ockham widerlegt die These, indem er Evi­denz
als auf die pro­po­si­­tio per se nota oder auf die notitia in­­­tuitiva gegründet beschreibt.
Die pro­positio per se no­ta lässt sich ebenso ab­strakt wie intuitiv einsehen.74 Die per

72. Ockhams Erörterungen können nicht auf den Widerspruch und das Widerspruchs­prin­­zip
auslaufen oder ihn bzw. es in Dienst nehmen. Denn be­reits in den beiden unterschie­de­­­­nen
Satzarten propositio per se pri­mo mo­do und pro­positio per se se­cun­do modo werden, wie dar-
in – in beiden – Erfahrungen festgehalten wer­den, kon­tin­­gente Sätze gesehen. Dies wird von
Ockham zum Teil gegen Aristoteles geltend gemacht. (Zur Dis­kussion der aristo­te­lischen Auf-
fassungen von den Sätzen, s. Lukasiewicz, 1951 loc cit.) Der kon­tin­gente Satz kann aber nicht
den Widerspruch verkörpern oder kodi­fi­zie­ren. Über­dies: Die pro­po­­sitio per se primo modo
und pro­po­sitio per se se­cundo modo werden von Ockham nega­tiv für den Be­weis verwandt, wie
der mit der de­­finiten Be­stim­mung der sci­en­tia proprie dicta oder der For­­mel scita per scientia
pro­­prie dicta zu verbindende Satz aus­zu­­sehen habe. Pro­po­si­tio per se primo modo und propo-
sitio per se se­cundo modo bezeichnen Minima, die, wie sie Eigen­schaf­­­­ten für eine ganz gewisse
Satzbestimmtheit zusammenzufügen hätten, nicht genü­gen kön­nen. Er setzt sie eben­­so in der
Refutation ontologischer Auslegungen der sacra theologia ein: Ord. d. 5 q. 1 OT III.
73. Ord. Prol. q. 7 OT I p. 187 lin. 16 – p. 188 lin. 9.
74. Dadurch ist sie definiert oder beschrieben. Notitia intuitiva und notitia abstractiva, die
zwei­te aus der ersten zwangsläufig hervorgehend und argumentativ, unter anderem durch
das Om­ni­po­tenzprinzip von ihr trennbar, wo­mit Kompatibilitäten erzeugt werden, nicht aber
Inkon­sis­­­tenzen entstehen, sind menschliche Erkenntnis­wei­sen. Sie garantieren die für den
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 55

poten­ti­am Dei absolutam bewirkte über­na­­türliche Einsicht in theologische Wahr-


heiten hätte kein mensch­­lich-empiri­sches Fun­da­ment. Entsprechend wird sie von
Ockham abgelehnt.75 Die po­­ten­tia Dei absoluta be­deu­tet kei­­­­­nen Ein­griff und Umsturz
gegenüber der uns bekannten Schö­p­fung, also der uns ge­ge­be­nen empirischen Welt.
Diese bleibt ge­wahrt. Sie dient sogar, die The­se von ei­ner dem Men­schen überlegenen
Einsicht, wel­che per consequen­tiam dem Men­schen (viator) kom­­patibel wä­­re, zu­rück­
zuweisen, wenn nicht zu wi­der­legen.76 Das bedeutet so­­­gleich, dass die Omnipo­tenz
als Prinzip und Idee eben nicht die Funktion hat, die Ver­­­fü­gung des Men­schen über
sich und sei­ne Welt nach den Ge­set­­zen die­ser Welt und Schö­p­­fung zu ku­pie­­ren; das
Om­ni­­potenz­prin­­­zip wird vielmehr so aus­gedrückt, dass es das nicht tue: es steht ne­­­­­
ben der empi­rischen Welt, in­dem die consequentia als Zei­chen der Ver­mit­tel­bar­keit,
sowohl der Kon­sis­tenz wie der Kom­­­­­pa­tibilität ‘ausfällt’. Die reine empi­ri­sche Bedin­
gung des Erken­nens be­wirkt und be­sagt, dass die Vermittlung nicht mög­lich ist; denn

Men­­­schen pro statu isto garantierte Erkenntnis und daneben „Ideen“ bezüglich ei­ner den via-
tor über­­steigen­den Erkenntnisweise; das modellhaft ins se erkennbare Wesen Gottes geht dann
aber nicht in für uns faktische Erkenntnis ein.
75. Das sieht anders M. Lenz, Himmlische Sätze, 1998, Cf. Einleitung Anm. 58. Ockham eta-
bliert nicht in der Nähe zu Thomas von Aquin, den er dem Punkt wi­derlegt (cf. Kap. 4), eine
unbedingte potestas wissenschaftlicher Ein­sicht in Gott bzw. theologi­scher Aussagen, wenn er
die notitia abstractiva theologischer Einsichten des beatus ne­ben den intuitiven, die er in der
seligen Gottschau hat, für möglich hält (secundum potentiam divinam absolu­tam), also für
kompatibel mit der visio be­a­ti­fica er­klärt. Welche Erkenntnisse und wie viele danach der viator
per potentiam divinam absolu­tam über sein jetziges Wissen hinaus qua notitia ab­stractiva erhal-
ten könnte, erscheint Ockham ungewiss. Ei­ni­ge nur kann Gott „forte“ mit­tei­len, an­de­re „forte“
nicht; ebenso ist unklar, ob wir diesel­ben propositiones per notitiam ab­strac­tivam wirklich hät­
ten. Es kann nach dem Omnipotenzprinzip suggeriert (per­suadiert) werden. Wir hätten aber
nach Ockham im­­­­mer noch unsere per notitia abstractiva erworbene notitia incomplexorum
(termi­no­rum). Da­für, dass dann nicht die­selbe propositio (notitia complexi) entstünde, lässt
sich nach Ockham nur schwer eine Be­grün­dung geben. Cf. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 74 lin. 22 –
p. 75 lin. 5. Die Frage, wel­che der „per potenti­am divinam“ uns zugäng­lich gemach­ten ‘vielen
theologischen Wahrheiten’ (i.e. ihre no­ti­tia) im eigentlichen Sinn „sit (sic) sci­entia pro­prie dic-
ta“ stellt sich dann überdies noch. Cf. Einleitung zu Ord. Prol. q. 2 OT I p. 75 lin. 9–12.
76. Daneben schafft Ockham mittels des Omnipotenzprinzips neue abstrakte ‘Bedeutungen’
empirisch ausge­wie­­se­ner Be­griffe zu Zwecken der Theologie. Das Omnipotenzprinzip wirkt
hier im Ver­ein mit einer Ersetzung des Widerspruchssatzes durch ein empi­risches Äquivalent,
das in se unangängig er­­scheint. Er hebt den Be­griff so mit seiner modifizierten Bedeutung in
die Theologie, in der er nur so be­ste­hen kann. Er operiert inten­si­onal, nicht für eine entitas oder
einen conceptus oder actus mentalis. Er hat auch hier eine gewisse Tren­nung oder Spal­­tung in
re benutzt, wie sie ja der Widerspruchssatz voraussetzt oder ap­­pelliert. Das tut er auch bereits,
wenn er die in die Macht Got­tes gelegte conservatio anberaumt. Er geht von empirischen Ge-
halten aus, um Verhältnis­se der sacra theologia in deren Ausle­gung menschengemäß zu stüt-
zen; aber er verlässt diese streng em­pirische Ebe­ne, in der die empiri­schen Vor­stellungsfixa an
sich prekär werden. Dort leisten sie auch nichts mehr für die The­ologie.
56 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

das Er­gebnis, wenn sie ein­­träte, wäre den­noch in­­kom­pa­tibel. Sie würde auf ein per se
falsches con­­se­quens füh­ren.77 Es ist damit klar, dass die Ab­strak­tion, zu deren Sphä­­re
die potentia Dei absoluta ge­hört, in­dem sie darin wei­­te­re Kom­pa­ti­bi­litäten schafft,
aber eben nicht Annahmen, die identisch Em­pirie be­deu­­ten, wenn­­­­gleich mit der Em-
pirie verträglich, nicht auf der Einheit mit der signifi­ca­tio der termi­ni in sen­­su reali be­
ru­hen kann. Eine solche significatio wird dann auch nicht für den Bereich Got­­­­tes, das
Ver­hält­nis der relationes der essentia divina ad extra et ad creaturas an­­genommen.
Wenn das Om­ni­po­tenzprinzip fal­sche Schlüsse ausschließen hilft, die der Em­pi­­rie
zugeordnet blei­ben, kann es mit der Empirie selbst nicht in Widerspruch ste­hen. Das
gilt mehr als dass es dem Wider­spruchs­prinzip nicht widerstreiten dürfe.
Ockham kann oder könnte jedenfalls auch für die divina potentia absoluta in-
duktiv fest­stel­len, i.e. ermitteln, dass von ihr der Bereich der Empirie und einer em-
pirischen Erfülltheit in se fern­zuhalten sei. Gott könnte, als essentia, im Sinn (s)einer
äußeren Wirkung immer nur über eine relatio, die ihn faktisch überschritte und von
accidentia her ‘definierte’, verstanden wer­­den. Es „schlösse“ die Empirie ein und müs-
ste zu einer fallacia führen. Im Kern ist es hier u. a. bereits der Begriff der causa,
der als kategoriell der Empirie zugehörig oder zuzu­wei­­sen zu einer fallacia geführt
hat, die unten angeführt werden wird.78 Das Beispiel ist aber nicht auf die divina es-
sentia oder die potentia Dei absoluta be­schränkt. Entscheidend ist, dass die Be­­­weis­­­­
kapazität nicht aus der causa oder Kausalität ge­schöpft werden kann.79 An der ange­
ge­­be­nen Stelle heißt es bei Ockham: „Et ideo in multis argumentis est fallacia figurae
dic­tio­nis, sub nomine simpliciter ab­soluto accipiendo nomen connotativum. Sicut
sic arguen­do: quid­­­­quid potest Deus mediante causa secunda, pot­est immediate per
se; sed actum merito­ri­um pot­est producere mediante actu voluntatis; ergo si­ne ea“.
Dieser Trugschluss kommt nach Art und Form oft vor, wie Ockham sagt: „in mul­
tis argumentis“. Er muss nicht bloß in Anbe­tracht der Allmacht vorkommen oder
in die Theologie fallen. „Et sic de aliis mul­tis, in qui­­­­­­bus semper est fal­la­cia figurae

77. Die con­sequentia kann da nicht in der aussagenlogischen Auf­fas­sung zugrunde­ge­legt wer-
den. Denn of­fen­bar wird nicht aus den Begriffen inhaltlich gefolgert, um zu einem falschen
Ergebnis zu kommen, son­dern es wird ei­­ne Hypothese aufgestellt, die dann nach Ockhams Re-
geln, die zugleich die empirischen Bedingun­gen des Er­ken­nens für das consequens statuieren,
falsch ist. Siehe die beiden Beispiele Anm. 59 und Anm. 60.
78. Ord. Prol. q. 3 OT I p. 141 lin. 7–14.
79. Sie ist den Beweisen Spinozas fest eingefügt, integraler Bestandteil da­von. Autre­court und
Hu­me sehen Kau­sa­li­tät als in der empirischen Re­a­li­tät nicht distinkt wahrnehmbar an. Das
Ver­langen, dass es anders sein solle, kommt jedoch einer petitio principii gleich, mit der man
jedem Beweis davon vorgriffe. Der könnte also nicht sinn­­voll verstanden worden sein. Eine
Aporie: er wird womöglich gar nicht verstanden. Mit und ohne Kau­sal­in­teresse nicht. Der Be­
weis wür­­­de „leisten“ (liefern), was nach realer Wahrnehmung, die dabei em­pi­risch einem ab­
strakt Ge­ge­benen vorgriffe, gar nicht existieren kann oder könnte, i.e. so nicht definit wäre. Bei
Autre­court wi­der­spre­chen sich mithin seine beiden Gebote: empirische Wahr­nehm­barkeit und
ge­die­gene Be­weis­barkeit.
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 57

dictio­nis, quia commutatur ‘quid’ in ‘ad aliquid’, secundum unum modum lo­quen­di,
vel in connota­ti­vum, secundum alium modum loquendi“.80
Es gibt einen Überredungsbeweis dafür, dass die notitia intuitiva im Umkreis em-
pirischer und akzidenteller, kontingenter, also auch we­chsel­nder Verhältnisse sowohl
bezüglich der res exi­s­­­­tens wie der res non existens zu einem ac­tus iudicativus und
damit einem actus assenti­en­di be­­züglich eines kontingenten Satzes füh­ren kann:81 „Et
quando di­­­citur quod illa (sc. notitia in­­tuitiva) habet causare effectum oppositum si
res sit, potest dici quod non est inconveniens quod aliqua causa cum alia causa par-
tiali causet aliquem effectum et tamen quod illa sola sine alia causa partiali causet
oppositum effectum.“ Ockham hat al­so zwei bzw. drei Fälle un­ter­schied­licher Ver-
ursachung unter Beibehaltung wenigstens einer causa partialis, nämlich der no­­­titia
intuitiva, genannt, wobei diese causa in der res extra ani­mam selbst auch eine causa
par­­­­­­tialis hat (neben dem intellectus als anderer), ohne dass diese causae untereinan-
der intensi­o­nal – und das hieße hier extensional – in die definitiones oder rationes,
die von ihnen einzeln gegeben werden, einzudringen hätten. Nur einen der drei Fälle
muss Ockham für den Be­weis­­­zweck verfolgen: notitia intuitiva sola sine alia causa
partiali causet op­po­situm effectum. Die gegenteilige cau­sa, bzw. identisch die Nichte-
xistenz der causa, bewirken den gegenteili­gen Ef­fekt, bzw. las­sen ihn zu; man wird
sa­gen können, dass die Bestimmtheit des terminus no­­­ti­tia intuitiva ange­sichts einer
Nichtexistenz der causa partialis gewahrt bleibt und zugleich äqui­­­­va­lent der Exis­tenz
und der Nichtexistenz bestehen kann, al­so im Sinne eines Gegensat­zes in der res oder
Em­pirie, was bedeuten muss, dass der Ein­wand, auf den Ockham ant­wor­­­­­­­tet, nicht gilt.
„Et ideo notitia intuitiva rei et ipsa res causant iudici­um quod res est, quan­do autem
ipsa res non est tunc ipsa notitia intuitiva sine illa re causabit op­positum iudici­um.“
Die damit statt­findende Induktion besagt also, dass auf der Basis der Nicht­existenz ei-
ner res ex­tra ani­mam sehr wohl (noch) eine notitia intuitiva bestehen kann; sie hängt
ja auch de­finito­risch nicht von der existentia res extra animam ab. „Et ideo concedo
quod non est eadem cau­sa il­lo­rum iudiciorum, quia unius causa est notitia intuitiva
est notitia sine re, alterius cau­sa est noti­tia cum re tamquam cum causa partiali.“
Die notitia intuitiva ist natürlich überhaupt un­­­­ab­hän­gig von ihrer causa, die real von

80. Ockhams Analyse der fallacia secundum figuram dictionis hatte ‘grundsätzlich’ und zwar
für beide, com­pa­rans und comparatum, die falsch kommutiert wurden, so dass die falla­cia
entstand, gezeigt, dass (die) Kausa­li­tät (causa) im Sinn der Kombination von subiectum und
pas­sio in (empirischen oder kontingenten) Sätzen keine Kon­­­­dition hatte. (Der) Satz muss induk­
tiv immer als der empirische oder kontingente Satz gedeutet werden, und der empiri­sche oder
kon­tin­gente Satz ist hier wie öfter bei Ockham als der prototypische überhaupt zu neh­men, in
welchem Sinne auch die propositio per se nota noch einbezogen werden kann, wie ei­ni­ge Be-
weise Ock­hams mit ihrer induktiven refutativen Komponente zeigen werden. Der kon­tingente
Satz bildet dann in der no­mi­­na­lis­ti­schen Stammlinie oder Keimbahn das Modell: er wird später
oft als Kriterium negativer Erkennt­niskri­tik gewen­det und verwendet (Ni­ko­laus von Autre-
court, Berkeley, Hume).
81. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 70 lin. 24 – p. 71 lin. 9.
58 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

ihr unterschieden (realiter distincta) ist: insofern ge­hört es zu ihrer intensional be-
stimmten Reichweite, dass sie von einem nicht existenten Ob­jekt exis­tie­ren könnte,
wie wenn dieses existierte – es ist als rein kompatible Mög­lichkeit in­ten­­­­­sio­nal nicht
ausgeschlossen –, was aber natürlich dann einen in dieser Art un­aufklärbaren Feh­ler
be­sa­gen müsste.82 Ebenso aber kann sie der Feststellung der Nichtexistenz oder Nicht­
prä­­senz eines Ob­jekts dienen. Beide Fälle sind zu unterscheiden, wie sie rein in der
extra­men­­ta­len Em­­­pirie auf­treten und außerhalb des menschlichen Subjekts.83

82. Kausalität, wie sie im Bereich der Empirie empirischen Erfah­rung) sich findet, kann nur als
zu einem kleinen Teile, an der Stelle von Sach­­verhalten, als gleichsam bloß mit­­wir­kend ver­stan­­
den werden. Sie hat aber nicht als re­al aus den Sachen erfasst zu gelten. So geht ihr Ge­­­­brauch
als Prinzip a priori bei Ockham in der Argu­men­ta­ti­on unter: in der Be­trach­tung kon­­tin­gen­ter
Fälle besteht eine bleibende oder ‘durchgängige’ kausale Verbindung zwi­­schen zwei Fak­toren ge­
wöhn­lich nicht. Die Induktion sichert nicht mehr als den Einzel- oder einen gar nur denkbaren
Eventualfall als empirisch in sich bestimmt. Zwei Faktoren wer­den nur im Sin­ne eines begrenzt
gel­ten­den ab­strakten Prinzips zusammen­ge­bracht. Derart ist die Kausali­tät nicht wirklich (voll-
ständig) in der Rea­li­tät enthalten; sie steht nur förmlich und hy­po­thetisch für die ge­ringste
Spanne zwischen zwei Faktoren; sie er­setzt so den Sach­ver­halt und wird ihrerseits ab­strakt und
intensional gefasst. Man kann sie aber nicht einlösen. Mit dem Einzelfall ge­langt man nicht bis
zum Rang ei­ner gene­rell geltenden Hypothese. Stellen wir einen sol­chen in sich begrenz­ten
Fall dar, so ha­ben wir ei­ne Annäherung an den extramentalen Gegenstand (significatio), aber
kein Mo­­­ment, das aus­schlie­ßend zu wirken und zu gelten vermöchte, weder in reali noch in
abstractis.
83. Ein solcher Be­­weis schließt noch nicht ein, dass und wie die notitia intuitiva dabei selbst,
wenn sie doch von der res extra als cau­sa partialis verursacht wurde, ohne diese causa partia­
lis fortdauern und be­wahrt werden konn­­te. Conservatio und causatio werden dann von
Ockham nach ihrem logischen Grund getrennt: Conser­va­tio ist bloß supranaturaliter möglich,
die causatio geschieht naturaliter. Denn es ist ja klar, dass die Momente und Elemente der con­­­­­
servatio nicht und niemals aus der causatio, sprich deren Voraussetzungen, gewonnen oder
über­nommen werden können, zumal wenn sie vergänglich sind, also nicht bestehen bleiben.
Sie fluk­tu­­­ie­ren im Sin­ne ei­ner akzidentellen Bestimmung zu einer essentia, und würden nur
mit dem Wert einer petitio principii oder mit dem Effekt einer fallacia geltend gemacht werden
kön­nen. Es ist klar, dass damit in Richtung auf die con­­servatio und eben deren intensional zu se­
henden Gehalt eine Induktion stattfindet oder: unentbehrlich ist. Sie steht gegen die Folge­rung,
die für einen Gehalt in analytischer Auslegung eines Satzes oder Begriffs nur einen scheinbaren
Wert haben kann. Die notitia intuitiva (perfecta), die von Gott bewahrt werden muss, damit
auch die Nichtexis­tenz einer res festgestellt werden kann, steht als notitia intel­lec­­­­tus in einer
Differenz zu jener no­titia in­tu­i­tiva, die von einer notitia intuitiva sensitiva be­gleitet wird, in der
das extra­mentale obiectum ‘wahrgenommen’ wird. Cf. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 31 lin. 9–16: „Sed
(notitia intuitiva et notitia abstracti­va) distinguuntur per istum modum: quia notitia intui­ti­­va
rei est talis notitia virtute cuius pot­est scire res sit vel non, ita quod si res sit, statim iudi­cat eam
esse et evi­den­ter cog­­noscit eam esse, nisi forte impediatur propter imperfectionem il­li­us no­
titiae. Et eo­dem modo si esset per­fecta ta­lis notitia per potentiam divinam conservata de re non
existente, virtute il­lius no­ti­­tiae in­complexae evi­denter cognosceret illam rem non esse.“
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 59

Ockham argumentiert für unsere Begriffe:84 „Arguo primo quod attributa non
pos­sunt de Deo de­monstrari propter quid, et hoc de Deo dis­tinc­te cognito, quomo-
do lo­qui­tur Doc­­tor iste (näm­lich Duns Scotus). Quia nullus concep­tus communis
quidditativus pot­est de­mon­­strari de­mon­stratione propter quid de illo quod im­medi­
ate continetur sub eo, quia ta­lis pro­­positio est immediata, secundum Philosophum I
Pos­terio­rum,85 et per consequens illa non est altera pri­or.“ Dabei gilt, dass Gott auch
im Be­griff soll deut­lich er­kannt werden kön­nen, wie angenom­men wird, weil die
Transposition der Er­kennt­nis einer Sa­che mittels ei­nes dabei gebildeten Be­­­­griffs in die
Erkenntnis durch den Be­griff, oh­­ne Präsenz der Sache, den Begriff selbst nicht ver-
ändert. Damit, so lässt sich sa­gen, ist die Er­kenntnis als po­tentia­li­ter ab­strakte auf die
In­duk­­tion hin präpariert. Dabei wird von Ockham vorausge­setzt, dass der quiddita­ti­­
ve Begriff Gott und dem Menschen zuge­hört.86 Induk­tiv schließt Ockham, dass die
Attri­bu­te (Gottes) durch quidditative Begriffe bezeich­net wer­­­­den: „Et est conceptus
quid­di­ta­tivus, quia suppono ad praesens, et postea pro­ba­bitur,87 quod inter divinam
essentiam et di­vinum in­tellectum vel vo­lun­tatem nulla est dis­tinctio, nec re­­­alis nec
rationis. Igitur concep­tus boni­ta­tis vel quicum­que talis est quidditativus, et per con­
se­­quens nullus talis potest de Deo demon­stra­ri.“88 Dabei soll der concep­tus denomi­
na­tivus als ein aus der Sache begründbarer und von dem conceptus quid­di­ta­ti­vus zu
unter­schei­dender aus­­­­­­­­­fallen.89 Das wird induktiv ge­schlossen und erschlos­sen. Der
Unterschied zwi­schen Be­griffs­­arten müsste immer a parte rei gemacht wer­den.90 Der
Be­zug auf eine Rela­ti­on für et­was, was außer­halb der divina es­sen­tia läge, schei­det
auch aus, weil es keine Beweis­möglich­keit gibt: „quia conceptus ad ex­tra non po-
test demonstrari de di­vi­na essentia, quia nihil est ta­le medium etc.“91 Desgleichen
kann nichts über und für Begrif­fe be­wie­­sen werden, die Gott und dem Ge­schaffenen
gemein­sam angehö­ren. Es verlangte eine Induktion, die auf eine Ge­­mein­samkeit in
der Sache (in re) ginge (und zurückginge).92
Wo eine Induktion ausgeführt wird, wie es vielfach geschieht, wenn Ockham die
Prä­­di­­­ka­ti­on von Eigenschaften und Begriffen, besser Begriffsarten beschreibt oder
eruiert, be­ruht das im­mer darauf, dass förmlich ein Außenbezug auf die res extra
(oder stellvertretend ei­ne dis­­­tinc­tio in re) vorgenommen wird, der in se negativ ist

84. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 103, lin. 3–10.


85. Aristoteles, Analyt. Poster., I, c. 3, t. 21 (72b 25–27).
86. Ib. q. 2 p. 103 lin. 10–11.
87. Nempe Ord. d. 2 q. 9 OT II p. 315 lin. 3–11.
88. Cf. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 103, lin. 12–16.
89. Cf. ib. p. 103 lin. 17 – p. 104 lin. 2.
90. Cf. Ib. p. 104 lin. 3–5.
91. Ib. p. 104, lin. 25–26.
92. Ib. p. 104 lin. 10–18.
60 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

oder bleibt, also die significatio als nicht ko­­optierbar erweist. Die Induktion ist darin
terminiert und versieht damit eine ab­strac­tio. Es wird ge­wis­­sermaßen eine Relation
(oder Referenz) in die Sache (res extra) hinein nicht ge­stat­tet, son­dern abgeblockt.93
Wenn die notitia und die ratio mit ihrem Füllglied, z. B. dem Be­­­­­­­­­­griff nach seiner Satz-
stellung (z. B. subiectum), induktiv kei­ne Folge im Sinne der Kausali­tät haben müssen,
welche iden­­tisch das Glied ergäbe, welches aus ihm zu folgen hätte, wie­wohl es virtuell
vielleicht mit­ge­ge­ben ist, so gilt dasselbe nicht vom habitus. Der habitus in se er­laubt
den actus oder ha­bi­tus eines Folgegliedes.94 „Probatio istius: quia posi­to quod aliquis
ad­­quirat habitum ex actibus circa principium tantum et post simul cum altero prin-
cipio, quod erat altera praemissa, applicet ad conclusionem, sciet ipsam evidenter, et
non sine habitu prin­cipii. Ergo habitus ille est aliquomodo causa notitiae conclu­si­onis,
mediata vel immediata, per se vel per accidens.“ Die strenge Unterscheidung ist für die
In­­duktion entbehrlich. Dabei darf darauf hingewiesen werden, dass die cau­sa niemals
aus sich, d. i. inhaltlich, den effectus er­schließt. Wie der habitus selbst dem actus zu-
geordnet ist, ist offen, insofern die ac­tus oder das­­­­­­­­­­­­­jenige, dem sie gelten oder aus dem
sie entstehen, de facto nicht im Sinn der Kom­po­sition oder dieser folgend erkannt
werden kann. So gilt denn auch, dass es von Prinzip und conclu­sio gemein­schaft­lich
einen habitus ge­ben kann:95 „dico quod principiorum aliquorum et con­clu­sionum

93. So kann Ockham etwa Duns Scotus antworten (ib. p. 103 lin. 16 – p. 104 lin. 2): „Si dicatur
quod de omnino ea­­dem re, si­ne omni distinctione, possunt esse plures conceptus (gemeint:
Be­­griffsar­ten!), scilicet quid­dita­tivus et denominativus,“ – nach Ed. p. 103 Anm. 4 Reportatio
Paris., I, Prol. q. 1, n. 50 (ed. Wad­ding, XI-1,14) gesagt –, „contra: ‘non est magis ratio quod
(non)’ quandocumque quidquid omnino a parte rei ex­pri­mitur per unum con­cep­­tum et per
alium, non est maior ratio quod unus sit quidditativus quam alius.“ Die For­mel ‘non est maior
ra­tio quod (non)’ leitet die da­rauf folgende induktive Abschöpfung einer in sich begrenzten all­
gemeinen und negat­i­­ven An­sicht intensionalen Charakters ein: „Sed si nul­la penitus sit distinc-
tio a parte rei in­ter divinam essentiam et intellectum et actum in­telligendi, nihil imaginabile
potest exprimi per unum con­cep­tum (ma­gis) quam per ali­um, igitur uter­que erit quidditativus
vel neuter.“ Man kann sa­gen, dass über die Sache noch nicht ent­­schie­den ist. Aber kann Duns
Scotus, der formell von ihr her denken will, seine opinio stüt­­­zen? Die beiden Begriffe oder
rationes ‘quid­ditativum’ und ‘denominativum’ erlöschen hier. Die Kon­struk­ti­on ist hier rein
negativ; sie be­stimmt sich beschränkt intensional.
94. Ord. Prol. q. 8 OT I p. 217 lin. 21ff: „dico primo quod habitus adquisitus ex actu circa princi­
pium tantum est alius ab habitu con­clu­sionis. Primo, quia semper causa distinguitur a suo ef­
fectu.“ Das Argu­ment ist induktiv und syn­thetisch, indem es von einem Ende her operiert, das
nicht mehr effektiv oder spezifisch benannt werden muss. So setzt Ockham denn hinzu: „sive
sit causa per se sive causa per accidens; sed aliquo istorum modo­rum habi­tus prin­ci­pii est causa
respec­tu habitus conclusionis.“ Ockham hat also nicht konstatiert, wel­che. Da­mit ist aber na­tur­­
ge­mäß noch nicht die Kausalität in facto bewiesen. Wird eine solche Kausalität angenom­men,
so er­gibt sich, dass induktiv und synthetisch der habitus con­clu­sionis nicht aus dem ha­bi­tus
principii (kau­sal) fol­gen kann. Die ver­schiedenen ‘Beweise’ sind so sehr subtil vonein­ander
abgesetzt, i.e. in Feinschnitten ge­trennt.
95. Ib. p. 218 lin. 20 – p. 219 lin. 2.
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 61

potest esse idem habitus. Hoc probatur: res­pec­­tu quorumcumque est natus esse unus
actus, respectu eorundem potest es­­se unus habitus, quia non repugnat96 syllogismo
com­po­sito ex multis propositionibus intelligi uno actu quam propositioni compositae
ex multis ter­­­­­­­­­­­­­­­minis, sed propositio intelligitur uno ac­tu; ergo etc.“97
Gott kann die natürliche causa ersetzen und eine Verursachung oder Verände-
rung vornehmen, wenn es in den Verhältnissen der Schöpfung kein Hindernis gibt,
er kann es also nicht abso­lut. Er kann es bloß auf der Basis einer distinctio realis, die
bereits zwischen den res in der Schö­­pfung be­steht, womit, induktiv einsehbar, diese
distinctio realis das Wi­der­­spruchs­prinzip selbst vertritt oder ersetzt. Gott kann die
calor unmittelbar bewirken, die sonst, mit glei­cher Stär­­­ke, von ig­nis oder sol ausgehen
mag. Sie durfte aber nirgendwo die Realordnung der Din­ge verletzen oder ‘um­schmel­
zen’. Sie wird auch nur hypothetisch auf der Basis der dis­tinc­­­tio re­­alis oder im Bezug
auf sie apostrophiert, i.e. nicht um eine reale Annahme zu ma­chen oder aufzuhe­ben.
Das ist evident: denn sonst würde auch mit (den) definiten Begriffen nicht mehr ge­­
arbei­tet, eben je­nen, welche, specie distincti, von den Gegenständen der Welt er­hoben
wer­den.98 Ockhams Thesen oder Einreden, was Gott kraft seiner Omnipotenz auf der
Basis der dis­tinc­tio realis und mit ihr korreliert vermöge, i.e. secundum potentiam
divi­nam abso­lut­am na­­tu­raliter loquendo, besagen nicht, dass Gott regellos handle.

96. Die Überre­dung und Induktion sind wieder mit einer Formel verbunden, die Kompatibili-
tät (Vereinbarkeit) be­sagt: ‘non repugnat’: „es widerstreitet (sich) nicht“.
97. Oft wird der Bezug auf die res extra in dem Sinn negiert wie Ockham das Subjekt ak­zen­
tu­iert (ib. p. 219 lin. 7–12): „habitus non respicit obiectum nec in ra­­­tione obiecti nec in ra­­­ti­­one
cau­sae nisi mediante actu. Quod non in ratione obiecti pa­tet, quia non aliter inclinat ad ob­iec­
tum nisi quia inclinat ad actum; nec causatur ab ob­iecto ni­­si mediante actu. Ergo ex iden­­­titate
ob­iecti vel diversitate non debet argui diversitas vel iden­ti­tas ha­bitus ni­si mediante di­­versi­ta­te
vel identitate actus; ergo habitus et actus in diversi­tate et iden­­ti­ta­te semper propor­ti­­­­o­nan­­­­tur.“
Dabei werden der Begriff des habitus und der der notitia in Be­zug auf die Inhalte bzw. Begrif­fe,
de­ren ‘Wahr­neh­­­mung’ sie besagen, im Sinn dieses No­minalismus der Se­­­kun­där­­­­be­grif­fe sich
schlecht nur unterscheiden las­sen (p. 218 lin. 11–19): „Secundo, dico quod dis­tinctarum con-
clusionum sunt distincti habitus: tum quia de­mon­­stratio universalis et par­ti­cu­laris differunt
specie, I Posteri­orum (Aristot., Anal. Poster. I, c. 24, tt. 160–170 (85° 13 – 86° 30); ergo opor­tet
quod vel no­titia praemissarum distinguatur spe­­cie vel notitia con­clu­si­o­num. Sed si­ve sic si­ve
sic, habe­tur propositum, quia oportet quod vel habi­tus principio­rum dis­tinguatur specie vel
conclusi­o­num. Et non est maior ratio quare ha­­bitus prin­cipiorum dis­tin­­guatur specie quam
con­clusio­num. Ergo semper no­­­­­­ti­­­tiae conclusi­o­num dis­tinguuntur spe­cie.“
98. Es gibt auch keine Erkenntnis von Gott, die uns erlauben würde, zu behaupten, dass er die
un­­mittelbare Ursa­che dieser Wirkung sein könne. Es gibt hier keine empirische Basis; aber man
geht von einer solchen formell für die Hypothese der ‘Andersmöglichkeit’ aus. Diese wird da-
mit nicht real und nicht realmöglich. Den Schluss gibt es nicht; man unterbindet viel­mehr das
Schließen auf eine strikte Realempirie überhaupt, für die man die Mittel und Vor­aus­­­­­setzungen
nicht hat und in Bezug auf die man ‘Folgerung’ generell kappt. In dem Sinne hat man kei­ne
Einsicht in das Verhältnis von substantia und accidentia an deren Nahtstelle.
62 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Er handelt nicht wider den or­do huius mundi, wie sie secundum legem communem
besteht. Die Omnipo­tenz als Ar­gu­ment wird zu ei­nem medium, bezeichnet also in-
haltlich einen nachgeordneten Sinn, der re­probativ und re­fu­ta­tiv wirkt. Dies ist in der
Form der Induktion natürlich ebenso wie syllo­gis­tisch aus­drückbar: Quid­quid Deus
potest cum causa secunda, potest sine ea. Sed obiectum est causa se­­cunda no­ti­tiae intui-
tivae intellectivae. Ergo potest facere notitiam intuitivam in­tel­lectivam sine obiecto. Dies
ist ein abstraktes Überredungsargument.99 Die divina potentia absoluta aber ist kein
Fak­­­­­­tor, der analytisch erklärt, ausgelegt oder abgegrenzt werden könnte.100

99. Hier ist immer auch zu sehen, dass wir im Verhältnis von causa und effectus keine wirkli­
che Einsicht haben, i.e. den effectus nicht aus der causa und als darin niedergelegt ablesen kön­­
nen. Cf. auch Anm. 79 und 80. Cf. auch Anm. 97.
100. Wenn Gott ohne eine causa secunda der von ihm geschaffenen Welt durch sich selbst in
Ersetzung dieser cau­­sa secunda dasselbe wie mit der causa secunda bewirken (hervorbringen)
kann, hebt man die Welt auf, wie sie nach unseren Begrif­fen (nicht nach den res) erklärt ist. Es
ist induktiv erklärbar und eingegrenzt, dass man da­mit in ei­ne Welt übergehe, die nicht mehr
nach der lex communis definiert wäre, für die wir dann auch kei­ne Begrif­fe mehr ha­ben kön­
nten. Für Ockham ist aber unbe­weis­bar, dass Gott alles außerhalb seiner selbst oder auch nur
etwas außerhalb seiner selbst ver­ur­sa­che(n könne), also ist Kausalität als Gottes Qualität nicht
beweisbar. Dass Gott causa­tor sei, wobei wir nach empi­ri­schen Begrif­fen zu urteilen hätten,
bei denen wir indes Kausalität strikt nicht erfahren, ist nicht ver­gleich­bar der Fest­stel­lung, dass
er allvermögend sei, die die Gottesvorstellung defi­niert. ‘Deus est omnipotens’ ist für Ockham
ei­ne pro­po­sitio immedi­ata. Wir sind hier, in diesem Fall qua­si, der empirischen Erfahrung
für die Begriffs- und Satz­­bil­dung enthoben, weil wir mit omnipotens unsere na­tür­liche Got­
tesvorstellung beschreiben. Das gilt induk­tiv. Ha­ben wir sie, gilt der Satz quasi empirisch. Sonst
ge­wäh­­ren die propositiones immediatae, da auf die Er­fah­­rung verwiesen, keine unbedingten
Erkenntnisse: es gäbe womög­lich nach einer anderen Welt als der für uns er­fahr­­bar gegebenen
und mit Mitteln, die nicht mehr unseren Begrif­fen entsprächen, eine bessere Sacheinsicht. Da
Ockham die reale Kausali­tätsver­bin­dung in der Welt nach der lex com­mu­nis nicht zu­­gestan­den
hat, kann die analyti­sche Folgerung nicht gezo­gen werden, dass Gott gleichsam ex ac­ci­den­te,
wie es zu geschehen hät­te, die Welt ändern könne; er kann es ab­so­lut, secundum for­mam. Er
kann for­mae prae­ter acci­dentia ändern oder aus­tau­­schen. Gott kann auch in der Welt an einer
für diese etablierten cau­sa se­cun­da vorbei konservieren. Mit der con­ser­vatio sind wir deutlich
im transfiniten göttlichen Be­­­reich. Das Akzidenz oder das Akzidentelle kann be­züglich (in) der
Induktion immer nur eines meinen: dass es bei/in den re­a­lia eine bedingte Negation gebe, die
ei­ne empirische Verallgemeinerung aufhebt, eine ‘begrenzte’ abstrakte oder abstraktive aber
erlaubt. Wir sehen im ‘accidens’ eine genuine ontologische Funktion nicht mehr. Das Ak­zi­denz
bleibt secundum sensum com­­mu­nem unbeschadet, insoweit als es argumentativ gebraucht in
In­duk­­tion und Widerlegung eingeht und für die In­terpretation von Begriffen in Richtung auf
die res extra zusam­men mit dem Substanzbegriff (vermöge der Dis­junk­tion beider) widerle-
gend gebraucht werden kann. J. F. Boler, Acci­dents in Ockham’s Ontological Project, Fr. St. 54,
1994–1997 pp. 79–94 gibt für Ockham eine Tendenz an, die dieser präparativ ausschließt oder
nicht be­nö­tigt. Ihm geht es um die Geltung oder gar Definitheit der Begrif­fe, die natürlich
weiterhin von ihm nach substantia und acci­dens klassifiziert und unterschieden werden, z. B.
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 63

So kann Gott eine notitia intuitiva intellectiva, in der definitionsgemäß, die Exi-
stenz oder Prä­senz eines tatsächlichen und vorhandenen Objekts erkannt wird, i.e.
eines kontingenten Ob­jekts, der in einer ebenso kontingenten notitia oder Erkennt­nis
erkannt wird, ohne dass die­se res extra existiert oder präsent ist.101 Das bedeutet dann
keinen Widerspruch, sondern im Ge­gen­teil, dass aus der Definition nicht(s) gefolgert
wird, was nicht aus ihr gefolgert werden kann, wenn sie selbst von dem obiectum
extra animam real geschie­den ist. Dass die Nonexis­tenz aus­­geschlossen sei, gehört
nicht in die Defi­nition, die keinen Truis­mus besagt oder ab­gibt. Je­doch kann Gott
keine notitia intuitiva sensitiva ohne Objekt bewirken, die zwar na­tür­licher­wei­­­­se die
causa (besser: neben dem intellectus eine causa!) der notitia intuiti­va intellec­ti­va ist,
aber selbst auf der Affizierung der Sinne im Verhältnis zur res extra beruht.102 Was
wir physi­o­logisch oder physisch annehmen müssten, um die These ‘empirisch’ (sic!)
zu stüt­zen, steht da­­­hin. Es muss nicht in die Struktur von Ockhams Raisonne­ments
eingehen, also da­­­rin kei­ne Rolle spielen. Wir haben keine Grundlage um einen hypo­
the­tischen Fall einer Ein­­­­­­wirkung Gottes entgegen der Schöpfungsordnung und ihrer
gesetz­mä­ß­igen Verläufe zu sta­­­tu­ieren.103 Wir haben aber auch keine Möglichkeit, ohne

um Bewertungen von Sätzen vorzunehmen, bzw. solche oder einen ordo passionum in der
Syllogistik zu bestreiten.
101. Ockham geht via notitia intuitiva (und seine Aktlehre überhaupt) nur mittelbar von der
res aus. Schon das Wort ‘res’, ebenso das für Ockham problematische ‘ens’, wäre hier schwer
zu definieren. A. Zim­­mer­mann, 1966 p. 197 bemerkt: „‘Ding’ … in dem Sinn gebraucht, der
sich im Anschluss an Avicenna bei den mit­telalter­li­chen Denkern heraus­ge­bildet hat … meint
soviel wie Seiendes, insofern ihm ein Was zukommt, insofern es mög­li­cher Inhalt ei­nes Be­
griffes ist.“ Da­zu Verweis auf E. Gilson, dt. 1959 p. 89ff. Die verschlungene De­fi­ni­tion oder Des­
kription mag Scotus´ schwierigem Bemühen sehr entsprechen. Es wäre am Ende die Frage, ob
das ‘Ding’ einen konsolidierten Begriff haben kann, dem es entspräche. Das ist no­minalistisch
gefragt. Ockham trennt ‘Was’ (es liegt im Be­griff) und res. Es ist so­mit schwer eine realistische
Definition von quiddi­tas, re­alitas usw. zu geben. ‘Res’ wird ein Moment ‘unerreichbarer’ Erfül­
lung in Ockhams reprobationes Kap. 9 u. 10.
102. Wenn man nicht glauben will, i.e. wenn bestritten werden (können) sollte, dass Gott nicht
ein obiectum als cau­­sa der notitia intuitiva sensitiva aufheben, sprich ersetzen könne, so dass
er also auch hier, wie H. Blumen­berg, 1966, generell unterstell­te, im Sinn des Wunders und
der Stif­tung von Verwir­rung, also der Zerstörung und Aufhe­bung der Basis der Erkenntnis
eintreten könn­­te, dann gäbe es auch keine In­dukti­on und so ke­­ine ‘Fol­ge­rung’, welche von
der consequentia materialis (der formalen aus­sa­genlo­gi­schen Schluss­­wei­­se) un­abhängig wä­re,
nicht für Ockham und generell auch nicht. Somit hat Ockham die In­duk­ti­on so­gar methodisch
begründet. Er si­chert Erkennt­nis durch Einklam­me­­rung abso­lu­ter göttlicher Eingriffe wie Des­
car­­tes. Schon Pier­­re Duhem ver­gleicht beide da. Cf. Kap. 4: Fides et scientia, Anm. 52.
103. Ockham verteidigt übrigens noch nicht einmal eine Existenz der notitia intuitiva intellec­
tiva, wenn die sinn­li­che Wahr­­­neh­mung des äußeren Objekts aufgehört hat, sondern er vertei-
digt mit einem Überredungsargu­ment ge­rade, dass je­ne dann ebenfalls aufhöre, wenn diese
erlischt. Er ist also gar nicht, ad minus quoad ar­g­u­mentum, daran inte­res­­siert, dass die notitia
64 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

besondere Anstrengung (Ontolo­gie) das Physi­sche der Einwirkung oder Mitgeltung


‘bedeutungsartig’ zu bezeichnen. Intenti­o­nal nahe zu phy­­si­o­lo­­gischer Mitbedeutung
legte W. Chatton scientia, propositio, conceptus etc. aus.104 Ockham vereinigt hetero-
gene Bereiche über „seine“ Kausalität.105

intuitiva in einer willkürlichen oder wahllosen Absolutheit ohne res extra be­ste­­­hen kön­­ne. Das
beweist a for­tiori, dass er dann, wenn er per potentiam divinam absolutam die notitia intuitiva
si­ne ob­iec­to sich vorstellt oder ansetzt, es auch da secundum argumentum tue. Cf. Ord. Prol.
q. 1 OT I p. 27 lin. 19 – p. 28 lin. 3: „Si di­ca­tur quod notitia intu­i­tiva intellec­tiva non des­truitur ad
cessationem alicuius sen­sa­ti­o­nis exte­ri­o­ris, et ita per con­se­­quens posset aliqua veritas contin-
gens esse evidenter nota de aliquo sen­si­bi­­li sine sen­sati­o­ne illius sensibi­lis, di­co quod sicut non
est inconveniens ad aliquam transmutationem corpora­lem, puta in­firmita­tem vel som­num, ces­
sare omnem actum in­tel­lectus, ita non est inconveniens ad cessationem alicuius sen­sationis
sensus ex­te­ri­oris ces­sa­re no­titiam intellec­ti­vam.“ Ockhams sämtliche Beweise lauten auf die
Ne­ga­tion dessen, was im Sin­­ne von Ab­strakt­heit (Abstraktion) als significatio betrachtet wür-
de: weder be­zeich­net die noti­tia intui­ti­va ab­strakt, so­fern sie per divinam potentiam absolutam
ohne die Objektgegebenheit zu denken sein soll, das Objekt in se noch ist sie genetisch oder
kausalmechanisch mit dem Objekt, von dem sie aus­­geht und da­bei neben dem Ver­­stand als der
anderen notwendigen Ursache der notitia intuitiva gefordert wird, strikt verbun­den; so ge­se­hen
zeugt sie denn nicht für es.
104. Einwendungen gegen Ockham bei seinem Gebrauch des Omnipotenzprinzips und sol-
che Deutungen, die ihn auch lediglich über Einwendungen ‘explizieren’ möchten, i.e. im Sin-
ne der Unangängigkeit, Unverständ­lich­­keit oder Absurdität, was eben logisch kaum möglich
erscheint, weil es zu bedeuten hätte, dass er seine Be­grif­fe oder de­ren Definitionen schlecht
gefasst habe, zumindest nicht anders als dass Logik als Ingrediens der Se­man­tik da­rin möglich
oder unentbehrlich wäre, müssen gleichsam immer in die Sphäre der sinnlichen (physi­schen)
Vorbe­din­gungen des Erkennens (der actus und notitiae) ‘hinabsteigen’, was bereits den genu-
in und unab­hängig logi­schen Austrag infragestellt. Ockham aber fängt die sensuelle Sphäre
(Vorphase) der Er­kennt­nis als Tätigkeit des Verstandes (der anima!) argumentativ ab. Nennen
wir diese Argumentation in­te­n­sional, muss sie in dem Sinn vorder­hand als pragmatisch oder
modal betrachtet werden.
105. Kausalität besteht zwischen den mentalen Akten in eben der Weise wie zwischen den res
extramentales und wird unisono operational und kategorial behandelt. Ockham nimmt eine
unerlässliche causa an, die die imme­diat reale ist und da nicht feh­len darf, und im Grunde nicht
fehlt. Es gibt eine weitere causa, nicht gleicher­ma­ßen wirk­­sam (unmittelbar) wirk­mäch­­­tig. Es
gibt da die Erfahrung nicht, worin sie nicht gegeben wä­re, nicht (ab­strakt) unterstellt werden
könnte. Sie wirkt nicht immediat. Wir brau­chen etwa für einen Akt ein Vermögen, das aber den
Akt nicht so bewirkt, wie etwa ein an­derer Akt, der als uner­läss­lich vorausge­setzt wer­den muss,
oder auch das obiectum extra men­tem. Ein weiterer Unterschied tritt hinzu: die causa (oder
ratio) suf­fi­ciens. Sie ge­hört rein in die Abstraktion, z. B. beim ordo salutis, betrifft aber alle Akte
und habi­tus. So ist die no­titia intuitiva sen­sitiva cau­sa sufficiens der notitia intuitiva intellectiva,
nicht das ob­iec­tum, ob­wohl es causa ef­ficiens der no­ti­­tia intuitiva (intellectiva) ist. Dies sind
Unterschiede, die mit Ockhams Argumentatio­nen sich ergeben und ih­nen immanent (bewei-
simmanent) sind. Sie werden nicht meta­phy­sisch postuliert. Kausalität wird von Ockham zur
Ab­wehr sinnwidriger Vorstellungen, eben auch kausaler, benutzt. Dabei ist die Kausalität, die
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 65

Man wird fragen, wie denn der oben für den Gebrauch des Omnipotenzprinzips
be­zeichnete Syl­­logismus, der induktiv hinsichtlich des Ergebnisses in der conclusio
(‘Deus potest fa­cere no­titiam intuitivam intellectivam videns obiectum sine obiecto exi-
stente vel prae­­sente’) ist, weil ja darin die Minderung des Gehalts gegenüber der De-
finition (und doch) aus dieser fol­gend, d. h. bezüglich des Signifikanzwertes, der leer
bleibt und negativ ist, auch in­duk­tiv hin­sicht­lich des Gewinnens der Major ist. Darauf
ist zu antworten, dass die Major als Abstraktion und Regel über der distinctio realis
gewonnen die Notwendigkeit des Zusam­men­hangs von cau­­­­­sa secunda und effectus
bereits nicht zur Voraussetzung haben kann. Es gibt also eine em­pi­rische Erfahrung,
die, mittels des Omnipotenzprinzips abstrakt aufgefasst und ausgedrückt, doch über
diese, sofern sie ein Verhältnis per accidens meint, nicht hinaus­geht. Es gilt dabei
aber, dass die ‘Abstraktion’, wie bereits nach dem Zielpunkt der Definitheit erforder-
lich, über die empirische Ebene der res, der singularia, hinausgeht. ‘Folgern’ als starrer
Operationsmo­dus und in die Inhalte integrierbar, ist für den Nominalismus mutmaß-
lich nicht denkbar.106

Ockham zu­lässt oder zugesteht, in einfachster Weise induktiv ermittelt. Einwände gegen diese
Ermittlun­gen führen dann zu im­pli­ziter Ablehnung der Kausalität überhaupt. Es gibt so kein
vorherr­schen­­des Interesse Ockhams an ihr. Cf. Ord. d. 6. q. unica OT III p. 92 lin. 14–17: „omne
absolutum, necessario se­cundum cursum na­tu­rae prae­sup­posi­tum ef­fec­tui, est causa illius in
aliquo genere; sed ista volitio necessario praesupponitur ef­fec­tui secun­dum cur­sum na­tu­rae;
igitur est causa in aliquo genere causae.“ So gegen den Ein­wand (ib. lin. 12f), „quod volitio non
est prin­ci­pi­um eliciendi actum exteriorem.“ Ockham übersteigt die Real­e­bene und benutzt sie
zur Abwehr für die Ab­strak­­tion sinnwidriger Vorstellungen, also in dem Sinne falscher Vor­­
stellungen, die auf der abstrakten Ebene als indefinit sich herausstellen müssten. Die gemäß
der causa anzu­set­zende productio oder Bewirkung bleibt be­lie­big: Cf. ib. p. 94 lin. 15: „voluntas
facit unam rem re­alem“ und ist dabei nicht über ei­ne forma sub­stan­tialis oder accidentalis spe-
zifiziert. P. 95 lin. 1 „potest recipe­re principia diversa agendi.“ Wir wer­den bei Ockham kei­­ne
aus sich einsichtigen analytischen Sätze gewinnen und wer­den sie nicht durch die Ein­­flechtung
(Interme­di­a­­tion) scholastischer termini gewinnen – cf. ib. lin. 10–14 –, wie das nach Tho­mas
von Aquin angenommen wer­den könn­­­te, den Ockham d. 6 q. unica behandelt und widerlegt.
Cf. auch Kap. 2.
106. J. Pinborg, 1972 sucht einen Operationsgrund für Ockhams Denken in der gramma­ti­
schen Grundlage der Sprache, die er nach Chomskys TG verstehen will. Er zitiert dazu die
vergleichende Studie R. G. God­frey, Word 21 (1965) pp. 251–256. Pin­borg deutet Choms­kys
aus­drück­lich so genannte syntaktische Struk­­­­tur der TG vor­greif­­lich se­man­­tisch. Bei Ockham
ent­­­schei­det aber ei­ne eigene Ar­­­­­gu­men­ta­ti­on über den in­­­­ten­sio­na­len Be­­lang der Aus­drüc­ke.
De­ren Bedeu­tung will Pinborg ex­pli­zit ex­­ten­­si­­o­nal fixiert sehen. Dies mit dem Argument, dass
sig­­nifica­tio als Be­zugs- und Ap­­pell­mo­ment nicht aus­ge­schlossen wird. In Anbe­tracht des­­sen,
dass Ockham ein­zig Realer­­kenntnis nicht aus­schließt und die res sin­gu­laris sig­ni­­fi­catio nennt,
ist das unbe­grün­det. Die Sprach­struk­­­­tur wird bei Ockham ei­gens in­duk­­­­tiv aus­ge­legt. Rein se­
man­tisch (noch oh­ne Struk­­tur­be­trach­tung + prae­ter ar­gumentum!) wählt Ockham u. U. un­­
ter an­te­ze­den­­ten scho­las­tischen termi­no­­­logi­schen (!) Wort­­be­­deu­tun­­gen aus. In der TG wur­de
66 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

In der Induktion ist, wie oben gesagt wurde, ein inhaltlich ‘negatives’ Moment
Basis der Ope­­­ra­­­­­tion: sie stellt damit eine Art Abstraktion dar oder führt jedenfalls in
diese.107 Weitere Be­leg­­fäl­­le dafür sind:108 „Praeterea, non est maior ratio quod neces-
saria credi­bi­lia sint scita sci­en­tia proprie dicta quam quod veritates contingentes cre-
dibiles sint evidenter notae modo suo. Sed is­tae non sunt evi­denter notae; tunc enim
posset quilibet scire se esse in caritate, quod cor­­­­­pus Christi est in al­tari, quae videntur
simpliciter falsa. Igitur necessaria the­o­­logica non sunt scita sci­entia proprie dicta.“
Hier werden wir von der Basis der notitia intui­ti­va, i.e. der empiri­schen Erkenntnis
oder Gewinnung von Begriffen einschließlich des darin ent­hal­te­nen ac­­­tus iu­di­cativus,
vermöge dessen wir über die ‘Wahrheit’ eines kontingenten Sat­zes ent­schei­den,109 im
Schluss – einem a fortiori Schluss – zu der ‘Annahme’ geführt, dass auch not­wen­­di­ge
Sät­ze, von denen wir eine empirische Evidenz nicht mehr haben können, kei­ne scien­
tia pro­­­prie dic­­­ta sein können, weil wir deren Begriffe für die Evidenz niemals aus
der Empirie ent­neh­men und gewinnen können.110 Ein weiterer Beleg folgt: „arguo
contra hoc quod di­cunt quod fides praesupponitur isti scientiae.“ Denn: „nun­quam
duo habitus iudicativi circa idem ob­­­iectum sic ordinantur quod unus necessario prae­
supponit alium, – patet inductive –, quam­vis respectu unius obiecti praesupponat ha-
bitum respectu alte­ri­us obiecti. Sed ista fides et ista sci­en­tia forent circa idem obiec-
tum, secundum opiniones du­as ultimas. Igitur…“: Wir ha­ben in fi­­­des und scientia,
welche aristotelisch als (zwei) habitus gewertet werden, nicht den­­­­­­­­­­selben Ge­­genstand,

der separat auftretende se­man­­tische Klärungsbedarf einem Hilfsmittel ad hoc („Wö­r­ter­­buch“!)


übertragen.
107. Sc. dann wenn eine Bewertung (analog ihrer Zulassung) von actus (Sätzen) erfolgen soll,
die über die Empi­rie hinausgehend mit dieser doch nicht im Widerstreit (Widerspruch) sein
sol­len, son­­­­dern kompatibel. Das wird im­mer wieder das Thema sein.
108. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 188 lin. 10–15, dann ib. lin. 16–22 (zum 2. Argument s. auch Kap. 4).
109. Das bedeutet: die Gegebenheit des Objekts, über das subiectum und Prädikat (= passio)
des Satzes überein­stim­mend lauten, i.e. suppositionslogisch stehen (= sup­­­­­po­nere).
110. Wir können entsprechend auch keine Prämissen haben, die diese Sätze vermöge eines Syl­
logismus einsehbar und zu­stim­mungsfähig machten, wenn diese Prämissen nicht selbst sol­che
Sätze sind: propositiones immediatae, die nicht eingesehen werden können, wenn sie nicht in­­­­
tuitiv erkannt werden. Zu ihnen gehören viele die Natur be­­treffende Wahrheiten. Scientia prop­
rie dicta aber heißt die conclusio der demonstratio potissima. Für die de­mon­stratio potis­si­­ma
gilt: ihre conclusio, aristotelisch auch scientia (ἐπιστήµη), muss nicht, aber sie kann be­zwei­­­felt
werden. Dann muss der actus iudicativus durch den syllogistischen Voll­zug erfol­gen. Auch
hier regiert in der induktiven Basis weiter die notitia intuitiva. Cf. Kap. 3. Zum Verhältnis der
Satzformen.
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 67

das ist: denselben Satz.111 Die negative112 Operationsbasis, aus der wir die in sich be­
grenzte negative Annahme elizitie­ren, muss nicht mehr mit dem Nachweis der de
facto Er­fül­lung belegt werden.113 Mithin besteht hier die Nähe zur persuasio.114
Es lassen sich einige Thesen fest­halten, die hier als Schlussfolgerungen oder auch
nur als Be­haup­tun­gen zu sehen sind und wenn sie bewiesen (belegt) werden sollen,
fallweise so weit zu entwickeln sind, dass sie alles Material so für sich behalten (auf
ihrer Seite haben), dass ihnen nicht mehr definit widersprochen werden könne (was
wiederum dem unten für die Abstrakti­on im Verhältnis zur selbst nicht mehr fassba-
ren Empirie angesetzten Schnitt115 entspricht):

1. Über den actus apprehensivus hinaus kann ein transzendentaler oder tran-
szendenter Gehalt nicht gedacht werden. Gott oder Gottesbegriff, mit dem ac-
tus apprehensivus vereinbar, über­stei­gen diesen nicht und sie füllen ihn nicht.
Gott steht nicht in einer ‘meta­physischen’ Quali­tät über dem (‘jenseits’ des) ac-
tus apprehensivus. Ockham macht kei­­ne An­­­leihen für opi­n­i­o­­nes und solutiones
bei einem solchen Gottesbegriff. Die Satzstruktu­ren wer­den unwandel­bar fest
zu­grun­de­­gelegt, so dass was über Gott geäußert wird, nach deren Cha­rakter ge­
mäß der sie betreffenden Erörterung (Diskussion) und intensional bezogenen
Be­­weis­­führung gilt, nicht da­rüber hinaus.116 Das Omnipotenzprinzip setzt keine

111. Für Ockham ist das obiectum der syllogistischen intellectio express die conclusio.
Ockham betont: Prä­mis­­sen und conclusio ha­ben un­ter­schie­dene ha­bitus. Sie heißen schon bei
Aristoteles ‘sapientia’ und ‘scien­tia’.
112. Cf. (unter Verweis auf Kolmogorov) Anm. 22.
113. Cf. schon Einleitung Anm. 59.
114. Zur Verbindung von persuasio und Induktion s. bes. Kap. 7: Formbegriff und reale
Wahrheit.
115. In der Punktmengenlehre ist beim Schnitt eine ‘Hälfte’ kompakt, die andere of­fen. Kom­­pakt
heißt: die Grenz­punk­te gehören zur „Menge“. Die Empirie ist nicht secun­dum ve­ri­tatem und
secundum rem in sich er­forsch­­bar. Ih­­re Grenzen zum Ver­stand sind nicht be­stimmt. Ockhams
Theorie (Ar­­gumente) sind per Ab­strak­­ti­on kom­pakt. Seine Be­wei­se setzen abstrakt immer wie-
der im Verstand die Grenze zur Empirie. Nach Ockham dringt die ex­tra­­mentale reale Welt
unbe­kannt in das menschliche Subjekt ein und zwar noch vor der sinn­li­chen Wahr­­neh­mung
(notitia), mit der sie dann vom Menschen erst­mals wahr­ge­nom­men und ausge­drückt wird.
Wie­­weit mensch­­liches Subjekt und ex­tra­men­tale reale Welt sich durchdringen (können), i.e.
auch das mensch­­liche Sub­jekt in die ex­­­­tra­mentale reale Welt eindringe und damit womöglich
ihr ‘imponiere’, ist wohl ei­ne andere Fra­ge und zwar eine, die für Ockham in jedem Fall a parte
subiecti the­oretisch entschieden werden müsste. Ockham weiß we­nig über die Prozesse praeter
intellectum. Die ex­tramentale Sache erhält ihren Ausdruck im sub­jek­­tiven mensch­lichen Be-
griff: wie I. quidditativum, connotativum, II. actus, notitia, III. forma, ratio etc.
116. Ockham löst das Problem, wie Begriffe, die den Satz bilden, wenn sie substantia und
accidens im Verhält­nis zueinander ausdrücken (können) sollen und es wahrscheinlich nicht
68 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

solche me­ta­phy­sische Quali­tät. Et­­wa nach einer in ihm enthaltenen ‘logischen’


(argu­men­tati­ven) Bedeutung, in der zu­­­rück­­ge­halten (weggenommen) wer­­­den
könn­­te (wür­de), was von ihm zu­gleich doch ausgege­ben und aus­­ge­drückt würde:
die analy­ti­­sche Folgemä­ßig­keit vereint mit ei­ner darin zugleich ausge­drück­­ten
In­hibition, wel­che Folge und Wider­spruch in einem zu mei­nen hätte und mit
der Ne­ga­­tion der De­­finitheit der termini und Sach­verhalte selbst zur Absurdität
geraten muss.117

können, auch über eine Negation eines un­­­mit­telbaren Verhältnisses noch in einem Verhältnis
begründet sein können. Im Sinn ihres so beschaffenen Ver­­hält­nisses müssen sie operativ (argu-
mentativ) begründet werden (können). Substanz und Akzidenz sind sprach­­­lich (grammatisch)
repräsentiert von als quidditativum und connotativum bezeichneten Begriffsarten. Das con­no­­
tativum suppo­niert für das­selbe ob­iectum wie das quidditativum. Sein Gehalt ist der des acci­
dens, über wel­­­­­­ches wir die res zwar pri­mär apper­zi­pieren, das aber nicht selbst in substantia rei
perzipiert werden kann. Sub­­­stan­­­tia und accidens sind nicht Kategorien, nach denen Erkenntnis
zwangsläufig und unmittelbar bestünde. Inso­fern haben wir keine transzendentalphilosophi-
sche Komponente, die doch bei Kant und Maimon noch ge­meint ist. Erst per argumentum,
wenn wir substantia mit dem Bestehenden, seien es res, Mensch, anima, oder Ver­­­­mögen, iden-
tifizieren und die Veränderung (naturphilosophisch motus, aug­men­­ta­tio) mit dem accidens,
er­gibt sich über deren Trennung und mutuelle Nichtübertragbarkeit die solu­tio bzw. opi­nio
Ockhams. Das gilt auch für die The­o­lo­gie. So ist denn auch unser Sün­den­stand nicht real er­
kenn­bar; aber die connotativa enthalten bereits die relatio, über welche die res und auch wir
als Men­schen be­zo­­gen und verfügt werden, wobei eben real­em­pirische Inkon­sis­tenzen und
na­tür­­liche Kausa­li­täts­ver­mu­tun­gen überstiegen werden müssen. Mit Bezug auf Gott sind wir
Sün­der, weil Gott auf Handlungen (ac­­tus), de­ren Sün­den­träch­tig­keit secundum formam et in
sub­stan­tia nicht ein­seh­bar ist, nach sei­nem freien Will­en als Sün­den be­steht. Gott in­stituiert so
unsere Sündhaftig­keit; unsere Akte sind nicht an für sich böse oder sünd­haft. Das erle­digt am
Ende den Mythos vom Sündenfall. Gegen das peccatum ori­ginale ar­gu­mentiert Ockham in­­duk­
tiv (und entschie­den): keine Spur einer in sich ak­zidentell blei­ben­den Sün­den­tat kann in uns
ge­funden wer­den; kei­ne sol­che hin­terl­ässt einen habitus in uns. Der ha­bitus bezö­ge sich auf
den Akt, der per se nichtsün­dig ist. Gott kann auch keine besseren Begründungen für un­se­ren
Sün­der­sta­tus ha­ben, die er in pec­to­re be­wahr­te und uns vor­ent­­hiel­te. Sie würden nur unseren
begrifflichen Möglich­kei­ten wi­der­spre­­chen. Die bes­se­­re sprich Not­wen­dig­­keits­­­er­kennt­nis bei
physikalischen Phänomenen wie ‘Son­nen­fin­ste­rnis’ oder ‘Blitz und Donner’ er­scheint Ockham
aber möglich. Hier fehlt es uns an Erkennt­nis­mi­tteln. Cf. z. B. Ord. Prol. q. 4 OT I p. 156 lin. 1–10.
Solche, die Gott per di­vi­nam po­ten­tiam su­­am schaf­fen oder – hypothetisch – uns kommunizie-
ren könn­­te, wä­ren als Mit­tel keine ei­­gent­li­chen von uns na­tu­ra­li­ter er­wor­benen Begriffe mehr.
Für die The­ologie wird solche Not­wen­digkeit nicht uni­so­no unter­stellt, wäh­rend sie bedingt
nach Satz­­ty­pen einmal an­fallen kann. Dazu müssen die Begrif­fe in dem Satz de­ter­miniert (de­
ter­mi­­nat) sein; doch muss der The­ologe an seinem Ver­ständ­nis der Be­grif­­fe als dem na­tür­l­i­
chen Be­grei­fen des Men­­schen entstam­mend fest­halten.
117. Das Omnipotenzprinzip übersteigt nie einen mit dem kontingenten Satz ge­ge­be­nen Rah-
men. Und zwar we­der for­mal, noch inhaltlich oder gar gegenständlich. Was im kontingen-
ten Satz für unseren Ver­stand präsent ist, etwa nach substantia und accidens zu be­zeichnen
und unterschieden, vermag Gott mittels seiner Allmacht zu tren­nen. Ebenso alles, was nach
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 69

2. Für das Induzieren kann keine analytische und damit auch keine bloß indirekt
beweisende, i.e. widerlegende Form des Operierens vorbereitend und damit
‘maßgebend’ sein. Es treten bei Ockham Widerlegungen auf, z. T. auch fingierte,
die keine positive Meinung nach dem tertium non datur begründen. Sie he­ben
nicht auf einen affirmativen Gehalt ab. Das bedeutet, dass dieser im Sinn der
Realität in sich, der res strictissime singularis nicht angenommen wer­de und dass
unterhalb der Abstraktion kein Sinn sei. Significatio, die die res extra, das singu­lä­­
re obiectum extra animam in se meint, ist kein konstitutives Moment der Darle-
gungen in und von Beweisen und zwar nach allen Beweisformen.
3. Die Induktionsmethode fängt die Transzendenz oder auch ‘Metaphysik’ ab, wie
sie selbst Aristo­teles nicht gescheut hatte. Es gibt aber die Übertragung von Be-
griffen empirischer Er­kenntnislehre und Psychologie auf Gott, Engel, die Seli-
gen.118
4. Das Omnipotenzprinzip wirkt nicht über von der Induktion begrenzba-
re pro-empirische Ver­­­­­­­hältnisse hinaus.119 Andere Prinzipien (Regeln) wie das

subiectum und passio förmlich getrennt bezeichnet wird oder ihnen getrennt zu­ge­­ordnet wer-
den kann, etwa die forma (motus) dem subiectum oder sich bewegenden Gegen­stand (res)
und die akzidentell von ihm, im Sinne der Messung oder Vergleichsskala, getrenn­te Referenz.
Ebenso diese in sich wan­del­bare Re­fe­renz überhaupt: man kann die Ver­gleichs­s­kala der Zeit-
messung (Tagesumlauf der ‘Sonne’/ Er­de, die Jah­res­bahn der Son­ne, die Bewegungen des Fix-
sternhimmels) zweckhaft in Ausehung der Genauigkeit wechseln.
118. Ebenso kann für einen Begriff (Größe) wie notitia intuitiva nach verschiedenen kausati-
ven Zusammenhän­gen, die als kontingente erhoben werden, induktiv ein einheitlicher abstrak-
ter Sinn verteidigt oder gestiftet werden. Da­­zu s. bes. Kap. 12: Verflechtung und Abgrenzung
der Akte.
119. Für Ockham werden aber z. B. Kausalvorstellungen, wie sie auch für die Akte (notitiae)
relevant sind, die da­mit gleich­sam in der Welt gehalten werden wie normale extramentale res
(distinkte Dinge oder absoluta), des un­um­wun­den realen Sinnes entkleidet, wenn sie in Ab-
straktionen und persuasiones eingehen. Darin werden sie dem Ge­brauch ontologischer Vor-
stellungen und Termini gleich. Diese vermischen sich mit auch mit den Kausal­vor­stel­lun­gen.
Ein Beispiel, das wiederum Ockhams induktive Beweisart erläutert (cf. Einleitung Anm. 58
und 59) findet sich in Ockham Beweis für seine Behauptung (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 61 lin. 3f):
(notitia in­tu­i­tiva und notitia ab­strac­ti­­va) „se­ipsis distinguuntur formali­ter“ das Lemma (ib. lin.
18–20): „agens potest esse unum et materia una et tamen effectus plures specifi­ce dis­tinc­ti.“
Der Beweis lautet (ib. lin. 4–17): „causaliter ta­men di­s­tinguuntur (no­­titia in­tu­i­tiva und notitia
ab­strac­­ti­va) – neben dem, dass sie formal unterschieden seien – a suis cau­sis es­sen­tia­li­bus a qui-
bus habent esse. Non ta­men sic quod necessario requirant (sic!) distinctas cau­sas essen­ti­­ales,
quia ab ea­dem causa simplici­ter pos­sunt fieri plura, puta a Deo, et ideo dependent essentiali­ter
ab alio quam a potentia et obiecto. (D. h. ab­strak­tiv wird keine Dependenz ex causis essentia-
libus betrachtet!) Ta­men na­turaliter lo­quen­do istae notitiae ha­bent distinctas causas effectivas,
quia causa effectiva (imme­di­a­ta add W 1495) notitiae in­tu­itivae est ipsa res no­ta, causa autem
effectiva notitiae abstrac­ti­vae est ipsamet notitia in­tu­i­ti­va vel aliquis ha­bi­­tus incli­nans ad no­ti­
ti­am ab­­stractivam. (Die mechanistische Kausalvorstellung, bei der mit der ge­ge­benen cau­sa
70 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

„Ökonomieprinzip“,120 die For­meln ‘non est inconveniens’, ‘non repugnat’ (‘non est
repugnans’), ‘non est magis (maior) ra­tio quod (non)’ stehen im selben Verhältnis
zur Empirie und bedeuten im Sinn der daran an­knü­pfenden Abstraktion eine
Ausweitung ins Reich der Kompatibilität (Vereinbarkeit). Sie die­­­­­­­­­nen der persua-
sio, die den förmlich strengen Beweis ersetzt, oder, da dieser entfällt und un­mög­
lich oder gar unbegründbar ist, ‘Beweis’ schlechthin ist.121 Das Omnipotenzprin-
zip steht mit der Induktionsmethode an der Stelle (Schnitt), wo die Abstraktion
gegenüber dem freien und nicht mehr spezifizierbaren empirischen Gehalt nicht
in Folgerungen übergehen kann. Fol­­­­­gerung erscheint hypothetisch als Aufhebung
im Gegensinn zu jeder analytischen und zwangs­läufigen natürlichen Folgerung.
Sie wird bei Ockham durch diesen Gegensinn zu künstlicher und sekundärer Fol-
gerung. Das bedeutet dann nochmals die Annäherung der Em­­pi­rie (unter dem
Zeichen von Kontingenz) an die Abstraktion (abstrakten Sachverhalte).122

imme­di­ata der Ef­fekt zwangsläufig eintritt, wird auf potentia und obiectum nicht übertra­gen:)
Si­mi­liter, po­­sito quod ita esset quod ac­tus non dependeret (nicht: causatur!) essentialiter nisi a
po­ten­tia et obiec­to (was er nicht tut!), adhuc possent illi actus distin­gui specifice quia non est
inconveniens quod idem agens to­ta­li­ter illimi­ta­tum sim­pliciter vel se­cun­dum quid pro­du­cat
in eodem passo effectus specifice dis­tinc­­­tos.“ Das ob­iec­tum und die potentia lie­fern keine Be­
griffe, aus de­nen wir etwas folgern könn­ten; die­se Fol­ge­rung existiert nicht. Sie wird persuasiv
auf­ge­hoben. Das agens to­­taliter illimitatum ist nicht Gott; es wäre nur au­ßer­halb unse­res ordo
mundi setz­bar, worin die Kausalme­cha­­nik empirisch ist (‘calor calefacit’), aber nicht be­grifflich
(ana­ly­tisch) im Sin­ne der Erkenntnisse in der Form der propositio immediata absolut erschlos­
sen. Mit der distinctio se­cun­dum for­­­mam der notitiae sind wir nicht mehr auf der strikt em-
pirischen Ebene wie bei den cau­sae essentia­les. Für die Unterscheidung der beiden notitiae
wird die Empirie nicht festgehalten; sondern sie werden per persuasi­o­nem tran­s­­­­empirisch un­­­
terschieden; wir verlassen die Stufe des empirischen Ge­brauchs der Be­grif­fe, bei dem sie nicht
gefüllt und ver­bun­den werden können. Wir kennen die Kausalität in se nicht empirisch und
ineins mit der Er­­fah­rung oder sie re­flektierend, sondern nur per potentiam divinam absolu­
tam – supranatu­ra­liter loquendo.
120. Für das Ökonomieprinzip besteht eine Beweisfunktion vorab in Bezug auf die Vermei-
dung von fallaciae, mit der empirische Befunde oder empirische (kontingente) Sätze festgehal-
ten werden.
121. Doch Ockham unterscheidet: ‘non potest pro­ba­ri, sed potest persuaderi’. Cf. Kap. 10: Ab­
straktion und scho­lastischer Beweiszweck.
122. ‘Realempirische’ oder ‘kausalanalytische’ Erkenntnisvorstellungen begründen hier keinen
ausreichenden Ein­wand: K. Jaspers, Nikolaus Cusanus, 1968 p. 213f sah in der modernen ‘Krisis
der Wissenschaften’ eine Be­frei­ung von me­taphysischem Ballast inclusive Kausalitätsprinzip.
Für G. Frege, Begriffs­chrift, 1879 fielen Not­­­wen­dig­keit und Implikation nicht zu­sam­men­, für
G. E. Moore nicht physi­ka­li­sche Kausalität und Im­­plikation oder Not­wendigkeit. Cf. R. R. Am-
merman, Classics of Analy­ti­cal Philosophy, 1965 (zu G. E. Moo­­­­­re): „phy­sics and psy­­­chology are
subject to psychological causal laws; but physical causal laws, at least in tra­di­ti­onal physics,
can only be sta­t­ed in terms of matter, which is both inferred and con­structed, ne­ver a datum.“
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 71

Man nennt Ockham oft Pol gei­­stiger Wenden im abend­ländischen Entwick­lungs­­


gang.123 In­des sind seine Ar­gu­­men­­ta­­ti­on und de­ren Struk­tur unbekannt. Doch
Ockhams Ar­gu­men­ta­­­tion trägt seine „‘Lehren’“. Man kann diese Argum­en­­­ta­tion al-
lenfalls nur im Nach­zug se­man­­­­tisch aus­legen, sie selbst muss inclusive scheinbarer
und wirklicher Varia­bi­li­tä­ten als syn­­tak­tisch und prag­ma­tisch interpretiert werden.
Defi­ni­­tionen und Intensi­o­nen sind hier nicht ganz ‘est’. Das gilt vor­ab für Be­griffe
und Sätze, die die actus mentales refle­xiv betreffen: no­­titia in­tu­i­ti­­va, no­titia ab­strac­
tiva, ha­bi­tus usw. Sie zielen direkt oder indirekt auch auf die unmit­tel­bare em­pi­rische
Er­­kenntnis, die somit darin ‘eingeschlossen’ ist. Es sind keine Be­grif­­­fe der ele­men­­­tar­
sprach­lichen Sätze, deren Realbezug die Suppositions­logik re­gelt.124

5. Die Beweislehre bleibt bei Ockham syllogistisch fixiert.125 Der Syllogismus nimmt
Sät­­­­­­ze (Maior und Minor) auf, die induktiv und persuasiv begründet werden. Die

On­to­lo­­gie ist kein Re­gu­­lativ und Prinzip der Er­kenntnis­si­cherung. Bei H. Blumenberg, 1966
soll sie es für das Mittelalter sein und da­rum hermeneutisch das Argument der Wahl gegen
Ockham.
123. Einmal eben in der Form, dass er für einen vorüber­ge­henden Selbstverlust des Menschen
im Mittelalter und der daran obligat sich anschließenden Selbstwiedergewinnung vermöge ei-
ner Re­ak­­tion auf diesen Tiefpunkt ver­­­­antwortlich bzw. nützlich gewesen sei: H. Blu­menberg,
Die Vorbereitung der Neuzeit, in: Philos. Rund­­schau 9, 1961 pp. 81–133 zu­erst und dann in id.
1966. Blumenberg überfasste A. Mai­­ers Bü­cher zur mit­tel­alterlichen Na­­­turphilosophie und
‘Physik’ und ging über zur De­nunziation Ockhams als ei­­nes unter den Wahn von der All­­macht
und Will­kür Got­tes ge­­beugten Zerstörers des menschli­chen Glaubens an sich selbst und seine
Ver­nunft. Gott wie Ockham wer­den – indiscernibel – Ziel­scheibe. Einer vermöge des an­de­ren.
K. Ban­­­­­­­nach, A. God­dù, J. Beck­mann, W. Vos­sen­­kuhl u. a. äußerten sich zu seinen Thesen un-
gläubig. Uns geht es um den struk­tu­rel­len Stel­­len­­wert des Om­ni­po­tenz­prin­­zips in Ockhams
Argumentatio­nen. Das ist zu­erst Sa­che von Be­ob­ach­tun­gen, dann der Beschrei­bung, zuletzt
der Ana­lyse der Argumenta­ti­ons­­züge Ockhams.
124. Wir sehen in Ockhams Suppositionslogik eine Beitragsfunktion zur Widerlegung und
Entsprechung der Be­­grenzung der Themen und Auslegungen. Wir teilen daher nicht das pri-
mordiale Interesse, das ihr die Auto­ren im Sinne eines fundamentalen Einstiegs in Ockhams
Lehre zumessen, z. B. M. Kaufmann, 1994. G. Martin, Wi­l­helm von Ockham, 1949 p. v sah im
SK Beiträge zur Ontologie, die er in der SL vermisste.
125. Ein und derselbe Folgesatz (conclusio) kann syllogistisch durch verschiedene Media be-
wiesen werden (Prol. Ord. q. 1 OT I p. 10 lin. 5f): „eadem conclusio in distinctis scientiis per
distincta media potest evidenter probari“, wobei der Ausgang von verschiedenen Wissenschaf-
ten genommen werden muss, denn sonst gäbe es in je zweien ein und dieselbe Ord­­­­nung der Be­
griffe, vermöge deren sie auch nur eine Wissenschaft wären. Das besagt, dass ein syllogis­ti­scher
Be­weis je einer (ein intensional bestimmter) dadurch wird, dass in ihm die media ‘unmittelbar
zum Beweis sind’. Das können die Begriffe des zu beweisenden Satzes subiectum und passio
nicht sein, die sonst eben so in einem un­­mit­telbaren Verhältnis stünden, dass ein Beweis nicht
nötig wäre. Was als conclusio des Beweises be­darf, um ein­­gesehen oder gebilligt zu werden, be-
darf seiner als principium nicht. Wenn dann die conclusio wieder Prämis­se wird, tritt folglich
72 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Lehre von den con­se­­quentiae (ihren Abarten) hat nicht vorrangig Beweisfunkti-
on.126 Sie dient der Er­läu­te­­rung und kann so Ausschließungen bewirken, Extra-
polationen zurück­neh­­men, Extensio­nen be­gren­zen, also eigentlich reprobationes
bewirken und fundieren.127 Die Be­­­­weispraxis ruht auf der In­­­duk­tion und der per-
suasio. Beweisnormen selbst können in­duk­­­­tiv be­gründet wer­den. Dann müssen
andere Annahmen zuvor durch Gegenbeispiele (instantiae) diskreditiert wor­­­den
sein. Es macht Ockhams Lo­gi­k aus, dass die logischen Regeln in die Beweisfüh­
rung in­termittierte Exem­pel sind. Au­ßer­halb der Widerlegung haben sie keine
Funktion.128

ein anderer ordo auf, der zweier Wissenschaften, die nicht eine sein können (ib. p. 12 lin. 8–11):
Metaphysik und Theologie „considerant multa sive (besser W 1495 tam) sub­­iec­tum si­ve (W
1495 quam, in Ed. unerwähnt ) passiones non habentia ordinem determinatum (besser W 1495
de­bi­tum) requisitum ad unitatem scientiae (der Ausgang ist von die­sem ordo!), tales non faciunt
unam sci­­en­ti­am“. (Beispiel ib. p. 12 lin. 11–13): „theologia considerat multa tam (sic!) subiecta
quam (!) passi­o­nes quae non per­­­tinent ad metaphysi­cam.“ Wollte man mithin die Me­ta­physik
für die Theologie an­setzen, so würde die ei­ne wo­­mög­lich die andere nicht er­schöpfen, so dass
auch der Beweis für ihre Einheit entfiele. Wir blickten auch nicht auf (ib. lin. 8) „debito (sic!)
modo ordinatas“. Auch die grundlegende Definitheit der Be­grif­­fe (ihr Gehalt quasi) wäre nicht
notwendig ge­si­chert. In Bezug auf die ex­ten­sionale Gesamtgeltung der Begriffe gäbe es einen
Agnos­ti­­zis­mus, der den Aspekt der Ex­tensionalität auszuscheiden u. U. ver­langt. Bei Ockhams
Unterscheidung von probatio und persuasio gilt ebenso agnostizistisch Vorsicht: Begrif­fe, die
per­­­su­asiv verwandt wer­den, sind em­pi­risch und ungesichert, solche, die für die probatio zu
verl­angen wä­­ren, hätten absolut zu sein; sie könn­ten nicht der Schöpfungsordnung, die wir de
facto haben, ent­­stam­men. Der Syllogismus bestimmt so nicht den Be­griffs­in­halt und impliziert
ihn nicht. Das ist nicht un­wich­tig mit Be­zug auf die consequentia formalis.
126. Die pragmatische Operationsstruktur, die wir behandeln, wird nicht durch Ockhams mo-
dale Satzlogik und Syl­logistik (cf. W. Len­zen, Ockhams modale Aussagenlo­gik, Arch. f. Gesch.
d. Philos. 75,2, 1993 pp. 125–159) aus­ge­­schöpft oder ini­tiiert. Ockhams Modallogik erschien
W. & M. Kneale, The Deve­lop­ment of Logic, 1966 bei ihren sonst durchgängigen Vorbe­hal­­ten
gegenüber Ockham eini­germaßen bemer­kens­wert. Da wir Ockham keinen analytisch-seman-
tischen Erörte­rungs- oder Beweis­führungsmodus un­ter­stellen können, muss alles was ei­nem
solchen zugeordnet werden könnte, mit Bezug auf Ockham funktional in einer bloßen Widerle­
gung un­ter­ge­hen; es kann die im Wesentlichen konstruktiven Ermittlungen Ockhams nie lei­
ten. Der mo­­­­da­­len Aussa­gen­lo­gik entspricht nach modernem Verständnis die ‘strict implication’
der mathematischen In­tu­i­tio­nis­ten (Brou­wer und seine Schule). Cf. hier M. McCord Adams,
Did Ockham know of ma­te­ri­­al and strict im­plication? Fr. St. 33, 1973 pp. 5–37. Beide Fol­­gerungsar­
ten sind, auf Kalküle gebracht, al­ge­bra­i­sch aufeinander ab­bildbar und äqui­va­­lent, jedoch in
Ockhams Be­weisoperationen funk­ti­onslos; sie erscheinen so ‘inexistent’.
127. Ockham sichert die Erkenntnis, indem er Annahmen argumentativ negieren kann, worin
sie falsch ausge­legt (gedeutet) wurde. Ihre Formen sind danach sekundär unproblematisch. Das
ist offenbar Ockhams ‘Ziel’.
128. Dabei hat die syllogistische Folgerung Vorrang vor der nicht syllogistischen. cf. Tractatus
de praedestinatio­ne et de praescientia dei et de futuris contingentibus OP II, p. 522 lin. 60–71. Der
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 73

Ockhams Operationen erscheinen als Methode und vereinigen sich zu einem Ge­
samt­­mo­­dell, worin seine Problem­lö­sungen Platz finden.129 Es bezieht sich auf die
antezeden­te Schola­s­tik, wie es scheint bewusst, als Re­vi­si­on. Erkenntniskritik lei-
tet in die Methodologie über.130 Eine met­ho­dische Bindung des Arguments gibt es
schon z. T. bei Duns Scotus.131 Des­­sen Ar­­­­gumentieren ist wo es in ausgebreiteter Form

Syllogismus hat eine klärende Funk­ti­on (ib. 523 lin. 91–93): „Unde mirum non est si ex praemis-
sis incompossibilibus sequitur conclusio impos­si­­bi­lis, quia in syllogismo ex oppositis sequitur
conclusio impossibilis.“ Diese conclusio kann dann ib. lin. 97 ein im­pos­si­bi­le sein ‘Deus fallitur’.
Das ist aber ein Faktum praeter syllogismum. Für einen solchen Satz können die Verwendung
des Modus modo composito und die modo diviso gleichermaßen entfallen. Die Syllogistik der
SL zielt auf Zu­­­lässigkeit von im Verhältnis modal aufzufassender Sätze, nicht etwa auf Not­­
wendigkeit im Ver­hält­nis von Inhalten und danach Erkenntnis. Fundamental sind proposi­tio
contingens und notitia in­tu­i­tiva Erkennt­nis.
129. Hier werden die wissenschaftlichen und gesellschaftspraktischen Regulative der Neu-
zeit wie ‘Richtigkeit’ und ‘Verbindlichkeit’ nicht eigentlich kreditiert werden können. Cf. E. v.
Savigny, Die Philosophie der norma­len Spra­che, 1969 p. 9 sah die neu­zeit­li­che Phi­lo­­sophie un-
mittelbar von der Absicht bestimmt für das Erken­nen nicht nur ‘Richtigkeit’, son­dern sogar
(und mehr) die ‘Verbindlichkeit’ zu si­chern. Doch Ockham wahrt das Mo­­ment tech­nischer Ver­
stan­destätigkeit auch noch, wo vergleichbar L. Witt­­gen­­­stein, Logische Untersuchungen (1947–
1949) und der ‘Phi­losophie der nor­­­malen Sprache’ dem von unwill­kürlichen ir­­rationa­len na­i­ven
Sprachverständ­nis­sen irregeführten „Individuum“ ‘Richtigkeit’ und ‘Ver­bind­­­lich­keit’ letztlich
eher ent­wun­­­den werden. Das In­di­vi­du­um noch ein­mal wie frühneuzeitlich von Vorurteilen
missleitet, die nun die nur geheim regulierte Sprache als Irr­tü­mer, unabdingbares und unent-
wegtes ‘Sich Verrennen’ ihm auferlegt, soll na­i­v-unwillkürliche i.e. phi­lo­so­phi­sche Annahmen
kor­ri­gie­ren, taucht aber nur in eine selbst unstabile, oft in Aporien mündende Kri­tik ein.
130. Wenn diese Methodologie in die Kompendien zur Logik (Summa Logicae, u. a.) ein­geht,
er­scheint sie nicht eigentlich konstruktiv. Dass Ockham mit der Logik die realistische On­to­
logie elimi­nie­­ren wollte, kann man be­haup­ten, weil er es tat. Schwe­rer dürfte es sein, sie als
kon­stitutiven Bestandteil oder pars in­te­gralis seiner er­kennt­nis­the­o­re­­ti­schen oder the­o­lo­gi­­
schen Lösungen zu be­schreiben, außer man sieht ih­ren Wi­der­legungs­charak­ter, etwa bei der
Suppositi­ons­lehre. Sie u. a. suspendiert das Wider­spruchs­prin­zip.
131. Das Verfahren des Duns Scotus lässt sich kompakt und anschaulich studieren in
W. Kluxen (ed. Transl. und comm.), Johannes Duns Scotus Abhandlung über das erste Prin-
zip, 1974 (De Primo Prin­cipio). Hier greifen die de­duktiven Beweise, bedingt oder vermeintlich
in logischer Form verfasst, ineinan­der und nehmen aufeinander in­tegrativ Bezug. Wenn das
Beweisen (potentiell damit auch die An­­wen­dung der Lo­gik) resp. der Gottesbeweis program-
matisch und konzeptuell auf eine unerwartete, indes nur schein­ba­re ‘Hö­he’ gebracht wird,
kann das gleich­­­wohl von Ockham praktisch nicht anerkannt werden. Das de­­pen­diert nicht aus
Ockhams Ablehnung des ontologischen Realismus, die man gern als Signum mit­tel­al­ter­­lichen
Ver­falls sieht. So noch H. Blumenberg, 1966. Ockhams Kri­tik am Sco­tischen Konzept der sci­en­
tia betrifft nicht konstitutionell den Universalienrea­lis­­mus; ihn nur soweit wie er in Ockhams
Ar­gu­men­ta­­ti­o­n für Be­griffs- und Satzfolgen oder -zusammenhänge ana­lo­ge Aktwertigkeiten
zu meinen hätte. Ockham greift in der ‘Sa­che’ Scotische Be­­­haup­­­tun­­gen, Thesen, Be­­­weise auf,
74 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

auftritt na­iv.132 Ockham kann weder alle the­matischen Gegen­stän­de noch alle begriff-
lichen Hilfs­mit­tel der Scotischen Ope­­­­ra­­­tionen und Lö­sun­­gen direkt legitimieren; er
sichert nicht die Ontologie (ontologische Begrif­fe), nicht Gott und des­sen All­­macht, es
sei denn man will Ockhams Operationen in toto für ei­nen in­te­­gra­len Got­tes­be­­­­weis
hal­ten. Inclusive des faktischen Gottesbeweises, den Ockham in der Emen­dation des
Scotischen gibt, lassen sich alle seine Operationen (in toto und einzeln) ihrer wis-
senschaftlichen Relevanz nach als eine ‘Gren­ze’ (terminus inclusivus) bezeichnen, die
das menschliche Subjekt nach seiner vermögendlichen Aktuation statuiert und Gott
als den termi­nus exclusivus dieser Welt ‘beibehält’. Gott steht zu dieser Welt dort und
genau im Sinne von Kompatibili­tät (mit ihr und für sie gegebenen begrifflich nach der
Erfahrung bestimmten Kund­gaben), wo wir den Begriffen und ihren Kompositionen
einen semantischen Sinn nicht ge­ben können.133 Ockham weigert sich der Apologie
wie der In­kul­pation. Er lässt sich auch nicht hermeneutisch inkriminieren. Er ist kein

deren denkbare Reichwei­te da­mit ange­foch­ten, aber nicht explizit erör­tert wird. Wenn die ‘Be­
grif­fe’ dabei oh­­ne ein „intentio­na­les Moment“ zu ver­ste­hen sind (cf. M. T. Lis­ke, Ver­an­lass­te die
Univer­sa­lienlehre Ockham, die Prädikation zu­letzt ohne ein in­ten­ti­o­na­les Mo­ment zu verste­hen?
The­o­lo­gie und Philo­sophie, Vjschr. 69, 1994 pp. 511–536), dann weil die Ver­bin­dung von Be­griff
zu Be­griff und von Satz zu Satz, im Syllo­gis­mus und au­ßerhalb, ohne das logische Moment der
Im­pli­ka­ti­on und so nicht-se­man­tisch zu ver­ste­hen ist.
132. Sein Mangel besteht letztlich in der inakkuraten Bindung der (wenn denn) logischen
Operation oder Argu­men­t­ationsform an den begrifflichen Faktor mit dem impliziten empiri-
schen (also ‘naiven’) Geltungsanspruch. Man muss hier ‘empirisch’ und ‘deduk­tiv’ gleich­­set­­zen;
und das noch­­mals wenn er über das logische Ope­rie­ren disponiert, so wenn er das (bisheri­ge)
Fehlen von Wider­spruchs­­­er­wei­sen als ‘Be­weis’ wertet. Ockham geißelt fast dieses Argument,
das zugleich eine These oder eine Maxime (ein Postulat) ist, nicht anders als das an­dere, das
Duns Scotus mit Thomas von Aquin teilt, dass die Erkenntnis, die ein höheres Wesen anders
als wir von Gott hat, per Postulat unseren Mangel kompensiere und daher prävalent ‘für’ unsere
Erkenntnis genom­men wer­den dür­­fe (stehe). Solche Kritik aber muss natürlich schon dem Sco-
tischen Gebrauch der Adäquatheits­hy­po­these gel­ten, die ebenfalls in Appellform vorgebracht
wird. Ockham refutiert das Adäquatheitsprinzip. Auch sie wird von Duns Scotus per petitio
principii ad hoc in den Deduktionsverlauf eingebracht (eingeschleust) und gilt hier hypothe-
tisch abstrakt und empirisch zugleich. Hier ist die Scotische Deduktionsart nach dem Paradox
von Lö­­wen­­­heim und Skolem zu kritisieren. Was beweisintern gelten ‘können’ soll, fungiert
doch beweisextern.
133. Hier wirken die beiden Aktbegriffe notitia intuitiva und notitia abstractiva kompensierend.
M. Re­­nemann, Ge­danken als Wir­k­­­ur­sa­chen. Francisco Suá­rez zur geistigen Her­vor­­bringung.
2010 p. 52 hebt die formell geringe Dif­ferenz von no­ti­­tia in­tu­­itiva und notitia ab­stractiva her-
vor. Sie ist Ockham bewusst. Denn da­gegen begrün­det er ihre distinctio secundum formam
seu speciem. cf. Anm. 119 o. Erst funk­ti­onell, sc. in der Reichweite, ent­fal­ten die (Definitio­nen
beider) notitiae ihre Qua­lität.
Kapitel 1.  Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham 75

ge­­schicht­­licher Wen­­depunkt mit ne­ga­ti­vem Po­tential, das Reaktionen zum Neu­en


oder auch zum Besseren ausgelöst hätte.134

134. H. Blumenberg, Die Vorbereitung der Neuzeit, in: Philos. Rund­­schau 9, 1961 pp. 81–133
will eine solche Wen­­­­­­­­de mit Tendenz gegen Ockham mit Johannes von Mirecourt beginnen
lassen. Er schreibt ihm p. 104 ei­nen Zwiespalt zwischen hyperbolischer Auslegung der Weltge-
setze secundum poten­ti­am divinam absolu­tam und re­duktiver positivistischer Welterkenntnis
secundum potentiam humanam zu mitsamt einer furchtvollen Ten­denz, von jener zu dieser
sich zu bewegen. Id. 1966 p. 164 weist zu Johannes von Mirecourt darauf hin, dass er die pu­­­­
tativ-skeptizisti­sche Be­­haup­tung, es könne eine no­ti­tia intuitiva ohne Ob­jekt geben als opinio
communis sei­ner Epoche bezeich­net habe. Wenn Johannes von Mi­re­court sie nicht teil­te, so
hätte seine angebliche Furcht wo­möglich auf die gezielt, die sie, die selbst für ketze­risch galt,
ver­tra­ten: potentiell die no­mi­­nales von Paris (cf. ib. p. 164 Anm. 98). Für Ockham selbst gab es
keinen Wider­spruch, sondern nur eine intensionale Divergenz zwi­schen dem ‘puta a Deo’ und
dem ‘se­cundum cursum na­tu­ra­­lem’. Jo­hannes von Mire­court hätte, als Oppo­nent Ock­hams,
gesagt (Blumenberg, 1961 ib.) „quod nullam ac­­tionem causae secun­dae posset deus age­re se so­
lo“, was zu bedeuten hätte, dass die ac­tio causae secun­dae den Inbegriff des Widerspruchssatzes
darzustellen ver­möch­­­­te, den Blumenberg (1966 p. 164) Mirecourt als Notanker gegen Ockhams
nach dem Omnipotenz­prin­­­zip waltenden Willkürgott unwillkürlich entdecken lässt: Gott kön­­­­
ne zu­letzt wenigstens nicht das Geschehe­ne un­ge­sche­­hen ma­chen. Die Ansicht ist Ockham
be­kannt: cf. K. Ban­nach, Relationen. Ihre Theorie in der spätmittelalterlichen Theologie und bei
Luther, Freiburger Zeitschr. f. Philos. und Theol. 2000 (47) pp. 101–126, p. 116 Anm. 45 zitiert
Ockham Tractatus de praedestinatione et de praescientia Dei respectu futurorum contingentium
OP II p. 507 lin. 11f: „secundum Philosophum, VI Ethicorum: ‘Hoc solo privatur Deus, ingenita
facere quae facta sunt’.“ Ebenso Ockham, Quaestiones in Libros Physicorum Aristotelis q. 32 OP
VI p. 476 lin. 3f: „VI Ethicorum dicitur quod hoc solo privatur Deus: ingenita facere facta sunt.’“
Cf. auch Ord. d. 30 q. 2 OT IV p. 323 lin. 17ff: „Si haec sit semel ‘Sortes est’, haec erit postea neces-
saria ‘Sortes fuit’; ita quod etiam secundum theologos Deus non potest facere eam esse falsam.“
Ockham richtet sich implizit gegen den per se theologischen Gebrauch des Omnipotenzprin-
zips. Wir stehen außerhalb der Anwendung des Omnipotenzprinzips, das Ockham den Rai-
sonnements des Aristoteles öfter entgegensetzt. Cf. Quaestiones in Libros Physicorum Aristotelis
q. 32 OP VI p. 480 lin. 103ff: (Deus) „non potest facere quin praeteritum sit praeteritum et quin
illud quod est praeteritum aliquando fuerit.“ Zu Ock­hams allge­mei­ner Hal­tung zu Aris­to­te­les
cf. Bannach ib. p. 118. Die Wirkung einer bestimmten ob­schon exi­sten­ten cau­sa hält Ockham
nun für unbeweisbar – wie er mit­tels des Omnipo­tenz­prinzips dartut. In die­sem Be­weis er­­­lischt
auch das Wider­spruchs­prinzip, wie oft wenn Ockham ähnliche Be­weise führt; selbst wo er sagt:
‘non est con­tra­dic­tio’ etc. Mi­recourt könnte Ockham nach dessen Präventionen gar nicht die
vermeinte Ten­denz­bekundung sachlich inadäquat zuschrei­ben.
kapitel 2

Suppositionslogische Identität 
und Kontingenz

Allgemeine Aussagen lassen sich schwer charakterisieren. Wenn man zudem da-
von ausgeht, dass die bei­­­den Begriffe, die (elementare) Aussagen, wesentlich bilden,
verschie­de­nen Be­griffs­­­ar­ten an­ge­­­­­hö­ren, kann nicht einer der Begriffe (sub­iectum) in
den Aussagen aus­gelegt wer­den. Das besagt deren Kontingenz. Es gibt für Ockham
kein Wis­­sen, das nicht (einzig) die­­sen Begriffen und Aussagen an­­ge­hörte. Ockham­
er­mittelt über die Begriffs- und Satz­struk­tur und be­trach­tet sie selbst als vor­gangs­­
los, we­­nig­stens was die Bestim­mung, Existenz (Ge­ge­benheit) oder Gewiss­heit der Er­
kenntnis an­geht. Er geht von der Kontin­genz der Sachen ex­tra men­tem ebenso wie
von Kon­tingenz als in­ten­si­o­­naler Ei­gentüm­lichkeit der Sätze (kon­tin­­gen­­ten Sät­zen)
aus. Kon­tingente Fälle, zu de­nen kontingente Sät­ze gehören, ent­­schei­den über all-
gemeine Maximen, wenn diese ontologi­sche Aus­legungen zu in kontin­gen­­ten Sätzen
ausgesprochenen Satzgehalten sind. Die allgemei­nen Ma­ximen werden so notwen­dig

. Cf. J. Lukasiewicz, The Logic of Aristotle, 11951, p. 149: „(Aristotle) apparently regards is
as obvious that the pro­po­­sition ‘Man is an animal’ or better ‘Every man is an animal’ so that
the predicate ‘ani­mal’ is contain­ed in the subject ‘man’. Pro­po­sitions in which the predicate is
contained in the sub­ject are call­ed ‘analytic’, and we shall probably be right in supposing that
Aristotle would ha­ve regarded all analytic propositions based on de­fi­ni­ti­ons as apodeictic, since
he says in the Posterior Ana­lytics that essential predicates belong to things necessarily, and es-
sential predi­ca­tes result from defi­ni­ti­ons.“ Nach Erwägungen ib. p. 151: „We are com­pelled to
as­sume that no analytic proposition is ne­ces­sa­ry.“ Cf. auch P. Lorenzen, Normative Logic and
Ethics, 1969.
. Nach Lukasiewicz, op. cit. loc. cit. sollen wir zwischen der Be­ziehung unter terms und der
zwi­schen propositi­ons un­ter­scheiden. Das müssen wir, wenn wir Ockham gestatten wollen,
mittels der Induktion oder sie ein­schlie­ßend, reproba­tiv Beweise zu führen. Ockham ope­riert
nicht über den Wahrheits­wert verschiedener Sät­ze, seien es kontingente oder ‘notwendi­ge’ oder
es­sen­tielle Aussagen, son­­dern über den Erkennt­nis­charakter (und so­mit deren Wert) von Aus­
sa­gen. Er vermengt oder verwechselt also nicht Erkenntniswert und Wahrheitswert. Ent­schei­­­
dend ist die Argumentation: ohne Diskussion über vorausgesetzte (‘ge­dachte’) Eigen­schaften
von Sät­zen. Es werden Widerlegungen auch mit nicht unbe­dingt oder explizit be­stimm­ten,
nicht bis in die letzte Kon­se­quenz unterscheidbaren Sätzen mög­lich. S. Beispiel pro­positio per se
nota und das Beispiel ‘substantia animae est in­tellectus’.
78 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

re­du­ziert (partiell be­strit­­ten) oder überhaupt verneint. Bei­des sind Widerlegun­gen.


Ockhams Met­­­­ho­­de gründet sich darauf, dass er die Bestimmtheit des kon­tin­gen­ten
Sat­zes und dann auch Un­­terschiedenheiten an ihm ausarbeitet­. Er begründet die ex-
akte empirische Erkenntnis und mit ihr den kon­tin­­gen­ten Satz, die er beide nach

. Deren Nähe zur Ontologie kann wahrscheinlich überhaupt nicht bestritten werden. Hier-
mit ist dann grundge­legt, dass wir immer weiter, auch in Ockhams Philosophie, vorab aristote­
li­sche ontologische Grundbegriffe be­nötigen und gebrauchen wie causa finalis usw. usw. On­
tologie und Wi­der­le­gung werden insofern Gegensätze bilden, als Widerlegung, wenn sie auch
ontologische Aus­le­gungen und Grundsätze betrifft, mit der Begründung von Ontolo­gie durch
indirekte Be­weise im Gegensatz stehen muss. Das heißt: die Widerlegung hat am En­de mehr Af­
finität zur Induktion als zur Aussagenlogik. Das bedingt die besondere Form, den Ein­satz der
Widerle­gung in der Suppositionslogik. Der ontologische Grundbegriff kann aber wiederum
seinem Gebrauch nach induktiv begründet werden und durch Induktionen funktionale Bestä-
tigung (qua Einschränkung) erhalten. Er ist so per se und somit überhaupt nicht widerlegbar.
In Widerlegungen wird aber seine reale ‘Erfülltheit’ negiert.
. Wir haben so notwendig keine oder nicht notwendig Sachgehalte oder Inhalte, die den
Sät­zen (als actus appre­hen­sivi) vorausliegen könnten. Sie werden durch die Induktion ausge­
schlos­sen. Keine Induktion begründet sie. Sie müssten die Basis von Induktionen sein, was
ausgeschlossen ist.
. Für die Bestimmung der Erkenntnis stehen dann die Akte notitia intuitiva und notitia ab­
strac­­ti­va. Diese beiden notitiae werden, wenn sie die Kontingenz erfassen sollen, voneinander
dadurch unterschieden, dass sie grosso mo­­do zunächst den Realbezug divergent und different
geben oder ausdrücken. Die eine (notitia intuitiva) be­zeich­­­net den unmittelbaren (= förmlich
er­füll­ten) Realitätsbezug (auf die res extra), die andere (notitia ab­strac­ti­va) ab­­stra­hiert von
ihm und suspendiert ihn. Dass dann die notitia intuitiva ebenfalls eine reelle Er­fül­lung nicht
be­­­dingungslos besitzen können muss, ‘folgt’ aus deren rein mentaler oder in­ten­sio­na­ler Defi­ni­
tion, in welcher sie als res absoluta von dem obiectum extra animam (der res extra men­tem)
im Sinn der sogenannten distinctio rea­lis unterschieden und faktisch ge­trennt ist. Ockham
de­finiert (und operiert) nicht aus dem Status der per se und extensional ge­dach­ten Erfüllung.
(Auch der Begriff ‘folgt’ muss hier mit einem negativen Akzent gedacht wer­­­den, welcher be­
sagt, dass die consequentia, welche die reelle Erfüllung zu gebieten hätte, negiert werden und
de facto nicht gezogen werden kann; in diesem intensionalen (negativen) Sinn oder Akzent
nimmt sich Folge­rung wie andere Größen aus, die auch nicht faktisch schon erfüllt gedacht
wer­den müssen. So etwa accidens (in Son­der­heit bei naturphilosophischen Sät­zen), der Mo­dus,
der einem (kontingenten!) Satz mo­do composito beitritt (cf. Kap. 1, dort zur Be­stim­mung der
Induktionsbasis s. auch Anm. 11) Beide notitiae zusammen erfassen den ge­samten Begriffsge-
brauch der kontingenten Sätze, i.e. innerhalb kontingenter Sätzen, und sie „egali­sie­ren“ so als
intensionale Größen die Wirklichkeit. („Egalisieren“ muss aber so be­reits a parte intellectus
verstanden wer­­den). Die Eindringung in die Wirklichkeit in se wird al­so aufgege­ben (i.e. die
Bestimmung und die Fiktion eines Denkens ex parte rei). Indessen wird intentio­na­liter pro re
in se gedacht. Beide notitiae aber lassen sich auch noch an­ders un­ter­­scheiden (Rep. II q. 13–14,
OT V p. 257 lin. 12–15): „nec formatio complexi nec actus as­sen­­ti­endi complexo est cog­ni­­tio
intuiti­va. Quia utraque cognitio est cognitio complexa, et cognitio intuitiva est in­com­plexa“:
Der Be­griff der noti­tia in­tuitiva ist damit gleichsam rekursiv verwandt worden, insofern er
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 79

Form und Bestimmung für unverwech­sel­bar hält. Wir müs­sen uns aber doch fra-
gen, wie weit da­bei ei­ne näherhin sinnliche Vor­­stel­lung in der Ausle­gung der Be­­griffe
beteiligt ist und sie für die Definition der Begriffe, der Sät­­­­ze und schließ­lich der Er­
kennt­nis, wie Ockham sie handhabt, relevant ist. Wieweit sie noch mit­wirkt, weil
sie nicht getilgt oder ausgeschlossen sei. Hier tritt bei Ockham kom­ple­mentär der
Zeichenbegriff in sein Recht. Dieser er­scheint für die Begriffe (und Sätze) be­reits,

förm­lich in seiner Ge­samt­heit intensional ebenso partikular wie allgemein verwandt worden
ist. Jeder nicht zu­sam­­men­­gesetzte Akt wird in Bezug auf die Definitheit und Nähe zu ihr no­ti­tia
intuiti­va ge­nannt und e converso. Das er­laubt die In­duk­ti­on, womit dann das Ar­gument in der
Nähe zur Wider­le­gung und Ausschließung steht. Die no­ti­tia intuitiva um­fasst actus ap­pre­hensi­
vus und actus iudicativus, wie die notitia abstractiva damit auch über die Kon­tingenz und die
Le­gi­timation durch die notitia intuitiva approbierte Sätze und Erkenntnisse erlaubt.
. Ockham sug­geriert (Rep. II q. 14 OT V p. 351 lin. 3–12), dass der Körper, mit der ani­ma ver­
bunden, für ge­wis­­se ihrer Lei­stun­gen Mit­wirkungscha­rakter ha­be, ohne dass die causa prä­zi­se
angegeben werden könne. Der Kör­per wirkt nicht in ei­­nem ge­nau­er kenn­­baren Sinn von causa
auf unsere anima ein, denn er ist nicht von dieser un­ter­schie­den wahr­­nehm­­­­bar wie die causa in
der äußeren Empirie. Von dieser muss also ab­ge­se­hen wer­­den, ob­wohl Erfahrung doch lei­­tend
ist. Die Erfahrung ist aber nie mit einer Dingidentität identisch. Insofern ist die Kon­­sistenz
gewahrt. Eine Singularität ist nach Ockham sowohl nach forma wie materia gegen eine ande­re
Sin­gu­larität differen­ziert. Aber die materia wird logisch per formam modifiziert. Wir haben es
mit einer Stu­fen­­ver­schie­denheit zu tun. Nicht mit einem Widerspruch infolgedessen. Wenn wir
die Stufen vermengen, bekom­men wir einen Wider­spruch. Es sind solche Widersprüche, die
aus der Stufenvermengung stammen, die Ockham mit seinen Refle­xi­­onen für seine solutiones
bereinigt. Das affiziert den Begriff der Folgerung (Implikati­on). Die Ar­gu­­­mentation, die wir
vorführen, tritt an deren Stelle.
. Der actus apprehensivus nimmt die Begriffe und die Sätze auf, wie sie im Verstande sind.
Hier­in werden sie nach Eigenschaften und Verschiedenheiten per Induktion charakterisiert.
Die Induktion greift dabei implizit über die Mentalsphäre hinaus und bezieht sich auf die Rea­li­
tät extra mentem, i.e. wie die Begriffe reale Bedeutung ha­ben können und das bedeutet grund-
sätzlich die res als singulare und significatio. Daneben wird nichts Inhaltli­ches in diese actus,
die selbst Relationen bedeuten, aufgenommen. Die Frage, die offen bleibt, ist die nach dem
Wis­sen. Hier haben die Zeitgenossen und spätere Historiker Auffassungsschwierigkeiten be-
kundet. Bei Ockham gibt es ein Wissen gleichsam nur alles betreffend, was in actus ap­pre­­­hen­si­
vi im Verstand vorhanden ist und ihm auch selbst dargeboten. Wenn was in diesen actus ap­pre­
hen­si­vi ma­­­­ni­fes­tiert ist, durch species und zu­sätz­liche en­­tia inhaltlich (und das wä­re es) ergänzt
werden sollte, würden wir immer zu Paradoxien, Ungereimt­hei­ten, fal­la­ciae, con­­sequentiae
falsae et simpliciter falsae kommen. Hier an­kert Ockham methodologisch.
. Die SL beginnt bereits mit der Erklärung bzw. Appellation des Zeichenbegriffs. Der reicht
bis in die Erörte­run­gen zur Bestimmung des Begriffs als mentaler Erscheinung. Ockham wider-
spricht der ur-nominalistischen The­s­e Roscellins aus dem 12. Jahrhundert (Ord. d. 2 q. 8 OT II
p. 271 lin. 1f): „posset esse opinio: quod ni­hil est uni­ver­sale ex natura sua, sed tantum ex instituti­
o­ne, il­lo modo quo vox est universalis“, wenn er sagt (ib. lin. 9–12): „Sed haec non videtur vera,
quia tunc nihil ex na­tura sua esset species vel ge­nus nec econ­ver­­so, et tunc ae­qua­­li­ter posset
80 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

wenn Ockham den kontin­gen­ten Satz definiert und ihn als erkennenden über die
sup­po­sitionslo­gi­sche Identi­tät der Be­grif­fe im (kon­tingen­ten) Satz und al­lein über die­­
se bestimmt und erör­tert, dann aber schließ­lich auch in den Wi­derlegungs­be­wei­sen
mittels der ‘Suppositi­ons­logik’ den kontingen­ten Satz, die suppo­si­tions­logische Iden­
ti­tät, ja noch Ab­straktion und In­duktion bewerkstelligt. Da­mit wird die Er­kenntnis
in ei­ner Art forma­li­siert, welche sie von der nor­­ma­­len philoso­phi­­schen Erörte­rung,
gerade auch re­fle­xiv in Er­kenntnisfragen, und zwar der des Mittelalters wie der Neu-
zeit trennt und unter­schei­det.10
In der Suppositionslogik11 müssen, wenn subiectum und passio (prae­­di­ca­tum)
übereinstimmend mit der Bestimmung dieser ‘Be­griffe’ in­halt­liche (intensionale)

Deus et sub­stantia extra animam esse universale sicut quicquid quod est in anima, quod non
vide­tur ve­rum.“ Ockham will aber zur Abstraktion im Verstande gelangen, die den Unterschied
zwischen Ver­stand und Re­alität besagen soll (ib. lin. 14 – p. 272 lin. 3): „Ideo potest aliter dici
pro­ba­biliter: quod uni­­versale non est ali­quid reale habens esse sub­iec­ti­vum, nec in anima, nec
ex­tra animam. sed tantum habet esse obiectivum in ani­ma, et est quoddam fictum habens esse
ta­le in esse obiec­ti­­­vo quale habet res extra in esse sub­iec­ti­vo. Et hoc per is­tum modum quod
intellectus videns ali­quam rem extra animam; fin­git consimilem rem in mente.“ Und deut­lich
(ib. lin. 17–19): „Et ita isto modo universale non est per generationem sed per abstracti­o­nem,
quae non est nisi fictio quaedam.“ Der Verstand ‘bricht’ mit der Abstraktion die unbeding­te
na­tu­ra­le Ob­li­ga­ti­on, nach der Begriff und Begriffsbildung von der res extra animam auszuge-
hen hätten. Cf. ib. q. 7 p. 261 lin. 13–20: „dico quod natura occulte operatur in universalibus,
non quod producat ipsa universa­lia ex­tra ani­mam tamquam aliqua realia, sed quia producendo
cognitionem suam in anima, quasi occulte – sal­tem /§ immediate vel §/ mediate – producit illa
universalia, illo modo quo nata sunt produci. Et ideo om­­nis com­mu­nitas isto modo est natura-
lis, et a singularitate procedit, nec oporteret illud quod isto modo fit a na­tu­ra es­se extra animam,
sed potest esse in anima.“ Nach Ockham (ib. lin. 7–10) meint auch Boe­thi­us nicht, dass der
Begriff als species „sit totum esse individuorum, sed quod dicit to­tum esse individuo­rum, si­cut
quo­dam­­­modo signum quod non est signatum (sic! Cf. o.).“ Doch: ‘universale’ est species.
. Doch bleibt die Formali­sie­rung (Formalität) eine innere des Begriffs und des Sat­zes.
10. Ockham muss gewisse inhaltliche Fragen nicht mehr beantworten, Probleme inhaltlich
nicht mehr stellen. Sie werden nach seiner Technik nicht als in­halt­li­che erscheinen können.
Dabei s. auch Anm. 6 o. Auch hier wird ja sichtbar, dass die relatio inter sensus (corpus) und
anima (intellectus), selbst wo angenommen, nicht distinkt ins Bewusstsein trete, so dass die
Methode sie nicht greifen kann; sie ist nicht präzise bekannt. Aber sie erhebt sich über der Er-
fahrung, der sie nicht widerspricht, wenngleich sie sie nicht ausführt. Das gehört zur Abstrak-
tion, zu den Relationen und schließlich noch zur supranaturalen Deutung solcher Begriffe, die
dem empirischen Ver­ständ­­­­nis entstammen, das Ockham ausdrücklich für seine Erläuterungen
in der sa­cra theologia verwendet, um sie expressis verbis menschennah zu halten. Es scheint
ihm dies ein Vorzug zu sein, weil sonst etwa die Ver­hält­nis­se zwischen den personae, die der
Erfahrung und Konkretion entzogen sind, unverständlich blieben. Wir wer­den zei­­gen müssen,
wie die Abstraktion da vonstatten geht.
11. Die Suppositionslogik erklärt den ‘kontingenten’ Satz. Wäre es anders, müssten alle mögli­
chen Logiken mit­ein­­ander verglichen und ins Gleichgewicht ge­setzt werden; dass die Suppo­si­­
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 81

Qualität haben sollen, die Folgerungen wegfal­len, die das zu be­gründen hätten:12 so­
mit kön­nen nur Folgerungen zugelassen werden, die eine sol­che Be­grün­dung nicht
ent­halten.13 Sie ha­­­­ben dann, im Grunde induktiv, eine Bedeutung für die Begründung
der Aus­­sagen und die Auf­fassun­gen der in­halt­lichen Spezifität der Begriffe. Beispiel:14
„Quam­vis in ista ‘Sortes est ho­mo’, ly homo supponat pro Sorte, non tamen praecise
pro Sorte, quia po­­tenti­a­li­ter – secun­dum modum loquendi Logicorum – supponit pro
quolibet ho­mine, quia in­­fer­tur ex quo­­­li­bet, et terminus semper in talibus supponit pro
eisdem, quia de omnibus de qui­­­­bus veri­fi­­ca­tur. Non ta­­­men verificatur ista ‘Sortes est
homo’, nisi pro Sorte, et ideo non est idem dice­re: ‘Sortes est homo’ et ‘Sortes est Sor-
tes’.“ Für Ockham sup­­poniert der All­ge­mein­­­­be­griff ‘homo’, der für alle Menschen (als
individua) gleichermaßen gilt, nicht ver­mö­ge der Qua­­­li­tät des Mensch­seins, derart
‘ex natura humanitatis in Socrate’ er­schließbar,15 son­dern „pro quolibet homine, quia
in­fer­tur ex quolibet“. Er kann also angesichts eines jeden belie­bi­gen Men­schen gleich
ge­bil­det und erworben werden. Er wird dann auf So­kra­­­tes an­ge­wandt, weil er auf alle
Menschen ange­wandt wird oder werden kann. Es gibt kei­nen Grund da­für, ihn nicht

ti­onslogik mit der aussagenlogi­schen consequentia materialis vereinbar ist, er­weist sich, wenn
Ockham unter Gebrauch der suppositionslogi­schen Funktionen suppositio simplex und sup-
positio personalis widerlegend verfährt: allgemeine Sätze werden als absurde (simpliciter fal-
sae) erwie­sen, was bedeutet, dass sie keine Erfüllung haben können. In dem Sin­n kommt man
zur Kontingenz, die, wie schon die Begründung der Sup­po­siti­ons­logik zeigt, Absur­dität aus­
schließt.
12. Wollten wir es anders ansetzen, so wären je die Begriffe + Bestimmung als Erweite­rung des
Inhalts der Be­grif­­­fe zu denken. Am Ende hätte man den zusätzlichen Inhalt (der Be­grif­fe alias
Bestimmungen) fiktiv als Folge­rung und deren Geltung oder Anberaumung in Äqui­valenz mit
diesem Inhalt. Logik und Ontologie wären eines. Cf. auch Kap. 3 Anm. 83.
13. Es entscheidet dies, wie leicht ersichtlich, über die Lehre von den Folgerungen und deren
Di­versität; man kann sagen: die verschiedenen Folgerungen werden nach ihrer Differenz in­
duk­tiv eingesetzt und begründet. Mit dem ge­­­änderten Fall wird je eine neue Folgerungsart
denk­bar und intensional, i.e. für den Akt des Verstandes inso­weit gerechtfertigt. Mehr muss für
die Suppositonslogik nicht geleistet werden und infolgedessen kann wie­de­rum von ihr mehr
nicht geleistet werden, so dass sie denn auch philosophisch für die Beantwortung aller Fra­
gen nicht ausreicht. Diejenigen Autoren, die in Ockhams Suppositionslogik alle seine Leistun­
gen, Meinun­gen, Be­grün­­dungen usw. ebenso wohl induziert wie begrenzt und über­haupt be­
schlos­sen sehen, implizieren den Fol­ge­rungs­begriff, der auf dem Felde der Suppo­si­ti­­ons­logik
Ockhams schon gerade von ihm exter­mi­niert wird.
14. Ord. d. 2 q. 7 OT II p. 257 lin. 3–9.
15. Cf. ib. p. 256 lin. 9f „nihil a parte rei est univocum quibuscumque individuis.“ Univozität
wird von Begriffen aus­gesagt, nicht kraft einer universalitas in re (oder rebus) „et tamen est
aliquid praedicabile in quid de indivi­du­is.“ Fragt man nach der Be­­gründung, ist die Ant­wort:
durch abgelehnte Folgerungen und entspre­chend zuläs­si­­ge. S. Anm. 13 Ei­ne zu­lässige Konse-
quenz stützt quasi akzidentell die Abstraktion (Allgemein­heit), eine unzu­läs­sige ist insignifi­
kant im Sinne der der Abstraktion widerstreitenden Individualität. S. auch Anm. 18.
82 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

auf die­sen anzuwen­den.16 Nie kann nach dieser Sachlage, beson­ders insofern auch die
in­­­­­tensionale Bestimmung ei­­­nes Satzes nicht per Folgerung oder eine Fol­gerung ent­
sprechend Teil dieses Satzes sein kann,17 Ab­surdität im Bereich der mit kontin­gen­­ten
Aussa­gen befass­ten Suppositionslogik aus­­ge­­drückt, i.e. als Teil und (oder) als Gegen­
stand der Be­stim­mungen von Elementen mit in­­ten­si­­o­na­ler Qualität aufgefasst oder
bezeichnet wer­­den. So ist die Kon­tin­­genz selbst, wie sie denn für Sätze grundlegend
festgestellt wird, Ge­gen­teil der Absurdität, die nicht für den Satz apostrophiert und
nicht als modali­ter in ihn ein­geschlos­sen gese­hen wer­den kann. Es gibt somit wie­­
derum für den Satz, i.e. für den im Kern kontin­gen­­ten Satz und weite­re Sät­ze, die hier
denkbar an­knüp­fen, kei­­­ne Fol­gerung, die positiv oder negativ et­was in ihm er­­mit­telte;
so auch nicht über die Absurdität. Absurdität ist darum erst mit consequen­tiae ver­bun­­
den (gege­ben) = er­mit­tel­­­bar.18 Nicht aber mit dem Satz in sich.19 Die Folgerung kann
nie zur empirisch fundierten Erkenntnis gehören (stimmen).

16. Es ist evident, dass ein Schluss wie dieser: ‘Socrates est homo’, ergo ‘Socra­tes est Socrates’
nicht zugelassen wer­den kann. Damit wird aber auch über die Grundlegungs­qualität von Fol­
ge­rungen in Sachfragen einschließ­lich eben bezüglich der Folgerungen selbst entschieden. Was
u. a. bewiesen wird dadurch, dass der umgekehrte Schluss ‘Socra­tes est So­cra­tes’ ergo ‘Socrates
est homo’ überhaupt gar nicht zulässig wäre. Wir haben überhaupt kei­nen Folge­rungs­begriff,
der dem entspräche, wenn wir denn ‘Socrates est Socrates’ als Satz ak­zeptiert haben. Eben das
sollen wir aber nach Ockham nicht tun. Ockhams Konsequenz beruht also auf einer Kon-
sistenz, wel­che die Reflexion auf (die) Folgerung oder deren Begriff ein­schließt. Dabei kann
natürlich der Einzelfall ei­ner abge­lehn­ten Folgerung, entsprechend ei­ner zugelassenen anderen,
immer als Beispiel und im Sinne einer all­ge­mei­nen Begründungs­qua­lität gelten; dass die Folge-
rungen untereinander eine (‘ihre’) Folge und Reihenfolge be­­sit­zen müssten, ist bereits im Sinn
der multiplen Folgerungsarten (bei Ockham) ausge­schlos­sen, die sonst nicht möglich wäre;
zugleich gilt, dass ja (für Ockham) Sätze immer mul­ti­pel, be­liebig und damit untereinan­der am
Ende independent verwendbar sein müs­sen. Folglich liegt die Definitheit außerhalb der Sätze
nicht ‘in’ ihnen.
17. Dies hat insbesondere zu bedeuten, dass die modalen Bestimmungen eines Satzes modo
com­po­­si­­to, deren Ein­set­zung und Möglichkeit damit erklärt wird, eine Konsequenz bedeuten
und auf einer beruhen. Die modale Be­stim­­mung eines Satzes modo diviso gilt von dem Satz
ganz im Sinn der Bestimmung des kontingenten Satzes, für den in dem Sinne dann auch die
Folge­rung als in ihm angelegte Eigenschaft ausscheidet.
18. Autrecourt sah Kontingenz der Erkenntnis oder wahrheitsfähigen Aussage und Absurdi­tät
(als Widerleg­bar­keit = generelle Bezweifelbarkeit) nebeneinander bestehen.
19. Die mit den Bedingungen der Gewinnung der Begriffe genannte Suspension der Folgerun­
gen (von mehreren Fol­gerungen) muss immer bedeuten, dass in Übereinstimmung mit der
De­finitheit, welchem dem terminus zu­kom­men sollte, ja auch zugesprochen werden kann,
keine Folgerung (Logik) überhaupt existieren möge. Das wird hier induktiv geschlossen, weil
die Be­gründung der termini, wie sie der Erfahrung entstammen soll, die Fol­ge­rung nicht
vor­aus­­setzt und vielfach nicht zulässt. Auch ist erkennbar, dass Autrecourt sie gar nicht bezüg-
lich der als empirisch und abstrakt zu sichernden Erkenntnis verlangen konnte: die Folgerung
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 83

Es gibt den Ein­schluss des einen Ele­ments in dem anderen nicht, der sie zu­sam­
men­­bände:20 „Et ideo in ista propositione: ‘Sorti inest albedo’, melius est di­cere quod
co­pula (significat) sig­­ni­ficet il­lam in­haerentiam (actualem) accidentalem. Et tunc to-
tum complexum ha­bebit es­se ex­tra ani­mam, quia tam ex­trema quam copula. Vel si
complexum habet tantum es­se ob­iec­ti­­ve quod co­pu­la habet conceptum absolutum
per unionem et non per prae­­di­ca­tionem, li­­­­cet il­le con­­­­­ceptus signi­fi­cet respectum (re-
alem) re­alis inhaerentiae.“21 Die suppo­si­ti­ons­lo­gi­­sche Iden­­­­­­­­tität kann weder für die
onto­lo­gische Deu­tung der Sät­­ze secundum inhaeren­ti­am acci­den­tis in substantia
noch natürlich für die in der re­duc­tio ad ab­surdum greifbare Tren­nung zweier ab-
strakter Faktoren geltend ge­macht wer­den. Im Grunde muss das inesse diese Bedin-
gung der Absurdität bezeichnen; das gilt für dessen ab­strak­te Deu­tung, die bejaht und
zugelassen wird, wie für die näherhin onto­logische Ausle­gung, die Ockham repro­
biert. Das bedeutet auch, dass das accidens nicht im Sinn der Impli­ka­tion in­hä­riert.
Die Ablehnung beruht also auch da­rauf, dass eine Implikation so nicht ange­nom­men
wer­den soll. Dass eben hier­bei eine Widerle­gung (reductio ad absur­dum) möglich
ist, bedeutet, dass das inesse nicht exakt ausge­legt wer­den kön­ne, i.e. pro reali. Es gilt
zu­­gleich, dass eine Implikation nicht bestehen könne.22

konn­­te mit einer schon em­pirisch gesicherten Erkenntnis oder Begriffsgewinnung gar nicht
überein­kommen. Die Folgerung konnte kei­ne Bedeutung als Kriterium haben. Auch der Syl-
logismus hat sie nur indirekt. Cf. Summula philosophiae naturalis. Praeambula. OP VI p. 149
311–313. Danach kann die Logik sogar scientia practica heißen.
20. Rep. II q. 1 OT V p. 22 lin. 21 – p. 23 lin. 5 Wir folgen W 1495 (Rep. II q. 1 M) für die fett ge­
druck­ten Vari­anten. Sie drücken aus, dass der Satz keine ontologisch fixierte Wahrheit bezeich-
net. ‘albedo’ ist ein acci­dens; den Zu­sammenhang bezeichnet der Konjunktiv! Die inhaerentia
ist de facto real, nicht förmlich reflexiv.
21. Dem accidens in den elementaren Sätzen entspricht grammatisch die passio (SL I c. 37
OP I p. 104 lin. 3 – p. 105 lin. 11: „(passio) mul­ti­pli­citer accipi pot­est … tamen secundum quod
logicus utitur ‘passione’, passio non est aliqua res extra animam inhaerens illi, cuius dicitur
passio, sed passio est quod­dam praedica­bi­­­le mentale vel vo­cale vel scriptum, praedicabile per
se se­­­cundo modo de sub­iec­to cuius dici­tur passio.“ Wenngleich die vox oder das geschriebene
Zeichen sich auf das prae­dicabile men­­­­­­­­­ta­­le beziehen, was natürlich ebenso für das subiectum
(mit Bezug auf das obiectum als Sub­­­stanz) gilt, sollen sie vom rein mentalistischen Faktum des
Begriffs unter­schie­­­den wer­den: „proprie et stricte lo­quen­do passio non sit nisi tale praedicabile
mentale, et non vocale ne­­que scrip­tum, secundario tamen et impro­prie vox vel scriptum potest
dici pas­sio.“
22. Wenn Autrecourt die scholastischen Gehalte generell ablehnte und für absurd ausgab und
für widerlegbar hielt, mussten alle diese abzu­leh­nenden Ge­hal­te damit im­mer im Sinne des
‘in­esse’ abgelehnt werden. Bei Ock­ham dagegen wird der Kriterien­wert des Fol­gerns im Sinne
der Abstraktion bezweifelt. Die Abstraktion ent­steht und steht bei Ockham auf der Ba­sis der
Kontingenz, die dann im Sinn der ratio etwa der actus und no­ti­ti­ae im Sin­­ne von Fol­­ge­rung
nicht mehr zugelassen, vielmehr kupiert oder ausgeschlossen wird. Ein Bei­spiel: die no­ti­tia
intuitiva, wenn die Gegebenheit (existentia, praesentia) des ob­iec­tum (res extra ani­mam), die
84 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Dass Ockham diese Bedingung verwirft, bedeutet, dass er eine andere Wissen­
schaft be­treibt. Darin gibt es keinen Grund im Abgelehnten und nach dem Sinn der
Ableh­nung oder ab­­ge­lehn­­ten An­nahme. Der Weg der Abstraktion(en), den Ockham
be­schrei­­tet, muss ja auch be­sa­gen, dass die Basis, auf der diese sich erhebt (erheben),
wesentlich negativ und posi­tiv gedeu­tet wer­den muss, also doppeldeutig ist und ja
und nein besagt, damit aber ei­ne Ab­leh­­­­­­nung (Ex­­­klusion) von Exklusivität besagt. Die
Abstraktion und die Kritik der on­to­­­­lo­gi­schen Deu­tung der inhaerentia des accidens
in substantia (denn darum han­delt es sich) ent­spre­­chen sich nicht; sie werden nicht
innerhalb derselben kontinenten Men­ge von Ope­rationen begründet bzw. verworfen.
Refutation und Abstraktion decken sich nicht. Ockham muss da­­mit eine Aus­schlie­
ßung per argu­men­­tum, die er im Sinne der reduc­tio ad absur­dum betreibt, als gegenläu­
fig zur Abstraktion an­sehen, wenn denn diese mit De­fi­nit­­heit zu tun haben kön­nen
soll. Wi­der­legung, reductio ad absur­dum, Abstraktion und In­duk­ti­on ha­ben alle nur
einen po­sitiven Wert. Sie können also nicht aus sich und als solche, sei es ontolo­gisch,
sei es an­thro­pol­ogisch (quasi psychologisch) interpretiert und begründet wer­­den. Da­­
mit gehören sie noch ei­nem no­mi­­­nalisti­schen Zei­chen- oder Begriffsverständnis an
oder ste­hen ihm nahe. Argu­men­­tati­ons­­formen überhaupt noch einmal auf einen sol-
chen oder ir­gend­einen Zeichenbe­griff zu bezie­hen, hieße, dass Zeichen, Inhalt, Logik,
Deduktion zu­sam­men­gesehen werden könn­ten.23 Bei Ockham ist das nicht der Fall.
Schließlich kann auch die qualitative Be­­stim­mung von Akten und notiti­ae nicht im
Sinn von Referen­zen und Effek­ten kausal, kau­sal­ana­ly­tisch oder logisch nach irgend­
einer onto­logischen Deckungs­gleich­heit von substantia und ac­ci­dens ausgelegt wer­­­
den.24 Auch hier ist nicht Deduktion im Sinn von Folgemäßigkeit mög­lich.

in die in­halt­liche Definition der notitia intuitiva einge­gan­­­­gen ist, mit dem extensio­na­len An­
spruch faktischer Gegeben­heit nicht gleichlautend sein müs­sen soll. Widerlegung ist da, wo ‘In-
dividualität’ nicht Abstraktion (Allgemein­heit) sein oder stützen kann. Cf. Anm. 13, 15 und 18.
23. Ockham erörtert die verschiedenen Auslegungen der Begriffsnatur, die oben anklangen,
im Sinne der re­duc­tio ad absurdum, was bedeutet, dass man die­se Aus­­­legungen nicht absolut
nehmen muss oder kann. W. Chat­ton, Rep. sup. Sent. Bd. 1 p. 212 lin. 14 sqq. versucht ebenfalls
Widerlegungen: „Item accipio arti­cu­­lum fi­dei is­­­tum in mente ‘Deus est trinus et unus’ sub-
iectum huius aut im­­mediate rem extra animam, et hoc est propo­si­tum, quia nul­­­la alia res est
trina et una ni­si De­us; aut significat fictum, quale fre­­­­­quenter ponis, saltem sub dis­junc­tione,
et aliquando te­nuisti absolute, et tunc illud fictum es­­­set tri­num et unum, et alia multa absurda
se­que­­ren­tur.“ Bei Ock­­ham ist aber das intramen­ta­­le Verständnis des Satzes, wie der viator ihn
habe, bestimmend.
24. Die­se Bestimmungen, i.e. reflexive Aus­sagen über Begriffe und elemen­tare Sätze, also kon­­
tin­gen­te Sätze und ihnen noch ver­wand­te und naheliegende, denen sie selbst nicht angehö­ren,
bleiben dabei der Kontingenz ver­pflich­­­tet und auf der abstrakten Ebe­ne auf sie bezogen. Die
Kontingenz bezieht sich hier auf die im Sinne ver­schie­dener kau­sale Referenzen mögli­che un­
ter­schiedliche Fälle des Vorkom­mens, des Eintretens und des Be­dingt­­­seins der notitiae und ac­
tus, die man bestimmt und nach ihrer Reichweite und multi­plen Funktionsweise re­flek­­tiert.
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 85

Ockham egalisiert den Begriff vom Be­griff (universale) und den Begriff von der
res extra; mit­hin einem Begriff von Sachen:25 „Nulla una res non variata nec multipli-
cata est in pluri­bus vel singularibus. Nec etiam quibus­cumque individuis creatis simul
et semel. Sed ta­lis res si poneretur esset una numero.“ So ist denn auch das universale
nicht Teil der essentia der Din­­­­­­­­ge: „Ergo non esset in pluribus singu­la­ribus nec de es-
sentia il­­lorum…“ Dabei fragte Ock­ham: Utrum aliquid reale pos­­­sit distingui secundum
rationem ab aliquo reali. Für die Sa­che im Sinn der res extra ani­mam gilt dann, dass
eine Abstraktion nicht möglich ist, in wel­­cher die­­­­se Sache gleichsam ver­doppelt wer-
den, so dass Abstraktion von ihr verschie­den sei und ihr angehöre:26 „si eadem res
a se ipsa vel ab alia re differret ratione, hoc non es­set nisi prop­ter di­­ver­sas ra­tiones
fabricatas circa eandem rem vel easdem res, vel quia ali­ter con­ci­pi­tur eas­dem res ab
in­tel­­lectu. Sed primum non sufficit quia sicut in­tel­lectus potest for­ma­re di­­­versas ra­tio­
nes realiter distinctas circa eandem rem, ita causa realis pot­est formare di­­versas res
reali­ter distinctas cir­ca eandem rem; sed non obstante quod circa eandem rem et in
eadem re fiant res diversae rea­li­ter distinctae nunquam dicetur quod illa res realiter
distingui­tur a se ipsa vel (W 1495 statt sed Ed. ) quod illae res fac­tae vel aggregatae
ex illa una et duabus re­bus factis dis­tin­­gui­­­­­­tur rea­li­­ter.“ Dabei ist die Ab­straktion als
Produktion gewissermaßen real (oder ver­gleichs­­wei­se) mit der Verursachung gleich­
ge­setzt worden. Auch Verstand und Vermögen wer­­­­­den, was die Kau­sa­lität angeht und
für die Induktion, mit normalen res extra animam gleich­­gesetzt und von an­de­ren res
getrennt.27 Diese Beweisführung begründet Ockhams The­se:28 „ad quaesti­o­nem re­s­­
pon­­deo … quod nihil reale potest distingui nec esse idem ra­ti­one cum ali­quo reali ita
quod sic dis­­tinctio rationis et identitas rationis se habent ad etiam re­alia et hoc for­­te
non ex­clu­­dendo dis­­­­tinctionem formalem et identitatem ubi debent poni. Ideo di­co
quod nul­­la res nec a se ipsa nec a quacumque alia poterit distingui vel esse ea­dem
ratio­ne.“ Erkenn­bar ist so auch die dis­­tinc­tio formalis (neben der identitas formalis)
von der bloßen Abstrakti­on getrennt, wie es der Mo­dus überhaupt sein muss.29 Dabei
kann die dis­­tinctio formalis, wie Ockham gegen Duns Scotus zeigt, nicht eine Diver-
sität von quidditativum (subiectum) und denomina­ti­vum (als passio) begründen und
so (per Ergebnis oder laut Postulat) Gleich­wer­tigkeit mit der dis­tinc­tio realis haben
und noch die Suppositionsidentität im kontingenten Satz wah­ren.30

25. Ord. d. 2. q. 3 OT II pp. 74–99.


26. Ib. p. 75 lin. 12 – p. 76 lin. 3.
27. Der Verstand ist sowohl immaterialis wie er auch den Kausalverhältnissen unterliegt. Cf.
schon Anm. 8.
28. Ib. p. 75 lin. 4–11.
29. Cf. Anm. 78.
30. Damit will Duns Scotus mehr als kontingente, nämlich notwendige wissenschaftliche Sätze
erhalten. Cf. hier­zu ein praktisches Satzbeispiel in Kap. 4: fides et scientia Anm. 40.
86 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Es gilt dabei, dass das universale kei­ne res extra animam sei:31 „subiectum (propo-
sitionis) non est aliqua res extra animam sed est quidam concep­tus men­tis supponens
praecise pro ip­sis ho­mi­nibus singularibus.“ Dabei kann auch nicht das uni­versale
express als einem Real­ding bzw. als ei­nem realen Ding (extra animam) vergleich-
bar gedacht werden:32 „nec requiri­tur quod prae­­di­cetur de aliqua re universali quia
tunc num­quam talis uni­versalis possit suffici­en­­ter in­du­­­ci ex suis singularibus quod
est contra ve­ram logicam.“ Denn dann wäre der Be­weis, der oben ge­führt wurde, un-
gültig. Aber zugleich wäre die wahre Logik (vera logica), wel­che das ab­sur­dum formal
(innerhalb der refutatio) zwar anerkennt, aber nicht real setzen darf, aus­ge­schlos­sen
und verlassen worden. Die formale Distinktion bzw. die formale Iden­ti­tät, welche von
Duns Scotus vor al­lem bekannt sind, sind nicht im Sinne der Re­a­lität und der induc-
tio ex realibus schon ausgeschlos­sen wor­den, wenn (und wann im­mer) ‘Identität’ und
„Di­versität“ in den Sachen, bzw. zwi­schen ihnen die Beweise Ockhams konstitu­ie­ren
und so auch wie sie Kausalität zulassen (ein­schlie­­ßen) und damit effektive Ansichten
und de­finite (ver­lässli­che) Konzepte ergeben oder verwen­den. Das ‘Verwenden’ und
das ‘Erge­ben’ sind nach Ockhams Methode konvertibel, da über die Begriffe und ih­re
Zu­läs­sigkeit ganz im Sinne der Fest­­­stellung derje­nigen opiniones befunden wird, in
de­nen sie vor­kom­men. Das Ver­fah­ren ist al­so implikativ. Die Begriffe werden nicht
ge­gen­über den Ansichten oder opi­ni­­ones, bzw. den Sachver­hal­ten, die sie betreffen
sollen, ‘un­gebunden’ gebraucht. Wir kön­nen dabei extra­men­­­ta­le (em­piri­sche) Sach­
verhalte denken und zugleich Fest- und Richtigstellun­gen über den Ge­brauch von
concep­tus mit der Formulie­rung von dieserart dann intensionalen Sach­verhal­ten vor-
nehmen.33
Ockham muss für sei­ne Beweise keine Begriffe oder Inhalte mehr spalten, wie
das Duns Sco­­­tus tut, denn einmal op­eriert er ja intensional sich reflexiv auf eine Stu-
fe beziehend, auf der Be­­­grif­fe in Bezug auf die Bezeichnens- und Deutungskapazi-
tät des Denkens ange­nom­­­men und reflektiert werden und zum anderen ist bei der
unmittelbaren Gegebenheit der Objekte und des Objekts im Sinne der verwendeten
reflexiven Begriffe, wie identitas rei, dis­tinctio, di­s­­­­tinc­tio realis, distinctio ra­­­tionis etc.
‘jeder denkbare reale Gegen­stand, Begriff, Be­griffsgel­tung’, auf die man sich be­ziehen
könnte, potentiell mitgegeben, i.e. eindeutig nicht aus­ge­schlos­­­­sen, somit indirekt
gegenwär­tig. Also auch Gott als Gegenstand. Es lässt sich sagen: ‘Non est magis ratio
quod non sit ali­qua res in­ten­ta etiam existens vel praesens ut intenta est’. Das bedeutet,
dass die Wider­le­gung nach dieser Anlage quasi ausgeschlos­sen ist. Duns Sco­­­­tus dage-
gen operiert inten­ti­onell in einem größeren Abstand von der res extra, aber mit dem
Anspruch unmit­tel­bar ge­mäß der onto­logi­schen Aufschließung der Dinge oder nach

31. Ord. d. 2 q. 4 OT II p. 143 lin. 1–3.


32. Ib. lin. 4–7.
33. Generell lässt sich sa­gen: Die Ar­gu­mentation ist intensional und gilt extensio­nal. Letzteres,
sofern die Be­­grif­fe förm­lich generellen Bezeichnungen wie res usw. unterstehen, auf die die
begriffli­chen Ope­rati­ons­mittel, wie dis­tinctio realis, identitas rei usw. bezogen wer­den.
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 87

der Geltung seiner Prin­zipien bei der Realität extra animam nach deren in­nerstem
Grund zu sein, nicht bloß nach deren Er­schei­­­­­nung. Seine Prin­zipien gelten ihm real
(realissime), so­bald sie verwandt oder ‘be­grün­­det’ (eventuell seiner Meinung nach
„bewiesen“) werden. Dass die Be­gründungen, Be­wei­se, Prin­zi­­­­pi­en und Sätze nicht
‘gelten’, wenigstens nicht uneinge­schränkt oder unbedingt, zeigt Ockham dann mit
seinen Beweisen, resp. Widerlegungen.
In einem oben zitierten Satz wird die Vorstellung bzw. Hypo­these angeführt, dass
der actus men­­­­talis bloß ein obiecti­vum esse in mente habe; sie bedeutet nach Ockham,
dass der Satz nicht mehr im Sinne der Prä­­di­ka­tion gebildet erscheine, also ent­stan­den
sei. Inesse ist ein con­cep­tus absolutus, der mit den Extrema, also s und P, ver­einigt
wurde, aber nicht mehr im Sin­ne der Einsicht oder Wahrneh­mung. Seinen realen
Sinn aber be­hält er nach dem Wortlaut. Da­­­­­­­­­­­­ge­­gen kann es keinen Ein­wand geben.
Die Hypothese vom obiectivum esse des Satzes oder ac­tus apprehensivus ent­spricht
also mehr dem Charakter der notitia ab­strac­tiva, in welcher der Satz schließlich auch
erscheinen oder angenommen wer­den muss. Grundsätzlich sind actus men­­­­­­­­­talis oder
actus apprehensivus und res voneinander (re­al) ver­schie­­den. Alle Differentia (Dif­­­­­
ferenzierungen) können keine Schlüsse begrün­den. Ockham arbeitet ja stets bei der
Ver­­­­­­­­teidigung seiner An­sichten oder bei der reprobatio ali­arum opini­o­num mit der
Aufhe­bung von für zwangsläufig ge­haltenen Schlüssen und Folge­run­gen und er­setzt
sie durch die in­­stan­ti­­­ae, Ge­genfälle etc. Sie begründen dann andere Be­haup­tungen.34
Die Annahme, dass der actus apprehensivus, wie er in mente35 ist, Ausdruck
oder Inbegriff bzw. Gegenstand des Erkennens sei, mit der notitia abstractiva als
überfassendem Begriff iden­­­tisch, hat darin ihre Grenze, dass der äußere Gegenstand
des Erkennens, wenn er de fac­to nicht mehr empirisch ist oder empirisch grund-
gelegt werden kann, wie es bei Gott selbst­re­dend der Fall ist, nicht durch a priori

34. Auch bezüglich der Quantifizierung und dem Verhältnis von abstrakten und konkreten
Be­­grif­­fen durchkreu­zen sich logische mit universalientheoretischen bzw. onto­logischen Fragen.
Cf. SL I c. 4 O P I p. 15 lin. 17–19: „Un­­­de hoc syncategorema ‘omnis’ non habet ali­quod cer­tum
sig­nifi­ca­tum, sed additum ‘ho­mini’ facit ipsum sta­re seu supponere ac­tu­aliter si­ve con­fuse et
dis­tri­­bu­tive pro omnibus ho­mi­nibus.“ Ib. cap. 5 p. 16 lin. 14 – p. 17 lin. 2: „Quandoque enim
con­cre­­tum ali­quam rem sig­nificat vel connotat sive importat seu dat intelligere, pro qua et­i­am
suppo­nit, quam ab­strac­­tum nullo modo significat, nec per conse­quens aliquo modo supponit
pro ea­dem.“ Ähn­lich zur Diffe­renz konkreter und abstrakter nomina ib. c. 5 – c. 9. De concretis
et abstractis. Sie werden be­schrie­ben c. 5, lin. 4–11, bes. lin. 5–6: Quod con­cre­tum et ab­­stractum
sunt nomina consimile principium se­cun­dum vo­cem ha­ben­tia, sed non consi­mi­li­ter terminan-
tur.“ Beispiel: album und albedo. Dazu lin. 8–10: „Et semper vel frequen­ter ab­­stractum ha­bet
plures syllabas quam concretum, sicut in praedic­tis ex­emplis ap­paret.“ „Con­cre­tum sup­po­nit
pro subiecto pro cui realiter inhaerente for­ma qua­cum­que vel accidente ab­strac­tum sup­po­nit.“
35. Cf. Ord. Prol. q. 3 OT I p. 134 lin. 16: „propositio habet triplex esse sc. in mente, in voce, et
in scripto.“ u. Ord. d. 2 q. 4 OT II p. 134 lin. 11.
88 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

verstandene actus apprehensivi ersetzt werden kann.36 Eher müssen wir den Satz ab-
solut setzen und dann durch Be­wer­­tun­­gen von Schlüssen be­stim­men. Damit ist aber
noch nicht die res extra ani­mam Ob­jekt der Er­­kenntnis oder der Wissen­schaft (sci-
entia), wie denn auch für die notwendi­gen Er­kennt­nisse in syl­logistischer Form die
kontingenten Aussagen ausgeschlossen werden muss­ten. Das Ob­jekt der Erkenntnis
ist für Ockham der Satz, nicht das durch das Satzsubjekt bezeichnete Ob­jekt extra
animam. Der Satz seinerseits entspricht in nichts der res extra. Indem gewisse Schlüs-
se nicht gezogen wer­den (kön­­nen sol­len), werden accidentia gekappt und auf dieser
Ba­sis Induktionen möglich, was wieder be­deu­tet, dass Kontingenzen einbegrif­fen
werden und über diesen Abstraktionen aus­geführt wer­­den. Die­­­se konkludieren mit
den ra­tiones. Die ratio­nes aber bezeichnen die spe­cies und in an­de­ren Fällen (in der
Naturphilo­sophie) die forma.37
Ockham hat bestritten, dass a limine eine Korrespondenz von Erkenntnis und
realgegen­ständ­licher Gegebenheit bestehe, also von notitia intuitiva und res extra
oder ens. Dabei ist fest­zu­halten, dass ens, res und substantia oder quidditas sich
begrifflich entsprechen. „Non po­t­­est a nobis evidenter cognosci quod omne ens est
a nobis cognoscibile intuiti­ve.“38 Die ent­spre­chen­­de Ansicht des Duns Scotus, der
Ockham hier wider­spricht, setzt abstrak­ti­ve Kenn­bar­keit aliquomodo, also unbe-
stimmt und unableitbar, der intu­i­­ti­­ven gleich. Indem hier die Ab­leitbar­keit fehlt, also
am Ende die intuitive Wahrnehmung noch nicht in ei­ne ver­all­ge­mei­nernde fort­­gesetzt
und übersetzt werden kann, gibt es den all­ge­meinen Cha­rak­ter ei­ner Er­kenntnis, die
von jedem ens gälte, nicht. Duns Scotus hatte das für seine Wissen­schaft und Wis­
sen­schafts­lehre in Anspruch genommen; sie war de fac­to auf Allge­mein­begrif­fe ge­
grün­­det, die, in der Analogie zur notitia intuitiva, beliebig gebildet und ange­nom­men

36. Ockham muss nicht Chattons angeblichen Widerlegungsbeweis (cf. Anm. 23) führen; es
reicht für ihn fest­­­zu­stel­len, dass für uns Begriff, Satz oder Ausdruck von Gott, den wir nicht
empirisch wahrnehmen, nicht im Sin­ne realer Erkenntnis gelten können. Er wird auch nicht
menschliche Erkenntnis, wenn Gott eine solche notitia ab­strac­­tiva dem beato neben dessen
visio beatifica erzeugte. Das ist nach Ockham per possibile denkbar.
37. Y. Zheng, 2001 untersucht das Verhältnis der incomplexa zu den complexa und problema-
tisiert es im Sinne von In­­kongruenzen, die die inhaltliche Erkenntnisidentität aporetisch (pa-
radox) erscheinen lassen. Das ist an eine se­man­tische Adäquatheitsregel gebunden, in Bezug
auf die Indefinitheiten festgestellt werden. Damit werden Wi­­der­­sprüche maßgeblich und als
hinderlich ausgegeben, die Ockham argumentativ und konstruktiv für den ac­tus ap­prehensivus
ab­wehrt. Er ist (auch als Satz) eine ‘imaginäre’ Größe, die keine semantische und analytisch-
lo­­gi­sche Bindung haben kann. Innerhalb des actus ap­prehensivus werden complexum und in-
complexum und eben­so außerhalb der oratio mentalis, die Zheng maßgeblich und problema-
tisch macht, vereinigt – per Induktion.
38. Ord. Prol. q. 9 OT I p. 237 lin. 18–20 Ockham zitiert Duns Scotus mit gleicher Meinung ib.
lin. 20: „eti­am se­cun­dum istum Doctorem“, der sich damit äußerlich widerspricht.
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 89

wer­­­­den konnten.39 Ockhams Behauptung kommt einer Exklusion gleich. Die Scotische
Be­­­­­haup­tung ‘wi­der­spricht’ dem was beweisbar ist. Die notitia muss, grundsätzlich, re-
alen empiri­schen oder kon­tin­genten Ge­genständen gelten. Wenn das nicht gesichert
ist, kann eine Be­weis­bar­keit für Sach­­verhalte des Erkennens oder aber Beweisens
und Denkens nicht ange­nom­­men (be­haup­tet) werden. Es gibt daher eine all­gemeine
‘Beweisbarkeit’ (Idee da­von), wel­che be­sagte, dass der ‘Be­griff ’ oder die reflexi­ve

39. Die sog. „‘Schlüs­­sel­begriffe’ der Spätscholastik“ notitia intuitiva und notitia ab­strac­­­­ti­­va wur­
den terminolo­gisch wechselnd ge­braucht. Ockham selbst Ord. Prol. Ib. p. 30 lin. 6-11: „dico
er­go quantum ad illum arti­cu­lum: quod incom­ple­xi est/potest esse du­plex notitia, quarum
una potest esse/vocari notitia intuitiva et alia ab­­strac­­tiva. Utrum ta­men alii ve­­lint vo­ca­re ta-
lem notitiam intuitivam non curo: quia hoc so­lum intendo (princi­pa­li­ter) pro­ba­re quod de
ea­dem re in­tel­lec­tus potest habere duplicem notitiam incomple­xam specie distinctam.“ (Im
Zitat stel­len wir den Wiegendruck 1495 neben die Ed.) Ockham betont implizit, dass Argu­
men­­tation (oder das Be­wei­sen) für das Ermitteln der im Grunde intensi­o­nalen ‘Sach­ver­hal­te’
und Bezüge bei ihm Vor­rang hat und die Be­wie­­se daher auch nicht not­wen­dig von ih­ren blo­
ßen Definitionen ab­hän­­gen können. Ein „in verbis si­mus faci­les.“ Vorder­grün­dig ent­spricht es
ei­nem wech­seln­den terminologischen Gebrauch derselben Aus­drüc­ke bei den ver­schie­­denen
Au­to­ren: Duns Sco­tus, Durandus, Johannes von Neapel, Petrus Aureoli, Fran­cis­­­cus von May­­ro,
Adam Wod­ham, Gre­gor von Ri­mi­­ni, Marsili­us von Ing­­hen, Peter von Ail­ly, Al­fonsus Var­gas
Toledanus, u. a. Cf. S. Day, A. Pel­zer, P. Vig­­naux. Variabel (nicht festgefügt) ist oder scheint zu­
nächst auch Ockhams Um­­gang mit diesen beiden Vokabeln: es gibt neben der notitia abstrac-
tiva in­com­plexa von ei­nem con­cep­tus auch die no­titia abstrac­ti­va von ei­nem Satz (complexum).
Ockham spricht von notitia abstracti­va pri­ma und notitia ab­strac­tiva se­cun­da; er definiert ei­ne
no­­­­ti­tia abstractiva von termini und com­­ple­xa im über­tra­­ge­nen Sinn, die nicht wie mensch­lich
empirisch von der antezedenten notitia intuitiva ab­hän­­gen. Aber das ist dann wie­der Ange­le­­
gen­heit der Argu­men­­­ta­tion (persuasio usw.) Es gibt eine notitia intui­t­i­va imperfec­ta, die In-
terpreten wie Boeh­ner Schwie­­­rigkeiten bereitete: Sie betrifft die intuitive Wahrnehmung von
kontingenten Sach­ver­halten, die der Ver­gan­genheit ange­hö­­ren: ‘murus erat a­lbus’. Hier ist die
Verifikation, an sich die Domäne der notitia in­tui­ti­va, in­so­fern nicht mehr mög­lich, als der
Gegenstand der Wahrnehmung nicht mehr präsent ist. Man ist auf die Er­in­ne­­rung (recor­da­­tio)
verwiesen. Als solche notitia intuiti­va imperfecta ist dann u. a. von Ockham auch die noti­tia
ab­­­stractiva gese­hen worden; mit der propositio contingens im Sin­ne der notitia ab­strac­­ti­va,
die einen sol­chen Satz durch recor­da­tio bewahrt und der propo­si­tio per se nota ist man in der
Zone der Abstraktion. Sie setzt Data des Verstandes, im Ver­stande. Ockham setzt ei­nen gewis-
sen gemein­spätscho­las­ti­schen Wortge­brauch vor­aus­ und behan­delt die­sen relativ konziliant,
wenn er auch vielleicht bloß ei­ne bestimmte Les­art oder per de­finitionem ge­­gebene Be­deu­t­ung
als taug­lich oder rational, d. h. definit oder von instantiae be­freit ansehen will und aus­wählt.
Die eine in­haltlich reale Bedeutung eines Terminus wie noti­tia intu­it­iva (oder no­titia abstrac­
ti­va) wird dann doch durch die multifungible hypothetische Verwendung gleichsam er­setzt.
Dabei werden die Be­griffe die­ser notitiae über ver­schie­dene casus, mit denen sie zu zerfallen
und wider­sprüch­lich oder widrig zu werden schei­­­­nen, hin­weg durch persuasiones ge­halten
und gestützt, also widerspruchs­frei gemacht. Sie werden fortlau­fend weiter begründet. Da­bei
werden Ma­ximen reduziert, gar verworfen, die da­wider zu sein schie­­­­­nen: Ockham findet Ver-
gleichsfälle auf, die die Re­duktion, Verwerfung, Be­strei­tung der in den Einwen­dun­gen ge­ne­rell
ver­nei­nend gebrauch­ten Ma­xi­men zulassen. Dazu nochmals bes. Kap. 12.
90 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Annahme über Begriffe empirisch sein müs­se (oder: formell auf Empi­rie ausgerichtet
zu gelten habe). Es gibt also auch keine Theo­lo­gie oder theo­logische Wissen­schaft, die
das beliebig über­­schreiten könnte.40 Es war die Idee des Duns Scotus. Das Verhältnis
der notitiae (abstractiva und intuitiva) zu Begriffen und Aus­sa­­gen, welche sie über­fas­
sen, erlaubt und ergibt niemals (die) Allge­mein­heit, nach der Aus­sa­gen und ihnen ge-
mäß die Erkenntnisse (notitiae) allgemein wären. Immer werden Vergleichs­fäl­le (in-
stantiae) und per­suasiones – unter Einbezug von Differen­zie­rungen, die Mo­difikation
von Kausalrelationen besagen – die inhaltliche Begrenzung der so bloß inter­me­di­ären
Hypo­thesen ergeben können, so dass eine Allgemeinheitsbehauptung unterlaufen
und bestritten wer­­den kann, i.e. am Ende ausgeschlossen werden muss. Damit ist
aber (unbe­dingt oder be­dingt) auch die Logik ausge­schlos­­sen.41 Das Folgern ist nicht
mehr die regie­rende Opera­ti­on.42 Die Abstraktion tritt an die Stelle.43

40. Die Leitfunktion des Beweisens ist bei Ockham syllogistisch verfasst, wie sich stets zei­gt.
Cf. Prol. Ord. q. 1 OT I p. 73 lin. 22 – p. 74 lin. 3: „Et quan­do pro­ba­tur quod ista ‘Deus est trinus
et unus’ non potest fie­ri nota per ali­quam propositionem pri­o­rem et notiorem, dico quod sic,
quia illud praedicatum prius com­petit Deo in se vel ali­cui intentioni impossi­bi­li in­tel­lec­tui via-
toris quam isti concep­tui quem de facto habemus et qui est subiectum in propositione habita
de com­­mu­ni lege.“ Da­mit wird abstrakt eine Möglichkeit zugelassen, die einfach rein per­su­asiv
nicht ausgeschlos­sen ist, da wir die termini oder intentiones, die zur Einsicht nötig und eben
auch möglich wä­re, de fac­­to nicht ha­ben (ib. q. 2 p. 117 lin. 14–18): „Quod omnia praedicabilia
de Deo in se, quae sunt dubita­bi­­lia de con­­­­ceptu com­posito proprio Deo quam nos ha­be­mus de
facto, sunt de illo conceptu demon­stra­­bilia per di­­vinam essentiam in se tamquam per medium,
vel per cog­nitionem distinctam de­­i­tatis.“ Hiermit wird da­rauf an­ge­spielt, dass eine Erkennt-
nis direkt am Ge­gen­stand ‘Gott’, mit die­sem als terminus, er­folgen könne. Die­se Er­kenntnis
hat der viator nicht; sie kann nach Ockham nicht zur Ab­lei­tung hu­ma­ner Er­kenntnis benutzt
werden, die mit menschli­chen Begriffen erfolgen muss, wel­che nie­mals an einem Ge­genstand
Gott gebil­det werden konn­ten. Doch kön­nen unsere Be­griffe von Gott, vor allem in zusam­men­
ge­setzter Form, benutzt wer­den, weil darin die Ein­­zig­keit Got­tes ge­wahrt bleibt und faktisch
nicht ausge­schlos­­sen werden kann, dass es die­ses We­sen ge­be; sonst überschritten wir unsere
Schluss­kompetenz. Davor macht un­se­re ‘Logik’ mit Ockham Halt.
41. Es ist so die Frage, in welcher Weise das aristotelische Schema des Operierens, so­­­­weit es
sich bei Ockham fin­­det, mit der Einführung von instantiae, dem indirekten Be­weis usw. als
logisch gebundenes betrachtet werden könne.
42. Es geht mehr um Bewertung von Schlüssen.
43. Die Allgemeinheit, die mit einer der notitiae etwa veranschlagt werden können sollte,
wenn man das meint, müss­te im Grunde immer einen Relationsbegriff substantial erfüllen, i.e.
eine Er­füllung bedeuten, die substantial zu gelten hätte. Das ist gegen die Induktion gerichtet,
die denn selbst solche Grundlagen nicht hat. Die notitia kann nicht in Begriffe (als Akte) oder
Sät­­ze ‘hinein’ entwickelt werden derart, dass daraus die Bestimmung (Be­stimmt­heit) der noti­
tia sich ergäbe. Es gibt so keine essentielle Qualität (substantia + accidens, proprium). Man
kann sagen, dass in dieser Weise förmlich und künstlich, aber unbegründbar, Duns Scotus
sei­ne Deduktions­tech­nik angesetzt habe. Bei Ockham wird die ratio notitiae, aber auch die
ra­tio eines anderen Funktionsbegriffs, et­­wa subiectum (propositionis), niemals als Ausdruck
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 91

Die Schicht der suppositionslogisch im Wesentlichen für kontingent erklärten


Sätze steht für Sät­ze, bei denen Apostrophierungen im Sinn des Realitätsaspekts (der
realistisch oder uni­ver­sa­lientheoretisch interpretierbaren Geltung) ausscheiden. Es
gibt Folgerung grosso modo nur als Beitrag zu einer intensionalen Deutung von Sät-
zen, bei denen ein vorgreiflicher Bezug auf die Realität alias die Geltungspräsumtion
ausfällt. Folgerungen, die sie auszudrücken hätten, gel­­ten nicht und werden abge-
lehnt.44 Es gibt Folgerungen entsprechend nicht als reale Er­schlie­­­­­ßungen der Welt.45
Das Beweisprinzip entfällt, wenn die Beweisinhalte fehlen. Das gilt ge­ne­rell und kann
in Ein­zel­fällen demonstriert werden. Z. B. wenn Ockham er­klärt:46 „(Un­de) per nul­­
lum ef­­­fec­tum potest probari quod aliquis sit homo, maxime per nullum effec­tum qui
appa­ret in no­bis, quia omnia quae videmus in homine potest angelus incorporatus fa­
ce­re, si­cut come­de­re, bi­be­­re etc. Patet de angelo Tobiae.“ Die Stelle findet sich im Buch
Tobi­as.47 Hier sagt der En­gel, der den jungen Tobias begleitete: „Es schien wohl, als
äße und trän­ke ich mit euch; aber ich brau­che unsichtbarer Speise und eines Trankes,
den kein Mensch se­hen kann.“ Man glaubt fast an einen Kalauer: ‘Essen’ und ‘Trin-
ken’ als Wirkungen sollen nicht auf den Men­schen ver­­weisen, weil diese mit bloßem
Schein auch an einem Engel auf­tre­ten kön­­­­nen; eine an und für sich abstruse Unter-
stellung. An der Substanz des Engels würden sie in der Tat bloß Schein sein, also
nicht real; in dem Sinne könnten die effectus auf den Men­­schen nicht bezo­gen sein
und nicht von ihm zeugen. Anders ausgedrückt: sie könnten es nicht, inso­fern sie gar
nicht exi­stierten und vorhanden waren. Ockham konnte insoweit die effec­tus nicht
empirisch kre­di­tiert haben. Die Sa­che ist aber auch noch anders: Eigen­schaf­ten und
so auch Wirkun­gen er­­halten bei Ockham kein substantielles Fundament, das analog

de­fi­nitions­ge­mäßer Verknüpfung und Verschränkung einer sub­stantia mit einem accidens


(oder propr­ium) angesehen. In dieser Weise blieben die Bestimmungen der notiti­ae und eben-
so aller Funktionsbegriffe (wie subiectum) auf akzidentelle Umstände und kontingente Fälle
bezogen und beschränkt, von denen nicht eine oder einer bevorzugt aus der Bestimmung ent-
wickelt wer­den kann, i.e. ihr analytisch zugehörte. In dieser Art werden bei Ockham alle ‘Supra­
grö­ßen’ etwa forma eben auf bloß kontin­gen­te Fakten, Gegenstände oder Aussagen (Sätze) be­
zogen (s. etwa in der Naturphilosophie). Forma wird derart nicht kausal, kausalanalytisch, oder
gar logisch fest adaptiert. Auch Effekte können so nicht unabänderlich kor­re­­liert wer­den. Cf.
hierzu insbes. Kap. 7: Formbegriff und reale Wahrheit.
44. Daß sie für gewöhnlich auch widerlegt werden (kön­nen), beruht auf einer Struktur, auf ei­
nem Schema, über das im Folgenden noch gesprochen werden soll.
45. Die Suppositionslogik ersetzt, sofern es in ihr um die von ihr gebilligten Auslegungen und
Folgerungen geht, die Ontologie. Diese ist dann, realempirisch oder universalien­the­ore­­tisch
verstanden, als Deutung ab­ge­lehnt wor­den, nicht dem Ausdruck nach. Dieser muss im Sinn
dann approbierter consequentiae zugelassen wer­den. Eine strik­­te Op­position ‘logica versus on-
tologia sive metaphysica’ ist schief.
46. Rep. II, q. 3–4 OT V p. 73 lin. 5–8.
47. Cap. 12 v. 19.
92 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

auch in sich oder als sol­­ches intelligibel wä­re. Derart ist eine Erkenntnis qua Struktur
nicht ge­währ­lei­s­­tet. Äqui­va­­lent ist eine ‘em­pi­rische’ Erkenntnis, die pseudo-em­pirisch
Er­kennt­­nis wäre von dem was der Em­pirie und der Er­kenntnis zugrunde läge, und
von dem was sie ‘aus­ma­chen’ (oder ver­mit­teln) könn­­­te, nicht gegeben. Es gibt keine
Ableitung der qualitas aus der substan­tia, ent­­­spre­chend kei­ne Begründung für sie in
einer logischen Operation.48 Es gibt hier­­­mit ei­ne Fol­­ge, bei der der Engel wirklich die
Nahrung zum Schein neh­­­men kann, die er gleich­wohl als re­­­elle nicht benötigt. Denn
auch die re­el­le Qualität ist schon nicht er­kenn­­bar in der substantia ge­bunden.49 Der

48. Au­tre­court besitzt also zunächst scheinbar jeden Klagegrund. Ockham gegenüber indes
nur, wenn dieser aus diesem Manko die falschen Konsequenzen gezogen hätte, bzw. wenn
Autrecourt es korrekt, determinat und wi­derspruchsfrei exponiert hätte. Ockham kann aber
hier induktive Folgerungen ziehen, die auf einem Mangel an Erkenntnis beruhen, den Autre­
court als entscheidenden Mangel unseres Erkennens und Beleg für die Unwer­tig­keit des scho­
las­tischen Denkens und womöglich auch Beweisens geltend machen will. Das geht nur, falls
Au­tre­court, indem er eine analytische Erkenntnisweise und Folgerung zwi­schen den Begriffen
(zudem als einzig le­gi­tim) ansieht und fordert, diese aber auch zugleich als syntheti­sche denkt
oder unterstellt; denn die Begriffe und ich­re Klassifikationen (nach sub­stantia und qua­litas)
sind ja schon gegeben. Ist das der Fall, so besteht Autre­courts Forde­rung nicht mehr ohne
Selbst­wi­­der­spruch. Es werden vielmehr nur noch Operationen erlaubt sein, die auf ei­­­nen sol-
chen em­­pirischen Beleg nicht mehr rekurrieren, sondern ihn vermieden. Sie hat Ockham ausge­
führt und konzipiert. Es geht um eine Aporienvermeidung, bei der die Operationen an die
Stel­le der Aporie zu tre­ten ha­ben, die sie dann als (‘einzig’) legitime Erkenntnisweisen auch
übertreffen. Diese Aporie wird hier über das nicht ineinander auflösbare Verhältnis von sub­
stan­­tia und qualitas ebenso bezeichnet, wie vermöge der nicht ver­mie­denen Gleichheit von
ana­­lytisch und empi­risch, die jede, auch die scholastische Erkenntnis- und Wissen­schafts­­t­heo­
rie desavouieren muss. Der Gegeneinwand, dass substantia und qualitas, also die scholasti­sche
Termi­no­­logie, ja erst begründet und in ihrer legitimen Intellektivität belegt zu werden hät­te,
zieht nicht, da dies a limi­ne Angelegenheit der Argumentation ist (oder sein kann). Schon der
immediate Gebrauch könnte mit Argu­men­­ta­tion indistinkt zusammenfallen oder ihr angenä-
hert erscheinen. Wir könnten die falsche Setzung nicht an­grei­fen, ohne die darin ent­hal­­­tenen
Operationen zu kennen. Ockham begründet aber keine, ohne die Vereini­gung von substantia
und qualitas (bzw. der primären Begriffe, die kategoriell mit ihnen erfasst werden) selbst als mit
der immediaten Einsicht in rebus unvereinbar darzustellen: es gibt die Identität der kontingen-
ten und der ana­­ly­ti­schen oder universalen, der konkreten und der abstrakten Er­kenntnis nicht.
eben deshalb gibt es die rekti­fi­zierten abstrakten Aussagen oder Maximen. Letz­tere werden auf
die induktiven Feststellungen gegründet. Eine solche lei­tet noch die Urteile zu dem, was der
Engel approximativ gegen den Bereich der Empirie wie au­ßer­halb seiner verbleibend vermöge,
was ihm zu­ge­billigt werden dürfe, was sein könne: nämlich dass er nicht in den Bereich des
accidens oder der qualitas als eine für sich seienden Entität oder ‘Realität’ eintreten und von ihr
de­pen­dent wer­den müsse, womit ja eben auch faktisch und ka­te­gorial identisch werden, also
konkret (in casu) und allge­mein zusammenfallen müssten und das also logisch, ana­lytisch für
die Begriffe, eben in/mit analyti­schen Sätzen.
49. Die Relationsbegriffe lassen sich nicht per se im Sinne ihrer akzidentellen – Zugehörigkeit
zur substantia oder es­sentia werten. Einer von ih­nen ist duratio. Die Dauer ist nicht ein –
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 93

Engel ist zudem einfach, d. h. unzerlegbar, wie ac­ci­dens, for­­ma sub­­stantialis und for­
ma materialis.50
Wir sind mit der Ge­schich­te vom Engel des Tobias in der Sphäre des Glaubens.
Das gilt auch von der fruitio essentiae divinae als Zustand der visio beatifica:51 „de
facto talis frui­tio est po­nen­da. Sed hoc tantum est creditum et non per rationem na-
turalem no­tum est.“ Es gilt für Ock­­­ham auch generell:52 „non est mirabile si non po-
test demonstrari quod aliquid sit cau­sa.“ So ist53 nach Ockham nicht beweisbar „ex
puris naturalibus“, „quod voluntas Dei sicut et essentia est causa immediata omnium
eorum quae fiunt“, „hoc tamen per­suade­ri pot­est…“, was Ockham dann versucht.
Für den „actus fruitionis essentiae divinae“ gilt nach Ockham, dass er perfectissimus
sei und zwar naturaliter loquendo (!), i.e. nach Maß­ga­be der be­griff­li­chen Fi­xie­rung
dieses Begriffs. Vermöge der potentia dei absoluta „for­te … possit com­pati tris­titiam
et anxietatem.“ Denn die Eigenschaften oder actus gehen nicht aus­einander hervor,
sie sind in dem Sinne nicht logisch gebunden und verbunden. Ockham hat also ei­nen
völlig hypotheti­schen Fall, den wir ex fide annehmen, wie er sagt, – er expliziert ihn

de­finites – Element oder pars integralis der es­sentia, et­wa der des Engels. Ob mit der pars inte­
gralis der Anspruch der Definitheit verbunden wer­den könne, lassen wir hier offen. Ockham
(Rep. II q. 8 OT V p. 160 lin. 13–16) sagt: „dico quod Deus potest destruere unum angelum
et eius durationem, et unum sine alio, quia in definitione exprimente quid nominis duratio-
nis an­ge­li po­nitur aliquid distinctum ab an­ge­lo, et ideo potest utrumque vel unum sine alio
destruere.“ Die forma (du­ra­tionis) kann empirisch und gegen­ständ­lich nirgendwo – induk-
tiv – verankert werden. Die De­stru­ierbarkeit des einen ohne das andere folgt der mo­da­len Be-
stimmung der Substanz oder des subiectum, die nicht empirisch be­grün­det sein und praktisch,
im Sinn der Behandlung der Naturphilo­sophie bei Ockham nicht begründet wer­den soll (cf.
die Kapitel 7 und 8). Die di­vina po­ten­­tia absoluta muss entsprechend supranaturaliter loquendo
ver­stan­den werden. Die Mes­sung der Dau­er tritt akzidentell zur Dauer hinzu; das bezieht diese
auf empirische Kon­­stel­la­ti­o­­nen, die in sich wandelbar sind, i.e. keineswegs feststehend und
von Ewigkeitswert. Es gibt für die­sen die Zeitmessung überhaupt nicht (Rep. II q. 11 ib. p. 236
lin. 18–20): „sed loquendo de mensura du­ra­ti­o­­nis di­co quod angeli mensurantur per tempus
et non per aevum. quia ae­vum nihil est.“ Das aevum ist so­­mit kein de­fi­ni­ter Begriff, i.e. für
menschliche Verhältnisse nicht zu brau­chen. Ockham argumentiert in dieser quaestio Utrum
tem­pus sit mensura angelorum (ib. pp. 232–250) gegen Aegidius Romanus.
50. Ontologische Begriffe begründen noch keine Realität in se. Zur Engelwelt cf. R. M. Rilke,
Duineser Elegi­en, 1923 II. El. „Wo­hin sind die Tage To­bi­­ae, /da der Strah­­lend­sten einer stand an
der einfachen Haustür, /zur Rei­se ein wenig ver­klei­­det und schon nicht mehr furcht­bar; /(Jüng­
ling dem Jüngling, wie er neugierig hin­aus­sah).“ Der angelus Tobiae wird auch erwähnt: Rep.
II q. 3–4 OT V p. 73 lin. 5–8: „Unde per nullum effectum pot­est pro­ba­ri quod aliquis sit homo,
maxime per nullum effectum qui apparet in nobis, quia omnia quae videmus in homi­ne pot­­­­­­est
angelus incorporatus facere, sicut comedere, bibere, etc. Patet de angelo Tobiae.“
51. Cf. Ord. d. 1 q. 4 OT I p. 439 lin. 9–11.
52. Rep. II q. 3–4, OT V p. 73 lin. 8f.
53. Ord. d. 45 q. unica OT IV 4 p. 668 lin. 8–10.
94 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

aber mit natürli­chen Be­grif­fen naturaliter loquendo, und gestaltet ihn mit Varianten
aus, von de­nen er sagt, dass sie „forte de potentia dei absoluta“ eintreten können;
sie können aber nach dem Schema der Be­weis­möglichkeiten, die Ockham ansetzt
und zulässt, eintreten, wo­­bei die­­­se (in sich zwei­­fel­los auch negative oder destruktive)
Struk­tur die Konsistenz dar­stellt und si­chert.54
In welchem Maß dies alles grundsätzlich gilt, zeigen verschiedene ausdrückliche
Stellungnah­men Ockhams. So ist die Eigenschaft vom Subjekt trennbar (separabilis)
und damit auch per po­tentiam divinam absolutam getrennt vom Subjekt affizierbar:55
„esset di­cen­dum ad quae­­s­ti­onem quod si charitas non sit separabilis a subiecto quod
potest fieri tanta quod deus non pot­est fa­ce­re maiorem. Si autem sit separabilis sicut
est albedo, non potest fieri tanta quin pos­­sit fi­e­ri (ma­iorem).“ Die albedo (oder albus)
ist eine Eigenschaft, die dem subiectum oder der sub­­­­stan­tia (die selbst gleich sind!)
bloß kontingent zukommen können: ‘non debeo esse al­bus, pos­­sum esse niger’. Es
ist dann die Frage, wie sollen wir es mit der Eigenschaft charitas in An­­­­­betracht der
substantia halten, und hier erwägt Ockham die beiden Möglichkeiten und greift nicht
sofort zu der einen oder der anderen Option. Infolgedessen trifft er keine Entschei­
dung, was eben zu besagen hat, dass die Eigenschaft keinesfalls notwendig aus der
substantia de­pen­­diert. Eben solches gilt in etwas anderer Weise von der Unterschei-
dung und entspre­chend dem Zusammenhang der qualitates, von dem der substantiae
(über ein Verhältnis der qua­­li­ta­tes56) zu schweigen. So siehe denn:57 „unde sciendum
quod proprie loquendo nihil dis­­­­tin­­­gui­tur ab alio nisi per se ipsum vel per aliquid sibi
intrinsecum, quia sicut unumquodque se ipso est unum et non per aliquid sibi addi-
tum, nec per aliquid sibi extrinsecum, ita unum­quod­­que se ipso vel sibi intrinsecum
distinguitur a quocumque distinguitur. Tamen aliquid di­ci­tur dis­tin­gui per aliquid ab
aliquo quando illud est proprium uni et non potest competere al­te­­ri, ita scilicet quod
ex distinctione aliquorum contingit inferre distinctionem aliorum. Sicut sequitur
‘qualitas corporalis et spiritualis distinguuntur, igitur subiecta earum distinguuntur’,
ita non se­­­­­quitur ‘albedo et dulcedo distinguuntur, ergo subiecta earum distinguuntur’.

54. Vergleichbar und doch verschieden hält Ockham es auch für möglich (Ord. Prol. q. 1 OT
I p. 49 lin. 10–13), „quod Deus de po­­ten­tia sua absoluta potest causare notitiam evidentem in
intellectu viatoris ali­­­quarum veritatum theologiae“, die der viator also nicht „ex puris natu-
ralibus“ haben könne, und er setzt hinzu „et forte ali­quarum non.“ Die Struk­tur, von der die
Entscheidung abhängig ist, wird aber immer eine (die) geschaffene sein. Andernfalls wür­­­­­de die
Er­örterung sinnlos. Das heißt, dass die Struktur die Bedin­gung und so auch die Kon­sis­tenz der
Erörte­rung si­chert, und auch dass ‘Bedingung’ mit ‘Konsistenz’ schon gleichnamig sein muss.
55. Ord. d. 17 q. 8 OT III p. 557 lin. 20–23. (Utrum sit dare summam caritatem cui repugnet
augmentari).
56. Über die qualitates gehen oben genannte ‘deductiones’, die nach der von Ockham dar­ge­­
legten Auffassung nicht so möglich sind. Es müsste eine Deduktion per ma­te­rielle Implika­tion
o. ä. geben, die es doch vermöchte und kompensierte.
57. Ord. Prol. q. 11 OT I p. 322 lin. 17 – p. 323 lin. 7.
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 95

Et ita improprie pot­est dici quod substantia spiritualis distinguitur a substantia cor-
porea per qualita­tem suam et tamen lac non distinguitur a cigno per albedinem.“58
Ockham sagt, dass wenn es ein universale respektive genus oder species in rebus
gäbe, auch Gott als ein solches genus oder universale gedacht werden könnte. Damit
verweist er auf ei­nen, auf den Gegenstand von absoluter Einzigkeit. Für ihn dürfte da-
mit kein Be­griff mehr ge­­­­­­­­­­braucht werden (können). Hier liegt die Überredungsqualität
darin, dass ja von Gott gene­rell ein Begriff gebraucht werden können müsse; jedenfalls
ist es nicht ausgeschlossen, und von Gott muss in einer Gesamtheit von Begriffen
gesprochen werden. Würde also in ei­nem Kon­text von Begriffen allein von Gott nicht
in einem solchen gesprochen werden, würde ent­weder überhaupt nicht von Gott ge-
sprochen oder eine Gesamtheit von Begriffen stünde nicht in sig­ni­­fi­kativer Form zur
Verfügung. Wir kämen zur allgemeinen Sinnleere von ‘Be­grif­­fen’ oder Wörtern. Um-
gekehrt müssen wir schließen, dass eine wissenschaftliche oder er­ken­nen­de The­o­logie
möglich sei. Das muss Ockham aber ohnehin annehmen, nicht nur aus sup­po­si­ti­ons­
lo­gi­schen Gründen, weil er sonst Sätze hätte, bei denen die suppositions­logi­schen
Be­din­­gun­gen erfüllt sind, nämlich dass die Zeichen oder termini für denselben Ge­gen­
stand ste­­hen (suppo­nie­ren), der Satz also wahr sein können muss (wie ‘deus est crea-
tor’), Ockham sie aber gleich­­­wohl auszuscheiden hätte, sondern auch weil die Begrif-
fe, die wir ne­ben dem Be­­­griff Gott verwenden, empirisch bedingt mög­lich sind. Wir
müssten sonst viele gewis­se Sätze als nicht sinnvolle aus­schlie­ßen, etwa solche, die die
creatura betreffen, hätten dann aber da­für auch kein Kriterium. Ihr Er­kenntniswert
ist damit noch nicht gesichert.59 Gott ist auch und vor allem oder gar nur ein Begriff.

58. Die Gegenstände werden von Ockham im Verhältnis ‘unmittelbar’ dort angesetzt, wo die
Deduktion ver­mö­­ge der qualitates über die substantiae hinweggehen können müsste, um para­
doxerweise sie zu ‘verbinden’, i.e. oh­ne den Abstand und die Dichte der Prädikate bestimmen zu
können. Ockham gibt dabei den Aspekt der Wahr­heit preis, der sonst etwa bei Duns Sco­­tus fik-
tiv mitgedacht und unterstellt werden müsste, vielleicht sogar oft zirkel­för­mig durch bestimmte
ontologische Maximen unter Renormierungen wiederholt. Die im obigen Text ne­­ben­ein­­ander
und wie parallel genannten Bestimmungen oder Beschreibungen, z. B. ‘per se ip­sum’ ‘per aliquid
s­ibi intrinsecum’ und dann dagegengesetzt ‘per aliquid sibi additum’, ‘per aliquid sibi extrinsecum’
erschlie­ßen per se den ‘Gegenstand’, den sie benennen, nicht. Sie schließen ihn nicht ‘auf ’. Sie
nennen ihn nur. Der syllogisti­sche Beweis muss hier keine genetisch-genealogische Bedeutung
der qualitas erschließen. Cf. etwa SL III-2 c. 38 OP I pp. 577ff ebenso c. 39 ib. p. 580: Quomodo
per omnes causas contingit demonstrare (ib. lin. 3: hoc est per nomina vel signa omnium cau­
sarum). Es sind nicht (lin. 20f „verae demonstrationes, sed gratia exemp­li tan­­t­um“, in welchem
wir unsere Vorkenntnisse, nicht genuin gegründete Kenntnisse (Erkenntnisse) haben.
59. Neben dem hier zu skizzierenden und auszuwertenden ‘Beweis’ gilt auch der andere, dass
genus nicht im Sinn der Erkenntnisgewinnung und Begriffsbildung definit als ein die Erkennt-
nis dann leitender und bestimmender Be­­griff gewonnen werden könne: wir müssten sonst
neben dem Vorgang auch dessen Reflexion identisch damit besitzen können. Ockhams Er-
kenntnislehre mit notitia intuitiva und notitia abstractiva ist aber gerade auf­ge­stellt worden,
um dieses, was nach den Beweismodi, die Ockham hat, paradoxe ontologische Verständnis des
Erken­nens auszuschalten: (Ord. d. 2 q. 7 OT II p. 257 lin. 10–12): „dico et concedo … quod res
96 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Man ist damit dann nicht ‘bei Gott’, wie man es inten­ti­o­nell in anderen scholastischen
Systemen (Thomas Aqui­nas, Duns Sco­tus) sein will, aber man reicht in­tentionell auf
der Ebene des Satzes (des ac­­­tus appre­hen­sivus) weit an Gott heran.60

potest intelligi non tan­tum confuse, sed etiam perfecte et dis­tinc­­te, nullo su­periori intellecto.“
‘Superius’ meint den hö­heren (über­ge­ord­­ne­ten) Be­griff (genus). Wir erkennen homo und ca­­­nis
oh­ne ani­mal er­kannt zu haben. Wir beziehen uns dabei nur auf ‘Be­grif­fe’. Aber ge­­nus enthält
den Ge­gen­stand auch (Ord. d. 8 q. 4 OT III p. 227 lin. 5–7): „Dico quod ge­nus impor­tat totam
rem. Et ideo quia im­portat to­tam rem, prae­di­ca­tur sim­pliciter in quid de re, quia dicit totam
quid­ditatem rei.“ Wenn Ockham sagt (Ord. d. 2 q. 9 OT II p. 314 lin. 12–14): „ni­hil pot­est co-
gnosci a nobis ex puris natu­ra­li­bus in conceptu sim­pli­ci si­bi proprio (um den han­delt es sich),
nisi ip­sum in se praecognoscitur“, negiert und re­probiert er doch die on­­to­logisch bestimmte
Natur des ‘uni­ver­sa­le in rebus’. Es wird bei dem Wi­­der­spruchs­be­weis als res gesehen, die mit
der sub­stan­tia, als anderer res, nicht iden­tisch, definit ver­einigt wer­den kann. Der W­i­­­­der­­spruch
enthält die res ex­tra in der Form des univer­sa­­le in re fiktiv und wird darin negiert, i.e. als signifi­
ca­tio intensional bestritten.
60. Natürlich ist es weiterhin so, dass die apologetische Begründung der Dogmatik damit noch
aus­­steht und aus­ge­spart bleibt und eventuell für Ockham eine neue Begründung der zum
Heil notwendigen Wahrheiten Desi­de­­rat bleibt und zugleich unspezifisch erscheint, wenn sie
den Seelengrund, auf den sie bezogen sein müssen, weg­lässt oder: in psychologischen Über­
legungen auflöst. Dafür gibt es Beispiele (beim peccatum u. a.) Es gibt bei Ock­ham die empiri-
sche See­le nicht, für die die not­wen­di­gen Heilswahr­hei­ten gedacht wären und zwar eben auch
so, dass sie den Hiat zwischen dies­sei­ti­gem Leben (via) und jenseitigem (patria) wirklich über­
sprän­gen und nicht bloß an ei­ner Notwendigkeit ‘abgenommen’ würden, die als ratio suffici­ens
(oder causa sufficiens) be­züg­lich her­­kömmli­cher Vorstellungen reduktiv auftritt, und eben der
conditio necessaria in den meisten Verhält­nis­be­­stim­­­mungen auch der Heilslehre eine con­di­­tio
sufficiens gleich­sam sub­stitu­iert. Diese ge­­­nügt dann und kappt da­mit den weiter ge­spann­ten
Kanon der in der Heils­lehre herkömmlich aufgeführten Größen. Es gibt bei Ockham al­so eine
an­de­re Rationalisie­rungs­form in der Heilslehre. Wer soll dann das glauben, was er so ‘erkennt’?
Die Frage bleibt of­fen. Wo die Theologie nicht mehr exquisit betrieben wer­­den kann, wird doch
in einer beson­de­­­ren ra­tiona­len Form- unter Reflexion und mit Ein­schrän­kungen bezüglich
des­­­­sen was als ratio gelten kön­nen soll bzw. hinsichtlich der in ihr ihrer zulässigen Formen
-eben gerade doch nur Theo­logie getrieben. Die Theo­lo­gie kann we­der mit ihren kontingenten
noch mit ihren notwendi­gen Sätzen, Aussagen oder Wahrheiten wissen­schaft­l­iche Evidenz be­
anspru­chen, und zwar, wie Ockham argumentiert, mit den notwendigen nicht, weil mit den
kontin­genten nicht Ord. Prol. q. 7 OT I p. 188 lin. 10–15: „Praeterea, non est ma­ior ratio quod
necessaria cre­dibilia sint sci­ta scientia proprie dicta quam quod veritates con­tingentes credibi-
les sint evi­denter no­tae modo suo. Sed istae non sunt evi­denter notae; tunc enim posset quilibet
scire se esse in ca­ri­tate, quod corpus Christi est in al­tari, quae vi­den­­tur simpliciter falsa. Igitur
neces­saria theo­lo­gica non sunt scita scientia proprie dicta.“ Der Schluss ist ein Schluss a for­ti­o­
ri und damit in­duktiv. Vignaux’ Be­hauptung, Ockham su­che, in echt christli­cher (da­­mit auch
apo­logetischer) Intenti­on, die Sicherung der Not­wen­dig­keit in den Sätzen, bedarf so der Ein­
schrän­­kung. Auch die „ne­ces­­saria theologica“ kön­nen ra­t­io­nal emendiert werden. Sie werden
dann z. B. auf eine causa oder ratio sufficiens re­du­ziert. So werden ‘Glaubenssätze’ korrigiert,
die ihrerseits natürlich scholastischer oder pa­tri­sti­scher Aus­­legung entstammen können.
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 97

Der Begriff, der von Gott gebraucht wird, bleibt bei Ockham ein an der Erfah-
rung zu mes­sen­der und danach werden auch die Beweismöglichkeiten in der Theolo-
gie abgeschätzt, et­wa be­züglich der Erschaffung der Welt. Man geht also nicht einen
Weg über die Abstrakti­on und be­­­urteilt danach die Begriffe. Man gibt ihnen auch kei-
nen Sinn, den sie apo­logetisch durch De­­­­­­­­­­­­­fi­nition oder abstrakte Sinnänderung jenseits
der Erfahrung bekommen könnten. Ein streng menschlicher Kontext des Erkennens
wird eingehalten und gesucht.61 So sagt Ockham:62 „Nec credo quod per rationem
posset hoc probari quod pri­ma causa contingenter causat.“ Die em­­pi­­rische Bindung
dieser Behauptung oder Einwendung geht aus dem Text hervor:63 „Pri­mo, quia non
sufficienter probatur quod qui perfecte cognoscit aliquam virtutem perfecte cog­nos­­cit
om­nia ad quae illa virtus se extendit. Nam quia probatum est prius quod illud quod
est cau­sa pot­est per­fecte cognosci nullo effectu cognito. Quia probatum est quod ex
notitia in­com­­­­ple­xa unius rei non habetur sufficienter notitiam incomplexam alterius
rei. Patet etiam de sen­su quod per­­­fecte cognoscit suum obiectum et per consequens
virtutem eius. Quia suum ob­iec­tum et virtus illi­us obiecti nullo modo differunt, et
tamen non oportet sen­sum cognosce­re ali­quid ad quod se ex­tendit illa virtus.“ Der
sensus und der Verstand mit dem Begriff ken­nen nicht die Reichwei­te der empiri-
schen Verwendung, wenn sie die empiri­sche Verwendung (vir­­­­­tus) ken­nen; sie ken­­nen
damit natürlich auch nicht das medium, das für einen Beweis hin­reichend wä­re; denn
sie können die Definition und die Zugehörigkeit ei­ner passio oder eines effectus nicht
bündig benen­nen. Gleichwohl gibt Ockham damit be­reits auch intensionale Wer­­tun­
gen der Be­­weis­­mög­lich­keit, nicht bloß empirische Kriterien.64

61. Natürlich ließe sich dann immer sagen, dass damit der empirische Erkenntnisvorgang oder
Er­kenntnisstand und -wert zum Kriterium gemacht werde, was in sich unsinnig und unange­
messen sei, weil der Gegenstand (sc. Gott und seine Schöpfungstat usw.) nicht empirisch sei
und nur durch rationale Überlegungen (neben dem Glau­bens­bekenntnis) erschlossen werde.
Dagegen lässt sich wieder einwenden, dass dann, wenn man sie auch ändern könne, nicht er­
wiesenermaßen definite Begriffe gebraucht würden: es könnten Inkonsistenzen auftreten, die
dann auch dem Scholastiker auffallen müssten und eventuell nicht mehr ausgeräumt wer­den
könnten. Emendationen und Hypothesen ad hoc wären die Folge. Das wiederum ließe sich
nicht durch die gänzlich hypothetische Vor­aus­setzung vermeiden, dass die Begriffe natürli­cher­
weise in der Vernunft immer gleichmäßig gebraucht würden. Sie wäre ein oktroyiertes Krite-
rium, das im Übrigen von der Erfahrung (heterogener und inkonsistenter Be­­­griffs­ge­­brauch!)
desavouiert werden könnte.
62. Ord. d. 35 q. 2 OT IV p. 440 lin. 8f.
63. Ib. p. 436 lin. 17 – p. 437 lin. 6. Die Stelle ist eine Einlassung gegen Thomas von Aquin.
64. Wir sind im Erkennen nie bei der materia. Anders würden wir aus der Empirie bei übli-
chem Be­griffs­ge­brauch gar nie zur Theologie auf­stei­gen kön­nen. Der Begriff ist so verfasst (de-
finiert), dass er nicht Im­pli­kation (Atom) sein kann. Er ent­springt so. Das bedingt, dass substan-
tia und accidens für alle Be­griffe, für alle Gegenstände ver­wandt werden können. Die Be­griffe
können im ab­strak­ten Sinn gel­ten, wenn­gleich sie selbst auch durch an­de­­re ‘Erkenntnismittel’
er­setzt wer­den könn(t)en. Ihre Ersetzbarkeit ent­spricht ih­rer ei­gent­lichen ab­strak­ten Wer­­­tung,
98 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Auch die weiteren Einwände und Vorbehalte Ockhams gehen auf die Reichweite
von Vor­stel­lungen, aber, wenn man so will, intensional hinsichtlich der schon – u. a.
in Be­weisen ge­brauch­ten – Begriffe und Aussagen.65 Thomas hatte die menschliche
Erkenntnisfä­hig­keit fer­ner appellativ ‘begründet’, indem er die göttliche virtus und
ihr unbegrenztes Aus­maß iden­tisch mit einer Erkenntnisfähigkeit annahm, also auch
der unseren. Ockham reportiert ihn:66 „‘Sed virtus divina se extendit ad omnia’“ mit
dem Zusatz secundum men­tem Tho­mae:67 „Et De­us perfecte cognoscit se ipsum, igi-
tur perfecte cognoscit omnia.“ Ockham geht nicht auf die Verflechtung mit der mens
divina und deren ‘Ideenleben’ ein, son­­­dern entgegnet:68 „est in­sufficiens quia non est
suf­fi­ci­­­enter pro­­­­batum quod Deus est cau­­sa omnium, nec potest suffi­ci­enter probari,
maxime quod sit causa efficiens.“ Nach Ockham ist auch nicht genügend be­weis­bar,
dass jedes ens sich im Kausalkettengeflecht (als efficiens oder effectus) fin­de:69 „non
probatur sufficienter quod omne ens est efficiens vel effectus ali­­cuius ef­fi­cientis.“70 Es

die ja auch bereits mit der Überleitung in eine übersinnliche Ein­griffs­di­men­­sion kom­­­patibel
ist. Wir müssen für Theologie und Empi­rie kein Dilemma an­setzen; denn wir haben die De­
duk­­ti­­on (Argumentationsform) nicht, die es begründen und be­wirken könnte. Wir erkennen
keine Dinge in sich (Ord. d. q. 3 OT II p. 412 lin. 19f): „Nulla sub­­stantia cor­po­rea exterior pot­est
a nobis in se na­turaliter cognosci.“ Wir erken­nen auch nicht die divina essen­tia, nicht ih­re Ei­
genschaften: „ni­hil aliud concur­rat in ratione obiecti.“ (ib. p. 413 lin. 1f). Da­neben s. Argumen­
ta­­ti­onen gegen Duns Sco­tus, die von der Satzstruktur ausge­hen, cf. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 103
lin. 1–16. Generell gilt: Gott, der die Materie ge­schaf­fen hat, wie die Welt insgesamt, aber eben
doch die Materie vorab, kann nicht an der Welt und nicht an der Materie ge­mes­sen werden;
letzteres vorab muss ausscheiden. Das ist ein Di­lem­ma. Es wird vom menschlichen Denken ab-
und vielleicht ausgeglichen, das Gott nicht eingibt und das nicht seines ist. Das ist das Mysteri-
um ‘Mit­telalter’, das nicht aus der Antike stammt. Das begriffliche Denken ist un­ta­delig ebenso
wie ungegründet. Damit steht der Nominalismus kardinal für das Mittelalter; er erneuert und
standar­di­siert dessen Genese.
65. Auch die gerade zitierten Einwendungen Ockhams bezogen sich auf schon geführte Be­
weise, müssen also in dem Sinne als intensionale gelten, was sie selbst und was die in ihnen
ver­wendeten Begriffe angeht.
66. Ord. d. 35 q. 2 OT IV p. 436 lin. 13 f.
67. Ib. lin. 14f.
68. Ib. p. 437 lin. 6–9.
69. Ib. p. 439 lin. 14–16.
70. Da auch persuasio und Induktion auf der Empirie fußen, kann Ockhams Bestreitung der
Be­­weisbarkeit hier als kategorisch und ausschließlich gelten. Nicht einmal eine persuasio kann
es hier geben. Das bedeutet aber auch, dass Induktion und persuasio für suffizient gehal­ten
werden müssen; es müssten sonst insuffiziente Bewei­se zugelassen werden. Der Terminus suf-
fizient wäre nicht definit. Es muss im Grunde festgestellt werden, dass die persuasio so ge­­­­se­hen
kein schwacher Beweis mehr sein kann. Auch wenn sie der einzig mög­liche wäre, müss­­­­­te nach
der der intensionalen Kennzeichnung des Denkens, der Wertung des Materials in­ner­halb der
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 99

gibt al­­­so bezüglich der Nichtbeweisbarkeit gewisser christlicher Vor­stellun­gen, die


wir mit Gott verbinden, nicht bloß oder nicht einmal überhaupt den Ein­wand, dass
wir Gott nicht vor Au­gen hätten und auch empirisch nicht kennten, son­dern dass die
empiri­schen Mittel aus sich und für alle Weltverhältnisse bereits ‘an sich’ uns nicht zur
Ver­fügung ste­­­­­hen, die wir in dem Zusammenhang auf Gott zu applizieren hätten, um
die Brücke zur Welt (Schöpfung) zu schla­gen, die dann als Ergebnis oder effectus sei-
ner Schö­­­pfertätig­keit zu be­trach­ten ist.71 Patholo­gi­­­­en des Denkens sind an Ockhams
Struk­tu­ren nicht sichtbar.72
Ri­­­cardus Campsalis zitiert Duns Scotus: „ni­hil … se­­cundum quam­­cum­que uni-
tatem in re est ta­­­le quod secundum illam unitatem praecise sit in po­tentia proxi­ma …
ut dicatur de quolibet sup­posito praedicatione dicente ‘hoc est hoc’.“73 Die Ar­gu­men­
tation oder Beschreibung des Duns Scotus erscheint nicht plausibel, weil ihre Vor­
aus­set­zung es nicht ist: Die ‘hoc est hoc’ zu bestimmende Identität über zwei Stufen
der Er­schei­nun­­­gen oder actus erscheint nirgendwo als zulässig und definit. Daher
kann das Argu­ment des Duns Scotus nicht gelten, in Sonder­heit nicht, wenn es eine

Struk­tu­ren gesucht werden. Man sagt allgemein, innerhalb der Spät­scho­las­tik sei Beweisen nur
in der Form der per­sua­sio „noch“ für möglich gehalten worden: so bei Pe­ter von Ailly, s. Häg-
glund, 1955 und Vig­naux, 1948. Id. eben­so zu Johannes Ger­son. Cf. aber zur Nä­he von probatio
und persuasio Ockhams Wortlaut Ord. Prol q. 7 OT I p. 170 lin. 20 (pot­est per­sua­de­ri) und
faktisch inhaltlich dasselbe betreffend ib. p. 171 lin. 4 (potest proba­ri). Die probatio zielt auf eine
induktive Allgemeinheit, während die persuasio mit einer Wort­erklärung zu tun hat, die da­mit
in sich noch unsi­cher (indefinit) ist: sie kann nicht per se auf alle Anwendungsfälle bezogen
wer­den, was den Un­­ter­schied ausmachen dürfte. Bei­de Be­weisarten werden noch nach Ord. d.
1 q. 6 OT I pp. 486–507 ver­gli­chen werden, ins­be­son­de­re die Con­clusio­nes (pp. 503–507).
71. Cf. G. Leff, 1957 zum Verhältnis von Glaube und ratio bei Ockham und seinen Zeit­ge­
nossen. Wir nehmen, an­ders als Leff, bei Ockham keinen latenten oder wenigstens denk­­baren
Konflikt zwischen unan­fecht­barer Glaubens­hal­tung (mit oder ohne Ra­ti­onalitätseinschläge)
und ra­ti­o­na­lem Vorbehalt in Gestalt der The­sen zur Nichtbeweisbarkeit von Glaubenswahrhei-
ten an. Die Span­­­­­­­nung (Unter­schei­dung) von Glaube und Ra­tionalität, su­per­natural vs. natural,
sieht G. Leff als grundle­gend in der Spätscho­las­tik an (p. 20): „They were not simp­ly cea­sing to
ar­gue along traditional lines … Theirs was a con­flict in which the specula­ti­ons of rea­son we­re
countered by the as­sertions of dogma, invol­ving as­sump­tions, methods and to­pics ra­dically
dif­­­­ferent from the preceding era … (One) was re­fu­sing to combi­ne the natural with the super­
natural, and, as a re­sult, scholast­i­cism was in the mel­ting-pot.“
72. Anomalität der Struktur im rein technischen Sinn könnte wegen der Kas­sation der Fol­ge­
rung (des Folgerungs­mo­­ments) gesehen werden. Sie erwüchse aus Ockhams em­pi­ris­tischem
Funda­ment. Doch enthielte sie ge­nü­gend allgemeine Einsichten gegenüber anderen Kon­­
zeptionen und wäre mit ihnen stets kompatibel. D. h. bei ih­nen gäbe es Be­grün­dungs­mängel.
Zur vermeintlichen Pa­tho­logie in Ockhams Denken s. H. Blumen­berg, 1966.
73. Doctor Subtilis lb. II d. 3 q. prima (n. A. Pelzer). Zum Text cf. G. Sondag (ed. Übers. comm.),
Joh. Duns Sco­tus De prin­cipio individuatio­nis, 1992, (Réédition) 2005, p. 94. s. auch den Kom-
mentar ib. p. 95 Anm. 1 und 2.
100 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Identität oder unitas in re bestrei­ten können soll. Ohne diesen Zweck wür­de es oder
die Beschreibung aber keinen Sinn ma­chen können. Im Grunde beschreibt oder for-
dert Duns Scotus die Abstraktion. Ab­strak­­tion aber muss nach Ockham außerhalb
der Re­­alität der Dinge in se, praeter rem sin­gu­­larem, wie es sich extra mentem findet,
angenom­men werden; sie setzt so erst ein. Es macht vorab kei­nen Sinn, die Abstrakti-
on ohne Not im­prä­di­ka­tiv zu definieren oder anzusetzen usw. So be­kommt man denn
auch keine distinkten Grö­ßen, auf deren Basis Ockhams Argumen­ta­­tion weitgehend
ruht. Das Argument ‘hoc est hoc’ aber wird bei Ockham nicht ak­zep­tiert, nicht für
den kontingenten empirischen Satz und in Son­derheit nicht für die Abstrak­ti­on, der­
art etwa, dass eine ‘non-distinctio formalis’ auf dieser Ebene als eine solche (i.e. Iden­
ti­tät) auf der empirischen Ebene ausgelegt werden könn­­te. Das wird von Ockham mit
ei­nem Schluss ‘a for­ti­o­ri’ abge­wie­­sen. Die Annahme des Duns Scotus ent­behrt also
schlechthin je­der Grund­la­ge. Sie ist wie wir hier sagen: nicht de­fi­nit. Der Aus­druck
‘Definitheit’ aber be­zieht sich auf den Satz, wenn er genügend auf Be­grif­fe – als deren
Ele­mente – sich beziehen kann. Die Ab­strak­tion – das wird somit, gleichsam über­
re­dend, be­wie­sen –, kann nur auf ei­nem in sich lee­ren Ding- oder Gegenstandsver-
ständnis be­ru­hen.74 Für die Deduktion greift Duns Scotus nun auf die Vorstellung der
natura com­mu­­nis zurück.75 Ock­ham indes­sen wird nicht die un­­­­­absehbare Kette von

74. Hier hat Ricardus Campsalis sogar eine suppositio angenommen, die sich auf Teile des Ge­
gen­stands, als res ex­tra extensa verstanden, beziehen können soll und in Analogie dazu in der
Gotteslehre eine Trennung realer Ei­gen­schaften in Gott angenommen und so als würden sie
re­al in der Intention des Verstandes gefasst. Gegen diese Auf­fassung argumentiert Wodham.
75. Die Vorstellung, dass Duns Scotus mit einer metaphysischen Konzeption, eine scientia de
Deo (W. Kluxen, 1966) habe ermöglichen kön­nen, die mit der Streichung der natu­ra commu-
nis, wie auch P. Vignaux, 1938 und 1948 meinte, unmöglich geworden sei, wird bei Ockham
indis­ku­tabel. Ihm geht es um die Mög­lich­keit der Ver­knü­pfung von s und P und da­mit um
ein Verhältnis, das in­ten­­si­onal den Be­griff im Sinne einer Notwendig­keit zu ver­knüp­fen, alias
verknüpft zu se­hen hät­te, die bei Sco­tus dann auch die formell äußere Not­wen­dig­keit zu sein
hät­te, und bei Ockham, da dies beweisförmig nicht dar­gestellt werden kann, auch im Sinne der
inne­ren Ausle­gung der Sätze, also ontologisch nach dem Scoti­schen Mus­­­ter, nicht zugestanden
wer­den kann. Eine an­de­re Sa­che ist es, dass Scotus daneben stets noch für die „‘De­duktion’“
onto­lo­gische Prin­zi­pien deduk­tiv benö­tigt, die er dann zwischen Ab­straktion und Empirie ka­
sual spal­tet, um sie zu­gleich dann im Sinne beider Felder zu mei­nen, die Verknüpfung und
den in­ten­tionalen Gleich­laut zwi­schen ih­nen aber gerade aufzuheben. Ockham revi­diert aristo­
telische Maximen, und wenn er sie ka­sual spal­tet, werden es wirklich heterogene Fälle und:
un­ter­schie­dene Aussage- oder Satzty­pen. Bei Vignaux dies eben anders op. cit. p. 181 und zu­vor
p. 155. Auch die The­­se von der Uni­vozität der Begriffe gilt bei Ockham nicht im Sinn einer vor­
greiflichen Erkenntnis, wie bei Duns Scotus, (Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 458 lin. 25 – p. 459 lin. 3):
„philosophi non habue­runt cog­­ni­ti­o­nem de divina es­­sen­tia nisi ha­ben­do aliquos con­cep­tus
simplices com­munes Deo et cre­aturos, vel com­po­sitos proprios et ne­­ga­ti­­­­vos, vel con­no­tativos
proprios.“ Ockhams An­satz kann auch so gedeutet werden, dass eine Deduktion à la Duns
Scotus genau nach die­sem Ansatz und unter dem Aspekt der De­finitheit nicht gut zugelas­
sen werden kann. Ock­hams Ansatz ist also mit dem Scotischen Verfahren konsistent, was
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 101

Einzelbeweisen imaginieren oder – schein­bar – aus­füh­ren, die wir im Gottesbeweis


des Duns Scotus finden. Er untersucht die Struk­tur von Ein­zel­sätzen und er­kennt in
deren Gestalt womöglich Ansätze von syllogisti­schen Beweisforma­ti­o­nen. Eine aus­sa­
genlogisch bedingte Verknüpfung und, wenn man denn will, ‘Lückenlosig­keit’ nimmt
er nicht für sie an. Er überträgt den vorab menschli­chen Begriff erst auf Gott, wo der
Begriff in der Formation des Satzes, die Ockham näher untersucht, da­von spricht;
nicht vorab nach dem Prinzip der Univozität. Der Begriff erscheint dann, wenn er
sine notitia evid­en­ti auftreten kön­nen soll und seine eigene Linie und Existenz in
mente ohne die ausgrei­fen­de und förmlich um­­wegige Beschrei­bung und Bewertung
über die Vorstellung, den real ge­dach­­ten In­halt usw. be­sitzt, auch von der distinctio
realis befreit, welche die Be­grif­fe und In­halte, for­mell auf die Realwelt hin gliedert
und unterscheiden hilft. Das erscheint nach empi­rischen Geltungskrite­ri­en für den
Begriff und entsprechend für die Sät­ze, in die er ein­gehen muss, nicht schlüssig.76
Von Ockham selbst wird der fol­gende Einwand zi­tiert oder fingiert:77 „Sed cont-
ra istam ra­­ti­­onem potest argui. Primo, quando unum non est de intellectu alterius
non est contradictio unum intelligi sine alio, sed persona di­­vina non est de intellectu
quiddita­ti­vo es­­sentiae; ergo non est contradictio quod intelligatur essentia non in-
tellecta persona.“ Ockham ant­wortet, dass die rela­tio formal nicht von der Essenz
Got­­tes prä­diziert wer­de. Wir sind auf der Stufe der ab­stractio, i.e. derjenigen – der
zweiten (no­­titia ab­stractiva se­cun­da), welche ohne die Beglei­tung der no­­­titia intuitiva
ange­nom­men wird. Mit ihr wird die dis­­tinc­­tio formalis zwischen den Begrif­fen statu-
iert, welche den Ver­zicht auf die Realität ex­tra mentem (viatoris) beinhal­ten muss:78
„quamvis re­latio non sit de intel­lec­tu es­sen­tiae, quia non praedicatur formaliter de
di­vina essentia, est ta­men ea­dem reali­ter cum divi­na essen­tia et ideo non potest in-
telligi divina essentia non intel­lec­ta persona.“ Die dis­tinctio for­malis wird als Mo­­dus
modo composito ver­stan­den, was den Aus­griff auf ein reale in se stor­nie­­ren heißt.
Wie wir ja denn auch von Gott pro statu isto kei­ne Er­kennt­nis, keine Evi­denz (no­titia
in­tuiti­va) ha­ben. Die Vorstellung, dass eine distinctio forma­li­ter, rein auf der Ebe­ne
der be­zeich­ne­ten zwei­­ten, empirisch unab­hängigen Abstraktion und im Sinne ei­ner
Aus­sage be­ste­he, impli­ziert nicht eine distinctio re­alis für die Sach­welt, i.e. secundum
rem et a parte rei. Es müssen auch keine getrennten Be­griffserfahrungen sive Be­
griffsbil­dun­gen für divina es­sentia und re­la­­tio si­ve per­so­na divina un­terstellt werden.
Auch hier nun be­zeich­net das con­se­­quens im Sinn der Nicht­geltung eine – verwehr-
te – Konsequenz. Insofern die­se negativ ist, be­zeich­net sie ein Kri­­terium, bezieht sich
auf die Abstraktion und bezeichnet die darin gege­be­­nen Er­scheinung mit­samt einem

zumindest be­deutet, dass er zu dessen Be­wer­­­tung tauglich ist. Er wi­­­derlegt es unter dem Aspekt
der rei­nen Inhalt­lich­keit (In­ten­siona­lität), für die Sco­tus’ Ontologie (Metaphysik) unnötig ist,
ab­gesehen davon, dass diese wi­der­legt werden kann.
76. Damit hat Adam Wodham Schwierigkeiten. Cf. Kap. 6: Theologie und Logikbegriff.
77. Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 456, lin. 4–8.
78. Ib. p. 457 lin. 4–8.
102 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

darin for­mulierten Satz (Aussa­ge) als eine, wel­­che im Ge­samt­sinn der Erörte­run­gen
Konsistenz bedeu­tet und für ihre Ele­men­­te (Be­stand­teile, Begriffe) De­­finit­heit. Definit
erscheinen der Begriff der notitia abstrac­tiva, also abstrac­tio, di­vi­na essen­tia, per­so­na,
distinc­tio formalis, distinctio re­­alis etc.
Die Philosophie Ockhams ist auf eine Konsis­tenz hin an- oder ausgelegt, wel-
che mit den Be­stand­teilen der Erörterungen in den Fragen (quaestiones), also mit
den ac­tus, welche ja als sol­che (actus apprehensivus) gewahrt werden, nicht mehr
zusammenfällt. Die Identität des ac­tus apprehensivus als Meinungsträger (Erkennt­
nissubstrat) und die Supra­struk­tur der Erörte­rung fallen nicht zusammen. Die auf
wenige Ele­mente gegründete und bezogene Struktur der Erörterung macht bei
Ockham ganz die Erörterung aus­ und be­stimmt sie durchgängig.79
Denken wir uns aber nun einen normalen scholastischen Satz, wie etwa den80
„quod intellec­tus sit realiter ipsa substantia animae“. Er gibt einen bedeutenden Lehr-
punkt wieder. Er spie­gelt eine christliche Einstellung.81 Der Satz zielt auf einen syn-
thetische Qualität oder Begrün­dung (a est realiter b), damit auf die Kontingenz und
die Suppositionslogik und so wie diese we­­sent­­lich mit der Widerlegung affin ist, auf
eine reprobatio. So sagt denn Ockham: „(si­cut) po­si­to quod intellectus sit realiter ipsa
substantia animae, … tunc impossibile est quod sub­­­­­stan­­­­tia animae cognoscatur nisi
intellectus cognoscatur. Quia impossibile est quod idem de eo­­­dem ve­re affirmetur
et vere negetur ab eodem. Ergo non potest cognosci substantia animae nisi eo­dem
modo cognoscatur intellectus.“ Derart müsste der Satz tautologisch sein kön­­­­nen.
Ockham aber bezieht ihn einstweilen nur auf eine empirische Qualität, bei der das
Wahr­heits­mo­ment gilt und eben durch das suppositionslogische Wahrheitsprä­skript
sei es er­setzt, sei es egalisiert wird. Der Satz kann also sei­ne abstrakte Höhe nicht
gewin­nen. Damit fällt die Lehre (ihre Begründbarkeit). So denn die Nä­he zur Wi-
derlegung, welche in dem bloßen Bei­spiel­cha­­rakter (sicut) bereits von Ockham an-
geschlagen wird. Die in sich nega­tiv verblei­ben­­de Ab­straktion wird be­schrie­ben und
tendiert zur Widerlegung und Ablehnung: „Et tamen multis is­ta propositio est nota
‘substantia animae est substantia’.“ Der Satz ist denn auch per se un­be­streit­­bar. Er ist
auch auf abstrak­ter Ebene einsichtig, aber, fährt Ockham fort: „et haec (propo­si­tio!)
ignota ‘intellectus est sub­stantia’.“ Wir kennen nämlich nichts vom intellectus per se.

79. Das heißt: an allen Stellen. Die dann je anfallende Erörterung ersetzt Folgemäßigkeit durch
Kompatibilität und fasst so förmlich Abstraktion und Empirie zusammen. Wir wiederholten
je an der Stelle eine Synthesis der Be­grif­­­fe, aber wir vollziehen sie über eine Ableitung, in der
Kon­sequenz(en) suspendiert werden. Wir approximie­ren so die Definitheit und übergehen die
Konsequenz.
80. Cf. Ord. d 1 q. 5 OT I p. 464 lin. 16. Ockham ‘widerlegt’ quasi induktiv ( p. 464 lin. 15 – p. 465
lin. 14) mit Ten­denz gegen Duns Scotus die Annahme, dass dieser Satz naturaliter erkannt wer-
den könne.
81. Cf. Anm. 27 dass der intellectus nach Ockham logisch immaterialis sei und der causali­tas
unterliege.
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 103

Wir kennen die actus intellec­ti­­o­nis. Ockham gibt die Begründung empirisch: „Et ra­
tio est quia nescitur a tali pro quo sup­­ponit iste terminus ‘intellectus’.“ Es wird also ein
scho­la­s­ti­scher Glaubenssatz, scheinbar gut begründet, abgelehnt, nicht weil er nicht
deduzierbar wä­re oder aber nicht empirisch veri­fi­­zierbar wäre,82 sondern weil er nach
dem suppositionslo­gi­schen Kri­terium für Wahrheit hin­fäl­lig ist. Er gelangt nicht bis
zur Ab­strak­tion. Ockham zeigt: der Satz ist als abstrakter nicht gültig, weil er nicht
empirisch be­gründbar ist.83
Das Verhältnis intuitiver und abstraktiver Wahrnehmung bzw. Bildung von Sät-
zen oder von de­­­­ren Begriffen jedoch lässt sich für Ockham anhand der Texte hinrei-
chend klären und an­­ge­ben. Die Begriffe für das Satzverständnis werden grundsätzlich
und zunächst durch die no­titia intuitiva erworben:84 „quia quando perfecte apprehen-
do aliqua extrema intuitive, statim pos­­­­sum formare complexum quod ipsa extrema
uniuntur vel non uniuntur; assentire vel dis­sen­ti­re … Et hoc virtute cognitionis intui-
tivae quam habet (intellectus)85 de extremis.“86 Aber die Ka­pa­zität des Verstandes ist

82. Das sind die beiden Kriterien, die Nikolaus von Autrecourt für die aristotelisch-scholas­ti­
sche Erkenntnis lan­ciert; beide werden aber von ihm eigentümlich verschränkt.
83. Der abstrakte Satz ist im Sinne der Induk­ti­­on hier nicht begründbar, wenn er als auf dem
em­­­pi­ri­schen beru­hend ausgedrückt werden können soll. Wir haben keine Begrün­dung der
pas­sio für ein Verhältnis zum subiectum und daher auch kei­nen abstrakten Satz, der davon,
i.e. von dem kontingenten Verhältnis der extrema s und P, un­­­abhängig wäre. Für ei­nen rein
ab­strak­ten Satz ist der Begriff intellectus an sich selbst nicht be­gründbar. Denn wir müssten
ja anneh­men, dass die substantia animae aus oder in sich selbst zum intellectus über­zugehen
ver­möch­­­te. Ein solcher Übergang ist für die theo­logischen Sätze, die die divina es­sentia determi­
nie­ren, be­gründ­bar, aber nicht für das naturale Verhältnis in der anima bzw. im menschlichen
Geist. Wir können hier die empirischen Grund­be­dingungen nicht verlassen, son­dern bleiben
im Be­reich der elementaren Begriffs­genese(n); wir haben kei­­nen Grund dafür in den empiri­
schen Be­­dingungen, den wir aber be­züg­lich der di­vi­na essentia haben, so dass wir die ab­strac­­
tio voll­­­ziehen und gegen die Empirie ge­richtete Satzerklärungen geben kön­nen. Dort ist eine
em­pi­­­­rische „‘Erfüllung’“ nicht denkbar. Sie ist also auch nicht empiristisches Kriterium; das
würde auch den Aspekt der Definitheit vor­wegnehmen. Für rein theologische Sätze wird es
denn auch nicht angenommen. Es lässt sich mit­­­hin sogar sagen, dass der behandelte Satz eben
da­mit als nicht unabdingbar theologischer oder den Glaubens­sät­­zen zuzurechnender erschei­
nen mag. Es ist natürlich eine andere Sache, ob man ihn zu den Lemmata rechnen und hier für
un­ent­behrlich halten will. Würde man aber hier nun Anstände gegen Ockham suchen wol­len,
so müss­­­te man umgekehrt klar machen, dass der Satz im Sinne theologischer Deutun­gen und
Leh­ren nach dem Men­­­­­schenbild der christlichen Kirche unverzichtbar sei. Dessen Stelle über­
nimmt Ockhams Methodologie.
84. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 256 lin. 14 – p. 257 lin. 5.
85. Der in­tel­lectus ist dabei schon eingelassen.
86. Hiermit wird bloß eine Bestimmung oder auch Worterklärung empirisch begründet.
104 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

unabhängig von dieser kausalgenetischen Bedingung des Er­werbs der Begriffe:87 „Sed
respectu cognitionis ap­prehensivae per quam formo complexum, non est cognitio in-
tuitiva – nec sensitiva nec intel­lec­tiva – causa partialis quia sine ipsis potest formari
omne complexum quod potest formari cum ipsis.“ Damit wird eine differentia specifi­
ca der Ak­te (oder notitiae) schon festgehalten. Es gilt grundsätzlich:88 Die notitia ab­­­
stractiva, die mit der notitia intuitiva ‘zugleich’ („simul“) eintritt, wobei die notitia
intuitiva ‘Begriffe’ (in­­comple­xa) betrifft, er­möglicht die Wahrneh­mung und Bildung
von complexa, also Sät­zen, die von der notitia intuitiva unab­hän­gig sind: diese Sätze
haben in der no­­titia intuitiva oder der em­­­pi­ri­schen Erkenntnis nach kontingenten
Sätzen kein unbedingtes Kriterium. Der entste­hen­de Satz muss nicht mehr unbedingt
als kontingenter verstanden werden.89
Ein Bereich näherungsweise tautologischer Sätze aber bleibt erhalten, etwa wenn
Ockham sagt:90 „Tamen haec tunc erit vera per se ‘habitus speculativus est in intellectu
speculativo’ non per se primo mo­do nec secundo, de quibus loquitur Philosophus I
Posteriorum, sed dice­tur(!) neces­sa­ria quia nihil hic ponitur quod significet aliquid quod
non est subiectum nec ac­ci­dens re­cep­tum in sub­iecto illo. Sed ista erit per accidens ‘ha-
bitus prac­ti­cus est in intellectu specu­la­tivo’.“91 Bedenkt man, dass hier eine praktische

87. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 258 lin. 6–10.


88. Rep. II q. 12–13 OT V p. 262 lin. 10–13: „Si habitus inclinans ad cognitionem imperfectam
generatur ex ali­quo ac­tu cognitivo illa cognitio erit abstractiva et illa erit si­mul cum cognitione
intuitiva perfecta.“ Die notitia intuit­i­va perfecta ist bestimmt durch die Präsenz der Objekte.
Die notitia in­tu­i­ti­va imperfecta be­steht (noch), wenn die Ge­genstände nicht mehr existieren
oder präsent sind, was bedeutet, dass sie erinnert wer­den. Dabei kon­zediert Ockham, sei es für
den Wortge­brauch oder im Sinne der Sacherklärung, dass dann die notitia in­tu­i­ti­va imperfec­ta
notitia ab­stractiva sein oder heißen möge oder umgekehrt.
89. Für die Theologie kommen beide Arten von Sätzen in Betracht. Im Bereich der Christolo-
gie haben wir kon­tin­gente Sätze, bezüglich der divina essentia nicht oder nicht notwendig. Da­
bei erklärt Ockham ausdrücklich, dass unabsehbar und für ihn unentscheidbar sei, ob es von
der es­sentia divina einen einzigen vorrangigen gewis­ser­ma­ßen ‘geschlossenen’ Prä­dikatsbegriff
(passio) geben kön­ne, der dann die anderen in sich enthielte und aus sich – folgerungsweise
oder anders – ergäbe. Ord. Prol. q. 12 OT I p. 342 lin. 20 – p. 343 lin. 5. Wir können die Sache
nicht a parte ex­perientiae nostrae se­cundum sta­tum viatoris entscheiden. Die divinitas ‘enthält’
keine Ei­­gen­­­schaften, die sich per Folge­rung aus ihr ergeben könnten. Wäre es an­­ders, müsste
die Welt aus Gott per Fol­­gerung be­grün­­det wer­den können; beide, Gott und Welt, müssten
derart übereinstimmen. Die Welt wäre so in ei­ner Art be­stimmbar, dass sie mit Gott überein-
stimmen könnte. Was sollte dann ‘Erlösung’ besagen? Warum soll­te aber schon die Existenz
Gottes bewiesen werden kön­nen müssen? Wie könnten Welt und Erlö­sung über­ein­stim­­­men?
Also kann die Welt auch nur als ‘gefallene’ begrifflich erfasst werden. Wer darin ein Pa­ra­dox
sieht, muss das Ver­­ständ­nis der Begriffe und Begriffsgewinnung reformieren. Ockham tut es.
90. Ord. Prol. q. 12 OT I p. 353 lin. 16–22.
91. In diesem Fall kann die Wahrheit per accidens nicht bewiesen, sondern nur hypo­the­tisch
be­hauptet wer­den.
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 105

Religiosität auch immer aus dem Be­reich der Einsichten schlechthin in den Bereich
der Handlungen, beispielsweise der Kultaus­ü­bung oder tätigen Nächstenliebe, des Er-
werbs von merita usw. ‘Überträge’ würde erfordern kön­­nen müs­sen, so liegt es nahe,
dass hier Ockham nichts beitragen konnte, was aber viel­leicht aus dem Stande des
Mittelalters selbst auch nicht zu erwarten und möglich war.92 Das Wahrheitspräskript
muss akzentuieren und skandieren, dass der kontingente alias empiri­sche Satz (Witt-
gensteins Elementarsatz) kein analytischer sein kann. Mit Ockhams Wahr­heits­präs­
kript entfällt für den Elementarsatz die homoiousis, die Wittgenstein dafür angenom-
men hat. Ockham will keine Wahr­heits­werte, welche Witt­gen­stein für ana­lytische und
empiri­sche Aus­sa­gen gleichermaßen annahm. Er nimmt auch nicht die adaequatio in-
tellectus ad rem an.93 Da­­bei war, wie festzuhal­ten ist, zwi­schen suppo­ne­re (suppositio)
und significare (signi­fi­catio) zu un­ter­scheiden:94 „Est eti­am scien­dum quod sem­per
passio sup­ponit pro illo eodem pro quo sub­iec­tum supponit, quam­vis ali­quid aliud ab
illo significet ali­quo modo, scilicet in rec­­to et in ob­liquo, vel affirmative vel negative.“
Die sup­positio gibt die Stufe der (in­tensio­na­len) Be­stimm­barkeit des Be­griffs in se,

92. Es erhellt, dass jene Heilswahrheiten, die die ‘Erlösung’ des Men­schen, seine Verdienste, die
Gna­de, die Glo­rie usw. betreffen, wie sie aus Gott dependieren, aber den Menschen be­treffen,
de facto, was ihren Ausdruck an­geht, nicht dem Maßstab der Kon­tingenz unterstehen, aber
eben auch die Verhältnisse der divina essentia in se überschrei­ten. Die Heilswahrheiten be­­­
zeich­nen also womöglich ein eigenes Feld. Es versteht sich, dass ein in­ter­ner Handlungs­raum
des Menschen, wie er seelisch-psychologisch bei Luther oder Kierkegaard bezeichnet wer­den
konn­te, scholastisch nicht in Re­de steht. Wenn es dafür im Mit­telalter Vorbereitun­gen gibt,
in den Sekten und in den Kongregationen, die Heilswahrhei­ten der besonderen An­eig­nung
für bedürftig, ja auch für dieser kon­form zu halten, so bleibt doch die Erörterung Ockhams
selbst davon un­be­­rührt. Diese Tendenz gehört zu­nächst der mystischen Richtung an. Wie es
bei dem späten Ockha­mis­ten Gabriel Byel (Biel) sei, kann hier nicht erörtert wer­­den. Er ist
schon von der Win­­des­heimer Kongregation beeinflusst. In ihr wurden auch Ni­ko­laus Cu­sa­nus
und Erasmus erzogen. Wieweit der nach dem Ab­schluss seines SK in den fran­ziskanischen
Armutsstreit eingelassene Ockham Frömmig­keitsideale teilte, die sich bei Ni­kolaus von Autre-
court durchaus finden, steht da­­hin. Eine sol­che Parteinahme bzw. Einstel­lung wird aus dem
Text des SK vorderhand nicht abgeleitet wer­den kön­nen. Autre­court stellt die Frömmigkeit der
nach seiner Ansicht gescheiterten aristo­te­lisch-scholastischen Wis­­­sen­schaft ent­ge­gen. Das ist
bei Ockham so nicht erkennbar. Es sei denn man will das Zuge­ständ­nis einer ra­­tional unbeweis­
ba­ren, ja nicht einmal rational behandelbaren opinio resp. auch nur (das bleibt unentschieden)
Ver­­lautbarung in fi­de, einer kirchlichen Auslegung usw. dazu zählen, bei denen, wie Ockham
geradezu fest­stellt, oft nicht der Wi­der­­spruchssatz in Anschlag gebracht werden könne. Doch
damit wird die Glaubensaussage dann zugleich dem ‘ad libitum’ nahegerückt. Willent­lich oder
unversehens.
93. K. Lorenz, Elemente der Sprachkritik, 1970 rechnet Wittgenstein die Adäquatheitshypothese
positiv an.
94. SL I c 37 OP I p. 105 lin. 38 – p. 106 lin. 40. Daher gibt es ‘passiones positivae et passiones
negativae’ (ib.).
106 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

i.e. als etwas Mentales vor und an.95 Die sig­nifica­tio be­steht eindeutig nur im Objekt:
sig­nificatio = obiec­tum, was zu bedeuten hat, dass die pas­sio etwas am Objekt oder
in ihm be­deutet oder bezeich­net, was un­ter­halb der Sup­po­si­ti­ons­i­­den­tität, die das
Wahrheits­prä­skript be­nennt und vor­schreibt, nur nicht in dieser, vor­kommt und da-
her für die suppositio und ge­mäß dieser auch nicht in einer Auslegung der Real­din­ge
in se geltend ge­macht wer­den kann. In die­sem Sinn wür­de die Definit­heit der Begriffe
verletzt wer­den, wenn­gleich sie in se nicht er­reicht werden kann. Wir sind mit ihr
auch unter­halb des Wider­spruchs­mo­­­ments, das bei der re­probatio fal­scher Ansichten
zur in­haeren­tia der pas­sio oder des acci­dens in subiecto ja noch greift. Dass bei und
von Ockham eine intensio­na­le Ebene betrachtet und behandelt wird, ist klar:96 „im­mo
ad hoc quod homo sit asinus vel non sit asinus, nihil fa­cit intellectus. Sed quod haec
pro­­positio: homo non est asinus, sit vera, non sufficit quod ho­mo non sit asi­nus. Sed
requiritur quod ista propositio: homo non est asi­nus, sit.“ Eine Er­kennt­nis ‘homo est
asinus’, könnte qua Einsicht (notitia intuitiva) nicht for­miert werden. Doch es gibt den
Satz. Dieser Satz wird dann per notiti­am intu­iti­vam beur­teilt werden. Er müss­­­te so im
Grund als all­gemeiner Satz verstanden wer­den. Damit werden auch elementare Sätze
allgemein.97
Dies scheint aber ein Dilemma bei vielen Erörterungen Ockhams zu Typus und
Charak­ter von Sätzen zu sein, dass Allgemeinheit und Konkretion (Empirie) am Ende
nicht trennscharf be­ste­­hen bleiben können,98 so dass eine Voraussetzung, die mit den
Unter­schei­­dun­­gen von no­­­­titia abstractiva und notitia intuitiva an bis zu denen der
Satztypen hin, die hierauf aufbauen oder damit vereinbar erscheinen, ge­macht worden
ist, nicht mehr (so ganz) festgehalten wer­den könne, so scheint es wenigstens. Das aber
hätte dann zu be­sa­gen, dass die Verlässlichkeit (Eindeutigkeit) der Begriffe, die mit der
notitia intuitiva oder em­­­pi­rischen Wahr­nehmung und Gewinnung veranschlagt und

95. Cf. SL I c. 37 OP I p. 104 lin. 3 – p. 105 lin. 11 (Text s. Anm. 21: „(passio) multipliciter accipi
etc. etc.“
96. Ord. d. 24 q. 1. O. Wir folgen W 1485. Ed. nennt die Textvarianten im Apparat. Text Ed.
Ord. d. 24 q. 1 OT IV p. 88 lin. 17–23 ist nicht so schlüssig: „Similiter, si nullus intellectus esset,
adhuc homo non es­set lapis, et tamen haec non esset vera tunc ‘homo non est lapis’ (sic!), quia
nulla propositio esset tunc (!!). Et hu­ius ratio est quia ex re dependet veritas propositionis,
quamvis non e converso, immo ad hoc quod homo sit asi­nus vel non sit asinus, nihil facit intel-
lectus. Et ita quod haec propositio ‘homo non est asinus’ sit ve­ra vel non sit vera, nihil facit ad
hoc quod homo non sit asinus.“ ‘Wahr’ als Bestimmung des Satzes ist nicht nur Be­stim­mung
des Sat­zes a parte rei. D. Perler, Ockhams Transformation der Transzen­den­talien, in: Miscellanea
Me­­diae­va­lia Bd. 30, 2003 pp. 304–319 sieht verum bloß als a parte rei bestimmt an. ‘Verum’
bekommt bei Ockham einen modalen Wert.
97. Dabei tritt die ontologische Bedeutung von Sätzen nicht auf, wie die Folgerung empirisch
keinen Platz hat. In die­­sem Sinn hat Autrecourt recht. Die Folgerung kann nur kein Regulativ
sein. Das nimmt er aber doch an.
98. Cf. etwa zur propositio per se nota Kap. 3: Zum Verhältnis der Satzformen.
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 107

vor­aus­ge­­setzt, ei­gent­lich un­terstellt wur­de, vermöge der All­­ge­mein­­heit nicht mehr


unbedingt gewahrt bleiben muss. Sol­che Formulie­rung des Problems ent­hält aber zu­
gleich dessen Lösung: wo die Allgemeinheit im Sinn der Kon­kretion nicht besteht
und ge­wahrt bleiben kann, da muss sie, argumentativ, im Sinn der Be­hauptung einer
Verbin­dung oder Ableitung, negiert werden. So entsteht die Ar­gu­mentation aus die-
sem Dilemma und be­hebt es; die anscheinende Paradoxie wird mit der grund­legenden
Funktion und Gestalt des Ar­­­­gu­ments, der Revozierung vermeintlicher Schlüs­sig­keit
beseitigt; sie kommt nicht auf. Die Ar­­­gu­mentation approximiert sich dem Beseitigen
oder Vermeiden von fallaciae. Die Ar­gu­­­men­­­­­­­­ta­­­tion (das Beweisen) muss konstitutiv in
der Phi­lo­sophie Ockhams sein, und dabei oder da­­rin die Prävention gegen den Fehl-
schluss, i.e. das Entscheiden, ob eine consequentia als con­­­sequentia bona vel valida zu
gelten habe oder als inferentia fal­sa. Zugleich wird damit aber klar, dass Definitheit der
Begriffe gefordert und vor­aus­­ge­setzt werden könne, aber nicht in sich er­reicht und pro
facto festgestellt. Festgestellt werden die Validität des Schlusses und die Angän­gig­­keit
einer Nebenannahme. Gegen letzte­re sprechen dann nicht ‘Schlüsse’, weil sol­che selbst
nicht gehalten werden können. Sie ha­ben, allgemein gesehen, fal­sche und nicht zwin-
gende kontingente Vor­aus­setzungen, die mit­hin nicht für ge­ne­relle ge­halten werden
kön­nen, so dass mit einer Bedeutungslosigkeit für die generelle An­nah­me oder These
gerechnet werden muss. Bei pre­kärer Kombination von sub­stan­tia und acci­dens droht
die fallacia etc.99
Wenn aber in dieser Weise nun rationes auftreten, die einander nicht einschlie-
ßen, sondern ne­­­­beneinander kompatible Fälle zulassen, also eine Abstraktion erge-
ben, die die Konkretion (sehr wohl) einschließt, dann beinhalten sie das Verhältnis
aus einer potentiell allgemeinen Aus­sage zu einer ganz und gar empirischen, i.e. auf
den Einzelfall bezogenen und beschränk­ten. Für einen solchen ist die Definitheit
abstrakt mitgegeben. Die logische Zwangsläufigkeit wird für sie abgelehnt. Derart
ist dann auch eine nominalistische Universalienlehre (= Ableh­nung der realistischen
Hypothese eines universale in re) für das allgemeine Argumentieren mit­­­­gege­ben,
sie ist darin eingeschlossen. Sie wirkt fort in der allgemeinen Argumentations­pra­­xis
Ockhams beim Erweisen von untereinander kompatiblen Fällen, für die es rationes
gibt, womit ei­ne ratio auf die Nichtschlüssigkeit von ‘bestimmten’ in ihrer Weise nur
kontin­gen­ten oder akzi­den­­tel­len Umständen, also potentiellen Begleitumständen,
negativ ‘festge­legt’ wer­den kann.100 Solch ein Fall liegt vor (wird präpariert), wenn

99. Ord. Prol. q. 4 OT I p. 157 lin. 6–8 nimmt Ockham eine Notwendigkeit secundum intentio-
nem Aristotelis an, die de facto bloß Kontingenz (‘contingens’) bedeuten kann. Diese Tendenz
zur Empirie (Kontingenz, zum kon­tingenten Satz ) be­stimmt dann auch die Widerlegungen
Ockhams. Dieses Moment der Kontingenz kann auch in der Darstellung und Feststellung der
fal­la­ciae niemals überwunden oder überstiegen werden.
100. Dabei gilt, dass die Widerlegung in der Form des in­direkten Beweises nicht eine Tech-
nik des Aufweisens bei Ockham ist oder diese erübrigen könnte. Reprobatio, refutatio oder
auch eine confutatio (i.e. eine mehrfache Wi­­derlegung oder In­fra­gestellung) stellen nicht be­
reits Ockhams eigene opinio dar oder auch nur vor. Die wird durch die per­suasio (Ana­lo­gie,
108 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham in quae­s­tio 1 des Prologs zur Ordinatio feststellt: „non intelligo quaestionem
(nach der Evidenz) praecise de no­ti­­tia evi­­denti scientifica.“101
Die abstractio durch einen Begriff wie genus, i.e. durch genus als ontologischen
Begriff zu kennzeichnen, wäre schwierig und sinnwidrig bzw. zweckwidrig. D. h. so
als ob der abstrakti­ve Begriff in sich ein Moment des genus, also der Ordnung der
Begriffe oder Gegenstände un­­­tereinander enthalten könnte. Ockham zeigt es im Ord.
Prol. Es gibt keine Parallelität von no­titia abstractiva (abstractio)102 und durch das ge-
nus und des­sen Begriff be­zeichneter All­­ge­meinheit. Nicht diese wird gemeint, wenn
abstrahiert wird. Nur so ist ge­nus als Prädikat ver­wendbar (‘animal est genus’). Das
gilt auch für species (‘homo est species’).103 Danach kann der Begriff ‘genus’ nicht ab-
strahiert oder mit abstrahiert werden, also die ent­­sprechende Ei­gen­­schaft auch nicht.
Die essentielle Prädikation ist un­möglich. Die Prä­di­ka­ti­on ist, soweit es um Empirie
sich handelt, wegen der Kon­­tingenz oder, for­mell bzw. intensi­o­nal, überein­stim­mend
mit ihr, von der Zeit nicht un­­ab­hängig. Sätze wie ‘Socrates sedet’ oder ‘Petrus est re­
pro­batus’ sind kontingente Sätze und der Inhalt der passio in­häriert nicht abstrakt in
dem Sub­jekt­term. Der Subjektterm und das Prädi­kat müssen aber bei­­de auf dasselbe
äußere Objekt ver­­weisen, wenn der Satz suppositi­ons­­­­lo­gisch als wahr gel­ten kön­nen
soll, dann wenn es um die supposito personalis geht. Die sup­po­si­tio simplex ‘homo

Vergleich), Induktion (mit dem den negativen Fundie­rungs­zu­sam­menhang, bei dem ein akzi-
denteller Umstand negiert wird, also kei­nen Schluss zulässt) bestimmt.
101. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 15 lin. 5–11. Dabei kann Ockham denn auch sagen, dass notitia
intuitiva und notitia abstractiva sich nach ihrem forma­len Entstehungsgrund gar nicht unter-
schieden. Cf. ib. p. 34 lin. 6–12: „Nec dif­fe­­runt per ratio­nes mo­­­ti­vas formales, quod scilicet in
cognitione intuitiva res in propria exis­ten­­tia est motiva per se obiective; in cog­­nitione abstrac-
tiva est aliquid motivum in quo res ha­bet esse cognoscibile, sive sit causa virtualiter continens
rem ut cognoscibilem, si­ve sit effectus, puta species vel similitudo repraesentati continens ip-
sam rem cuius est si­­mi­li­tu­do. Sicut dicit idem (sc. Scotus) Quodlibet, quaestione 13“. Es gibt
also nicht jenen Argumentations­grund, nach dem Erkennt­nis (Akt) und Wahrheit voneinander
unterschieden oder aneinan­der gebunden wären. Für den Akt steht nicht die Wirklichkeit und
diese kommt nur nach dem Akt in Betracht. Ein bestimmtes emp­i­ri­sches Ent­stehungsmoment
wird also nicht für die ratio der bei­­den notitiae und ihre Unterscheidung angenom­men. Auch
sonst können nach Ockham nicht Unterscheidungen gemacht oder aufrechterhalten werden,
wel­che mit der Defini­ti­­on in ei­­nem ex­­­ten­­sionalen Sinn, i.e. strictissime a parte rei gesehen,
übereinstimmten.
102. Das muss bedeuten, dass Ockham zur Abstraktion (notitia abstractiva) übergeht und dass
er eine Wahl­mög­­lich­keit habe. Es muss einen actus apprehensivus geben, der unabhängig von
der notitia intuitiva sei.
103. Auch bei Duns Scotus ist der actus apprehensivus bereits zentral; er wird indes ontolo-
gisch dimensioniert. Dies geschieht, nicht um Gott denken oder mit­­­­­denken zu können, son­
dern um den Begriff, aus dem gedacht wer­den können soll, zu schaf­fen. Es ist dies die Stelle, an
der der die Kommentatoren des Duns Scotus mit ihren Er­läu­te­rungen eingesetzt haben, die da
auch unentbehr­lich waren. Z. B. zu ‘species’. Cf. S. Day, 1947.
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 109

est species’ oder ‘animal est ge­nus’, bei der subiectum und passio ge­­­mein­­sam für einen
‘Begriff ’ (natürlich denselben) sup­po­nie­ren, bezieht sich eben nicht mehr auf eine res
extra mentem, die per notitiam intuiti­vam empirice wahrgenommen und bestätigt
werden kann.104 Gäbe es eine essentielle Prädikation, gä­be es nur ein und denselben
Begriff. Ockham lässt aber eine solche Prädikation eins zu eins nicht zu. In ihr wären
in jedem Fall formell empirische Begriffe verwandt worden.
Ockham hat dann in manchen Fällen widerlegt, indem er zeigt, dass gewisse
kontingente Sät­ze, die von abstrakten Aussagen über­fasst werden, dieselbe Suppo­
sitionsart in subiectum und pas­sio nicht haben – können. Der ab­strak­te Satz wird
so wider­legt. Doch wird er nicht durch ei­ne ‘ge­gen­teilige’ Aussage ersetzt, die damit
als durch indirek­ten Beweis gleichsam er­mit­telt zu gel­ten hätte. Denn wo derart von
Ockham wider­legt wird, soll eben nur ‘wi­der­legt’ wer­den; es wird dann ei­ne ab­strakte
Aussage nach ihrem in­ten­si­onalen Ge­­halt abgewie­sen. Das Er­­­­geb­­­nis dieser Wider-
legung lau­tet: „simpliciter fal­sum“ = absurdum.105 Die persua­sio ist da­bei als eigens
abstrahiert zu den­­ken.106 Die Abstraktion, mit der und innerhalb deren Duns Sco­­­tus
‘de­duktiv’„operiert“, erscheint, selbst wo sie mit überweltlichen Tatbeständen oder
Be­­­zügen befasst ist, als zugleich unge­schie­den von jeder empirischen Ansicht und
eben auch Vorstel­lung.107 Während bei Duns Scotus die abstraktive Behandlung der

104. Es ist klar, dass wenn genus Teil der Abstraktion oder sie bestimmend wäre, dann müs-
sten Sät­ze, die Sätze be­­tref­fen, diese Sätze identisch auffassen, i.e. diese Sätze aliquomodo sein.
So könnten sie nicht der Stufe nach ver­­­­schie­den sein. Es gäbe die erste Stufe der Wahrneh­mung
extramentaler res und der kontingenten Sätze nicht. Umgekehrt kann genus selbst nicht abstra-
hiert werden. Es ‘kann’ und darf kein empirischer oder empiristischer Ter­minus sein. Er meint
aber wie alle ontologischen Begriffe eine widerlegungsprobate Intention auf die realitas.
105. So wie Ockham hier beweist, widerlegt er Duns Scotus nicht und begreift des­sen Kon­zep­
tionen faktisch nicht ein. So sind beider Konzeptionen nicht gegeneinander ausgeschlos­sen.
Sie bleiben mithin kompatibel. Ockham geht allein nicht auf die significatio qua intensionaler
Bestimmung der suppositio und ihrer Bezü­ge im Sprachmaterial zurück und er beweist nicht
von ihr her oder auf sie hin. Von ihr aus zu operieren würde be­deu­ten, hetero­ge­ne Konzepte
gegeneinander setzen zu können, so dass etwa eines ausge­schlos­­sen und das an­de­re zu­ge­­las­
sen werden könnte oder müsste. Es wird genau das nicht den spätscholastischen Aus­trag hier
ausma­chen oder auch nur wiedergeben (‘malen’) können. Wir erkennen, dass was wir zu den
Akten (no­titiae) gesagt haben, nicht die Logik abgibt, eine significatio für die Ab­straktion zum
Regulativ zu machen. Das wird mit den Ontolo­gien ange­nommen. Sie müs­sen im Prinzip Ope-
rationen enthalten oder freistellen, wel­che auf Definitheit nicht ein­­­­zu­gehen oder sie zu sichern
hätten. Ockham sichert die Definitheit und schließt die Logik aus.
106. Die persuasio beruht nicht auf dem ‘tertium non datur’. Es kann zwei oder drei per­­­su­a­­sio­
nes nebeneinander ge­ben. Es gibt also einmal keine empirische Grundlage im Sinne des ‘terti­
um non datur’; dann aber gibt es auch keine analytischen Auflösbarkeit einer persua­sio, wie es
ja denn auch keine solche bei den rationes gibt, wie wir ge­zeigt haben.
107. Nach Ockham Rep. II, q. 12–13 OT V pp. 253 – p. 310 kann die spe­ci­es für den actus in-
telligendi ge­setzt werden, muss es aber nicht (p. 269 lin. 13–15): „Nunc au­tem sine om­ni spe­cie
110 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

ungeschiedenen em­pi­risch re­levanten Begriffe oder ‘In­­halte’ zur absoluten Apostro-


phierung der Akte in Be­zug auf ei­ne ab­­solute Geltung und Ma­­ximenbildung strebt,
wird bei Ockham auch diese anteilige (in­tensionale) Reflexion als Teil der Ausdrucks-
momente des actus apprehensivus ge­­­deutet und zwar so, dass der em­pi­ri­sche Bezug
eindeutig zugelassen und aus­drücklich nicht ausge­schlos­­sen wird.108 Er be­deutet nur,
dass die consequentia, die an einen derart abstrakten Satz­aus­­druck angeschlossen
wird, nie im Sin­­­­ne von dessen Realgeltung, also quasi noch im onto­logi­schen Sinne
uni­versell verstan­den werden dürfte. Damit wird die abstrakte ‘Gel­tung’ der Ter­­mini
und propositiones, und so auch ihre Definitheit hypothetisch erreicht. Wir können
von der Stufe der Abstraktion nirgends zur Reali­tät109 ge­lan­­gen, da Folgerungen in­­

ad prae­sentiam obiecti cum in­tel­lec­tu sequitur actus in­tel­ligendi ita bene si­cut cum illa spe­­cie.“
Kann das als Vorhalt gel­ten, so gibt Ockham auch noch ein Widerlegungs­ar­gu­­­ment, wenn die
species für uner­läss­lich ge­­hal­ten wird (ib. lin. 16–19): „Item si spe­cies po­na­tur necessario re­
qui­ri ad cognitio­nem intuitivam, si­cut cau­sa effi­ci­ens, tunc, cum illa spe­ci­es pos­sit conser­va­ri
in ab­sen­­tia obiecti, possit causare na­­­tu­raliter cog­ni­tionem intuiti­vam in ab­sentia rei, quod est
fal­sum et contra experientiam.“ Da­­­­­mit wird natu­rali­ter implizit negativ mit mechanisch gleich­
gesetzt; die omnipo­ten­tia kann nicht diese me­cha­nische und na­turale Er­­­folgung der Er­kennt­nis
meinen und nicht dort eintre­ten, wo die ex­pe­rientia angeführt wer­den kann. Die con­ser­­­va­tio
notitiae intuitivae in absentia ob­iecti muss al­so einen anderen Fall darstellen und eben­so die
mechanis­ti­sche Auslegung des Erkenntnis­vor­gangs mit seinen Fak­to­ren ausschlie­ßen. Ockham
geht von der Existenz der Ver­­standesope­ra­tio­nen und deren ab­strak­tiver Un­abhän­gig­keit aus.
Die Potenz des Ver­­standes muss nicht eigens gesichert, erklärt oder be­gründet werden. Wenn
sie erklärt wird, ge­schieht es induk­tiv, d. h. durch den prakti­schen Hinweis auf Existenz und
Gege­ben­heit. Sie wird nicht durch das ontologisch realistisch als species gefass­te universale er-
klärt oder gesichert. Zur Anfechtung der These von der ‘species’ s. auch schon Kap. 1 Anm. 69.
Der dortige Beweis, der derselben quaestio entstammt, schließt die re­probatio, die oben unver-
hohlen ge­geben wurde, gleichsam in eine persuasio ein. Dabei wird dort das Beweisen selbst
intensional angegangen und auch selbst gewissermaßen geschildert. Beide beziehen aber die
species auf ei­ne Relation (notwendig oben und perfectius dort), die in der Sachenwelt ‘gegen-
ständlich’ also nicht grundge­legt alias nicht sichtbar ist. Wir überschreiten intensional (und
eben im Beweisen) diese Gegen­stands­welt, wie es denn ja auch mit der conserva­tio der notitia
intuitiva, dem habitus, dem Omnipotenzprinzip und seiner Funktion bei der ‘Ordnung’ der
Akte oder notitiae schon geschieht, wenn die multiple Anordnungs­funk­tion der Akte eben
auch für die Abstraktion an die Kontingenz gebunden bleibt, die Gott mit seiner Macht (con-
servatio) und dann auch Allmacht disponibel häl­t. Beide sind prima facie an die nicht mecha-
nistisch gebun­de­nen absoluta der kon­kre­ten Welt der Schöpfung (lex communis) geknüpft, für
die sie die Kausalität nach dem Verhältnis von conditio (ratio) necessaria und ef­fectus sichern,
indem sie sie in Richtung auf Gottes Macht und Allmacht hypothetisch (wie immer erkennbar
ist) in eine ratio sufficiens überführen und ausweiten, so dass da­nach Kausalverhältnisse unme-
chanistisch er­klärt werden können.
108. Determinative Zusätze des Scotus verwirft Ockham gerade mit Bezug auf die Empirie
suppositionslogisch.
109. Gemeint sein muss die Realität in se.
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 111

ten­si­onal äquivalent einer Negation von ‘Folgerung(en)’ aus­gespro­chen werden. Wir


blei­ben so bei der Ab­straktion.110 Allgemein aber wird die Abstraktion durch Moda-
lität ausgedrückt, die sie in­des­sen auch er­setzt: sol­len aus der Ab­strak­tion doch Fol-
gerungen gezogen werden, müssen diese noch einmal qualifi­ziert werden. Denn das
Wissen, wenn es ‘tan­tum ab­strac­­tive’ ist, kann nicht Exi­stenz meinen und nicht den
realen Bezug enthalten. Der wird be­­­kannt­­lich für Ock­­­ham durch die notitia in­tuitiva
gesichert und ausgesprochen.111
Es zeigt sich indessen, dass das Zentrum der Erkenntnis­be­stim­­­mung bei Ockham
Sätze und Be­­­­grif­fe, Satztypen und Begriffsklassen sein müssen, nicht die Akte oder
notitiae. Sie sind im­me­diat gegen die Realität gesetzt; für sie kann die Geltung primär
verteidigt i.e. nicht bestrit­ten werden. Es zeigt sich hier, dass die no­ti­­­tiae als Ausdruck,
der die Begriffs- und Satzakte übergreifen­den Bestimmungen und Klas­si­fi­­kationen
der Erkenntnis oder der Vermögen, die da­rin inbe­grif­fen sind, aber immer auf die
Sät­ze und Be­­­­griffe bezogen werden, bloß eine syn­the­tische Funktion wahrnehmen:
indem sie in Bezug auf die Widerlegung und die Nichtbeleg­bar­keit mit den Wahr­heits­
wer­ten, die Ab­schei­­­dung der akzidentellen Bestimmungen in der For­­­mation der ra­tio
unius notitiae oder uni­us actus nach dem Begriff der forma (der sich auf Natur und
Psy­che vor­zugs­weise bezieht) die potenti­elle Verflechtung und Bewertung der Satz-
und Be­griffsakte enthalten, besagen sie nur etwas, was allein ne­gativ und hypothe-
tisch angenommen werden kann, so die Abstraktion be­trifft und sichert. Sie besagen
nicht den In­halt.112 Der ist in Begrif­fen und Sätzen verankert. Wir kön­nen in ihnen
wesentlich den Zei­chen­charakter113 unterstellen oder aber den Begriffs­cha­­rak­ter, für

110. Cf. dazu auch Kap. 4: Fides et scientia und Kap. 9: Induktion und Ontologie.
111. Hier gibt es auch den Fall, dass die sig­ni­fi­catio in/als Folge bzw. Folgerung tatsächlich
(i.e. erkennbar) nicht prä­sentiert wer­den kann, wäh­rend wir sonst nur un­terstellten, dass es
nicht gefol­gert (in­des auch nicht aus­ge­schlos­­­­sen) wer­den kön­­ne. Mo­da­lität bezeichnet Sätze
bloß in dem Sinne wie Signifi­kanz mit der Aufhebung von Folgerung zusammenfällt. Das wie­­
der macht den Charakter der Abstraktion aus, die so­mit all­gemein nach ih­rem Wesen durch
Mo­da­­lität ausge­spro­chen und gekennzeich­net wird.
112. Für den Inhalt bzw. Begriffe und Sätze wird die unmittelbare Geltung ohne eine jede
Prä­mis­se, welche dann al­­lein immer transzendentalphilosophisch zu begründen, scheinbar zu
eru­i­eren wäre, festgestellt. Ockhams in­tra­men­tale Begriffswissenschaft gelangt nicht bis zu Des­
cartes’ extrovertierter Wissenschaft. Aber auch bei Des­car­tes ist die introspektive Komponente
der Evidenzbildung unverkennbar, die er als methodische Vergewis­se­rung des Sinns von Wor-
ten usw. in der Theologie kennen gelernt hatte.
113. Betont man den Zeichencharakter, kommt man für den Sinn von Aussagen (au­ßerhalb
des Suppositionsprä­skripts) zu den in diesen gelegenen unbegründbaren Ver­bindungen. Die
muss dann die Implikation mit ihrem we­sentlich bestreitbaren (negativen Sinn) über­neh­men.
Die Fol­gerung muss in dem Sinn ‘bestehen’, dass sie nicht vollzogen (performiert, aktu­iert)
wer­den kann, i.e. nicht analytisch ist. sie muss implizit syn­thetisch sein. Das lässt Alter­na­­tiven
zu: Lehre von den notitiae und actus in ihrem reinen oder weitgehenden ad libitum. Ock­ham
hat wo er mit dem conceptus hantiert, den Fol­ge­rungs­charakter zwischen den Sät­zen ver­­ändert
112 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

den wir dann die Akte und die Abstraktion einführen und verhandeln, i.e. in ei­ne
men­talistische Theorienbildung eintre­ten. Die theologischen Inhalte können nicht
über die Zei­chenlehre und die Lehre von den Kon­­­­­sequenzen erfasst werden.114 Eher
sind hier über sie, wie man gesehen hat, Begrenzungen auszudrücken. Darin bleibt
diese Lo­gik mit Ockhams the­o­logischer Deutungspraxis jedoch not­wendigerweise
vereinbar. Sie darf und kann indes auch ge­­gen diese keine Einwände besa­gen oder
ausdrücken.115 Sie ist natür­lich nicht in der The­­­ologie ‘fundiert’. Zwi­schen der

und umge­kehrt, auch redu­ziert, etwa wenn es darum geht, den Operations­be­griff mit dem
Finis und dessen Kenntnis in da­zu eige­nen Sätzen zu verknüpfen. Auch hier ist die direk­te
empirische Erkenntnis bzw. Fundierung das Problem.
114. Die eigene Rationalität des Theologischen kann nur dadurch begründet sein und darauf
sich gründen, dass was die significatio verkörpern könnte, nämlich das Zeichen, sup­po­siti­ons­
logisch eingefasst mit Einrahmung in die consequentiae, nicht im Widerspruch dazu steht. Das
sichert sehr allgemein die Definitheit. Indem die Sup­po­sitions­lo­gik die Konsistenz ver­kör­pert,
sichert sie die Determinatheit der theologischen Inhalte, gerade in­dem sie sie nicht fun­diert
und nicht in sie eindringt. Der Zeichenbegriff darf so leer und nichtig bleiben. Er ver­kör­pert
die significatio leer, inhaltslos ja ohnehin. Die theologi­schen Inhalte, Begriffe oder Sät­ze dür-
fen daher über ihn (und d. h. sup­po­sitionslogisch) nur nicht widerlegt werden kön­nen. Die
Suppositions­lo­gik steht mit der Widerle­gung außerhalb der Rationalität der Theolo­gie. Die
Suppositions­lo­gik begrenzt sich quasi mit der Wider­le­gung, die sie in sich selbst er­fährt. Sie
verkörpert und sichert die Definitheit. Diese bleibt implizit an das Zei­chen­mo­ment gebunden.
Die Begriffswertigkeit kann als aus ihm induktiv sich erhebend gedacht werden.
115. Diese ‘Logik’ steht also den individua nahe, als die wir die Objekte (res extra animam)
fas­sen. Nach Quine, From a Logical Point of View, 1961 oder N. Goodman, The Structure of
Appearance, 1951 und Fact, Fict­ion and Forecast, 1955 denken wir so genuin nominalis­tisch. Um
1800 hat C. G. Bar­dili, zu dessen Lehre K. L. Rein­hold von der Kants ab­fiel, die Logik auf rei­n
indivi­du­el­le Momente gründen wollen. Auch Quine be­zieht sich auf die Dinge als absolute Sin-
gularitäten; er sieht sie als kontingente Gegebenheiten, die kein von den Ausdrucks­struk­­­tu­ren
ab­zu­bildendes Geflecht bilden oder enthalten. Die hier als sprachliche be­trachteten Struk­tu­­ren,
für die Quine alle Sprachtypen heranzieht (s. die Klassifikationen bei E. Sapir, Language, 1922)
geben al­so die Kontin­genz und die Singularität wieder. Dafür treten bei Ockham die von ihm
appretier­ten Argumenta­ti­onsstrukturen ein, mit de­nen quasi noch eine Auswahl der Realge-
sichtspunkte erfolgt. Dabei soll der Be­griff (universale), der die res sin­gu­laris in se ipsa nach
einem Begriff (Begriffsverhältnis) nicht be­trifft, so­fern die­ses darin beweisbar ge­­ge­be­­n zu sein
hätte, sie aber immerhin doch betrifft, sie im Sinne der Ne­gation des Be­tref­­fens der res ipsa in
se doch posi­tiv betreffen, d. h. im Sinne einer intensional negier­ten Ne­gati­on. Alle ontolo­gi­
sche All­­gemeinheit, so­fern sie in der res selbst vorhanden sein sollte, wird per reproba­ti­onem
ne­giert und aus­ge­schie­den. Damit gilt aber der Be­griff nicht etwa nicht, wie die ontologischen
Realisten es postu­lier­ten, wobei sie even­tuell das tertium non datur für sich in Anspruch neh-
men können (aber sie setzen bereits Ontologie als unum­stöß­lich wahr voraus und bewei­sen
sie sei es zusätzlich sei es einzig, indem sie deren Ablehnung wider­le­­gen), son­dern der Begriff
als universale gilt, weil die onto­lo­gische Prä­suppo­si­tion negiert werden muss und aus­­schei­det,
sofern er gilt, näm­lich gültig ge­braucht wird, und die On­to­lo­gie eben nicht gilt. Der Nomina-
lismus ver­steht sich dabei als positiv und als Lö­sung, wo Nikolaus von Autre­court ein Dilemma
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 113

empi­ri­schen Welt (nach der lex com­mu­nis) und der jensei­ti­­gen essentia divina bzw.
der jenseitigen Welt mit Gott, Engeln und be­a­ti muss weiter­hin so ar­­­­gumentativ
vermit­telt wer­den, dass, mit­tels dieser Argumenta­ti­on met­­­ho­disch geregelt, Be­grif­­fe
auch für sie ge­braucht werden kön­nen.116 Deren eher em­pi­ri­­schen Bezug drücken no­ti­
tia in­­tu­itiva und Suppositionslogik nach der Version des kontin­gen­­ten Satzes aus, den
sie (ein­zig) zu­­­­lassen und begründen helfen.117 Ihr abstrakter (abstraktiver) Charakter
oder Ge­brauch drückt sich darin aus, dass der empiri­sche Bezug, indem er nicht aus-
geschlossen ist, son­dern her­­­­angezogen wird, die negativen (mo­­­dalen) Bezeichnun-
gen des Satzes liefert. Diese besagen Nichtintention der significatio.118 Der empirische
kontingente Satz ist in Ockhams System Ba­sis aller Bedeutungsanalysen des in der
humanen Erkenntnis für denkbar = möglich Ge­hal­te­­­nen. Was nicht für den kontin­
gen­ten Satz gesagt werden kann, kann auch nicht in ihn hin­ein­­­­gelegt werden, d. h.
als Eigen­schaft intensional in ihm enthalten sein. Das gilt vorab für die on­tologischen
Anschauungen, für die er als primärer Repräsentant oder Träger von Erkenntnis in
Frage kommt.119 Die in­ten­siona­len Eigenschaften des kontingenten Satzes (und dann

gesehen hat. Der Nomi­na­­­lismus erwächst daraus, dass man Vor­stel­lungen und Erwartungen
ver­­neint, die auch Nikolaus von Autre­court noch ge­teilt hat, wo er sie für unerfüll­bar hält. Der
Nominalismus hält sie aus Argumentationsgründen für irra­tio­nal. Er be­­­trach­tet sie nicht mehr
als sach­haft. Quine geht so von der Semantik zur Prag­matik über. Sie entspricht der Ver­­­­nei­
nung von An­sich­­ten, die er für irrational = unbegründbar hält. Aber die Lösung muss da die
Negation des Negierten im­pli­zieren. Es wird das accidens der Lösung als postulierter Substanz.
Darin ist eine Verschie­bung per argu­mentum.
116. Diese Begriffe (ebenso wie sie betreffende weitere Begriffe und Maximen) können im
Sinn der Suppositions­lo­gik nach dem Suppositionspräskript in der Form von Widerlegungen
be­­handelt und bestritten werden. Das ge­schieht auch im SK. Aber es treten in dem Sinn nicht
Abstraktion und Induktion auf. Diese Induktion ist der in­ferentia aus Sätzen übergeordnet, s.
Ockham SL III – 3. cap. 31–36 OP I pp. 707–721. Zu einer qua­­­li­­ta­tiv veranschlagten ‘quantitativen’
Induktion s. als Beispiel SL I c. 38 lin. 11–32 OT I p. 106f.
117. In mehreren oben analysierten Beispielen war denn auch nur ermittelt oder erhärtet wor-
den, dass ein Satz, der der ab­strakten the­o­logischen Erkenntnis angehören müsste, nicht empi-
risch fun­diert und daher nicht einsich­tig wer­den kann.
118. Darin ist in seinem besonderen bzw. insgleichen allgemeinen ab­strak­ten (abstraktiven)
Cha­­rakter schon der Begriff bezeichnet, wenn bei der Begriffsbildung die notitia abstractiva
aus der no­ti­tia intuitiva zwangsläufig sich ergibt. Derart ist auch die ‘empirische’ Logik, wenn
neben der ab­strakten (abstraktiven) Begriffsverwen­dung heran­ge­zo­gen, mit dieser kompati­
bel.
119. Ein Ausdruck wie ‘ra­tio conceptus uni­­versali­s’ für die natura communis steht wie suppo-
sitio simplex auf ei­ner höheren Stufe als die uni­ver­­salia selbst. Die Frage nach der Legitimi­tät
des Uni­ver­­salienpro­blems wird im­pli­zit von Ockhams Ar­gu­menta­ti­­on auf dieser Stufe aufge-
griffen. Auf ihr äu­ßer­­t sich nicht Fran­ciscus Suárez (Disp. Met. D 6 s. 9 n. 7): (Nomi­na­les)
„om­ni­no ne­gant haec universalia in rebus reperi­ri. Vix au­tem cre­di­bile est opi­ni­o­nem hanc in
mente ali­cu­ius phi­lo­so­phi ve­nisse.“ Da­bei handelt es sich an der Stelle gar noch um ‘ge­nus’ und
114 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

aller an­deren Sätze) sind ne­ga­ti­ve; sie stüt­zen sich auf den realempirischen Bezug,
den sie als sol­chen in­des nicht ausdrücken und da­nach auch nicht verkörpern sollen.
Intensional bedeutet al­­lein auf das Subjekt bezogen (= pragmatisch, mentalistisch)
und eben auch modal.120 Aus dem actus apprehensivus kann nicht auf die Geltung,
i.e. die significatio alias res singularis ge­schlossen werden.121 Ein ac­tus, der aus sich

‘dif­feren­tia spe­ci­fi­ca’, hier als uni­ver­sa­lia be­zeich­net. Sie könnten nach Ockham auf Begriffe, i.e.
nach deren abstrac­tio be­­zo­gen, diese Begriffe nur in ei­ner sup­po­si­tio simplex betreffen, also in
kei­nem Sinne re­a­­ler oder em­pi­ri­scher Im­me­­di­at­heit. Ockham hat aber seiner Ablehnung des
ontologischen Realismus eine Ge­stalt gege­ben, in welcher Operatio­nen (Argumentationen als
Operatio­nen) sy­s­te­matisch dessen Unmöglichkeit ent­halten, soweit und in Identität damit dass
bestimmte Annahmen und Kon­zep­tionen nicht möglich seien; dies er­gibt sich in der Form
denkbarer Konzepte und Auslegungen logischer und ontologischer Termini, wie Unmög­lich­
keit usw. selbst. Für sie gibt es also Kontrafakturen; indes argumen­tati­ons- und beweisstruktu-
rimmanent.
120. Ausgeschlossen ist der Bezug auf den Sinn definierende Extensionen und für sie eintre-
tende fiktive ‘ontolo­gi­­sche’ Repräsentanten zwischen Subjekt und Objektwelt. Etwa mit ratio
(natura) communis und intentio intel­lec­tus bei Thomas von Aquin: „Primum est in rebus, se-
cundum est obiective in intellectu.“ Ockham bestimmt den Be­­griff im (kontingenten) Satz und
diesen ebenso wie weitere Satztypen intensional (= modal); da­mit treten die­se Sätze kraft ihrer
Bestimmung an die Stelle von widerlegten ontologischen (und erkenntnistheoretischen) Aus­­
drücken, die widerlegt werden (können), etwa dass das accidens existens in substan­tia, forma,
sub­iec­tum etc, sei, dass es ein universale in re gebe. Die Widerlegung wird intensional den ef-
fektiven Bestimmun­gen äquiva­lent, wenngleich diese nicht per tertium non datur unmittelbar
angeschlossen (= gefolgert), sondern ei­gens indu­ziert werden. Der kontingente Satz steht an
der Stelle des per Absurdität reprobierten, i.e. unangän­gi­gen ‘Sach­ver­halts’, der abstrakt ver-
möge der Ontologie nicht ausgedrückt werden kann. So besagt die reproba­tio. Der kon­tin­gente
Satz gibt ‘Wahrheit’ als in ihm modal enthaltene.
121. Das Folgern steht au­ßer­halb des (wie immer gedacht) inhaltlichen Kerns. Das be­dingt
zugleich die Kon­sis­tenz in­nerhalb Ockhams ‘System’; sie ist unabhängig von einer zu­gleich
kontinuier­li­­chen Realentspre­chung zu denken. Die argu­men­­tative Ein­zellösung, opinio oder
solutio im gleichsam tech­ni­schen Sinn, muss an ein Kon­­zept gebunden sein, wenn es generell
dem Denkver­mö­gen ver­bunden sein soll, die­ses bindend definie­ren. Es müs­sen jene Teile, die
mit dem Konzept wirklich aus­ge­arbeitet sind, stringente Ob­­ligationen formal für alles Den­ken
besagen und dann in­halt­lich bei dessen An­wen­­dung und Übertragung auf an­dere Konzepte
und The­­o­ri­en. Es werden Mit­tel in der Kooptierung der Sig­­nifikanz definit bezeichnet sein
müs­sen. Für Ockham wur­­­den Ob­­­jekt seines Denkens diese Mittel. Kenn­zei­chen ist, dass alle
denkbaren Ein­wän­de je mit der ‘Implika­ti­on’ und dann deren Negation oder Redukti­on in Rich­
tung auf die significatio zu­sam­­menfallen. Mit diesem ih­rem freien Be­zug auf die signifi­ca­tio ist
die­­ nomi­na­li­s­tische Kon­­­zep­tion (auch ge­schicht­­­lich) unvorhersehbar ge­wesen. Sie konnte auch
ke­ine ra­tionale (phi­lo­so­phi­sche) Prä­for­ma­ti­on haben, die sie hätte veranlassen kön­nen. Wir
müs­sen einen Willen Ockhams uns denken, der in sei­ner Form des Ur­tei­lens und der Struk­
tur- oder Kon­zeptbildung bei sich an­kom­mend hätte Wille sein wol­len. Der Wille will sich na-
türlich selbst. Bei Ockham ist Wille = Verstand. ‘Der Wille als der Ver­stand’: hätte in Ockhams
do­xa sein Exem­pel ge­funden.
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 115

einen Schluss auf einen anderen Akt erlaubte, wäre identisch mit der Impli­ka­ti­on des
accidens in der substantia,122 die definit nicht bewie­sen werden kann, sondern einer
re­probatio (reductio ad absurdum) anheimfällt.123
Ockham bezeichnet und begründet für die demonstratio ei­nen Schnitt ge­gen­
über der empi­ri­schen Welt und den daraus gewonnenen Begriffen. ‘Be­weis­bar­keit’

122. Entsprechend wäre der Gehalt des accidens, das accidens seinem Gehalt nach oder als
Gehalt aus der sub­stantia ableitbar (derivierbar). Das Verfahren der Folgerung von accidentia
aus der substantia war aber, in der Neu­zeit zumal, untilgbar. Spinoza praktizierte es, Chr. Wolff
sah in der Entdeckung des praedicatum im subiec­tum das Zeichen des besonderen Scharfsinns.
Hier liegt aber auch eine Brücke zu barocker Poetik und Äs­thetik: der Dichter stiftet acumine
Metaphern, also durch Beobachtung letztlich. Cf. R. Lach­mann, Rhe­torik und acu­men-Lehre als
Beschreibung poetischer Verfahren, Slav. Stud. z. VII. Int. Slavistenkongreß 1973 pp. 331–335.
123. Ockham hat ‘seine‘ mittelalterliche Aufgabe vielleicht wenig gelöst. Die theologischen
Aussagen struktu­riert er wenig (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 7 lin. 12–14): „aliquae veritates naturali­
ter notae seu cognoscibiles sunt the­o­­lo­gicales, sicut quod deus est, quod deus est sa­pi­ens, quod
deus est bonus cum (W et was besser ist) illae sunt necessa­riae ad sa­lu­­tem.“ Die Frage ist, ob sie
auch notwendig not­wen­di­ge Wahrheiten sind. Dafür gibt es An­halts­­­punkte beim er­sten Satz: er
erfüllt Ockhams Definition der Not­­wen­­dig­keit, sc. dass er, wenn er ge­dacht wird, un­mit­tel­bar
be­reits nicht mehr falsch sein könne. Es müss­te für die anderen Sätze ebenfalls gelten, in­so­­fern
sie unbe­weis­bare Prämissen sind. Wir kön­nen eben­so von Gott pro­prie (ausschließlich) zu­kom­
men­den zusam­men­­­ge­setz­ten Be­grif­fen sagen, dass wir, da wir sie ja ha­ben, ihre Le­­gi­ti­mität oder
ihr Zustan­dekommen nicht mehr diskutieren müs­sen. Daneben nennt Ockham eine Reihe von
Sät­zen (ib. lin. 14f): „aliquae (W reliquae hat mehr Logik) sunt su­pranaturaliter cognitae sicut
deus est tri­nus et incarnatus et hu­iusmo­di.“, die er an­derswo als kon­tingente klas­si­fiziert hat-
te. Ge­ne­rell sagt er (ib. p. 11 lin. 2–5): „Eadem veri­tas potest perti­ne­re ad ali­­quam sci­­­entiam
proprie dic­­­tam et ad ali­quam (W aliam ergibt mehr Sinn) scien­ti­am large dictam pro fir­ma
adhaesione, cuiusmodi est the­olo­gia pro ma­­xi­ma sua parte.“ Den genannten kon­tingenten Sät­
zen müssten wir da­­nach nur „fi­de“ ‘anhän­gen’. Sie wären nicht not­wendig und sie wären nicht
zum Heil not­wen­dig. Es müss­te wis­senschaft­li­che (ra­tiona­le) Dog­­ma­tik be­trie­ben werden, um
notwendige zum Heil notwen­di­ge Wahrheiten zu erkennen. Zu­gleich sol­l der schlichte Gläu­bi­
ge, die vetula („Holzweiblein“), auch eine Kennt­nis und Er­kenntnis von the­ol­ogi­schen Wahr­­­
heiten ha­ben kön­nen, wenn auch nicht eine so ge­naue wie der theologus. Sind pro­po­si­ti­o­nes
contin­gen­tes oder proposi­ti­­­o­nes ne­ces­sariae gemeint? Über letztere konnte Ockham Dis­­kurse
füh­­­­ren. Zugleich mag in die Diskussion die andere be­­züglich der Na­tur des Begriffs ‘in ani­ma‘
hin­einspielen. Cf. Ord. d. 3 q. 5 OT II p. 389 lin. 7–22: „Om­nis res, si cog­nos­ca­tur, vel cognosci­
tur in se /§vel cognitione propria sibi vel aequivalenti, §/ vel in ali­­quo con­cep­tu. Sed De­us non
co­g­noscitur a nobis pro statu isto: tum quia Deus non cognoscitur a nobis in parti­cula­ri et in
na­tu­­ra propria; tum quia omnis no­titia rei in se ab­strac­ti­va natu­ra­liter acqui­si­­ta praesupponit
in­­­tu­i­ti­vam./§ Ista argu­men­ta procedunt se­cun­dum opi­ni­onem quae po­nit quod con­­cep­­tus men­­­­
tis dis­­tinguitur ab in­tel­lec­­tione. Si autem po­natur conceptus men­tis seu in­­tentio animae esse
re­ali­­ter in­tel­lec­tio, tunc debet probari quod de­us non cognos­ci­tur cognitione pro­pria sibi nec
aequivalenti, et hoc … quia tunc non pos­set dubitare de­um es­se … Si autem Deus cognosca­tur
in ali­quo con­cep­tu dis­tinc­to ab intel­lectu, ergo ille con­cep­tus est primum obiec­tum illius cogni­
ti­o­nis et per consequens … erit pri­mum ob­­­­iectum pri­mi­tate ge­ne­ra­tio­nis. §/“
116 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

steht, affirma­tiv und ne­ga­tiv, gegen Ableitbarkeit, die nicht gegeben ist. Wollten wir
wie Duns Scotus Ableitbarkeit zum Tenor der demonstratio erheben, so müssten wir
determinate Größen, Begriffe und Aus­sa­gen haben, aus denen unmittelbar gefolgert
werden könnte, d. h. inten­si­o­nal anknüpfend.124 Hier hat Ockham sein anderes Ver-
fahren (inductio, persuasio, intensionale reductio ad ab­sur­­dum, die aber nur persua-
siv sein kann). Wenn Ockham bestreitet, dass innere Eigen­schaf­­ten der divina es­sen­
tia für diese bewiesen werden könnten, wobei un­se­re Be­grif­fe ja oh­ne Real­er­kenntnis
de essentia divina in se sind, führt er einen persuasiven Beweis: potest per­suaderi.
Er widerlegt also zugleich die gegenteilige Behaup­tung, indem er sich auf die ac­tus
mentales be­zieht, hin­ter die nicht zurückgegangen werden kann, zumal wir von Gott
keine Er­kenntnis in se, sondern nur die Be­grif­fe haben. Die dubita­tio kann sich nur
auf unsere cog­ni­tio in ac­­tu be­ziehen. Auch dubitabilis tritt per ac­cidens dem actus
appre­hen­­­si­vus bei und ist ex eo nicht ab­leitbar, also im Sinn der Induktion nur po-
tentiell, nicht immer gege­ben. Auch bei ei­nem pro sta­tu isto beweisbaren Satz, für
den Ockham als eine konstruktive Be­din­gung u. a. an­gibt, dass er bezwei­fel­bar sei,
soll das nicht bedeuten, dass er de facto bezweifelt wer­de(n müs­se) bzw. je be­zwei­­felt
wur­de, son­dern dass es jeman­den geben könne, der an ihm zwei­fle. Auch die notitiae
werden im Sin­ne der ratio­nes auf acciden­tia bezogen, die in Bezug auf sie be­­ste­hen
und nicht in sie eindringen; es wird gezeigt, dass sie es nicht können und/oder dass
sie kooptiert werden können.125 Ein anderer Punkt ist, dass Duns Scotus wie Spinoza

124. Es kann nicht gemeint sein, dass die Scotischen Korrekturen (Reduktionen und Emen-
dationen) ontolo­gi­scher Prin­zipien falsch oder irrational seien. Sie sind nur nicht deduktiv
verwendbar und sie dürfen nicht Deduk­ti­on übernehmen, d. h. als determinat ausgegeben wer-
den. In dem Sinne sind sie nicht begründbar. Die Begründ­bar­keit, die bei Ockham im Zentrum
steht, ist also das eigentlich Relevante. Generell lässt sich z. B. eine Not­wen­­­­dig­keits­annahme
durchaus kontingent abändern, ergänzen oder außer Kraft setzen. E.g.: Die Windstärke spie­­
gelt sich in der Stärke der Schwellung der Segel des Segelboots. Doch wenn der Spinnaker sich
bläht, lässt es nicht auf guten Wind schließen; denn der Segler setzt ihn, wenn der Wind gering
ist, um noch die­sen zu nut­zen. Oder: ‘Mündliche Rede’ scheint ein pleonastischer Ausdruck zu
sein, der aber sekundär durch die literari­sche Fik­­tion von Reden und ihre Stilisierung in der
Geschichtsschreibung (z. B. die von Thukydides überlieferte ‘Re­de des Perikles auf die Gefalle-
nen’) gerechtfertigt werden kann. Item: Was der species als integraler Be­stand­teil zu­kommt,
findet sich ausgeprägt eventuell nicht bei allen Individuen. ‘Begreifen’ („Anfassen“) mit dem
Ziel des Kennenlernens ma­ni­­fes­tiert sich eher bei den kleinen Buben als bei Mädchen. Zen-
traler Aspekt ist: Duns Sco­­­tus arbeitet noch an der in­tern­scho­las­tischen Ausrichtung auf die
christliche Ideologie hin, wo bei Ockham die bloß technische Er­ör­­te­rung nicht mehr bis dahin
gelangt. Dabei naturalisieren sich die Inhalte. Hier muss sich sein Motiv mit der ge­­­­­­schicht­li­
chen Kraft berühren, die wäh­rend der Epoche nicht abwan­delbar in der christ­­li­chen Ära mit
‘Erlö­sung durch Jesus Chris­tus’ benannt nicht plausibel geklärt wer­den kann und zum er­­sten
Ar­ti­kel des Confiteor disparat bleibt. Hier­zu muss­te die Intellektualität kom­pen­sierend sich ver­
hal­ten. Sie de­fi­­niert das Ver­ständ­­­nis Gottes secundum intellectum humanum.
125. Dass ein Satz bezweifelbar ist, bedeutet auch, dass ein ‘Beweis’, der aus einer definitio
quid nominis folgt, un­gül­­­tig sei: Ord. Prol. q. 2 OT I p. 116 lin. 14 – p. 117 lin. 10. Der aus einer
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 117

spä­­ter die causa oder causalitas als formell im Sinne einer realitas extra nos bzw. eine
Äqui­va­lenz mit einer solchen realitas extra nos implizit mitdenken oder explizit de-
monstrieren wol­len.126

definitio quid no­mi­nis sich er­ge­ben­de Satz, dessen prae­­­di­ca­tum dabei definiert würde, könnte
der definitio quid nominis zufolge nicht be­zwei­felt werden, auch nicht be­wiesen: Der Beweis
entspräche einer petitio prin­ci­pii: ib. p. 117 lin. 10–13. Ockham zit­iert Aris­to­te­les: ‘a defi­ni­tione
ad definitum est fallacia petitionis principii’. Da die definitio quid nominis sich aufs prae­dica­
tum be­zieht, nicht aufs subiectum, müsste der Beweis, wie bei Duns Scotus und Spi­no­za, auf
an­de­re prae­dicata sich beziehen und analytisch sein. Zu den Be­griffen, die für Ockham ein­­
zig Gott zu­kom­men und für Ockham so­gar inhalt­lich unmittelbar mit dem Verständnis des
Got­tesbe­griffs über­einstim­men und da­her nicht beweisbar sind, gehö­ren: esse creativum, esse
omnipo­tens, esse ae­ter­num, infi­ni­tum, im­mor­tale u. a. Sie ste­hen für Ockham in kon­tin­­genten
Aussagen. Diese können nicht aus allgemeinen und notwen­di­gen Aus­sa­gen be­wie­­sen wer­den.
Sie kom­men keinem anderen Wesen zu als Gott. Für die Beweise des Duns Scotus und Spi­­no­zas
müss­­­­­te re­­kla­miert werden, dass analytische Beweise sein dürften und wo notwendig auch gültig
sind. Sonst wäre nicht be­wie­sen worden. Wir haben so eine petitio principii. Mit Duns Scotus
und Spinoza definieren wir dann im­mer weitere Prä­­­di­ka­te, ohne je zeigen zu können, dass das
in ihnen Gemeinte existieren könne. Be­reits für den Begriff des ‘Mög­lichen’ („possibilis esse
post non esse“), von dem Duns Scotus beim Gottesbeweis im Traktat De Pri­mo Principio, III.
Kapitel, Prima conclusio (ed. Kluxen, p. 32) ausgeht, und der (ib.)zu­gleich ‘con­tingens’ (sic!)
meinen soll, fehlt der induktive Beweis (Beleg). Ockham sagt, dass der Beweis verlange, dass
das medi­um de­monstrationis eine definitio subiecti sei und nicht passionis. Das praedicatum
wird von der Sei­­te der men­ta­lia und der Sprache her passio genannt. Als Begriff ist die passio
nicht identisch mit dem sub­iec­tum als anderer Be­­griff. Dafür aber wird der Beweis eigens ge-
führt: sie müssten sonst als Begriffe identisch sein, was inhaltlich nicht der Fall ist. Die passio
als connotativum sagt etwas anderes als das subiectum als quid­di­tati­vum; sie bezieht eine Refe-
renz mit ein, bei ‘creator’ oder ‘creativus’ die creatura usw. Sie wird zur Allusion.
126. Ockham sagt (Ord. Prol q. 5 OT I p. 166 lin. 17–22): „dico quando medium est definitio
debet exprimere cau­sam et aliquid ne­ces­­sa­­rio requisitum ad hoc quod passio praedicetur de
subiecto. Sed tale est definitio subiec­ti quia exprimit par­tes sub­iecti sine quibus impossibile
esset passionem illi subiecto competere.“ Die passio kann in­haltlich nicht aus dem subiectum
folgen und nicht in diesem Sinne mit ihm zugleich gegeben sein. Gleichwohl be­wirkt das sub­
iec­tum die ‘praedicatio passionis’, nämlich im Syllogismus und vermöge seiner. Ockham eru­iert
und artikuliert parti­ku­la­re Bestimmun­gen der demonstratio a priori und propter quid usw. Sie
erstellt er. De­ren Gesamtsinn bzw. Kon­text wird und darf na­tür­­lich nicht in einem intensiona-
len Zusammenhang bestehen; denn für diesen hätten wir dann keine Met­ho­­de, der auch die
Definitheit der dabei verwandten Termini zu be­wah­ren vermöchte. Dass die par­tikularen Be­
stim­­mun­­­gen der damit einzelnen demonstrationes und Demonstra­ti­ons­arten von abgestufter
Ef­fi­zi­enz ein ge­bro­che­nes Ge­samt­bild der humanen potentia demonstrativa besagen, die nicht
mehr den Menschen de­­finiert, ver­steht sich. Gleichwohl wird dessen Kapazität unausgesetzt er-
örtert, expli­zit funk­tional per metho­dum gewonnen. Die einzelnen Demonstrationen in ihrer
Struktureigenart werden Be­weis­tei­le bei der Widerle­gung solcher Losun­gen, die den Menschen
grosso modo oder generell nach einer maxi­mier­ten geschlossenen Ka­pazität besagen kön­­­­­nen
soll­ten. Dass eben diese immer angenommen wird oder unter­stellt wer­den kann, wo wir einen
118 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ontologie bezeichnet bei Ockham keine unbedingt empirische und keine unbe-
dingt welt­li­che Auslegung und ist rein rational ent­sprechend auf die Engel anwend-
bar. Von Gott (und den ihn betreffenden Aussagen) können da nur Begriffsklassifika-
tionen gelten und wirken, vom Men­schen, insofern er ja eine empirische Gegebenheit
ist, bezüglich seines Verhältnisses zur Welt Klassifikationen, in denen die Tatbestände
(als solche seiner Existenz) erklärend je Dis­­so­zi­a­ti­o­nen und Aufhebungen (Bestrei-
tungen, Negationen) besagen.127 Nie wird die Iden­ti­­tät des all­gemeinen Tatbestandes
und der Existenz angestrebt oder ausgesagt. In dem Sinne wer­­den keine Größen ge-
schaffen, so sehr wir intensional bestimmte doch haben. Die onto­lo­gi­schen Prinzipi-
en des Aristoteles indes gelten für Ockham, sofern sie die Identität von All­gemein­heit
und Singularität der res und ihrer Existenz nicht faktisch bedeuten müs­sen/sol­len.128

Begriff oder Inbe­griff von ihr gar nicht haben, setzt Ockham repro­ba­ti­v argumentierend einer
sonst doch eher auf Er­­­mög­li­chung ausgerichteten Scholastik entgegen. Sie weiß damit aber
weni­ger vom Men­schen, kann dessen Ver­­stan­des- und Beweiselemente als partikulare nicht
bewerten und kom­bi­nie­ren. Sie zerfal­len dann auch bei Ockham wieder zu funktionaler Lo-
gik. Die Beweiselemente können da­mit nur wider­legend fungieren. An ei­nem sol­­­chen Element
selbst kann indes keine Induktion mehr ansetzen. So sagt Ock­­ham ib. (p. 174 lin. 6–9): „omnes
per demonstrationes intelligunt syllogismum facientem scire. Sed hoc non potest fie­ri ni­si per
propositi­o­nes ne­ces­­sa­ri­as etc. Et ideo demonstratur quod demonstratio est syllogis­mus ex ve­ris
etc.“ Um dann einzuschrän­ken (ib. lin. 10–24): dass eine Demonstration nicht vollkommen
und all­ge­mein­gül­tig sein kön­ne, wenn in ihr das quid nominis implizit als quid rei ausgege-
ben oder angesetzt werden müsse. Er be­ruft sich (ib. lin. 23f) auf Aris­to­teles: „impossibile est
cognoscere ‘quid est‘ nisi cognoscendo ‘si est’.“ Be­kannt­lich ver­weist die definitio rea­lis auf die
Erzeugung des Gegenstandes; es gibt also ein ‘propter quid’ wie Ock­­ham p. 176 lin. 12–2 be­tont.
Wenn wir nun einen „defectus“ kausal erklären, erhalten wir in dem Zu­sam­men­­hang noch kei­
nen vollkom­me­­nen Be­weis. Er bleibt empirisch (propositio immediata). Wieder stellt sich eine
Erläuterung Ock­hams als bloß par­­­­­­ti­kulare und fragmentierte heraus. Die definitio nominalis
erklärt lediglich den Namen. Mit der Indukti­on set­zen wir bei der Realität an, die auch dort, wo
wir die Eigenart mentaler Akte be­stim­­men, ei­nen realen Be­zugs­­punkt einbeziehen. Wo immer
wir aber auf zu minimierende Fak­to­ren in Ockhams Er­ör­te­run­gen stoßen, eben auch bei den
mentalen Strukturen, neigen wir Widerlegungen zu; in deren Namen schränken wir Behaup­tun­­­
gen ein und nehmen diesen den ver­meint­lichen Allgemein­heitscha­rakter. Die Verwen­dung des
phi­lo­so­phi­schen Ma­te­­rials dient wesentlich solcher Widerlegung (Einschränkung) und mini-
miert es ut ac­cidens.
127. Zur „differentia essentialis“ wie zur „quidditas hominis“ (Ord. d. 8 q. 4 OT III p. 223
lin. 1–5): „est de quid­di­­tate hominis ipsa materia sicut forma, et ita distingui­tur homo ab ali­
quibus per materiam sicut per for­mam.“
128. Gregor von Rimini bestritt das Prinzip ex nihilo nihil fit (G. Leff, 1961, p. 130): „All
Aris­tot­­le’s ar­­guments, says Gre­­gory, are founded upon four un­te­nable assumptions.“ Nr: „40:
That nothing can come from nothing.“ Das Prin­zip gilt bei Ockham für den Schöpfungsakt
wie innerhalb der Schöpfung. Er wahrt de­­­­­­­­­­­­ren ontolo­gisch­-lo­gi­sche Glie­de­rung noch, wenn
er seine positive Theologie bis zum ordo salutis aus­­dehnt, z. B. Gott zu­ge­steht, den actus me­ri­
torius anders festzusetzen, als er es ge­tan. Was Gott än­dern könn­te, fie­­le ins ac­ci­dens cf. Rep. II
Kapitel 2.  Suppositionslogische Identität und Kontingenz 119

Eben das ist bei Duns Scotus ja schon mit der Definition partikularer Konzepte, se­
man­­­­­­ti­­scher Vorver­ständ­nisse vor der Deduktion und dann der Deduktion selbst un-
terstellt und an­­ge­­strebt.129 Ockham ­­­ hebt in der SK die rati­o­na­­le Leis­tung über die
funktionelle Logik hin­aus; die SL als ein damit übereinstim­men­des Kom­pendi­um der
Logik ist als Ap­pen­dix hin­­sicht­lich des Be­griffs der Folgerung (inferentia, im­pli­ca­tio)
zu verstehen; er sucht den rein funktionellen Cha­rakter und hat ihn nur be­­dingt der
stra­te­gi­schen Durch­dringung wis­sen­schaftstheore­tischer und theo­lo­­gi­scher The­men
zuge­führt.130

q. 15 OT V p. 352 lin. 3 – p. 353 lin. 2. Gott würde leicht andere Gebote unter die lex com­mu­­­nis
ein­be­greifen kön­nen. Leff (ib. p. 124) zu scharf: „The un­chan­ging and un­chan­ge­able nature of
the universe (was) thrown into que­­s­­tion.“ Ab­än­der­bar ist aber ‘nur’ die akzidentelle Relation;
über das accidens selbst hat Gott keine Macht. Es stellt so ei­ne ge­minderte, nicht voll bedeu-
tende Identität in der Welt dar; wenn ihr Verhältnis in den Dingen der Welt, also mit Be­zug auf
die substantiae und subiecta wandelbar ist, sind es die Sätze in Bezug auf ihre Rele­vanz, indes
noch nicht Wahr­heit; denn sie bestehen ja fürs erste in der Welt. In einer secundum voluntatem
Dei gewandelten Welt, worin die Sünde nicht mehr Sünde wäre, würde sie nicht mehr so hei-
ßen. Jetzt ist sie Sünde nach ihr ak­zi­den­tel­ler Refe­renz: Gott will sie nicht. Wollte Gott die von
Ockham gern genannten Sünden furtum, mendacium und adul­­­teri­um bil­li­gen, indem er ihre
frei gesetzte Verwerfung (im Sittengesetz) aufhöbe, würden sie nach Ockham ande­re Namen
tragen. Sein Nominalismus ist die Theorie des nicht völlig gesicherten (fe­sten) Be­griffs (no­­
men); er ist ebensowohl und gleichwohl die Theorie der einstweilig sichernden Argumenta­ti­on.
Sie hat die Funk­­tion, die an­derswo neben Operation allgemein an ‘Satzstruktur’, Begleitbe-
wusstsein, Logik fällt.
129. Duns Scotus erklärt so bereits das Realverständnis aller seiner Konzeptionen und Inau-
gurationen, dann aber auch der theologischen Wahrheiten in ihrer unbestrittenen oder noch
nicht widerlegten logisch-deduktiven Wahr­heit. Sie freilich müsste er immer in der Form der
Ableitung geben können. Es müsste also ihre Ableitbarkeit vor­­ausgesetzt werden (können),
etwa in Einheit mit der Ontologie oder sie vertretend bzw. ersetzend. Wir wüss­ten also gar
nicht, ob wir Ontologie wollten oder Logik/Deduktion. Das müsste am Ende bedeuten, dass
wir in­ner­halb der oder für sie deduzierten, ohne sie vorausgeben zu können, also zu haben.
Wir hätten für die Ontolo­gie deduziert, ohne sie in etwa oder als etwas zu haben (besitzen).
Deduktion müsste einer petitio principii ent­spre­chen oder sie benutzen.
130. Ockham muss hier Argumentationsformeln nennen und auf ihre Einhaltung drängen,
um Fehler auszu­schlie­­­ßen, letztlich also fallaciae, die mit dem unmittelbaren Verhältnis der
Begriffe, das den Sinn der Sätze aus­macht und einzig konstituiert, wie er sie im SK behandelt,
(noch) nichts zu tun haben, vielmehr als bloß logische mit die­­­sen in Ableitungszusammenhän-
gen zu tun haben müssten, die Ockham im SK und ebenso in der SL gar nicht untersucht, doch
gleichermaßen bei seinen Problemlösungen (solutiones) benötigt. Er muss sie vielmehr ex­­­press
beiseitelassen. Zu den Formeln gehören das ‘Ökonomieprinzip’, das ‘Omnipotenzprinzip’ und
solche wie ‘non est maior ratio quod (non)’ etc., die Induktion und persuasio begleiten und er-
möglichen. Das tertium non da­tur be­grenzt bei Ockham nicht die Zahl von Thesen oder Bewei­
sen, denn sie wer­den nicht durch einen zu­grun­de­lie­gen­den Aussagensinn fest­ge­­legt, der der
120 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

einzige zu bleiben hätte und dem Prin­zip vom aus­ge­schlos­se­­nen Dritten folgen oder entsprechen
müsste, damit die Gesamtfolge al­ler Beweise de­fi­nit wäre.
kapitel 3

Zum Verhältnis der Satzformen

Ockham denkt sich die Bildung oder Entstehung der Begriffe über die notitia in-
tuitiva und die notitia abstractiva, wobei erstere den actus apprehensivus und den
actus iudicativus um­fasst, letztere bloß im actus apprehensivus ohne actus iudicativus
besteht. Dieser wiederum ent­­­hält den actus apprehensivus und den actus assentien-
di. Die notitia abstractiva, die zwangs­läufig aus der notitia intuitiva entsteht und aus
ihr erfolgt, kann „als“ eine zweite notitia ab­strac­­­tiva gewissermaßen aus dem habitus
verursacht entstehen; weil sich mit jedem actus ein ha­­­­bitus bil­det, ist dies wiederum
zwangsläufig. In dieser notitia abstractiva können comple­xa, also Sätze, angenom-
men werden, die dann unabhängig von der Genese der Begriffe und dem Zerfall der
Sätze (propositiones) in Begriffe, unterschieden und bewertet werden kön­nen. Der
Satz, der nach Ockham faktisch die Erkenntnis trägt, ist, modellhaft bloß als aus

. Da der habitus anders als ein actus empirisch nicht wahrnehmbar ist, könnte Gott (Ord.
Prol. q. 1 OT I p. 69 lin. 10f) ihn von uns unbemerkt ver­ur­sachen; erkennbar ist, dass wir mit
dem habitus be­­reits förmlich der transempi­ri­s­chen Sphä­re na­hestehen und zugleich auf ein
anhand der empi­ri­schen Welt und nur hier relevantes Wider­spruchs­­mo­ment nicht stoßen
werden. Mögli­ches Wi­derspruchsverhältnis und Welt sind formell gleich, wenn auch, was kon­
tra­dik­­torisch er­scheint, in der geschaffenen Welt keinen Platz haben kann. Was secundum le­
gem communem nicht möglich ist, aber doch widerspruchsfrei, könnte per potentiam divi­nam
absolutam ein­tre­ten; es gibt in der Welt keinen Anhaltspunkt, es – im Sinn eines all­ge­meinen
Ur­teils in der Sache – zu bestrei­ten.
. Ihn mit L. Wittgensteins, 1921 ‘Elementarsatz’ gleichzuset­zen, ver­bie­tet sich insofern als in
Ockhams Rudi­men­­tärsatz subiectum und passio über Be­stim­mun­­­gen aneinander vermittelt
werden müs­sen, wobei eine ‘Induk­ti­on’ fungiert, die den Satz und seine Bestandteile intensional
so „ermittelt“, dass man von der Realität extra men­tem aus­ge­hend, doch die Realität in se nicht
wieder erreicht: s und P können nie als zwangs­­­läu­fig aus­ein­an­der hervorgehend, i.e. folgend
und folgerbar, angesehen werden. Nie­­mals ist die pas­sio im Sinn ih­res akziden­tel­len Gehalts
inhaltlich der im subiectum genann­ten substantia gleich und gleichwertig. Suppo­si­tionslo­gi­sche
Identität setzt Ockham freilich. W. Kam­lah u. P. Lorenzen, Logische Propädeutik, 1967 de­finie­
ren mit ihrer Hil­fe den von ihnen deiktisch ge­nann­ten Satz. Ockhams Ausgangssatz ist der
kon­tin­­gen­te Satz. W. Van Orman Qui­ne, 1953, betont die Kontingenz aller Erkennt­nis­se oder
Sach­ver­halte und bezüglich der Rea­lität in se einen no­mi­nalistischen Agnostizismus. Er will
zu­­­dem andere Sprachtypen als den indoeuropäi­schen Sprachtypus für gleich erkenntnisträch­
tig hal­ten. Die Ty­pen ent­deck­ten F. v. Schle­gel, Über die Sprache und Weisheit der Indier, 1808
und W. v. Hum­boldt, 1836: flektierend, agglutinierend, holophrastisch. cf. E. Sapir, Language,
1922 und B. L. Whorf, Lan­gua­ge, Thought and Reality, 1956, dt. 1963. Hum­boldt glaubt an die
122 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

s und P be­­­­ste­hender gedacht, jedoch dann bereits differenzierbar. Dabei treten Pro­
bleme auf.
Bei der propositio per se nota stellt sich ein Problem dann so, dass die Begrif-
fe, die den Satz bilden müssen, wenn sie definitionsgemäß die Einsicht dieses durch
sich selbst ein­sichti­gen Sat­­zes ebenso intuitive wie abstractive gewährleisten sollen,
d. h. gleichsam spontan im Sin­ne des äußeren Augenscheins wie bei bloßer Kenntnis
der Begriffe, die ja de communi lege ver­mö­ge einer intuitiven (und kontingenten)
Erkenntnis generiert werden, aus einer Zwi­schen­stu­fe zwischen abstrakt und intui-
tiv, zwischen fictum (esse) und intellectio (esse), zwi­schen spe­ci­es und obiectum
extramentale nicht befreit werden können; es ist dies ein Mo­ment, an dem aber die
Induktion auch notwendig wird. Anders gesagt, die Definition der pro­po­sitio per se
no­­­­ta ist noch nicht – an sich selbst – einsehbar. So muss (auch) gefragt wer­den, ob
oder wie die Begriffe in der propositio per se nota zusam­men­hängen. Wenn ja, d. h.
wenn sie unter sich zu­sammenhängen, so ist die Beziehung we­nig­stens fiktiv eine
analyti­sche; keiner der Begriffe kann ohne den anderen sein: Infolgedes­sen würde
eine analytische oder not­­wendige Aussage in­­tuitiv und kontingent wahrgenommen
werden können oder müs­sen. Wenn ‘müssen’, dann gibt es ein Problem: die Nähe der
Notwendigkeit und der Wahrheit zur falsitas würde nicht leicht aufgehoben (negiert)
werden können; sie muss der in­tensionalen Begrün­dung die­ser Aus­sage ent­sprechen.
Ockham kann Probleme wie die­ses hier nur durch eher par­­tikulare Be­stim­mun­­gen
der Sätze, ihrer Differenzierungen ge­gen­­einander und schließlich Mo­du­­latio­nen des
Verhältnisses der Begriffe, subiectum und pas­sio, in Bezug auf den Satzty­pus lösen.

Überlegen­heit des Sprach­­ty­­pus der flektierenden Sprachen, re­flektiert dann aber des­sen Eigen­
hei­­ten prak­tisch mit­­tels im­ma­nenter Ver­­schie­­­bungen in Rich­tung auf die ande­ren Sprachtypen,
die ihm die Kat­e­­go­ri­en liefern. Die­­selbe Ten­denz dann u. a. auch bei E. Lewy, Zur Sprache des
alten Goethe, 1913. Sa­pir hält die Klas­­­sifika­ti­o­nen an­ge­sichts der wirk­­li­chen Er­schei­nungs­arten
der Sprachen für approximativ, nicht für strikt grei­fend.
. Sie müssen über induktives ‘Schließen’ behoben werden.
. Beispielsatz: „totum maius est sua par­te“.
. Ockham räumt ebenso ein, dass die species gesetzt werden könne, wenn man es denn wol­
le, was dann aber be­deutet, dass sie in seine Argumentation eingehen und in dieser aufge­hen
müs­­se, beispielsweise im Zusammen­hang mit Aristoteles, pro et contra, oder Aristo­teles mit
Einschränkungen und Kautelen legitimierend, wie Ock­ham denn auch einmal die Fiktion oder
Kon­­­­zeption der species mit Hilfe des Ökonomieprinzips de­savouiert. Da­neben hat species eine
negative immanente Beweisfunktion. Cf. Kap. 10: Beweis, Satz, Akt.
. Die Induktion, so könnte man sagen, wiederholt die Begriffsbildung: die Definition der pro­
po­sitio per se nota fasst und umfasst dann nicht qua Generalität alle ihre (einzelnen) Fälle; das
gilt analog für die propositio imme­di­­ata auch. In dem Sinne wird durch Sätze nicht Realität er­­
kannt, nicht per se oder beweistechnisch begründbar und keinesfalls abschließend erkenn­bar.
Cf. aber auch die Definition in Gestalt einer ‘Funktion’ in Anm. 7.
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 123

Zur pro­­positio per se nota sagt Duns Scotus: „dicitur communiter quod propositio
di­ci­tur per se no­ta. Non tamen omnis sed ea quae ex no­ti­tia suorum terminorum est
nota. Un­de dicunt ali­­­qui hoc magis declarantes quod ly per se no­tum non excludit
terminos propositi­o­nis, nulla enim pro­­­­po­­sitio est nota exclusa notitia ter­mi­no­rum
quia principia prima cognos­ci­mus in­quan­tum ter­­minos cognoscimus. Sed excluditur
quaecumque causa et ratio quae est ex­tra per se con­­­­cep­­­­tum terminorum propositio-
nis per se no­tae. Dicitur igitur propositio per se no­­­ta quae ex ter­­­mi­nis propriis quae
sunt aliquid eius et non per aliquid aliud quod sit extra ter­mi­nos pro­po­si­­­tio­nis habet
veritatem evidentem. Addunt tamen aliqui quod simul cum notitia ter­mi­no­rum re­qui­
ritur formatio propositionis ex illis ter­­minis.“ Das ist fast Ockhams Ansicht.

. V. Richter, Studien zum literarischen Werk von Johannes Duns Scotus, 1988, p. 47 Anm. 51+52.
Bei Ockham Ord. Prol. q. 1 OT I p. 6 lin. 15–17: „propositio per se nota est illa quae scitur evi-
denter ex notit­ia incom­plexa terminorum ipsius propositionis, sive abstractiva sive intuitiva.“
und ib. q. 2 p. 81 lin. 20–22: „propositio per se nota pra­e­­cise cog­nos­citur ex no­ti­tia terminorum:
ali­ter enim non esset per se nota. Igitur notitia propositio­nis per se no­ta non est na­ta causari ex
notitia praemissarum.“ Daher ist die propositio per se nota nicht beweisbar und nicht wiß­bar
sci­en­tia proprie dicta.“ Cf. ib. p. 82 lin. 1f. und pp. 86–87. Der Bezugspunkt ist immer der syl­lo­
gis­ti­sche Be­weis. Darin wird ein Satz, der bezweifelbar ist oder es unter be­stimmten Umständen
sein könnte, evi­dent ge­macht und bestä­tigt vermöge der notitia prae­mis­sarum. Der Syllogismus
übt die Funktion des actus iu­di­­ca­­tivus un­ter den Bedin­gun­gen der bloßen notitia abstrac­ti­va,
des actus apprehensivus aus. Der Syllogismus mit­­hin wird nicht sche­ma­tisch angewandt. Der
durch ihn evi­dent gemachte Satz muss de facto bezweifelt wor­den sein oder be­­zweifel­bar sein;
er trägt die Bestimmung ‘bezwei­fel­bar’ hypothetisch und intensio­nal in Be­zug auf Er­­­kennen­de
(= Er­kennt­nisträger, auch fiktive). In einem unbestimmten Sinn von demonstratio („lar­ge et
im­pro­­prie“) kann jeder Satz, auch eine propositio per se nota, syllogistisch bewiesen werden.
cf. ib. p. 81 lin. 10–12. Eingehend zur p. p. s. n. s. Ord. d. 3 q. 4 OT II p. 438 lin. 12 – p. 439 lin. 25.
Dazu vgl. Anm. 8.
. Die Kenntnis der termini durch notitia intuitiva und/oder notitia abstractiva macht die
De­fi­ni­tion aus, mit der die propositio per se no­ta quasi konstruiert wird. Nach Ord. d. 3 q. 4
OT II p. 438 lin. 15–19 ge­nügt eine beliebi­ge Kenntnis der ter­mi­ni, um mit der for­ma­tio pro­
positio­nis, die ebenso wie der Wil­­le sie zu bilden vorausgesetzt werden (der Wille als mittel­ba­
re Ur­sa­che, um die propositio per se no­ta zu ha­ben: „sed cum notitia terminorum requi­ri­tur
for­ma­tio pro­positionis ex illis ter­minis et ita cum (.) notitia propositionis non possit fieri ni­si
me­di­an­te vo­­luntate, ad no­ti­ti­am propositionis per se notae requiritur ipsa voluntas tam­quam
effici­ens causa saltem media­ta … (ib. p. 439 lin. 5–9) oportet quae­cum­que notitia termi­no­rum,
sive sit per­fec­ta sive im­perfecta, sive confusa si­­ve distincta – dummodo illi idem ter­­mi­ni qui
prius appre­hen­duntur et non alii, sive intuitive si­ve abstractive, sit suf­­ficiens cum for­ma­tione
pro­po­si­ti­o­nis ad cau­san­dum notitiam evidentem propositionis.“ Es genügt für die pro­po­­sitio
per se no­ta nicht die notitia in­complexa termino­rum, die wir (auch) mit der no­­­­­ti­tia intuiti­va
haben. Mit der no­ti­tia in­com­­plexa ter­mi­no­­rum und der formatio pro­po­sitionis allein hätten
wir auch die propositio immedia­ta, die rein em­pi­risch bleibt und im Vergleich mit der propo-
sitio per se no­ta von der empirischen Erkenntnis ab­hängt und auf sie beschränkt ist (ib. p. 438
lin. 19 – p. 439 lin. 1): „Non tamen uni­ver­saliter quan­do notitia incom­ple­­­xa terminorum et
formatio propositionis sufficiunt ad notitiam evidentem talis pro­­po­si­ti­onis est illa propositio
124 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

In der propositio immediata ist anders als in der propositio per se nota eine prak-
tische Sach- oder Realitätsnähe gemeint oder sogar gegeben. Es ist aber so, dass der
Schluss aus der Inten­ti­on auf die Erfüllung ausdrücklich nach Ockham selbst nicht
gegeben sein soll. Das bedeu­tet, dass in diesem Satz das Prädikat gegenüber dem Satz­
sub­­­­jekt problematisch sich darstellt. Man muss fragen, wie in oder neben dem Satzsub­
jekt jemals der Prädikatsausdruck als wirk­­lich wahrgenommen und eingesehen er-
scheinen könne. In der propositio im­me­­di­a­­­­­ta kann fak­tisch aus dem Subjekt des
Satzes in dessen Prädikat ‘übergegangen’ werden.10 Die propositio per se nota wäre (in
‘ir­gend­­ei­nem’, i.e. unbe­stimmtem Sinn) eine unwillkür­li­­che allgemeine Er­kenntnis,
die per se nicht be­strit­­­ten wer­den könnte, weil deren Verneinung immer den Wi­der­
spruch ein­schlös­se, was inten­sional gesehen sinnlos sein muss: die Aussa­ge würde
wider­sprüch­lich durch ihre Ver­­neinung.11 Das hieße, es gä­be eine ‘zweite’ analyti­sche
Aus­sa­ge, die zu­­sätz­­lich auch noch falsch sein könnte. Die Definition der propositio

per se nota.“ Die Aussonderung der Fälle, die nicht unter die De­­fi­ni­tion fallen, be­­­­kräftigt diese.
Die no­ti­tia in­com­­­­­­plexa ter­mino­rum wird ausdrücklich nicht (die) cau­­sa suf­fi­ci­ens der pro­po­si­
tio per se nota genannt (ib. p. 438 lin. 13f): „per ly ‘per se’ non ex­cluditur no­ti­tia termi­no­rum,
nec notitia termino­rum est causa suf­ficiens res­pec­tu talis notiti­ae.“ Es gibt auch in der notitia
abstractiva eine no­ti­­tia in­complexa termino­rum. Es ist infolge­des­­­­­sen die komplexe De­fi­nition
der pro­po­sitio per se no­ta, die ins Gewicht fällt. Sie wird mittels der De­­­­fi­ni­tion kon­struiert. Die
bei Ockham ebenfalls rein intramental gesehene Natur des Begriffs (universale) bleibt bei der
Er­örterung der Satzarten weitgehend, nicht gänzlich allerdings, außer Betracht. Auch für einen
anderen in­tra­men­­ta­len Fak­­­­tor, assensus, statuiert Ockham bloß induktiv für alle Satzarten die
Notwen­digkeit auf die no­titia in­complexa terminorum zurückzugreifen: Quaestiones Variae,
q. 5 OT VIII p. 170 pp. 170 lin. 291–299.
. Beispielsatz: „calor calefacit“. Nach Ockham wissen wir das (nur) durch die Erfahrung.
10. Cf. auch Anm. 69 und 71.
11. Ockham selbst sagt Ord. Prol. q. 2 OT I p. 111 lin. 10–14: „impossibile est quod aliqua sint
idem realiter, et intui­tiva vel abstractive – dis­tincte tamen – intelligantur et quod dubitetur de
identitate eorum.“ Die con­se­­­­quentia be­ginnt hier nach zwei Vor­aussetzungen bei „et quod“.
„Quia si aliqua propositio sit per se nota illa erit maxime in qua prae­dicatur idem realiter de
eodem.“ Der reale Bezug wird also mitgedacht und unterstellt und doch sind wir bloß auf
der Stufe der Begriffe (termi­ni), die als solche gefasst werden. Wir haben in der propositio
per se nota kei­­nen kontingenten Satz und keine kontingente (empirische) Erfahrung, wie von
Ockham ausführlich und mit Be­zug auf die nach die­ser Erfahrung geltende Abstraktion gezeigt
wird. (Ord. Prol. q. 2 OT I p. 86 lin. 20 – p. 87 lin. 12). Bei der pro­po­sitio per se nota ist die Ab-
straktion intern im Sinne der Abgrenzung ge­gen die Erfahrung (notitia intuitiva) nicht nötig.
Die Be­grif­fe könnten der Bestimmung der pro­­­positio per se nota nach auch durch die notitia
abstrac­ti­va gefasst sein; inso­fern sind die notiti­ae bezüglich ihrer formell ungeschieden. Für
den kontin­gen­­­ten Satz besteht eine Äquivalenz mit dem inesse der passio oder des accidens im
subiectum oder der von ihm realiter gemein­ten substantia: cf. ib. p. 83 lin. 1–4. Inesse bedeutet
inhaerentia. Cf. hier auch u. Anm. 83.
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 125

per se nota gäbe es de fac­to gar nicht. Sie wä­­­­­­re selbst per falsum defi­niert wor­­den.12 Es
kann kei­ne Erkenntnis ge­­­­ben, die auf dem fal­sum unmittelbar aufbaute.13
Wenn die propositio immediata soll gedacht werden können, so muss vorab bei­
seite gesetzt werden, dass sie analytisch sein könne und damit eine Idee enthalte oder
empfangen kön­­­ne, welche sie leitete, so dass sie ein Kriterium für sich selbst enthielte.
So steht sie an der Stel­le, wo über einen Einschub Veränderungen und neue Kon-
zeptionen der Wirklichkeit mög­lich er­scheinen. Ent­sprechend gibt es die Induktion;
denn die propositio immediata ist in ei­nem ge­wis­­­sen Sinn unerschaffen. Es ‘gibt’ sie
nicht. Sie müsste sonst auf der der Kausalität beruhen und sie ausdrücken. Dieser
unmittelbare Ausdruck der Kausalität wird bei Ockham fak­tisch, per se und beweis-
funktional, ausgeschlossen.14 Von Ockham wird das Ver­­­hält­­nis der Inhalte anstelle
des Satzes über das von substantia und accidens aus­gedrückt oder ersetzt.
Für Ockham tre­ten substantia und accidens abstrakt für die Begriffe ein, die als
In­halte dem Satz angehören oder ihn ergeben müssen. Sie betref­fen die Begriffe, sind
aber nicht mit die­sen identisch, we­der nach dem extramentalen Sachge­halt, noch

12. Ockham arbeitet damit, dass der terminus, wenn er apprehendiert wird, also ‘ge­kannt’ wird,
noch nicht er­kannt sein muss. Ebenso muss mit seiner Hilfe noch nicht erkannt wer­den. Cf.
Ord. Prol. q. 1 OT I p. 70 lin. 3–14. Folgt: er kann in Bezug auf die Realität keine Konse­quen­­zen
ha­ben. Jede Kon­zep­ti­on, die das einschlösse, wird ausge­schlossen. Das bezeich­net den No­mi­
nalismus Ockhams auch gerade auf der Stufe der mit ihm in­au­­gu­rier­­ten Ab­straktion. Hier gibt
es eine Generalisierung: Es darf keine zwangsläufige Verbindung eines ter­­minus mit ei­nem an-
deren geben, derart, dass aus der notitia von ersterem die notitia des letz­teren flösse; eben dies
ist auf das Konzept der notitiae überhaupt übertragen worden und be­stimmt deren Abstrakti-
on, bestimmt die Ab­strak­­ti­on. Cf. Kap. 1. Im Sinn der Abstraktion gibt es dann not­wen­dig die
Induktion. Es gibt, wie es sie formell einzig geben kann, die Definitheit der Begrif­fe. Es ‘gibt’
sogar noti­tiae, weil es den vor­­­genannten Fluss nicht gibt, nicht geben kann. Die no­titi­ae er­schei­
nen da­bei in einer ersten Ap­proxima­ti­on leer, eben abstrakt. Sie wer­den dann wi­der­spruchsfrei
auf jenseitsweltliche Bereiche oder Per­sonen über­tragen und ange­wandt. Hier gelten sie nicht
mehr von oder mit Begriffen, die menschlich-empirisch gewonnen wurden. Diese bestimmen
und er­mög­­lichen die pro­­positio per se nota nicht per se, eben nicht als ‘a priori’, sondern „nur“
‘cum generali influen­tia Dei’: die Erkenntnis des Begriffs und im Begriff wird von dessen Erfül­
lung in reali getrennt. Sie ist nicht con­stituens. Es fehlt die Determination des Begriffs und des
Satzes durch die ‘Implikation’ hin zur realen Erfül­lung.
13. Die Definitheit muss gefordert werden, wo das falsum als beziehungs- und bezeich­nungs­los
erscheint, das ve­rum in se aber nicht integraler Bestandteil (intensionaler Faktor) sein kann.
14. Dabei treten dann substantia und accidens als ‘Kategorien’ auf. Mittels Induktion wird be­
wie­sen, dass im Sin­ne des Verhältnisses von substantia und accidens ‘intensionale’ Bestim­mun­­
gen der Begriffe und Aussagen mög­lich sind, i.e. dass ein ‘potest persuaderi’, ein ‘non pot­­est
(sufficienter) probari’, ‘non est inconveniens quod’ oder ein ‘per potentiam divinam ab­solutam
supranaturaliter loquendo’, ein ‘non est maior ratio quod (non)’, o. ä. „bestehen“ oder be­stehen
mögen. Damit wird jeweils bewiesen, bzw. daran angeknüpft, dass eine Inte­gra­­­­­tion ei­­nes rein
indexikalischen Gehalts (quoad accidens) in einen ikonischen (quoad sub­stan­­­tiam) nicht mög-
lich sei oder: unbeweisbar.
126 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

intensional oder intra­men­tal gesehen. Sie er­mög­­­­­lichen die Argumentation und die
Stipu­la­tion derjenigen For­mel oder des Prinzips, das ei­nen realen Zusammenhang
ergibt oder nennt, nicht aber als ana­ly­ti­schen oder per indirekten Beweis ausdrückt.15
Es ist so für Ockham möglich, dass die Be­grif­fe in ih­rem Realsein (im Verstande)
gemeint sind, zugleich aber keine Realität als sol­che intendiert wird, weder die des
im Begriffsinhalt (als solchem) zu Meinenden16 noch eine et­wa­ig identis­che Re­alität
zweier Be­­­­griffe: das Verhältnis von sub­­stantia und accidens, die die Begriffe nach ih­
ren Inhalten mei­­­­­­­­­­nen, wird nicht zu dem der Be­griffe untereinander und nicht im
Sinne einer Realität extra mentem.17 Es bleibt auf die Ar­gu­­men­­tati­on bezogen, die
selbst ei­­nen ab­strakti­ven Charakter annimmt, der durch Wi­der­­le­­gung oder Indukti-
on bestimmt und ge­stützt wird. Da­mit wird auch die Realgeltung von sub­stan­tia und
accidens illusorisch.18

15. Die betreffenden Formeln oder Prinzipien sind Anm. 14 noch einmal genannt worden.
16. Das eröffnet wieder den Ausblick auf den Begriff als bloßes Zeichen. Er ist dies, wird aber
von Ockham nach seiner mentalen Natur erörtert und wechselnd bestimmt.
17. Das ist anders bei Maimon, 1990 p. 189, der ‘behauptet’, „dass die Kategorien als reine
Verstandesbe­griffe, ohne eine Be­din­gung der Anschauung“, womit er sich von Kant abhebt, „er-
klärt wer­den können und müssen, sie betreffen die Denkbarkeit der Dinge, die Wirklichkeit der-
selben und ihre Bedingungen ist ihnen bloß zufäl­lig.“ Eine sol­­­­che „Denkbarkeit“ und gar „der
Dinge“ spricht Ockham nicht an und aus; sie sind in sich nicht er­kenn­­bar und dann auch we­der
erkennbar oder nicht erkennbar nach irgendeiner Ähnlichkeit oder Vergleichbar­keit mit dem
Denken und einer Organisation in diesem. Man könnte meinen, Maimon sei hier, in­nerhalb
oder be­züglich ei­nes Agnostizismus wieder ungenau. Ockham hat die abstrahierten Be­griffe
(universalia), die res ex­tra men­tem quae est singularis, die kategoriell gebrauchten Be­­griffe wie
substantia, accidens, aber auch for­ma, ratio u. a. m. den intellectus, die actus, die notitiae, die
Argumentationen. Das ist insofern noch bemerkens­wert, als Mai­­mon selbst, anders als Kant,
von den bereits in der Wissenschaft geläufigen Operationen und Re­chen­tech­ni­ken aus­geht, sie
als per se gegeben und ohne Erklärung überzeugend annimmt und sie kategoriell ‘be­stim­men’
und al­len­falls so aristotelisierend erklären will, zum Beispiel die In­­finitesimalrechnung, aber
dann auch die ma­the­­ma­­tische Induktion, für die er den zeitgenös­si­schen Mathematiker A. G.
Kästner zitiert. Jene In­duk­tion, die spä­­­­­­ter z. B. R. Dede­kind für wesentlich hält und G. Peano
als fünftes seiner Axiome für die Arith­me­tik auf­führt.
18. Nach E. Hochstetter, 1927 pp. 139–143 hält Ockham für beide an einer realen Geltung in
se fest. Nach p. 140 interpretiert Ockham Rep. IV q. 9 OT VII p. 154 lin. 11 – p. 155 lin. 2 die
Re­la­tion von Substanz und ac­ci­dens rein kausal. Ockham sagt nur (p. 154 lin. 17): „accidens
depen­det a sub­iecto sicut a causa ex­trin­se­ca.“ Das heißt wie stets: das accidens dringt nicht als
res oder qualitas in die Sub­stanz ein. Diese Kausa­lität aber kann Gott sus­pen­dieren. Gott kann
dann qualitas und quanti­tas, als Prädi­kamente gleich, unabhängig von der sub­stan­tia ma­chen,
abstrakt und qua All­macht. Wo ist die Kausali­tät geblie­ben? „Sub­stantia includit ac­ci­dens“ ist
nach Ock­ham p. 156 lin. 6–10 ein „fal­sum“ – i.e. mehr als ein falscher Satz. Substantia und acci­
dens kön­nen da­nach kei­nen unbe­ding­ten realen Sinn haben. Dass wir die substantia nicht in
se, sondern bloß per accidens (acci­den­­tia) wahrnehmen, rettet nichts. Die göttliche Allmacht
und empiri­sche Erkenntnis ziehen gleich. Hoch­stet­ter versuch­te die Grenzziehung: Nach p. 17
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 127

Während neuzeit­li­­­­ch Empirismus und Idealismus mit den Posten der subjek-
tiven Erkenntnis­leistung (oder ihrer Voraussetzung) Kriterien und Legiti­ma­­­­­tionen
zu gewinnen suchten, nennt Ockham als Faktoren Vermö­gen (volun­tas, intellectus),
actus usw., die als solche, qua Be­grün­­­­dung in der Ar­gu­men­­­­­tation, mithin in den Be­
weisen, Teile dieser Argumentationen (pro­ba­tio und persua­sio) blei­ben. Oft sagt er:
sie genügten, an sich oder in Verbindungen, etwa als cau­sae parti­a­les. Da­­­­rin liegt
dann förmlich ein Hinweis, ebenso wie dann wenn eines der Prin­­­­zi­pien angewandt
wird, z. B. das Omnipotenzprinzip (dies explizit wenn es naturaliter lo­quen­­­­do auf die
distinc­tio realis be­zo­gen wird), das Ökonomieprinzip etc. etc., dies auch dann wenn
eine Re­levanz über die Em­pi­rie hinaus angemerkt wird.19 Die dabei anfallende Subjek­
ti­vi­tät, die auch be­nannt wird, ist dann einzig diejenige, die in der Argu­men­­ta­tion
sich ­ spie­­gelt und zu­gleich über­haupt fasst, was das Argu­men­tieren auf dem Fel­de
der Erörterungen Ock­ham sein könne, für ihn und seiner mutmaßlichen Meinung
nach sogar schlechthin.20 Es gibt ei­ne hy­­­potheti­sche Vermittlung an die significatio,
an die Geltung pro re­bus, die nach Ock­hams In­ten­ti­on jedoch offenbar schlüssig (de-
terminat) sein soll. Was von den Dingen her (a parte rei) zur Sub­jek­ti­­vi­tät ge­­­­­­­­­sagt
wer­den könnte, bleibt außer Betracht; es wird auch nicht an­genommen, dass dann
zu dem, was mental existiert, wenn es Reales meint oder wie­der­gibt, mit der Realität,
(man müsste ja wohl sa­gen, in der Form der Re­­­alität) nur noch21 etwas Zu­fäl­liges
zur Idee, zum Ge­dan­­ken, zur ‘Ge­dan­­ken­form’, zur Struk­­tur der Kategorien mit ihrer
Disjunkti­on „hinzutreten“ könne. Das ist in Ockhams Praxis des Ar­gu­­mentierens nicht

hat Ockham Notwendigkeit über die Negation ei­nes inneren Wider­spruchs an­ge­­nommen. Ist
da ein begrifflicher Wi­derspruch ge­meint, also der ana­ly­­ti­sche Satz? Die analyti­schen Ur­tei­­le
sol­­len dem göttlichen Machtbereich entzogen sein (ib.). Nach p. 18 gibt es die „Er­weiterung der
göttli­chen Macht­­sphä­re vermittelst strengerer Inter­pretation des Kon­tra­dik­tionsprinzips.“ Also
neben den ana­­­­ly­ti­schen Sät­zen, die doch Gottes Macht begrenzten?
19. Siehe hierzu besonders das Kap. 7: Formbegriff und reale Wahrheit.
20. Dies ist so zu verstehen, dass die verwandten Elemente (Bausteine), also Begriff, Satz und
Syllogismus, gar kei­­ne andere Verarbeitung zuließen als die Ockhams; das ist so zu verstehen,
dass diese Elemente als forma­le erscheinen und so inhaltsleer in einer negativen Form Folge-
rung verkörpern, die tatsächlich den Inhalt nicht hin­zu­gefügt werden kann; das bezeichnet
die Determinatheit. Ph. Boehner, 1952 p. 82 fand die Partes der Summa Lo­­gicae im Verhält-
nis zueinander disproportioniert und irrelevant; sie begründeten einander nicht. Das hätte be­
deutet: inhaltlich. Doch sie stehen in keinem Ableitungsverhältnis zueinander; sie fundieren
nicht Ableitung, die Boehner schmerzlich bei Ockham vermisst. Doch dieser verwendet nie ein
Element als Äqui­valent von Fol­ge­rung. Ableitung gibt es überhaupt nicht. Ockhams Beweisin-
teresse ist je ein begrenztes und (induktiv) ein­ge­löst nur inso­weit von Interesse für ein an­deres
als nominelle Aspekte aneinander vorbeigeführt werden, mithin nicht sich stören sollen. So
werden indukt­iv (und persuasiv) Einwände abgewehrt. cf. bes. Kap. 12.
21. Für dieses ‘noch’  könnte dann ja wohl nicht mehr argumentiert werden, nicht ableitend
und nicht induktiv. Viel­leicht verweist das auf ein Problem der Definitheit.
128 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

ent­hal­ten. Es würde auf eine quasi realitätsnahe Ableitungsform hinauslaufen, die wir
bei Ockham nicht haben.22 Die grundsätzliche Frage gilt der Sub­jek­­tivität.23
Diese Subjektivität soll nun auch, quasi abstraktiv, Erkenntnis der divi­na essen-
tia besagen (ent­­­halten), im Sinne der Definitheit ex facie divinae essentiae sprechen.
Ockham setzt da den Fall, dass die divina essentia als res selbst die Erkenntnis abzu-
geben und auszumachen hat:24 „To­tum quod dicitur de praedicatione rei in divinis
debet intelligi secundum illam opi­ni­­o­nem quae ponit quod intellectio non est sub-
iectum nec praedicatum propositionis sed ob­iec­­tum in­tellectionis, quam opinionem
reputo probabilem.“ Das wird eingeschränkt. „Secun­dum aliam opinionem, quam
etiam reputo probabilem, scilicet quod omne subiectum proposi­ti­onis in men­­­­­te est
intellectio vel aliqua qualitas inhaerens menti, debet dici quod propositio il­la quam
format intellectus de deitatate distincte non componitur ex re sed ex intellectione dis­
tinc­­­­ta dei­tatis quae non est nobis possibilis. Et secundum hoc proportionaliter dicen-
dum est de illa pro­po­sitione sicut dicitur de propositione si componatur ex re.“25 Hier
muss nämlich der Blick auf die divina essentia ebenfalls nicht verstellt sein. Das wäre
bei der Auffassung des Be­­­­­­­griffs als fictum oder obiectivum esse der Fall. Auch diese
Hypothese ist nach Ockham opi­nio pro­­ba­bilis. Für ihren Vorrang kann, wie gezeigt,
sogar von der Hypothese her, der Be­griff sei in­tel­lectio, gerade in Anbetracht der Be-
ziehung auf die divina essentia in­­duktiv argu­men­tiert wer­den. Bei der Hypothese, der
Begriff sei intellectio, lässt sich eben­falls den­ken, er erfasse ei­ne res simplex. Damit ist
aber die Zahl der Ein­schrän­­kun­gen nicht aus­­ge­schöpft: „hoc debet intelligi quando
illa res est simplex et nulla alia, propter unam opini­o­­nem quam pro­­ba­bi­­lem re­­puto.
Illud tamen hic dicitur secundum ali­am opi­nionem.“26 Die An­­­­zahl der opi­­­­niones ist
nicht durch Oppositionen (Gegensatz­paa­re) bestimmt und festge­legt.27

22. Selbst die consequentia naturalis meint eine solche Ableitungsform nicht.
23. Sie wird bei Ockham technisch behandelt. Damit wird sie weder zum Inhalt, noch ist sie
postuliert Ort der Er­kenntnis. Sie steht nicht für den Topos des Erkennens. Zuletzt wird mit
allen Argumenten nicht für sie, i.e. im Sinn einer Formation gearbeitet, die dann definit wä­re
oder zu sein hätte.
24. Wenn wir die Erkenntnis Gottes (der divina essentia) nicht als Sonderfall an­­erkennen, ha­
ben wir dort, wo wir eine empirische Erkenntnis nicht ohne weiteres mehr an­neh­men können,
überhaupt keine Erkenntnis; d. h. wir hät­­­­­ten eine Lücke bzw. einen Widerspruch, da wir die
Be­griffe und ihre Anwendung ja haben. Wo wir nicht in­du­zieren kön­nen, können wir den dies­
bezüglichen Mangel, d. h. die Gegeben­heit eines mögli­chen Wider­spruchs, nicht aufheben.
25. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 110 lin. 19 – p. 111 lin. 4.
26. Ib. p. 113 lin. 18–25.
27. Denn die Formulierungen der verschiedenen opiniones sind nicht miteinander durch ihre
Glie­derung und ih­ren Aufbau verbunden. Sie können ja im Sinne der Anders- oder Nochmög-
lichkeit qua unterstellter Negativität der anderen formuliert wer­den. Was in diesen nicht gesagt
und nicht verneint worden ist, ist neben ihnen dann fraglos möglich. So eben ‘quod aliqua
res quae est Deus praedicatur oder potest praedi­ca­ri a Deo sive deitate – si est possibile.’ Dass
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 129

Ex habitu aliquarum praemissarum soll die Bestätigung einer con­­­clusio möglich


sein. Damit ist ein actus assentiendi oder actus iudicativus vermöge des Syllogismus
möglich. Dabei fingiert Ockham weidlich das Verhältnis der Sätze28 „Ver­bi gra­­­tia ali-
quis non beatus potest du­bitare istam propositionem ‘Deus est’,“ was also hypo­­the­tisch

Ockham die Hypothese des universale als fictum esse vorgezo­gen habe, ist insofern nicht an­­
zunehmen, als er neben ihr die andere Hypothese des Begriffs als intellectio stets weiterhin zur
Diskussion stell­te, z. B. SL I c. 12 und Ord. d. 2. q. 8 OT II p. 289 lin. 12–15: „Cui non pla­cet ista
opi­­nio de talibus fictis in esse obiectivo, pot­­est tenere, quod conceptus et aliquod universale est
aliqua qua­­litas existens subiec­tive in men­te, quae ex natura sua est signum rei ex­tra.“ Dabei sah
Ockham hier noch Dif­feren­zierungsmögl­ich­kei­ten (ib. p. 291 lin. 7–15: „Verumtamen ista opi-
nio possit diversi­mo­de poni: Uno modo quod ipsa qualitas existens subiecti­ve in anima es­set
ipsamet intellectio … Aliter possit po­ni, quod ista qualitas esset ali­quid aliud ab intellectione et
pos­te­­ri­us ipsa intellectione…“ Ockham hatte den Begriff als sig­num („ex natura sua est signum
rei extra“) mit der vox (dem sprach­lichen Wortzeichen) verglichen: „sicut vox est signum ad
pla­ci­­tum instituentis.“ Das ist ein­sich­tig: ein und das­selbe wird in den verschiedenen Sprachen
mit un­ter­schiedli­chen Lauten bezeichnet: Mensch, ho­mo, anthro­pos etc. Nun fragt Ockham
(SL I c. 12 OP I p. 42 lin. 29 – p. 43 lin. 39): „Sed quid est in ani­ma (sic) id quod est tale signum
(sc. rei extra). Dicendum quod circa istum articu­lum diversae sunt opi­­ni­o­nes. Ali­qui di­cunt
quod non est nisi quoddam fic­tum per animam (wir sind also ‘in’ der anima!). Alii, quod est
quae­dam quali­tas subiective exsis­tens in ani­ma, distincta ab actu intelligendi. Alii di­cunt, quod
est ip­se actus intelligendi.“ Für sie führt Ockham das Öko­no­­­mie­prin­­zip als ­ratio an: „Et pro
istis est ratio illa, ‘quod frustra fit per plura quod pot­­est fieri per paucio­ra’. Om­nia au­tem quae
salvantur ponendo aliquid dis­tinc­tum ab ac­tu intelli­gen­di, pos­sunt salvari sine tali distinc­to,
eo quod sup­po­­nere pro alio et significare aliud ita potest com­pe­te­re actui intel­li­gendi sicut alii
signo. Igitur praeter ac­tum in­­tel­li­gendi non oportet ponere aliquid ali­ud.“ Der ac­­tus aber ist na­
türl­ich ak­­zidentell in der Seele. Auch der Begriff als subiectivum esse ist quali­tas und ac­tus der
substantia ‘in­tel­­lec­tus’ und also ac­cidens. Aber das fic­tum ist es auch. Die akzi­den­tel­le re­la­tio
in men­te (für Akte) ist auch die des Be­zugs zur Re­­­al­welt ex­tra nos; sie fällt mit den nomina an­­
und entspricht der Ab­strak­tion, die er für die rein in­tra­­men­ta­len Ver­hält­­­nis­­­se benötigt.
28. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 118 lin. 1–12. Das beruht darauf, dass zwischen den Sätzen, wie im-
mer gedacht, eine (ma­terielle) Impli­ka­­­­ti­on nicht ange­nom­­­men werden muss, wie sie denn bei
Ockham für die Verbindung der Ge­­dan­ken (und Definitionen) in de­ren intensionaler Quali-
tätsbestimmtheit kei­ne Rolle ha­ben kann; sie müssten auf der Stufe der Reflexion wie auf der
Stufe, auf die diese sich be­zog, gleich sein. Ph. Boehner, 1952 mein­te p. 82f, dass Ockham zwar
die Aus­sa­gen­lo­gik bei Beweisen zur Logik des Syllogismus ge­brau­­­che, sie aber diesem nicht
überordne, was Boehner als Ver­säum­nis sieht. J. Lukasie­wicz, 11951 p. 49 bemerkte das auch
zu Aristote­les. Auch was Ockham ver­schie­de­ner Wei­se, inhaltlich und logisch, als medi­um ex-
trinsecum benannte, bezeichnet für Ockham keinen effizienten Be­weis. In seiner Herlei­tung
bzw. Be­stimmung der syllogi­s­ti­schen demon­stra­­tio potis­si­ma kritisiert er die Annah­me, de­ren
me­di­um könne darin medium ex­trin­se­cum sein. Sei­ne Lö­sung lau­tet: medium intrinse­cum.
Aristoteles bereits will­ Ab­lei­tung und in­­di­rek­­ten Beweis qua­­li­tativ nicht auf eine Stu­fe stel­­len.
Die Wider­le­gung kann eher und viel­leicht einzig der Si­che­rung intensio­na­ler Be­stim­mun­gen
die­nen; dem dient auch die Syl­logistik. Auch sie wird reproba­tiv bei Zwi­schen­schritten der
Ar­gumentation mit er­­kenntnis­the­o­retischer Note. Hier treten syl­lo­gis­ti­sche For­men (Anord­
nungs­möglichkeiten) in Gegenstellung zu Einwänden auf ebenso wie sie ihrerseits u. U. noch
130 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

immer angenommen werden kann, aber eben auch nur hypothetisch, wenn die An­nah­
me definit bleiben können soll, „post­ea potest Deus causare notitiam intuitivam vel
ab­stractivam in illo intellectu. Isto posito, iste poterit facere syllogismum demonstra-
tivum in quo erit ista conclusio ‘Deus est’, quam primo du­bitavit, ita quod in maiori
praedicatum istius propositi­o­nis quam de facto habemus praedi­ca­bitur de ista divina
essentia in se §/ vel de cog­ni­tione dis­tincta essentiae divinae /§ et in se­cun­da ipsa di-
vina essentia in se praedicabitur de is­to subiec­to istius conclusionis, ac si argue­re­tur
sic: ‘essentia divina est’, ‘deus est essentia di­­vina’, ergo ‘Deus est’“. Ockham fügt hin­­
zu: „Verumtamen illae duae praemissae non sunt nobis pos­sibiles, sed tantum possunt
ap­pre­hendi ab intuitive vel abstractive intelli­gen­­te ipsam dei­ta­tem in se.“ Gott kann
also eine Er­kenntnis be­­wirken, die wir doch faktisch, von der empiri­schen Basis un-
seres Erkennens aus­gehend, nicht haben; das ist entweder wi­der­sprüchlich oder reine
Kompatibilität. Diese von Gott prae­ter communem legem oder potenti­am ordinatam
zu ver­ursachende Erkenntnis ist (bloß) kom­pa­­tibel mit unserem tatsächli­chen Er­­
kenntnisstand. Sie ist also möglich oder nicht ausge­schlos­­­­­sen. Das praedicatum würde
aber auch von der cog­­­ni­­tio distincta essentia divina in se prä­diziert werden können,
wenn die Er­kennt­nis der di­vi­na essentia intuitiv wäre oder gar mit der res als sub-
iectum erfolgte. In die­sem Fall frei­lich müsste auch eingesehen werden kön­nen, dass
die essentia divina ‘ist’. Das über­schrei­tet den Fall der cognitio simplex. Und den der
no­ti­tia intuitiva auch; denn sie kann ja nach der res als Erkenntnismittel anstelle des
conceptus nicht mehr einen actus iudicativus oder actus as­sen­ti­en­di beinhalten. Damit
würden wir näm­lich wieder zur notitia abstractiva ge­­­langen. Es müss­­­te, so gesehen,
wenn der Begriff der noti­tia intuitiva auch für den Fall bei­be­halten wer­den soll, dass
anstelle des menschlichen concep­tus eine res stehe, neben der noti­tia intuitiva zwangs-
läufig auch eine notitia abstractiva entste­hen können, mittels deren wir dann auch den
actus iudicativus hätten.29 Aber da­mit ist die Rei­­­­he der Fälle, die sich zuein­an­­der kom­
pa­tibel verhalten, noch nicht abge­schlos­sen, so dass gleichsam ein weiterer Fall immer
inhalt­lich von einem anderen, den wir schon kennen, Gren­zen und impedimenta, er-
halten hätte.30 Die notitia ab­strac­tiva deitatis ‘kann’ oh­ne eine vor­her­­­­ge­hende notitia
intuitiva sein:31 „Tamen Deus potest cau­sare notitiam abstracti­vam dei­ta­­tis et ali­­­arum

refutiert werden. Ockham kann grundsätzlich nicht die Aussa­gen­­logik zur Herlei­tung von
‘Qua­li­tä­ten’ in in­­ten­siona­ler Be­stim­mung (sic!) ver­wenden. Auch nicht die Syllogi­stik.
29. Es besteht also (eine) Konsistenz für den gesamten Gedankengang Ockhams, wie um­fas­­
send und lang auch immer, dann (oder dadurch), wenn (oder dass) deren Fraktionen deter­mi­
nat sind vermöge dessen, dass die Im­pli­ka­tion abgestreift, also ausgeschlossen worden ist.
30. Für einen neuen Fall treten neue Ursachen (oder Ursachenreduktionen) ins Spiel, für die
mit Formeln wie ‘non est maior ratio quod (non)’, ‘non est inconveniens’, Omnipotenz- und
Ökonomieprinzip in Form von Induktio­nen plädiert wer­den kann. Dabei bleibt die notitia
intensional gleich bei variierten reellen (empirisch kontingen­ten) Um­stän­den. Das wird bewie-
sen. Das ist Beweisziel. Cf. Kap. 12: Verflechtung und Abgrenzung der Akte.
31. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 72 lin. 9–11.
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 131

rerum sine notitia intuitiva prae­via, et ita no­titia abstractiva est com­mu­ni­cabi­lis via­to­
ri.“ Es ist also zunächst nichts davon ge­sagt, dass die­se notitia abstractiva de facto dem
vi­a­tor verur­sacht werde; es ist somit unbe­kannt, ob sie je schon von Gott unab­hän­gig
von ei­ner vor­­an­­ge­gan­genen notitia in­tu­­i­tiva verur­sacht wor­den ist. Die Ordnung der
Din­ge, in wel­­cher die no­­ti­tia abstractiva der no­­titia intuiti­va folgt, ge­­­hört der potentia
ordinata an. Pro sta­tu isto ist ­­ so eine abstraktive Er­­kenntnis von Gott mög­lich, die
des Erfahrungs­funda­ments, so­wohl in via wie in patria ent­behrt.32 Die Kon­klu­­­si­­on
ist somit: Es gibt von vorn­he­rein kei­nen Grund, für den Men­schen ei­­ne theologi­sche
Er­­kennt­nis auszuschließen, weil sie nicht auf Er­fahrung be­­ru­­hen kön­ne.33 „Dico quod
noti­tia dis­­­tincta dei­ta­tis sub propria ratione de­itatis est pos­sibilis in­­­­tellectui vi­a­to­ris.“
Gegen diese Er­­kennt­nis kann nicht gesagt wer­den, sie er­kenne nicht ihren Ge­gen­stand,
sie ist als dis­tink­te mög­­lich. Gleichwohl ist sie keine em­pi­ri­sche und keine visio be­­a­
tifica: „Ista (notitia) ta­­­men non est beatifica.“ Die visio beati­fi­ca ist eine notitia intui­
tiva. Nicht jede notitia von Gott, die da möglich ist, ist daher seligma­chend, z. B. nicht
die notitia abstracti­va, die auch in patria möglich ist: „Nec omnis no­ti­­­tia ob­iecti infi­
ni­ti beati­fi­­ci sub ra­ti­one be­atifica est beatifica, sed tan­tum intuitiva quae non est in­­
tellectui vi­atoris pos­­si­­­bi­lis.“34 Für diese hypothetische notitia abstractiva war induktiv
operiert worden.
Mit allen diesen Modi heterogener Erkenntnisse, die sich in die divina essentia
bezüglich de­ren Erkenntnis durch einen Erkennenden, der selber nicht Gott ist, ver-

32. Grundsätzlich gilt (ib. p. 48 lin. 2–5): „dico quod Deus, de potentia Dei absoluta, potest
tali duplici notitia cog­­nosci, ita quod una sit intuitiva et alia abstractiva.“ Dies ist aber ebenso
wenig ‘gewiss’ wie alles was bloß hy­pothetisch im Ver­hält­­nis der Möglichkeiten nebeneinander
besteht. „Tamen difficile est hoc probare. Potest ta­men persuaderi.“ Da­mit ist jene Beweisart
bezeichnet, die das Abstrakte und Hypothetische ohnehin näher be­zeich­net und ein­fängt. Was
hier also als bloß ‘per persuasionem „beweisbar“’ angesehen wird, ist somit zu­gleich dasjenige
oder et­was, was förmlich im Sinne einer anderen Möglichkeit oder Kompatibilität und wieder
per po­­ten­tiam di­vi­nam abso­lu­tam auch als möglich anzusehen, durchbrochen und suspendiert
wer­­­den kann.
33. Ib. p. 72 lin. 13–17 (inclusive der beiden folgenden Zitate).
34. Von notitia intuitiva und notitia abstractiva werden von Ockham einige Konsequenzen
als ihnen angehörig und damit im Sinne einer in ihnen anzutreffenden Wesenseigenschaft be­
strit­ten. Wesenseigenschaft und Konse­quenz rücken so noch einmal, wenn auch in negati­ver
Weise, aneinander. Natürlich kann von den beiden notitiae kei­ne quid­ditative Definition ge­
geben werden. Was darin proprium oder accidens wäre, betrifft bereits den Be­zug der no­ti­tiae,
der formell ein Bezug nach außen ist. Die Vielzahl der Fälle, in denen die no­titiae schein­bar
Re­fe­­renz und Charakter wechseln, folgt dem, dass sie weder quidditativ defi­niert sind noch per
Konsequenz be­stimmt noch überhaupt anders als so für sich identisch in den ver­schie­­­denen
Kau­salverhältnissen gedacht werden kön­nen. Über diese alle defi­nie­­ren und be­kräf­ti­gen sie
sich. Sie wer­den für eine Art complexum significabile ein­­­­­­­ge­bracht und wirk­sam. Die Wirksam-
keit hat ihre Reich­wei­te nach verschiedenen und unterteilbaren Kau­­sal­re­la­­ti­o­nen; die­se er­ge­
ben sie, wie sie ih­rer­seits diese wieder spiegeln und überdecken. Cf. auch Anm. 50.
132 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

schieben (wenn man will, vor sie schieben), stellen sich alle erkenntnistheoretischen
Proble­me der zunächst prak­tisch empirischen Erkenntnis secundum legem commu-
nem, d. h. so wie sie der ordo cre­a­tus oder die potentia Dei ordinata uns auferleg-
ten, noch einmal, so dass die lex communis etc. nicht definit ist. Sie ist in Bezug auf
die Gehalte nicht festgelegt, was hei­ßen muss, dass die In­­­­­duktion die Methode ist,
welche die dann bloß bedingten Meinungen ein­­­­­­zel­ner Thesen her­vorbringt, wie sie
hier vorkamen. Sie alle sind in dem Sinne dann konsis­tent, wie sie aus­ein­an­­­der nicht
ableitbar waren. Die Kompatibilität der einzelnen Fälle sprengt also von sich aus die
Ableitbarkeit. Das bedeutet nicht nur eine neue Objektivität, son­­dern daneben noch,
dass die normale Ableitung in se als mit indefiniten Bausteinen behaf­tet er­­scheint.35
Es ging Ock­ham darum, welche Wahrheiten von Gott syllogistisch be­wie­sen wer­den
können, oh­­ne dass noch ein allgemeiner Begriff (aliquod commune) vorläge, der Gott
und creaturae ge­mein­­­­­sam wä­re. „Et ideo soli tali (sc. alicui beato) sunt illae con­clu­­
si­­­o­nes in se demon­stra­bi­­les a priori quae non possunt demonstrari de Deo per ali-
quod commune tamquam per me­­di­um.“36 Das Fa­­­zit ist: dort, wo man mit Ockham
einen praktischen und empi­ri­schen Be­griff von Gott nicht ha­ben kann, der in einen
Beweis einginge und darin zu dienen hätte, hat man hy­pothe­tisch no­ti­tiae,37 welche

35. Zum beweistheoreti­schen Grundbegriff ‘definit’ s. Thoralf Sko­lem, Ei­ni­ge Bemerkungen zur
axiomati­schen Begründung der Men­genlehre, 1923, auf belie­bige Kal­kü­le bezogen P. Lo­renzen,
Einfüh­rung in die ope­ra­tive Lo­­­gik und Mathematik, 1955 u. K. Ebbinghaus, Ein for­ma­les Modell
des Aristoteles der Syllogistik, 1964 p. 14.
36. So Ord. Prol. q. 2 OT I p. 118 lin. 12–15. Der Ausdruck ‘a priori’ bezieht sich nach der aristo-
telischen Be­zeich­­nungs­weise auf die Schlussart, nicht auf erkenntnistheoretischen Erkenntnis-
wert. Die syl­lo­gis­ti­sche Kom­po­nente der Beweisführung ist bei Ockham unübersehbar, sowohl
met­hodisch (argumentativ) wie darin dass der Syllogismus Gegenstand der Erkundung und
Begründung der Standards des Erkennens ist. Der Gebrauch des Syllogismus als forma inte­gra­­lis
der Be­weisführungen, die an der Basis der Begründung von Major oder Minor der In­duk­tion
sich bedienen und am Ende oft bloß überredend sein können, insgesamt und im ein­zel­nen,
sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Beweisinhalt selbst über die Syl­logistik hinaus-
geht, wie die Be­deu­­tung von notitia intuitiva und notitia ab­stractiva und deren ‘unaus­ge­setz­
te’ Dif­ferenzierung mit immer neuen Kompa­ti­bilitätsoptionen lehrt und eben darin auch der
Ge­brauch der Prinzipien, die hier helfend eintreten, allen voran das Omnipotenzprinzip mit
sei­nen beiden Auslegungen. Dabei tritt auch der Fall auf, dass die etablierte und be­grün­­de­te,
et­wa die syllogistische Er­kennt­nisweise, dann die notitia abstractiva beispielsweise, sach­­­lich
und prak­tisch kaum gefüllt werden können. Die Erkenntnisse sind dann möglich, also rein
hy­po­thetisch nicht gänz­lich aus­geschlossen, sie werden aber kaum präsentiert werden kön­­nen.
Sie werden lediglich skizziert.
37. Mit den notitiae schafft Ockham also eine Grunddistinktion und setzt sie förmlich über
die anstelle von in­halt­lichen Qualifikationen und Entwicklungen der den notitiae verliehenen
kom­­­patiblen abstrakten Funktionen fort. Da­von ist oben eine Illustration gegeben worden. Cf.
A. Combes u. P. Vignaux. Jean de Ripa, Quaestio de gra­du supremo, 1964 p. 95: „Nous sa­vons,
notamment par l’exemple d’Occam, l’importance de la théorie des di­s­­tinc­ti­ons au XIVe siècle“,
zugleich (Anm. 223) Verweis auf DTC, art. Nominalisme, col. 742–745.
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 133

potentielle Beweise ermöglichten. Es ist also das Fak­tum sol­cher Be­weise bloß nicht
ausgeschlossen. Ockham macht eine schar­­­fe Dis­junkti­on: aliquod commu­ne (con­cep­
tus) vs. notitia im Sinne nur abstrakt verstandener ac­tus apprehensivi.38
Ockhams Beweisart an dieser Stelle besteht insgesamt in einer sukzessiv erfolgen-
den Rei­­he von Ausschließungen, mit denen an einer Stelle jeweils die Negation einer
‘Folgerung’, die der darin unterstellten Signifikanz, vorgenommen wird; so ist die Fol-
ge der Negationen sprich Ausschließungen schließlich der Induktion einer gänzlich hy-
pothetischen Annahme gleich. Die­­­­­se hat mit ihren Bezeichnungen (wie sie als notitia
oder ‘notitiae’ erfolgen) den mensch­li­chen und empirischen Be­griffs­­rahmen überstie-
gen. Hierin sollte man eine Eigenart Ockhams sehen. Sie besteht in der Argumentati-
on.39 Gott wird formell in sie einbezogen, aber weder so dass sie objektiv darin wirkt
und ihn konkret spezifiziert, etwa im Sinn der Idee ei­ner Inter­ven­­­­­tion, noch ihm eine
Majorisierung unserer Erkenntnisvermögen zuschriebe.40 Er bleibt viel­leicht doch
unerreicht, wie er es im Mittelalter im­mer war und sein konnte. Es ist mut­­maß­lich
nicht ganz der Blick Got­tes selbst; wir urteilen mit Ockham nicht de api­ce dei­tatis.
Aber wir haben unse­ren Blick so er­wei­tert, dass wir nicht bloß Begriffe benutzen,
aber auch nicht, so ganz eine Wissenschaft zwi­­schen Of­fenbarung und Er­fahrung
(= menschlichem Be­griff) hät­­­­ten. Wir haben eine argumentativ-met­ho­dische und

38. Ockham erschließt die notitia abstractiva nicht für Gott in Person. Er nimmt keine dis­
kur­­­­si­ve Erkenntnis in Gott an. Gott erkennt bloß per notitiam intuitivam. Cf. zum Vergleich
P. Vignaux, 1962 p. 269: „Il y a en Dieu, pour Francois de Mey­ron­­nes, des vé­­­ri­tés médiates: en
ce sens, tout l’élé­ment discursif n’est pas ex­clu de sa con­nais­­sance in­tuiti­ve, ni de celle des bien-
heureux: sic videtur veritas in se demonstrabilis (denn: Anm. 30: in­tu­iti­va notitia est discursiva
vel potest esse) … beati possunt dici ali­qua­liter dis­cur­­re­­re.“ Für Ockham be­dür­­fen die hö­he­­ren
Intelligenzen (Gott, Engel) des dis­cursus (scien­ti­fi­cus) nicht. Ockham be­­­schränkt seine As­pek­
te auf den Men­­schen und über­trägt sie bloß ver­­gleichs­wei­­se im so an­ge­­nom­me­nen Gehalt dann
auf Gott, En­gel, beati.
39. Deren Bewertung wird gern in einem Motiv gesucht, das in inhaltlicher Einkleidung an
Ockhams Verfah­ren heranreichen und meist, in nuce oder kompakt, seine Argumentati-
onsweise kriteriologisch signalisieren sol­len. Die Abbreviatur geht meistens nicht auf: Nach
Vignaux soll einmal eine Zwischen­schicht des mensch­li­chen Den­­kens zwischen Offen­ba­rung
und menschlich-empiri­scher Erkenntnis ge­dacht wer­den, bei welcher zu­nächst Duns Sco­tus
Ockham zu praelu­die­ren hätte. Cf. Nominalisme au XIVe siècle, 1958 p. 14f: „Entre l’in­tu­i­tion
de l’au-delà, don suprême, et la Révélation, condi­ti­on de l’adhésion de foi à des propo­si­ti­ons
com­posées de ter­mes naturelle­ment accessibles Duns Scot avait dis­cer­né la possibilité de dons
intermédia­ires. Il avait trans­po­­sé une ques­tion classique depuis l’invasion aristo­té­li­­ci­enne: „la
theologie est-elle une scien­ce?“ en cet­te autre, plus radi­ca­le: Dieu comme tel – Deus sub ratione
De­i­ta­tis – est-il un objet possible de scien­ce?“ Dann aber soll die Ein­sicht de potentia Dei
absolu­ta bedeuten (p. 96): „en les pensant sou­mises à une po­ten­­tia absoluta, il (sc. Ockham)
juge les cho­ses comme Dieu les voit.“ Vielleicht gibt es hier so etwas wie eine ‘Determinan­te’
(ib.): „ce no­mi­na­lis­­me est l’uni­vers d’un théolo­gi­en que la Ré­vé­lation a introduit au point de
vue divin.“
40. Selbst diese Idee wird von Ockham augenfällig weggelassen.
134 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

darin hypo­­the­ti­­sche Erwei­te­rung unse­rer Aspekte; so wer­den Fehlmeinungen und


fallaciae aufge­ho­ben.41 Ockham ver­bleibt im Be­reich eines menschli­chen Denkens,
sofern es den Sockel der Erkennens oder sei­ner Be­stim­mun­­­gen be­trifft, aber er muss,
wenn er diesen logisch umranden will, den Be­reich der bloß em­­pirischen Ver­wendun­
gen und Refe­ren­zen übersteigen: er muss etwa auch aufhö­ren, den Be­­­griff als Ve­hi­
kel des Er­kennens zu be­trachten.42 Bei Ockham kann der Bereich der mensch­­­li­chen
Be­grif­fe und Erkenntnisakte, die al­le dem Verstand angehören, zum Au­ßer­­mensch­­­
lichen hin er­weitert werden, ohne dass sie nicht der Verstandeszone mehr zu­zu­rechen
wären.43 Vielmehr sind sie ohne diesen Ausgriff, die­se Erweite­rung, nicht definit.44

41. Nach M. de Gandillac, Nikolaus von Cues, 1953, p. 63 Anm. 4 soll sich das von den Nomi­na­­­­
listen, der via mo­der­na ge­nannten Bewegung in der Spätscholastik ‘immer betonte’ „proba­bile“,
dem der strengste Beweis­wert fehlt, stets auch gegen jeden „protervus“ richten las­­sen, „der sich
anmaßte, einen ande­ren Status für die potentia abso­luta geltend zu machen“. Das ist sicher eine
entscheidende Einschränkung gegenüber jeder unbegrenzten und da­bei rein speku­la­tiven, im
Grund allegorischen Deutung und Indienstnahme des Omnipotenzprinzips. Es steht dem ‘po-
test persuaderi tantum’ Ockhams nahe, für das es ja direkt gebraucht wird. Es ist hierin mit der
mit potentia ordinata verflochten und nähert sich „an die an sich unerfassbare Wirklichkeit“,
wie de Gan­dil­lac sagt, bloß an. Tatsächlich versucht Ockham auch nicht, wie de Gandillac sagt
(p. 63), „auf abstraktivem Wege For­men zu er­fas­­sen, die wirklichen göttlichen Ideen entspre-
chen“. Gottes Allmacht führt Ockham dabei auch nicht ein­­mal zur Idee einer drohenden Auf-
hebung der kontingenten Weltordnung. Cf. K. H. Ta­chau, 1988, p. 269.
42. Wenn Ch. S. Peirce bestritt (1868), dass es „ei­ne intuitive Er­kennt­nis“, i.e. eine notitia intui-
tiva von einer no­titia intui­ti­va nach unver­bunde­nen sinnli­chen Ein­drüc­ken geben könne, so
handelt es sich dabei denn ver­gleichs­weise auch nur um Ockhams notitia intuiti­va sensitiva.
Das gilt auch dann, wenn man an­nimmt, dass be­reits die elementare sinn­li­che Wahrneh­mung,
wenn sie auf ein Kontinuum (Bei­spiel etwa der Vo­ge­l­­­­flug) sich richtet, nur mit­tels integra­ler
Schlussakte des Verstandes her­ge­­­stellt ‘werde, mit denen wir uns der Identität des be­ob­ach­­­­te­­ten
und wahrge­nommenen Gegen­stands (des Vogels) ver­sichern.
43. Ockhams ‘Betonung’ und Verwen­dung der notitia ab­strac­­tiva erinnert hier an nach­ide­a­
lis­ti­sche (atheisti­sche) Metaphysi­ken von Mc­Tag­gart und Brad­ley, denen Ockham ‘auch’ ent-
spricht, wenn er den über­welt­li­chen As­pekt nicht rich­tig­ge­­hend „füllt“. Cf. F. G. Bradley (ed.
J. W. Allard und G. Stock), Writings on Logic and Meta­phy­sics, 1994, J. M. E. Mc Taggart (ed.
S. V. Keeling), Philosophical Studies, 1934.
44. Für die im Syllogismus verwendete Major nimmt auch Ockham gelegentlich an, dass es
zu ihrer be­griff­li­chen Erstellung nach der Erfahrung (notitia intuitiva) vieler Akte und eben
auch Schlüs­se bedürfen könne. Diese Schlüs­­se sind damit Teil der Präparation dieser Prämis­se
(Ord. Prol. q. 2 OT I p. 87 lin. 1–12). So wird dieser Syl­­logismus im Grunde auf die Stufe empi-
rischer Erkennt­nis­se festgelegt. Er ist dann abstrakt nur bezüglich der Bildung der Be­griffe, die
kraft der noti­tiae er­folgt. Aber die notitiae sind nach Ord. Prol. q. 1 OT I pp. 74 lin. 22 – p. 75
lin. 5 noch nicht notwendig per se (= specie) distinkt vermöge der ‘notitiae complexi causatae
ab illis.’
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 135

Ockham hat von der scientia stricte als conclusio eines Syllogismus ver­standen
folgende Be­schreibung gegeben:45 „dico quod propositio scibilis scientia proprie dicta
est pro­­positio ne­cessaria, dubitabilis, nata fieri evidens per propositiones necessarias
evidentes per discursum syllogisticum applicatas ad ipsum.“ Der Syllogismus soll
nicht bloß äußerlich an­­­ge­wandt wer­den. Er ist zwingend nötig, um die Evidenz zu er-
halten.46 Die Be­schreibung ist die dritte, die Ockham gibt; nur sie hält er für vollstän-
dig.47 Wenn man nach der ‘Not­wen­­­digkeit’ der Prä­missen fragt, welche die conclusio
per syllogismum gewiss und intelligibel machen sollen, so kann sie faktisch nicht in
der Abhängigkeit der passio von dem subiectum be­­stehen, da diese in diesem weder
enthalten noch nicht enthalten sein darf. Es muss sich also um eine Eigen­schaft in der
passio handeln, die per definitionem formalem von diesem Subjekt gegeben wird, eben
distinktiv, um deren Charakter zu bestätigen, gegeben wer­den kann. Die Be­­­­­­­­­­­­stim­mung
muss so absolut inhaltlicher Natur sein. Damit werden die Sät­ze in dem Syl­lo­gis­mus,

45. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 76 lin. 13–16.


46. Begriffe wie notitia praemissarum, actus iudicativus, actus apprehensivus, habitus, proposi-
tio, scientia müssen im Verhältnis zueinander und distinkt gesehen werden. Die notitia propo-
sitionis und die propositio sind distinkt. Ockham hat nicht gesagt, dass die notitia (notitia ab-
stractiva) des Satzes ei­nen actus iu­di­ca­­ti­­vus mit ei­nem actus apprehensivus zusammennähme;
das wäre widersinnig und gegen seine Ter­­minolo­gie. Der Syl­logis­mus be­stä­tigt die con­clusio,
de­ren no­titia der notitia prae­missarum syllogis­tisch folgt. Das syl­logisti­sche Schlie­ßen kann
und muss so als fes­te Grö­ße mit­­ge­rechnet wer­den. Der habitus wird bei Ockham, als eigene
Grö­ße gedacht, in einem ei­ge­nen Kausalver­hält­nis zum actus an­genommen, darum von die­
sem getrennt. Er bezieht sich nicht auf die noti­tia pro­po­sitionis. Die notitia abstractiva (beim
Syllogismus) wird nicht notitia intuitiva; sie verlöre ihr Charakte­ri­s­­ti­kum: eine res (singularis)
getrennt von ei­nen jeden an­­de­­ren res wahr­zu­neh­men. Nicht sinnvoll ist, einen blo­ßen Bezugs-
rahmen zu zeichnen, anstelle wirklicher Größen, die der Argumentation verdankt sind; dabei
wird de­ren Distinktion qua variabler Anordnung in casus von kontingenter Kausation induktiv
geschaffen und aufgelöst. Die Induktion schafft differierende Bezüge im Sinn dann induktiver
Wirkungen der Größen, nicht deren Reali­täts­relevanzen, die sie im Zuge der Erörterungen
reprobativ eher verneint.
47. Die vollständige Bestimmung der demonstratio potissima, als Inbegriff des syl­logisti­schen
Schlusses, die Ockham gibt, lautet dann (Ord. Prol. q. 5 OT I p. 165 lin. 10ff): „dico … quod de­
mon­stra­tio potissima est illa quae est propter quid, uni­versalis utraque universalitate – univer­
sal ein­mal dem reinen Begriff nach, der nach sei­­­­­nem gan­zen In­halt, i.e. intensional, verstan­den,
zum anderen aber extensional, d. h. auf alle unter ihn ge­fass­ten Gegen­stän­de bezo­gen wird – …
et affirmativa; et ex hoc sequitur quod sit in prima figura eo ipso quod est prop­ter quid; et
quia est propter quid sequitur quod sit per cau­sam; similiter quia est affirmativa prae­ci­se se­
qui­­­tur quod est os­ten­siva.“ Zu ‘uni­versalis utraque uni­ver­salitate’ cf. Ord. Prol. q. 4 OT I p. 154
lin. 10–19. Ockham run­det ab ib. p. 166 lin. 4–6: „demonstratio potis­si­ma est ex propositionibus
simpliciter in­­­demonstrabiles, maxime a priori.“ cf. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 80 lin. 2–6: „Aristo­te­
les I Pos­teriorum) dicit ‘quod principia cognoscimus in quan­tum ter­mi­nos cognos­ci­mus’. Igitur
omnia cognos­cun­­tur cognitis terminis; igitur nullum principium est du­bitabile. Sed om­­­nis pro­
posi­tio necessaria vel est principium vel conclusio proprie scibilis.“
136 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

der die scientia proprie dicta trägt, noch einmal abstraktiv gegeben oder: abstra­hiert.
Die Prämissen sind also, wenn sie eingesehen werden, i.e. evident sind, auch notwen­
dig, und umgekehrt. Da­­­­mit sind sie abstraktiv und intensional gefasst, sonst wä­ren sie
kontin­gent. Es gibt somit ei­nen insgesamt klaren Aufbau bei Ockham.48
Die Argumente, die Ockham gibt, werden, insofern sie die Grundbedingungen
eröffnen, ih­re Konsequenzen bezüglich und vermöge der Beziehung auf die Realität
haben. Im Ge­folge da­­von darüber hin­aus nicht mehr. Das muss mit der Abstraktion
zusam­men­fal­len, da die­se (die) ‘Notwendigkeit’ mit enthalten muss, nicht unbedingt
vermöge (der) Folgerung, aber hin­sicht­lich ihrer: es darf keine Widerlegungen oder
Indefinitheit geben. Nun hat für die de­mon­­stra­tio potissima, die die Erkenntnis der
scientia proprie dicta facta evidens per syllogis­mum liefert und sichert, die bereits
erwähnte definitio formalis die entsprechende Funktion, rein im Be­reich intensio-
nal zu definierender Begriffe die Abstraktion fortzuführen, nicht an­ders als an­­­derswo
die distinctio formalis, die distinctio ratione usf. So auch:49 „Ad illam de­clara­ti­o­nem
quod de­finitio formalis est medium demonstrandi, dico quod verum est: quando
defini­tio est medi­um in demonstratione universali tunc definitio formalis subiecti est
medium. Sed ista de­finitio non includit praecise formam rei, sed dicitur formalis quia
includit principia es­sen­ti­a­li­a rei … definitio aliquando datur per principia essentialia,
vel per declarantia principia essenti­a­lia, et illa est formalis. Aliquando autem datur
per principia alicuius rei extrinseca, et illa est mate­r­ia­lis. Pri­ma definitio non potest
competere nisi substantiae compositae, et hoc strictissi­me ac­ci­pi­endo definitionem
formalem. Large tamen accipiendo potest competere alicui ha­ben­­­ti dis­tinc­tas partes
eiusdem rationis; et tali definitione definiuntur multa mathematica, si­cut trian­gu­­­­lus,

48. Man könnte meinen, dass Duns Scotus bei seinen Be­weisen des medi­um extrinsecum sich
bediene und damit den Rahmen des scholastischen Syl­logismus als obli­gat­er Beweisart spren-
ge. Un­ter­stellt man, dass Duns Scotus da­bei korrekt, unge­bro­chen und ununterbrochen der
heute mathematisch ko­difizierten Aus­sagenlogik sich be­dient ha­­be, und dass solches einmal
von ihm geschehen sei und, was beinahe mehr ist, tech­­nisch auch tat­säch­lich geschehen konnte,
dann muss man wahrscheinlich die Frage unbehan­delt las­sen, wie Ockham ‘ohne Will­kür’ und
mit wel­chem Recht Duns Scotus ‘widerlegen’ „konnte“. Wenn man denn glau­ben und nicht
vielmehr aus­schlie­­ßen will, dass er es de facto konnte. Ockham, der nach Knea­le& Knea­­­­le und
Pin­borg allenfalls ei­ni­ge aus­sa­gen­lo­­gi­sche Regeln kannte, müss­te, da er sie noch als Beweisen
cum medio extrin­se­co einstuf­te, sich selbst im Wege gestanden haben, wenn es nicht wenigstens
impli­zit die Mög­lichkeit gab, die Stüt­zung des Be­wei­­sens auf das medium extrinsecum als nicht
zwin­gend zu erweisen: Satz­wer­tig­keiten und Be­­griffs­ein­stu­fun­gen muss­ten an­ders gesehen
wer­den können. In Bezug auf sie hat Ockham an­ders er­mittelt und bewiesen. Da­neben s. bei
Sco­­tus den problematischen Gebrauch aristotelischer Prinzipi­en in seinen ‘Be­wei­­­sen’, worin
sie zu­nächst pro­to­ty­pisch em­pi­ri­­sch gedeutet, dann ab­strakt durch bloße Kau­telen zur (selekti-
ven) Allgemeingültigkeit ge­wen­det wer­den. Vielleicht werden in De Primo Principio auch noch
Satzty­pen unkontrolliert gemischt. Dann wäre auch von daher die Einheit des Beweisens und
der Zusammenhang der Prädikate noch problematisch.
49. Ord. Prol. q. 5 OT I p. 169 lin. 22 – p. 170 lin. 19. NB. die definitio formalis ‘gibt’ keine forma
rei!
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 137

quadrupulus et sic de aliis. Unde triangulus definitur quod est ‘figura tribus li­ne­­is
con­tenta’ etc. Istae lineae non sunt alterius rationis inter se. Et sic large intelligit Philo­
so­phus de­fi­­ni­ti­o­nem formalem. Aliae autem definitiones, datae per alias causas, sunt
definiti­o­nes ma­te­ri­­ales; et hoc quia – ut frequenter – dantur tales definiti­o­nes per
materiam, exten­den­­­­do mate­ri­am ad omne receptivum.“50 Es ist unschwer erkennbar,
dass damit die Definiti­o­nen, Be­schrei­bun­gen, Sätze und Erklärungen der philosophia
naturalis weidlich einbezogen sind. Da­bei ist denn auch an ein physisches Medium zu
denken, das eine Wirkung empfängt oder förm­lich an sich ‘herstellt’ oder erscheinen
lässt. In diesem Sinne aber ist an res im um­grenz­ten, de­ter­mi­naten Sinn noch nicht zu
denken. Man denkt nur an die Aussagen. „Et is­tae defi­ni­ti­o­nes – ut in pluribus – sunt
definitiones exprimentes quid nominis, non exprimentes quid rei.“ Die de­­fi­ni­tio for-
malis ist eine definitio quid rei. Nach ihr kann erkannt werden, wie die Sache wirk­­­­lich
aussieht und wie sie hergestellt werden kann. Die Unterscheidung tritt in der Neu­­
zeit bei Hob­bes und ihm folgend Leib­niz auf. Für die philosophia naturalis ist die
pro­po­si­tio im­me­­­diata zu­ständig. Die propo­si­­tio immediata ist bloß necessaria und
dubitabilis, was heißt, dass sie nicht per notitiam ab­strac­­tivam abstrakt durch den
Syllogismus vergewis­sert wer­den kann. Sie bleibt auf die notitia in­tuitiva verwiesen.51

50. In gleicher Weise Ord. Prol. q. 2 OT I p. 157 lin. 18 – p. 158 lin. 7: „patet quod est maior
ratio quod una pas­sio sit de­monstrabilis quam alia, quia aliqua passio praesupponit subiectum
suum habere partes realiter distincta sine qui­bus nullo mo­do posset sibi competere, et per di-
stinctam notitiam illa­rum partium devenitur in notitiam pas­si­o­nis de subiecto, et ideo illa est
demonstrabilis per de­fi­nitionem exprimentem illas partes tamquam per me­di­um. (Die­ses ist
dann kein medium ex­trin­secum!) Aliqua autem passio, quantum est ex se, nullam praesupponit
dis­tinc­­­­tionem parti­um quin simpliciter potest poni quacumque illarum partium circumscripta,
et ideo nihil est ex­pri­mens quaecumque intrinseca suo subiecto cui prius vel notius convenit
quam subiecto et ideo talis non est de­mon­­­strabilis.“ Diese Antwort oder solutio, so wie sie sich
gibt, ist auch bloß ‘ad hoc’. Sie muss nicht in extenso oder geballt das Pro­blem der Prädika-
tionen lösen. Sie bezieht sich auf ein Vergleichscharakteristikum und erhebt es bedingt zum
Kri­terium.
51. Ib. q. 1 p. 78 lin. 1–12. „Verbi gratia, ista propositio ‘calor est calefactivus’ est necessaria et
dubita­bi­lis, quia aliquis in­tellectus apprehenderet calorem intuitive solum per intellectum et
nun­quam videret nec sentiret calorem calefa­ce­re, puta, si nullum calefactibile esset alicui calori
intuitive cognito approximatum, ita posset dubitare an ca­lor posset producere calorem sicut
dubitat an albedo possit producere albedinem, et per consequens est propo­si­tio est dubitabilis.
Et (.) ista propositio per nullas propositiones necessarias, applicabiles ad ipsam per discur­sum
syl­logisticum, potest de non evidente fieri evidens, sed tantum fit evidens per experienti­am
sumptam ex no­ti­tia in­tuitiva, et ideo non est scibilis proprie dicta.“ Dabei wäre auch albe­do
in jedem Sinn, auch im modernen na­­tur­wis­senschaftli­chen, als relatio aufzufassen. Die al­be­do
ist in keiner Weise ‘im’ Gegenstand extra mentem. Im übri­gen aber sind notitia intuitiva und
notitia abstractiva für die propo­si­tio immediata einan­der in einem Maß na­he­gerückt, dass wir
den Schluss selbst von calor zu calefacere nicht defi­nit machen können (oder müssen).
138 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Damit ist die wissenschaft­liche Ba­sis des Denkens und Erkennens selbst­­­verständlich
sehr reduziert worden.52
Es wurde gesagt, dass die kompatibel gesetzten und entworfenen Nebenmöglich-
keiten der Er­kennt­nis, welche womöglich die Begrifflichkeit des Menschen überschrei-
ten, als abstrakter und dabei wahrscheinlich induktiv begründbare, nicht notwendig
gefüllt werden können müs­sen; dennoch bleiben sie determinat. Die ihnen beigege-
benen Folgen erscheinen dann – als förm­­­­li­che Folgerungen – negativ, in­dem sie eine
Verneinung gegenüber einem unbegrenzten Bereich von Erfüllungen besagen und
aussprechen und diesen damit eingrenzen. Dies bedeu­tet nicht, dass sie damit eine
positive Möglichkeit aussprächen. Genau in diesem Sinn werden sie induktiv oder
persuasiv begründet, i.e. bewiesen.53 Sie sind negativ gegenüber einem un­be­­­stimmten
und nicht eingrenzten Bereich von termini, die in eine bestimmte schematische Struk­­
tur wie den Syllogismus nach Ockhams Kritik nicht beliebig einrücken dürfen, wo die
Ver­fertigung von Syllogismen mit kontingenten Aussagen nicht sinnvoll er­scheint.
Die be­rühm­te humanistische und neuzeitliche Kritik (Erasmus von Rotterdam, Des­
cartes), der scho­lastische Syllogismus repetiere bloß, was man ohnehin wis­se, ent­
behrt, an dieser Stel­le wenig­stens, der Grundlage: Nicht ausreichend charakterisierte
Sätze dür­­­­­­­­­­fen bei Ockham nicht als syl­­logistisch bewahrheitende akzeptiert werden.
Dafür ein weite­res Beispiel.54 Ein Satz, bei dem aliquid intrinsecum Deo de divina
essentia bewiesen werden solle, kann nach Ockham nicht wirklich beweisbar heißen.
Von dieser nun tatsächlich begrenzten und in sich in­ten­si­o­nal55 negativen56 These (im
Text: „haec conclusio“) sagt Ockham: ‘potest per­suaderi’. Wie folgt: wenn eine unbe-
dingte Identität von s (subjectum) und P (passio) bei ei­­­nem solchen Satz bestünde,
wie es bei der propositio per se nota der Fall ist, könnte der Satz nicht bezweifelt und

52. M. de Gandillac, Nikolaus von Cues, 1953 p. 61 nennt die via moderna einen „Komplex von
Geisteshaltun­gen, de­ren eigentlich wis­sen­schaftlicher Gehalt hie und da überschätzt worden
ist, die in man­­­­cher Hin­sicht aber die Vor­­aussetzungen ei­ner methodologischen Revolution in
sich schlie­­ßen“. Er meint wohl mehr die Pariser nominales (Buridan) mit naturwis­sen­schaft­li­
chen Hypo­thes­en als Ockhams met­ho­do­logisch exakten Menta­lis­mus.
53. Damit haben sie dann oft einen modalen Charakter.
54. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 111 lin. 6–21. cf. auch noch Anm. 105.
55. Intensional bedeutet schon allein auf Inhalte und die mentale Faktur des Satzes bezogen.
Die These geht über den Inhalt des Satzes, dessen Beweisbarkeit in Rede steht, hinaus.
56. Sie erscheint, indem sie in sich (intensional) negativ ist, begrenzt oder nur von begrenzter
Reichweite zu sein. Indem sie sagt und (mit dem Beweis) besagt, was nicht ist, gibt sie natür­lich
keine genauere tatsächliche Expli­ka­tion von Aussagen, die eine wissenschaftliche theo­logische
Erkenntnisbedingung erfüllen könnten und auch nicht ob es solche theologischen Sät­­ze denn
de facto gebe. Dabei war die Struktur wissenschaftlicher Sätze, der sci­entia pro­prie dicta bereits
zuvor expliziert worden. Es wird also eine Synthesis der tatsächlich vorhan­de­­nen Sät­ze durch
diese negativen Thesen gegeben, wobei der Beweis für die Thesen induktiv oder persuasiv er-
folgt, wie auch hier.
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 139

sodann durch den syllogistischen Beweis ‘eingesehen’ und bestätigt wer­den. Es gibt
aber kei­ne engere Verbindung von s und P (identitas realis) als bei der propo­si­tio per
se nota.57 Die propositio per se nota kann aber definitionsgemäß nicht für den Syllo­gis­
mus taugen, i.e. darin ex notitia praemissarum eingesehen und bestätigt (per ac­tum
iudica­ti­vum adveniens ad ali­quem actum apprehensivum) werden. Denn für sie gilt
cog­ni­ta (sive in­tellecta) est ex noti­tia terminorum tantum – vel intuitive vel abstracti-
ve. Ebenso wird sie nicht beweisend als Prä­mis­se oder eine der beiden Prämissen im
Syllogismus ver­wend­­­bar sein.58
Für Ockhams Argumentationen gilt als Bi­lanz: jeder Satz, als in sich kom­pakte
oder deter­mi­nate Satzart, ist bestimmt äquiva­lent dem, dass in ihr und mit ihr eine
andere intensional nicht übereinstimmen könne. Das heißt: letztere, wie sie von no-
titia intuitiva und notitia ab­strac­tiva, oder auch anderen Schritt­ma­cherargumenten,
Regeln, Prinzipien usw. bestimmt wird, ent­spricht nicht nur jener ge­mein­­ten neuen
nicht, sondern sie besagt auch mit sich eine Lee­r­stel­le, ein Vakuum. An dieser Stelle
liegt eine Defizienz vor, ein Mangel an rea­lem Ge­­halt, inten­si­o­nal ausgedrückt. Keine
Satzart besagt das genuine Erreichen der res extra.59 Dieser Mangel wird somit inten­si­
onal aus­gesprochen. So kann etwa die pro­po­­sitio immediata nach ih­rer Er­kenn­barkeit
ver­mö­­ge der no­titia intuitiva und notitia ab­strac­­tiva nicht definit bestimmt wer­den.60

57. Induktion, Widerlegung und persuasio rücken indiscernibel aneinander.


58. Die Prämissen oder Prinzipien des stricte beweisenden Syllogismus werden nach Ockham
ebenfalls ex no­ti­tia terminorum eingesehen. Sie sind unhintergehbar. Das heißt: sie kön­nen ih­
rer­seits nicht, wie es nach Aristote­les in der syllogistisch verfassten Wissenschaft möglich oder
gegeben erscheint, syllogistisch bewiesen werden. Für Ockham steht daher jeder Syl­logismus
für sich; es gibt keine Kette von beweistheoretisch probaten Syllo­gis­men. Diese Ansicht
Ockhams, von A. Zimmermann, 1965 als ex­trem und sin­gu­lär ausgegeben, kann für Ock­ham
und mit ihm begründet, gleichsam bewiesen oder wenigstens ex­pli­ziert wer­den. Denn: Die
‘Ord­nung’ der Be­grif­­­­fe (der Prädikate) ist nicht bruchlos. Sie lässt bedingt Beweisketten zu,
Doppelheit der Beweise je nach Dis­ziplin, Transponierbarkeit von der einen zur anderen, plu-
ralitas von Beweismöglichkeiten für ein und diesel­be con­clu­sio. (Letzteres könnte Indefinitheit
bedeuten.) Auch hier gibt es mithin Kontingenz, diverse ca­sus, und da­­mit in­stan­tiae gegen
rigorose Verallgemeinerungen.
59. Ockham sagt eindeutig (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 38 lin. 5f): „ideo dico quod notitia intuitiva
et abstractiva se­ipsis differunt et non penes obiecta et non penes causas suas quascumque“. Es
gibt also beliebige Ursachen nicht, die in ihre Bestimmungen derart ein­gehen könnte, dass die
notitiae davon oder darin in­ten­sional betroffen wären. Natürlich gibt es die damit kon­tin­gent
auftretenden Verweise noch, auch auf die realia extra animam, also den Ef­­fekt der notitiae be-
treffend und sie damit auch un­­­terscheidend. Weder die obiecta extra animam noch die cau­­sae
partiales der notitiae kom­men hier in Betracht (ib. p. 34 lin. 6): „Nec … differunt ‘per rationes
motivas for­ma­­­les’.“ Ob­iec­ta und cau­sae werden also überge­ord­­net durch ‘ratio’ oder ra­ti­o­nes zu
bezeichnen sein.
60. Es ist erkennbar, dass notitia intuitiva und notitia abstractiva hier, wo die Definitheit erman­
gelt, untereinander nicht mehr eine Differenzierung besagen können wie dort, wo die forma
140 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Sie dient dann bei der Bestimmung der scientia = con­clu­sio in der genuinen syllo­gi­s­
tischen Demon­stra­ti­on, der de­mon­stratio potissi­ma, als Ne­­ga­tiv­form, die eben auch
die Impli­ka­tion be­deu­­tet, die von der de­monstratio potis­si­ma bzw. de­ren scientia seu
conclusio aus, nicht er­reicht werden kann. Sie ist Repräsentation jenes Ak­zi­den­tellen,
das in die forma der determi­na­ten Bestimmung oder Er­scheinung des Sat­­zes nicht
mehr eingeht. Sie steht so als Ne­­ga­tiv­form der Wi­der­le­gung (Bezeichnung von Nicht­­
er­fül­lung) und der Induktion na­he. Die Sätze als solche be­stim­men sich als Ap­pro­xi­
ma­ti­on an die in se nicht de facto erreichte em­pi­ri­sche Realität danach, mit einer dar-
aus her­vor­gehen­den Mo­­di­fi­kation (Negation) der Im­plika­ti­on, und zwar gegenüber
dem verglichenen Satztypus, wie an sich, wenn diese beigezo­gene und für untauglich
befundene hetero­ge­­ne Satzart problematisiert werden kann. Die selt­sa­­­me Form der
Ge­samtdarlegung gehört Ockhams in sich ge­bro­che­ner Weise des Argu­men­­­tie­­­rens
ali­­as Kon­­struierens an. Dessen Struktur trägt den Inhalt vollständig.61
Hier sind auch die verschiedenen Disziplinen theoretisch einbegriffen. Ockham
bezieht ge­o­me­trische Sätze oder Sachverhalte in seine demonstratio potissima nach
deren endgültiger und schließlich erreichter De­finition ein. Die­se wird in Etappen
nach der geschilderten Argu­men­ta­­­tionsart gewonnen: das je­weils Auszuschließen-
de wird intensional durch ei­nen Satz­ty­pus ver­­körpert, der die die ge­such­­te Bestim-
mung nicht tragen kann. Der muss darin den Wi­der­­spruch verkörpern. Es gibt da den
Satztypus der propositio immediata mit impliziter relatio, die praktisch und sachlich
nicht – empirisch – ge­füllt werden kann.62

ei­ner Erscheinung als kompatible entfal­tet werden konnte. Da trat nämlich der Fall ein, dass
ei­ne bestehende kausale Brücke gesprengt, aufgehoben, ne­giert werden konnte. Die Geltungs­
funk­­­tion der beiden notitiae nimmt sich also anders im Bereich der forma als in dem des acci­
dens aus. Sie können die Determinatheit fundieren und die Signifikanz einklammern und förm­­
lich negieren.
61. Ockham merkt gelegentlich an, er halte die dort genannten Thesen des Duns Scotus für
richtig, nicht aber die dafür gegebenen Gründe; deshalb wolle er die besseren Argu­men­te lie­
fern. Das muss bedeuten, dass er die The­­­sen selbst als Prinzipien ver­ste­hen und ins Licht set­zen
möchte, und damit sowohl deren Abstraktion und wie die Syn­thesis ihrer Ele­men­te nach­lie­fern
werde. Sie hätten bisher nur falsche Folgen gehabt, über die sie zu be­strei­­­ten wä­ren. Es ergibt
sich damit auch die Bestärkung des intensionalen gegenüber dem extensionalen Aspekt.
62. Implikation und sachlicher Kern entfallen hier gemeinsam. Das ist heute in der Quanten-
theorie genauso: die sig­nificatio, das ‘Ding’ oder gar Ding an sich und eine reduktive Bewer­tung
der Im­­­pli­kation rüc­­ken negativ zu­sammen. Ockham kann also auch a posteriori nicht verpflich­
tet sein, zwi­schen Theologie oder Of­­fen­barung und Empirie oder rationalem Welt­ver­­hal­­ten
und natür­li­cher Weis­­heitslehre eine Wahl zu treffen oder die Vermittlung zu suchen. Oder nach
neuzeitli­chem Ver­gleichszwang zwi­schen den Al­ter­nativen von Ide­a­lismus (oder Aprioris­mus)
und Empirismus (auch Skep­ti­zis­mus). Hier kann niemand verpflichtet sein. H. Freudenthal,
Dialectica 12,1 1958, p. 7–32 meint p. 8, „dass die ma­the­ma­ti­sche Geome­trie weder der Er­fahrung
als Ideal vorangeht noch aus der Er­fahrung induktiv entspringt, son­dern dass sie die Erfahrung
idealisiert.“ Und ebd. p. 10: „Wenn es jemals ge­­lin­gen sollte, Anwendungen der Ma­the­matik
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 141

Ockham hat die propositio proprie scibilis, die in ihrer Unterscheidung gegen
die pro­po­­sitio im­­mediata, für die die reale Ausschöpfbarkeit der Relation, die mit
dem Prädikat ange­spro­chen ist, nicht gilt, und die propositio per se nota, von ihm
angesetzt, verteidigt und be­grün­­­det wurde, indes auch noch rein intensional in sich
bestimmt. „Non est intelligendum quod neces­se sit propositionem proprie scibilem
esse primo dubiam vel apparere falsam cui­cumque ad­dis­­centi eam, sed possibile est
quod sit dubitabilis ab addiscenti vel quod possit ab aliquo du­bi­ta­ri vel apparere fal­
sa.“63 Ockham gibt an anderer Stelle64 diese Erörterung mit Bezug auf die ‘Bestim-
mung’ / Bestimmtheit (‘ratio’) der propositio proprie scibilis: „dico quod de ra­ti­­­one
propositionis scibilis est quod eius notitia possit causari ex notitia principiorum, et ita
quod ha­beat rationem dubitabilis. … illo modo quo est scibilis, est dubitabilis. Quia si
ideo di­­ca­­­tur scibilis ‘quia si non suf­ficeret notitia terminorum tunc posset causari eius
notitia ex prae­­­­mis­sis’, ita dicetur dubita­bi­lis ‘quia si notitia terminorum non sufficeret,
possit dubitari de ea’, pu­ta: si propositio illa ap­pre­henderetur sine propositionibus ex
quibus deberet sciri.“ Auch hier ist das Faktum des Zwei­­fels in die formelle (hypothe-
tische) Unterstellung der Mög­­lich­­­keit, die damit mit ei­ner Negation oder Negativität
behaftet ist, wieder festzustellen.65

logisch zu bearbei­ten, wird man noch in viel höherem Maße in ma­­the­matischen Axiomen-
systemen un­de­finierte Grund­begriffe zulassen müssen, die voneinander logisch nicht un­ab­
hängig sind.“ Grundbegriffe sind bei Ockham über Induktionen kontinuierlich voneinander
abhängig.
63. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 77 lin. 11–14. Der Aspekt Ockhams ist insofern an die Induktion an-
gelehnt, dass er auf empiri­sche Erfüllung (in mente oder extra mentem) nicht setzt, vielmehr
auf eine in sich negative Bestim­mung.
64. Ib. p. 82 lin. 18–26.
65. Vergleichbar damit ist die folgende Stelle, mit Bezug auf die Theologie (Ord. d. 3 q. 4 OT II
p. 441 lin. 1–19): „per alteram ista­rum propo­si­ti­o­num est illa propositio quam nos habe­mus de
facto demonstra­bilis, praedicando in pri­ma pro­po­si­ti­one illud praedicatum quod nos habemus
de ipsa essentia divina in se; secundo, praedi­can­do de illo sub­iecto quod nos ha­be­mus ipsam
divi­nam es­­sentiam in se, et ex his propositio­ni­bus con­­cludendo praedica­tum quod non habe-
mus de subiecto quod nos habemus. Et si quae­ra­tur: cui est ista propositio demonstrabilis, di­co
quod est demonstrabilis vel ipsi videnti es­sen­­ti­am divinam in se vel cog­noscenti ab­strac­tive
ipsam divinam es­­sen­tiam in se. Et si dicatur quod talis propo­si­tio non est sibi du­bitabilis, dico
quod talis manens talis non pos­­set illam pro­­positionem dubita­re, tamen est de­mon­strabilis,
quia ad hoc quod aliqua propositio sit de­monstrabilis, suf­ficit quod pos­­sit dubitari a quocum-
que, et pos­tea per syl­logismum accipien­tem propositiones neces­sarias pos­sit fieri nota. Et ita
est in propo­si­to, quia ali­quis potest istam propositionem du­­bitare; et si postea si vi­deat divi­nam
essentiam potest eandem for­ma­re quam pri­­us, et vir­­tute notitiae praemissarum eam evidenter
cog­nos­cere.“ Wie man sieht, spielt hier der an­dere Fall hin­ein, dass wir im Bereich über-
natürlicher Erkenntnisse, fiktive und per­­­sua­­siv auf die notitia abstractiva über­spielbare
Einsichten haben könnten, die wir noch nicht haben.
142 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham erörtert aber auch noch, dass die Verbindung der Begriffe (conceptus),
wie sie im Satz in subiectum und passio zerfallen, keine per se reale Bedeutung be-
inhalten oder implizie­ren muss, die dem Inhalt der Begriffe zu entsprechen hätte.66
„Patet enim quod non est dicen­dum quod eadem res sub uno conceptu est subiectum
et sub alio conceptu est passio, quia ipsa res nec sub uno conceptu nec sub alio est pas-
sio, sed ipse conceptus est passio.“ Wir sind also bloß auf der Ebene der actus mentalis
und haben es hier mit einem Prädikat (passio) zu tun.67
Ockham kennt wie viele Philosophen die Unterscheidung von ‘notwendigen Sät-
zen’ und ‘kon­­­­­­tingenten Sätzen’. Er untersucht diese Unterscheidung und will sie durch
Definitionen si­chern, deren Einhal­tung dann zu ‘Entscheidungen’ über den Status
und Charakter von be­stimm­­­­­­­ten Aussagen und Aussageinhalten zu führen hat und
damit über den Erkenntniswert und den Wahrheitswert be­finden lässt. Dabei kann
grundsätzlich festgestellt werden: soll die so­­genannte analytische Performanz der Er-
kenntnis (oder der Sätze), welche als notwendige be­­stimmt sein sollen, darin aber
ein besonderes oder ausgesuchtes Verhältnis der dabei ver­wand­ten Begriff, nicht an-
genommen werden, d. i. für nicht bestehend erklärt werden, dann muss die Bestim-
mung derjenigen Sätze, welche nun die notwendigen zu heißen hätten, wenn sie denn
noch einen Realbezug (förmlich ‘unmittelbar’) „ausdrückt“, dadurch dass sie dies in­
ten­sional (also über die Begriffe und damit Begriffsarten) tut, damit aber nur die Sätze
meint, ein­­mal induktiv bestimmt sein, zum anderen aber die Bestimmungs­fak­­toren,
die sie verwen­det, von der direkten Stufe oder Ordnung des Realempirischen ab­zie­
hen. Beispielsweise kann der Faktor der distinctio realis, der für die Kontingenz und
die kon­tin­­genten Einsichten steht, nur negiert sein. Darin ist dann – jeweils – die
induktive Ausgangs­basis gegeben. Es kann selbst­verständlich so viele Verneinungen
und Bestreitungen geben, wie der Gewinnung und Aus­tarierung dessen, was sich
determinat als notwendiger (und dann womöglich noch beweis­ba­rer) Satz ergeben
soll, entspricht. Wir haben dann immer eine in­duk­­­­tive Basis für die je­weils gesuch-
ten Bestimmungen des gesuchten Satztyps (hier der not­wen­­digen Aussage oder Er-
kenntnis), wobei diese Bestimmungen von Ockham oftmals an Beispielen verifiziert
wer­den, aber eben auch im Wesentlichen negativ, das heißt widerle­gend. Auch umge-
kehrt gilt: ist eine Induktionsbasis gegeben, so ist auch – intensional – die nicht mehr
analytische Qua­lität des notwendigen Satzes gegeben.
So lautet Ockhams zusammenfassende und grundlegende Erklärung:68 „dico
quod non opor­tet quod praedicatum distinguatur a subiecto69 nec quod sit effectus

66. Ord. Prol. q. 3 OT I p. 142 lin. 2–5.


67. Es scheint, dass in Ox­ford eine Ansicht, wie sie hier von Ockham zurückgewiesen wird, von
Walter Chat­ton vertreten wurde.
68. Cf. Ord. Prol. q. 3 OT I p. 142 lin. 23 – p. 143 lin. 6.
69. Es ist nicht notwendig geboten, dass man das praedicatum von dem subiectum unterschei-
de (distinguatur, coni.). Grund ist hier, dass das Wesen des Begriffs nach der Hypothese des
ob­iec­ti­vum esse bestimmt werde, es sich also nicht um verschiedene res handeln kann. Deshalb
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 143

realis subiecti, sed suf­­­­­­ficit quod sit causa alicuius quod importatur per praedicatum.
Et, ut communius vel sem­per, quan­do propositio est vere affirmativa et praedicatio
propria et per se secundo modo, sub­iec­tum vel aliquid importatum per subiectum est
causa alicuius importati per praedicatum. Et hoc ex­ten­do causam ad partes integra-
les,70 quae aliquo modo dicuntur causae totius.“71 Da­mit ist die notwendige Aussage
als propositio per se secundo modo erklärt. Sie unterscheidet sich von der propositio
contingens als der propositio per se primo.72 Es ist letztere, auf de­ren Ebe­ne sich die
fallaciae ergeben. Man könnte bei diesen somit auch von einer falschen Ab­­strak­­­­­­­ti­on
sprechen: Es wird etwas unter das subiectum gefasst, was in dieses streng und nach
Ari­s­to­telis Schematik nicht gefasst werden darf. Das in der propositio per se se­cundo
mo­­do unter das sub­­iectum als Begriff Begriffene und damit das subiectum selbst
sind causa und als causa pars integralis des im praedicatum Benannten, welches an
dem(selben) Ge­­gen­stand, den das sub­iec­tum benannte, im weitesten Sinn als Rela-
tion, nicht aber bloß akzi­den­­tell auf­tritt. Was die demonstratio potissima angeht, so
wird sie als definitio formalis und über sie mit­gegeben. Sonst aber gilt als Bestim-
mung der propositio necessaria, dass sie auch wahr ist, wenn sie (mo­­mentan) nicht
durch Erfahrung bestätigt wird oder bestätigt werden kann. Bei­spiel­­sätze sind: ‘lu­na
est ecli­p­sabilis’, ‘homo est risibilis’,‘homo est susceptibilis disciplinae’.73

gilt auch nicht die Alternative distincti realiter – non re­­a­liter distincti. Ib. p. 143. Die Negati­on
der subiectivum esse in der Bestimmung des Begriffs dient verschie­dent­­­lich als Indukti­ons­­
basis. Zugleich aber erklärt Ockham dies genauer als seinen Grund für die Entschei­dung ib.
p. 136 lin. 11 – p. 137 lin. 8, wo es auch um die propositio necessaria im Unterschied zur pro­po­s­
itio con­tin­gens geht. Für diese wird dass inesse angenommen und erklärt. Das bezieht sich auf
accidens als paedicatum (pas­­­­­­sio) des subiectum: „nulla propositio pure de inesse et de prae­
senti est simpliciter necessaria“ (ib. p. 137 lin. 7–8). Ockham unterscheidet zwischen propositio
necessaria und propositio simpliciter necessaria.
70. Die pars integralis gehört weder der Wesensbestimmung an noch aber ist sie bloß akziden­
tell. Doch ist sie grund­­sätzlich von Vorteil oder gar ei­ne Bedingung. Eine Hand zu haben ge­hört
nicht zur Wesensbe­stimmung des Menschseins, ist aber eine Bedingung seines persönli­chen
Selbsterhalts in der Welt oder für die primäre Zu­gäng­­­­­­lichkeit von Erfahrungen.
71. Man hätte so die Bedingungen der propositio immediata und der propositio per se nota
gleichsam natural. Der Verstand und seine Elemente wie Bedingungen werden erst auf der
Stufe des Subjekts Problem und sind ‘nullo mo­­do ex parte rei’ zu denken. Auch nicht fiktiv im
Sinne einer Geltung der mentalistischen Befunde pro rebus. We­der determinieren die realia die
mentalia noch umgekehrt.
72. Zur Unterscheidung zwischen propositio per se primo und propositio per se secundo modo
ausführlich Ord. Prol. q. 6 OT I p. 180 lin. 3 – p. 181 lin. 8.
73. Auch in die propositio immediata sind Momente der Bewegung (= Veränderbarkeit) und
der Kau­­salität einge­schlos­­sen, die doch dafür oder daraus nicht expliziert und ebenso für sie
nicht em­pirisch eruiert wer­den können. Die ana­l­ytische Folgerbarkeit müsste nach Ockham
die zwi­schen subiectum und passio sein, derart, dass das sub­­iec­tum (bzw. seine notitia) die
passio (bzw. deren notitia) ent­­hiel­te oder er­gäbe. Das hätte zu bedeuten, dass die­se analytische
144 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Damit ist hier aber nicht, im Sinne der Kausalität, das reale Wirkverhältnis
ausgedrückt wor­den, wie wir es in der propositio immediata finden; für diese Kau-
salität im Sinne der empiri­schen Erfahrung in sich gibt es dann keine Wahrneh-
mung, gleichwohl eine formelle Zuord­nung zu substantia und accidens. Hierzu sagt
Ockham: „quod substantia est frequenter prin­ci­pium immediatum effectivum actio-
nis et etiam accidens aliquando. Sed quan­­do est et quan­do non: recurrendum est ut
credo ad experientiam.“74 Man kann davon ausgehen, dass, wenn die extramentale re-
ale Materie in se bei dem Gebrauch der propositio immediata er­kannt wer­den könnte,
d. h. wenn solches behauptet werden (können) sollte, so würden damit die Sätze als
Ebene der Erkenntnis, deren intensionale oder Mentalität bzw. Qualität ersetzt wer-
den kön­­­­­nen. Das scheidet für den Nominalismus aus und gibt ihm sein Recht. Es gäbe
die Bewei­se Ockhams nicht und damit auch müssten An­nah­men unterhalten wer­den,
die er eben mit Grund zurückweisen kann: in ihnen hat die Absurdi­tät ihre Rolle als
Faktor (Moment) ei­ner völ­ligen Haltlosigkeit pro re oder ex parte rei. Damit muss die

Fol­gerbarkeit auch em­pirisch zu gelten hätte und empirisch gelten könnte. Das wiederum wür­­­
de ei­ne Ununter­scheid­­barkeit der propositio im­me­diata von der propositio per se nota be­sagen,
wie Ockham mehr­­fach wi­derlegend ausgeführt hat. Es gäbe dann die propositio im­me­­diata
nach ih­rer Bestim­mung nicht ein­mal. Ent­spre­chend wird die propositio immediata de­­terminat,
wenn die Folgerung bezüglich der Referenz (auf en­tia, die nicht im subiectum be­nannt wer­den)
und der Kausalität, die mitgegeben sind, von Ockham also zuge­stan­den wer­­­den, nicht ausge-
schlossen sind; andernfalls müss­ten in dem Sinn fallaciae auftreten. Die not­wen­­dige Aus­sage
kann nicht notwendig als solche erklärt werden; das kann wiederum nur be­deuten, dass die Im­
pli­kation nicht re­gu­­lativ und bezüglich der Definitheit nicht signifikant und definit sein kann.
Zur Erörterung der pro­posi­tio im­me­­­di­a­ta bei Ockham s. zunächst den Ord. Prol. q. 4 und 5,
dann später die naturphilo­so­phi­schen Themen­stel­lun­gen in der Re­porta­tio. Wenn Ockham sagt,
dass die propositio immediata ohne die no­ti­tia intui­ti­va nicht ge­wiss sein könne, schließt das
natürlich ein, dass mit ihr zugleich eine notitia ab­strac­tiva ge­­ge­ben sei. Das ist zunächst nach
dem Erkenntnisaufbau bei Ockham zwangsläu­fig, daneben aber wäre Ockhams For­mu­lierung
nicht schlüs­sig, wenn nicht auch die notitia abstractiva mit­­ge­geben wä­re. Aber zu­gleich muss
damit die notitia abstractiva als akzidentel­ler Aspekt (= Fall­aspekt) der propositio immediata
einmal verifi­ziert werden können. D. h. es muss den Fall geben, wo die propositio immediata im
Sinn der notitia abstrac­ti­va par­tiell aus­zu­legen ist. Cf. hier­zu Ord. Prol. q. 5 OT I p. 175f, insbes.
p. 175 lin. 15–17. Dazu dies: Ve­ri­fikationen ent­ste­hen in je­dem Sinn über ak­zi­dentelle Aspekte.
Die Wahrnehmung ei­nes Ge­gen­stands, einer sub­stantia, ei­nes Ge­gen­­wer­tes zum subiectum pro­
positionis, entsteht nicht als die dieses Ge­gen­stands di­rekt und in sich selbst, son­­dern ver­möge
der accidentia. Das gilt auch auf der Ebe­ne der durch De­fi­nition gegebenen ‘Gegenstände’, der
ac­­tus, no­ti­tiae usw. Nur muss hier der nur argumen­ta­tiv zu vertretende Fall als Fall ge­se­hen wer­­
den, bei dem das acci­dens erst noch zu expo­nie­­ren ist. Dies geschieht vermöge der Argumenta-
tion, welche nicht Fol­gemä­ßig­keit be­­haupten darf oder kann, die zugleich empirisch wäre oder
empi­risch zu gelten hätte; da treten die in­stan­tiae auf. Sie fol­gen da auch einer Struktur, die
onto­logische Begriffe oder er­kenntnis­theo­retische Konzepte inten­si­o­nal verwen­det, aber damit
im­mer auch „Fakto­ren“ ‘abbinden’ kann.
74. Rep. II, q. 23 OT V p. 414 lin. 14–16.
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 145

Ab­sur­­di­­tät als das Pendant der Inten­si­o­na­li­tät verstanden werden. Mit den intensio-
nalen Kon­zep­ti­onen und deren Ver­dich­­­tun­gen durch Argumentation / ‘Be­weis’ wird
der Sinn ge­gen die Ab­sur­­dität vertei­digt. Er ko­in­zidiert mit dem actus apprehensivus,
dem ac­tus intelligendi, der no­ti­tia ab­strac­ti­va, dem ac­tus iudicativus, etc. und mit der
Weise, wie sie förmlich alle ineinan­der fallen und zusam­men­­­­­rüc­ken können: per ac­
tum arguendi, per Induk­ti­on, si potest persua­de­ri.75
Natürlich kann gefragt werden, ob ein Vergleich der Klassifikation der Satzarten
bei Ockham und entsprechend auch von deren Begründung, in Sonderheit dann hier
der notwendi­gen Sätze (vor dem Hintergrund der kontingenten zumal), mit deren Be-
deutung und Begrün­dung in an­de­ren Philosophien sich anstellen lasse.76 In besonde-
rem Maße scheint ein Aspekt mensch­li­cher Subjektivität im Denken Ockhams, dem
Anschein nach aber mit der Willkür Gottes als deren vermeintlichem realen Gegen-
wert qua Fiktion verbunden, in dem Gebrauch des soge­nann­ten Omnipotenzprinzips
zu bestehen: Gott, vermöge seiner potentia divina abso­lu­­ta na­turaliter loquendo, kann
eine notitia intu­i­ti­va, die ja secundum legem communem oder de po­tentia Dei ordi-
nata von einem obiectum ex­tra ani­mam als ihrer causa partialis ausgeht, auch ohne
dass dieses Objekt existent (prä­sent) ge­wesen wäre verursachen; denn Gott ver­mag
als causa prima ohne eine causa secun­da was er mit dieser, die zu ihm sich akziden-
tell ver­hält, ver­mag. Zwischen der notitia intuitiva und der res extra, welche als res

75. Man muss Nikolaus von Autrecourts unentwegte Unterstellung von Absurdität für scho­
lastisch-aris­to­te­­­lische Thesen nicht tiefgründig und exakt fin­den. Ob er als Geg­ner Ockhams
begriffen werden muss (J. Klein, RGG, Bd. 4 1960, art. Ockham, col. 1556–1562, col. 1561: „So
war Nikolaus von Autrecourt ein Gegner des Ockham, das wahr­scheinlich ge­gen ihn gerichte­
te Dekret der Pariser Universität von 1340 trat für Ockhams Leh­re ein.“), ist zwei­­felhaft. Un­
ent­schieden gibt sich D. Per­ler Ni­ko­laus von Autre­court, Briefe, 1988. Einl. L Anm. 79. Bei
H. Blu­men­berg heißt er der ‘radikal­ste Nomina­list’, Buridan der ‘kühnste’. Da spricht der ‘Me-
taphorologe’. F. Bot­­­­tin, 1990 in: W. Vos­sen­kuhl und R. Schönberger (eds), 1990 pp. 51–62 p. 55
sieht Autre­court als treuen und be­ken­nen­den Schüler Ockhams, kann es p. 61 aber eingestan-
denermaßen nicht ganz über­zeugend ma­chen.
76. Ockham begründet kein ‘A priori’. Die Verschränkung der ana­ly­tischen Aussage nach ih­
rem inhaltlichen (be­griffl­ichen) Wesen und der Logik kann für Kant, Leib­­niz und Hobbes wohl
angenommen wer­­den. L. Witt­gen­stein, 1921 identifiziert das ‘A priori’ als ‘Aussagenlogik’, wie
G. Frege, Begriffsschrift, 1879 sie schuf. In K. Gödel, Russell‘s Mathematical Logic, 1944 sieht
man nicht, ob der Diskurs nicht auf eine ‘philoso­phi­sche’ Lö­sung mit deren Kriterien und aus­­
ge­wiesenen und gewerteten Mitteln zustrebt. I. Kant, Kri­tik der rei­nen Ver­­nunft, 1781 u. Pro­­­le­go­
me­­na, 1783 ver­­­hielt sich hinsichtlich des Ran­ges der von ihm so­ge­nann­ten ana­lyti­schen Sä­t­ze
a pri­­o­ri und ihres Gegensatzes zu syntheti­schen Sätzen (a priori und a posteriori) un­klar und
met­ho­disch frag­wür­dig. Für sei­ne Er­­ör­te­run­gen und die Satzty­pen, sofern er sie an den Satz
vom Wi­­der­­spruch bin­den will (P. Mit­tel­­stedt, Ph­i­lo­so­phi­sche Pro­ble­me der moder­nen Physik,
³1968, p. 52), mag man an­neh­men, sie sei­en ana­ly­tisch, rein in­ten­­si­o­nal verstanden auch für
die Reich­wei­te der Ver­mögen mit Auswirkung auf Ethik und Psy­cho­­l­ogie grundlegend. Der
lo­gi­sche Po­­si­tivis­mus trennt ana­ly­ti­sche Aus­­sa­­gen (a priori) und synthetische Aus­sa­­gen (a pos­
te­ri­­ori).
146 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

absolu­tae als von­ein­an­­­­der auch res realiter distinctae sind, be­steht kein unwandel-
barer Bedingungs­zu­sammen­hang, obwohl natürlich nach der Ordnung der geschaf-
fenen Welt hier gemein­hin der Zu­sam­men­hang besteht und bestehen bleibt, dem
ent­sprechend wir denn auch die no­ti­tia intu­i­ti­va als aus der Wahrnehmung der res
extra ent­ste­­hend betrachten. Daß der Bedin­gungs­zu­sam­­men­hang nicht unerlässlich
ist, ergibt sich in­duk­­tiv (patet inductive). Denn ohne ihre zwei­te causa partialis kann
die notitia intuitiva im Men­schen nicht entstehen: diese zweite not­wen­di­ge Ur­sa­che
ist der intellectus, i.e. das Ver­mö­­­gen. So gesehen gibt es de communi le­ge keine cau­sa
suf­­ficiens für die notitia intuitiva, wo­­­bei festzustellen ist, dass die causa (auch ra­tio)
suf­ficiens als solche formell einer empirischen Weltordnung ohnehin kaum an­ge­hö­
ren kann. Sie greift vielmehr abstrakt auf einer Stufe, auf der der actus apprehensivus
(oder die no­­­titia ab­stractiva, diese als die notitia abstrac­ti­va secunda begriffen), dem
unmittelbaren em­­pi­ri­schen Verhältnis je entzogen ist, so dass hier Sätze so verstanden
und gegliedert, apo­stro­­­­phiert und begründet wer­den können, dass da­mit, auch im
Sinne der Notwendigkeit oder der ‘Nicht­un­erlässlich­keit’, Entbehrlichkeit inter­pre­­tiert
werden kann, (was unter Um­stän­­­den so­gar Ein­grif­fe/Kor­rek­turen an dogmati­schen
Lehrsätzen und Verständnissen er­gibt). Da­mit kommt man be­reits bei der zwei­ten
Auslegung der potentia Dei absoluta in Be­zug auf die noti­tia intuitiva an.77
Denn Ockham nimmt daneben noch einen weiteren Fall an: Gott kann und
muss, vermöge seiner po­ten­­tia Dei absoluta supranaturaliter loquendo eine notitia
intuitiva erhalten (konser­vieren), obwohl das Objekt nicht mehr besteht, von dem sie
ausgegangen ist. Hier lässt er sie jenseits unserer Erfahrung bestehen. Notitia intui-
tiva und res extra animam verlieren ihre em­pi­rischen Konnex. Sie erweisen sich als
formaliter distinctae, wo­nach sie formell einfach nur nicht aufeinander einwirken
können. Die notitia intuitiva, die for­mal, sc. nach ihrer Definition über Präsenz und

77. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 33 lin. 16–19: „notitia intuitiva et abstractiva non differunt quia ab-
stractiva potest in­dif­­fe­­ren­­ter esse exsistentis et non exsistentis, praesentis et non praesentis,
intuitiva autem tantum exsistentis et prae­sentis reali­ter.“ Die noti­ti­ae differieren vielmehr nach
den verschiednen Funktionen, die sie erhalten können, in­des ge­mäß der grund­sätzlichen Kau-
salordnung secundum legem communem erhalten; in diese verschiedenen Funk­­­ti­o­nen rüc­ken
sie schon vermöge der Abstraktion ein. Ihretwegen können gewisse Folgerungen ausge­schlos­­­­
sen wer­­den, weil sie nicht als zwingend erscheinen; sie definieren damit noch keine Konsistenz
für den intensio­na­len Betrag der notitia. Damit erscheinen gewisse Weiterungen als möglich
(kompatibel). Sie verblei­ben damit inner­halb der Ab­straktion als immer noch inhaltlich rele-
vant. Sie bestimmen den Begriff der notitia mit; für die­sen wird die ak­­zidentelle Kompo­nente
in Richtung der Dinge, der res extra ausgeschlossen. Die Ver­wen­dung wei­te­rer, frei ge­­brauchter
Terminologien, wie sie für die Scholastik verfügbar waren, wird damit aber nicht zwin­gend
notwendig oder zulässig. Cf. etwa J. Kürzinger, 1930 p. 125 Anm. 52 mit Lan­­dul­fus Caracciolo:
„Ha­bens notiti­am intu­i­ti­vam alicujus objecti potest cognoscere illud ob­jec­tum actu re­fle­xo ab­
strac­ti­ve.“ Der ac­tus re­flexus, der sich auf einen actus rectus bezieht, wird nicht notwendig ei­
ner no­ti­tia ab­strac­­­­­ti­va ent­sprechen, die bloß ein actus apprehensivus ist. Die Frage, ob hier auch
zu gelten hät­te: „duo ac­tus es­sent si­mul in volun­ta­te“ (Ord. d. 1. q. 1 OT I p. 371 lin. 13f) braucht
da­zu dann nicht mehr er­örtert zu wer­den.
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 147

Nichtpräsenz oder existentia oder non-existen­tia rei extra animam entschei­det, ist se-
cundam formam nicht von einem akzidentellen oder ihr äußerlichen Umstand abhän­
gig, der, wenn er ihr angehörte, sie aufhöbe. Sie muss abstrakt ge­se­hen überhaupt
von diesem Umstand unabhängig sein. Er höbe sie nämlich sonst auf; laut ihrer De-
finition und als forma muss sie notwendig auf der Abstraktionsebene liegen und von
der Empirie und dem Bezug auf sie independent sein. Die notitia intuitiva formaliter
dis­tincte a suo obiecto entspricht so­mit eine Bestimmtheit der notitia in­­tu­i­tiva, bei
der sie, ab­strakt ge­fasst, einen empirischen Be­zug nicht in sich einschließt.78 Dabei
ist darauf zu verweisen, dass die notitia intuitiva unius rei extra mentem durch Got-
tes Allmacht, supranaturaliter loquendo, bewahrt werden muss, da­­­mit überhaupt eine
Feststellung hinsichtlich der non-existentia unius rei getroffen werden könne, das wir
vormals als existens und praesens erkannt haben; die notitia intuitiva per deum con-
servata hat also eine Stellung wie sie in Ockhams Erkenntnislehre der habitus ähn-
lich hat. Sie wird hypothetisch als überweltlich angesetzt.79 Entsprechend wird von

78. Der Begriff der notitia intuitiva schließt auch in diesem Sinn die res extra, bzw. deren exis­
ten­tia, nicht ein. Es kann daher operiert werden, d. h. in einer intensionalen Auffassung, ohne
dass das äußere Objekt gegeben und da­rin bedingender Teil der notitia intuitiva und so auch je-
ner Aussagen wäre, bei welchen die notitia intuitiva lei­­tend ist, sc. den kontingenten. Die no­­­­ti­tia
intuitiva besteht hier formell gesehen allein ihrer forma, dem Be­griff, der auf abstrakter Ebene
reflexiv von ihr gegeben, also ihr zugeteilt werden kann. Diese Zuteilung und die An­­wen­­­dung
des Begriffs (bzw. Funktionalbegriffs) forma sind gleich und gleichwertig. Sie recht­­­­fertigt sich
in der Abstraktion, in welcher die Argumentation (Beweisführung) endet.
79. Bei Ockhams Äußerungen zur notitia intuitiva haben die Avigneser Zensoren eingegrif-
fen. H. Blumen­berg, 1966 p. 156f (Anm. 92) nennt den Satz der Irrtumsliste ‘notitia intuitiva
secundum se et ne­ces­sa­rio non plus est exis­tentis quam non-existentis nec plus respicit existentiam
quam non-existentiam’ die „vor­sich­tigste Formulie­rung“ der These Ockhams, die „nur auf das
Fortbestehen einer einmal am rea­len Ob­­jekt gewonnenen Vorstel­lung nach dessen Vernich-
tung abgestellt ist.“ Er ist schlecht­hin die intensionale Definition von no­ti­tia in­tu­i­tiva. Als no-
titia in intellectu ist sie danach als absolu­tum re­­al dis­tinkt vom obiectum extra men­tem und so
von ihm un­ab­hängig; dieses kann daher inexistent sein oder aber nicht mehr exi­stent. Da die
no­ti­­tia in­tuitiva per De­um be­wahrt wird, können wir im zweiten Fall per no­ti­ti­am in­tuitivam
‘urteilen’, dass es eine res ex­tra ani­­mam nicht gibt. Die conservatio ist eine trans­zen­­den­­te Be­din­­
gung oh­ne Rekurs auf Gottes Allmacht oder Willkür für die no­ti­tia intuitiva der Nichtpräsenz
einer res. Gott bewahrt die notitia intui­ti­va viatoris ‘wie’ die Welt. Nach Ockham besteht alles
Verursachte (es wird kon­ser­viert), so­lan­ge wie nichts auf es zer­stö­rend ein­­­­­wirkt. Die res ex­tra
ver­mag das bei der notitia intuitiva nicht. Sie reicht nicht bis zur abstractio in intellectu, der
ne­­­ben der res ex­tra cau­­­sa sine qua non der notitia intuiti­va ist. Dann ib. p. 164: „Die uns schon
be­­­­kann­­te Aus­gangs­­the­se, dass die äu­ßere Wahr­­­neh­­mung durch die Macht Got­­tes auch ohne
ihr Ob­jekt er­zeugt und er­hal­­ten werden könne, be­zeich­­­net Jo­han­­­nes von Mi­re­court als allge­
mei­­ne Ansicht (opinio quae com­­mu­niter te­ne­­tur).“ Zwei se­pa­rate ca­sus wer­den da zu einem.
Cf. Kap. 1 Anm. 134: da hatte Mire­court nur die These, dass Gott eine notitia intuiti­va si­ne exi­
s­tentia rei extra bewirken könne als allgemein akzep­tiert ausgegeben. Für Blumenberg ga­­­­ben
die Zen­so­ren Ockhams The­­­sen öfter in ‘vor­sichti­ge­ren For­­mulierungen’, d. h. Ockham wäre
148 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham mit dem Be­griff der for­­­ma und auf ihn hin, auch argumen­tiert, unter Ein-
bezug der Induktion und eben persuasio­nes erreichend.80 Forma wird ein Be­griff wie
ratio, substantia, essentia etc. von de­nen das ac­ci­­­dens formell als andere Kategorie per
argumentum ‘abgespalten’ wird.81
Als accidens oder als ein äußerer Bezugsteil, der er­löschen kann, darf die res ex-
tra bezüglich der notitia intuitiva nicht ein proprium der notitia intuitiva sein und
sie darf nicht in deren De­finition hineingelassen werden. Andernfalls stieße man auf
Widersprüche, welche die distinc­tio realis und die distinctio formalis, letztere modo

unvor­sich­tig nach Zen­so­ren­mei­nung und folglich, wenn das Prozedere Sinn machen soll, a
fortiori zu missbilli­gen. Nach p. 165 Anm. 99 ver­wer­fen sie, „quod probabili­ter potest sustineri“
dass ani­ma und poten­tiae (vo­luntas, in­tellectus) iden­tisch sei­en. Anima und ac­tus sind es nicht.
Die Zenso­ren be­an­stan­den die For­mel ‘po­t­est – tantum – per­su­a­deri’ (!!). Sie gilt potentiae!!
Die unsichtbare Identität von anima und potentia ist nicht be­weis­­bar; so kann für sie nur eine
per­su­asio eintreten. Anima und ac­tus sind dagegen realiter distinkt. Wodham negiert diese
distinctio re­a­lis (K. H. Ta­chau, 1988 p. 281). Blumen­bergs Exegese beruht auf der Kommutation
von actus und potentia und ist sinnlos.
80. Der fiktive Tatbestand einer notitia intuitiva, die fortbesteht, während ihr Objekt vernich-
tet wor­den ist, kann dann nur angenommen werden, quia potest persuaderi. Dies vermöge
des Be­­­­­­griffs der forma, mit der sie iden­ti­fi­ziert wird. In gewisser Weise wird, mit Induktion
und per­­suasio in einem solchen Falle die Abstraktion wieder­holt. Würde man die notitia in-
tuitiva von Umstand, accidens und Objekt abhängig machen, so hätte man keine for­ma. Also
kann die­­­­se un­abhängig von dem Objekt bestehen, selbst wenn sie förmlich sich auf das Objekt
be­zieht und secundum potentiam divinam ordinatam oder legem communem nicht ohne es
vor­kommt, was aber noch einen Sonderfall, wenigstens als problema ad disputationem aptum,
zu­­­­­­­lässt: die notitia intuitiva stellt eine fal­sitas fest. D. h. es ist wenigstens eine negative Aussa­ge
gegeben, die damit bestätigt wird: ‘hic murus non est al­bus’. Aber diese elementare Aus­sa­ge
kann intuitiv gar nicht gemacht werden. (Es ist nur unbestreitbar, dass wir den Satz haben
und ihn eben bilden können.) Es bedeutet dies aber nur und damit erhält Ockhams Denken
sei­ne Konsistenz, dass mit der notitia intuitiva kein Schlussfolgern verbunden sein kann. Bzw.
kann das Schluss­fol­gern auch nicht integraler Bestandteil der notitia intuitiva sein. Wenn aber
nicht integraler Bestandteil davon, so kann die notitia intuitiva noch keinen determinaten Satz
bzw. keine determinaten Sätze ergeben und enthalten. In­folgedessen kann es solche – in Be­zug
auf die significatio – überhaupt nicht geben. Wir müssen zuletzt die Schlussfolgerung selbst
ausschließen. So aber erlangen wir definite Sätze. (Mit der Ausschließung der Schluss­fol­gerung
muss auch das Widerspruchsprinzip aufhören leitend zu sein.) Die notitia in­tuitiva kann in
nichts von der Erfüllung her gedacht werden. Sie ist damit in nichts von der Erfüllung her auch
nur ‘bestimmt’. Mit Defini­ti­­­on und Logik ist auch das Faktum bereits gesetzt. Derart gibt es
einen Mentalismus bei Ockham. Die Ak­te ge­­­hö­ren der eigenen Sphäre des Verstan­des oder der
anima an. Sie bilden sie (machen sie aus).
81. Im Verhältnis von distinctio realis und distinctio formalis erscheint Ockhams Argumenta­
tion diskontinuier­lich. Die potentia divina absoluta naturaliter lo­­­quen­do und die potentia di-
vina abso­lu­ta supranaturaliter loquen­do haben denselben Abstand wie distinctio realis und di-
stinctio formalis, denen sie ent­­­sprechen.
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 149

composito als Modus eines Satzes prädi­ziert, gerade vermeiden helfen.82 Der Wider-
spruch ist zugleich externer ‘Bestandteil’ der forma oder der Bestimmung, die auf sie
zielt. Denn der Wi­der­spruch gehört hier im Nominalismus zu­­gleich dem Bestimm-
ten, das in Bezug auf Wider­sprü­che untersucht und abgesichert werden muss, nicht
an. Es wird zugleich der Begriff der inhaerentia (passionis in subiecto) revidiert wer-
den müssen. Auch das betrifft den kontingen­ten Satz.83 Daß die notitia intuitiva die
kon­tin­­­genten Aussagen betrifft, bezüglich deren sie die Präsenz oder Existenz des
Objekts bzw. die Nichtpräsenz oder non-existentia feststellt, ist gesagt worden.84

82. Die Modi sind in den Kontexten und Beweisen be­züglich der Sätze nötig. Nicht ganz ver­
ständlich W. & M. Knea­le, 1966 p. 369 Anm. 2: „For although medieval lo­gi­cians always defin­
ed pro­positions as com­plex signs of a cer­tain sort, they commonly ap­plied to them adjectives
such as necessaria and impossibilis which are appropri­a­te on­­­ly to pro­positional contexts.“ Der
Satz hat bei Ockham mit seiner Bestimmung Funktion und Funk­ti­ons­be­zeich­­nung in Bezug
auf Kontexte, wel­che die Argumentationen (Beweise) darstellen und herstellen (= intensi­o­­nal
aufzeigen); so hat die propositio per se nota die Funk­tion, in­ten­sional die Identität von s und
P be­züg­lich der res extra zu bedeuten. Sie legiti­miert damit auch andere Sätze, die gleich ihr
not­wen­dig, aber von ihr noch un­­­­ter­schieden sind. Cf. Ockham bei der Kritik an Tho­mas Ord.
Prol. q. 7 OT I p. 187 lin. 16 – p. 188 lin. 2.
83. Ockham korrigiert den ‘metaphysischen’ oder ontologischen Gebrauch des Wor­tes ‘ines­
se’ durch Be­weise, zu­erst (Ord. Prol. q. 3 OT I p. 137 lin. 9–18): „Quando accipitur quod ‘illud
quod sci­tur ne­cessario inesse alicui sub­­­­iec­to, ita quod oppositum includit con­­­tradictionem,
est realiter i­­dem cum illo subiecto’, di­co quod ista propo­si­tio est distin­guen­da. Quia ‘inesse’
uno modo idem est quod in­hae­rere re­a­li­ter, si­cut accidens inest sub­iec­to et for­­ma materiae;
alio modo idem est quod prae­dicari. Pri­­mo modo est propositio impossibi­lis propter falsam
im­pli­cati­o­nem, quia impli­ca­tur aliquid tale in­es­se sic alicui subiecto ne­ces­sa­­­­rio, et ta­men quod
sit idem realiter, quae for­maliter re­pug­nant; quia ex hoc quod sic inest, distinguitur realiter ab
illo.“ Der determinate Satz kann kei­­­­ne Folgerung haben, die ihn selbst besagt. Das gilt real- und
(ib. lin. 18 – p. 138 lin. 4) men­­tal. Denn da kann die pas­sio nicht im sub­iectum sein, ohne dass
beide identisch wären. Bzw. nehmen wir eine em­pi­ri­sche Identität an, was wir beim empiri-
schen Satz tun, darf es reflexiv (auf höherer Stufe) keine suppositionslogische (= forma­le) Ver­
schie­den­heit für die Begriffe (ihre Inhalte nach substantia und accidens) geben; das begründet
die Induktion.
84. Gabriel Byel hat in der notitia intuitiva, sofern sie ein falsum feststelle, ein Problem gese­
hen. Es gibt dann das Objekt; die notitia intuitiva sieht dann ein, dass es der Aussage nicht
ent­spre­che. Als was ist sie im Verhältnis zu den anderen Fällen, welche ja der Definition selbst
nach deren intensionalem Charakter beitreten, d. h. als nicht aus­­zuschließende, indem sie den
ab­strak­ten Charakter der Definition der notitia intuitiva wiederholen und be­kräf­tigen, zu se-
hen? Die notitia intuitiva besteht in Byels Fall schon. Ihre Eigenschaften oder das ihnen Fol­
ge­­gemäße wird per Induktion oder durch ein Prinzip, das Kompatibilität besagt (z. B. ‘non
est inconveniens quod’ u. a.) festgestellt und bedingt eine aktuale, struk­­­­turelle Zweistufigkeit.
Gabriel Byel hat so nicht etwa den gene­tisch blinden Fleck oder den toten Winkel bei Ockhams
Erkenntniskonzept aus­findig ge­macht. ‘Impossibili­tas unius notitiae intuitivae alicuius obiecti
inadaequati’ würde ei­nen ‘Wi­der­spruch’ verlauten. Nicht ‘den’ Wider­spruch per se. Den lässt
150 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Die res extra kann die notitia intuitiva beim ersten Fall nicht nezessitieren. Das
wird mittels der potentia divina absoluta naturaliter loquendo, deren Basis die di-
stinctio realis ist, demon­striert.85 Man kann aber auch abstrakt nicht auf eine solche
zwangsläufige Hervorbringung zu­rückgreifen. Das ermöglicht dann im zweiten Fall
die Anwendung der po­ten­tia Dei absoluta su­­pranaturaliter loquendo,86 deren Ergebnis
oder Äquivalent die distinctio formalis zwischen no­titia intuitiva und res extra ani-
mam im Sinn der rein abstraktiv verstandenen Definition ist: hier wird der Sachbe-
zug, wie er formell in der Definition enthalten ist, formaliter von der for­mel­len empi­
rischen Basis oder Geltung gelöst. Hier ist dann hypothetisch die Schöpfungsord­nung
verlas­sen oder ge­sprengt worden.87 Zwei Dinge, die in ihr zwangs­läu­fig zusammen­ge­

Autrecourt im Faksimile der nach seinem Atomismus a li­mine für unmög­lich erklärten notitia
intuitiva verkörpert sein. Zugleich fordert er sie auch wieder für die wahre (= empirische) Er-
kenntnis.
85. Die distinctio realis überformt und überdeckt den Widerspruchssatz (Ord. d. 8, q. 6 OT III
p. 257 lin. 9–16): „Si esset pos­­sibile ani­mam intellectivam informare immediate materiam pri-
mam vel formam corporeitatis sine ani­ma sen­si­tiva, sicut pot­est esse separata sine anima sen-
sitiva, non esset contradictio quod aliquid esset compo­si­­tum et ra­ti­o­nale, et ta­men quod non
esset sensibile.“ Folglich gilt: „Nec tunc ordinarentur taliter differentiae il­lae nisi secundum
cursum communem naturae“, in welchem sc. beim Menschen intellectus und sensus nicht oh­ne
ein­ander vorkommen. „et quamvis (Ed. hat quod und nennt Var. quamvis des W 1495 im App.)
naturaliter non posset aliter esse, non tamen re­pug­naret divinae poten­tiae aliter facere.“ Die
distinctio realis wird hier sogar nur hypothetisch angenommen; es wird nicht einmal be­haup­
tet, dass sie pro lege communi in der zitierten Weise vor­komme. A fortiori gilt die The­se. Die
logische Wurzel der Argumentationen Ockhams in der genannten quae­s­tio OT III pp. 251–261
ist, dass nicht (ib. p. 256 lin. 18–20) „omne per se inferius includit essentialiter su­um su­pe­ri­us et
additum sibi.“ Dieser Einschluss kann nicht begründet werden. Auch die Widerspruchsfreiheit
kann nicht per se begründet werden; die distinctio realis will Ockham aber beweisen. Sie ergibt
den Nicht-Wi­der­spruch induktiv oder persuasiv.
86. Wenn für Ockham die Erkenntnis der Nicht-Existenz von res, die faktisch der realen Welt
kontingenter Din­ge zugehören, nur vermöge der po­ten­tia Dei absoluta su­­pranaturaliter loquen-
do konservierten notitia intuitiva mög­­­­lich sein kann, so dass Gott hier nolens volens handelt,
also auch die der po­ten­tia Dei absoluta supranatura­liter loquendo hier zwangsläufig und strikt
benötigt wird, so kann es nicht gut angehen, dass vermöge der po­­ten­­tia Dei absoluta naturaliter
loquendo Willkürakte desselben Gottes und derselben po­ten­tia Dei absoluta eintre­ten können,
bei denen notorisch die Inexistenz unius rei in reali in eine Existenz­wahr­­neh­mung eiusdem rei
in ani­ma viatoris umge­fälscht würde. Beide Modi der Allmacht müssten sich widersprechen,
wo sie sich nur un­ter­­schei­­­den und je verschieden induktiv begründet werden bzw. analytische
Folgerungen unterbinden.
87. Gelegentlich wird diese hypothetische Funktion beim Gebrauch des Omnipotenzprin-
zips durch Ockham an­er­kannt oder wenigstens vermutet, resp. nicht ausgeschlossen. So bei
H. Jung­­hans, 1968 p. 238: „Allerdings muss ich ein­schrän­­­kend vorausschicken, dass die Bei­
spiele, die mir in Ockhams Schriften begegneten, nur die Heils­­ord­nung betra­fen. Erst eine spe­­­
zielle Untersuchung, die das gesamte Werk Ockhams danach untersuchte, könn­te fest­stel­len, ob
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 151

hö­­­ren, werden voneinander getrennt: per po­ten­tiam Dei absolutam supranaturaliter


loquendo.88
Der Topos der distinctio formalis findet sich bereits bei Duns Scotus. Er wird
dort gebraucht um die Realdistinktion auf einer rein abstrakten Ebene zu retten,
während ihre empirische Le­gitimation nicht belegt werden kann. Duns Scotus bringt
solcherart gewöhnlich onto­logische Ar­gu­mente zur Geltung, indem er sie von dem
empirisch-praktischen Vergleichsfall abzieht, um eine allgemeinere Bedeutung zu be-
haupten, die aber zugleich gegenüber der em­pi­­­rischen Grundlage ausweichend sich
verhält, so dass diese als eine Art instantia sich darstel­len muss, die aber per Postulat
beiseite gestellt werden soll. Da diese Verfahrensart bei Duns Scotus oft, z. B. unter
Gebrauch und neuer Deutung aristotelischen Prinzipien, auf­tritt, kann an­­­genom­men
werden, dass an dieser Stelle, wo er re­fle­­xive einen re­fle­­xiven neuen Posten ein­­führt,
die nor­male Deduktion, wenn es sie gäbe, unterbrochen und aufgehoben werde.89
Ockham, der die di­stinctio formalis neben der distinctio realis und der distinctio

Ockham auch an eine tatsächliche Änderung der Ordnung der materiellen Dinge dach­te oder
ob das „De­us pot­est“ immer nur als hypothetisches Argument benutzte, um die Meta­physik
auf ganz sichere Grund­la­gen stel­len zu können.“ Die Metaphysik müsste da wohl in abstrakter
Form sub­jektivis­tisch sein, jedoch wieder ihren Beweisgrund in sich selber haben, was schwierig
ist. Abai­lards rudi­men­täres prooemium zum Mit­tel­­al­ter: „Haec autem est dialec­ti­ca, cui qui-
dem omnis veritatis seu fal­si­ta­tis discre­tio ita sub­iec­ta est ut om­nis phi­lo­sophiae prin­cipatum
dux univer­sae doctrinae atque regimen pos­si­de­­at.“ (cf. L. M. de Rijk (ed.) P. A. Dia­lectica, 1956
p. 470) nennt ein Leistungsgebot, dem Ockham nur noch in hypothetischer Weise entspricht.
88. Ein Beweis nach ana­lytischer Beweisart auf aussagenlogischer Basis, wie sie bei Duns
Sco­tus vermutet wer­den könn­­te, ist natürlich immer an die Regel geknüpft, dass erst wenn ein
Be­weis geführt wurde (i.e. existiert), ge­wusst werden kann, ob es ihn gebe. Bevor er nicht ge­
fun­­den wur­­­­de, weiß man das nicht; gleichwohl kann er dann als falsch kritisiert und abgelehnt
werden. Er existiert dann und existiert nicht. Über ein Entscheidungs­ver­­fahren wird eine ein­
deu­­tige Existenz fest­gelegt. Es ist dann zweifelhaft, ob sie noch logischer Natur sein könne. Man
hätte auch hier vielleicht einen gleichsam übernatürlichen ‘Begriff ’ vom Beweisen und müsste
be­zwei­feln, ob es dieses per se und definit überhaupt gegeben habe. Nicht nur Begriffe wie die
notitia intuitiva (als notitia in­tuitiva conservata) und habitus wandern so ins Supranaturale
(Jenseitsweltliche) ab, auch der Beweisbe­griff täte es, wie denn auch Ockham einmal sagt, er
fühle sich ‘insufficiens’ einen bestimmten Beweis zu füh­ren, und das Beweisen selbst überhaupt
für ihn einer antiempirischen Absolutheit zugehört oder wenigstens zuneigt.
89. Ockham kritisiert von der von ihm eruierten Gestaltbasis der Sätze her die Scotischen Ma­­
ximen zur Deduk­ti­onstheorie und zur Erkenntnislehre und verwirft sie. Nach dem Paradox
von Löwen­heim und Skolem kann kei­ne mathematische Lo­gik jenseits der Mathematik sinn-
voll Anwendung finden. Die in De Primo Principio ver­wen­de­­te Aussagenlogik entfällt daher
für die Beweisabsicht. Duns Sco­tus potenziert das Paradox in­­ter­­mit­­­tie­rend aus­drück­lich noch
ein­mal zu­sätz­lich, wenn er in onto­logi­sche Maximen des Aris­to­teles von ihrem um­fäng­­­li­chen
auch empiri­schen Sinn abstra­hie­rend rei­­nigt, um sie speziell und in solcher Recht­fer­tigung und
Be­gren­­zung ver­all­ge­mei­nert gel­ten zu lassen. Postulation und Emen­dation fal­len zusammen.
‘In­halt’ wird unbe­gründ­­bar.
152 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

rationis90 (oder ratione) kennt, hat sie des metaphysischen oder ontologischen An-
spruchs entkleidet; er be­­zieht sie auf Sach­ge­halte, die abstrahierend der empirischen
Relevanz und Bezugnahme ent­­­­­­­­­­­zo­­gen werden kön­nen.91 Nach Vignaux soll dann die
distinctio formalis „auch“ bei Francisus May­ronis und Jo­hannes von Ripa mit der
Apriorität verbunden sein.92
Auch die Auffassung Ockhams von der cognitio supernaturalis bestimmt sich
nicht fak­tisch von einer ‘realen Geltung’ des göttlichen Eingriffs vermöge seiner po-
tentia divina absolu­ta su­pranaturaliter loquendo, sondern bloß technisch:93 „cognitio
supernaturalis dupliciter ac­­­ci­pitur. Uno modo, quia non potest naturaliter adquiri, et
isto modo nulla cognitio superna­tu­ra­lis de communi lege, praeter fidem infusam, est
nobis necessaria. Alio modo dicitur cog­ni­tio su­per­­naturalis, quia est de veritatibus
quae non ex puris naturalibus sed supernaturaliter pos­sunt evidenter cognosci; et isto
modo cognitio supernaturalis est nobis necessaria praeter fi­dem.“ In der zweiten Art
ist die cognitio supernaturalis nicht (notwendig) tatsäch­lich gege­ben, aber not­wendig
wegen des in ihr ausgedrückten Sachverhaltes. Er wird au­ßerhalb des Glaubens
(praeter fidem infusam) erfasst, kann aber derart nicht auf die na­türli­chen empi­ri­
schen Begrif­fe sich stützen. Gleichwohl sind sie als Erkenntnisse uns uner­läss­lich.94

90. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die verschiedenen Begriffe nach ihrem Inhalt und
Ge­­­halt, wie und weil empirisch unterschieden gegründet, in jedem Gebrauch unterschieden blei­
ben müs­­sen, auch wenn eine Supposi­ti­onsidentität unterstellt werden muss oder soll. So denn
in der nichtempirischen Anwendung der termini auf Gott, der pro statu isto nicht anders denn
in den Begriffen, die der viator secundum legem communem habe, er­kannt werden kön­ne. Cf.
un­sere Darstellung eines entsprechenden Überredungsbeweises mit dem Argument ‘non est
in­­­conveniens quod’.
91. Ockham gebraucht die distinctio formalis in den Dingen der sacra theologia (Ord. d. 2 q. 1
OT I p. 364 lin. 8–10): „Est ali­quis mo­dus nonidentitatis inter naturam divinam et suppositum,
et potest dici secundum bonum in­tel­­lectum quod dis­tin­guuntur formaliter, quamvis non di-
stinguuntur realiter.“ Der Filius Dei nimmt die mensch­li­che Gestalt im Sin­ne dieser distinc-
tio formalis an. Er ist Gott und Mensch. Der Gebrauch der distinctio formalis ent­spricht für
Ockham vernünftigem Ver­ständnis (bonus intellectus). Realempirisch ist sie nicht.
92. Die Charakterisierung entspricht Vignaux‘ Neigung, in einer gewissen Ab­strakt­heit ge-
nannte und unver­mit­telt auftretende allgemeine Prinzipien bei den Scholastikern für a priori
oder analytisch, ‘notwendig per se’ usw. zu erklären. D. h. ih­nen einen inten­si­onalen Vorrang
vor jeder extensionalen Erklärung ihres Be­langs einzu­räu­­men. Ockhams Bedeutung und Be-
sonderheit be­steht darin, Erklärungen genuin, i.e. kon­stru­ie­rend vorzu­neh­men. Kon­­­struieren
muss besagen, dass die Elemente, bevor sie in einen Rahmen von Operati­o­nen, die sie er­klären
und präsentieren, eingefügt worden sind, nicht als bekannt und charak­te­risie­rend oder zwin­
gend gelten können.
93. Ord. Prol. q. 7 OT I p. 197 lin. 25ff.
94. Ockham verneint, dass es außerhalb des Glaubens keine übernatürliche Er­­kenntnis geben
könne. Sie darf dann nur nicht mit der fides amalgamisiert sein, weil (ib. lin. 21) „sine fide
nullus potest assentire veritatibus cre­di­bili­bus.“ Das ist Kirchenlehre und per se einsichtig (ib.
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 153

Aber wie werden sie gewonnen? Durch eine Abstraktion beispielsweise, die das Sach­
verhalt­li­che selbst reduzieren kann, wenn sie die causa oder ratio sufficiens angibt
und somit nicht bei der ratio oder causa necessaria empirischer Sachverhalte bleibt.
Daneben aber auch bezüg­lich der sci­en­­­tia proprie dicta, wenigstens formell:95 „Alia
est opi­nio quae po­nit quod quamvis credibilia possint evi­den­ter sciri, non tamen a
nobis pro statu isto de com­muni lege. Et ideo theologia, se­­­cundum quod communiter
addiscimus eam, non est scientia pro­prie dicta respectu talium cre­dibilium, quamvis
respectu aliquorum possit esse scientia. Et istam opinionem reputo ve­ram.“ Die An­
sicht wird dem Lehrer des Duns Scotus Guilelmus a Guarra zugeschrieben.96 Dies
alles wird bekräftigt:97 „scientia ultra fidem dicit multos alios habitus qui non sunt ha­
bi­tus fidei, ut dic­tum est.“ Die Bestätigung theologischer Wahrheiten kann in großem
Umfang we­der empi­­risch (secun­dum conceptos quos habemus naturaliter pro statu
isto de communi le­ge) noch per discursum erfolgen:98 „habitus veridicus inevidens
potest esse fides, et talis est theologia pro mag­na sua parte. Similiter, respectu talis
veritatis est aliquis habitus qui non est proprie veri­di­cus, quia non est iudicativus sed
tantum apprehensivus, et talis est theologia pro aliqua sui parte.“ Damit kann der
Akzent in Ockhams Erörterungen nicht notwen­dig auf der The­ologie im Sinne der
vorrangigen Glaubensgewissheit liegen.99 Sie kann da­­her auch nicht die Leitidee der

lin. 20f). Doch solche cog­ni­tio supernaturalis praeter fidem muss konstruiert wer­den können =
in be­stimm­ter eigener Weise als ‘menschliche’ de­finiert sein.
95. Ib. p. 193, lin. 5–15.
96. Cf. ib. p. 193 Anm. 3.
97. Ib. p. 205 lin. 22–23.
98. Ib. p. 206 lin. 4–8.
99. Gilson hat bei Ockham bloßen Religionspositivismus sehen wol­len. Das wäre dann viel­
leicht noch von Fi­de­is­mus zu unterscheiden. Cf. Junghans, 1969 p. 212: „Da Ockham in dem
… Sinne (einer ontischen Ana­lo­gie) uni­vo­ke Konzepte kannte, die Schöp­fer und Ge­schöpf
umfassten, kann er nicht als Agnostiker bezeichnet wer­den, der sich aus Ver­zweif­lung in die
Arme des Fideismus warf.“ Dabei werden die Momente der Kon­struk­ti­­on über­se­­hen, z. B. die
vermöge der notitiae intuitiva und abstractiva und der Beweise, die auch auf die Engel über­
tra­gen werden (cf. Rep. II, q. 16 OT V p. 319 lin. 6–22). Ana­log und univok wer­­den gemeinhin
verglei­chend ge­gen­­einander­gestellt. Hie ana­lo­gia entis (sc. Tho­mas Aquinas) – da univocitas
conceptus (Duns Scotus). Ockham grundsätz­lich (Ord. d. 2. q. 9 OT II p. 335 lin. 23 – p. 336
lin. 3): „dico quod Deo et creatu­rae non est aliquid univocum sic quod aliquid essentiale crea-
turae vel ac­ci­dentale habeat perfectam similitudi­nem cum aliquo quod est realiter in deo. Et
talem univocationem negant om­­nes sancti respec­tu deo et creaturae.“ Ana­­l­ogie? Uni­vo­zi­tät?
(cf. aber Kap. 4 Anm. 60). Ockham überträgt Be­­griffe und Vorstellungen nach menschlichem
(Vor-)Verständnis auf Gott und über­welt­liche Ver­­hältnisse, um die Relationsbegriffe oft ei­gens
zu präparieren. Schon in den Ele­men­tar­­sätzen gibt es ‘concep­tus Deo propri’. Sie werden Thema
in der Be­weislehre.
154 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

In­ter­pretation oder historischen Einordnung Ockhams bil­den, schon gar nicht die
einer ihm zu­zuschreibenden antirationalistischen Vormeinung.100
Der Ontologie kann keine Vermittlung zwischen sozusagen theologischer Meta-
physik und Em­­­­­pirie entnommen werden, weil ihre Inhalte nicht (i.e. nirgendwo) nach
dem Verhält­nis von subiectum und passio, bzw. deren Klassifikationen als bündig,
einzig notwendig dar­ge­stellt werden kann, das heißt dann vereinheitlichend notwen-
dig und damit nicht in Bezug auf die einzelnen Satzarten differenzierbar.101 Da genus
oder species nicht eigentlich abstra­hiert wer­den können,102 während sie Leitbegriffe
bleiben und eine Ordnung von Sätzen erlauben ebenso wie sie für die Allgemeinheit
von Aussagen garantieren, wird eine sichere (i.e. ge­währ­­leiste­te) De­duktion in ihrem
Namen entfallen. Natürlich löst Ockham argumentativ jede on­tologisch verfasste oder
signierte Notwendigkeit auf.103 Doch können empirische Mut­ma­­­ßun­gen syllo­gis­tisch

100. Da bei Ockham die divina potentia absoluta durch die distinc­tio re­alis empirisch be-
grenzt und so an den res absolutae der Erfahrung zu mes­sen ist, ist Gott auf ein We­sen fest-
gelegt, das er nicht auf den Menschen hin über­schreitet, von dem er auch nicht ausgeht. Nach
H. Blumen­berg, 1966 würde Gott durch mecha­nis­­tische Hand­lungs­­zwän­ge ent­eig­net wie zuvor
der Mensch durch Gottes Omnipotenzwillkür. Ockhams (Rep. II, q. 15 OT V p. 343 lin. 20–22)
„Deus autem nulli tenetur nec obligatur tam­quam de­bi­tor, et ideo non pot­est fa­­ce­re quid non
de­bet fa­cere nec pot­est non facere quod de­bet face­re“ gilt vorab dem ordo salutis und nicht der
Phy­sik: da Gott nie­man­dem ver­pflich­tet ist, ist er als essentia menschlich-welt­lichen Be­din­gun­
gen erst einmal so entho­ben, dass diese nicht in sei­nen Be­griff ein­­gehen müs­sen. Dann frei­lich
muss (kann) er tun, was ihm se­cundum legem com­munem nicht wi­der­­­spricht. Er kann nicht
den, dem er die Gnade gewährt hat, verdammen. Doch kann/muss er ein me­ri­tum nicht an­­­­­er­
ken­nen: Die acceptio ist ‘logisch’ charitas creata und meritum übergeordnet. Cf. Ord. d. 17 q. 3.
Soll Gott aber die Erwählung ex puris naturalibus in Verwerfung ändern können, müsste die
Inkonsis­tenz als Äquivalent der inexistenten Realität für den Satzausdruck negiert werden, um
diesen möglich erschei­nen zu las­sen. Er geht dann induktiv in dessen Abstraktion nicht ein. Cf.
Quaestiones variae, q. 6 art. 3 OT VIII.
101. W. Chatton, Ockhams Nachfolger in der Oxforder lectura sententiarum und sein Kritiker
hat sich mit Hil­fe der Postulation ontologischer Korrektheit solcher Vereinheitli­chung beflis­
sen. In ihr versagen die Argumenta­ti­­ons­­standards. Nicht nur der Kodex Ockhams.
102. J. Pinborg, 1972 p. 131 glaubt, dass Ockham keine Basis für den Allge­mein­­­heitswert des
universale ge­legt ha­be. Doch Allgemein­heit und Begriff müs­sen nur einfachhin erläuterungs­
wei­­se zu­sam­­men­fallen. Es muss nicht ei­­­ne genetische Erklä­rung gegeben werden, die ebenso
eine funk­­tio­na­­le zu sein hätte. Wir ver­las­sen uns damit auf die Erfahrung: die Funktion ist mit
dem prakti­schen Ge­brauch genug er­schlos­­sen. Dann muss und kann nicht Ontologie sein. Die
Abstraktion der Begriffe liefert die universalia. Da spe­­cies und genus nicht (mit einem Satz) für
einen Satz abstrahiert werden kön­nen, können sie nicht mit dem Wert von Begriffen als univer-
salia definit zusammen­stim­men.
103. Damit kann nicht mehr für Ontologie argumentiert werden. Von Ockhams Seite nicht,
so­dann überhaupt nicht. Es ergibt sich aber auch, dass eine formal neutrale Argumentation
ent­fal­len muss; sie würde der Determi­nat­heit von Annahmen nicht entsprechen. Die ontologi­
schen Annahmen (Maximen) besitzen sie also schwerlich.
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 155

angestellt wer­den.104 Ockham hat dies behandelt.105 Es gilt aber auch: Kon­se­quen­zen,
denen keine Ab­stra­ktion von genus und species entspricht, sind un­­zu­läs­­si­g (fal­sch),
wäh­rend je­ne, welche suppositionslogisch gerechtfer­tigt an die Stelle tre­ten, je­den Be­
griff oder Satz ent­hal­ten (einschließen) können, welche über­haupt Gel­tung ha­ben. Sie
sind aber in der Sco­­ti­schen De­duk­­tion nicht erfasst und nicht zu verarbeiten. Damit
er­kennt man noch ein­­mal, wie der Be­­griff der Definitheit unerlässlich ist.106 Damit
ist aber noch nicht ge­sagt, dass die Sco­­ti­sche Deduktion unzulässig sei. Sie wird es,
weil sie keine vernünf­ti­­­ge (zu­­­­lässi­ge) Ab­strak­­ti­on vor­aus­setzt107 und weil reguläre
Abstrakti­on dann seinen aus­sa­­gen­lo­­­gi­schen Im­plika­ti­ons­mo­dus nicht gestattet. Da-
neben arbeitet Duns Scotus innerhalb seiner De­­­­­­duk­ti­ons­­ket­­ten auch mit Syl­lo­gismen,
kann aber mit diesen keinen regulären (gültigen) Ab­strak­ti­ons­­mo­­dus gel­tend ma­
chen. Duns Scotus, De Primo Principio, hat die Abstraktion ent­we­­der mit den er­sten
Lehr­sät­zen (‘propositiones’ bzw. ‘conclusiones’ genannt) vorausge­schickt oder in­ter­­
me­di­är mit dem au­xiliären Gebrauch von aristotelischen Maximen (ontolo­gi­­schen
Prin­­zi­­pi­en oder Ausle­gun­gen), die er mittels Postulationen von prekärer empirischer
Re­levanz be­freit, nach­geholt. Ockhams zulässiger Ab­strak­tion ist seine Sup­po­sitions­lo­­
gik mit allen von ihm ap­probier­ten consequentiae konform. Sie stimmt nicht mit der
all­ge­­­mei­nen Lo­gik über­ein. Ockham verwirft aber nicht den ontologischen Sprachge­
brauch.108 Deren oberste Begriffe, wie Ockham sie verwendet, sind substantia und

104. Die syllogistisch auszuarbeitende Ontologie, die dann für ihre nachgeordneten Diszipli-
nen lei­­tend wäre, könn­­­te mit vernünftigen media nicht ausgeführt und substantiiert wer­den.
Wir kön­nen keine Beweismöglichkei­ten in den nachgeordneten Disziplinen schöpfen. Wir
müss­ten die Argumente aus der Ontologie entlehnen kön­nen. Ockham schätzt Beweise nicht,
die me­cha­­nisch geführt werden kön­nen: z. B. mit Gott als cau­sa extrin­se­ca om­­ni­­­um rerum. Sie
er­scheinen ihm nicht intellektiv.
105. Ockham unterschied essentiell nicht zwischen empirischen und theologischen Sätzen.
Cf. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 111 lin. 6–21. Da­nach ist auch beider technische Behandlung a fortiori
möglich und erst schlüssig.
106. Der Begriff der Definitheit ist konform damit, dass consequentiae, wie und weil sie for-
miert worden sind, nicht automatisch gelten. Folglich gibt es auch keine Ablösung der aris­to­
telisch-scho­lastischen Ontologie durch ‘Lo­gik’ (Suppositionslogik à la Ockham). Wir de­fi­nieren
durch diese nicht Defi­nit­heit. Die setzen wir voraus. Mit der formatio propositionis ist nicht
de­ren Geltung alias De­fi­nitheit gegeben. Cf. dieses Kap. zur propo­si­tio per se nota (am An-
fang) und Anm. 8 und 11. Es gibt bei Ockham keine Determinatheit der notitiae über die reale
Erfül­lung in re. Andernfalls wäre nicht einmal die propositio per se nota widerspruchsfrei zu
definieren.
107. Wo Abstraktion ist, kann kein integriert inhaltlich-logischer Beweis sein.
108. Ockhams Suppositionslogik und die in dieser und für sie erst zu erstellenden (i.e. noch zu
be­grün­denden) Geltung muss induktiv gesichert werden. Ist sie so, mitsamt der für sie und ihn
ihr zulässigen consequentiae, er­stellt, so sind diese wie ihre Sätze definit. Die Definitheit wird
156 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

accidens, dann noch for­ma. Was die Akte (notitiae) angeht, setzt Ockham die notitia
abstractiva als zentral an.109
Wir erfahren auf dem Wege und im Sinne der accidentia nichts, was deren An-
hängigkeit und Be­deutung oder Geltung (Existenz) in der essentia oder substantia ent-
spräche und somit ihrer substan­tialen Bedeutung, also auch einen Anteil in der forma
zu mei­nen hätte; diese Verbin­dung entspricht also keiner Erfahrung und Wahrneh­
mung. Zwar erfahren wir zuerst die acci­den­tia und somit die res oder sub­stan­tiae
über die acci­den­­­tia. Aber wir er­fah­ren nichts in den accidentia und so auch eben nicht
diese. Sie definie­ren damit auch nicht die Erfahrung im Sin­ne der Ho­mo­logie mit
dem Ver­stand. Denn sie drücken die substantia nicht aus. Wir erfahren nicht die res
(singularis) in se. Wir müssen annehmen, dass sich die substantia und das sub­iec­­­­tum
quasi ab­straktiv im Ver­­­stande bilden.110 Wir haben somit eine Er­fah­rung, die sich aus
der sinnlichen Wahrnehmung über diese hinaus fortsetzt hat und erst dort zuende
kommt, wo wir den im Verstand gebildeten Begriff haben. Das gilt dann noch einmal
für die sekundären Be­­grif­fe substantia, species, genus usw. selbst. Das hat Einfluss auf
die Deduktions- und Be­weis­­lehre bei Ockham: zunächst einmal so, dass die ontologi-
schen Begriffe oder Verständ­nis­se bzw. Regeln nicht selbst bewiesen werden können
und auch kaum in Beweisen ein­ge­setzt werden können. Wo immer sie von Ockham
discutando und zum Zwecke der refutatio ange­führt werden, kann ihre nicht unwan-
delbare, i.e. bloß kontingente und somit von der Er­fah­­­­rung abhängige Bedeutung und

also nicht für einen Kalkül angenommen und nicht über einen solchen gesichert oder ge­won­
nen.
109. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 257 lin. 15–20: „Et tunc, si duo ista, abstractivum et intuitivum,
dividant omnem cog­­ni­ti­onem tam complexam quam incomple­xam, tunc istae cognitiones di-
cerentur cognitiones abstractivae; et om­nis cognitio complexa (diceretur) abstrac­ti­va, sive sit
in praesentia rei stante cognitione intuitiva extremorum si­ve in absentia rei, et non stante co-
gnitione in­tuitiva.“ Eine Synthesis der Begriffe (im Verhältnis zueinander) kann danach auf der
Stufe der notitia abstractiva (logisch) nicht mehr angenommen (‘angesetzt’) werden.
110. Damit können diese Begriffe nicht im Sinn der Abstraktion, die sie ja zu meinen haben,
mit der Erfahrung di­rekt konvertibel sein und diese meinen oder begründen. Ockham hat so
kon­­sequent auch die Abstraktion über die notitia abstractiva, i.e. eine eigene notitia, ausge­
drückt und sie nicht in die genannten Begriffe verlegt, die eben im Sinn der Abstraktion neben
dem Inhalt doppelt aufzufassen wären. Ockham hat auch nicht die Ab­strak­­tion oder notitia
ab­stractiva im Sinn dieser ontologischen Begriffe angereichert oder bestimmt. Sie meinen nicht
diese direkt oder konkomitant. Es kann so vorab dasjenige Argument nicht geben, dass die
ontologischen Begriffe (oder ontologische Begriffe überhaupt) nicht sinnvoll seien (sein könn-
ten), dass sie vielmehr – gar nach­­­weislich – absurd seien. Nicht nur kann dies nicht be­wie­sen
werden. Der Beweis oder das Beweisinteresse sind durch die Problemlage, die zur Abstraktion
führt, bereits überholt. Danach fungieren die ontologischen Begriffe reprobativ. Damit wird
die implicatio negiert, die die extensionale Geltung in einer res per se resp. in multis rebus zu
bedeuten hätte. Cf. Kap. 9–11.
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 157

Geltung ins Feld geführt werden.111 Wenn Ockham nun auch an­nimmt, dass Beweise
im Syllogismus per media intrinseca gelten, also zunächst in­halt­­­lich und erst dann
im weiteren Sinne, i.e. non immediate, per media extrinseca,112 also nach lo­gi­schen
Regeln, hat er ei­nfach eine Selbstverständlichkeit be­züglich des Be­­wei­­sens formuliert:
nämlich, dass Beweise, wenn sie denn definierte Beweise sind, nicht falsch wer­den
können.113 Deren notwendige oder mögliche Struktur kennen wir nicht. Ob sie ei­ne
Fol­ge­­rung enthalten, mit ihr behaftet seien, ist da­her notwendig nach­ran­gig. Wir kön-
nen al­­so nicht bei den media ex­­­­trin­seca an­fan­gen. Wir wüss­ten da noch nicht, was ein
Beweis ist. Wir wis­sen es überhaupt nicht notwendig vorab.114
Nach dem was ein Beweis sei, der im Sinne der Abstraktion der termini von
der realen Gel­tungs­­­dimension in der Erfahrung angenommen werden könne, fragt
Ockham ganz deut­lich im Prolog der Ordinatio. Er fragt damit nach einem Beweis in
der abstrakten Geltung seiner Ele­­men­­­­­­­te, der Begriffe und der Sätze und zwar auch in
der Hinsicht, dass die notitia termino­rum und die notitia propositionum außerhalb
und neben deren notitia innerhalb des Beweises und Beweisens anfallen könne: sie ist
dann empirisch oder kontingent außerhalb dieser zu den­ken, ohne doch im Beweis
eben im Sinn der notitia intuitiva und abstractiva definiert zu sein. Also kann auch
der Beweiszug selbst, die Folgerung, die der Syllogismus darstellt, in­duk­­tiv gese­hen,

111. Nämlich gerade von der Seite der Erfüllung her. Diese, die ja ontologisch und semantisch
sup­­poniert (prä­su­miert) wird, würde es dann im Beweis oder mit ihm nicht geben.
112. Cf. W. & M. Kneale 1966 p. 289.
113. Sie dürfen dann nicht derart über die Implikation markiert sein, dass sie falsch sein könn-
ten oder qua Falschheit noch aliquomodo korrigierbar. In dem Sinne sucht Ockham dann kon-
struierend den ab­so­­lu­ten Beweis. Er heißt im Vollsinn demonstratio potissima und stellt darin
ein Modell dar.
114. Will man aber die weitläufigere Beweisart, die Ockham somit zwar zuließe, aber noch
nicht in Händen hät­­te oder präsentierte, auch nur einen Augenblick semantisch oder ontolo­
gisch denken (i.e. in dieser Weise be­grün­det denken), so müsste damit auch für jeden Sach­
ver­halt und schließlich das Beweisen schlechthin ontolo­gi­scher oder semantischer Natur sein.
Sein in dem Sin­ne sachli­cher, sachgerechter und realer (extramentaler) Ge­halt, selbst seine
Wahrheit stün­den damit gerade, entgegen der Absicht und grundlagentheoretischen Meinung
und Vor­mei­nung, noch dahin. Anders: die ganze Anlage der Erörterung (Theorie) müsste zir­
kulä­rer Art sein. Sie ent­spricht so nicht den Intentionen Ockhams. Er hat eine solche Ver­fah­
rensart und Begründung, wie man jetzt er­kennt, mit Grund ausgeschlossen und ver­mie­den
(umgangen). Müssten wir aber erst ontologische Beweise füh­ren, wie Duns Scotus das ver­sucht
oder semantische Grundlagen postulieren wie Walter Chatton, so hätten wir zwar eine Synthe-
sis der begrifflichen und logischen Erkenntnismittel versucht, sie aber noch nicht er­langt. Es ist
al­lerdings auffällig, dass W. & M Kneale sich um diese ontologischen und dann weiterhin die
seman­ti­schen Ba­sislegungen der Logik und Deduktionstheorie beson­ders kümmern und hier
eine Plau­si­­bi­li­tät suchen, die für den engeren und definiten Beweisbe­griff nichts zur Sache tut.
Ockham versagt dann für sie vorab auf die­sem vorder­hand iso­lier­­ten Felde, das, wie man sieht,
in negativer Weise relevant ist.
158 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

nicht über diese quasi empirischen actus der Begriffe und Sätze definiert sein und
dabei die Im­plikation bzw. die Geltung meinen. Insofern ist die empirische Geltung
darin nicht ge­meint und kann sie nicht gemeint sein, i.e. auch nicht im Sinne oder
nach dem Ver­ständ­­nis von Notwendigkeit.115
Ockham geht die Beweistheorie dort konstruierend an. Er geht sie rein men­talis­
tisch für die ac­­tus intellectus an. Er schließt so das fal­­sum aus. Im fal­sum gibt es keine
signifi­ca­tio. Ock­ham tut für den Auf­bau der Scho­­­las­tik, sie si­chernd, was Autrecourt
als für sie zu fordern, aber nicht zu erfüllen ange­se­­hen hat. Aber Ockhams Lehre geht
mit der Emen­dation, die kri­­tisch und im Rahmen der Kritik, die sie enthält, doch
Autrecourts separierte Standpunkte nicht zulässt, sondern sie selbst als absurd er-
weist oder exreguliert, den für epatant gehaltenen The­­sen Autrecourts zeitlich voran.
Sollte Autrecourt seine wenigen scheinbar radikalen, in je­dem Fall aber auch isolier-
ten und in nur wenig Diskussion gekleidete kategorischen Verlaut­ba­­run­­­gen Ockham
entnommen haben und sie von mehr als vom Hörensagen kennen, so be­stün­­de doch
der Widerspruch, dass er sie nicht wie Ockham in dem Ge­­flecht der Er­ör­te­run­gen
und so­­lu­ti­o­nes präsentiert, in welchem sie, wenn sie sich der Abstraktion verdanken
(wie die The­se zur notitia intuitiva, die ohne das Objekt, dessen praesentia sie doch
definitio­ns­ge­mäß wahr­­­nimmt, sein könne u. a.) und eben dadurch den Widerspruch
ausschließen (i.e. nicht ent­­hal­ten), den ihnen die Interpreten gerne zuschreiben,116
Durchgangsstationen (ca­sus117) innerhalb der Argumentation sind und eben nicht
jene scheinbar „kritischen“, schnei­denden Be­findungen, als welche sie bei Autrecourt
auftreten und erratisch werden.118

115. So gesehen kann sich auch die Implikation nicht abstrahierend (abstraktiv) über der Em-
pirie er­heben oder in der Abstraktion enthalten sein.
116. P. Vignaux, 1958 ist eine Ausnahme.
117. Belegfälle für nicht erlaubte consequentiae, die man für zwangsläufig halten möchte, die
aber nach Ockham abzuwehren sind. Wenn sie abgewiesen werden, führen sie nicht auf weitere
consequentiae, die man als Wider­sprüche zu erachten hätte. Das zeigt Ockham oft im Splitting
von casus. Bei diesen treten die Kau­sal­re­fe­renzen und Kausalbedingungen als em­pirisch mo-
difiziert, als mit kontingenter neuer Ausgangslage veränderli­che auf. Das lässt sich dann aber
empirisch aufweisen und induktiv begründen oder verwenden.
118. Ockham hat rational gebunden Kriteri­en auf­ge­stellt und be­rück­sich­tigt, die Au­tre­court
in un­ge­bun­dener Form provokativ wie­derholt und für unerfüll­bar ausgibt. So er­schien ihm das
scho­lasti­sche Er­kennt­nisstreben wert­­los. Er scheint radikaler als Ockham vermöge der in weni­
gen Thesen sich er­schöpfenden Diskussion. Al­so ra­dika­ler, so­fern man denken will, er knüpfe
an Ockham an und tue es zugleich nicht, i.e. per Äquivo­kati­on. Er ver­tritt ei­ne Absurdität, die
auszuschließen Ockham be­strebt sein muss. Sie könnte aber nur auftreten, in Kontradiktion
mit dem Beweisen selbst, wenn sie aus irgendwelchen besonde­ren, allgemeingültigen und um­
fassenden Termini folgte. Also beweisbar wäre. Sie müsste so mit diesen Termi­ni identisch sein.
Danach wäre es sinnlos, Beweise zu fordern, weil bezüglich dieser Sophismen zu gelten hätten.
Das hätte Autrecourt Kritik einen anderen Charak­ter zu geben. Sie könnte gattungstheore-
tisch nicht mehr als na­türliche Skepsis angesehen werden. Über Sophis­men und Logik darin
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 159

Dass Ockham die Strukturen hat, die die Argumentation ausmachen und von ihr
erzeugt wer­den und damit implizit die Implikation als internes oder äußeres Merkmal
der Sätze, der Kon­struk­tionen usw. ausschließt, hat eine bedeutende Folge: Wenn für
eine Anzahl oder alle Klas­si­fi­ka­ti­onen von Sätzen und ihre Rollen im (syllogisti­schen)
Beweis mit Ockham gel­ten soll, dass sie nicht von der Im­­pli­kati­on abhängen (sie auch
erkenntnistheoretisch nicht ge­winnen), dann werden die­se Fälle für sich de­ter­mi­­nat
und unte­r­­­­ein­­an­der kon­sis­­tent erschei­nen. Beides wird iden­tisch. Aber als in se kon­sis­
tent ist Ockhams Kon­­zept ge­­gen den Vor­wurf gesi­chert, die Scho­las­­tik stelle ver­­mö­ge
der Ab­sur­di­tät ihrer Be­grif­fe und ihrer Sätze ei­ne sinnlose Be­schäf­tigung dar.119 So gilt
der Fol­ge­rungs­be­griff indi­rekt doch: im Sinn der De­terminatheit, in Be­zug auf die er
zu besagen hat, dass die Fol­ge­rungen nicht gezogen wer­den können sollen, die nicht
induk­tiv bezüglich der Re­­­ali­tät und Empirizität oder vermöge ih­rer begründet wer­
den können.120 Es ist so aber auch erkennbar, dass die Implikation bei der Konstrukti-
on der demonstratio po­tis­si­ma nicht leitend bzw. unabdingbar sein kann.121 Die fi­des

müssten wir neu und separat nachdenken. Ein solcher Begriff ist Ockhams notitia intuitiva
nun gerade nicht; er könnte es gar nicht sein. Mit ihm muss eine andere Anlage angenommen
wer­den: dass em­pi­ri­sche Wahr­neh­mun­g (+ Be­griffsbil­dung) in der notitia intuitiva, dann die
kontin­gen­­te Aussa­ge in der notitia ab­stractiva, endlich was Beweisfä­hig­keit aus­macht und von
empiri­scher Erkenntnis unterschei­det, ihre media be­stimmt, auf der Differenz von in­ten­­siona­
ler Einsicht (Argument) und primärer Evidenz beruht.
119. Damit werden die Begriffsarten und Begriffsklassifikationen noch einmal zur Entschei-
dung der Frage, über Sinn und Unsinn (Absurdität) relevant werden können (oder müssen).
Das be­reits macht die Position Autrecourts äquivokativ. Die Entscheidung hängt nicht von
den Ter­mi­ni substantia und accidens, deren Trennung oder Be­grün­­dung bzw. gar im­­­mediaten
em­piri­schen Evidenz ab, sondern davon, in welchen begrifflichen Formen sie re­a­­li­siert würde
und be­gründet sein könnte. Hier operiert Ockham mit Induktionen, die dadurch in be­son­de­rer
Wei­se empirisch fixiert sind, dass sie mit Hilfe einer Negation bezüg­lich ihrer Basis kei­ne un­
be­­ding­te Realwer­tig­­keit mehr meinen; diese wird damit intensional und intentionell re­­du­ziert,
aber natürlich nicht bestritten. Es wird nur die unterlegte significa­tio nicht ausge­drückt oder als
in dem Ausdruck enthaltene unterstellt. Auch die Nichter­klär­­bar­­keit des conceptus als Zei­chen
bzw. der fehlende Aufweis eines empirischen (realen) Gegenwerts, würde die Scholastik und
Ockham noch nicht in Misskredit bringen können, sondern wiederum nur besa­gen, dass die
Phi­­lo­so­phie vielleicht zuerst sich mit der Fassung und Erklärung von ihr für zu­träg­lich und hin­
läng­­lich tauglicher Begrif­fe und Sätze zu befassen hätte. Wollte man sagen, dass Ockham nur
dies und quasi bloß in Ge­stalt von Prä­­liminarien getan habe, so ist zu entgeg­nen, ein­mal die
Frage sei prin­zi­pi­el­l und übere­po­chal von Be­deutung, wie mit Begriffen be­grün­det Er­kenntnis
ver­­bunden sein kön­­ne, dann dass dies historisch in der Zeit Ock­hams und Au­tre­courts zu den
scholastischen Begriffsbildungen oder Termi­no­logien ge­fragt wurde.
120. Die Implikation bezeichnet so die Determinatheit: Denn bei ihr entfallen mehrheitlich
Fol­ge­run­gen.
121. Argumentationstheoretisch tritt mit Ockham eine Verschärfung hinsichtlich der Bewer-
tung von Argu­men­ta­­­ti­on ein: Wo Argumentation ist, kann nicht mehr veritas sein. Verum und
160 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

christiana aber kann nicht ver­tei­digt werden.122 Doch stehen fides und scientia oder
doc­tri­na christiana und ratio nicht wirklich in Opposition. Sie werden genau in dem
Sinn vermi­t­telt und abgegrenzt, wie das scholasti­sche Mittel der Rationalität, das Ari-
stoteles’ Philoso­phie entnommen wird, Eingriffe und Re­­du­zie­run­gen erfährt. Im No-
minalismus Ockhams wird die Scholastik, die zu Notwendigkeit und All­gemeinheit
stre­ben musste, wenigstens wenn sie Argumente auftat und erfand, durch Ab­lei­tungen
ersetzt, die zur Kontingenz zurück­führen. In ihr werden Welt und Subjekt vermit­
telt. Doch sie ver­schmel­­zen nicht und können ein­ander auch nicht sub­sti­tu­iert wer-
den. Natür­lich wissen wir auch nichts über die divina es­sen­tia.123 Wir nähern uns mit

falsum rücken aneinander; der Wech­sel zwischen ihnen muss kontingent sein. Daher kann
aber auch nicht theoretisch oder kritisch und weltanschau­lich auf ihn abgehoben werden. Er
muss a parte argumentationis statuiert werden. Die bei Gödels „Un­­ab­leit­bar­keits­­theorem“ (1931)
für axiomatisierte mathematische Sy­s­teme gemachten Voraussetzungen: (1) Wahr­heit = Wi­­­­der­
spruchsfreiheit, (2) dass das System, dessen Wahrheit alias Widerspruchsfreiheit darin un­be­
weis­bar (un­ab­leit­bar) ist, wi­derspruchsfrei (wahr) sei, (3) dass die Aussagenlogik das ‘a priori’
vorstelle und (4) die mathe­ma­ti­sche In­duk­­tion die Deduktion legitimiere (ω-Konsistenz!), teilt
Ockham nicht. Sei­ne Er­ör­­terungen zei­gen dann, dass er es nicht tun muss. Seinem Verfah-
ren kom­mt ‘logisch’ die höhere Allge­mein­­heit und ent­schei­dende Überordnung zu. Denn er
‘beweist’ auf einem engeren Raum grundlegend bezüg­lich der Par­tikel und Ingredienzien des
Beweisens und der Satzbildung. Seine formierten Satz- und Beweistypen ab­sur­di­s­ie­ren die
Meinung, es müsse uns quasi anthropologisch bei Argumenten unabdingbar um ‘Wahr­heit’
ge­hen.
122. Für Ockham ist nur die Frage, ob die theologischen Aussagen oder die sie begleitenden
oder beinhaltenden Ak­te bzw. ha­bitus selbst als rationale zu klassifizieren sind oder in dieser
Hinsicht vorab ausscheiden. Sie kön­nen auch im ersteren Fall nie als wahr bewiesen werden.
Die klassifizierte ratio arguendi (= Beweis) bedeu­tet, dass eine in­tel­lec­tio in den Akten und
vermöge ihrer mit den Begriffen und Sätzen, in der formatio comple­xo­­rum be­züglich ih­rer
stattfinden kann. Auch das ist denkbarerweise bezüglich ihrer nur hypothetisch vorzustel­len,
gar bei ei­nem Wechsel über das menschliche medium in Begriffen und aus ihnen gebildeten
Sätzen hin­aus. Auch da den­ken wir in potentia, nicht in actu. Also nicht im Sinne einer de
facto unterstellten Wahr­heit. Es ist ein mit dem menschlichen Denken und seiner genetischen
Grundlage im empirisch ge­won­ne­nen Begriff kompatibler hypo­the­­­­­­­tischer ‘Fall’. Der dieserart
fiktiv empirische, rational keineswegs suspendierte, jedoch beim Verstandesakt un­­eingelöste
und entfallende Wahr­heitsmaßstab bestimmt dann auch nicht mehr Luthers Verständnis von
der fi­des nach In­halt und Funk­tion. Sie kann denn Wahr­heit in einem rationalen Sinn nicht
mehr sein. Was dann?
123. Ockham geht nicht an die Seiendheit Gottes in se wirklich heran. Cf. Ord. d. 7 q. 2 OT III
p. 142 lin. 3: „ali­­quid in Deo possit sic et aliter accipi“; das betrifft nicht die (ib lin. 4): „distinctio
praedicabilium de Deo, quae non sunt De­us.“ Alle Begriffe müssen an Gott (die essentia divina)
erst herangebracht werden. Das stellt die logischen Pro­­ble­me, die nach Ockham in der beweis-
theoretischen Überformung alles Logischen, bei de­nen das Logische wie das Ontologische, das
Erkenntnistheoretische und das Erkenntnispsychologische je nur in Dienst genommen wer-
den, i.e. in genau dem Sinne wieder ausgeschieden oder relativiert, als bedingt erscheint und
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 161

Ock­hams Met­ho­de den Aus­sagen, die die divina es­sen­­tia betref­fen, so an, dass sie
noch einem bo­nus intellectus (ei­ner ver­ständigen Auf­­­fas­sung) entsprechen. Wir kön­
nen die Strukturbestim­mun­gen der Sät­ze in die divina es­sen­­tia hineintragen und z. B.
über die Beweisbar­keit/­Nicht­­beweisbarkeit der Aus­sagen ent­scheiden, selbst wieder
bewei­send, et­wa mit­tels der persua­sio.124 Denn sie be­­wahrt den von der Im­­plikation
freien Struktur­gesichts­punkt. So entfällt die Implika­ti­on noch dort wo die Ableitung
in die Kontin­genz er­­folgt.125 Hier mag die superbia rationis bei Ockham persönlich
kulminieren; objektiv ist sie hinfällig, da die Methode sie zwar aufbaut doch zugleich
einkreist. Denn gelangen wir mit Ockham bis zu einem jenseits­weltli­chen Raum, so
müssen wir ihn als Auslöschung der ‘conse­quen­tia’ erfahren, an deren Ort wir nicht
mehr begründen und das heißt dann auch: nicht mehr induzie­ren konnten.126
Ockham hat, wie wir sahen, die übernatürliche Erkenntnis von Gott als für uns
bedingt not­wen­dig betrachtet. Er hat unsere Einsicht in Gottes Wesen, sofern dar-
in die tatsächliche Evi­denz enthalten wäre, bestritten oder ausgeschlossen. Er zeigt,
dass wir eine faktische Erkennt­nis von Gott nicht erwerben können evtl. aber schon
haben, wenn wir die Begriffe, die wir von Gott haben, ausgestalten, etwa über die
induktive Begründung der distinctio rationis für die göttlichen Personen und Re-
lationen sichern. Wir können von Gott propositiones per se no­tae haben, die darin
gleichwertig empirisch gelten (müssen): ‘pater prior filio est’. Es kann da keinen Ge-
gengrund geben. Der Satz, als solcher nicht über das Widerspruchsprinzip be­stimmt
und gestaltbar, unterliegt ihm auch nicht.127 Er müsste damit auf Dogmen stoßen,

so­gar dafür er­klärt wird, indem es reprobatio und refutatio gewährleistete. Cf. Kap. 2: Supposi­
tionslogische Iden­ti­tät und Kon­tingenz (zu Ord. d. 4–8).
124. Einen solchen Fall haben wir im in den Anmn. 11, 25,50 insgesamt genannten Text. Cf.
Anm. 126. cf. auch Ord. Prol. q. 2 OT I p. 75 lin. 9–12.
125. Die Widerspruchsfreiheit hört auf ein Maßstab zu sein. Der Widerspruchssatz entfällt
genau in dem Sinne, wie Empirie und empiriefreie Abstraktion zusammengebracht werden
(müssen). In dieser Form (der Verlage­rung) von Notwendigkeit vollendet und destruiert sich
die Scholastik, eben ohne apologetisch zu sein.
126. Könnten wir Ockham oder irgendeinen Philosophen, der von Gott spricht oder Theo-
logie treibt, auf den Wi­derspruchssatz fest­le­gen, so hätten wir in genau dem Sinn formell die
Unterscheidung von abstrakt und kon­kret, allgemeingültig und kontingent, aufgehoben: wir
hätten dort, wo Ockham, etwa qua distinctio rea­lis, we­nigstens die oder eine empirische Opti-
on festhält, diese weggelassen; wir wären über sie hinweggegangen.
127. Ockham zeigt, dass reine Zeichenformationen, welche in dem Sinne signifikativ zu sein
hät­­­ten, nicht per Im­pli­kation behandelt und entwickelt werden können; das ist der Sinn der
SL. Entsprechend kann intensionale Qualität von Ausdrücken, weder unmittelbar (recte) noch
reflexive, per reductionem ad absurdum ‘begründet’ wer­den. Der reductio ad absurdum würde
die fallacia entsprechen. Kein Sinn im Verhältnis (i.e. nach der Kom­bi­nation) von Be­griffen
kann, gleichsam über diese hinausgreifend, reflexiv per argumentum für sie begründet wer-
den. So müssen Begriff und Inhalt identisch sein. Das ist Ockhams Forma­li­sierung. Sinn­lee­re
162 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

nicht aber auf wirkliche oder a limine zu begründenden wissenschaftliche Strukturen


unseres Den­­kens be­­treffende Einsichten.128 Er kann vermöge der divina potentia ab-
soluta die wissen­schaft­­li­che Erkenntnis theologischer Wahr­hei­ten im strengen Sinn
zulassen;129 denn die scien­tia (conclu­sio oder notitia istius conclusionis), wie sie mit
dem Syllogismus (demonstratio po­tis­sima) auf­­­­tritt, ist von der Prämisse oder notitia
praemissarum real verschieden. Das ist die Be­din­gung des Eintretens (hypothetisch
gedachten Wirkens) der divina potentia absoluta; es gilt auch hier:130 „quod non sit se-
cundum communem cursum“. Die weltliche Bedingung gött­li­cher Intermittenz und

(A­b­surdität) entspricht der fallacia und kann also auch re­flexiv für Pri­märsätze begründet wer-
den; sie ver­lie­ren da ih­­ren Sinn (Intension). Dabei greifen die ver­schie­denen Stufen der appre-
hensio ineinander: Ockham kann so widerlegen (Ord. d. 35, q. 2 OT IV p. 441 lin. 3–11), dass es
„de ratione intellectionis est dependere ex suo obiecto.“ Got­­­t als Be­­weger des Himmels sei da
kein (wegen Gottes Unabhängigkeit gar selbstwidersprüchliches) Gegenargu­ment, denn: „hoc
non valet, quia non pot­est pro­bari quod om­nis intel­lec­tio intelligentiae moventis coelum de­pen­
det a coe­lo, et ta­men mo­vet coelum.“ Es gilt dann: „in no­bis non sem­per in­tel­lec­tio cau­­satur ab
obiecto, sed ali­quando cau­sa­tur ab obiecto ali­quan­do non.“ Ähnlich beim Überredungsbeweis
(Rep. II, 4–5 OT IV p. 55 lin. 16 – p. 56 lin. 5) „quod deus sit cau­­­sa libera re­spec­tu omnium.“
Ockham bekräftigt „tenendum est tamquam credi­tum quia non potest demon­stra­ri (sic!) per
aliquam rationem ad quam non responderet unus infidelis.“ Ali­quis nicht om­­nis! Aber: „per­sua­
de­ri tamen pot­est“. Hier entfaltet Ockham den Satz, dass Gott alle Dinge, die er her­­­vor­brin­­gen
könne, mit ei­nem Ma­le (ae­que primo) überblickt (respicit). Dabei muss er, wenn er welche
her­vor­bringt, frei wählen, also ei­ne freie Ur­sache (causa libera) sein, während die causa con-
tingens nicht frei sei. Auch hier ver­­bin­­­­­det Ockham zwei Ebe­nen und lässt sie ge­geneinander
durchgreifen. Es gibt also mehr Be­wei­se als Au­­tre­court glaubte, aber sie be­ru­hen darauf, dass
der Widerspruchssatz nicht im Sinne der unteren (kon­­­kre­ten) für die obe­re (ab­strak­­­te) gültig
oder definiert sein kann. Ockham kämpft mit seinem formalen Kon­­­strukt dafür, dass Be­grif­fe
(und Sätze) nicht sinnleer (absurd) seien. Das nahm Autrecourt in seiner Kritik an, der die
Scholas­tik als Mo­­dell­­be­reich tö­rich­ter Sätze und vergeblicher Erkenntnisbemühungen ansah.
128. Quine hat bestritten, dass die materielle Implikation einen sprachlichen intellektualen
Ausdruck organisieren und zugleich natürlich kategorial leiten und bestimmen könne, der ab-
solute Erkenntnis zu besagen vermöchte. Auch das muss gegen die Intentionen Autrecourts
sprechen.
129. Er widerlegt (Ord. Prol. q. 7 OT I p. 184 lin. 7–12): „quod habita fide primorum princi-
piorum theologiae, respectu quorum non est scientia proprie dicta nec cognitio evidens in
nobis, adquiritur scientia conclusionum sequentium ex illis principiis, ita quod conclusiones
sciuntur scientia proprie dicta, quamvis principia non sint evidenter nota.“ Er erweitert die
These (ib. p. 187 lin. 17 – lin. 20) „de potentia Dei posset esse scientia proprie dicta de veritatibus
theologicis, et forte in aliquibus ita sit de facto quantum ad aliquas veritates.“ Dann zeigt er in-
duktiv (ib. p. 187 lin. 20 – p. 188 lin. 15), dass da keine definite Beweisführung bestehen könnte.
Der Zusatz verstärkt (erweitert) die Induktion und setzt die selbst unexplizierte empirische Ba­
sis gegen die potentia Dei (sic!). Doch das Verhältnis von ‘propositio contingens’ und ‘propositio
per se nota’ zur res extra animam bleibt unerforscht.
130. Ib. lin. 20.
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 163

gemeiner Weltlauf sind hier wie immer zu unterscheiden. Über letzte­ren erhebt sich
die Erkenntnis, die sei es dem abstrakten Begriff vertraut, der von Gott und cre­­a­tu­­­­ra
univok gebraucht wer­den kann, sei es mit formalen Anordnungen arbeitet, die ein­
fach nicht ausgeschlossen werden können und damit einen neuen Typus der Standar-
disierung set­zen, der einen „herkömmlichen“ Deduktionsmodus der Scholastik wie
der Neuzeit ersetzen bzw. kompensieren. Ihn finden wir (gebrochen) bei Duns Scotus,
(proble­ma­­tisch) bei Spino­za, (programmatisch) in der „mathematischen Analysis“.131
Letzterer konnte via Konsis­tenz­prin­­­zip die absolute philosophische Erkenntnisform
nicht attestiert werden.132 Ockham be­zeich­­­­net eine Struktur, in der sich Jenseitswelt
und Diesseitigkeit im Sinne der Argu­men­­ta­tion und der für sie benutzten For­meln
und Floskeln weiter durchdringen.133 Seine Philo­so­phie ist mit neuzeitlicher nicht per
se vergleichbar.134 Die Kontin­genz extra animam wird von Ock­ham nicht zur Crux

131. Cf. F. Erwe, Differential- und Integralrechnung I + II, 1962.


132. Cf. K. Gödel, Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwand-
ter Systeme I, 1931.
133. Man denke an das Omnipotenzprinzip auf der einen und das Widerspruchsprinzip auf
der anderen Seite und das Ökonomieprinzip als Ausdruck eines Verbots des bedenkenlosen
Wechsels zwischen Empirie und Ab­strak­­tion. Da Gott selbst ohne allen Widerspruch sein
(können) muss, um überhaupt sein zu können, i.e. um an­ge­nom­­men zu werden, kann er nicht
mehr durch Widersprüche extra se ipsum bestimmt werden. Es scheint eher die Ab­sur­d­ität
schlechthin zu verkörpern, dass er durch etwas begrenzt (reguliert) werden könne, was nichts
mit ihm zu tun hätte. Das er­laubt den Gebrauch der Gottesvorstellung in Beweisoperationen
und insi­nuiert (rechtfer­tigt und in­tegriert) die Induktion; sie muss so wohl nicht analytisch
begründet werden (kön­nen). cf. Rep. II, q. 4 Utrum De­us sit agens naturale vel liberum OT V
pp. 52–79 ib. p. 69 lin. 15f: „hoc est de ratione prioris quod pot­­­­­est esse si­­ne posteriori sine con­
tradictione.“ Das be­gründet für Ockham eine bestimm­te consequentia. Es gibt dann Grenzen
Gottes, die allein in der schon von im emit­tier­ten Schö­pfung be­grün­det sind (ib. p. 66 lin. 13–
18): „Dico universaliter quod omnis forma quae potest produ­ci a Deo per potentiam Dei sine
subiecto (also ohne den Grenzfaktor) simpliciter creatur a Deo de facto. Sed si sint (sic!) ali­ae
formae (statt Ed. forma) – puta re­s­pec­­­tus – quae non pos­sunt creari a Deo si­ne subiecto vel
fun­­da­mento, tales non creantur. Istud tamen secundum di­co si­ne assertione.“ Cf. Rep. II, q. 19
OT V p. 414 lin. 16–20: ‘substantia est causa immediata concurrens cum Deo’! Auf die causatio
a solo accidente hat Gott keinen Einfluss. Bei der der substantia hilft er durch die con­­­ser­vatio.
Ockham nennt auch das universale forma: SL I c. 14 OP I p. 49 lin. 42f und ib. p. 48 lin. 33 – p. 49
lin. 3 mit Zi­tie­rung Avicennas: „est una ex formis quae sunt in intellec­tu.“
134. Man sehe, dass bei Ockham nicht Vermögen Gegenstand der Untersuchung sind, son-
dern Akt­e. Sie wer­den nach ihrer Reichweite bewertet. Noch die göttlichen Vermögen (potentia
absoluta und po­tentia or­di­­nata) werden auf menschliche Akte oder Bedingungen bezogen: Ab-
straktion und Empirie. Von Gott können sie, da sie keine menschlichen Akte sind, sondern nur
argumentativ auf unseren Begriffsgebrauch (z. B. causa usw.) be­zo­gen wer­­­­den, nur äquivokativ
gebraucht werden. K. Bannach, 1975 und J. Goldstein, 1999 verwei­sen da­rauf, dass Ock­­­­­ham
sie in den Quodlibeta als bloße modi loquendi bezeichnet und unter­schie­­den habe und ih­nen
kei­nes­wegs in der divina essentia einen ‘Ort’ (eine Verankerung) zuweisen wollte. Das hätte
164 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

des Denkens gemacht.135 Sie ist inhärentes Moment seiner Operatio­nen, Argumente
und Beweise.136 Beweisbarkeit steht dabei soweit infrage, dass sie schließ­lich nur noch
reflexiv per reprobationem für den scholastischen ‘Kategorienbe­griff ’ auftritt und ihn
ver­­­­­mittelst einer Negation auf die significatio bezieht137 und zu einer eigentümlichen
Begren­zung auf ein je partikulares Beweisziel von Beweis zu Beweis führt. Die dar-
in anhän­gi­gen in­tensional geringen Absichten werden von den Argumentationsfor-
men Induktion, per­su­­a­sio re­pro­batio getragen und realisiert, wie sie auch mit ihren

sein logisches Ope­rie­ren aufhe­ben müssen. Von intellectus und voluntas als Vermögen spricht
Ockham bei Gott und beim Men­schen.
135. Nach Autrecourt ist die Kontingenz (und unabsehbare Wandelbarkeit) in rebus, fiktiv ex
con­ditio­nibus re­­rum, der Grund, dass die Geltung der ontologischen Konzepte zweifelhaft sei,
die so für ihn Gleich­blei­bend­heit, Dau­­er, Stabilität und mentale Voraussetzung von Erkennt-
nisadäquatheit indizieren. Für Ockham dagegen ge­stal­tet sich die Widerlegbarkeit über den
in sich nicht auszuschöpfenden kontingenten Satz, der dem con­se­quens als fal­sa implicatio
gleichkommen kann. Nach Ockham ist ausgeschlossen, dass Folgerungen an Begriffe u. dgl.
anschließen und ihr constituens sein könnten. Es steht gegen eine Grundannahme des Duns
Scotus, die bei Autrecourt zwittrig zu seiner atomistischen Vorstellung tritt. Mit dieser aber
sollen sichere empirische Wahrnehmungen und eine an sie anknüpfende Implikation nach
Autrecourt wenigstens forderungsweise vereinbar sein. Ein ‘A priori’ bleibt so und wird ari-
stotelisch behauptet. Es stünde gegen Autrecourts Meinung von der realiter atomistischen und
nicht verlässlichen ‘Natur der Dinge’. Man hat hier aber auch noch anders über ihn geurteilt: Er
sei ein Vertreter der Konzeption des ‘significatum totale’, das wir hauptsächlich mit Gregor von
Rimini verbinden. Den Begriff des complexe significabile im Sinn der Satzentität und Satziden-
tität schuf nach K. H. Tachau, 1988 p. 278 Adam Wodham. Dann pp. 303–308. Tachau glaubt
p. 354, dass Autrecourts provokante The­sen sich auf die­se Wod­ham­sche Idee des com­ple­xe
signifi­ca­bile wenigstens zum Teil stützten, so dass Autre­court ontologischen Begrif­fen die Be-
deutung absprach, weil er sie als unanwendbar auf das com­ple­xe significa­bi­­le ansah bzw. auch
oh­­­ne com­­ple­­­xe significabile seiend. „There­in lies the real significance of Autre­court’s re­canted
positions.“ Und ei­ne petitio principii (Autrecourts und/oder Tachaus). Tachau hält ihre Deu-
tung p. 355 nicht durch.
136. Dies soweit, dass etwa die Satzarten einen schwankenden Wert bekommen und nicht
vollständig und definit begründet werden können. Darin stehen sie gegenein­an­der und erfah-
ren, wie sich in diesem Kapitel zeigte, an­ein­ander gleichsam intensional Subtraktionen. Wie
aber die Begriffe nicht ineinander übergeleitet werden kön­nen, so auch nicht die Sätze und
Satzarten (d. h. die Sätze nach ihrer Bestimmung). (Ord. Prol. q. 2 OT I p. 83 lin. 11): „non
semper complexum necessarium posterius potest demonstrari per principium primum, et­i­am
si ex ipso posset inferri syllogistice, sed cum hoc requiritur quod notitia principii possit cau-
sare notitiam posterio­ris.“ Aber auch in der notitia sind Begriff und Satz nicht in se angefasst,
erkannt oder gegenständlich, und zwar weder gegenständlich qua gemeinter res extra noch was
den Begriff, Inhalt usw. selbst förmlich in sich angeht.
137. Cf. Kap. 10: Beweis, Satz, Akt.
Kapitel 3.  Zum Verhältnis der Satzformen 165

Verschiebungen, den ein­deu­tigen Satz­cha­­rakter138 nicht zulassen.139 Es entsteht aber


damit eine ‘Ordnung’ der Akte, der Be­weislei­s­tun­gen, der Satztypen, der gewonnenen
und zum Teile eben auf die actus mentales selbst an­ge­wandten Maximen, der Begriffs­
typen, die, wenn sie auf Diskontinuität hinausläuft, indes oh­­­­­ne darauf auch gegrün-
det zu sein, eine bloße Kontrafaktur zu Duns Scotus ebenso wie die reprobatio Scoti
durch den eigenen Ockhamschen Gedankentypus überschreitet. Das Zen­trum, der
Schwerpunkt dieser Operationen liegt darin, dass, wie zwischen Begriffen (und Be­
griffs­ty­pen) keine Implikation bestehen kann, auch zwischen den Sätzen und schließ-
lich for­mell auch zwischen Be­weisen und Syllogismen nicht; damit wird das Fehlen
oder Entfal­len der Im­­plika­ti­­on Signum der Gebilde.140 Sie werden damit intensional
erscheinen.141

138. Er selbst kann in sich nicht wirklich und abschließend begründet werden, gleichsam ar-
gumentativ extrahiert wer­den. Seine Begriffe haben dieses bestimmte Verhältnis nicht; so gese-
hen hat er den festen funktionalen Wert gegenüber anderen Satztypen nicht.
139. Es betrifft auch Be­griff, ‘Sache’ und Sachbezug von scientia, cf. Anm. 133. Anders B.
Hägg­lund, 1955 p. 25: „Unter ‘sci­en­tia’ verstehen die Nominalisten nur die durch Syl­logismen
be­weisbare Er­kennt­nis so­wie diejenigen Prämissen, die die Vernunft un­mit­telbar als wahr
erkennt.“ Scientia meint bei Ockham na­tür­lich auch, nach dem Vor­gang des Aristoteles, die
conclusio im Syllogismus. Gleichwohl sagt auch folgen­des nicht allzu viel (ib.): „Es ist … der
streng aristotelische Wissenschaftsbegriff, der den Occa­mis­mus zwingt, zwi­­schen Theologie
und Wissen­schaft genau zu unterscheiden und daher auch die Wis­sen­­schaf­tlich­keit der The­olo­
gie zu verneinen.“
140. Hierin liegt eine individuelle Form des Denkens wie der Weltaneignung vor. S. P. Valéry,
Léonard et les Phi­­­losophes (1929), Variété III, 1936 p. 149f: „À mon avis, toute philoso­phie est une
affaire de forme. Elle est la forme la plus com­préhensive qu’un certain individu puisse donner à
l’ensemble des ses ex­pé­ri­en­ces internes ou autres – et ceci indépendamment des connaissances
que peut posséder cet homme.“ Und: „Plus il approchera dans la recher­che de cette forme d’une
expression plus in­­di­viduelle et plus convenable pour lui, plus l’acte et plus l’ouvrage d’au­trui lui
seront-ils étranges.“ Va­lé­ry, der so die Erfahrungen des Indivi­du­­ums als Grundlage der Reaktio­
nen und Ent­wick­lun­gen in der Form der Ge­dan­ken des In­di­viduums ansieht, schließt da­von
for­mell die Kennt­nisse aus, die das Individu­um haben kann. Dass alle Kenntnisse zusammenzu­
schießen hät­ten, damit überhaupt eine Kennt­nis oder Erkenntnis sei und schließlich die Welt
in toto ‘bündig’ erkannt worden sein müsse, und eben die Bün­dig­keit mit dieser Erkenntnis
besitzend und stiftend, wird hier nicht reklamiert. Sie ist auch nicht die wissen­schaft­­­liche. Wir
wissen nicht, ob die Welt intelligent angelegt ist und dürfen es nicht qua Gewitztheit kom­pen­
sie­­ren. Valéry jedenfalls kann Partikularvarianten als autonome Denkweisen denken.
141. K. Werner, Die nominalisierende Psychologie der Scholastik des späteren Mittelalters, 1881
Ndr. 1964 stellt p. 89 fest, dass für Ockham „sich das intellektive Wesen der Seele in das Dun-
kel einer unerforschbaren Ver­bor­­gen­­­heit zurückzieht“, aus der sich dann die Akte und nach
Werner ib. auch die Tugenden ‘blitzartig’ erhe­ben. Ock­­­­ham gehe averroistisch beeinflusst von
einem „empiristischen Naturalismus“ aus. Ockhams Ar­gumen­ta­­tion ist in der Tat nur möglich,
wenn diese Voraussetzung gemacht wird. Sie kann ohne sie nicht be­ste­hen.
kapitel 4

Fides et scientia

Thomas von Aquin hatte eine wissenschaftliche Theologie für möglich gehalten, die,
wie Ockham es aus­­drückt, mit einem Schluss (jeweils) de facto dem Muster der sci-
entia proprie dicta entspre­che: das muss bedeu­ten, dass diese scientia, als existent
zu­nächst nur für die Aktebene be­ur­teilt und hier auch nur nach dem Konzept der
scientia proprie dicta zu bewer­ten, bloß per in­duc­tionem begründet werden konnte.
Von vornherein muss da­mit gel­ten, dass wenn Thomas das nicht auch tut, er nur
widerlegt werden kann; also für seine sci­en­tia falsche Prämissen ha­ben wird. Nach
Ockham hat er diese falschen Prämissen, indem er für einen Akt der scientia proprie
dicta geoffenbarte Prämissen annimmt, mithin solche, die in der natür­li­chen Ver-
nunft per se noch keinen Erkenntnisstatus haben oder: nach der notitia ab­­stractiva oh­
ne einen actus iudica­ti­vus bleiben, der sie als wahr beurteilt. Sie müssten, gäbe es hier
die scientia proprie dic­­­ta, per syllogistischen Beweis als richtig und wahr beurteilt wer­­­
den. Das ist nicht ohne Wi­der­spruch möglich. Sie wären dann einem Beweis zufolge
als wahr und rich­tig eingese­hen, während die Prämissen in sich so nicht ein­gese­hen
wer­­­den könn­ten. Diese wären dann auch als falsche möglich, während sie doch unbe­
dingt le­gitimiert und legitimie­rend sein kön­nen sollten. Man käme aus einer Sphäre
nicht ge­netisch menschli­cher Akte und Begriffe zu ei­­­ner Sphäre genuin menschlicher
Ak­te und Begriffe, die so nicht signifi­kant gefasst und be­grün­det sein kann: derartig
kann es auch keinen exak­ten logischen Schluss gege­ben haben.
Ockham stellt die opinio Thomae dar: „Quidam dicunt quod habita fide pri­mo­
rum princi­pi­­orum theologiae, respectu quorum non est scientia proprie dicta nec
cognitio evi­dens in no­bis, adquiritur scientia conclusionum sequentium ex illis pri­
mis principiis, ita quod conclusio­nes sciuntur scientia proprie dicta, quamvis prin-
cipia non sint evidenter nota“. Thomas hat für die­se These Ana­­­­logien angeführt: die
Geometrie liefert Kenntnisse für die Kennt­­nis der Per­spek­­­ti­ve, die Arithmetik für
die Kenntnis der Musik. Die Theologie ken­ne so Prin­zipien, die Gott und die Seligen

. Dass wir so auch genau eine scientia proprie dicta zu haben hätten, wie Ockham sie defi­
nier­te (s. Kap. 3), hät­te auch zu bedeuten, dass sie, wie Ockham sie sehr einschränkend an­gibt,
induktiv, d. h. den Wahrheitswert über­neh­­mend und einbeziehend, für alle scientia zu gel­ten
hätte. Das schließt wieder aus, dass Wahrheit in se und sen­­su extramen­ta­li eine Rolle ha­be. Es
geht bei Ockham um menschliche Akte und deren ex­pli­zite und ver­­­­­­läss­li­che Be­stim­mung. Die
Frage „Utrum theologia sit scientia“ stellte zuerst Alexan­der von Hales.
. Ord. Prol. q. 7 OT I p. 184 lin. 7–12. Dazu s. Ockham mit Bezug auf das Omnipotenzprinzip
Kap. 3 Anm. 129.
168 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

kennten; dabei handelt es sich aber faktisch um den­selben Inhalt, also nicht et­wa um
einen mit dem menschlichen Denkvermögen kongruie­ren­den Unter­schied von an­­te­
ce­dens und consequens in der Folgerung oder beim Syllogismus.
Es ist nun die Frage, wieweit Ockham gegen diese These des Thomas von Aquin
ganz aus dem Stande schon gediegen terminologisch, zum Beispiel bezüglich und
mittels der sci­en­tia pro­prie dicta als Konstrukt und Terminus operieren will. Er
beschränkt sich zunächst auf den Ge­brauch der Induktion, die die Stufendifferenz
zwischen Abstraktion und Em­­pirie wahrt und eben auch herstellt. In diesem Rah-
men und in diesem Sinn treten seine ei­ge­nen Meinungen auf. Die Lehraussage des
Thomas bedeutet, dass Theologie und Wissen­schaft (oder natürliche Er­kenntnis, was
hier noch gleich ist) im Aktbegriff nicht einhellig und schlüssig seien. Dies wird von
Ockham deut­lich ausgesprochen. „arguo contra hoc quod di­­cunt quod fides prae­­­­sup­­
ponitur isti scientiae. Primo sic: numquam duo habitus iudicativi cir­ca idem obiec-
tum sic or­­dinantur quod unus ne­cessario praesupponit alium, – patet inductive –,
quam­vis habitus re­spectu unius obiecti prae­supponat habitum alterius obiecti. Sed
ista fides et ista scientia fo­rent circa idem obiectum se­cundum opiniones duas ulti-
mas. Igitur etc.“ Die In­duktion besagt, dass der (ein) ‘habitus iudi­cativus’ hinsichtlich
bestimmter Akte, hier Sätze, nicht einen an­de­ren ha­bitus iudicativus ‘einschließen’
könne, wenn beide demselben Objekt (das ist der Satz, com­ple­xum) gel­ten. Die Iden-
tität der actus oder Sätze wäre dann de facto nicht gegeben oder ge­­währ­leis­tet. Das
steht induktiv fest. Es bedeutet zugleich, dass die In­duk­­tion förmlich einen Re­albezug
als ihre Basis appel­liert oder hat. Fides und scientia sind ha­­bi­tus iudicativi bezüg­lich
der Sät­ze, die als ‘geglaubt’ oder ‘gewusst’ klassifiziert werden. Die Bezeichnung ‘habi­
tus iudicati­vus’ ist bei die­sem Be­weis und in dieser Erörterung als Funk­ti­ons­begriff
ver­wen­det worden. Mit ihrer Hilfe gelingt die Induktion, insofern es mög­lich ist, von
ihrer Stufe förm­­­lich auf die einer realen Gel­tung oder Identität hinabzusteigen. Ein
sol­­­­­cher Funktions­be­griff ist auch ratio: „Confirma­tur: quia qua ratione unus habitus
re­spec­tu uni­­us obiecti prae­sup­­poneret alium habitum res­pec­tu eius­dem obiecti, ea-
dem ratione ita esset de omnibus aliis; quod non est verum.“ Das ist kein ei­gent­licher
Widerspruchsbe­weis.

. Ib. p. 188 lin. 16ff.


. Ib. p. 188 lin. 23 – p. 189 lin. 2.
. Wo ein Funktionsbegriff eintritt, kann kein Widerspruchsbeweis geführt wer­­den; denn
er müsste ex actu ap­pre­­hen­sivo gelten. Dann aber müsste die Qualität der Gel­tung modal be­
stimmt werden. Das gerade wird durch die Funktionsbegriffe ersetzt; so ist das Omnipotenz­
prinzip im Sinne des Funktionsbegriffs zu verwenden und kann dann eventuell induktiv mit
mo­dal bestimmten Sätzen korrelieren. Dies insofern man eben auf die Realgel­tung in se nicht
rekurriert. Das geschieht bei einem Ge­brauch der Modi secundum compo­sitionem aber nicht
mehr. Nur bei einem Ge­brauch der Modi secundum divisionem gilt es noch; denn hier bleibt
das suppositions­logische Wahr­­­heitspräskript weiter bestehen: dass ein kontingenter Satz ‘wahr’
(förmlich wahr) sei, wenn (nur) die passio pro­positionis supponit pro eo­dem sicut subiec­tum
pro­positionis, demonstrando ‘hoc est hoc’. Modo com­posito vom Satz prädiziert, wird die
Kapitel 4.  Fides et scientia 169

Thomas will einen theologischen, i.e. transempirischen Gehalt oder Charakter der
Aus­sa­­ge in einen wissenschaftlich gewussten umgewandelt sehen, indem der zweite
aus dem er­sten ge­fol­­gert werde. Die Umwandlung müsste also durch die Folgerung,
das ‘Folgern’ in ac­tu, ge­sche­­hen. Das widerlegt Ockham. Er bestreitet also zumindest,
dass die ‘Folgerung’ schon ei­­ner Synthesis von Aussagen und Genesis von Begriffen
vorgreifen könne, bzw. sogar deren Mo­dus einschlösse. In diesem Sinne könnte man
dann wohl auch nicht die Ontologie oder re­a­lis­ti­­­sche Auf­fas­sung in der Universali-
enlehre mit der auf die materielle Implikation zu­­ge­­schnit­­­­­te­­nen Logik gleichsetzen.
Generell könnte man auch nicht eine empirische Er­kennt­­nis in ei­ne theologische und
transempirische umwandeln.
Zuvor aber widerlegt Ockham auch in anderer Form: Dabei hat die propositio
per se nota in die­sem Beweis eine Stellung und Bedeutung, die ihrer Funktion in den
Wi­der­legungen und Re­­­futationen in der Wissenschaftslehre Ockhams überhaupt
entspricht. Die propositio per se nota stellt die Art von Satz dar, der mit seiner Akt-
qualität unent­schieden zwischen notitia in­­tuiti­va (empirischer Wahrnehmung qua
Gewinnung der Begriffe und Bestätigung kontin­gen­­­­­ter Aus­sagen nach der Wahr-
nehmung der Begriffe, die ihn bilden) und der notitia abstrac­ti­va (mit Absehen von
der empirischen Wahrnehmung und Wahrung des reinen actus appre­hen­si­vus der
Begriffe ohne actus iudicativus bezüglich ihrer Richtigkeit und Wahrnehmung ei­­ner
res extra mentem) oszillieren darf. Die propositio per se nota ist einsichtig rein aus

Ebene der Real­geltungen in se nicht (mehr) adaptiert; man operiert auch nicht be­wei­­send ex
negativo, man bleibt aber mit der empirischen Geltung im Einklang, ohne sie direkt in An­
schlag zu bringen. Man macht sie auch nicht per appellationem geltend, so dass man sie denn
immer noch mein­te, ohne sie dem Satztypus nach zu aktuieren. Wir sind auf einer hö­he­ren
Stu­­­fe, auf der, wie der Beweis Ockhams es na­he­legt und enthält, der ac­tus iudicativus und ha­
bitus über die intellectio des Satzes entscheiden muss und nicht die un­mittelbare Evi­denz, die
der beatus usw. haben mag. (Zur Stellung der Funktionsbegriffe im Ar­gu­ment s. besonders auch
Kap. 7, Duns Scotus, vo­litio und Affekte betreffend.)
. Die realistische Auffassung in der Universalienfrage ‘widerlegt’ Ockham, indem er sie als
(bloß) sprach­li­chen Ausdruck aufgreift und dann dessen Absurdität im Sinne der Abbil­dung
auf Realverhältnisse betrachtet: zwei re­al unterschiedene res (substantia und accidens) können
nicht eines werden usw. Damit ist auch eine Grund­lage des Widerlegungsbeweises selbst ge­
streift und insofern unbegrifflich das Widerspruchsprinzip ersetzt worden.
. Die verschiedenen Folgerungsarten, die Ockham annimmt, beruhen stets darauf, dass re­
a­le Beziehungen ge­dacht werden können, die nicht aus einer einsehbaren Ei­gen­­art im Rea­len
ge­schöpft werden können, sondern klassifizierend bloß ein Verhältnis im Äußeren fest­stel­len,
etwa zeitlicher Natur usw. W. & M. Kneale und Pin­borg haben ihr Un­verständnis ge­äußert, in­
so­fern Ockham da nicht die materielle Implikation der Aussa­gen­lo­gik in den Blick genom­men
und zum Zentrum ge­macht habe. Sie würde, wie hier er­kenn­bar ist, seine Be­weis­ar­ten und
Eruierungen nicht tra­gen kön­nen.
. Ib. p. 187 lin. 16 – p. 188 lin. 2. Darauf wird zum Teil schon verwiesen in Kap. 3 p. 112
Anm. 129.
170 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

der Wahr­neh­­mung der Begriffe, wenn man sie erfährt, gleichgültig wie sie denn für
uns in unse­rem Be­wusst­sein und Verstand sich gebildet haben, nämlich ursprünglich
durch no­ti­tia intuiti­va. Die propositio per se nota ist aber auch unmittelbar einsichtig
im Sinn der Wahr­nehmung von Re­al­­verhältnissen. Also etwa, dass das Ganze größer
ist als der Teil. Das gilt in der empi­ri­­schen Wahrnehmung wie aus dem Verständnis
der Begriffe. Ob dabei für die abstrakte Ein­sicht des Sat­zes bereits Schlüsse nötig sind,
wenn sie wirklich abstrakt sein soll, wird von Ock­ham nicht erörtert. Die propositio
per se nota strebt im Prin­zip einem Gebrauch inner­halb von Wi­der­­le­gungen zu, sie
fixiert nir­gend­wo den Aktstandpunkt. Sie gibt auch in ande­ren Fällen das Nega­tiv­
zentrum einer Argumentation ab, in welchem die Bestimmung von Satz­­­charakte­ren
usw. de facto nicht abgeschlossen werden kann. Es ist also nirgendwo ge­sagt, was der
Sta­­­­tus einer pro­positio sei, wenn sie implizit und induktiv noch mit einer propo­s­itio
per se no­ta ver­tauscht oder ‘verwechselt’ werden kann, das heißt von dieser unge­schie­
den und unun­ter­scheid­­bar bleibt. Die propositio per se nota ist per se offen, i.e. unabge­
schlos­­­­­­sen nach ihrer Be­­­­stimmt­heit und entsprechend erscheinen die Sätze, die mit
ihr vergli­chen werden kön­nen, i.e. womöglich noch ‘propositio per se nota’ sind, weil
von ihr de facto ununter­scheid­­bar, eben­­falls als unabgeschlossen und selbst ebenso
wie ihre Termini (subiec­tum und passio) in­de­finit. Ockham erforscht dann an dieser
Stelle nicht Genesis und Syn­the­sis der Be­griffe oder des Sat­­zes. Das bedeutet unter
anderem, dass dieser ‘noch’ nicht auf der Stufe sich be­findet, auf der Satzwert und
‘Wahrheit’ fixiert werden könnten: u. U. als wi­dersprüchlich, als die mo­da­le Bestim-
mung falsum tragend, gar die Bestimmung ‘simpliciter fal­­sum’ (= ab­sur­dum).10
Ockham betrachtet also ausschließlich den Status der Begriffe und Aussagen,11
i.e. deren Cha­­rakter nach den Bestimmungen, die er ihnen nach der synthetischen
Funktion seiner Erör­terun­gen gibt.12 Er erörtert oder bestimmt nicht Inhalte außer-

. Z. B. wenn Ockham beweist, welche Aussagen oder Begriffstypen bezüglich der divina es-
sentia in einem be­stimm­­ten Fall nicht beweisbar seien. (Es handelt sich dann nur um eine Kate-
gorie solcher Begriffe. Der Beweis ist also wirklich auf einen casus ausgerichtet.)
10. Ockham kann also den Satzcharakter und die Wahrheit (bei Begriffen) grosso modo un­be­­
stimmt (sein) las­sen: er nähert sich dann der Unbestimmtheit schlechthin an, der Ab­­­sur­dität,
der Nichtigkeit überhaupt, die mit ih­nen vereinigt gesehen werden kann oder könn­te. Struk­tu­
ren der Sätze, die gelten und das heißt: klassifiziert sein sol­len, werden „ü­ber“ die­ser Nichtig­
keit etabliert, erfunden und ‘ermittelt’ – per inductionem, wenn nicht Wi­der­le­gun­gen voraus­ge­
hen, die die Unqualifiziertheit, falsitas usw. er­ge­­­­ben. Ge­gen­beispiele ha­­ben dieselbe Funk­ti­on:
patet per experimentum. Die Induktion vermeidet so Nich­tig­keit, Falsch­heit, Absurdität.
11. Dass über Aussagen, Begriffe (nach einer Bestimmtheit), actus-Begriffe usw. wie über ex­
tra­mentale Objekte operiert (= „bewiesen“) werden kann, verweist darauf und beruht da­rauf,
dass etwa die Absurdität (oder Inde­fi­nitheit), i.e. die Unerfüllbarkeit und die Unbe­stimmtheit
als in­ten­sionale, modale oder pragmatische Kategorien oder Konzepte bereitste­hen.
12. Cf. G. Leff, Gregory of Rimini, 1961 p. 236: „With Ockham, his logic was that of supposi­
tio; and it brought to the testing of a syllogism the same stringency, insisting in oppo­si­tion to
Duns that both a subject and its proper­ties must be verified independently.“ Das bezeichnet
Kapitel 4.  Fides et scientia 171

halb bzw. ohne diese auf die Struk­­tur bezogene synthetische Komponente der Bestim-
mungen. Nur auf sie beziehen sich die In­duktionen, die darin mit Ausschließungen
und Widerlegungen gleichziehen. Damit gilt auch für ihn, was hier für Duns Scotus
zuvor und nunmehr für Thomas von Aquin dargelegt und behauptet wird: dass die
historische Erscheinungsform einer Lehre nach dieser Argumen­ta­ti­ons­form für die
Scholastiker sich als defiziente analytische Form der Aussage oder Be­weis­­­­­führung
wiederge­ben lässt. Auch Thomas von Aquin hängt erkennbar einem ana­lytischen
Konzept der Darstellung und Begründung an, hier für die scientia selbst, bei wel­chem
die Fol­ge­rung tragende Säule und zugleich, wie Ockham zeigt, uneinlösbar ist. Denn
die Folge­rung kann nicht bestehen, wie die Induktion zeigt, die sie reflexiv aufgreift.
Sie greift auch auf die sig­ni­ficatio unterhalb der Akt­ebene zurück, wenn Ockham sagt,
„inducti­ve patet“ dass ein ha­bi­tus nicht identisch mit ei­nem anderen und anders be-
zeichneten sein kann, der dann noch für dieselben Akte (proposi­tiones = complexa)
gelten können, also ‘ju­dicativ’ (sei­nen) Ge­­halt gel­tend machen können soll.13 Man
könnte auch sagen, dass Ockham immer bei die­­sem ac­tus apprehensivus stehen blei-
ben müsse, so dass er dies hier sogar noch a fortiori und ex­press zu beweisen hätte.
Dem actus apprehensivus schließt sich der habitus unmittelbar an und zwar für die
Begriffe sowohl wie für die Sätze (und beides dabei nicht identisch).
Der Übertrag aus der außer- und übermenschlichen Intelligenz oder intellec-
tio, sei es Gottes oder des Engels, auf die mensch­­­­liche ist damit auszuschließen.14
Ockhams Beweise erlau­ben ihn nicht. Andernfalls wäre Verlässlichkeit der Aussa-
gen oder Bestimmungen usw. nicht ge­ge­­ben. Sie wären potentiell absurd.15 Auch in

kein durch­gängiges und nicht Ockhams einziges Verfahren, wenn­gleich ein nach strukturellen
Kon­texten, die so definiert werden, explizit wiederholbares. Er wi­der­spricht al­­­­­ler­dings der Sco-
tischen Auffassung, Begriffe (subiectum und passio) könn­­ten einander ‘ent­hal­ten’.
13. Der habitus iudicativus aber gilt einzig hinsichtlich von complexa, während der actus iu­
di­ca­tivus incomplexa auf­fassen kann, etwa innerhalb der notitia intuitiva, die aus einem actus
ap­prehensivus und einem actus iudica­ti­vus besteht oder zusammengesetzt ist, also besagt, dass
neben der apprehensio eines Begriffs, etwa ‘puella’, fest­ge­stellt werden, dass der Begriff in An­we­
senheit eines Mädchens gebraucht, demonstrando istam, zutreffend, die Wahrneh­mung ‘haec
est puella’ also richtig oder wahr sei.
14. Das schließt nicht aus, es schließt es vielmehr ‘ein’, dass dieselben Abstraktionsbegriffe, die
für alle Erkenn­t­nis­se, eben so weit wie wir sie uns vermitteln können, auch für Gott und Engel
ver­wandt werden können und müs­­sen: notitia intuitiva und notitia abstractiva. Dasselbe gilt
für alle Aktbegriffe, volitio, intellectio etc. in ge­ne­re. Den Begriff der causa etwa ebenso.
15. Das schließt nicht aus, dass in der umgekehrten Richtung per Abstraktion und Induktion
für Ockham die Sehr­woh­lmöglichkeit (Kompatibilität) von Erkenntnissen ange­nom­men wer­
den kann, die wir nicht haben, die aber auf der Basis derselben Grundbegriffe wie notitia intu­
i­tiva und notitia abstractiva gedacht werden sollen, bei de­nen etwa die divina essentia als ‘res’
das Erkenntnismittel des beatus usw. infrage komme oder ein son­s­ti­ger ter­m­inus, den wir pro
statu isto nicht haben. Davon zu unterscheiden der conceptus, den wir als mensch­li­chen ter­­mi­­
nus quasi haben.
172 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

kei­­nem ordo compossibi­lis, i.e. in einer von der unseren verschiedenen aber ihr noch
ver­gleich­­baren Welt, könnte diese Einsicht, weder für uns noch für andere Wesen,
gegründet wer­den.16 Wir könn­ten aus dieser anderen Welt keine be­­griff­liche causa
immediata für die unsere entnehmen. Die ei­ne über un­se­­ren Teil der Welt, al­so über
die welt­li­che Welt hinausge­hen­de ande­re über­welt­­li­­che Welt kann ent­spre­chend dem
Verfah­ren, das mit Ab­straktion und Induktion ar­­­­­beitet, i.e. we­gen die­ses Ver­fah­ren
von Ab­strak­ti­on und Induktion selbst, abge­trennt wer­den. Werden vor die­sen Mit­teln
der Ab­strak­ti­­­on und der Induktion, die ja von der empirischen Basis aus­geht, kei­ne
Be­­zie­­hungen zur Jen­seits­­welt an­ge­nommen, so werden auch die Ausgrif­fe, die da­nach
mög­­lich sind, nicht als Vor­grif­­­fe auf un­sere Welt ver­standen werden können, die eben
diese im Sinn der Definit­heit und der Empi­rie zu betreffen, zu beschädigen, außer
Kraft zu set­­zen hät­­ten. In diesem Sin­­ne kön­nen Prinzi­pi­en wie ‘non est magis ratio
quod’ und das Om­ni­po­tenz­­prin­zip in die De­batte ein­tre­­­ten. So gilt:17 „non est ma­ior
ratio quod ne­cessa­ria cre­di­bi­lia sint sci­ta sci­en­­tia pro­­prie dic­ta quam quod ve­ri­­tates
contin­gentes credibi­les sint evidenter no­tae mo­­do suo. Sed istae non sunt evi­den­ter
no­tae; tunc enim posset qui­li­bet scire se esse in ca­rita­te, quod cor­pus christi est in al­­­
ta­re, quae videntur simpli­ci­ter falsa. Igi­tur ne­ces­­saria the­o­lo­gi­ca non sunt scita scien-
tia pro­­­p­rie dicta.“ Auch Wahr­­heiten, von denen Ockham zu­gibt, dass sie not­­wen­dige
Wahrhei­ten sei­­en, wer­den als in kei­ner Weise in unsere Welt über­tragbar an­ge­­se­hen,
damit offenbar aber auch nicht als dem Men­schen ein­zu­pflan­zende.
Auch das Omnipotenzprinzip, nominell doch eine erklärte Formel mit Bezug auf
die Über­welt­­­lichkeit, wird von Ockham hier noch gegen Thomas von Aquin gewandt,
wie die­ser die Paral­le­li­tät der Dies- und der Jenseitigkeit, im Sinne einer Folgerung
und Fortsetzbar­keit zu­gleich, be­hauptet. Es wird derart gegen Thomas gerichtet,
dass für die Überweltlichkeit ge­mach­­te Annahmen, bzw. Ide­en und Erkenntnisse,
Gewissheiten usw., die im Geist Gottes z. B. anzusiedeln wären, per Folgerung und
Fortset­zung, zu Schlüssen für den Menschen zu füh­ren hätten, mit de­nen dieser eine
in sich, i.e. welt­lich be­stimmte Gewissheit und Erkenntnis ge­­wönne, so wie ihm die
Gewissheit kraft der hö­he­­ren Des­zendenz für die Prämissen oder Prin­zipien auch ga­
rantiert sei. Eine solche Argu­men­­­­­­­­ta­ti­ons­­struktur bereits steht der Induktion entge­gen
und kann faktisch von Ockham daher nicht akzeptiert werden. Sie wäre gleichsam
noch nicht begrifflich. Wir können uns mit Ockham auf reine Begriffe stützen oder
uns auf sie ausrichten, nicht auf bloße Vorstellungen. Insofern natürlich auch Duns
Scotus in der Ten­denz wenigs­tens Be­griffe benötigt und gebraucht, und Thomas zwei-
fellos rational und somit auch begriff­lich denkt, stellt Ockhams Einspruch wesent-
lich nur eine formative Analyse dar und ist da­mit rein intensional. Sie beantwortet
die Frage: wie können wir Begriffe rational und metho­disch definit gebrauchen?18

16. Die Argumentation bleibt und besteht praeter contradictionem.


17. Ib. p. 188 lin. 10ff.
18. Das kann dann nicht mehr unbedingt unter Abstützung im Widerspruchsprinzip oder – be­
griff geschehen.
Kapitel 4.  Fides et scientia 173

Das Omnipotenz­prinzip stellt dabei einen Funktionsbe­­griff dar, der nicht gegen die
natürliche Erkenntnis greift und nicht in sie eingreift:19 „quod quan­­tum­­cum­que de
potentia Dei absoluta posset esse sci­en­­­­ti­a proprie dicta de veritatibus the­o­lo­gi­cis, et
for­­te in aliquibus ita sit de facto quantum ad ali­­quas veritates, tamen quod non sit
se­cun­­dum commu­nem cur­sum, arguo primo sic: omne quod est evidenter notum
aut est per se no­tum; aut notifi­ca­tum per per se nota; aut per expe­ri­entiam me­diante
notitia intuitiva, et hoc me­diate vel im­me­diate. Sed nullo istorum modorum pos­sunt
ista credibilia esse nota. Quia non sunt per se nota, mani­festum est; tunc enim essent
no­ta in­fi­delibus. Nec notificantur per per se no­ta, quia tunc qui­cum­que infidelis in­
terrogatus de eis as­sentiret, secundum beatum Au­­­­­­gustinum I Re­tra­c­tio­num cap. 8.“
Es gäbe mithin hier eine Befragungsmethode, die dann aber de facto logischen
Charak­ter ha­ben können müsste, und da den propositiones per se notae gälte, und
hier mit dem Auf­bau und Erwerb der propositiones zu tun haben müsste. Die Befra-
gungsmethode müsste vorab schon nach einem logischen Charakter geordnet sein.
Also kann der Status der pro­positio­nes per se notae in sich auch nicht ganz geklärt
sein. Man müsste in diesen ein­grei­fen und in ihm an­­­­ge­siedelt die Erstellung der Aus-
sage oder Erkenntnis betreiben kön­nen. ‘Da­her’ unter­schei­­den sich diese Aussagen
auch von denen, die per notitiam intuitivam allein gelten kön­nen: „Nec sunt nota per
experientiam notitia intuitiva mediante, quia omnem notiti­am intu­iti­vam quam ha-
bet fidelis habet infidelis; et per consequens quidquid potest fidelis sci­re evi­den­ter
me­­­­­­­­­diante notitia intuitiva, et infidelis, et ita infidelis posset evidenter scire ista cre­
dibilia.“ Der infidelis kann aber auch nur nicht im Sinne der Ausgangs­vor­aus­setzung
(Prä­mis­­­se) die­sel­be Er­­kenntnis haben wie der fidelis ex fide. Ockhams Beweis­füh­rung
gilt also im Sinn der Vor­­aus­set­zung bereits und nur induktiv. Ockham gebraucht da-
bei das Omnipo­tenz­prinzip indes bloß partikular, nicht im Sinne eines Durchgriffs,
des octrois ante om­nem cir­cum­­stan­ti­am. Die Umstände, speziell in der dis­tinctio
realis dargelegt, hatten immer zur weltli­chen und in­ner­welt­­lichen Begrenzung die­
ses doch formell überweltlichen Prinzips ge­führt. Auch hier an un­se­­rer Stelle hatte
Ockham das Omnipo­tenz­­­­prinzip bloß partikular ver­wandt oder in An­­­­schlag ge-
bracht; es reicht nicht wei­­­ter als dass es die Definitheit sichert: diese muss Tho­mas
bestrit­ten werden. Der Übertrag zwischen den beiden Weltbereichen wird gekappt. Oh­
ne­hin kann die Kausalität mittels des Om­­­­nipo­tenz­­­prin­zips bloß derartig gesichert
werden, dass induktiv (für die Induktion) von der cau­­sa necessaria zur causa suffici­ens
fort­ge­schrit­ten wird. Die cau­sa sufficiens enthält gleich­sam eine innere consequentia,
die dann de­­ren Ver­hält­nis an­­­­gibt oder darstellt. Die Not­wen­dig­keit wird dann so sta-
tuiert, dass sie nicht mehr zu­gleich ei­ne em­pi­rische ist.20 Die empi­ri­­sche Kau­­salität ist
aber für Ockham keine der unbe­ding­ten und un­mit­telbaren An­­gren­zung von causa

19. Ib. p. 187 lin. 17 – p. 188 lin. 9.


20. Dieser Fall kommt in der Dogmenlehre, bezüglich der Heilsordnung vor. Ockham kor­ri­
giert dann land­läu­fi­­ge dogmatische Vorstellungen oder Auffassungen. Causa sufficiens (oder:
ratio sufficiens) bedeutet dann, dass ein determinater Faktor keine empirische Verbin­dung
174 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

und effectus, wobei die causa als eine einzi­ge und de­finit un­mittelbare die Wir­­­­kung
auslösende, also mechanische, gedacht wä­re. Causa und ef­fectus sind nicht im Bilde
vonein­an­der darstellbar. Wir finden keine inneren Merkzei­chen des effec­tus in der
causa (und umge­kehrt), so dass sie einander zugeord­net sein könnten.21 So greift die
Allmacht Got­tes nach einer kontingenten Ordnung ein, nicht nach ei­ner not­wen­di­
gen im Sinne wesenhaft ver­­­bundener Erscheinungen.22 Als generelle conclusio quoad
no­­mi­na­les kann aber gelten: indem die In­duk­tion mit der Stufendifferenz zwischen
Ab­straktion und Em­pirie zu tun hat, dieses Gefälle wahrt und argumentativ her­­­­­­stellt,
wie hier er­kenn­bar auch die opinio Ockhams selbst, kann sie die Abstraktion über die
Empirie hinaus­he­ben und die­se Em­pi­rie zugleich im Blick be­halten, wie denn wenigs­
tens förmlich hier auch ge­schieht. Denn fi­de­­­lis und infi­delis sind ja auch praktisch
und empirisch ge­schie­­­den, weil die opinio beide Stu­fen oder Ebenen nicht vermischt.
Am Ende redu­zie­ren sich darauf, wie man nach die­ser Dar­stel­lung ver­­muten darf, die
Diffe­renz und der Ge­gen­satz Ockhams zu Thomas.
Was die Differenz zwi­schen Duns Scotus und Ockham angeht, so soll generell
ver­­­mutet wer­­­den, dass eine analytische Funktion zwischen Aus­sagenteilen in den The­
sen des Duns Sco­­­­tus als improbat zurückgewiesen werden kann und entsprechend
‘logisch’ und ‘illogisch’ ein­ander naherücken. Wie die Differenz zwi­schen Ockham
und Duns Scotus sich aus­nimmt, lässt sich leicht zeigen. „Quod autem theo­lo­gia sit

oder Auslegung mehr nötig haben soll; dies wird negiert. So­mit wird eine Abstraktion auch
hier vermöge der Argumentation, die die causa oder ratio sufficiens statuiert, vor­ge­nom­men.
21. Ockham hätte, wenn er den Weltbegriff mittels des hemmungslosen Gebrauchs des Om­ni­
potenzprinzips er­kennt­­nis­­­theo­re­tisch zu ver­unsichern vorhätte, konsequent auch die Psycho­
logie der Akte und Af­fek­­te destabili­sie­­ren müssen, die u. a. die Glaubenslehre und Er­läuterun­
gen des evan­ge­li­schen Gesetzes zu tra­gen ha­ben: die­ser Teil des Christentums könn­te dann
nicht mehr aus­ge­legt und adaptiert, i.e. nicht mehr vermittelt werden. Es gä­be gleich keinen
Maßstab mehr für ihn. Der Vater und der Sohn würden im Wi­derspruch stehen. Wir haben
je­doch in der Psychologie bei Ockham nachweis­lich einen be­­sonders festen Teil der Em­pirie,
der indes, weil hier Kausalver­häl­tnisse, Kontin­genz, Rela­ti­­ons­­be­­griffe vorliegen, bezüg­lich ir­
gendwelcher scheinbaren Not­wen­dig­keitsver­hält­nisse mit­tels der Ar­gu­men­tation Ockhams
revidiert werden kann: Kein Begriff ent­hält fak­tisch einen anderen, keine causa ih­ren effectus
in einer die Auslegung dominieren­den Weise. Das unterwirft auch die Chri­sten­­leh­re der Ratio­
na­­lität. Es fragt sich, ob in ei­nem präg­nan­­ten Sinn auch der Rationalisie­rung. (Der neu­zeitli­che
Ra­tionalismus ist thematisch vor­ab auf den Schö­pfer­­gott fest­ge­legt.)
22. Cf. den Gottesbeweis des Duns Scotus, der eine solche Wesensordnung, zuvor beweisför­
mig dargelegt, zum Aus­gang für den Aufstieg zu Gott nimmt. Die potentia divina absoluta
wird von Ockham allein loquendo na­tu­ra­li­ter für kontingente und empirische Sachverhalte
eingeführt. Das beweist bereits, dass sie diese nicht grund­sätz­lich stö­ren soll. Loquendo supra-
naturaliter wird die potentia divina absoluta dann modales Prädikat von (mo­­da­len) Sät­zen, die,
der empi­ri­schen Obligation entzogen, diesen Modus dann modo composito empfangen, al­so
nicht mehr dem suppositionslogischen Wahrheitspräskript für kontingente Sätze unterliegend.
Da könnte sie nur modo divi­so gelten.
Kapitel 4.  Fides et scientia 175

scientia, probatur, quia illud pot­est sciri de quo scitur quod ad ipsum non sequitur
im­pos­sibile. Sed de quolibet theologico pot­est sciri quod ad ip­sum non sequitur im-
possibile, quia vel erit peccatum in for­ma et potest sol­vi, vel in materia et potest ne-
gari, quia ex hoc ipso quod est falsa, non est per se nota.“23 Wenn Duns Sco­tus sagt,
dass was per se notum sei, nicht falsch sein könne, dann rechtfertigt er, was dem
ac­tus appre­hen­sivus – und sei es per notitiam intuitivam – angehört, durch einen
meta­phy­sisch zu verste­hen­den Wahrheitswert; das enthält oder fordert wohl einen
gewissen Zir­kel­schluss: das per se notum müsste zusätzlich durch die Bestimmung,
dass es nicht falsch sein könne, definiert oder ergänzt werden. Die opinio se­quens
aliquid per se notum, hieße das wo­möglich auch, non pot­est esse sine actibus conclu-
dendis. Es müsste etwas gegen die fal­­si­tas gesichert sein. Wie denn? Das per se notum
müsste so ‘allgemein’ für das Erkennen ste­hen können, worin es nicht ausgewiesen
ist. Bei dem Widerlegungsbe­weis Ockhams ge­gen Tho­­­­­­mas steht es sogar umgekehrt
beschränkt und sehr speziell, nicht für das Erken­nen all­gemein. Nach Duns Scotus’
oben zitierter opinio müsste Wahrheit forderungsweise durch Schließen gesichert
werden können, ohne notwendig durch Schließen bestätigt werden zu müssen. Es
hieße, dass das logische Folgern potentiell, wie Ockham bei Erörterung des Verhält-
nisses und Unterschieds von medium intrinsecum und medium extrinsecum zeigt,
„auch“ außerhalb des Operierens steht. Dieses kann damit logisch sein oder nicht; es
tut nichts zur Sache.24
Für die Lehre von der demonstratio (im Syllogismus) gilt, dass die notitia praemis­
sa­rum cau­sa notitiae conclusionis sei. Nicht aber die praemissae (als Sätze oder Akte)
cau­sa der conclu­sio. Ockham beruft sich dazu auf Aristoteles, der indessen nicht ganz
dasselbe sagt. Die ne­ces­­­­sa­ria sind necessaria nicht notwendig bereits durch den logi-
schen Schluss im Syl­­­logismus, der­art, dass sie damit auch scientia proprie dicta und
„scita scientia proprie dicta“25 wären. Wür­­­­de die Notwendigkeit aus Syllogismus oder
consequentia geschaf­fen, gäbe es die Indukti­on nicht, die, wie man sieht, jede Deduk-
tion oder Nichtdeduktion über­­­­­fas­­sen kann, bzw. eine De­duktion auch als scheinbare
entlarven. Die Scholastik war gezwungen, Not­wen­dig­keiten zu schaffen und sie schei-
terte daran. Bedenkt man, dass damit contingentia als Not­­­wen­digkeiten er­scheinen
und ausgegeben werden könnten, so wäre die An­strengung über­flüs­sig und sinn­los;
man könnte aus contingentia Sätze folgern, „quae vi­den­­tur simpliciter fal­sa“.26 Es gibt
kei­­­ne Mög­lichkeit, kon­­tingente Aussagen so als propositi­o­nes per se notae zu denken,
dass da­mit, wie sie struktu­riert sind, Aus­­sagen als wahre ‘folgen’ könnten – nämlich

23. Ib. p. 186 lin. 8–13 (Bei Duns Scotus Repor­ta­tio Paris., I, Prol. q. 2 nn, 6–12 ed. Wadding,
XI-1, 15b–19b).
24. Duns Scotus’ Programm oder Konzept bzw. Theorie, wie wir es aus seiner Deduktions-
bzw. Beweispraxis kennen, wird hier nicht beachtet. Es erweist sich ‘bezüglich dieser Stelle’ als
gebrochen oder diskontinuierlich
25. Ib. p. 188 lin. 15. Gesamter Textabschnitt s. Angabe Anm. 8.
26. Ib. p. 188 lin. 14. Gesamter Textabschnitt s. Angabe Anm. 8.
176 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

im Sinne des lo­gischen Schlusses –, während aus ihrer Verneinung absurde Aussagen
zu fol­gen hätten, die aber nirgendwo aufträten. (Wenn ja, so könnten sie als falla­ciae
erkannt und emendiert wer­den.) Im Grunde hat Sco­tus, mit seiner These, dass credi-
bilia, in­dem sie ‘non ad impossibile du­­­cunt’, ‘wah­r’ und ‘wissenschaftlich’ erkennbar
seien, ver­sucht zu zei­gen, dass sie propo­si­ti­­­ones per se notae sei­en. Das hat Ockham
mit die­sem Ar­gu­­ment fak­tisch zu­rück­gewiesen. Ob Scotus damit – auch – auf den
Syllogismus re­kur­rieren woll­te,27 oder ob er das Beweis­mit­­tel im Beweis nicht viel-
mehr offen ließ, soll ebenso uner­ör­tert blei­ben wie die Frage, ob nicht Duns Scotus
bereits mit einer großen Men­ge für nicht be­weisbar er­klärter Glau­benssätze in ge­­­­­­­wis­
sem Gegensatz zu der zitierten Stelle stün­de. Bei­de An­sich­ten des Duns Scotus könn­­­­
ten auch kompatibel sein. Duns Scotus ‘beweist’ aber selbst wenig effizient, eigentlich
kaum.
Ei­ne weitere Ansicht, die Scotus näherungsweise behandelt und zurückgewiesen
hat,28 lautet in Ockhams­ Zitierung: „quod theo­logia est vera scientia non solum quan-
tum ad conclusio­nes sed quan­tum ad principia, ita quod habita fide principiorum,
virtute illius fidei et luminis in­­tel­­lectus agentis adquiritur scientia illo­rum eorun-
dem.“29 Wieweit damit vereinbar bzw. kon­­sis­tent noch die andere Mei­­­­­­nung gelten
kann, dass theologische Glaubenssätze mangels für sie be­weisbarer Unge­reimt­­heit
(Falschheit, Absurdität), also wegen dieser Unbewiesenheit oder ‘Unbeweisbarkeit’,
zu gelten hätten, wie das oben wenigstens als partielle Sco­ti­sche Mei­­­­­­­nung sich ergab,
muss un­­­­­erörtert bleiben: es müsste dazu generell gezeigt werden kön­nen, dass (ei­ne)
Folgerung in Bezug auf die Signifikativität bei Duns Scotus wirklich gegeben ist, was
u. a. besagte, dass Sig­nifikanz Definitheit sei. Das müsste, wie Ockhams Beweis für die
Ge­schaf­­fenheit der Welt lehrt, bedeuten, dass determinatio implicatio30 sei oder mit
be­in­halte. Ei­ne explizite Mei­nung im Sonderfall wäre also die allgemeine, die theore-
tisch struk­turierte. All­­gemeinheit und Besonderheit fielen so zusammen, wie es denn
bei Scotus immer der Fall ist und schließ­lich dessen Differenz zu Ockham ausmacht.
Denn für Ockham ist Folge­rung Sa­che der De­finitheit. Könnten die opiniones oder

27. Der Syllogismus hat (wenigstens) für Ockham methodisch Vorrang. Das medium extrin­
secum, das Ock­ham dem Syllo­gis­­­mus bei der consequentia formalis alternativ attachiert, wird
keine Sonderstellung er­lan­gen kön­nen, weil dort, wo der für Ockham beweistheoretisch ent­
schei­dende Syllogismus unmöglich ist, keine con­se­quen­tia ihn formal oder inhaltlich begrün-
den kann. Der Syllogismus hat immer ehestens empirischen Kre­dit.
28. Bei Duns Scotus Repor­ta­tio Paris., I, Prol. q. 2 nn, 6–12 ed. Wadding, XI-1, 15b–19b.
29. Ib. p. 185 lin. 14–18.
30. Ockham lässt hier Quaestiones variae q. 3 OT VIII pp. 59–97 zu, dass Gott widerspruchsfrei
eine ewige Welt ha­be schaffen können, aber (p. 67 lin. 141) nicht ab aeterno die creatura. Die
Widerspruchsfreiheit wird hier für ein­mal dem Begriff angeschlossen, was bedeuten muss, dass
eine Folgerung entfalle; für einen identisch signifi­ka­tiven Begriff kann sie dann nicht unterstellt
(angenommen) werden, was bedeuten muss, dass der Got­tes­be­weis des Duns Scotus entfallen
muss und nicht zum theologischen Lehrgut gehören kann. Cf. auch Anm. 43.
Kapitel 4.  Fides et scientia 177

argumen­ta Sco­ti nicht struktu­riert wer­­­den, so wären sie bloß insig­ni­fikant und mit
denen Ockhams – auch struktural – in­­­­kom­pa­tibel, und so wäre über sie mit dem hier
Gesagten negativ entschieden. Es wäre nicht nö­tig, das ex­plizit auszu­füh­ren: Die Skiz-
ze bereits entscheidet über den Fall. Wer historisch die zu­letzt zi­tierte Meinung, die
Duns Scotus verwarf, vertreten hat, ist nicht klar.31
Für Ockhams Stellung zwischen Averroismus und Thomismus bzw. die Abhän-
gigkeit und Be­einflussung durch einen von beiden (mit Vorrang) oder durch beide
lässt sich eine Stel­­­­­le an­­führen, deren Wortlaut zumindest die Tendenz gegen Tho-
mas und Duns Scotus be­kräftigt: „Quidam, sicut philosophi, tenent quod ad omnem
scientiam nobis possibilem possu­mus na­tu­ra­liter attingere, et ideo nihil est credibile
mere nisi quod potest sciri evidenter.“ Das hie­ße, dass der Bereich der bloßen cre-
dibilia, der nicht der Vernunft zugänglich sei, für den Men­schen keinen Sinn ma-
che. Das ist die averroistische Ansicht, die dann im 12. Jahrhundert an der Pariser
Universität nach dem Bekanntwerden der vollständigen Werke des Aristoteles als die
Meinung des Averroes denn auch adoptiert worden ist. Der berühmteste Vertreter
die­ser da­­­­mals nicht kleinen Bewegung war Siger von Brabant. „Sed ista opinio“, sagt
Ockham, „non potest improbari per rationes naturales sed tantum per auctoritates,
sicut alias pa­tebit.“32 Der Schluss ‘non scibile (per intellectum naturalem), ergo –
tan­tum – credibi­le’ soll also, so muss man entnehmen, nicht gezogen werden. Das
wäre auch ge­gen jeden kor­rekten Ab­­strak­ti­ons­mo­dus.33 Als weitere opinio wird von
Ockham anschließend zitiert: „quod quam­­vis cre­di­bilia possunt evidenter sciri, non
tamen a nobis pro statu isto de communi lege. Et ideo the­o­­lo­gia, se­cun­dum quod
communiter addiscimus eam, non est scientia proprie dicta respectu ta­­lium cre­­dibi­
lium, quamvis respectu aliquorum posset esse scientia.“34 Von dieser Lehr­mei­nung
sagt Ockham:35 „Et istam opinionem reputo veram“.36 Es ist also die seine. Es ist dann

31. Ib. p. 185 Textapparat Ed. Anm. 3.


32. Ib. p. 192 lin. 23 – p. 193 lin. 4. Diese An­sicht wird auch bereits Duns Scotus zugeschrieben.
S. Textapparat p. 193 Anm. 1 unter Verweis auf Ordinatio, I, Prol., p. 1, q. unica, n. 12 (Vatica­na,
I, 9).
33. Die Stelle, die die Herausgeber dann für den Ver­weis „alias patebit“ anführen, sc. p. 202
lin. 1–10 enthält keine Klä­rung oder Erörterung, son­dern bloß (Satz-)Beispiele.
34. Ib. p. 193 lin. 5–9. Diese opinio soll die Wilhelms von Ware sein. Cf. p. 193 Textapparat Ed.
Anm. 3.
35. Ib. p. 193 lin. 11.
36. Ockham wird die unbedingte Trennung zwischen Glauben und Wissen, ratio et fides, den
die Averroisten vor­geben, nicht teilen, aber, wie hier zu betonen ist, aus eigenen strukturalen
Erwägungen nicht, nicht nur, weil sie im abendländisch christlichen Raum inopportun wäre.
Er wird hier ja weidlich angegriffen. Auch in anderen Lehrpunkten stimmt er dem Commenta-
tor nicht zu. Ockham (Rep. II, q. 20 OT V p. 442f) teilt die Leh­re des Averroes vom intellectus
agens und intellectus possibilis nicht. Er weist die Vorstellung zu­rück, sie könnten ‘Mächte’
178 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

die Fra­­ge, wieweit es sich, wenn die credibilia beweisfähig werden, noch um reine
cre­dibilia han­deln kön­ne. Man kann so­gar sagen, die opi­nio Ockhams bewahre für
die gesam­te Scholastik ei­ne gewisse Diskor­danz und betrach­te deren Unterfangen als
gescheitert. Es ent­­halte hin­sicht­­lich des Materials der theologi­schen Untersuchun-
gen insgesamt einen Wi­der­spruch, der allerdings zu bedeuten hätte, dass Ockhams
Untersuchungen doch geführt wer­den könnten (ge­­führt werden müssten). Jeden­falls
wä­ren die Untersuchungen, die Ockham vor­nimmt, nicht vorab, unter der Vorga-
be, sie sei­en unzulässig und sinnlos, auszuschließen. Als schlechthin not­­­­wendig und
legitim sind sie da­mit nicht eigentlich bewiesen.37 Es ist aber festzuhalten, dass als
Basis in der Induktion Mo­­­men­­­te inhaltli­cher Natur auftreten, die als von dem Wider­
spruchsmoment nachweis­lich oder denk­barerweise eben­­­so frei sind wie ein Wider­
spruch für sie nicht erwiesen werden kann: sie sind oder gelten als Elemente oder
Aussagen, bzw. Erfah­run­gen oder Wahr­neh­­mun­gen von ab­­solu­ter prakti­scher Natur.
Der Widerspruchs­satz oder das Wider­spruchs­­­­mo­ment ent­­fallen als Re­gulativ ebenso
wie als Basis der Induktio­nen und der Be­­­gründung der Sätze, die etwa mo­dali­ter als
‘potest persuaderi’ apostrophiert würden usw. Es muss auch nicht an­ge­­nommen wer-
den, dass das Widerspruchsprinzip über die Wertigkeit der Glaubenseinsichten oder
aber der Differenz und Distinktion von Glauben und Wissen ent­schei­de. Ockham
sagt, dass die Akzeptanz (determinatio) von Glaubensaus­sagen nicht von er­wie­se­­ner
oder mut­maß­li­cher Wi­­­­­derspruchsfreiheit abhänge bzw. dass sie nicht trotz eines Wi­
der­spruchs gegeben sei. Es ist nicht das Widerspruchsprinzip, das über die Akzeptanz
von Struk­­­turen (Formen) und schließ­lich In­halten entschiede. Die Inhalte können
mit den oder oh­ne die Strukturen gebilligt wer­den; or­ganisch spielt darin nur das
Wider­spruchs­prinzip keine Rolle.
Nun ist die Basis des Erkennens bei Ockham die Empirie, sc. das obiectum oder
res singu­la­ris extra mentem, deutlicher noch die notitia intuitiva38 und schließlich

(p. 442 lin. 19f „sicut motores corporis“) außerhalb des Menschen sein. Ib. lin. 21f: „(Com­­­men­ta­
tor) in hoc negandus est a christi­a­nis.“ Ockham nennt (lin. 24) intellectus agens und intellec­tus
possibilis „om­ni­no idem re et ratione“, so dass gelte (lin. 23) „non est po­nen­da pluralitas sine
necessitate“ (Öko­nomieprinzip). Doch (lin. 25 – p. 443 lin. 3): „Tamen ista no­mi­na vel concep-
tus bene connotant diversa: quia intellectus agens signi­fi­cat animam connotando intellectio­
nem pro­ce­dent­em a anima active. Possibilis au­tem sig­ni­ficat eandem ani­mam connotando
intellectionem recep­tam in ani­ma. Sed idem omnino est efficiens et re­cipiens intellectio­nem.“
37. Noch einmal wird damit nachgewiesen, dass Ockhams Verfahren (und Anlage der scien-
tia) nicht einem lo­gisch-analytischen Deduktionsmodus entsprechen kann, weder theoretisch
(in der Fragestellung) noch praktisch (in der Beantwortung der Frage). Zwischen credibilia
und scibilia muss kein ‘Widerspruch’ existieren. Ockham ten­diert ohnehin zu compatibilia, er
stützt solche Entscheidungen aber durch strukturale Exegesen ab. Hier ist der Fo­l­ge­rungs­mo­
dus nicht eminent und leitend. Eben auch nicht für die Relation der compatibilia selbst.
38. Es ist erkennbar, dass Determinatheit unabhängig von Definitheit gesichert werden kön-
nen muss und ent­spre­chend keine entbehrliche topologische Grundgröße ist: die notitia intuiti-
va be­­züglich der Feststellung der Nichte­xis­tenz und Nichtpräsenz muss, um gegenüber einem
Kapitel 4.  Fides et scientia 179

aber grund­sätz­­­lich der kon­­­tingente Satz.39 In diesem ist das Widerspruchsprinzip


untergegangen, nicht nur weil er ein nicht-analytischer Satz ist, sondern weil schon
das suppositionslogische Wahr­heits­­­prä­skript es ersetzt hat. Dabei ist immer zu be-
rücksichtigen und einzuschließen, dass die reali­sti­sche Universaliendeutung rein
dem sprachlichen Ausdruck und allen dessen Ausle­gun­­gen nach von Ockham aus-
geschieden wird: reprobiert in Form von reductio ad absur­dum. Die re­a­listische Uni-
versaliendeutung erreicht danach kein obiectum extra mentem, ist so nicht defi­nit.
Die dann im Sinn der persuasio und der Abstraktion sich erhebenden und denk­ba­
ren opi­ni­ones Ockhams sind, wie sie von ihm aufgestellt und verteidigt werden, auf­
grund der Be­gren­zungen (Negationen) in der Induktionsbasis begrenzte Auskünfte.
Sie kön­­­­nen kombi­niert werden, wie sie jeweils nicht extensiv, nicht extensional und
nicht mit dem All­­­gemein­heits­wert versehen gelten können oder sollen. Die Ansich-
ten sind also relevant nach der Be­stimmt­heit der Art und Abart von Begriffen und
deren Kombination als s und P.40 Der Inhalt verliert sei­ne Unterordnung unter das

ob­­­­iec­tum extra mentem unanhängig (vor-)gegeben sein zu können, wo sie nicht verursacht
sein kann, weil das obiectum ja nicht existiert, dem der Urteilsakt mit der nega­ti­ven Feststel­
lung ent­sprechen soll, nach der Erzeugung angesichts eines empirischen Objekt außerhalb des
Sub­jekts für diesen Urteilsakt bewahrt (konserviert) werden sein. Conservator praeter omnem
cau­­sationem aber ist Gott. Er ist, wo er hervorbringt, in seiner Weise also schafft, stets auch der
conservator und umgekehrt. Er „er­hält“ (= bewahrt) eine notitia intuitiva, die damit al­s solche
definit bleibt. Sie bleibt – nur so – jene Instanz, die se­cundum definitionem über Prä­senz (oder
existentia) und Nichtpräsenz des kontingenten Objekts entscheidet. Es gibt also ei­ne einge-
schränkte Vergleichbarkeit mit der Erkenntnislehre Berkeleys, der zufolge Gott selbst in uns die
empirische Erkenntnis bewirken muss, freilich die des dabei geforderten realen Ge­gen­­­stands,
der von existentia, nicht von Nichtexistenz, was bei Berkeley ja geradezu widersin­nig zu sein
hätte.
39. Vignaux meinte, für uns als Betrachter müsse es gleichsam natürlicherweise naheliegen,
mit der notitia ab­strac­­tiva dann die Notwendigkeitswertigkeit von Sätzen zusammenzulegen,
also zu vermuten, dass die notitia ab­strac­tiva notwendig und einzig solche notwendigen Sät­zen
Raum zu geben und sie zu tragen habe. Doch ist er­kenn­­bar, dass die Qualifikation von Sät­­zen,
auch die notwendiger Sätze ebenso wie die derjenigen Sätze, die aus der propositio con­­­tin­gens
sich ergeben, allein aus der Betrachtung des Verhältnisses von s und P entwickelt wird: per ar-
gumentationem ad locum. Sie sichert die Signifikanz, die nicht absolut ist und nicht per se der
Ab­strak­­tion angehört, der sie nur durch petitio principii zugeschlagen würde.
40. „dico quamquam…tamen (= gleichwohl)…“ oder „Nego istam consequentiam“ sagt
Ockham dann wohl. Eine consequentia negiert auch Duns Scotus: „Sed nonne sequitur, a et b
non sunt idem formaliter, ergo sunt for­ma­li­ter dis­tincta? Respondeo quod non oportet sequi,
quia formali­tas in an­tecedente negatur, et in con­sequente affir­ma­tur“ (nach L. Hon­ne­felder,
1979 p. 378). Sollte er das tertium non datur damit bestritten oder negiert ha­ben (wollen), hätte
er es über die Ablehnung einer consequentia getan. Das ist kompliziert: Diese Negation muss
da­mit zugleich die distinctio formalis (formalitas) definieren, wenn diese Allgemeinheitswert
haben = allgemein­gül­­tig sein können soll. Die distinc­tio for­­malis könnte dann kaum mit Fug in
eine Deduktion eintreten, wie wir sie Scotus zuschreiben; nach H. Scholz, Abriss der Geschichte
180 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Widerspruchsprinzip, indem er es faktisch e­r­­­setzt. Dem ent­spricht, wie gerade noch


einmal angedeutet, die Induktion. Sie hat es hier mit men­talen Fak­­­to­ren zu tun. Der
begrenzte Begriffswert im Satz zählt dazu, ebenso wie die re­du­­­zier­te All­­ge­mein­­­­heit41
der Auskunft in einer opinio oder solutio Ockhams. Aus dem Be­reich der Notwen­dig­
keit, als welchen wir die essentia divina wohl ansehen können, lässt sich nicht in die
Empi­rie und die kontingente Weltgestalt übertragen, etwa noch so, dass wir beide
dann wei­­­ter im Sinn von Analogien, nach Folgen und Folgerungen etc. zu betrachten
hätten.42 Es gibt aber mit unserer Erkenntnis kompatible Fälle von Akten, die diese
Erkenntnis über­stei­­­­­­gen. Wo Fol­­gerung per Omnipotenzprinzip gekappt wird, sind sie
nicht aus­ge­schlos­sen.43
Fides und scientia sind also bei Ockham nicht eigentliche Ge­gensätze: sie werden
nicht über eine solche Struk­­turdifferenz derart entwickelt, dass dies eine Wertung ent-
hielte und den Un­ter­­schied von meta­phy­sisch-theologischer Wer­tung und empirisch-
menschlichem Erkennt­nis­­stand fixieren könnte.44 Vignaux45 sieht mit G. de La­gar­de
bei Ockham eine „coïn­ci­­den­­ce d’in­­­té­rêts philosophiques et d’intérêts religieux sans

der Logik, 1931 p. 20 in Anm. 26 liegt sie ­ideal­typisch bei Spinoza vor. Scholz berücksichtigt
noch nicht das Paradox von Löwenheim und Skolem.
41. Hier scheiden die Tautologien aus, in deren Nähe Vignaux Ockham bei seinen Ex­egesen
gesehen hat. Die per­su­asio kreiert die strikt nicht-tautologische Aus­­­­­sage (die eingegrenzt gül­ti­
ge Devise) oder Struktur. Dazu ins­bes. Kap. 7.
42. Damit wird bis in die Struktur und Auflösung der fallaciae hinein der Unterschied von
sub­stan­tia und accidens wirksam. Es ist insbeson­de­re auch noch zu zeigen, wie die Unter­schei­
dung für die Erörterungen der Naturphilo­so­­­phie gilt und hier zur Duplizität von forma und
ak­zi­dentell bestimmter Veränderlichkeit und eben Unbe­stimmt­­­­heit bei physischen Vor­gän­gen
führt und darin zur Beweisform der persuasio, um den Begriffsgehalt fest­zu­stellen und eben
bezüglich einer gewissen Einheitlichkeit zu klären, was stets der Abstrak­ti­on gleich­kommt.
43. Auch hier ist die (negierte) Folgerung Teil des Inhalts. Das bestimmt die Determinatheit.
Z. B.: Gott kann me­di­­um cognitionis in einer notitia beatorum sein, es kann eine notitia ab­
strac­tiva sine notitia intuitiva praecedenti ge­ben und schließlich noch eine notitia abstractiva,
die ein eigenes Medium hätte und neben der notitia intuitiva in der visio beatifica, die notitia
intuitiva ist, anfiele.
44. Könnte es geschehen, so gäbe es vermutlich ein Problem der Definitheit. Denn es könnten
nicht dieselben ele­men­taren Bestandteile oder Richtgrößen, wie etwa die notitiae, aber auch
al­le Argumentformeln und -begriffe, wie etwa forma, ratio, usw. auftreten. Argumentformeln
und Argumentbestandteile hätten keine vergleichbaren ‘Gegenstände’ und Bezüge, womit je­de
Argumentationsart à la Ockham entfiele. Man müsste a parte praedi­ca­ti vorgehen und ana­­­
lytisch operieren (begründen) = Tautologien oder Trivialitäten angeben; man wüsste nicht, wie
es bei Ockham der Fall ist, ob die strukturell verwendeten reflexiven Begriffe gefasst hätten.
45. P. Vignaux, 1938 und 1948 p. 185. Vignaux’ Interpretationen besagen immer, dass notorische
Im­plikations­bestand­tei­le bei Abstraktionen wegfallen können sollen und sollten, weil dies zu
deren methodologischer Tech­nik gehö­re. Nicht nur bei Ockham. Auch bei der Met­hode der
Kapitel 4.  Fides et scientia 181

aucune origine commune“. Das Om­­­­­ni­po­tenz­­prin­­zip bedeute im Ge­brauch Ockhams


keine Beschneidung der Allge­meinheit und Not­­wen­­digkeit von Erkenntnissen, i.e. der
Begriffe, welche in die Überfassung durch das Om­­­­­­ni­po­­tenzprinzip ein­gingen. „Elle
(sc. die puis­sance divine) n’implique point par son ‘no­mi­­­­­­­na­lis­me’ … de scepticisme
à l’égard du con­cept, de l’universel, du nécessaire.“46 Auch wenn wir die empirische
Welt übersteigen, haben wir es wei­ter formal mit Zeichen und Ak­ten zu tun (der Ver-
schiedenheit von erkennen­dem Subjekt und erkannter Sache oder Sach­­welt.47 Als kon­­
stitutionelle muss sie durch die Argumenta­tion ausgefüllt und ero­bert wer­den.48
Ockham hat nicht unterstellt, dass jene Möglichkeiten von Sätzen, die wir nicht
haben, die mit­­­­hin als kompatible anzusehen seien, auch existent seien. Sie sind gewis-
sermaßen nur auch noch denkbare; er nennt sie „propositiones ad minus possibiles“;
aber „nobis non sunt possi­bi­­­les“. Das ist der Unterschied. Sie sind, wenn sie auf der
Wahrnehmung der divina es­sen­­tia be­ruhen ‘propositiones per se notae’. Die ‘propo-
sitio per se nota’ ist aber die per se ein­seh­­ba­re Aussage, gleichgültig, ob ihre Begriffe
intuitiv uns vermittelt wurden oder uns ab­strak­tiv ge­­­­geben sind. Daraus ‘folgt’, dass
wenn der beatus von der divina essentia eine intui­ti­ve Er­kenn­t­nis hat, er nebenher
noch eine weitere Erkenntnis in einem anderen Medium ha­ben kann, in welcher nicht
mehr Gott als res selbst den terminus (nicht: conceptus) der Er­kennt­nis ab­gibt. Sie ist
dann notitia abstractiva.49 Auch sie erscheint hier, mit ihrer Trennung von der no­ti­­­­tia

longuitudines oder latitudines. Es wird der An­schein ei­ner „per se“ bestehenden Plausibilität
darin appelliert.
46. Akzentuierungen, die den äußeren Anschein zum Ausgang nehmen, verfehlen die Sache,
z. B. bei Vignaux die we­nigstens partielle Deutung des Omnipotenzprinzips als theologisch aus­­­
zulegender Inspiration. Das Omnipo­tenz­­­­prinzip hilft nur dabei, die intensionale (in­halt­li­che)
Qualität der notitiae zu stützen und, sodann, deren ar­gu­men­tative Referenz und Re­le­vanz zu
sichern, ihre Mächtigkeit und ihre Begründung zugleich festzulegen. Auch liegt in Ockhams
Gebrauch des Omnipotenzprinzips nicht bloß eine abstrakte Siche­rung der Not­wen­dig­keit und
Befesti­gung gegen die empirische Akzidentalität vor: weder das dem Wort­laut nach theologisch
an­gehauch­te Prin­­­zip noch der natürlich empirische Er­kennt­nisstand ha­ben andere als funktio­n­
a­le und inte­gra­tive Be­­deutung vermittelst der Argu­men­tation. Das be­grenzt und bestimmt die
Art der Ar­gu­mentation bei Ockham. Die Empi­rie kann aber ab­strak­tiv überschritten werden;
Abstraktion und Empirie sind dann miteinander kompatibel.
47. Die bloß technische Behandlung geht bis zum Begriff der creatio: wobei erörtert wird, nach
welchen als kor­rekt zuzulassenden Sätzen ein Verhältnis von substantia (divina essentia) und
göttlichem actus bzw. der creatura als Produkt seines Handelns und wie zu deuten ange­nom­
men werden kann. Cf. Kap. 5 Aus dem Innern Gottes.
48. Das Urteil gilt auch, wenn man mit R. De Guelluy, 1947 p. 14 urteilt: „sa théorie de la con­­
nais­sance … pa­raît bi­en l’apport le plus originel et le plus décisif de son œuvre“.
49. Cf. Ord. d. 3 q. 4 OT II p. 440 lin. 8–10: „aliquis alius terminus (ein anderer terminus als
jene, der in der in­tu­i­­ti­ven Erkenntnis des be­atus vor­liegt, der in der visio beatifica per notiti-
am intuitivam als res quae est ipsa Deus auf­­­tritt) est in illa propositione quam potest talis (sc.
182 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

in­tui­tiva, die in den empirischen menschlichen Verhältnissen der notitia ab­strac­tiva


vor­aus­­­­­­geht, als mit der notitia intuitiva deitatis, in der deus ipse als res supponit, ver­ein­
bar: potest per­sua­deri quod possit esse. Für die empirisch-menschlichen Verhältnisse
wird die Gleichheit von ter­­minus und res ausgeschlossen.50 Wo aber (wie oben) die
adverbiellen Be­stimmungen zum Modus ‘possibilis’ hinzutreten, sc. ‘ad minus possi-
bilis’ (= immerhin mög­­lich) und ‘no­bis non possibilis’ (indes für uns nicht möglich)
wird die Realität einge­klam­mert. Possibilis ist möglich, nicht in oder nach der Realität,
sondern von dieser abgegrenzt. Das Adverb hat in die­­ser Funktion, mit der es zum
Modus hinzutritt, negative Be­­deu­tung.51

beatus) formare paedicando illud idem quod nos praedica­mus de aliqua essentia.“ Denn wir
ha­ben eine notitia abstractiva auch von der divina essentia. Aber wir haben damit nicht jene
notitia abstracti­va, die der beatus neben sei­ner visio beatifica seu notitia intuitiva deitatis hat,
wenn in dem entsprechenden Satz, deus ut res supponit pro seipso. Cf. ib. lin. 10–15: „ita quod
sint ibi (sc. in pa­tria) duae propositiones ad minus possi­bi­les quae no­bis non sunt possibiles.
Secundum hoc dico: quod illa propo­si­tio quam de facto habemus, non est per se nota. Sed
propo­si­­tio utraque quam format beatus, sive paedicando es­­­se quod est deus de divina essentia,
sive illud quod nos prae­­dicamus, est per se nota.“ Der Satz, der in der no­­ti­tia abstractiva des
beatus propositio per se no­ta wäre, ist es nicht in der auf den menschlichen Begriff ge­stütz­ten
notitia abstractiva ‘mit demselben Inhalt’. Es han­delt sich also um reine Vereinbarkeiten auf der
Akte­be­ne.
50. Cf. SL I c 37 lin. 13–14: „res extra animam non est signum praedicabile.“ Das spricht ge­­gen
Hochstetters Be­haup­­tung, Ockham habe nicht nur für den Begriff ‘terminus’ die Be­deu­tung res
zugelassen, sondern auch an­fäng­lich für die Natur des menschlichen conceptus ei­ne Deutung
als res veranschlagt. E. Hochstetter, 1927 p. 80f nennt die Konzeption und Bestimmung des con­­­­­­
ceptus als ‘res’ als ältere und später aufgegebene Vorstellung bei Ockham. Das ist unbegründ-
bar: zwar bemerkt Ockham Ord. d. 23 q. unica OT IV p. 65 lin. 4f: „intentio pri­­ma vo­­­catur
res realiter exsistens“, aber sein Text ib. lin. 5 – p. 67 lin. 6 geht nicht im Sinn einer Auffassung
des Be­griffs (pri­ma intentio) als realiter existens extra ani­mam fort. Cf. p. 65 lin. 15–19: „Quia
lo­gicus praecise habet di­cere quod in ista pro­positione ‘homo est species’ subiectum supponit
pro uno communi et non pro aliquo signi­fi­­­ca­­to suo.“ ‘Significatum’ muss zunächst auf beide,
intentio prima und intentio secun­da, bezogen sein. Also auch auf ho­mo als inten­tio pri­­ma. Das
‘commune’ fie­le also mit dem Begriff zusammenfal­len, sofern oder wenn ‘species’ prä­diziert
wird: „Utrum autem illud com­mu­ne sit aliquid reale vel non sit reale, ni­hil ad eum, sed ad me­­­
taphysi­cum.“ In der suppositio simplex wird der Begriff aber nicht bezeich­net; er ist da kein
significatum. Als sol­ches käme ihm die sup­positio personalis zu. Ein ‘Zeichen’ kann nicht als
conceptus und als res benannt wer­den. So denn ganz klar (ib. lin. 5–7): „Intentio autem secun-
da vocatur aliquid in anima rebus applicabile, praedi­ca­bile de nomi­ni­bus rerum quan­do non
habent suppositionem personalem, sed simplicem.“
51. Es ist klar, dass die propositio ad minus possibilis in nichts eine propositio, die uns nicht
möglich ist, ein­schlie­­­­ßen (implizieren, in welcher Form nach welchem Konzept von Implikati-
on auch immer) kann. Gerade das soll sie aber bei Thomas von Aquin tun, wenn man sie denn
nicht, wie sie den beatus zukommt, nicht bloß als mög­­­lich, sondern als real zu betrachten hat.
Insofern hat Ockham eine ganz andere Intention als Tho­mas. Cf. Ein­leitung Anm. 58, Kap. 1:
Kapitel 4.  Fides et scientia 183

Die Verbindung des Omnipotenzprinzips mit einer exzessiven, planmäßigen und


abundanten Sprengung der Weltwirklichkeit, ihres ordo creatus, darin als Wunder be-
zeichnet (sei es dass solche Aussetzung der lex communis in Gottes Geist, angeblich
zur Willkür gestimmt, ver­legt wird, sei es dass sie bloß im menschlichen Verstand
zu geistern hätte, der Gott fürchtend nicht zu sich selbst zu finden vermöchte,52 wie-
wohl es auch dabei von der psychophysischen Basis her noch um zwei Dinge sich
han­deln müsste, da es um zweierlei Verwirrtheit gehen könn­te), hät­­te sehr untypisch
mit einem Wunder, nämlich ohne jeden sichtbaren und für alle of­fen­kun­di­gen und
ver­pflichtenden Zeichencharakter, zu tun.53 Gott müsste gleichsam unbe­merk­liche
‘Wun­der’ tun, die im Übrigen zu bloß privater Desorientierung wo­mög­lich ohne al­le
weitere Fol­gen zu füh­ren hät­ten, die einem dabei geschädigten Individuum meistens
gar nicht aufzu­fal­len hätten, also auch nicht einmal dieses schädigten, es sei denn sie
könnten zu ei­­ner neuen Welt­ord­­nung führen, wo­mit sie auf­ge­hört hätten Wunder
zu sein. Allenfalls träte man da in ei­­nen or­do com­pos­sibi­lis ein, sei es mit dem einen
‘Wunder’, sei es mit der Kette der neu­­­­­­­en Ver­hält­­nisse, in denen das „Wun­der“ Platz
hätte; schließlich könnte das Wunder aus der hiesi­gen Welt in die dort­ige verpflanzt
dort auch ein bloßer Schat­­ten, ein blinder Fleck, ei­ne Leer­stel­­­le in reiner exis­tentia
inexistenti sein. Ockham aber begrenzt die Zahl der Wun­der aus­drück­­lich auf die
überlieferten und lässt nicht ak­tual zu vermehrende zu.54
Wir steigen aber mit Ockham nicht notwendig in die Sphäre der Akte oder noti-
tiae auf, die auch als Zeichen oder Anzeichen eines darin nicht mehr metaphysisch in
sich, in seiner Na­tur zu denkenden Gottes erscheinen; wir können daher logisch dort,
wo es um die (Be-)Wertung ei­­nes Satzes geht, der entweder als solcher für sinnvoll
erklärt werden soll oder gar als po­­­­ten­­ti­­ell eine Erkenntnis darstellend, bereits mit den
alten logischen Techniken, etwa nach der The­o­rie der fallaciae, operieren: auch hier
stellen wir Identitäten her oder stellen sie fest, der­­art, dass Nichtidentität, bzw. de-
ren Nichtgegebenheit den Mangel bedeutet. Wir errei­chen, was in anderen Fällen, in
der Aktlehre oder wenn wir Sätze modal erklären, bzw. sie be­richti­gen, zum Beispiel

Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham Anm. 75 und Kap. 7: Form­be­griff und reale Wahrheit
Anm. 116.
52. Für Ockham hatte Gott dem menschlichen Geist kein Hindernis entgegen­setzt, wenn der
Mensch dachte. Das heißt: in seinem Medium blieb. Das ist ein Moment mensch­licher Frei­heit
im Rahmen und Namen des Mit­telal­ters. Duhem sieht eine Vergleich­barkeit von Ockham mit
Descartes. Etudes II, p. 193.
53. Zum Wunder im antiken Glau­ben cf. F. Rosen­zweig, Der Stern der Erlösung, 1921.
54. Cf. Ord. d. 26 q. 1 OT IV p. 157 lin. 21–23: „Nec po­nen­da sunt plura miracula quae vi­den­tur
ra­ti­o­ni naturali re­pugnare, sine auc­to­ritate Scripturae vel Sanctorum.“ Ockham tastet we­der die
psychi­sche noch die intellek­tu­­el­­le Basis der Ver­nunft an. Das tun erst auf ihn projizierend die
Deuter. Ockham beruft sich auch hier auf das Ökonomieprinzip (ib. lin. 20f). Es soll also nicht
mehr Wunder geben als ‘nötig’. Nötig sind die geoffenbar­ten und die von den Kirchenvätern
angenommenen. Cf. auch noch einmal Nachwort Anm. 73.
184 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

indem wir die distinctio formalis55 einführen oder die distinctio ratio­nis er­klä­­­­­­ren bzw.
die distinctio realis negierend gebrauchen, erlangt wurde, indem es mit der Nega­ti­­­
on eines sol­chen Schlus­­ses übereinkommt, der für eine Abstraktion die significatio
falsch, un­zu­lässig oder un­er­wünscht ergäbe, dann gleich direkt: nämlich die Aus-
merzung eines fal­schen Be­zugs. Wir steigen damit auch gerade nicht in die Sphäre
den Menschen nach dem Ob­­­jekt oder dem Sub­­jekt der Erkenntnis übertreffender
Aktdeutungen auf, für die wir mit un­se­­­ren Be­griffen und Ak­ten nur noch Analogien
kennen, womit wir das Univozitätsprinzip für Be­­­­­­­­­griffe nicht mehr streng bindend
ansehen können. Wir treffen da auf termini, die wir de fac­to nicht haben, die aber
den conceptus, die wir pro sta­tu isto besitzen, analog sind.56 Ockham re­guliert das
Sprechen auch unmittelbar mit Hilfe der Feststellung von fallaciae, die er dabei als
häufig auftretende bezeichnet.57 „Et ideo in multis argumentis est fallacia figu­rae dic­­­
tionis, sub nomine simpliciter absoluto accipiendo nomen connotativum. Sicut sic
argu­en­do: quid­quid potest Deus mediante causa secunda, potest immediate per se;
sed actum meri­to­rium pot­est producere mediante actu voluntatis, ergo sine ea. Et sic
de aliis multis, in quibus sem­per est fallacia figurae dictionis, quia commutatur ‘quid’
in ‘ad aliquid’, secundum unum mo­dum lo­quendi, vel in connotativum, secundum
alium modum loquendi.“58 Die Grund­struk­­­­­­­­­tur des Ar­­guments ist, wie man sieht, syl-
logistisch.59 Wahrscheinlich ist es die aller Ar­gu­men­te, wenn man unterstellt, dass

55. Hierzu Rep. II, q. 2 OT V p. 41 lin. 13: „Non pono distinctionem formalem in creaturis.“
Dazu auch: Quae­sti­o­­nes variae q. 6 art. 3 OT VIII p. 222 lin. 37f: „creatio dicit cau­sam crean­tem
et effectum creatam et connotat ne­ga­tionem immediate prae­cedentem.“ Die Negation wäre die
Stüt­­­ze der Re­lation. Die fällt mit der creatio als actio zusammen. Diese ist inhaltlich nicht ex
creaturis bestimmt.
56. Cf. auch Kap. 3 Anm. 99.
57. Ord. Prol. q. 3 OT I p. 141 lin. 6–14. Deutungen also, die, hermeneutisch als Erkenntnisse
gemeint, auf einen willkürlichen oder be­liebigen Zusatz gegründet sind, gehören zu dem, was
Ockham als fal­lacia secundum fi­gu­ram dictionis er­klärt. Man kann auch sagen, man mengt so
das accidens in die substantia ein.
58. H. Blumenberg, 1966 p. 164 sieht das Allmachtsprinzip devaluiert, weil ‘Gott nicht einen
nicht zurechenbaren Akt schaffen könne’. ‘Zurechenbar’ innerhalb des Aktes ergäbe eine falla-
cia. ‘Zurechenbar’ außerhalb des Aktes wäre eine Relation, die ihre eigene ‘Logik’ mitbrächte,
so dass auf die Identität oder Widerspruchsfreiheit des Aktes weder unmittelbar geschlossen
noch von ihr folgernd ausgegangen werden könnte. Dabei wird ib. p. 165 Anm. 99 schon proble-
matisch genug der Unterschied von actus und potentia bei Ockham verkannt. Er hält auch den
actus als accidens in der anima (substantia) habituell für nicht zurechenbar. Siehe die Sünden­
lehre (sic!).
59. Das Omnipotenzprinzip selbst liegt abstrakt oberhalb der propositio per se primo modo
und der fallacia. Es ist auch ausgeschlossen, dass Gott per Omnipotenz in sich selbst ver­
bleibend – doch – aus sich herausträte. Cf. Ord. Prol. q. 3 OT I p. 141 lin. 7–14. Ockham schreibt
Gott nicht mittels des Omnipotenzprinzips gegen den empirischen Sachverhalt (den kontin­
Kapitel 4.  Fides et scientia 185

allein eine consequentia, wenn sie widerlegt wird, inhaltlich be­trach­­tet, kei­ne syllogi-
stische Form haben kann, sonst aber mit der consequentia formalis über­ein­kommt.
In diesem Sinne lässt sich die Struktur des Ockhamschen Denkens stark ver­ein­fa­­chen
und im Ver­gleich mit diesem als Koordinate alles scholastische Denken.
Wenn Ockham von Gott spricht und damit die menschlichen Begriffe von ihm
gebraucht, in denen allein von Gott gesprochen werden und in denen einzig er für uns
zu verstehen ist, so muss doch ein Unterschied gemacht werden: es muss immer etwas
weggenommen werden, da­­­­mit die Rede Gott faktisch betreffe.60 In derselben Weise
negiert Ockham ‘Schlüsse’, in de­nen Gott gleichsam auf diese Identität mit Weltver-
hältnissen kategorial zurückgeführt wer­den würde.61 Es heißt dies aber nichts anderes

genten Sachverhalt, von dem wir auszugehen haben!) eine schlechthinnige Überlegenheit und
unbeschränkte mechanische Eingriffsqualität + Berechtigung dazu, zu. Das wäre, wie Ockham
sagte (!), gegen die vera und bona logica gewesen und desgleichen (sic!) gegen die wahre und
vernünftige Theologie. Die absolute Überlegenheit oder Verfügungsgewalt Gottes kann in An-
betracht der realen Welt (potentia ordinata, lex communis), in Angrenzung an die sie förmlich
geäußert wird, praktisch und ohne Widerspruch, der so mit der Welt identisch wird, gar nicht
auftreten. Gottes Allmacht könnte als Begriff (Vorstellung) nicht bestehen. Die „bohrenden
Allmachtsspekulationen“, die H. Blumenberg, 1966 p. 542 unterstellt, zeigt Ockham nicht.
60. Paradoxerweise für Ockham (Ord. d. 2 q. 9 OT II p. 333 lin. 3–16) Gott und creatura, bei
denen (ib. lin. 6f) „nihil quod est in creatura habet paritatem cum aliquo quod est in Deo“, (ib.
lin. 9) „in aliquo parifi­can­tur“, für das doch (ib. lin. 10) etwas „non est intrinsecum Deo nec
creaturae.“ Das wird vergleichweise (ib. lin. 11f) auf einen sprach­lichen Begriff (vox) bezogen:
„si­cut non est inconveniens Deum et creaturam pari­fi­cari in ali­­qua voce quae aeque primo
Deum et creaturam significante“ und von da nochmals (lin. 13–15) auf den Be­griff (als ‘con-
ceptus univocus’): „ita non est inconveniens Deum et creaturam parificari in aliquo con­cep­tu
uni­voco.“ Das gilt (lin. 13) „quia illa vox non est aliquid de essentia Dei vel creaturae“ und
(lin. 15f) „quia ille con­­­ceptus univocus nec est de essentia Dei nec creaturae.“ Ockham spricht
eine ‘direkte Geltung’ indirekt aus; er recht­fer­tigt das, indem er die unbestimmt direkte Geltung
ablehnt und ausschließt. Ebenso ib. p. 335 lin. 23 – p. 336 lin. 5: „dico quod deo et creaturae non
est aliquid uni­vo­­cum sic quod ali­quid essentialer creaturae vel acci­den­­­tale habeat perfectam
similitudinem cum aliquo quod est realiter in Deo.“ Das verneinen auch die Kirchenvä­ter, die
gleichwohl die „univocatio (.) conceptus praedicabilis … in quid et per primo modo“ zugeste-
hen (lin. 3f: „non … negant“). Ockham betont (p. 336 lin. 11–15) mit Aristote­les, dass bei der
Ab­strak­tion „ab omnibus de qui­­­bus di­citur illud nomen (sic!)“ keine „definitio proprie dicta“
zu­grunde liege, so auch schon nicht bei ‘ens’. Naive Ontologie scheidet so aus. Cf. Kap. 10 Anm.
135. Uni­vo­zi­tät und praedicatio in quid und per se primo mo­do wer­den nicht nur auf Gott und
die creaturae bezogen, son­dern ebenso (cf. ib. d. 2 q. 7 OT II p. 256 lin. 9f): „ni­hil a par­te rei est
univocum qui­buscumque individuis, et tamen est ali­quid praedicabile in quid de individuis.“
61. Cf. Ord. d. 20 q. unica: Utrum personae divinae sint secundum magnitudinem perfecte
aequales OT IV pp. 3–38. Ib. p. 35 lin. 16 – p. 36 lin. 3: „Et si dicatur quod secundum beatum
Augustinum, si Pater non potest generare Filium sibi aequalem, igitur est impotens, igitur pos-
se generare est simpliciter posse (was man ja denn wohl noch einen indirekten Beweis nen-
nen könnte), dico quod consequentia est bona quod ‘si Pater non potest genera­re Fi­li­um sibi
186 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

als den Begriff wie er als Zeichen instituiert ist durch die negierte Konsequenz deter-
minieren.62 Ockham vermeidet so Äquivokationen. Denn wenn wir von Gott nach
einem Begriff sprechen, der in dem Vergleich zwischen crea­tura und Gott, als Brücke
zwischen ihnen gebraucht, kategorial würde, wäre er simpliciter ver­standen äqui­vok
gebraucht worden. Eben das vermeidet Ockham durch die Negation der im­pli­catio,
die den Begriff aber zum Zeichen ‘senkt’ (herabsetzt).63 In derselben Weise ver­wen­den

aequalem, est impotens’ (freilich impotens im kategorialen Sinn), sed ex hoc non sequitur quod
posse ge­ne­­ra­­re est posse, sicut modo loquimur (es ist also nur eine Redeweise, die nicht streng
begrifflich ist). Sicut bene sequitur ‘Pater non est Deus, igitur est impotens’, vel ‘igitur non est
omnipotens’ (was gemeint ist!) et ta­men ex hoc non sequitur quod Deus est quoddam posse.“
Dabei auch der bezeichnende Hinweis, dass Gott mit seiner omnipotentia und sie definierend
und durch sie Gott selbst, denn ‘Deus est omnipotens’ ist ein Satz der na­­türlichen Theologie,
mit dem wir angeben oder in dem enthalten ist, was wir unter Gott verstehen, wobei der Satz
von Ockham als propositio immediata klassifiziert wird, nicht Einhalt am Widerspruchsprin-
zip geboten wer­de, wie frenetisch gesagt wurde (H. Blumenberg, 1966, H. Schröc­ker 2003) cf.
ib. p. 36 lin. 4–10. Dort auch (lin. 8ff): Gottes Allmacht werde begrenzt dadurch, dass er nicht
ein „aliud a Deo“ schaffen kön­nen, das einen Wi­derspruch einschließe. Potentia divina abso-
luta und potentia di­vi­na ordinata werden so gleich­namig oder je­denfalls konsistent. Dazu sehr
einleuchtend (Hinweis Ed. Anm. 1) L. Baudry, Le Tractatus De Prin­cipiis Theolo­giae attribué à
G. Occam, Études de Philosophie Médiévale XXIII, 1936 mit dem Textbe­leg, dass der Satz ‘ip­
sum fit, non sequitur contradictionem’ zu gelten habe. So begrenzt sich die Allmacht Got­tes:
es scheidet wie im Text erläutert, ein falscher Satz oder Schluss aus. Kein Faktum. Ein solches
meint der Wider­spruch oder Wi­der­spruchssatz weder affirmativ, indem es mittels seiner ermit-
telt zu werden hätte, noch negativ, indem er es aus­schlösse. Es ist ohnehin ungeklärt, wie beides
zusammenzugehen hät­te und wie wir lo­gisch durch Fol­ge­rung oder Ableitung von einem zu
anderen kommen könnten. In dem Sinn hat Ockham so­wohl das Be­wei­s­führen er­setzt wie die
Bestimmung des Wahrheitswertes. Er erscheint als kontingenter Satz, als dis­tinc­tio rea­lis u. ä.
62. Siehe diesen Ausdruck bei Ockham in genau diesem Sinn. Ein Begriff, der in Bezug auf
zwei andere (‘vor­aus­gehende’) negativ wird, determiniert diese. Sie können in seinem Sinne
nicht empirisch und logisch ausgelegt wer­den. Genau im Sinn dieser Negation, d. h. der als
realempirisch folgerungsweise eventuell behaupteten und zu widerlegenden Verbindung gelten
sie dann in einem indirekten und intensionalen Sinn doch von der Rea­lität. So bleiben die on-
tologischen termini im Gebrauch, förmlich auch in Geltung, wenngleich sie nicht a parte rei zu
bestimmende Geltung besagen können sollen; ihr Gebrauch in Induktion und Widerlegung ist
unangefoch­ten. Auf sie hin kann induziert werden, in derselben Weise wie sie in Widerlegun-
gen eingehen können, mit denen die Definitheit von Termini und Sätzen, auf die sie angewandt
werden, bestritten werden kann. So gesehen steht die Determinatheit gegen die Definitheit.
Diese darf nicht beschädigt und aufgehoben, jene kann erreicht und sank­ti­oniert werden. So
lässt sich Ockhams Beweisverfahren schildern.
63. Wir haben das als eigentliche Tendenz der SL dargestellt, nicht dass sie die realistische
Ontologie vermeiden wol­le. Wollte man die realistische Ontologie in der Logik verwenden und
bestehen lasse oder sogar, wie Duns Sco­tus nach E. A. Moody, 1935, für sie express als Funda-
ment instituieren, so hätte man fallaciae und Äquivo­ka­tionen ge­schaf­fen. Man hätte in Wahr-
heit den Schluss nicht so sehr negiert wie getilgt. Bei Ockham wird er nur in­ten­si­o­­nal negiert.
Kapitel 4.  Fides et scientia 187

wir aber auch die Suppositionslogik in Bezug auf die Bestimmungen der Begriffs­na­
tur:64 wir ver­mei­­­­den die Äquivokation. Wir könnten den Begriff ‘ens’ nicht von Gott
ver­wen­den, wenn wir den Begriff, alle Begriffe, wenn als intellectio oder intentio ipsa
verstan­den, nicht auch als ens be­trachteten; dann wird dieser Begriff in die suppositio
simplex ver­setzt werden müssen, nicht in die sup­po­sitio personalis. Dann entstände
eine falsa implicatio; wir induzieren den (univo­ken) Ge­brauch des Begriffes ens von
Gott. Wir müssen umgekehrt aber auch alle Begriffe, die wir von Gott (ebenfalls)
gebrauchen wollen, der empirischen Fun­die­rung entziehen;65 das heißt aber fordern,
dass alle Begriffe, die von Gott gebraucht werden, in diesem Gebrauch und für ihn
induktiv fundiert seien und in diesem Sinn von Gott und crea­tu­ra oder Welt univok,
näm­­lich im Sinn der Negation der implicatio, nicht aber äquivokativ, d. h. im Sinne
ihrer Nicht­­ne­ga­tion, gebraucht werden. Auch in diesem Sinne gibt es also keine Spra-
che oder Er­kennt­nis, die aus der höheren Einsicht der beati oder angeli usw. abgeleitet
wer­den könnte. Aber sie kann auch nicht im Sinne eines freien, i.e. ungebundenen Ge­
brauchs der Ontologie ver­stan­den und interpretiert werden, also im Sinne einer Ver-
wendung, bei denen die onto­lo­gi­schen Termini nicht bloß in der Argumentation (und
somit aus­schließ­lich in deren Sinn und durch sie gebunden definit) gebraucht würden
und das bedingte: für Widerlegungen und re­pro­bat­i­o­­nes. Aber dabei verlieren diese
ontologischen Termini in ei­nem zweiten Zug auch noch je­de Bedeutung im Sinne
der signifi­ca­tio (res); sie werden in die­sem Sinne negiert; denn sie wä­ren indefinit.
Ockham ficht be­weisend ihre empirische Gel­tung (durch instantiae) an; er be­streitet
ihre empirische Fundie­rung.66 Dies ist an Ockhams Auseinandersetzung wieder mit

Der Satzausdruck wird modalisiert und dem Geltungsbereich eines bei analytischer Satz­form
anzu­neh­menden Widerspruchssatzes entzogen.
64. Ord. d. 3 q. 8 OT II pp. 524–542: Utrum ens commune sit obiectum primum et adaequatum
intellectus nostri. Dort s. p. 533 lin. 15 – p. 534 lin. 9 besonders p. 234 lin. 8ff: „in propositionibus
in quibus passiones supponunt simpliciter vere praedicatur ens de eis per se primo modo, non
quando supponunt personaliter.“ Der Satz ist ein notwendiger Satz. Er begründet aber nicht die
Notwendigkeit der Ontologie oder irgendwelche ontologischen Im­­­plikationen von ens. So gilt
auch noch (ib. p. 535 lin. 15–22), dass die „entia rationis sunt per se intelligibilia, immo tantum
sunt per se intelligibilia quod non est impossibile ipsa intelligi nullo ente reali intellecto, et tunc
erit actus cognoscendi realis, et tamen nullum obiectum habebit praeter ens rationis, igitur ens
rationis erit per se cognoscibile illo actu. (Aber das ist rein hypothetisch.) Sed hoc non potest
fieri naturaliter, vel saltem non pot­­­­­est fieri naturaliter nisi mediante habitu post apprehensio-
nem alicuius entis realis.“
65. Cf. Anm. 62.
66. Die perseitas des Empirischen kann nicht ontologisch ausgedrückt werden, so wie die
Ontologie angesichts der res singularis keine perseitas a priori oder simpliciter meinen kann.
Was hier ontologisch zu bezeichnen wä­re, wür­­de per suppositionem simplicem nicht ausge-
drückt werden können; also wird es widerlegt und refutiert. Das eigentlich Erstaunliche ist,
dass eine solche Anschauung beweisförmig ausgedrückt i.e. weiterverfolgt wer­den kann. Sie
wird so quasi exekutiert und a posteriori auch begründet. Das ‘sine significatione’ ist oder gilt
188 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Tho­mas von Aquin und Duns Sco­tus bezüglich der Ausle­gung von Glaubenssätzen zu
zei­gen, die das Ver­hältnis der göttli­chen Per­sonen der divina es­sen­tia betreffen.67
Die Trennung des accidens von der substantia (insgleichen des connotativum
vom quiddita­ti­vum) – und umgekehrt der substantia vom accidens – vermeidet (um-
geht) den Widerspruch, der mit ihrer beider Identifikation einherginge. Also entsteht
eine widerspruchsfreie Annah­me, die in diesem Sinne einem Satz entspricht und
danach Definitheit besitzt. Dieser Satz ist damit analytisch; aber er wurde induziert,
nämlich insofern die Bedingungen, die ihn verhin­dert hätten, ausgeräumt wurden.
Sie gelten auch für die Theologie: Christus kann per potenti­am divinam absolutam an
verschiedenen Orten sein, aber er ist dabei eben nicht von den ver­schie­denen Orten
als den Inbegriffen der Existenz oder Präsenz abhängig, wie sie für uns als creaturae

lo­gisch. Die Identifikation des ontologischen Ausdrucks mit der significatio entfällt und dies
eben auch für die Na­turphi­lo­sophie. Auch in der Naturphi­lo­sophie kann dann gleichnamig
damit, dass die Phänomene ontologisch nicht schlie­ßen, Kausalität nicht ausgedrückt werden.
In der nicht glückenden Auslegung der theologischen Sät­ze be­treffend die divina essentia und
die Verhältnisse der göttlichen Personen (in der Erläuterung ihrer Relatio­nen), die Ockham
Thomas von Aquin und Duns Scotus streitig macht, kann was nach Ockhams Beweisen für
den ontologischen Ausdruck in Bezug auf die dogmatischen Sätze nicht angeht, dann auch
in Bezug auf die Em­pi­rie, in welcher die Ontologie gestürzt und begründet sein sollte, nicht
gelten. Darin ist die Kausalität be­trof­fen; sie wird in den instantiae kassiert, mit denen Ockham
die ontologischen Maximen und Vorstellun­gen ‘an sich’ re­futiert, d. h. um ihre grundsätzliche
und absolute Akzep­tanz (Geltung) zu bringen bemüht ist. Es geht da­bei im­mer darum, dass das
accidens nicht in die substantia gebracht werden kann und dass eben das durch die re­proba­tio
oder instantiae be­weis­bar ist. ‘Perseitas’ ist ein Ausdruck Ockhams. Cf. Ord. d. 7 q. 2 OT III 3
p. 143f.
67. Hierbei sind bei Duns Scotus die universalientheoretischen Grundsätze in und außerhalb
der Deduktion gleich; sie können nur noch als Argumente direkt in seine Ableitungen einge-
hen. Sie werden nicht qua Argu­men­­tation be­stimmt wie bei Ockham. Duns Scotus hat auch ein-
fachhin abstrakt und konkret (empirisch) zu­sam­menge­scho­ben und ineinan­der ver­schränkt,
um stipulativ über Gott raisonnieren zu können; was er bewe­isend dann vortra­gen will, soll
ab­strakt im Sinne der Zergliederung und Komposition der essentia bzw. ihrer Tei­le sein, kon­
kret aber im Sinne des vom Fak­tum und Gegenstand (singulare) her bestimmten Wahrheitsa-
spekt. So gibt Ockham Duns Scotus mit Be­­zug auf die Behauptung (Ord. d. 3 q. 7 OT II p. 521
lin. 16–18) „quod notitia dis­tinc­ta sin­gu­la­ris non requirit notiti­am distinctam necessario cui-
uscumque universali“ so wie­der, dass dieser di­rekt wie­der in die Postulation eines un­abdingbar
Allgemeinen einschwenke (ib. p. 522 lin. 2–7): die von Ockham po­stu­lierte Er­kenntnis („quia
si sic“) könne nicht sein („hoc non esset“) „nisi quia quidlibet potest distinc­te cog­nos­ci sine
il­lo quod non est de eius essentia; sed omne tale distincte cognitum est comprehensum si nihil
rei lateat quod re­qui­ritur ad notitiam ipsius distinctam; igitur De­us posset comprehendi ab
intellectu creato.“ Um diese Er­kenntnis geht es schließlich in abstracto und als abstrakte Er-
kenntnis. Die in Ed. ib. Anm. 1 angegebene Textstel­le aus Duns Scotus Theore­ma­ta, theorema
VIII, n. 4: „Omne illud, et solum illud, perfecte concipitur, cu­ius nihil la­tet.“ (ed. Wadding, III,
273) scheint mir Ockhams Referat der ‘Scotischen Denkweise’ nicht ab­zu­decken.
Kapitel 4.  Fides et scientia 189

gelten.68 Die Widerspruchsfreiheit ist also Charakter (oder ‘Gehalt’) der Annahme,
der Aussage selbst, sie kommt ihr nicht zusätzlich (akzidentell) zu, was nicht gin-
ge und einen Widerspruch darstellte. Genau in diesem Sinne ist die Erkenntnislehre
schon konstruiert. Man sieht also wie die Widerspruchsfreiheit bei Ockham angelegt
ist und wie sie eben nicht ei­nem Aufbau aus einer naturalistisch ausgelegten Erkennt-
nis entsprechen kann, wie das in der neu­zeit­lichen Philosophie der Fall wäre. Das ist
das eine. Das andere, dass keine Apologie be­trie­ben wird, bei der der Inhalt auf eine
Stufe gehoben würde, bei der er mangels Fixierung (Kenn­­­zeichnung) einer Struktur
nicht mehr in irgendeinem Sinn dauerhaft und unangreifbar be­stehen könnte, son-
dern gleichsam unwirklich sich ausnehmen müsste: er wäre in einer Sphä­re relevant
und gültig, in welcher wir als Erdenpilger eben nicht leben oder Erkenntnis voll­zie­­­­
hen. So wenn wir gleichsam eine forma oder species einsähen.69
Dabei bestehen für Ockham religiöse oder erkenntnistheoretische Zweifel inso-
fern nicht, als er die falsche Struktu­rie­rung der dogmatischen Aussagen nach ihrer
sprachbezogenen Aus­­le­gung ablehnen kann. So ausdrücklich bei Behandlung der
quaestio Utrum haec sit con­ceden­da ‘Deus generat De­um’.70 Es geht darum, ob die-
se Aussage als propositio zuzulassen sei; ihr Inhalt oder Gehalt wird eindeutig von
Ockham zugestanden:71 „In ista quaestione sup­ponen­da est veritas, quod sunt tres
personae in una essentia quae est realiter eadem cum qualibet ea­rum personarum, et
quod Pater vere generat Filium. Sed difficultas, quantum ad istam quaesti­o­nem, est
de proprietate locutionis, an sicut ista conceditur de virtute sermonis ‘Pater generat
Fi­lium’,72 ita sit haec concedenda de virtute sermonis ‘Deus generat De­um’. Et est diffi-
cultas de suppositione istius termini ‘Deus’.“73 Natürlich kann man sagen, das Dogma
sei von Ock­ham mit der Ausdrucksform akzeptiert worden, die er der christlichen

68. Die Erörterung findet sich Rep. IV, q. 6 OT VII p. 97 lin. 7 – p. 98 lin. 9.
69. Das lehnt Ockham mittels seiner Suppositionslehre ab, die er in der Form darlegt, dass er
für sie Schlüsse ab­lehnt, die er als gegen ihre Konstitution gerichtet betrachtet. Zu dem Verfah-
ren cf. ib. p. 7 lin. 11 – p. 13 lin. 13.
70. Ord. d. 4, q. 1 OT III pp. 4–17.
71. Ib. p. 4 lin. 10–16.
72. Was übrigens einen natürlichen empirischen Satz darstellt, wie man zugeben wird, ebenso
wie ‘pater prior fi­lio’ eine propositio per se nota ist, die wir abstrakt (per notitiam abstractivam)
und konkret (per notitiam intui­ti­vam) einsehen. Ihre Gewinnung mag gleichwohl „schlusslo­
gisch“ problematisch und ‘unbekannt’ sein.
73. Der Satz ‘Deus est Deus’, den man ja auch noch einer originären Bekundung, wenngleich
in archaischer Em­pha­se und vielleicht Ekstase, in der der Mensch sich selbst noch nicht, schon
gar nicht rational, ergriffen hätte, zurechnen möchte, würde von Ockham ‘suppositionslogisch’
abgelehnt werden. Solche Selbstbekundungen möchte aber E. Gilson noch für die Scholastik,
genauer für Duns Scotus, geltend machen und W. Kluxen (ed.), 1974, p. 136 folgt ihm hier.
Der Scholastiker sähe sich im Em­blem einer Irrationalität und althebräischen For­mel:‘ Ich bin
der ich bin.’ Der darin beschlossene und auch ein­geschlossene Gott wäre unerkundbar, was er
190 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Grund­lehre hier gebe, die er vielleicht bloß nach dieser und damit ausweichend und
in ihrer dürren Förmlichkeit ver­ste­he; es wäre dies aber eine petitio principii des Deu-
ters und sie würde den Selbstbekun­dun­gen an­de­rer Nominalisten74 widersprechen,
bzw. zu ihnen disparat sein, dass eben das Dogma nach sei­ner positiven Gestalt in fide
zu akzeptieren sei; denn jetzt hätte ein Nominalist, sc. Ock­­­­­ham, mit seiner eigenen po-
sitiven Formulierung des ‘Dogmas’ dessen positiven Gehalt (erst und zu­gleich schon)
etabliert. All dies aber hieße, Quisquilien in Um­lauf bringen, zumal damit, wie es bei
Ockham einen Standard ausmacht, Dogma und Rationalität identisch wä­­­­ren, d. h. un­
un­terscheidbar ge­worden wären.75 Ockham erscheint keines­wegs als jemand oder der­
jenige schlechthin, der die Glaubensstücke als irrational und eben nur zu glauben aus
der rationalen Erörterung bzw. Darlegung ausgeschieden hätte.76 Er kritisiert Thomas
von Aquin aber suppositionslogisch und macht gegen ihn den Grundsatz geltend:77
„quando ali­quid supponit pro aliquo prae­ci­se ratione adiuncti, non supponit pro eo
ex modo suo sig­ni­fi­can­di.“ Nach dieser Beschreibung könnten subiectum und passio,
i.e. De­us in der Funktion als essentia (subiectum) und Deus als relatio oder persona
nicht secundum suppositionem per­so­nalem identisch für dasselbe äußere (extramen-
tale) Objekt stehen (sup­po­ne­re). Diese res ist hier Gott. Er unterscheidet sich da von
keiner anderen res, auf die wir uns mit unseren Aussa­gen beziehen können. Ockham
hält Thomas ei­nen Wi­der­spruch vor.78 Denn Thomas hatte nach Ockham mit der For-
mel79 „Quidam dixerunt quod hoc no­men ‘De­us’ et similia proprie se­­cundum suam

se­cun­dum Duns Scotum vermöge der Deduktion nicht sein soll, mit Ockham aber qua Ver-
werfung eben dieser Erkundungsform wieder wird.
74. Wie etwa des Petrus von Alliaco, cf. Kap. 2 Anm. 70 zu B. Hägglund, 1955.
75. Er würde sich vom neuzeitlichen theologischen Rationalismus der altlutherischen Ortho-
doxie, deren Be­deu­tung Kierkegaard hervorhob, dadurch unterscheiden, dass er in der christli-
chen Lehre nicht gleichsam einen ra­ti­o­nalen Kern hervorzuheben, zu entwickeln, abzugrenzen
und zu verteidigen suchte, der dann auch allein inner­halb der christlichen Apologie verbliebe
und damit (‘ausschließlich’) dem christlich-theologischen Selbstver­ständ­­nis zu dienen hätte
und einzig ihm dienen könnte. Kierkegaards eigene Strategie, dem Christentum einen wenig-
stens approximativen rationalen Charakter oder Zu­gang zu eröff­nen, wäre da noch nicht legi-
timiert.
76. Ockham (ib. p. 6f) wirft indessen Thomas von Aquin vor, bei der Erörterung unserer quae-
stio, soweit es um dessen Aus­legung des Dogmas nach der Deutung von Formeln geht, die
Ockham wiederum suppositions­lo­gisch aufnimmt, Quisquilien zu treiben: „Et ita dicta sua
vana sunt, nullam penitus habentia apparentiam“.
77. Ord. d. 4 q. 1 OT III p. 5 lin. 12f.
78. Ib. p. 5 lin. 16f: „Et ita in eadem quaestione idem concedit et ne­gat.“ Der Widerspruch be-
deutet, dass Thomas die suppositionslogische Identität des einen terminus ‘Deus’ durch zwei
Auslegungen aufhebt. Derselbe Vorwurf nochmals p. 6 lin. 3f: „Ecce quam manifeste idem ne-
gat et concedit.“
79. Ib. p. 5 lin. 19–22.
Kapitel 4.  Fides et scientia 191

naturam supponunt pro essentia, sed ex adiunc­to no­ti­onali trahitur ad suppo­nen­dum


pro persona“ und deren Erläuterung:80 „sed in propri­e­ta­tibus locutionum non tan­tum
at­­ten­denda est res significata sed etiam modus significandi“81 dem Ter­minus Gott ne-
ben der Funktion in der suppositio personalis, in der er für die res steht, auch die sup-
positio sim­plex auf ihn angewandt, in der man auf den Terminus selbst als ein prius
signum sich beziehe.82 Der Widerspruch, den Ockham Thomas von Aquin an­krei­det,
ist also Sache mangelnder Iden­tität; die Nichtübereinstimmung ist oder fußt auf der
Nichti­den­tität der Referenz. In dem Sinn widerlegt Ockham in genere und eben auch
mit­tels der Suppositionslogik. Diese legt er in die­sem Sinne, also praktisch schon
funktional, ge­gen Bur­le­­us alias Walter Burleigh dar. Die Ab­leh­nung einer Implikation
oder Schlussfol­ge­rung be­zieht sich auf eine solche Nichtiden­tität der Referenz.83 Da-
bei hatte Thomas selbst nach Ockhams Zitierungen den Ausdruck sup­po­ne­re immer
benutzt84 und war dem älteren sup­positionslogischen Verständnis gefolgt.85

80. Ib. lin. 22f.


81. Wenn Thomas nach Ord. d. 5, q. 2 OT III p. 28 lin. 5–7 feststellt, dass die Unterschei­dun­gen,
die den göttli­chen Personen zugehören („attribui“) und worin sie voneinander unter­schie­­den
werden, nicht der essentia zu­kom­­­men können, ist das eine petitio principii: um die divina
essentia ein­heit­lich zu haben, nennt er sie (‘per se’) einheit­lich. Ockham setzt dagegen: „die di-
stinctio fällt ebenso in die es­­sentia wie in ein sup­po­si­tum (eine gött­li­che Person), „ni­si aliud ob-
staret“. Der Widerspruch, den Ockham vor­greiflich ausschließen will, müsste eben­so abstrakt
wie empirisch sein. Das begrenzt die Funktion der Impli­ka­ti­on. Sie müsste zwei Ele­mente (Be­
grif­fe, Fak­­toren, Größen o. ä.) verbinden können. Der Widerspruch ist einer der sprachlichen
Auffassung oder des Ar­gu­ments, nicht der Sa­che. Ockham kann die opinio des Thomas (p. 5
lin. 5) „vera“ nennen und deren Be­grün­dung an­grei­­fen, so wie er sich auch Duns Scotus in ganz
derselben Form entgegensetzt. Duns Scotus ar­gu­men­­tiert, dass essentia und relatio verschiede-
ne Bestimmungen haben müs­sen, weil sie sonst als Be­grif­fe kei­ne ver­schie­denen In­halte hätten.
Auch das ist eine petitio principii. Cf. ib. lin. 16 – p. 29 lin. 9.
82. Cf. p. 8 lin. 17–19: „Quia tamen conceptus est prius signum, ideo ratione adiuncti potest
supponere pro ipso conceptu.“
83. Ockham verteidigt seine historisch späten suppositionslogischen Klassifikationen als ab-
solute, un­ver­rück­ba­re, z. B. gegen Walter Burleigh. Er muss also die Denkakte, wie sie denn
in notitia abstractiva und no­ti­tia intu­i­ti­va, habitus und iudicium erkennbar sind, als absolut
erfasst betrachten.
84. Cf. p. 4 lin. 18 – p. 6 lin. 7.
85. Es wird historisch durch Wilhelm von Shyreswood, Lambert von Auxerre und Petrus Hi-
spanus repräsentiert. In Ockhams Entgegnung steht W. Burleigh dafür. Er ist in dem Sinn Tra-
ditionalist. In dieser traditionellen Sup­positionslogik vertritt die suppositio simplex die onto-
logisch realistische Universali­en­leh­­re, nach der man mit den Begriffen zunächst sich auf die
species oder auch forma bezieht und erst danach auf die einzelnen Ob­jek­te, die so per addita-
mentum getroffen werden. Darin liegt für Ockham ein oder der Wi­der­spruch: wenn ‘ich’ mich
auf eine res zweimal und verschieden beziehe, beziehe ‘ich’ mich nicht iden­tisch (was der Realist
zu­ge­ben wird) auf denselben Gegenstand. Aber der Nominalist Ockhamscher Prä­gung hat das
192 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham operiert mit einer gegen-ontologischen Funktion: in einer ratio (Bestim­


mung), die für Akte und dann auch Satzelemente gegeben wird, muss eine Impli-
kation einge­schlos­sen sein, die besagt, dass bestimmte Konsequenzen nicht gezogen
werden müssen oder können. Abstrakt und empirisch dürfen in der Argumentation
nicht identisch sein (ko­in­zi­die­ren), weil wir damit die (Ebene der) Argumentation ver-
lassen, wie Ockham auch mit der prak­tischen Dif­ferenzierung von notitia abstractiva
und notitia intuitiva ausdrück­lich zeigt.86 Er nimmt da­­bei die erkenntnistheoretisch
genealogische Erörterung wieder auf, die er in zwei berühm­ten Quästionen führt.87
Es ist aber auch die Frage, ob man eine solche Ko­­inzi­denz von ab­strakt und konkret
nicht auch in der modernen Naturwis­sen­schaft als wi­drig an­sieht und, weil man hier
zu­­letzt auch zwischen mathematischem Ausdruck und Experi­ment zu dif­fe­renzieren
gedrängt wird, die Implikation wenn nicht aufgeben, so doch jeden­falls für nicht mehr
für wirk­­lich trag­­fähig bzw. nicht erschließend hal­ten will.88 Man käme so noch zu ei­
nem Zusam­men­klang von Theologie und Physik, wenngleich er instrumentell über
die Ne­ga­­­ti­on eines ab­so­luten Elementes sich ergäbe. Dabei kann Ockham im Grunde
die Akt­lehre und die Lehre der Satzformen und darin eingeschlossen der Bedeutung
einzelner Sät­­­ze in Be­zug auf ver­schie­­­­dene Disziplinen, denen sie zum Teil gemeinsam,
angehören, par­al­lelisieren, weil er die Formen explizit theologischer Aussagen wie em-
pirische behandeln kann, was er so­­wohl an sich89 wie in seinen Auseinandersetzun-
gen mit Thomas von Aquin und seinen Ab­grenzungen ihm gegenüber tut.90 Auf der

Wider­spruchs­prinzip durch das Identitätsprinzip und die Logik durch die Suppositionslogik
ersetzt. Das kenn­zeichnet Ockhams Beweis gegen Tho­­mas, eben dessen Widerlegung. Sonst
müsste ein analyti­scher Be­weis für die Identität oder gegen sie geführt werden. Das ersparen wir
uns mit Ockham. Wir operie­ren im­mer noch oder nur ex iden­­titate rei; die setzen wir ebenso
wie die res extra mentem voraus. Das mag man für (auch) eine on­to­logische Voraus­setzung
halten. Doch kann das nur gelten, weil man die realistische Ontologie zuvor abgelehnt hat. Al­so
per addita­men­tum.
86. Und zwar wieder gegen Thomas von Aquin und Duns Scotus.
87. Ord. Prol. q. 1 OT I pp. 3–75 und Rep. II, q. 12–13 OT V pp. 251–310.
88. In der Quantentheorie wird das nicht mehr wirklich vorhersehbare Er­eig­nis oder Ergebnis
auch nicht mehr ge­fol­gert werden können.
89. Cf. dazu bereits die Einleitung.
90. Wenn Ockham sagt (Rep. II, q. 12–13, OT V p. 309 lin. 19f): „Sed intellectus est omnia in-
telligibilia tam per actualem quam per habitualem“, hat er auch den Bereich der per se empi-
rischen Erkenntnis verlassen (über­stie­gen). Denn der ha­bi­tus ist in der empirischen Welt und
in der Referenz auf sie nicht mehr greifbar. So müs­sen denn auch die Begriffe ‘einheitlich’ auf
empirische und jenseitsweltliche (also die divina essentia und Ver­wand­tes betreffende Sach-
verhalte bezogen werden können; hiermit aber kann das iudicium über die Rechtmä­ßig­keit
oder Akzepta­bi­li­­­tät eines Satzes nicht mehr empirischer Wahrnehmung verdankt werden oder
auf sie bezo­gen sein. Es erfolgt in Demonstrationen. Wo wir nicht deduzieren können, z. B. in
der Syllogistik selbst (cf. Ord. Prol.), ziehen wir ‘habitus’ zur ‘Herleitung’ und Widerlegung der
Kapitel 4.  Fides et scientia 193

Ebene der Aktlehre haben wir eine doppelte Wahr­neh­mung der Aussagen, sc. durch
notitia abstractiva und notitia intuitiva, wo­bei etwa die pro­po­sitiones per se primo modo
necessariae und propositiones per se secundo mo­­­do neces­sari­ae auch der em­pi­ri­schen
Wahrnehmung angehören.91 Die Satzinhalte aber wer­den nach den Be­­griffsfunkti­o­
nen oder Begriffsarten in Bezug auf die hypothetische Besei­tigung eines po­ten­­­­­­­tiellen
Wider­spruchs­moments auch suppositionslogisch bewertet. Die Sätze haben so keine
analytische Qua­­­­­­lität, wie sie denn auch prototypisch nur empirische sind.92

intensionalen Auslegung im Grunde ‘kontingenter’ Sätze (formal auch theologischer) heran; es


ist ein reiner und unerfüllter (negativer) Referenzbegriff.
91. Die Ununterschiedenheit der Bereiche hat auch damit zu tun, dass wir uns nicht wie bei
Duns Scotus für den Begriffssinn (Begriffswert oder überhaupt Begriffsinhalt) auf eine spe-
cies stützen müssen. Der Zurückweisung der Lehre von der species dient wesentlich die ganze
quaestio, wie sie denn auch die notitia intuitiva und notitia ab­stractiva womöglich in einer frü-
hen, wo­mög­lich der ersten Redaktion gibt. Ib. lin. 20f: „Unde habi­tus ita per­fec­te est similitudo
rei sicut species vel actus.“ In der notitia intuitiva ist das Objekt (res) gegeben = prae­­sens (Ib.
p. 310 lin. 4): „in se, in abstractiva est praesens in habitu.“ Die eigentliche Gestalt des Begriffes
in se, die entitas, der Begriff als ens oder entitas bleibt unerörtert. Ockham gibt nur Bestim-
mungen, die förm­­­­li­che Referen­zen, Mo­­­­di des Bezugs ad rem extra, besagen, so in der Form der
Erklärung der universalia als fic­tum (esse) usw.
92. Duns Scotus führt nach Ockham (Ord. d. 5 q. 1 OT III p. 28 lin. 16 – p. 30 lin. 15) einen
scheinbaren ana­lyti­schen (repro­ba­ti­­ven) für die inhaltliche Ablehnung eines Satzes, sc. ‘es­sentia
(divina) generat’, indem er zu­nächst behauptet, das praedicatum könne hier vom subiectum
nur ‘formaliter’ prädiziert werden (und wie Ock­ham ins Ar­gu­ment ib. p. 30 lin. 4 einfügt: „et
modo inhaerentis“) und dann erklärt, der Satz könne ein wahrer Satz nur sein, wenn er eine
proposi­tio per se primo modo sei. Bei dieser muss also das prae­dicatum dem subiect­um inhä-
rieren. Diese in­haerentia wird aber – bei Ockham – von empirischen (kontingenten) Sätzen
angenom­men. Duns Scotus fol­gert indessen: Der Satz sei aber keine propositio per se primo
modo, also sei der Satz ‘es­sentia (di­­vina) gene­rat’ abzulehnen (p. 28 lin. 16: „non concedenda“),
weil er mithin nicht wahr sei. Dieser Be­weis des Duns Scotus erscheint zu­nächst umrissen p. 28
lin. 17 – p. 29 lin. 9. Duns Scotus will zeigen, wie Ockham ihn zi­­­tiert, dass (ib. lin. 6f) das „prae­
dicatum non est de per se intellectu subiecti“ oder mit den Worten des Augusti­nus (ib. zitiert
lin. 7–9): „‘om­ne enim quod dicitur ad aliud, est aliquid praeter relationem’ VII De Trinti­ate 2,
‘ita quod relatio non est in­tra conceptum illiud absoluti’.“ Ockham kritisiert oder widerlegt
(p. 30 lin. 17 – p. 31 lin. 2) Duns Scotus und eben seinen Beweis (sic!), indem er zwei Sco­ti­sche
Beispiele für theologische Aussa­gen, die sacra divinitas betreffend, von abstrakter, au­ßer­em­pi­
ri­scher Natur anführt, bei denen Duns Scotus so­wohl die ‘prae­dicatio formalis’ unterstellt wie
den Charakter der propositio per se primo modo bestreitet. Ockham ne­giert also die auch nur
akzidentelle Brücke zwischen praedi­ca­tio for­ma­lis und propositio per se primo modo, in­dem
er zeigt, dass Duns Scotum sie ‘secundum eum ip­sum’ nicht ge­ne­rell behaupte und darum auch
nicht akzi­den­tell be­­­haupten könne; das ist ein induktiver Gegen­beweis. Indukti­on und Wi-
derlegung werden gleich. Bei Duns Sco­tus wäre es eine petitio principii ad hoc. Duns Scotus
aber hat­te, wie Ockham (p. 30 lin. 8) sagt, „die maior“ des oben geschilderten Beweises und
diesen selbst „re­petiert“, wenn er nach Ockham (p. 30 lin. 8–15) sagte: „Quia illud praedicatum
praecise natum est prae­di­ca­­ri formali­ter, ideo non potest salvari veri­tas propter iden­titatem
194 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Für die consequentia formalis gibt Ockham zwei Beschreibungen oder Definitio-
nen: ein­mal setzt er sie mit jedem gültigen Syllogismus gleich, zum anderen definiert
er sie aus dem Zu­sam­menstehen der Begriffe.93 Indem er sie für die Theologie tauglich
macht, benutzt er sie als Gegengewicht gegen jede Art von Widerspruch, demgemäß
Syllogismen nicht angehen oder be­stehen können. Der Widerspruch liegt also außer-
halb der consequentiae (beider Arten von consequentia formalis94). Sofern wir einen

tan­tum, – et quia subiectum est summa abstrac­ti­one ab­strac­tum, non potest stare pro ali­quo
qualiter­cum­que alio a se sed praecise pro se formaliter, et ideo opor­te­ret quod sua ratio praecise
formaliter es­set idem illi praedicato, quod non posset nisi ista ratio praecise in­clu­deret il­lud
praedicatum.“ Es soll auf der ab­­strak­ten Ebe­ne von Begriffen und Sätzen eine identi­tas formalis
die Inhärenz oder Impli­ka­ti­on (der Begriffe des Sat­zes) ein­schlie­­ßen, also wie­de­rum ein ab­strak­
ter Satz analog ein empiri­scher sein. Ockham hatte für die Bestimmung des Verhältnisses von
Be­griffen im kon­tin­genten Satz (!) die iden­titas formalis generell abgelehnt und sie noch ein­mal
speziell ge­gen Duns Sco­tus bei dessen Begründung ei­nes immediaten Verhältnisses von sub­­­
iectum und denominativum im Satz verwor­fen. Das Scotische analyti­sche Be­weisen ist immer
dasselbe: ein abstrakter Ge­halt im Satz wird über ‘im­ma­­nen­te’ kategorielle Bestim­mun­gen und
anteilige (für wesentlich er­klär­­te) Ingredien­zien zum empiriewertigen, po­stu­­la­tiv wahren und
zu­gleich nur ana­lytisch unumstößlichen er­klärt. Duns Scotus argumentiert in einer supra­lo­­
gischen Form. Ockham begegnet dem suppositionslogisch und induzierend und re­probativ.
93. Ord. d. 4. q. 1 OT III p. 15 lin. 1–20: „consequentia formalis est duplex. Aliquando tenet ra-
tione complexorum, et talis consequentia est syllogismus“ Alle gültigen Syllogismen ‘tenent’ da-
nach consequentia formali. „Et ta­lis syl­­­lo­gismus tenet in omnibus terminis “ Aber (lin. 8–20):
„Aliquando consequentia est formalis praecise ra­ti­o­ne terminorum, quia scilicet termini ipsi se
habent sic ad invicem vel sic. Et isto modo ab universali ad sin­gu­­la­rem est bona consequentia,
non ad quamcumque, sed quia terminus unus continetur sub alio. Unde bene se­qui­tur ‘om­­nis
homo currit, igitur iste homo currit’, demonstrando Sortem qui vere est homo.“ Damit ist der
Satz em­pi­risch und die consequentia auf empirische Sätze fixiert. „Sed non sequitur ‘omnis
homo currit, igitur iste ho­­mo cur­rit’, demonstrando asinum. Et ratio est quia omnis consequen-
tia tenet per medium unum intrinsecum in quo unus terminus verificatur vel negatur ab alio.
Et ideo quando talis propositio per quam consequentia deberet re­du­­ci in syllogismum est vera,
tunc est bona consequentia, et quando non est vera, non valet.“
94. Beide Arten der consequentia formalis sind so auf den Syllogismus bezogen. Technisch
wird für die zweite Art der con­se­quen­tia formalis (oder deren Erklärung) zur Syl­lo­gi­s­tik eine
weitere Regel hinzugenommen; will man sie für konsistent oder kompatibel mit der traditio-
nellen Syl­logistik halten, muss man annehmen, dass sie al­lein noch nicht intellektiv oder definit
sei. Wir gehen mit Ockham tatsächlich davon aus, dass von ihr aus über die theologischen
Aussagen und transzendenten Wahrheiten (noch) nicht entschieden werden kann. Es kann in­­
fol­­ge­dessen über ihre Wahrheit überhaupt nicht entschieden werden, wie sich auch daran zeigt,
dass wir pecca­ta ex materia und ex forma haben können, über die wir nur ex fide befinden.
Wir müssen ja von der Einheit der Be­griffe ausgehen und haben insofern eine rationale Basis,
nicht für die (analytische) Deduktion der dogmatischen Wahrheiten oder Aussagen, sondern
für deren Bewertung. Paradoxerweise ist es die Bewertung ihrer inten­si­­ona­len Qualität. Das
bedeutet die Ausschließung einer Implikation, die äquivalent empirisch gelten könnte. Die Sup­
po­sitionslogik soll dort eintreten, wo sie angenommen werden müsste und nicht angenommen
Kapitel 4.  Fides et scientia 195

Typus des Erkennens im Spannungsfeld von The­o­lo­gie und natürlichem Erkennen


hiermit umreißen, stellt er sich als ein menschlicher dar, der aber weder intentionell
noch formal als bloß menschlich determiniert erscheinen kann.95 Die Salvierung der
theologischen Wahrheiten, die Ockham gibt, ist die des Denkens über­haupt, insofern
es formell auf der Basis von Aussagen Erken­nen sein können soll.96
So zeigt sich, dass überall, wo Beweise geführt oder begründet werden sollen, der
Faktor der Im­­plikation außerhalb des Inhaltsmoments stehen muss, und dass dort,
wo Beweise geführt wur­­den, bei denen dies nicht beachtet wurde, wie generell bei
den Scotischen, eine Wider­le­gung möglich ist, bei der genau dieses Ergebnis sich her-
stellt. Mit dieser ergibt die Induktion sich als Basis des Begründens oder Beweisens.
Und dasselbe Ergebnis ist analytisch nicht zu er­langen, es ist so nicht möglich.97 An

werden kann. Des Ni­­kolaus von Autrecourt hyperbolische Programmatik bzw. Kritik ist daher
beweislogisch sinnlos. An an­de­ren Stel­len beziehen wir uns via Ockham auf seine Expertisen
erkenntnistheoretisch bzw. mittels der Akt­leh­re. Die em­­pirische Erkenntnis hatte Ockham im-
mer vorausgesetzt. Sie wird nur nicht ex parte rei be­stimmt.
95. Die Idealisten der Neuzeit haben eine menschliche Form des Erkennens, die wir einzig
für uns zu reklamieren hätten, sei es beschrieben, sei es gesucht. Ockham gibt ein Erkennen
von äußerster und absoluter Allgemein­heit, das nicht spezifisch das des Menschen ist, obwohl
es von ihm in Sonderheit zwar ermittelt und unterhalten wird. Es muss aber nicht die Spuren
dieses Menschen tragen. In der Weise wie es seine Richtigkeit ermittelt und vor­trägt, wie es
Richtigkeit überhaupt über seine Form hinaus anstrebt, ist es nach Intention und Einlösung
nicht mehr nur menschlich, das heißt nicht mit dem Vorzeichen versehen, dass es menschlich
sei und den Menschen ent­weder in den Rang Gottes hebe oder zu seinem erklärten Gegner ma-
chen könnte, der davon das Mal an der Stirn trüge. Es ist logisch qua Feststellung des Verhält-
nisses von Implikation und intensionalem Gehalt. Da­rin hebt es die Ontologie auf. cf. Kap. 9:
Ontologie und Induktion
96. Das bedeutet aber auch, dass das Erkennen nach seiner Qualität oder seiner Effizienz (evtl.
eines im anderen, wenn denn das möglich ist, was unwahrscheinlich ist), nicht durch indirekte
Beweise ermittelt und festgesetzt werden kann. Effizienz und Qualität können aber mutmaß-
lich nicht zugleich oder neben- bzw. nacheinander fest­gesetzt und durch indirekte Beweise
ermittelt werden, weil sie dazu, als Begriffe nicht auf derselben Stufe an­­ge­siedelt doch zugleich
so angesetzt werden muss, bzw. die Erkenntnis schon definiert und gewonnen noch ein­mal (als
dieselbe?) ermittelt werden müsste. Man müsste zu minderen Bedingungen (Erfüllun­gen) des
Be­griffs hinuntersteigen (können), die womöglich doch noch nicht die Erkenntnis ‘sind’ und
beinhalten; wie dann kön­nen sie sie fundieren?
97. Hier kann aber auch das Gegenteil nicht bewiesen werden und es gibt keine Reklamation
von Beweisen, die als solche, wenn sie auch nur gefordert werden, noch als ex se gültige er-
scheinen könnten. Damit gibt es letztlich kei­ne Basis für die Vorstellungen des Nikolaus von
Autrecourt, worin wenigstens idealiter der Begriff sei­ner Iden­­­tität nach soll unterstellt werden
können. Ockham geht von Begriffen aus und er substantiiert diese; aber er kann die Implika-
tion als in­ter­nes oder immanentes Ingrediens im Medium der Sätze und Schlüsse nicht hal­ten;
er kann derartig auch keine wei­teren Kategorien oder Satzpartikel wie distinctio formalis oder
identitas for­malis zulassen, wenn denn noch Beweise geführt werden können sollen.
196 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

ihrem fernen98 Ort treffen Duns Scotus und Ockham als Protagonisten aufeinander
und treten als Antagonisten zusammen: sie zeigen ver­eint, dass ‘Be­­griffe’ nach ihrer
wesentlich abstrakten Bedeutung99 wesentlich theologisch ver­­wendbare Be­griffe sein
können müssen. Mit Ockham ist dieses nicht ausgeschlossen, weil die Impli­ka­­­­ti­­on aus
der ‘Verknüpfung’ der Begriffe und Sätze weggenommen werden muss. Dass vie­le
Wahr­heiten über Gott nicht zu beweisen sind, ist gemeinsam das Ergebnis von Duns
Sco­­tus und Ockham. Aber Ockham gewinnt es in einem theoretischen Wider­stand
gegen das ihm vor­­­liegende scholastische Beweisen, das er aus dem Grund und zwar
wie aus dem na­tu­ra­len Grund, der vor und von unterhalb der Begriffe liegt, für die
Begriffe als na­­­­­tu­ra­le Phä­no­me­­ne ge­winnt. Gleichwohl sind sie dabei wie bei Duns
Scotus (wenigstens pro for­ma) in in­tel­lectu und in der anima intellectiva.100 In der
Suppositionslogik aber wird das Zeichen101 sei­ner selbst inhaltlich (intensional) und

98. Man denke an den berühmten Buchtitel von B. Tuchman, Der ferne Spiegel, 1980, bei dem
wir uns selbst qua­si wie in einer Verkleinerung und dennoch deswegen präziser sollen an-
schauen dürfen.
99. Auch Duns Scotus nimmt oder gibt diese mit seinen Formeln – cf. Text Anm. 92 p. 28
lin. 18: „subiectum sua abstractum ul­ti­ma­ta abstractione“ und p. 29 lin. 10 „in substantiis est
tantum una abstractio“ (quidditatis, wie Ock­­ham er­gänzt) und p. 30 lin. 10f: „subiectum est
summa abstractione abstractum“ und sagt p. 30 lin. 13–16: (‘ideo’ wie Ockham ergänzt) „illud
ut sic concep­tum, est praecise ipsum, quia cuilibet alii extraneum, – sicut di­cit Avicen­na V Me-
taphysicae“ quod ‘equinitas est tantum equinitas’ et nihil aliud.“ Das ist der berühmte Sco­ti­sche
Aus­gang von Avicenna mit eben der berühmten Formel des Avicenna selbst.
100. Hier hat Ockham entweder kein Motiv gehabt um gegen Duns Scotus anzutreten oder
eben das der Na­tu­­ra­li­tät an sich und ohne Bezug auf Duns Scotus. Aus ihr wäre das mythische
Material des Chri­s­ten­tums nicht ab­zu­lei­ten: die Gottessohnschaft, usw. Ein mythisches Motiv,
nach M. Eliade, Le mythe de l’éternel re­tour: Arché­ty­pes et répétitions, 1949, Kap. I aus Ritualen
entwickelt, um ein un­be­wäl­tigtes histori­sches oder ein Be­wusst­seins­­fak­tum zu verhül­len, muss
Realitätswahrnehmung aner­kennen und über­tün­chen. Es kann zu sich selbst nichts sagen und
spricht nur von sich selbst. Solcher Charakter ist am Nominalismus in Ockhams Struk­­tu­ren ab­
les­bar. Er hät­te damit anerkannt, dass die Na­turalität sich bis zum Dogma zu entwickeln hät­­te
und dann den Rückgriff auf sie ge­stoppt. Er gibt das Denken, ohne dass dieses sich selbst als das
Er­ken­nen (vollstän­dig) er­klären könnte. Es be­sitzt kein projektives Selbstverhältnis, wie das der
Neu­zeit es kannte.
101. Ockham ist in der SL vom Zeichen (und von der vox als Zeichen) in erster Vorerklärung
zum Begriff aus­­ge­­gangen; er nennt Ord. d. 4 q. 1 OT III p. 8 lin. 17–19 in seiner Ent­gegnung
auf Walter Burleigh, die korrekte Auffassung der Sup­po­sitionslogik be­treffend, den conceptus
oder den terminus Zeichen (signum): „Quia tamen conceptus est pri­us sig­num, ideo ratione
adiuncti potest supponere pro ipso conceptu.“ Damit ist die suppositio simplex ange­sprochen,
wie Ockham sie versteht. Das Zeichen kann in sich keinen Folge- und Fol­­gerungsmodus mehr
zu­las­sen; die Wi­der­legung in der Auseinandersetzung über die korrekte, einzig richtige Form
der Suppositionslogik hebt die Wi­der­legung als analytischen Modus auf. Damit ist über die
richtige (Form der) Suppositionslogik in­duktiv ent­schie­­den. In nuce lautet die Suppositionslo-
gik ib. p. 7 lin. 17 – p. 8 lin. 5: „dividitur suppositio in sup­po­sitionem simplicem, personalem et
Kapitel 4.  Fides et scientia 197

intellektiv nicht ansichtig; in dem Sinne wird es sich nicht ge­genständlich, wie das ja
auch in der Bezeichnung signum induktiv aus­ge­drückt wor­den ist. Das Zeichen oder
was ihm vorausginge kann für das Zeichen selbst nicht ana­lytisch ent­wic­kelt wer-
den; die Suppositionslogik (die suppositionslogische Identität) ist ei­ne Primär- oder
Stammformel. Indem mittels des Begriffs als Zeichen die Äquivalenz des con­­­tingens
mit dem ab­surdum, sei es als Satz, sei es als Sache verstanden, auftritt (möglich ist),
erscheint die Sup­po­­si­tionslogik we­­­­sent­lich oder ausschließlich als Widerlegungsfor-
mel oder -symbol.102 Sie diente intentio­nell der Wi­­­derlegung. Die in der Suppositi-
onslogik ausgedrückte und mit ih­rem Gebrauch nach­­weis­­ba­re Widersprüchlichkeit
wird als eine des unrechtmäßigen Ge­brauchs von Begrif­fen in Sät­zen, die damit abge-
lehnt werden, erschei­nen. Es wird darin noch­mals sicht­bar, dass sup­po­si­ti­ons­logisch
keine Auslegung der Begriffe in analytischer Hin­sicht er­fol­gen soll.103 Die Sät­­­ze wer­
den damit als potentiell analy­tische abgelehnt und das muss be­deu­ten, dass die sup­po­
siti­ons­logischen Beweise (Widerlegungen) nicht Systemteil eines Sy­stems analytischer
Sät­ze oder Demon­stra­ti­­onen resp. De­duktionen sind.104 Die Suppositi­ons­lo­gik drückt
kein Wider­spruchs­­­moment für ein solches System aus.
Wenn aber, wie natürlich, die Kausalität in der generatio des Sohnes durch den
Vater, sei es mit­gedacht werden kann oder muss, sei es wenigstens nicht ausgeschlos-
sen werden kann, tritt sie als additamentum in jeden elementaren Ausdruck des Ver-
hältnisses des Vaters mit dem Sohn nach der Idee der ‘generatio’ ein; sie kann nicht
als mit dem Ausdruck wesensgleich ver­­­­stan­den sein. Die Kausalität gehört zu dessen
Erläuterungen; es müsste eine Induktion der Kau­sa­lität – qua repro­ba­tio (indirek-
tem Beweis), nach welcher sie nicht nicht sein könnte – zu den­je­nigen ontologischen
Ausdrücken, Formeln, Termini und Ter­mi­no­lo­gien geben (können), in de­nen bzw.
mit deren Hilfe die generatio allein ausgedrückt/­aus­­gelegt werden; denn sie kann

materialem. Suppositio simplex est quando terminus supponit pro concep­tu, sicut hic ‘homo
est species’. Materialis, quando supponit pro ipsomet termino, sicut hic ‘homo est nomen’. Per­
sonalis est quando supponit pro aliquo supposito, hoc est de aliqua re de qua vere praedicatur.
/§ Immo, ge­ne­raliter, suppo­si­tio personalis est quando terminus supponit pro suo significato,§/
sicut hic ‘homo est animal’.“ ‘Mensch’ und ‘Lebewesen’ werden von demselben Gegenstand
ausgesagt.
102. Das wird an Ockhams Entgegnung auf Thomas von Aquin und in seiner descriptio oder
definitio der con­se­quen­tia formalis der zweiten Art deutlich.
103. Das ließ Ockham auch bei seiner oben behandelten Kritik an der Argumentation des
Duns Sco­tus be­züg­lich des Sat­zes ‘Deus generat’ erkennen. Cf. Anm. 92.
104. Die Suppositionslogik ermöglicht und definiert keinen Widerspruchsbeweis, der schon
erfolgten Beweisen fol­gen könnten. Sie ist nicht Teil eines analytischen Deduktionssystems
oder Teil seiner Logik; sie ist auch nicht über die Syllogistik, für die Ockham mittels der Sup-
positionslogik gültige Sätze und Syllogismen feststellt, Tei­l eines solchen Systems. Dabei ist
festzustellen, dass eine Folgerung, die per Syllogismus erfolgt, für Ockham hö­her rangiert als
eine, die in einer consequentia in nicht syllogistischer Form auftritt.
198 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

selbstverständlich weder per se (per essentiam) noch empi­risch verstanden werden.


Sie ist so nicht zu apprehendieren und zugleich oder sofort intelligi­bel. Hier wider-
legt Ockham Tho­­mas von Aquin. Er bestreitet ihm den Gebrauch der ontologischen
Begriffe wie den der cau­­sa. Er bestreitet die induktive Qualität ihres Gebrauchs.105
Ockham nimmt dabei kei­nen ontologischen Begriff, auch nicht den von causa, als ei-
nen in se empirischen oder als für die ma­teria oder res respektive realitas definierten
an; er bestreitet eben eine solche Geltung als Geltung ex parte rei in re gewissermaßen
noch dort, wo er sie hypothetisch expressis verbis instituiert oder intendiert: bei der
consequentia naturalis, die das Modell einer in se innerhalb der Reali­tät unmittelba-
ren Beziehung (Relation) bedeuten kann; um so mehr muss es überall gelten.106

105. Ockham betreibt dabei letztlich eine Idealisierung der termini, die damit zusammenhängt
und daraus her­vor­­geht, dass er die scholastische (oft elementare ‘ontologische’) Terminologie
in Bezug auf die elementaren Tat­sa­­chen der Wirklich­keit als nicht beweiskräftig darstellt, d. h.
solche Behauptungen oder aber Beweise, die sich ih­­rer bedienen, refu­tiert, bei Tho­mas von
Aquin (und ebenso Duns Scotus) nicht selten, indem er auf Wider­sprü­­che in deren Äußeru­n­
gen ver­weist, daneben aber auch selbst die Nichtschlüssigkeit ihrer Vorstellungen als Di­ver­­genz
von Aussage (Be­hauptung, aufgestelltem Prinzip) und Realität angibt: wenn man die Realität
hinzu­nimmt, ent­fallen die scho­­lastisch üblichen ‘Kategorien’ nach dem für sie angenommenen
Verhältnis bzw. ihrer Dif­feren­zie­rung. Erst in der Abstraktion werden sie von Ockham salviert:
so forma als forma substantialis und forma ac­ci­dentalis, so die distinctio ratione gegenüber
der distinctio realis, die er je Thomas von Aquin für des­sen Er­klä­rung von Sach­­ver­halten und
Bestimmung von Sätzen bezüglich der Kausalität nicht zugibt. Cf. Ord. d. 6. q. uni­ca OT III
pp. 84–92. Für Ockham entfällt die phy­si­ka­li­sche Sachverhaltlichkeit in­eins mit theologi­schen
Be­­fin­dungen oder Expli­ka­­tio­nen sei­nes Kontra­henten Tho­mas, die folglich zusammen negativ
entschie­den werden. Die Realvor­stel­lun­gen, die Ockham (na­tur­philoso­phisch) be­streitet, sol-
len auch nicht in der sacra the­o­logia be­züg­lich der di­vi­nitas angewandt wer­den (können). So
ge­se­hen gibt es na­türlich bei Ockham keine Op­tion für die Theologie oder die Physik zu­ungun­
sten der anderen Dis­­ziplin und natürlich keine Option gegen eine der bei­den. Das ist es, was
wir be­tonen wollen: die immer abstrakte Fas­sung des Denkens als Bewei­sen, das das Er­kennen
als re­lativ absolutes sta­tu­iert. Erst wo die theologischen Aspek­te für Ockham naturale werden
(pe­­ccatum, pe­­c­ca­tum origina­le!), kann er (ver­möge desselben be­griff­li­­chen Instrumentariums!)
opponie­ren.
106. Die consequentia naturalis drückt den Zusammenhang von Begriffen nach einer natural-
genetischen Bedeu­tungs­­­kom­po­nente aus oder sie statuiert bzw. realisiert ihn erst. Der Mensch
ist als Individuum Element einer spe­ci­es (noch Brouwer hat species für Menge gebraucht) und
gehört mit dieser in das genus ‘animal’; die relational un­umkehrbare (eineindeutige) conse-
quentia, die das ausdrückt „Sors est homo, igitur est animal“ heißt bei Ock­ham consequentia
naturalis. Die Eineindeutigkeit ist ihr Bestimmungsmerkmal. Cf. Ord. d. 8 q. 4 OT III p. 240
lin. 15–20: Ock­­ham hatte sich p. 229 lin. 22f auf Boethius, libro Divisionum (PL 64, 879 B)
bezogen und ihn zi­tiert: „Om­­­­­ne genus naturaliter prius est propriis speciebus“ und dafür in-
duktiv argumentiert (ib. lin. 23 – p. 230 lin. 4): „Tunc arguo: nihil est prius naturaliter aliquo
composito nisi causae suae extrinsecae et partes eius intrin­se­cae. Si ergo genus prius natu-
ra sit speciebus ipsis, oportet quod dicat aliquam causam extrinsecam, – quod est manifeste
fal­sum – vel aliquam causam intrinsecam, et per consequens partem.“ Ockham argumentiert
Kapitel 4.  Fides et scientia 199

Hier kann Ockham die empirische Bedeutung für die Begriffe per se bestreiten,
ihre ab­strak­­­te in­tensionale (nominelle) aber behalten. Auf diese Weise kann er – we-
nigstens pro for­ma – die scholastische Bewegung festhalten und fortsetzen, wenn-
gleich er sie vielleicht impli­zit schon ab­bricht und in eine geschichtlich gesamtheitlich
andere Entwicklung überleitet. Wie das his­to­risch möglich sei, kann nur vermutet wer-
den. Ockham vermag nichts gegen das christliche Dogma. Er muss es übernehmen,
aber er kann es subkutan von dessen Anfän­gen her ge­se­hen sprengen. D. h. dort, wo
das Anfängliche uran­fäng­lich zeichnet, z. B. im Sün­­denfall.107 Die Scho­­­lastiker hat-
ten in der Erbsünde nur eine ak­zi­dentelle Beeinträchtigung des Menschen ge­se­hen;
Ockham betrachtet sie – ver­möge des ac­cidens – als inexistent.108 Natürlich kann man
ihm dann ebenso Missachtung des Dogmas wie der Ontologie vorwerfen. Ockham
lässt, wenn er die mangelnde Perfektion scholasti­scher Er­klärungen und Kon­struk­
tio­nen er­kennbar macht, mit seinen Refutationen ei­ne strukturell be­dingte eige­ne,
nun­mehr zu den Stoffen ex­tern sich ver­haltende Künstlichkeit sehen, die ge­gen die
in­ter­ne seiner Kontra­hen­­­ten steht, die als bloße Ungeschicktheit erscheint.109 Sie wird

nach sei­ner Wei­se in­duktiv, nicht vermöge ir­gend­einer irgendwie möglichen und greifbaren
Sachausschöpfung. Er er­greift nicht die materia in se oder ex se. Das lässt sich zusätzlich be-
legen: Denn Ockham verweist auf Boethius und zitiert ihn mit den Worten „Genus speci­e­bus
materia est. Nam sicut aes accepta forma transit in statuam, ita ge­nus ac­cep­ta differentia transit
in species“, um kommentierend hinzuzufügen: „Igitur secundum intentionem eius, genus vel
est materia simpliciter et realiter, vel dicitur materia quia importat materiam.“ Ockham ist deut­
lich hin­sicht­lich des (begrenzten) Realwertes von genus und materia (ib. p. 241 lin. 1–10): „dico
quod genus di­ci­tur ma­teria sicut dicitur pars. Et ideo sicut proprie loquendo genus est pars
definitionis et non est pars rei, ita est ma­te­ria aliquo mo­do in definitione et non est materia rei.
Unde sicut materia a parte rei vere praesupponitur formae, et recipiens formam facit cum for-
ma unum totum, ita genus primo ponitur in definitione et postea, addita sibi dif­fe­rentia, fa­cit
cum illa differentia unam definitionem. Nec est aliquo modo materia, nec aliquo modo pars. Et
isto modo ge­nus, recepta differentia, transit in species, hoc est, facit definitiones essentiales et
convertibiles cum spe­ci­­e­bus.“ Cf. auch Kap. 13: Naturgrund und Realerkenntnis.
107. E. Gil­son, 1948 p. 217f sieht hier das christliche Denken in Dis­krepanz zum aristotelischen
Denken.
108. Er kann zeigen, dass überall, wo das accidens herrscht, die abstrakte Sinnbestimmung der
forma nicht greift, we­der in der Physik noch in der Theologie.
109. Dabei können die Realitäts- und die Mentalitätsaspekte von ihnen nicht durchgehalten
werden. Wenn Ock­ham in seiner Widerlegung des Duns Scotus die abstractio als abstractio
ultima (cf. Anm. 92) für diesen imma­nent angibt (‘Abstractio ultima quod sit in substantiis
et accidentibus secundum opi­nio­nem Sco­ti lb. I, d. V, q. 1 D’), muss abstractio ebenso von
Grund auf gemeint sein, wie sie In Met. VII, q. 18, n. 9 (IV 724 a, Wa) von Sco­tus de­finiert, be­
schrieben oder erklärt wird: „Abstractio obiecti non est aliqua actio rea­lis, sed causatur species
in­­tel­li­gi­bilis a phantasmate et intellectu agente simul, qua cau­sata in in­tel­lectu possibili for­ma­
liter, simul causa­tur ob­iec­tum abstractum ibi non formaliter, sed obiective.“ Die reprobativ
und induk­tiv auf­ge­bau­te Akt­leh­re über­deckt bei Ockham die Universalienproblematik. In das
200 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

für jede Funk­tio­na­lität aus­ge­schlos­sen, die selbst so als in­tensionale oder pragmati-
sche erscheint. Diese Funk­ti­onalität tritt prak­tisch (und in prak­ti­scher Hinsicht) an die
Stelle der formell extensional (extramental) zu ver­ste­hen­den ge­mein­scho­­­las­tischen
Annahmen (Maximen, Sentenzen usw.). Mit denen hat es ‘funktional’ in Ock­hams
Beweismethode (und durch sie) ein Ende. So ist sie prinzipiell zu sehen110 Ob sie über
die Scholastik hinaus Geltung haben kön­ne, bleibe unerörtert.111
Wenn Ockham in Ord. distinctio 8 in sieben Quästionen ontologische Themen
abhan­delt, ste­hen sie ana­ly­tisch in der Funktion eines Zusatzes zum Thema der sacra
theologia. Sie müs­sen po­tentiell selbst widerlegt und ausgeschieden wer­den, wenn
denn die divina essentia eben ei­ne essentia sein (können) soll. Folglich wird auf diese
hin induziert. D. h. in einem be­stimm­­ten Sinn sind die ontologischen Fragen und
termini substanzlos.112 Sie erhalten einen Hin­ter­grund, wenn sie auf der Ebene des

Verhältnis der Akte, das damit ein logi­sches wird, schiebt sich das der Sätze und vor allem
Begriffe ein. Damit sind die Sät­ze nach dem in ihnen ent­­­hal­tenen Be­griffsgebrauch sel­ber Lo-
gik. Die den Akten entsprechende und sie genetisch hervorbringende Lo­gik. D­a­­mit er­gibt sich
keine ana­ly­ti­sche Darstellung Ockhams, sondern die Aufkün­di­gung der Analytizität als Prin­­
zip des Be­weisens und der Sätze; beides aber fällt für das Scoti­schen Beweisen ineinander, so
in Son­derheit nach dem Bei­spiel in Anm. 92, dann auch generell bei den im Trak­­tat De Primo
Prin­ci­pio exponier­ten Beweisen. Die SL hat darum ihren Ort da­rin, dass sie die Ersetzung oder
Til­gung der Fol­gerung aus dem Zu­sam­menhang der Inten­si­o­nen, i.e. der Termini oder concep­
tus, be­schreibt oder ‘insti­tu­iert’. Zur Widerlegung oder Eingren­zung der Sco­­­ti­schen spe­­­cies als
Basis und Erst­produkt der Akte s. Ockham Rep. II q. 12–13 OT V pp. 251–310.
110. Die On­to­lo­gie bleibt mit der Un­ter­scheidung von substantia und acci­dens für Ockham
wie über ihn hin­aus in Geltung. So sehr das die Be­­weistheorie bei Ockham noch be­stimmt, so
we­nig kann onto­lo­gische Gel­tung selbst bewiesen wer­den. Ockham wi­der­legt denn auch deren
realistisch-on­tologi­sche Auslegung ge­rade im Sinn der re­duc­­tio ad absur­dum, die wie­de­r Aris­
toteles metho­disch an ihren Platz gesetzt hat­­­te. Sie ist da­mit gleich­mäch­­tig mit der On­to­lo­­gie.
Denn es wird ja nur die Ausle­gung wi­der­­legt und be­wie­sen, dass die Ontologie nicht per Be­­weis
als gültig aus­gelegt wer­den kann. Aristoteles hat­te das implizit gegen De­mo­krits Atomismus ver­
sucht. H. G. Ga­­­­da­mer, 1935 sieht Aris­to­te­les mit der Onto­lo­gie für die anti­ke Periode ge­gen­­­über
dem Atomismus im Recht. Aris­to­teles widerlegt diesen mittels der re­ductio ad ab­sur­dum. Das
be­deu­­tete: die Atom­leh­re ste­­ht dort, wo das accidens ste­­ht. Das nicht selbst­mäch­­­tig Sei­en­de.
Das tan­giert den Fol­ge­rungsbe­griff. Er muss vom acci­dens her definiert werden. Was wiede­
rum bedeutet, die Ontologie sei nicht be­gründbar. Ist es dann der Beweis?
111. Th. W. Adorno, 1966, p. 8 will sein Motiv „stringent über die of­fi­zi­el­­le Tren­­­­­nung von rei­
ner Phi­losophie und Sach­hal­tigem oder Formalwissen­schaft­­li­chem hin­aus­zu­­ge­­lan­­gen“ „mit
kon­se­quenzlogi­schen Mit­­teln“ verfolgen. Der Kritiker des Positivismus spezifiziert indes keine
Schlusstechnik neben der von ihm gepriesenen Dialektik. Die­se sollte, mit bewussten Brechun-
gen und Verzichten, ja der Wahrheit vorzugsweise teilhaftig sein. Einen Glau­ben an das Kon­
glomerat von Dialektik und Wahrheit gegen die Logik bekundete H. G. Gadamer, 1957.
112. O T III pp. 155–261. Es sind q. 1: Utrum simplicitati divinae repugnat esse in aliquo genere
praedicamentali (kurz: Utrum Deus sit in genere). pp. 155–182. q. 2: Utrum aliquod simpliciter
simplex possit esse in genere. pp. 182–199. q. 3: Utrum omne genus dividatur in suas species per
Kapitel 4.  Fides et scientia 201

actus apprehensivus oder der Suppositionslogik113 nach re­­pro­batio (Ausschei­dung)


und Induktion (die ihren Minimalsinn festhält) behandelt werden kön­­­­­­nen. Danach ist
ihr Inhalt mit der For­malität gleich, in welcher sie, angewandt, eben keine Interferenz
mit dem Gegenstand (Gott) – in der fal­schen Bezug­nah­me auf die Empirie (er­fahr­­­­
bare Realität) – erge­ben. In dem Sinne ist dann die Ontologie, da wi­derlegungsaffin,
nicht begründbar.114 Darin gel­ten aber auch Schlüsse nicht. Diese gelten (gehen) nicht
von einem an­te­­cedens zum con­se­quens.115 Dass die Ontologie von den realia nicht
per se gelten kann, kann äquivalent dem gezeigt werden, dass es Schlüsse nicht gibt:
es kann z. B. nicht auf das ac­­ci­dens hin gefolgert werden, das die Realität bezeichnet,
aber nicht in se bezeichnet werden kann, außer eben als eine hypothetische Größe.116

differentias constitutivas specierum et divisas ip­sius. pp. 200–220. q. 4: Utrum genus et differentia
importent eandem rem primo. pp. 220–248. q. 5: Utrum De­us possit definiri definitione non data
per additamentum. pp. 248–251. q. 6: Utrum in omni definitione competis­si­ma debeant poni om-
nes differentiae essentiales cum genere primo generalissimo. pp. 251–258. q. 7: Utrum so­­lus Deus
sit immutabilis. pp. 258–261.
113. Hier unterscheidet Ockham zwischen ‘importare’ und ‘supponere’ (cf. ib. q. 4 p. 228
lin. 6–17), wo­mit sich er­gibt, dass für den Satz eine perscrutatio ex rei realitate nicht möglich
ist oder nicht angenommen wird.
114. Die ontologische Terminologie gilt nicht in reali pro re secundum argumentationem, also
dort wo Schlüsse aus der Abstraktion auf die Empirie hin zu vermitteln hätten, i.e. sie postulativ
pro abstracto bedeuten müssten.
115. Hier gilt eine tiefliegende Feststellung: Wenn von der divina essentia her zur Ontolo-
gie (hin) gefolgert wer­den können soll (sollte), wäre die Ontologie zwar (allererst) legitimiert,
zugleich aber bezüglich der Welt (noch) un­aus­gewiesen (indefinit). (Dieser Schluss aber, so
zeigt sich, kann nicht gezogen werden.) Die Ontologie und die sacra theologia können gar
nicht zusammen­ge­hen. Also muss auch die Logik abgewiesen werden. Wenn Ock­­ham in der
q. 7 von der immutabilitas Gottes spricht, kann kei­ne Ontologie in Gott eintreten oder geltend
werden, ebenso aber kein Beweis in An­schlag gebracht werden. Schließlich fallen die Widerle-
gung und die Un­spe­­zifität jeder ontologischen Auszeich­nung im ens immutabilis zusammen;
denn es kann sogar eine creatura im­­­­­mutabilis geben. ‘Es gibt eine creatura immutabilis’. Das
kann in­duziert werden, weil es sonst zu einem pro­ces­­­sus in infinitum käme, d. h. zur Unterstel­
lung indefiniter Begriffe: cre­a­tura, immutabilis etc. Wir können im­mu­­ta­­­­bilis aber von Gott
gebrauchen. Wir müs­­sen die Ontolo­gie schließlich von den creaturae annehmen, von de­nen
wir sie nicht beweisen können. Auch das bedeutet, dass wir die Lo­gik (eine Logik) nicht haben
(können).
116. Ib. p. 207 lin. 3–8: „minus exceditur in perfectione accidens a subiecto quam substantia
a Deo. Et tamen, non ob­stante imperfectione substantiae, potest definiri sine Deo, quia habet
genus et differentiam essentialem. Igitur eo­dem modo, si accidens haberet genus et differenti-
am essentialem, posset complete definiri sine subiecto.“ Ein Überredungsargument und: das
accidens ist der Wahrnehmung näher als die substantia. Wir erkennen überhaupt nicht die
substantia in se, das heißt als abstrakte Entität oder als eine Entität, die (nur) abstrakt werden
könnte. Das besondere Interesse Autrecourts ist gar nicht recht verständlich: die substantia
202 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

In Bezug auf Gott irreale (ontologische) Aus­drücke ‘führen’ zu irrealen Feststellun-


gen hinsichtlich der Realität (Empirie) in se, die so aus sich nicht bezeichnet werden
kann. Indem diese Bezeichnung der Realität in se und für die res sichtbar (nach-
weislich) mittels der ontologischen Konzepte und Ideen nicht erreicht wer­den kann,
haben diese ihren intensionalen Wert dadurch, dass sie oberhalb der Realität für die
Verstandesakte deren Bezug auf die Realität (empirischen Gegebenheiten) angeben
und be­dingt auch die Relevanz der Verstandesakte und Sätze, insofern die ontologi-
schen For­meln als negierte wahr sind, sonst aber den Widerspruch bezeichnen, den
wir durch analyti­sche Operationen und logisch entwickelbar analytische Sätze nicht
gewinnen. Wir erkennen, dass die Suppositionslogik für die Regulation der Sätze und
des Sprechens eintreten muss. Die ontologischen Termini gelten, aber sie gelten als in
sich negierte und bezeichnen so inten­si­onal den Bezug auf die Realität. Dieser Bezug
oder diese Realität kann ex se nicht bezeich­net und ermittelt werden und in dem Sinn
werden die aussagenlogischen Formeln irrelevant. Sie sind media extrinseca mehr
oder weniger relevanter Beweise.117 Ante omnia gibt es die Er­kenntnis der substantia
an sich oder in se nicht. Ockham unterstellt dem Aristoteles nur oh­ne Bezug auf uns,
die wir per accidentia erkennen, also nicht die substantia, angenommen zu haben:

(als Begriff oder als res) ist nicht einsehbar. Wie sollte es wohl geschehen, so dass es bestritten
werden könnte? Es müsste im Begriff der sub­­­­­stantia (bereits) die Implikation eingeschlossen
sein. Bei Ockham ist es umgekehrt: die Implikation wird aus­geschlossen, negiert. Beim obigen
Beweis wird allein die Dependenz des accidens vom subiectum (substan­tia) be­stritten: „Si di-
catur quod accidens non potest complete definiri sine subiecto propter suam imperfectio­nem.“
Cf. dazu p. 206 lin. 23ff: „accidens potest complete esse sine subiecto, ergo et intelligi.“
117. Die logische Folgerung zwischen antecedens und consequens gilt in diesen Untersuchun-
gen der distinctio oc­ta­va nicht, weil je was von Gott nicht gültig oder schlüssig, nach ontolo-
gischen oder verwandten Vorstellungen und Begriffen, ausgesagt werden kann, in der Realität
auch nicht gelten kann: Deus non est mutabilis. Eine em­pi­­rische res ist es auch nicht; es gibt
eine res immutabilis auch secundum experientiam, wo wir sie er­fahrbar nicht haben. Das ge-
rade zeigt der Beweis (p. 260 lin. 21 – p. 261 lin. 4). Der intensionale Wert des Be­griffs steht ge-
gen die ‘Erfüllbarkeit’. Ockham unterstellt zwei ‘empirienahe’ Auffassungen von mutari (p. 259
lin. 9ff): „Primo modo dicitur aliquid mutari quando recipit aliquid quod prius non habuit, vel
non habet aliquid quod prius habuit.“ Beispiel: die materia empfängt die for­ma, die ihr wieder
genommen werden kann (cf. ib. lin. 111–116). Die zweite Auffassung lautet (ib. lin. 17–20): „Se­
cundo modo dicitur aliquid mutari quando ali­quid ma­nens secundum suam essentiam, habet
aliquid in se in­for­mans (i.e. ihm eine Form verleihend) quod pri­us non ha­­­buit vel e converso,
ita quod subiectum manens prius est sub forma et postea sub privatione vel e con­ver­so.“ Hier
stellt nun Ockham den Satz auf (ib. p. 260 lin. 18–21): „aliqua creatura est immutabilis, quia ali­
qua crea­tu­ra est quae nullius potest esse receptivum, sed tantum pot­est recipi in alio.“ Mutabilis
ist ein irrealer Be­griff, der auch in der Empirie nicht gelten kann. Er kann induk­tiv von Gott
nicht gebraucht werden. Dass „De­us non mu­ta­tur“ quia „est in loco in quo prius non fuit per
novam productionem loci“ stellt Ockham (ib. p. 261 lin. 6–8) fest. Ausdrücklich (ib. lin. 8) Die
gegenteilige „maior generaliter accepta est falsa“. U. Eco s. Kap. 14 Anm. 21 erhält so ei­ne Ant-
wort. Ein dem subiectum Äußeres kann nichts lt./in der essentia subiecti bedeuten (än­dern).
Kapitel 4.  Fides et scientia 203

„ex natura rei substantia est definibilis.“ Ockham fügt hinzu, dass diese (ei­­ne sol­che)
De­finition vielleicht nicht von uns gegeben werden könne.118 Man hätte es also bei
Ockham mit einer Intention (oder Intentionalität) ohne Erfüllung zu tun. Ockham
kann nur widerle­gen, wenn er in das, was dabei (als ‘consequens’) abgestoßen wird,
verlegen kann, was im Sinn der Realität negativ, i.e. inexistent ist. In dem Sinn gibt es
keine significatio.119
Damit berühren wir die Naturphilosophie, die Theo­lo­gie und die Beweislehre.
Hier ist im­mer das acci­dens das erweislich mit der es­sen­tia, nun aber forma, nicht zu
vereinigende Mo­ment oder Ele­ment. Es muss den Wider­spruch in der Weise verkör-
pern, dass die Empirie in sich selbst nicht (definit) erfahrbar ist. Der Widerspruch
selbst kann nicht aus der Aussage (ei­ner Aussage) per Ableitung oder De­duk­tion elizi-
tiert werden.120 Von Ockham wird der Wahr­heits­begriff in der Theologie aufge­ge­ben.

118. Cf. ib. q. 3 p. 206 lin. 6–16: „Sicut differentiae accidentium sunt nobis ignotae, secum
istos, ita secundum eos­dem et secundum veritatem, differentiae substantiarum sunt nobis ig-
notae, immo magis sunt nobis ignotae quam accidentia, cum nobis non innotescant (sic) nisi
per accidentia. Igitur non possumus plus definire substantias per differentias essentiales quam
accidentia. Et tamen P h i l o s o p h u s dicit quod definitio proprie est substantialis et non
accidentium. Igitur non intelligit per respectum ad nos, sed quod ex rei natura substantia est
definibilis, quam­­vis non a nobis forte. Et accidens ex natura rei non est definibile nisi per addit-
amentum, ergo non habet ge­nus et differentiam.“ Damit dürfte die Auffassung des Aristoteles
von der hypóstasis gut wiedergegeben sein. Cf. Metaphysik VII. c. 4, t. 16 (1030b 5–7). Mit
‘istos’ und ‘eosdem’ bezieht sich Ockham sich auf ‘aliqui moder­ni’, die er nicht angibt (ib. p. 200
lin. 16–20): „Ad istam quaestionem (sc. q. 3) est communis modernorum quod om­nis species
componitur ex genere et differentia, et quod omne genus dividitur per differentias in suas spe-
cies. Pro ista opinione non vidi multas rati­o­nes, quia ab omnibus supponitur tamquam certa.“
Dieses Geschäft über­nimmt Ockham und stellt fest, dass die res simplex damit nicht erfasst
werde (p. 207 lin. 10 – p. 220 lin. 12).
119. Das lehrt die Suppositionslogik.
120. Ockhams Beweis ist zuoberst syllogistischer Beweis. Die anderen ‘Beweise’, die wir bei
ihm sehen, sind ge­gen das Folgern im Implikationssinn gerichtet und sichern die Determinat-
heit, nicht nur von Sätzen, sondern auch von Auffassungen (Deutungen) zu sprachlichen Aus-
drücken, Begriffen oder Sätzen. Die Möglichkeit von syl­logistischen Beweisen in einer Kette
aber hängt von der Ordnung der Prädikate ab. Propositi­ones per se notae, worin das Prädikat
dem subiectum besonders nahesteht, sind Einzelsätze. Eine Verbindung untereinander müsste
intensional oder extensional die der Begriffe (von Begriffen) besagen. Die Syllogistik liefert ock-
hamistisch den Disziplinen keine geschlossenen Deduktionsgesamtheiten, worin die Syllogis-
men ihren unverbrüchlich festen Platz besäßen. Da eine solche Kette nicht besteht, erscheinen
heterogene induktive Hilfsermittlungen nötig und möglich; sie stehen gegen eine syllogistisch
ermittelte oder repräsentierte Konsistenz, sei es durch eine Kette von Syllogismen insgesamt
garantiert oder durch einen einzelnen Syllogismus ausgedrückt zu denken. Eine mit ei­nem
algebrai­sier­ten System der Syllogi­s­tik identifizierte Konsis­tenz wäre belanglos. Die­­ Syl­­­­­logismen
ein­zeln und ins­ge­samt im­pli­zieren keinen Aspekt der significatio und keine sig­nificatio. Sie im-
plizieren auch keine Allgemeinheit, we­der eine der Begriffe noch eine von deren Verbindung,
204 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Kann er dann in der Naturphilosophie gelten?121 Die Vergleichbarkeit zwischen Theo­


lo­gie und Naturphilosophie bleibt indes bestehen, und zwar führen beide ihre Termi-
nologien wenigstens modo loquendi aufeinander zu. Zum Bei­spiel beim ‘Begriff ’ der
Ma­­terie.122 Ockham schlichtet keinen Streit zwischen Glauben und Wissen. Wenig­
stens nach einem neuzeitlichen ‘Maßstab’ tut er es nicht.
Ockham lässt Gel­­tun­gen zu, aber er negiert sie als Be­deu­tungen. Er negiert sie
für den Be­griff und er setzt sie nicht als significatio. Es gibt nicht prä­­sumtive oder
auch nur kon­­ze­dier­te ‘Gel­tung’, die dann, in der Gestalt ihres Aus­drucks, in­ten­sional
(= modal) an die sub­iec­ta der Er­ör­terung sich anfü­gen ließe. Sie lassen dann an der
Stelle ihres Gebrauchs kei­­ne Konse­quenz zu. Mit dieser ku­pier­ten Implikation wer­­den
sie lo­gi­­sche Prädikate. Das be­dingt einer­seits die Induktion als Be­­gründungsmethode
und den sprach­­lichen Darstellungs­mo­­dus, der oft zwi­schen Konzession, Einschrän-
kung, Wi­der­le­gung, ei­nem möglichen ad libi­tum, eingefügter per­suasio, probatio

was schließlich dasselbe sein müsste. Auch kann kein Syl­l­ogis­mus qua­­si empirisch Allge­mein­
heit be­sitzen. Das sichert hypothetisch die Begriffsde­finit­heit, den poten­tiel­len Bezug auf die
res singula­ris, sowie die Autonomie des Syllogismus und seine regulative Kompetenz.
121. Ockham verfährt nicht über den Wahr­heits­wert als pars in­te­gra­lis der Operationen. Er
op­e­riert vielmehr nach der Kon­tingenz der ‘In­hal­te’, dann der Aussagen und end­lich der Ver­­
hält­nisse von Sät­­­zen und Größen. Von die­ser Ba­sis her findet er Be­weise und Be­weis­mit­tel. Er
hat eventu­ell hier sein Motiv gehabt. Es wä­re ein Motiv, das die grundlegende psychische Be­ein­
flussung über­decken und ver­ber­gen könn­­te. Also so etwas wie ein sekun­dä­­res Motiv, das ihm
zeitlich nach und mit seinen Widerlegun­gen und Beweis­hand­lun­gen erst entstanden wäre. Es
müsste damit immer noch selbst erklärt werden (können).
122. Die Materie wird bei Ockham nicht formell Eingang in die anima (den intellectus) finden;
er wird nicht sie in sich erkennen; er wird deren Begriff berücksichtigen. (Ockham erkennt,
kennt und anerkennt den intel­lec­tus als fraglos existierendes Vermögen.) Die Materie wird
ein limbus des Gedankens bleiben, aber kein respek­ta­bler Aus­gangspunkt werden. Ockham
wird nicht aus der Vergangenheit, etwa der Antike, auf­stei­gen und nicht der­­art in die Zukunft
reichen, dass er von der Materie Aufhebens machte. Er sucht in der Materie nicht den An­
fangs­­punkt des Erkennens und nicht den Grund des peccatum. Da die Materie über accidentia
erkannt wird, selbst ins­gesamt als accidens sich verhält (ge­gen­über der for­ma) und schließlich
noch die Erbsünde scholastisch auch akzidentell (nicht aber es­sen­tiell) uns zukommt, kann sie
für Ock­ham potentiell entfallen. Dass das ‘Fleisch’ Träger der Sünd­haftigkeit sei, sagt Paulus,
Brief an die Römer, Kap. 7 v. 5, der hinzufügt, ge­ra­de die Moralvorschrift, das ‘Ge­setz’, errege die
Sünde. Letzteres nochmals v. 16. Wie weit solche Vor­stel­lun­gen in die ontologische Spra­che der
Scho­las­tik ein­treten können, wird nicht ent­schieden, wenn man sagt (Gilson), der naturale =
mythische Of­fen­barungsgrund sei der Ontologie und Welterklärung des Aristoteles von Grund
auf fremd (heterogen). Bei Ock­­ham wird das noch von der Suspendie­rung des Wi­der­spruchs­
sat­­zes affiziert, der für die me­­di­evale Apolo­gie konsti­tu­tiv war: er musste zu­rück­gedrängt wer-
den, weil die Be­griffs­bil­dun­­­gen rai­son­nie­rend nicht zu hal­ten wa­ren; sie waren für Ockham erst
noch einmal ve­r­mö­ge und bezüglich der Ar­gu­men­­tation zu be­­gründen. Mit der ma­­teria wie
mit dem accidens, die sich ent­spre­chen, wird eine De­fizienz ge­­genü­ber dem Er­ken­nen mar-
kiert. Das rühmte Nietz­sche später als positivum der deutschen Philosophie von Leibniz an.
Kapitel 4.  Fides et scientia 205

usw., ohne dass Ockham da­raus wiederum die expli­zi­te Gel­­tung folger­te, schwankt.123
An­­­gesichts seiner Methode konnte das Religiöse hier nicht mehr ungezwun­gen, ohne
eine pre­­­­käre Note zu haben sich ausneh­men.124 Bei allem mag man für Ockham im-
mer ei­ne no­mi­nalistische Auffassung erkennen oder sie vermissen; wir meinen, dass
Ockhams Struk­­tu­ren insgesamt nominalistisch sind, aber nicht universalientheore-
tisch defi­niert wer­den dür­fen.125 Ebenso wenig wie über die oratio mentalis126 und

123. Es soll so keine feste Reihenfolge = starre Reigenschritte benannt sein. Die ‘quamquam’,
‘ta­men’, ‘potest di­ci’, ‘sed non potest concludi’, ‘si etiam’, ‘nihilo minus (non), quia’ etc. sind aber
auffällig und all­­ge­genwär­tig.
124. In der Scholastik be­kommt das Religiöse einen symbolischen Wert in rationaler Form.
Ockham zeigt nun, dass dieser der ontolo­gi­schen Sprache oder Termino­lo­gie so ganz oder
gleichwertig mit dem Credo nicht ent­nom­­­­men werden kann. Wir können der Ontologie nicht
den symbolischen Wert geben, den das Credo hat; doch es ist der Beweis (ar­gu­men­tatio), der
die Ontologie ab­trenn­te. Sofern die Ontologie den Wahrheitswert zu ge­währ­­leisten und zu ver­
kör­pern gehabt hätte, entfällt sie mit (den) Widerlegungen, direkt oder indirekt.
125. Auch M. Lenz, 1998 gebraucht hier den Ausdruck ‘Intensionalismus’. C. Knudsen, 1976
p. 91 und passim lehnt ihn ab: „Ockham, der keine Intensionen anerkennt, sondern alle Begrif-
fe, so auch den Definitions­be­griff, ex­ten­si­onal auffasst …“ Ockham hat keine ‘Inhalte’ (Inten-
sionen), da sie in sei­nen pragmatischen = intensio­na­len Ope­rationsstruk­tu­­ren formaliter (und
folgerbar!) nicht vorkommen, und er er­kennt keine extensi­o­nale Be­stim­mung von Intensio-
nen an, wie sie Chatton unausgesetzt per ‘Beweis’ = petitio principii gibt. Schon J. Pin­borg,
1972 hatte in Bezug auf Ockham den Ge­brauch des Begriffs ‘Intension’ für inevi­dent erklärt.
Ockham ist aber kein empirischer Realist, nur weil er ex­tra­mentale Geltung nicht bestreitet
(= nicht ausschließt) und sich unter ‘ho­mo’, ‘asinus’ usw. etwas vorstellt.
126. Hier kann die Konzeption der oratio mentalis zu induktiven Entscheidungen führen
cf. Ord. d. 1 q. 9 OT II p. 308: „Et ideo in illa propositione quae est in mente non invenitur
aliqua praedicatio analoga quando conceptus ab­­­stractus ab illis quibus est communis praedi-
catur.“ Die syncategorema gehören nicht den res extra an. Für die ora­­tio mentalis muss und
kann induktiv operiert werden, um et­was auszuschließen, was de facto für eine Äquiva­lenz
von abstrakter Aussage und Realität nicht soll angenom­men werden (können). Nach H. Roos,
1952, p. 110 hat Priscian den Be­griff der ‘syn­ca­te­go­remata’ in die la­tei­ni­sche Sprache ein­ge­führt.
Grund­­­sätzlich gilt (Ord. d. 2 q. 8 OT II 2 p. 287 lin. 23 – p. 288 lin. 4): „potest concedi quod ali­
qua propositio est vera in voce quamvis non sit signum alicuius propositionis in mente; de facto
tamen quaelibet potest esse signum propositionis in mente. Et eo­dem modo concedo quod
quaelibet vox quae est genus vel speci­es potest esse sig­num generis vel speciei in men­te, et est
etiam signum ordinatum cuiuslibet talis de fac­to.“ Die Dif­ferenzierung gilt immer (cf. ib. p. 283
lin. 12–15) „‘Quidquid est, est substantia vel accidens’, illud est verum quod quidquid est extra
animam est substan­tia vel accidens, non tamen quidquid est in anima obiective est sub­stan­­tia
vel ac­ci­dens.“ D. h. der Begriff als ob­ie­c­ti­vum esse oder fictum ist nicht substantia vel accidens.
Für die­se Hypothese von der intramentalen Natur des uni­ver­sa­le und gleichsam strictissime
intramental wird von Ockham hypo­the­tisch von der Hypothese vom Be­griff als intellectio aus-
gehend argumentiert (ib. lin. 8–15): „aliqua sunt entia rati­o­nis quae nullum esse sub­iec­ti­vum
habent nec habere possunt. (Nun folgt ein echter Induk­ti­ons­schluss: Ockham geht von einem
206 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

dergleichen.127 Die direkte Geltungsaussage gilt bei Ockham indirekt: das bedeutet
einmal, dass sie im Sin­ne einer inten­si­­onalen Negation gilt, mit der die direkte Gel-
tung (die Annahme der Erfül­lung, die als in se gegenständliche und darin ontologisch
zu betrachten wäre) ebenso wie de­ren Be­strei­tung (denn es gibt keine negative oder
imaginäre significatio) negiert wird.128 In dem Sinn wird der Unterschied von abstrakt
und empirisch stets eingehalten und ebenso nicht was em­pi­risch gelten sollte, noch
als Element und determinativ auch für den unmittelbaren empi­ri­schen kon­tingenten
Satz äquivalent mit dessen Bedeutung, die eine abstrakte würde, ange­nom­­men.129

casus aus, der ein Negationsmoment enthält und durchaus fik­tiv sein kann, und geht zu ei­nem
an­deren casus über, von dem wir in se nichts wissen). Sicut enim ante creationem cre­a­tu­rae
nul­­lum esse ha­be­bant subiectivum et tamen fue­runt cognitae a Deo, ita enim a intellectu creato
potest aliqui fingi quod nul­lum es­se habet subiectivum.“ Also fic­tum oder obiectivum esse.
Dem entspricht aber die oratio men­­ta­lis, die den re­a­len Wert in re nicht ausschließt, wohl aber
die Forderung/Notwendigkeit einer Korrespon­denz von Verstand und re­a­li­tas. Für sie argu-
mentiert Duns Scotus a limine. Cf. Ockham Ord. d. 2 q. 8 OT II pp. 266–292: Utrum uni­­ver­­sa­­le
univocum sit aliquid re­a­le exsistens alicubi subiective, q. 9 pp. 292–336: Utrum ali­­quod universa­le
sit uni­vo­cum Deo et creaturae und ib. q. 10: Utrum tantum sit unus Deus pp. 337–357 be­son­­de­rs
zum Begriff ens.
127. Eine Induktion auf die fictum-Hypothese via ens rationis (oratio mentalis) s. Ord. d. 2 q. 8
t. 2 p. 274 lin. 9–12: „omnes quasi distinguunt intentiones secundas ab intentionibus primis /§
non vocando intentiones secun­das ali­quas qualitates reales in anima; igitur cum non sint reali­
ter extra, non poterunt esse nisi obiective in anima §/“.
128. Der Begriff ‘consequentia formalis’ kann hier herangezogen werden, denn Ockham sagt
Ord. d. 2 q. 10 OT II 344 lin. 15–20: „si haec sit vera ‘calidum per se calefacit’, haec erit etiam vera
‘album per se calefacit’, si idem sit calidum et album. Et tamen ex hoc non sequitur consequen-
tia formali quod si haec sit per se ‘calidum ca­­lefa­cit’ haec erit per se ‘album calefacit’. Nec credo
aliter istum Doctorem sensisse propter magnam notitiam quam habuit de logica.“ und ib. d. 3
q. 7 OT II p. 523 lin. 12–21: „dico quod haec potest distingui ‘impossibile est in­­tel­­li­ge­re hominem
non intelligendo animal’, quia si uterque terminus stat pro re et personaliter sic est vera, nam
isto modo haec est vera ‘impossibile est videre oculo corporali albedinem non videndo ens’,
quia ista con­se­quen­­tia est formalis ‘albedo videtur, igitur ens videtur’, si ens in consequente stet
personaliter; sed accipiendo utrum­que terminum simpliciter vel alterum, non est verum quin
possit intelligi homo non intellecto animali, sicut color vi­de­tur et tamen hoc commune ‘ens’
non videtur; et tamen necessario si color videtur aliquod ens videtur.“ Es sol­len zwei Sätze (sic)
unterschieden werden („potest distingui“), bei denen in dem einen die suppositio per­so­­nalis
herrscht, im anderen die suppositio simplex wechselnd veranschlagt wird. Die consequentia
formalis gilt nur für die Sätze, die in der Nähe zur empirischen notitia gedacht werden.
129. So hat Ockham Ord. d. 3 q. 8 OT II 2 p. 539 lin. 15 – p. 540 lin. 5 bestritten, dass Duns
Scotus mit Recht glau­­­b­e (ib. lin. 12f) „quod ens univocum esset primum obiectum adaequa-
tum intellectus“, indem er an diese An­sicht ei­nen Satz anschließt, den er für falsch hält; ens
müsse dann (lin. 15) „naturaliter attingibile“ sein. Ockham wen­­det aber ein (lin. 15–18) „Esse
tamen naturaliter attingibile non praedicaretur primo de illo ente quod est ob­iectum adaequa-
tum, de quo tamen primo praedicaretur esse obiectum potentiae, ad quod potentia naturali­
Kapitel 4.  Fides et scientia 207

Die direkten Begründungen werden der Induktion über­­­­las­sen.130 Was empirisch gilt,
muss nicht ebenso (i.e. definit) abstrakt gelten.131 Das zeigt Ockham, indem er betont,

ter or­di­natur“, wie Duns Scotus selbst gesagt habe. Während es (p. 532 lin. 8–12) empirisch
schon möglich sei, dass ex notitia secundum potentiam ordinatam dessen „primum obiectum
adaequatum“ per accidens ge­schlos­­sen werden kön­ne, so doch nicht allgemein und für eine
pars essentialis. Die allgemeine probatio sei hier nicht gege­ben. Was Ockham empirisch (das
abstrakte Schließen einbegreifend) nicht zulassen will, fordert Duns Scotus per se für die De-
duktion und Ockham bestreitet es ihm: (p. 538 lin. 22–25): „dico quod posito quod ens esset
ob­iec­tum adaequatum intellectus, adhuc obiectum adaequatum intellectus posset naturaliter
attin­gi, non tamen quod opo­r­­tet omne contentum posset naturaliter attingi.“ Denn Ockham
glaubt im Sinn eines Induktions­schlus­s­es, dass auch, was unter das obiectum adaequatum einer
potentia falle, etwa des intellectus oder des sen­sus, damit noch nicht das obiectum adaequatum
selbst zu erkennen gebe, enthalte oder eben schlie­ßen lasse. Das hatte Ock­ham p. 532 lin. 8–12
demonstriert: wir steigen nicht ex concreto ad abstractum auf. Nehmen wir aber dieses in je­
nem wahr, so nicht quasi ex parte rei ipsius. Wir erkennen so nicht das Ding in sich.
130. Der Induktionsschluss wie wir ihn für Ockham beschreiben, findet sich explizit Ord. d. 2
q. 9 OT II p. 314 lin. 11 – p. 315 lin. 1: Wir können einen Gegenstand nicht in einem ihm speziell
zu­kommenden Begriff „in con­cep­­­tu simplici sibi proprio“ kennen, „nisi ipsum (obiectum) in se
praecognoscatur. Ista patet in­duc­ti­ve; aliter enim pos­set dici quod color posset cognosci a caeco
a nativitate in conceptu si­bi proprio coloribus, quia non est maior ra­­tio quod Deus cog­nos­catur
in concep­tu sibi pro­prio sine praecognitione ipsius in se quam color …; sed mani­fes­­tum est
quod a tali non potest concipi color in concep­tu sibi pro­prio; igitur nec Deus.“ ‘Non est maior
ra­tio quod …’ schließt an einen in sich negativen casus an: der von Geburt an Blin­de kann
keine Farben kennen. In anderen Fällen gibt es keinen Induktionsgrund (cf. Ord. d. 3 q. 8 OT
II p. 530 lin. 20 – p. 531 lin. 3): „ens ratio­nis et respectus rationis sunt per se intelligibiles et in-
tentiones secundae, et tamen ens neutram primitatem habet re­­s­pec­tu talium. Quod non habeat
primitatem communitatis patet, quia nihil est univocum enti reali et enti ratio­nis. Quod non
primitatem virtutis patet, quia illa primitas non est nisi respectu entium realium.“ Duns Scotus
möchte seine Deduktionen aus ens als (lin. 19) „primum obiectum et adaequatum“ entfalten
können (wie auch nach Ord. Prol. aus einem habitus). Ockham zitiert die ganze Meinung des
Scotus (ib. p. 529 lin. 13–20).
131. Alle Induktion bei Ockham geht immer auch über Namen und zwar in dem Nebensinn,
dass es sich um Be­grif­fe nicht ganz und gar, d. h. nicht unbedingt handeln kann und muss.
Daneben kann diese Induktion auch auf Namen direkt gehen und es wäre da die Frage, ob sie
dann auch Begriffe seien, und zwar in jedem Sinn, auch in der Dependenz von der natürlichen
Sprache, die wir begrenzt als unsere sprechen, z. B. Lateinisch. Das betrifft bei­­de Fälle, die wir
nun anführen werden. Die erste der beiden Induktionen (Ord. d. 2. q. 9 OT II 2 p. 334 – p. 335
lin. 2) geht auf einen Namen, der nicht gefunden oder ausgesprochen werden kann: „potest dici
quod forte in lin­gua Graeca hoc nomen ‘ens’ dicebatur de praedicamentis sicut ‘sanum’ dicitur
de sanis, nec for­te fuit aliud no­­men impositum; et tunc non fuit aliquod nomen univocum de-
cem praedicamentis propter penuri­am nominum, quamvis omnia /§ importata per de decem
praedicamenta §/ in uno conceptu convenirent.“ Ähn­lich daselbst (ib. p. 333 lin. 17 – p. 334
lin. 7), wenn wir das quantum (quan­ti­tas) nicht als (p. 334 lin. 2f) „ali­quam substantiam es­­­­­­se
extensam vel coexsistentem pluribus“ verstehen wollen, bleibt uns nur ein (ib. lin. 4–7) „quid
208 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

dass selbst wenn im Sinn der normalen Abstraktion die Er­kennt­­nis des allgemeinen
adäquaten Objekts des Vermögens über einem individuale oder ca­sus, der un­ter es
falle, erkannt worden wäre, würde dies nicht zu Erkenntnis eines anderen und näch­
sten führen, also im Sinne der em­­pi­ri­schen Erkenntnis. So würden nicht alle contenta
unter das obiec­tum primum adaequa­tum fal­len; das würde also empirisch gelten.132
Damit ist freilich die aristotelische Logik oder ‘Me­ta­physik’ nicht mehr Gegenstand
der Erörterung oder der Kritik133 Aber Ockham erreichte nicht per se die kommende
Zeit.134

nominis quan­­­­­­­­ti in quo poneretur ipsa substantia quae primo significatur per ens. Et eodem
modo potest di­ci de relatione et de quibusdam aliis praedicamentis.“ Dabei fragt es sich, ob es
sich da noch um eine oder die­selbe sub­stan­tia han­deln kann oder muss. Eventuell kann es nicht
das nicht, eventuell muss es das nicht. Den realen empirischen ‘Wert’ für ens und substantia
geben wir aber in beiden Fällen nicht auf. Ockham erkennt bloß die Tren­nung von substan-
tia und qualitas an; die anderen Prädikamente fallen für ihn in die qualitas. Das liegt beiden
In­duk­­ti­­o­nen zugrunde (cf. p. 333 lin. 17–19): „si opinio illa esset vera quae ponit quod aliqua
praedicamenta non di­cunt ali­as res a substantia et qualitate“, dann würde ens substantia und
qualitas be­­zeichnen (significare), doch wenn von der quantitas gebraucht (p. 334 lin. 1: „quando
autem dicitur de quantitate“, immer noch die substan­tia mit­be­zeich­­nen (connotare). Das nega-
tive Moment der Induktion ist also: non est ens in praedicamentis. Ens ge­hört prä­dikativ der
Realwelt zu; induktiv kann es einen fiktiv-nominellen Status zugesprochen erhalten. Ens muss
überhaupt durch eine persuasio als transcendentale begründet (postuliert) werden und gilt
dann hypothetisch. Das wird auch SL I c. 38 OP I p. 106f. lin. 11–32 (s. Kap. 10 Anm. 135).
132. Ord. d. 3 q. 8 OT II p. 538 lin. 25 – p. 539 lin. 11. Die Suppositionslogik verbleibt unterhalb
der Schwelle der Ab­strak­tion, deren Verfehlung angesichts oder mittels falscher Implikationen
sie zeigen kann. Dies aber sehr grund­sät­z­lich. Zur Suppositionslogik vergleiche wenn Sätze wie
Petrus est Petrus nicht anerkannt werden. Cf. Ord. d. 2 q. 7 OT II p. 256 lin. 21 – p. 257 lin. 9.
Die beiden Sätze ‘Sortes est Sortes’ und ‘Sortes est homo’ sind für Ockham nicht äquivalent (ib.
p. 239 lin. 2f): „non est eadem propositio“, weil beide nicht das­selbe Prä­di­kat ha­ben. Sort­es ist
als Prädikat nicht identisch mit homo; in dem Satz ‘Sortes est homo’ sup­po­nie­ren ‘Sor­tes’ und
‘homo’ lediglich für die Person Sortes (ib. lin. 3–8): „quamvis in ista ‘Sortes est homo’ ly homo
supponat pro Sor­­te, non tamen praecise pro Sorte, quia potentialiter – secundum modum
loquendi Logico­rum – supponit pro quo­­­libet ho­mi­­ne, quia infertur ex quolibet, et terminus
semper in talibus supponit pro eisdem, quia pro omni­bus de quibus verificatur.“ Also in einem
intensionalen Sinn, bei dem die extensionale Gleichheit (nur) vorausgesetzt werden kann, wie
sie nicht zu bestreiten ist, ode rnur bestritten werden könnte, wenn wir nicht schon die Ab­strak­
tion hätten.
133. Cf. dazu generell K. Bannach, 2000, 47(1–2), pp. 101–126, p. 118: „Wo Ockham freilich
diese Kritik (sc. an Aristoteles) meist in einer Umdeutung des Aristoteles vorträgt oder gar sich
ohne ein weiteres Wort der Er­läute­rung von ihm distanziert, vertieft Luther diese Kritik ins
Grundsätzliche – über die bloße Polemik hinaus – zur Frage von dem Verhältnis von Glaube
und Vernunft.“
134. Cf. K. H. Tachau, 1988 p. 281: Ockham sei im 14. Jahrhundert ohne re­el­len Einfluss. p. 310:
„as Wo­­de­­ham’s me­dieval rea­ders recognized, he ac­cepted litt­le from Ock­ham in the re­alm of
Kapitel 4.  Fides et scientia 209

episte­mo­logy and psy­cho­lo­gy.“ Ta­chau bindet die von ihr behauptete Irrelevanz Ockhams für
physikalische Anschauungen seiner Zeit an seine Ne­ga­tion der species. Cf. dazu auch Kap. 13
Anm. 118; A. Goddù, 1984 misst Ockhams Be­griff von cau­­sa, wie zuvor schon A. Maier, an
physi­ka­lisch „realer“ Kausalität und beurteilt ihn als verfehlt. Id. Willi­am of Ockham’s Di­
s­tinction bet­ween “Re­al“ E­f­fi­­ci­­ent Causes and Strictly ‘Sine qua Non Cau­ses’, in: Monist 79,3,
1996 pp. 357–367 nennt p. 357 fol­gen­­de „Be­­­griffe“ von causa als unter­schie­­­dene causae bei
Ockham: cause, immediate cause, exclusive total suf­fici­ent cau­se, essential cause, acci­den­tal
cause, and prior cause. Und: „Ockham held the principle of action at a dis­tan­­ce in order to
save the causal account of some phenomena.“ Doch sind es Kausalbewandtnisse oder Mo­di­
fi­­ka­ti­onen (Er­scheinungs­weisen) der ei­nen bei sich unbekannten causa. Es sind Benennun-
gen einer Wirkungs­wei­­se, die im Auf­blick zwischen sub­jek­­­tiver Wahrnehmung und äußer-
licher Sache zu Fragmenten zer­fällt und zur ar­­­gu­men­ta­ti­­ven Anfechtung von on­tologisch
verwandten Re­lationen führen. Wir müssen Ockhams Ver­stän­d­nis von spe­cies und cau­sa in
sei­ne Beweismetho­de (Beweis­arten) integrieren. Der Hintergrund der re­pro­ba­tiones ist, dass
forma (substantia) und ac­cidens ‘logisch’ nicht vermittelbar sind. Das tritt mit Ockhams Ar­
gu­menta­ti­on zutage und gilt natur­wis­sen­schaftlich bis heute. Es gilt beim sig­ni­fi­­ca­tum tota-
le in Rep. II q. 7 und q. 10 OT V. Der Begriff der cau­­sa per se (Ord. d. 2 q. 10 OT II p. 345
lin. 15–18) begreift alle Kausalitäts­wahr­neh­­mun­gen ein, die mit ihr förm­­­lich zu gel­­ten haben;
sie können nicht entbehrt werden. Zum Verhältnis von causa per se und causa totalis s. da-
bei L. Baudry, 1958, pp. 34–43. Die(se) causa ist nicht in einem po­si­ti­­ven Sinn ar­gu­men­­ten­
taug­lich; sie geht in Widerlegungen ein, bei de­nen z. B. nicht auf die Minde­rung in Form der
causa per ac­ci­dens aus­ge­wi­chen werden kann, um den Topos von causalitas ge­samtinhaltlich
(für Thomas und Duns Sco­tus) induk­tiv zu ret­ten. Die­se Kau­­salität im negativen Sinn um-
fasst Gott und die Welt. Die causa si­ne qua non als ne­giertes im­pedi­men­tum will God­dù von
Ockham speziell für die Sakramenten­leh­re gewählt wissen, weil re­a­li­ter wirk­sa­­me cau­sae hier
nicht infrage kämen. Sie würden freilich erst von daher nicht infrage kom­­men sollen. In­­des
kann die ‘causa sine qua non’ nach Ockham ‘sein’ (Rep. IV q. 1 OT VII p. 14 lin. 15–17): „in
natura­li­bus non con­tin­git dare ali­quam causam sine qua non, sed in voluntariis bene potest
esse talis cau­sa.“ Unsi­cher ist, ob Gott ver­­möge der Sa­kra­men­te wirklich handelt. Sicher ist:
Ockham Rep. IV q. 2 OT VII be­zieht ein in­­duk­tiv ge­won­­­ne­nes Zei­­chen (sig­num), auch cha-
racter (Mal) genannt, auf die Taufe, de­ren reelle Wir­­k­ung strit­tig bleibt, gar bestritten wird. Da
gilt auch, dass das sacramentum selbst nicht eigent­lich auf die anima wirkt (Rep. IV q. 1 OT
VII p. 17 lin. 17–22): „dico quod sensibile non potest agere in ani­mam mediante aliquo ipsius
ani­mae, puta mediante cogniti­one. Et ideo cum non sit notum per Scripturam Sa­cram nec per
experientiam nec per rationem deductam ex per se no­tis (= consequentia formali) quod pot­est
aliter agere in animam quam modo dic­to, ideo concedo quod nullo alio mo­do potest agere in
animam.“ Gott ist indes der jen­sei­tige Raum, wo die für un­ser Er­ken­nen und sei­ne Mit­tel nicht
un­be­dingt (= vollstän­dig) be­grün­dete Gel­tung po­s­tuliert werden kann (= nicht aus­ge­schlossen,
al­so mög­lich ist). Das gilt für die reelle cau­sa­litas, deren Un­be­weis­barkeit Ockham über die
induk­tiv begründete di­vina po­­ten­­­­tia per­sua­diert. Der Kon­takt von causa und ef­fec­tus ist invisi-
bel und darin ne­gativ. Hier gründet denn auch kei­ne Folgerbarkeit.
kapitel 5

Aus dem Innern Gottes

Ockham behandelt die Frage Utrum Deum esse sit per se et naturaliter notum, und
ver­neint sie schlussendlich, indem er feststellt: „quod in ista propositione ‘deitas
est’ non prae­­dica­tur idem de se, quia hic praedicatur unum commune ad Deum et
ad alia.“ Das klingt nach ei­ner pe­ti­tio principii. Ockhams Argumentation lautet: Der
Begriff esse oder ens oder est ist Gott in­halt­lich übergeordnet. Da­mit ist Gott ein ‘in-
ferius’, aber: „nullum com­mune est idem cum suo inferiori…“ ebenso wie nicht:
„nec etiam in aliquo casu inferius includit su­um superi­us“. Esse ist kein Be­stand­teil
der deitas. Das aber impliziert überhaupt die Frage, über der der Ver­­dacht der petitio
principii oben ent­steht, ob die deitas ohne Faktor oder Begriff es­se oder Seiendheit
überhaupt gedacht werden könne, oder anders, ob die Frage, wie oder ob uns Gott
bekannt sei, unter Einbezug des Satzes, den die quaestio behandelt, gestellt wer­den
dür­fe oder notwendig müsse. Darauf nur gibt die quaestio ihre negative Antwort,
und zwar in der Art, dass sie implizit verneint, dass die significatio in der Gestalt der
Folgerung bestimmt, egali­siert und ermittelt wer­­den könne. Das gibt und präpariert
die Definitheit der termini auf dem Grunde des Folgerns und von ihm hervorzuho-
len, i.e. in dem Sinne zu gewährleisten. Für Ockham ist der Satz ein zu beweisender
Satz und zwar für den viator und ein nicht beweisbarer. Der bea­tus kann zwei Sätze
bilden, die die divina essentia zum Gegenstand ha­ben, einen per notitiam intuiti-
vam, einen zweiten, danach erfolgend, per notitiam abstractivam, wobei die ra­tio die­­
ser no­titia abstractiva unbestimmt bleibt: „abstractive quaecumque sit ratio is­tius
dic­ti“. Beide sind für ihn proposi­ti­ones per se notae. Daher kann er nicht an ihnen
zweifeln. Für den viator ist der Satz, den er nur per notitiam ab­­stractivam hat, eine
pro­positio dubitabi­lis. Be­zweifel­bar­keit ist eine der drei Be­dingungen da­für, dass ein
Satz propositio de­monstra­bi­lis sei. Be­weis­barkeit ist ihre hypothetische, nicht ei­ne
in irgendetwas re­ale Ei­gen­schaft. Es reicht aus, dass irgendjemand ihn bezweifelt/

. Ord. d. 3 q. 4 OT II pp. 432–442.


. Ib. p. 441 lin. 21 – p. 442 lin. 7.
. Ib. p. 441 lin. 21–23.
. Ib. p. 441 lin. 24f.
. Ib. p. 442 lin. 3f.
. Ib. p. 440 lin. 24 – p. 441 lin. 1.
212 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

bezweifeln kann: „ad hoc quod aliqua proposi­tio sit de­mon­strabilis sufficit quod pos-
sit dubi­ta­­ri a quo­­cumque, et quod postea per syl­lo­gis­mum ac­ci­pi­entem propositiones
necessarias possit fieri nota. Et ita est in proposito, quia ali­quis pot­est istam proposi-
tionem dubitare; et si postea videat divinam essentiam potest ean­dem for­­mare quam
prius, et vir­­tute noti­ti­ae praemissarum eam evidenter cognoscere.“ Dabei voll­zieht
den in Rede ste­­henden Beweis der beatus (sic!): „Et si quaeratur cui est ista proposi­
tio demon­stra­bilis, dico quod est demonstrabilis ipsi videnti divinam essentiam vel
cognos­cen­ti abstrac­ti­ve ipsam divinam essentiam in se.“ Der viator kann den Beweis
nur spä­ter füh­ren. De­mon­stra­bilis und dubitabilis stehen also sachlich und zeit­lich
weit auseinander. Der Satz, den wir spä­ter per visionem beatificum bilde­ten, wäre per
se eine propo­si­­­­tio ne­ces­saria. Damit zeigt sich, dass Ockham die obligate Syllogistik
nicht per implicationem beweisen könnte: Da er die Sätze kaum gliedert, zeigt sich,
dass ein Beweis­ von der effektiven Lei­s­tung und Ein­­­setz­­­barkeit des Syllo­gis­­mus nicht
analytisch (semantisch) erfolgen kann. Der beatus, der Gott schaut, muss überdies
nicht alle theo­lo­gischen Fragen lösen können, in Sonderheit sol­che nicht, bei denen
wir nach unsern ontologi­schen und empi­ri­schen Vor­aus­setzungen Zweifel ha­ben:
beim sacramentum altaris usw. Wo­her aber hat der via­tor seinen Satz oder Be­griff?
Den Be­­griff kann er schließlich der natürlichen Theologie entnehmen, zu­sam­­men mit
den Be­schrei­­­­­­­bungen, die wir Gott geben. Warum wird dann nach seiner Existenz als
integra­lem Be­standteil seiner es­sen­tia gefragt, um sie als quasi Externes, i.e. empirisch
Zukommen­des zu ver­­neinen und zwar über die Beweis­leh­re, in dem hier die Exis­tenz
einer consequentia forma­lis verneint wird? Denn das geschieht. Das ge­schieht auch

. Ib. p. 441 lin. 13–19.


. Ib. p. 441 lin. 8–10.
. Ockhams theoretische Kapazität steht immer mit sei­ner Aktlehre in Verbindung. C. J.
Nederman, The Po­li­tics of Mind and Word, Image and Text: Retrieval and Renewal in Medi-
eval Political Theory, in: Politi­cal Theo­ry: An International Journal of Politi­cal Philosophy 25,
1997 pp. 716–732 unterscheidet (p. 725) zwi­schen Ockham „the­­ory of language“ (a) und seiner
„philo­so­phy of mind“ (b) und sieht darin unterschiedliche Aus­gangspunkte für die Deu­tung
seiner po­litischen Theorie bei J. M. Gell­rich, Discourse and Dominion in the Fou­r­teenth Centu­ry
Oral Con­texts of Wri­ting in Philosophy, Politics, and Poetry, 1995 (a) und J. Coleman, An­ci­ent
and Medieval Memories: Studies in the Reconstruction of the Past, 1992 (b). Hieran schließen
sich Gesamtdeu­tun­gen Ockham bis in seine grundlegende Meinungsmotivation an. J. Coleman
(C. J. Nedermann ib. p. 722) betont, dass Ockham zwar Papst und Konzilien das Pri­­vileg der
Schrift­­deu­tung abspreche, es indes nicht jeder Pri­vatper­son zuspricht. Auch eine politische Ent­
schei­dungs­befug­nis der Untertanen (auch sie Indivi­du­en) stehe bei ihm nicht in Rede. Das be-
sondere Recht des Laien gibt es danach nicht. Der unbedingte Rang des The­o­­lo­­gen freilich wird
auch an­ge­­fochten. Die genannten Arbeiten zu Ockham politischer Lehre und andere mehr
wer­den aufgenommen von T. Shogimen, Ockham and Political Discourse in the Late Middle
Ages, 2007.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 213

gegenüber den Aus­le­gungen des Tho­­­mas von Aquin und des Duns Scotus von einer
quasi ra­ti­onali­s­tischen Theologie.10
Ockham refutiert bei der Behandlung der quaestio 4 Scotus, weil dieser Existenz
als Einschlussmoment versteht und bei Gott von dem nicht trennt, dem es zukom-
men soll. Ockham lehnt nicht die abstrakte Kompatibilität von existentia und no-
titia abstractiva ab. Er widerspricht der Annahme, die notitia abstractiva sei nicht
Erkenntnis, da von ihr existentia nicht erkannt werden könne. Daraus, dass die notitia
abstractiva über ‘ihre’ Irrespektivität gegenüber Existenz und Nicht-Existenz der res
determiniert ist, folgt nicht, dass sie auch vermöge der Nichterkenntnis (die darin
äquivokativ erscheint) von ‘Existenz’ terminiert wäre; es müsste das Folgerung erset-
zen und Logizität in genere bedeuten. Äquivokation und Folgerbarkeit würden gleich,
und letztere würde qua supponierter Definitheit trotz der Äquivokation beibehalten
(fortgesetzt). Ockham leistet vermöge der notitia abstractiva angesichts Duns Scotus’
die einzig gegründete Kritik von Ontologie. Scotus fügt wie gewöhnlich eine Bestim-
mung ein, die wie eine Prävention gegen Bestreitungen sich ausnimmt und unaus-
führbare Folgerungen insinuiert. Ockham dagegen blockt Folgerungen ab. Ockham
gibt Beispiele für Scotus’ Verfahren, Probleme durch Zusatzbestimmungen zu lösen,
bei denen implizit und explizit gleich sind. Es entstehen Hypothesen ad hoc (petitio
principii). Ein genereller Regelkanon für das Denken wie bei Ockham existiert nicht.

10. Cf. M. Lenz, Himm­lische Sä­tze: Die Beweisbarkeit von Glaubens­sät­zen nach Wi­l­helm von
Ockham. Bochu­mer Phi­­los. Jahrb. F. Antike und Mittelalter, 1998, 3 pp. 99–120 (p. 116): „Wil-
helms Satzanalyse besteht also nicht in einem Re­gelwerk, sondern in einer jeweils pro­blem­o­ri­
e­ntierten ‘Anwendung’ der Satzanalyse.“ Das will Lenz nun gerade in einem Fall annehmen, in
dem Ockham im Prol. Ord. die Satz­typik wenig ausführt, also pau­schal darüber hinweg und
mit Kautelen operiert, bes­ser: wo nichts was er sagt, über Einschlüsse (Implikati­o­nen) behaup-
tet oder demonstriert wird. Doch gäbe es das Re­­gel­werk, stün­de es nicht notwendig „einer je-
weils pro­blem­­ori­e­n­tier­ten ‘An­wen­dung’“ im Wege. Ockhams wie­der­keh­ren­de glei­che Formeln
in Begründung und Wi­der­le­gung kön­nen nur gel­­ten, i.e. ihren Satzge­gen­stand tref­­fen, wenn
sie ihn jeweils für sich nach immerglei­chen Qua­­litäten an­ge­­hen. Derart bedeuten sie Ablei­
tun­­gen und sind mit­ein­­ander konsistent. Sie sind das Re­gel­werk. Um dem zu wi­der­sprechen,
müss­te man ein nicht satz­i­den­tisches Satz-In­­neres unterstellen, aus wel­chem her­­aus sie mit
Intentio­nen zu tun hätten, ähnlich Duns Sco­tus, der sei­ne Be­stim­mungen im­mer aliquo­mo­do
von dem un­terscheidet, was sie be­tref­fen. Für Ockham und nach der Vor­­ausset­zung von Lenz
gibt es nur die Sät­ze, de­nen die Erkenn­tnis gilt. Ockham führt (Ord. d. 3 q. 4 OT I pp. 432–442)
den Be­weis, dass ‘exi­sten­tia’ kein Element des abstrakten Begriffs ist, auch nicht des Be­griffs
‘Deus’. Von dem nimmt Duns Scotus es an. ‘Gott als das höchste Seiende oder summe exis­ten­
tiam ha­bens’ muss unse­rem na­tür­li­chen Begriff von ens wi­der­­strei­ten und ihn äquivokativ ma-
chen. Duns Sco­tus entdeckt einen Wi­der­spruch im Charakter der Zu­satz­be­stim­mun­gen nach
ihrem Verhältnis zu dem, dem sie gilt, erst dann, wenn zwei von der Art zusammentreffen: cf.
Ockham Rep. II, q. 2 OT V p. 46 in der Editoren­an­mer­kung 4 (Zitat) und Ock­hams Referat ib.
p. 30 lin. 10f.
214 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham bemerkt, es argumentiere ein besonders Scharfsinniger.11 Er spendet dem


Duns Scotus verhaltenes Lob,12 greift aber die Argumenta­ti­on an.13
Ockham tritt nicht wie Aristoteles ei­ner ur­sprüng­lichen Daseinssicht mit Katego-
risierungen und Katalogisierungen bei, um sie nur wenig ge­bro­chen zu sanktionieren;
er assimiliert Aris­to­te­les, um der anima das Denken und Ur­­tei­len in reibungsfreien
Operationen geben zu kön­nen; sie stehen autonom für den Verstand und sollen dem-
entsprechend vernunftgemäß sein. Das gilt in allen Dingen: Dass Gott Ver­ur­sa­­­cher
aller Dinge sei, wird von Ockham bewiesen, aber mit ei­nem Überredungsbeweis:14
„di­co quod Deus est causa omnium in ratione effectus (sic!).“ D. h. nicht im Sinne sei-
ner selbst und seines Wesens. „Quod proba­tur, quia non magis dependet effectus ali­
quis ab agen­te creato quam ac­ci­dens a substantia. Sed De­us potest facere ac­cidens sine
sub­stan­tia media in ratione effectus (sic!!). Igitur potest facere quod­cum­que ac­ci­dens
si­ne alio in ratione effectus, et sic de aliis.“ Gott handelt, indem substantia und acci­
dens neben­einander stehen und förm­lich an­ei­n­­an­­der grenzen, aber nicht gleichsam
in den res abgebildet oder auffindbar seien. So sind auch die Dinge nicht ver­kettet.
Auch für Gott gilt:15 „Deus non agit in qua­libet actione se­cun­dum totam potenti-
am suam.“ Das bedeutet (wenig­stens), dass er nicht nur in­ner­­lich aus sich handelt,
sondern schon der Weltordnung Kau­sal­wir­­­­kun­gen übertragen habe. Es macht nicht
Sinn, daraus secun­dum potentiam di­vi­nam ab­so­lu­tam mensch­­lichen Agnosti­zis­­mus
ab­zu­­leiten.16 Es bedeutet aber auch, dass wir uns überle­gen müs­sen, wie Ockham zur
Stufe der göttlichen Existenz oder Essenz gelangt. Es geschieht we­sentlich mit Hilfe
der per­su­asio als Argumentationsform.17

11. Ib. p. 432 lin. 14: „unus tamen sub­tilis“.


12. Ib. p. 435 lin. 2f: „Licet in ista positione sint (!) multa bene dicta, si bene intelligantur (!)“.
13. Ib. lin. 3: „tamen sunt hic duo dubia“.
14. Rep. II, q. 3–4 OT V p. 66 lin. 6–11 Fettdruck nach W 1495. Diese Varianten sind im Text-
apparat.
15. Ib. p. 72 lin. 19f.
16. So J. P. Beckmann, in C. Wenin (ed.), 1986 pp. 445–457. Argu­men­­ta­tiv ist es um­ge­kehrt:
wir wissen gewisse Dinge nicht und kön­nen es begründen (u. a. ontolo­gisch in Bezug auf die
Abstraktion); danach kön­nen wir die Ab­­änderung in Gott suggerieren, im geschilderten Fall
gene­ra­li­ter (se­cun­­­dum po­tentiam divinam ab­so­lutam su­pra­­naturaliter loquendo), nicht quasi
empirisch konkret (se­cun­­dum po­ten­tiam divi­nam absolutam na­tu­raliter loquendo). Ockham
macht die Unter­schei­dung express zur In­de­pen­denz des accidens vom accidens se­cun­dum di-
vinam potentiam absolutam. Die in die res verlegte On­­to­logie wür­de die mit der In­duk­tion
verbun­dene Wan­del­­­barkeit (Kon­tingenz), also die empirisch auffindbare Variabilität unter den
causae se­cundae, aufhe­ben.
17. Die persuasio stellt gewisse Probleme. Ockham stellt fest (Rep. II, q. 3–4 OTV p. 55 lin. 16 –
p. 56 lin. 5) „quod Deus ist causa libe­ra respectu omnium tenendum est tamquam creditum,
quia non potest demonstrari per ali­quam rationem ad quam non responderet unus infidelis.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 215

Ockhams Prädestinationslehre scheint Probleme zu bergen. Der ‘Wille Got­tes’,


der prädes­ti­­­­niert, also zur Glorie erwählt, steht außerhalb der ra­tiona­len Bedingun­
gen oder Gründe, mit de­­­­­­­nen er es tun könnte. Gott kann propter ratio­nem erwäh­len,
aber er kann es auch lassen. Das bezeichnet das Moment der voluntas gerade, wie es
Fak­tor ist, als ein isoliertes, erst als i­so­­­­­­­­­lier­tes kann man sagen. Es wird damit noch
nicht als Exponent der divina essen­tia schlecht­­­hin ausgegeben. Das Moment der vo-
luntas reagiert und agiert damit, was den Be­griff angeht, der ja so communis cre­­a­turis
et Deo bleibt, semper extra aliquam in­formatio­nem divi­nae es­sen­­­ti­ae. So nimmt denn
Ockham auch kein allgemeines Willens­mo­ment oder Wil­lens­prin­zip für Gott an; es
ist de fac­to18 nicht Bestandteil der divina essentia in einem aus die­ser her­aus­­les­­b­a­ren,
i.e. ar­gu­men­ta­tiv begründeten Sinn. Eine solche Argumentation kann es, wie hier

Per­suaderi tamen potest sic: omnis causa non impedi­bi­­lis aequaliter respiciens multa sive in­fi­
nita si agat unum illorum in aliquo instanti et non aliud, est causa contin­gens et libera. Quia
ex quo non est impedibilis et aequaliter respicit omnia et aeque primo, non videtur ratio qua­re
plus producit unum quam aliud nisi propter libertatem suam. Sed Deus est huiusmodi causa
re­spectu omnium producibilium ab eo ab aeterno.“ Ockham Überredungsbeweis besagt: wo
eine Freiheit der Wahl bestehen soll, muss zur gleichen Zeit eines neben einem ande­ren gleich
möglich (i.e. eben wähl­bar) sein, und ohne dass in der Sache selbst ein Präjudiz da­für bestan-
den haben darf, so dass allein der Wil­le entschieden habe. Die causa selbst darf da­bei nicht
aufzuhalten sein (impedibilis). Das heißt natürlich in keine Inhaltlich­keit von Be­grif­fen ein­­ge­
hen, gleich­wohl aber sie so auslegen wie sie significando zu betrach­ten sind. Im Grunde sind
die Bestim­mun­­gen negativ gegenüber denkbaren inhaltlichen Auffassungen von den Be­grif­fen,
die sich eben nicht definie­ren lassen. Das rechtfertigt die persuasio: wir können keine absoluten
und rationalen (beweisfähigen) Begriffe aus der Em­pi­rie erheben. Dafür im Grunde ge­ben wir
Begründungen. Es wird gerade einmal der Begriff der li­ber­tas inhalt­lich induziert. Er kann
aber nicht eigentlich bestimmt werden, weil wir gar nicht wissen, ob es ihn oder sie gibt. Das
bedeutet es auch, dass ihm (ihr) eine gewisse transzendente Bedeutung zu­kom­men muss. Sie
ist nicht anders als die forma sine subiecto sive fundamento zu bewerten. Cf. ib. p. 66 lin. 13–18
und anderswo. Die Grundlinie em­­pirischen Ope­rierens und Erkennens bei Ock­ham kann im
na­tür­­lichen (mensch­li­chen) Erkennen soweit zu in­haltlichen Problemlösungen umgewandelt
werden und in Rechnung gestellt sein, wie der Basisbegriff des Er­ken­nens als eigentlicher noch
die Antworten bestimmt.
18. Dass hier ein bestimmter intensionaler Sinn mit reeller empirischer (i.e. extramentaler)
Be­deutung nicht an­ge­­­nommen werden kann, bezeichnet Ockham Denken und Methode. De
facto ist das Willensmoment nicht Teil der divina essentia in einem für die divina essentia
aus­­­zusagenden Sinn. Man erkennt, dass eine deduktive Met­hode, die das will und sucht, eben
ihrer Art nach als förmlich notwendige, unerlässliche, überragende und wenig­stens unantast­
ba­re angesehen werden müsste. Man wird es ihr bestreiten. Aus mehreren Gründen. Hier ist
für Ock­­­ham zu unterstreichen, dass es intensional (modal) aus dem Satz herauszulesen sei: was
dieser nicht ent­­hält (also: aussagt) ist auch nicht in dessen Sinn als problema zu erkennen, so
dass es gleichsam außerhalb oder an sich bestehe und erörtert werden könne, bzw. müsse. Wir
haben quasi die Begriffe nicht, in deren Namen sich das Pro­­blem (zugleich) für sich stellte. In
dem Sinne noch einmal ausführlich Anm. 24.
216 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

von uns ja grund­sätzlich un­tersucht und festgestellt wird, gerade nicht ge­ben.19 Der
Be­griff vo­­lun­tas, der hier außerhalb der divina essentia steht, wird mithin zugleich
der Begriff, der über­haupt erst exponiert wird und damit intensional als solcher wie
bezüglich seines Zu­kom­mens thematisiert wird: hinsichtlich des Gegenstands, der
Gott ist, aber damit be­züg­lich der Fra­ge des Zu­kommens ebenso speziell auftritt wie
das Zukommen danach allgemein the­ma­ti­siert wer­den können muss. Würde es nicht
allgemein thematisiert werden können, hät­ten wir viel­leicht keinen Begriff: d. i. Be-
griffe überhaupt oder/und nicht diesen Begriff volun­tas. Wir kön­nen auch noch fra-
gen, was er bezüglich des Gegenstands bedeuten kann. Dann aber ha­­­ben wir schon
Ockhams Disposition akzeptiert. Man erkennt folglich auch, dass der Be­­­­griff nur ein
accidens meinen könne, damit aber begrifflich festgelegt sei, nämlich nach sei­ner
Wort­­art, die in die mentale Sphäre hinein verfolgt induktive Befindungen und Bestim­
mun­­­­­gen zum In­halt nach bloß formaler Qualität zulässt. Sie implizieren Ockhams
‘Lehrent­schei­dun­­­gen’, bes­ser: seine opiniones oder solutiones, die von den Begriffen
alias Wort­ar­­­­­­ten aus­ge­­hend nur die­se zum Inhalt, Thema, Gegenstand (wie man will)
haben (kön­­­­nen).
So werden bei Ockham immer nur Verhältnisse geklärt, welche den Be­­­­griffen
entsprechen; die Verhältnisse und die Begriffe gelten, indem letztere auf einen Be-
tragswert reduziert wer­den. Er besagt den Begriff nach einem Inhalt, mit welchem er
kommensurabel auf einen ande­ren be­­­­zo­gen werden kann. Bedingt erlischt deren Sinn,
sofern er nur noch nach der Abstrakti­on, die mit der Feststellung eines unbedingt ein-
tretenden und für den Zu­sam­­men­hang haltba­ren Verhältnisses zusammenfällt und
zusammenhängt, beurteilt werden kann. Dabei kann aber mit der neu­­en Ordnung
trotz der Reduktion der Begriffe deren empiri­sche Vergleichbar­keit und ur­sprüng­
liche Bedeutung in empirisch-weltlichen Bewandtnissen ge­wahrt werden.20 Diese

19. Die Argumentation mithin überschreitet niemals den Satz, auf den sie bezogen sein muss.
Das ist auch so zu verstehen, dass consequentiae, wenn sie abgelehnt werden, i.e. nicht beste­
hen – können (sollen), de facto (= in­tensional) einen negativen Beweiswert haben müssen. Wo
die consequentia nicht bestehen kann, ist mit dem Nach­­weis, dass es so sei, der Beweis ge­führt
worden, dass ein Beweis nicht existiere. Solch ein Beweis wird für Sätze somit auf der Ebe-
ne der Entscheidung der Gültigkeit und consequentiae geführt. (Die Nichtgeltung von Sät­­­zen
kann suppositionslogisch erklärt werden.) Der Beweis geht dann aber nicht über die Ab­straktion
hinaus. (Dass wenn in die determinatio eine implicatio ein­geschlossen ist, ein Be­weis gelten
müsse, ist dann zwangsläu­fig. So wenn Ockham die Notwendigkeit der Schöpfung erweist.)
20. Insofern tritt kein Widerspruch auf, der sonst für die Begriffe, also deren Inhalte, bestünde.
Wollte man hierbei den Widerspruchssatz strikt zugrunde legen, so würde er äquivokativ und
in dem Sinne müsste zwischen inhaltli­chem Widerspruch und realempirischem, den es so gar
nicht geben kann (er wird nur im Beweis fingiert), eine Ver­­bindung bestehen. Sie aber wird
bei Ockham abgelehnt. Gerade hier wird mit der Ablehnung einer conse­quen­­­tia in sachli­cher
Hinsicht die consequentia in technischer Hinsicht suspendiert. Derart können die lo­gi­­schen
Zeichen (inclusive die Implikation) keine reale Bedeutung haben und nicht über ei­ne solche
abgestützt sein.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 217

müs­sen also nicht für theologische Erörterungen und Feststellungen sus­pendiert wer­
den.21 Sie wer­den viel­mehr beibehalten und haben eine regulative Bedeutung oder
Kompe­tenz. Das ent­spricht ins­ge­samt einer induktiven Operation bei der Begrün-
dung.22 In deren Na­men und Rah­­men wird immer eine Ab­schei­dung und Exklu-
sion, also potentiell, wenn man ei­nen for­mell an­de­­ren oder informel­len Be­griff in
anderen scholastischen Äuße­run­gen heran­zieht, ei­ne Wi­der­le­gung möglich.23 Da­bei
wer­­den vorderhand im Sinne eines Sach­ver­halts oder sug­ge­rier­­­ten Tat­be­stands zwei
Be­griffe im Spiele sein.24 Ockhams Verfahren in ge­ne­re be­­steht da­­­rin, dass er essentia
und accidens, wie sie Inhalts­for­men denkbarerweise katego­ri­­al zu fas­sen vermögen,

21. Bei den theologica treten abstrakte Reduktionen im Begriffssinn auf. Mit ihnen, auch bei
den Fragen zum or­do sa­lu­tis, wird die logische Stringenz von den Bedingungen der empiri­
schen Wahr­nehmung vor der Abstraktion und von der Kausalität abgekoppelt. Das liegt im
Rah­­men der Induktion. Wir hätten einen Widerspruch, wenn wir den empirischen Gebrauch
der Be­grif­fe auf die die essentia divina und damit auch den ordo salutis betreffen­den ‘Aus­sa­gen’
aus­dehnen wollten. Der Wider­spruch liegt nicht in dem theologischen Gebrauch. Man mag das
für eine bodenlose ‘Subtili­tät’ oder apologetische Fin­te halten. Doch im System der Ar­gu­men­
tationen Ockhams wi­der­legt das ‘consequens’ nicht die Prämisse, son­dern die Auf­fas­sung von
de­ren Bedeutungen (die Deu­­­­tung der darin gebrauchten Be­griffe und implizit de­ren Kombina­
ti­on). Cf. die fol­gen­de Anmer­kung.
22. Die Induktion, die dann eintritt, verändert bedingt den Sinn des Begriffs oder terminus,
wie sie ihn in ein (neu­es) Verhältnis stellt. Sie sieht von empirischen oder akzidentellen, i.e.
kon­di­­­ti­­o­nalen oder kontingenten Bestand­tei­len oder Referenzen ab. Sie besorgt die Definitheit
des Be­­griffs, dessen Abstraktion etwas gereinigt oder berei­nigt wird, insofern für diesen Sinn
be­stimm­te Kausalwirkungen als unwesentlich betrachtet werden können oder werden sollen.
23. Die Widerlegung relegiert den empirischen Sinn, wenn er abstrakt gesetzt wird. Er gilt
dann eben nicht als all­ge­meiner, und es ist kein definiter Sinn gebraucht worden. Das ist ein
Prin­zip für die theologischen Erklärungen Ockhams. Der Satz ist der Inhalt. Er bleibt kontin-
gent, auch wenn er nicht empirisch ist. Es gilt für ihn, dass eine Auslegung der Begriffe nach
dem Verhältnis, den Satz begründend, nicht gesucht wird und eben mit Ockhams Met­­hode, sie
begründend, nicht gesucht werden kann.
24. Das heißt: für sie kann der Zusammenhang nicht zwingend sein. Hier wird dann auch
nicht gut eine conse­quen­­­­tia oder ein Syllogismus angenommen werden können. Denn die Be-
griffe erscheinen weder empirisch noch lo­gisch als definit verbindlich und verbunden. Es ist
erkenn­bar, dass die logischen Verbindungen nach den em­pi­ri­schen insofern erscheinen und
‘beste­hen’, als der empirische Satz, i.e. derjenige, der einen empirischen ‘Sach­ver­­­halt’ fasst, in
al­len Ausdrucksformen regulativ ist. Wird er exreguliert, so tritt ein modaler Zusammen­hang
der Begriffe auf, wie für die divina essentia und die relationes mittels der distinctio for­malis (in
Ockhams Ge­brauch), der empirisch nicht ist, aber den empirischen Sinn in einer all­ge­mei­nen
und dabei widersprüchlichen Ver­­­­wendung ausscheidet. Der Widerspruch wird ausge­schieden;
also kann er nicht leitend sein. Die Abstraktion um­­geht ihn und scheidet ihn aus. Wir wissen
ja auch von den empirischen, i.e. aber kontingenten Aussagen nicht, dass sie wi­der­spruchsfrei
seien. Denn wir operieren nicht an ihnen Widerspruchsfrei­heit erkennend.
218 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

konditional scharf trennt.25 Die Abstraktion ‘enthält’ das ak­zi­den­telle Mo­ment aber
überhaupt so, dass von diesem die Induktion aus der Sachebene zum Be­griff und
zur Feststellung der Satzart, ihre Wertigkeit, Reichweite, Geltung usw. ausgeht. Die
divi­na essentia ist bei Ockham mithin wirklich und erst gesicherte substantia. Mit der
Exis­tenz (Ge­­­­­­gebenheit) der Begriffe ebenso wie mit deren Verwendung und Behan-
delbarkeit be­steht noch keine Intellektion. Sie muss also nicht für den Satz und die
Deduktion oder eine con­se­quen­tia unterstellt werden, wenn diese nur genannt oder
aufgestellt wird. Wenn sie re­fu­tiert, i.e. als falsa implicatio abgelehnt werden kann,
gab es keine Signifikanz des Satzes (der in der consequentia ‘verbundenen’ Sätze) und
keine significatio der Begriffe. Sie haben ihre sig­ni­­fi­ca­tio im gemeinten Objekt, einer
res extra animam. Auch der abstrahierte Begriff verbleibt in einer konkreten Verwen-
dung, also in der Beziehung auf formell singuläre res.
Dieser feste Bezug auf die significatio gründet praktisch darauf, dass aus dem
Begriff, wenn er abstrahiert ist oder als abstrakt gelten kann, nicht deduziert wer-
den kann, besser: nicht ab­ge­leitet werden kann. (Deduktion und Ableitung sind nicht
dasselbe: Duns Scotus leitet we­nig­­s­tens intentionell oder wenn man seine Metho-
de in der Idee vollkommen nennen will, eher ab, wenngleich nicht unbedingt, da er
ontologische Zusatzannahmen einsprengt, die er sodann splittet (modifiziert, diffe-
renziert): zwischen dem was er dabei ab­schei­det und dem was er be­hält will, also
postuliert, kann es dann keine logische Konsistenz oder Kon­se­quenz geben.) Es kann
nichts aus den Begriffen gewon­nen werden, was dann in dersel­ben Wei­se wie sie auch
sig­­nificatio hätte oder bedeutete. Der bei Ockham wesentlich kon­tin­­gente Satz beruht
mit dem Ver­hältnis von quidditativum (subiectum) und connota­tivum (pas­­sio) dar-
auf, dass für die pas­sio keine significatio aus dem subiectum zu folgern sei.
Die theologischen Fragen von Prädestination und Reprobation (Verwerfung der
Menschen, die in Ewigkeit verdammt sein sollen, also von Gott nicht erwählt wer-
den) betreffen und ver­lan­­gen keine Erörterung bezüglich der divina essentia, son-
dern (bloß) – gewisse – Bedingun­gen des Handelns der divina essentia nach außen,
und zwar insofern diese Bedingungen for­mell als noch un­bekannte aufgefasst werden
müssen.26 Aushilfsweise werden hier Momente oder Leitbegrif­fe wie cau­sa angewandt.
Sie lei­ten dann aber gerade nicht aus der divina es­sen­­­tia in die Sphä­re extra divinam
essentiam, wo­bei sie denn eben die Relationsbegriffe zu verdoppeln hätten; da­­mit wür­
den aber diese wieder aus der Konditionalität zur Essentialität deformiert. Die Über­­­­­
tra­­gung des reellen Kausalmo­men­ts auf das Folgeverhältnis von Sätzen im Beweis
se­cun­­dum consequentiam wird von Ockham abge­lehnt. Die adae­quatio intellec­tus ad

25. Dabei kann funktionell und intensional das Vorsatzmoment der forma auftreten, das der
ratio des terminus in in­haltlicher Funktion entspricht, nicht einem Satz, und es erlaubt, diese
forma, die die essentia mithin vertritt, vom accidens und kontingenten Umständen abzuheben,
was, da die Abstraktion generell den Strukturen gilt, nicht den Inhalten, hier ersatzweise zur
persuasio führen muss. Dann lautet die Auskunft: ‘potest persua­de­ri’.
26. Sie stellen empirische Bedin­gun­gen und Fälle pro for­ma da.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 219

rem hat so für Ockham eine Grenze, sie hat diese Gren­ze, wie Erörte­rungen im Ord.
Prol. zeigen. Ebenso wiederum von der empirischen Sphä­re her (oder der der kontin­
gen­ten Fäl­­­le, die einen Wider­spruch gegen eine Verallgemeinerung be­gründen) stellt
er fest, dass eine con­­­­­se­quentia als von der Wirkung des antecedens auf das conse­quens
her ge­dacht, wenn jenes cum grano salis als causa von diesem aufgefasst werden soll,
„verumtamen hoc vel numquam vel ra­­­ro contingit nisi quia in re aliquid est causa
alterius vel pot­est esse vel fu­it.“27 Wo Gott selbst handelt und dabei was er tut, explizit
und kompakt auf seine essentia be­schränkt ist, gibt es keine derartige Unterscheidbar-
keit der essentia und des Relati­onsbegriffs, welche seine Tauglichkeit für die essentia
erweisbar machte:28 „dico quod prae­des­­­tinatio non est aliquid ima­­­­­­ginabile in Deo
distinctum quo­cum­que modo a Deo et per­sonis et deitate, ita quod non est aliquis
actus secundus adveniens deitati, sed im­por­tat ipsum Deum qui est datu­rus alicui vi­
tam aeternam, et ita importat ipsum et vitam aeter­nam quae da­bi­tur ali­cui. Et eo­dem
modo est de reprobatione quod importat De­um daturum ali­cui poenam aeter­nam
et nihil adveniens Deo.“29 Das heißt auch, dass für die Relati­ons­begriffe Ordnung
und Ver­hält­­­nis­se separat er­­forscht wer­­­­­­­den müssen, wobei sie met­hodisch unter die
Induktion fallen.30
Nach Ockham prädestiniert Gott nicht unbe­dingt (notwendig) zu Verdammnis
oder ewiger Se­­lig­keit, weil er logisch und empirisch zu­nächst die Mittel wollen mus-
ste, wel­che zu diesem Zweck und Ziel zu führen hatten.31 Für Gott ist (daher) die

27. Ord. d. 41 OT IV p. 606 lin. 5f.


28. Ib. p. 605 lin. 7–13.
29. W. Pannenberg, Die Prädestinationslehre des Duns Scotus, 1954 p. 142 Anm. 9. Verweis auf
Vig­naux, Ju­s­tifi­ca­tion et prédestina­ti­­on au XIVe siècle. Duns Scot, Pierre d’Auriole, Guil­lau­me
d’Oc­cam, Gré­goi­re de Ri­mi­ni, Pa­­ris 1934, pp. 138f. u. 188, der für Ockham die Unterscheidung
von re et ratione ohne Beleg benutze (!).
30. Cf. Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 457 lin. 4–8: „Quamvis relatio non sit de intellectu es­sen­tiae, quia
non prae­di­ca­tur formali­ter de di­vi­­na essentia, est tamen ea­dem realiter cum divina essen­tia et
ideo non potest intelligi divina es­sentia non in­tel­lec­ta per­­sona.“ Cf. ib. p. 462 lin. 12–17: ‘relatio
ratione nicht re distincta a essentia (divina).’
31. Das gilt so auch für die beata virgo. Cf. Ord. d. 41 OT IV p. 608 lin. 23 – p. 609 lin. 2: „Potest
dici quod beata vir­go fuit sal­va­ta et magis bea­ti­fi­ca­ta propter merita sua. Deus tamen ordinavit
quod sic salvaretur ita quod prae­­ordinavit eam ad vitam aeternam, tamen per talia media per
quae deveniebat.“ So gäbe es denn auch ‘aliqua cau­sa reprobationis’. Ockham unterscheidet
hier grundsätzlich, wie stets gesagt, zwischen den beiden Ebenen oder Stufen Gottes und der
creatura, mithin zwischen den Sätzen, die auf den beiden verschiedenen Stufen ‘spie­len’ cf. ib.
p. 610 lin. 7–14: „nullum temporale est causa alicuius aeterni, et ideo reprobatio non est aliqua
una res aeterna quae habeat causam in creatura.“ Danach hat auch der Satz ‘Deus reprobat
istum’ keine causa in aliquo pec­cato hominis, aber die Sünde des Menschen ist anzunehmen, da
der Satz „illo modo quo dicitur antecedens est causa consequentis“ (also im Sinne eines ‘modus
loquendi’) den Satz ‘iste peccabit finaliter’ nach sich zieht.
220 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

menschlich-empiri­sche Ordnung, nach der der finis den anderen causae vorauszuge-
hen hätte, außer Kraft ge­setzt.32 Dies heißt nur, dass Gott nicht nach Maßgabe mensch-
lich angewandter Begriffe handeln muss oder zu be­­­­­­ur­tei­len ist, bei denen ja in diesem
Falle das spezifische Mittel ‘ad hoc’ und das allgemeine der begrifflichen Ab­straktion
zusammenzufallen hätten, was nicht sein kann: es würde alle mög­­li­chen Fehler mit
sich bringen, z. B. auf instantiae oder fallaciae führen müssen. Ockham muss also auf
eine Ab­straktion setzen, bei der Gott gar nicht aus sich herausgeht und es zu­gleich in
die­sem Sinn für das Faktum oder Geschehen der Prädestination kei­ne Realität gibt.
Das heißt aber: Prädesti­na­tion ist kein reelles bzw. von seiten der empiri­schen Realität
se­cun­dum legem com­munem de­finierbares oder definiertes Problem. Seine De­fi­ni­tion
ist ei­ne An­ge­­le­genheit rei­ner sprach­licher Regulation. Das entspricht einer Abstrak­ti­
on, die par­al­lel zu einer kontin­gen­ten Aussa­ge verläuft, in der ja schließlich der Be-
fund fest­ge­halten wird: ‘Pe­­­trus est dam­na­tus (reproba­tus)’ ‘Petrus est praedestinatus’.
In Bezug auf die­se Sätze ist die lo­gi­sche Kon­sis­tenz zu defi­nie­ren, nicht in Bezug auf
einen Sachverhalt in sich (den wir als em­­­pi­rischen in se nicht er­mit­teln können: wir
müssten dazu außer Acht las­sen, dass das Fak­tum nach Vor­aus­setzung selbst kon­tin­
gent sein soll, und dies auch in Bezug auf die Wahlfrei­heit Got­tes. Sie eben ge­hört
nicht der Welt an). Aus der psychischen Realität oder Ver­fassung lässt sich somit kei­
ne Begründung für Ver­werfung oder Erwählung schöp­fen.33

32. Cf. ib. d. 41 p. 609 lin. 14–20: „Nunc autem beatitudo, respectu cuius est praedestinatio, non
est finis Dei prae­destinantis, sed est finis prae­des­ti­nati. Et ideo oportet quod praedestinatus
volens finem et ea quae sunt ad finem, prius velit propriam beatitu­di­nem quam aliquid quod
est ad illum finem. Non tamen opor­tet quod Deus primo ve­­lit illum finem praedestinati quam
velit ea quae sunt ad finem.“ Zur Erläuterung s. auch An­merkung 33.
33. Für Ockham auch ist die poena unabhängig von der culpa, mithin eben unabhängig von
ihr mög­­lich, cf. Rep. II, q. 15 OT V p. 358 lin. 12–18: „Deus de potentia sua absoluta potest
alicui infligere poe­­­­nam sine cul­pa prae­ce­­dente, sed il­la poena tunc non potest dici punitio,
quia istud nomen connotat pec­ca­tum praecedens. Sic enim in brutis est poena sine pecca-
to praevio. Tamen de facto, de potentia ordinate Deus non infligit poenam si­ne cul­pa prae­
ce­dente, vel in punito ut est in no­bis, vel in alio ut in Christo cui poena fuit inflicta propter
pec­ca­ta no­stra.“ Das ist schlüs­sig: denn wäre die poena von der culpa abhängig, so könnte sie
ihr gar nicht zugemes­sen sein. Sie wäre nicht poena dieser culpa. Folgerichtig, i.e. im Sinn des
so an­­ge­legten Ver­hältnisses der Be­grif­fe, das sie ermit­teln hilft und ausdrückt, kann Gott per
po­ten­tiam di­vinam absolutam die poena unabhängig von der Schuld, i.e. ohne dass eine Schuld
be­stün­de, ver­hän­­­­­­­gen. Mithilfe der po­ten­tia divina absoluta werden implizit primär em­­piri­sche
Begrif­fe etabliert, wobei ausgeschlossen wird, dass die empirische Geltung unmittel­bar aus
der Ab­straktion gefolgert werden könne. Von der po­ten­tia divina absoluta aus veran­schlag­­te
Ockham auch die Aus­lö­schung bzw. Ersetzung von Begriffen oder Sätzen, wobei das Festhalten
an unseren herkömm­li­chen Be­griffen fest mit der persuasio verknüpft erschien, während ein
grundsätzliches absolu­tes Beweisen darü­ber hin­ausginge und dann mit der Erset­zung der Be­
grif­­­fe korrespondierte; diese Ersetzung war in unbedingt fak­ti­­scher Wei­se gar nicht mög­lich:
wir wä­ren auf Begriffe verwiesen gewesen, die wir de facto nicht ha­ben. Wir könn­­­­­ten für sie
nicht von der Erfahrung, von der Kontingenz ausgehen. Betrach­ten wir von der persuasio aus
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 221

Das bedeutet dann auch, dass die ‘Mittel’ selbst ab­strakt derart gesetzt und va-
riiert wer­den kön­nen, dass eine nach herkömmlicher Heilsordnung angenommene
Reihenfolge von Fak­­­­­to­ren nicht logisch zwingend ist und suspendiert werden kann:
es mag eine causa oder ra­tio suf­fi­ciens geben, derentwegen die Vermittlung mehrerer
Faktoren als in einem bloß kon­tin­genten Bedingungsverhältnis stehende überflüssig
erscheint, und das heißt dann, dass sie nicht logisch ist. Nur in Gott kön­nen die Fak-
toren überhaupt gesetzt werden, was ja plausi­bel ist, wenn man bedenkt, dass Gott
der Handelnde und dabei Meinende und Denkende sein soll. Wir müssen die ‘Erfas­
sung’ oder auch Stipulation Gottes mit der Abstraktion oder der Ab­­­­­­­­­straktions­stu­fe

und be­zie­hen wir uns auf sie, so erhellt nachdrücklich, dass die direkte em­pi­­­rische Er­for­schung
der Welt a parte rei gese­hen nicht mög­lich ist. Ockham hat sie nicht an­­genommen. Mit der
persuasio sind nur weltinterne und kontingen­te Ver­hält­nisse adoptiert worden. Bei al­lem ist
schließ­­lich dies der Grund, dass die Kenntnis der ter­mi­­ni völ­lig aus­rei­che, um eine kon­­­­tingen­te
Erkenntnis zu haben und (umgekehrt) aus einem necessari­um nicht ein con­­tingens fol­gen kön-
ne. Ockham grundsätzlich Ord. Prol. q. 1 OT I p. 23 lin. 22 – p. 24 lin. 7: „Nec valet di­ce­re quod
noti­tia in­com­plexa istorum terminorum non sufficit ad no­ti­tiam evi­­den­tem illius ve­ri­tatis con-
tingentis, sed requiritur ali­qua alia notitia, quia manifes­tum est quod ista propositio ‘ista albedo
est’, non dependet nec prae­­sup­ponit aliquam aliam mihi no­tiorem, vir­tute cu­­ius pos­­sum scire is­
tam. Quia illa ante esset necessaria aut contingens; non ne­ces­sa­ria, quia ex ne­ces­sario non se­qui­
tur contingens. Non contingens, quia eadem ratione illa de­pen­deret ex so­­­la notitia termino­rum
vel esset processus in infinitum. (Der recesssus ad infini­tum qua „infi­ni­tas in accidentali­bus“
bildet bei Duns Sco­­tus und Ockham eine Formel der Widerlegung und wird entspre­chend in
sich selbst ab­ge­lehnt.) Et ita opor­­tet dare quod respec­tu alicuius ve­ri­tatis contingentis sufficit
sola notitia incomplexa alicu­ius vel ali­quo­rum termino­rum.“ Intensio­nal aus­­rei­chend = suf­fi­cit.
Wir kön­­nen Syl­lo­gis­men aus kontingen­ten Sät­zen bil­den. Die An­ge­mes­sen­­heit der poe­­na an
die cul­­pa wür­den wir syl­­lo­gi­s­tisch zu be­wei­sen haben. Wo es den Syllogis­mus nicht gibt, ist
damit so et­was wie eine Wi­der­­le­gung aus­­­­­ge­spro­chen. Damit fehlt zu­gleich eine conse­quen­­tia
formalis; sie betrifft hier ne­ga­tiv In­halt und Form zu­gleich. Wä­­­­­­ren Syl­logismen in der Form­ der
con­­sequentia ab­leit­bar (qua Ableitung begründ­bar), so dürf­te es die­se nega­ti­ve Iden­ti­tät von
Inhalt und Form für die con­se­quentia nicht ge­ben, wie sie un­ter­stellt werden muss, wenn die
consequentia – bei Nicht­ge­gebenheit des Sy­­l­­logismus – fehlt. Die Exis­tenz der noti­tia abstrac­ti­
va ne­ben der no­titia intui­ti­va schließt oder erschließt Ockham ib. p. 24 lin. 7–10 induktiv: „Et
tamen manifestum est, quod de ea­dem potest haberi notitia incomplexa et tamen veri­tas il­la
ignorari; ergo respec­tu illorum ter­­­mino­rum est duplex notitia specie distinc­ta.“ Die Inexis­tenz
der con­­se­­quentia iden­tisch mit der Nicht­schlüs­sigkeit ei­nes Syl­logismus s. bereits beim Bei­spiel
‘haec her­ba est sanati­va’. Auch in der Theologie be­züg­lich der vita aete­rna, der beatifica­tio,
der reprobatio usw. bleiben wir in kontin­gen­ten Ver­hält­nis­sen nach empirisch gebildeten Be­­­­­
grif­fen, deren ab­­­strakte (abstrakti­ve) Verwendung die kon­tin­genten Verhältnis­se noch einmal,
aber nun argu­men­­ta­tiv in Bezug auf Sätze und be­züg­lich Folgerun­gen zu statu­ie­ren erlaubt: wir
sistieren hier Folgerungen oder stel­len das Fehlen der consequen­tia formalis fest. In beiden Fäl­­
len haben wir dann die kontingente Anders­mög­­­lich­­keit oder Nicht­schlüs­sigkeit. Die Sistierung
der Fol­gerung und das Entfallen des Syllogis­mus führen die Sa­che und darin auch die Ursache
von der Abstraktheitse­be­ne zur Kon­tingenz zu­­­rück. Hiermit gelten auch die aus der Er­fahrung
zu schöpfenden Ver­glei­che und Beispie­le, wie Ockham sie so zahlreich gibt.
222 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

gleich­set­­zen. Was dann in Gott fällt, wird für diesen und die Sache über­haupt, nämlich
ein Ver­­­hältnis von essentia und relatio(oder effectus), erklärt. Es gilt dann was derart
für gegeben erklärt wird sogar im Sinn der potentiellen Revision des Heilskanons. Die
neuen Varianten in der Kombination oder Auslassung der Faktoren mögen als Emen­­­
dati­onen ei­ner bloß positiven Auffassung des Dogmas zuführen, wenn nicht das Dog-
ma schon von vorn­­her­­ein ausschließ­lich in einem nur positiven Religionscharakter
verstanden wor­den ist.34 Ein Existenzbeweis für die Prädestination ist damit weder
geführt noch versucht worden. Es gibt Prädestination da­mit noch nicht. Welche Wer-
tigkeit kann hier der Gottesbegriff haben? Soll er an der Prä­des­tina­ti­on festgemacht
werden, etwa weil diese funk­ti­­­o­nell einen Übergang zwischen Gott und Mensch in
einer den Men­schen nach der Heilsord­nung berührenden Frage angehe, wäh­rend wir
ja sonst bloß erst von der Schöpfung, dem Deus creator zu sprechen hätten: denn wir
neh­men ja mit der Prädestina­ti­on ein Moment des Heils hin­­zu. ‘Prädestination’ stellt
einen ‘Be­­­­­griff ’ dar, mit dem wir bloß die reale Welt und em­pirische Welt­träch­tig­keit
überstei­gen. Ei­nen Begriff, den wir faktisch als ei­nen in der Welt und für sie kom­
mu­ni­zier­baren nicht be­wahren können. Zugleich wird die re­ligiöse Empfin­dung tan­
giert und schwie­rig. Was soll ge­­glaubt werden und nur geglaubt? So­wohl dogmatisch
oder im Sinne prak­tischer Seelen­fröm­migkeit? Im Sinne beider nebeneinan­der oder
ohneein­an­­der?35 Für Ockham lässt sich sa­gen: Inhalt­lich bedeutet erkennbar nicht ge­
gen­ständ­­lich.36 Ockhams opiniones und so­lu­ti­o­nes ten­die­­ren zur Ab­strak­tion, wobei

34. Ockham musste Dogmen bzw. deren formelle rationale Re­­duk­tion durch ihn selbst mit-
tels In­duk­­­ti­on begrün­den, womit er sich über die Empirie schon erhob, ihr die Be­­­griffe zum
Teil entwand. Er kann so Ein­wän­de kon­zi­pieren und für Begriffsverbindungen Widerlegungen
intendieren; da­rin wird ein abstrakter Bezug als präsum­tiv ‘konkreter’ verneint, indem die Im-
plikation durch Ockhams technische Mittel als Partikel ersetzt wird.
35. Rationale, dogmatische, potentiell empirische Faktoren (Bezüge) durchkreuzen sich in ge-
wissen Fäl­­­len, wenn im Grunde schöpferische Erklärungen oder auch Begründungen gegeben
werden müssen, so z. B. Ord. d. 27 q. 3 OT IV p. 260 lin. 12f: „Verbum divinum est persona
genita de sci­e­ntia, quae est Dei et omnium cre­aturarum tam­­­­quam obiectorum.“ Nach lin. 10–19
eine definitio quid nominis von ‘Verbum’, worin die creatura konnotiert wird.
36. Ockham schließt ganz allgemein nicht aus der Tatsache, dass man Begrif­fe und Sätze ha­be,
mit denen man er­kenne und also auch schon eine Wahrnehmung verbinde, dass etwas sei,
was diesen Sätzen entspräche. Er sieht hierin eine falsa implicatio. Cf. Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 463
lin. 12 – p. 464 lin. 2 beginnend mit der von Ockham so abge­wie­se­nen (widerlegten) The­se: „Si
di­ca­tur quod aliquis potest credere eam (= divina essentia, lo­gisch wä­re nach dem Text p. 462
lin. 11 – p. 463 lin. 2 neben divina essentia auch relatio möglich) esse in una per­­so­na tantum et
ta­men pot­est frui ea, ergo talis fruetur ea ut est in una persona tantum“, also in völlig ab­strak­
ten nur die divina es­­sen­tia betreffenden Aussagen, „respondeo negando conse­quen­­tiam etc.“
Mit­hin widerlegt Ockham fal­la­ci­ae, obwohl wir hier in abstrakten überwelt­li­­chen Materien
uns be­­finden sind, allein nach der Gleichheit von Moda­li­tät (credere! i.e. cre­de­re bezüglich
des Sa­t­­­zes) und mentaler Existenz der Aussage. Aus ihr folgt keine Existenz ex­­­tra animam. Es
folgt vielmehr, dass die Definitheit der Aussagen bzw. Begriffe nur be­stehe, wenn sie nicht ex­tra
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 223

Implikation als regu­la­tives Prinzip oder Moment aus­­ge­­­­schal­tet wird.37 Es ist bezüglich
der significatio nach Ockham ungesichert oder schwan­kend zu den­ken. Hat­­­te Duns
Scotus je einen Bezug auf die Re­­­­alität, der zugleich dabei als förm­­licher Be­zugs­punkt
extra men­tem kategorial verstan­den und obligatorisch gemacht wur­de, für Begriffe
und Vor­stel­lungen, auch die Gott betref­fenden, angesetzt, so wird der Reali­täts­­bezug
induktiv als prak­ti­scher bei Ockham anerkannt und benutzt, als ka­­­t­egorialer As­­pekt
ausge­schlossen. Auch hierin greift ei­­­­ne Ökonomie; ein Mentalismus wird über die
Stufe bei Duns Scotus hin­aus strikter ver­­­­­fer­tigt, ja gewissermaßen der Form nach erst
erstellt.
Ockhams Denken schließt sich systematisch gegen den unmittelbaren Wahrheits-
aspekt ab: ein jeder ‘Inhalt’, also ein Satz, der mit dem Inhalt identisch diesen fak-
tisch „enthält“, und qua­­­­si de­finitorisch vertritt, so auch die cau­sa oder ratio sufficiens,
kann einer ‘Folge­rung’ nur „ent­sprechen“ und in eine solche nur überleiten, wenn die

ani­­mam und de facto a parte rei unterstellt werden könne. Nach Ockham sollen wir di­­­vina
es­sen­tia und per­­­­­sona (relatio) der Sache nach für identisch, sie de ra­tione aber für unter­schie­­­
den hal­ten: denn wir haben hier ver­schiedene Begriffe. Deren De­fi­nit­­heit wäre ge­fährdet oder
auf­gehoben, wenn wir eine so­ge­­nannte for­mal­­lo­gi­sche Konse­quenz ‘secundum ter­­tium non da­
tur’ vorschreiben wollten. Ockham sagt hier nicht wie bei gewissen Syllogismen, wir hätten die
fal­lacia bloß se­­cun­­dum fidem et cognitionem nobis pro statu isto non possi­bi­­­lem.
37. Hier ist denn auch eine Dimension des Rechts im Verhältnis zur Logik zu sehen. Pla­ton
ver­such­te beweisför­mig ei­nen in­halt­lich ge­­­fass­ten Zweck vom sozietären Impakt her zu se-
hen und als logisch ge­sichert dar­­zustel­len. E. Kapp, 1942 dt. 1965 p. 22 fand, die Logik sei seit
Aristoteles zu sehr mit Psychologie untermengt. Neu­zeit­lich liegt der (sozietäre) Zweck poten-
tiell außerhalb des wissen­schaft­­lichen Sys­tems. Es ist eine Dispa­rat­­heit möglich, die entweder
Unglaubwürdigkeit oder Desinteresse bedeutet. Für N. Luh­mann, Rechts­so­­zi­o­lo­gie, 1972 Bd. I
p. 98 Anm. 116 ist „die Funktion der Logik erkennbar, Regeln für ein­deu­­ti­ge sach­liche Kom­
bination und in­­ter­­­sub­jektive Übertrag­bar­keit zugleich zu ent­decken, al­so Kon­­gru­enz zwi­schen
sachli­cher und sozialer Di­men­si­­on des Welterle­bens si­cherzu­stel­len. Da­rin liegt die funk­­tionale
Affinität der Lo­gik zum Recht be­grün­­­det.“ Zu Rechts­­logik pa­ral­­le­l mit der philosophischen
Behandlung the­ologischer Probleme s. L. M. De Rijk, 1967 Vol. II, Part I, p. 129: „The inter­
pretation ru­les dres­­­sed up by Abai­lard in the pro­lo­gue of Sic et Non are no­thing but a co­di­­fica­
tion of the con­cordances gi­ven by a who­le se­ri­es of sch­o­lars be­fore him, with the pur­­pose to
re­concile see­mingly contra­dictory Canon Law Texts.“ De Rijk unterstreicht (ib.): „De Ghel­linck
rightly stres­­sed the pe­cu­liar function of the rationes necessa­riae in the thoughts and ar­gu­ments
of An­selm of Can­­­terbury.“ Ockham sucht rati­o­nes suf­fi­cien­tes. Sie un­terschreiten nicht die
Aussa­gen­­e­bene (ac­tus ap­­pre­hensi­vus), die durch die In­duk­tion ge­stützt, z. T. nur persuasiones
be­grün­den muss oder in mo­da­­­len Aus­­­­sagen aufge­fan­gen wird. Persuasio und moda­le Aus­sage
stehen anstelle for­mell mit der Realität gleich­werti­ger Aus­­sa­gen und Be­haup­­tungen. Die Re­
alität in se kann ja nicht erforscht werden und ist auch nicht de­finit bei der conse­quen­tia for­ma­
lis mit deren ‘un­mittel­ba­rer’ Kom­bi­nation von Begriffen, die dieserart empi­risch (begrün­det)
gel­ten darf, ge­ge­ben. Dabei wird der Satz, den der Syl­lo­gis­mus bietet, not­wen­dig, wie es eine
Wahrheit (Er­kennt­­­nis) in ei­nem medium, das wir pro statu is­to nicht ha­ben, pro nobis in via
nicht werden kann.
224 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

immediate empirische Re­fe­renz und mit ihr die Implikation ausgeschlossen ist. Das
menschliche Denken kann inhaltlich (ab­strakt) auch mit Gott, insofern dieser dessen
Gegenstand ist, übereinstimmen. Die Korrektur der Mit­tel unseres Denk­­­ens bedeutet
auch deren formale Beschrän­kung (‘Re­duk­­­tion’). Dies geschieht ab­­so­­lut, insofern die
Verlässlichkeit und Eindeutigkeit der Begriffe (Definitheit) garantiert ist. Auch die
Natur­philosophie wird hier einbezogen und steht nicht in Dependenz von theologi­
schen Aussagen.38 Das gilt auch für das Mittel ‘logi­scher’ Kon­sequenzen. Wenn
Ockham mit dem Ge­brauch des Omnipotenzprinzips auf der Stufe der Abstrakti-
on steht, muss sie die sig­ni­­fi­ca­­tio enthalten (besser: sie zulassen, i.e. sie nicht aus­
schließen), doch immer jene Folgerung (sol­che Folgerungen) ausschließen, welche
die In­duk­ti­on nicht zuließen. Hier ist das Verhält­nis von consequentia und Induktion
zu erklären.
Kein Folgendes, das im Sinn der Abfolge die Konsequenz zu bedeuten hätte,
kann diese Folge oder Konsequenz sein (und so auch die significatio besagen, i.e. mit
beinhalten). Das ist das Prin­zip der Induktion, in deren Form Ockham beweist. So
wenn er zeigt, dass das sub­­­­­­iec­tum conclusionis = innerhalb des Syllogismus das sub-
iectum scientiae (der conclusio als habi­tus nach Aristoteles), von dem der Prämisse
als sapientia sich unterscheidet.39 Für das subiec­tum gilt sei­ne Unterscheidung zu den

38. Cf. K. Bannach, 1975 p. 24: „Weder bei Sco­­tus noch bei Ockham hat die Unterscheidung
von potentia abso­lu­ta und ordinata den Sinn, die faktische Schö­p­fungs- und Heilsordnung in
Frage zu stellen. Vielmehr ist das Ge­gen­teil rich­tig. Doch ist der Ausgangs­punkt der theologi­
schen Argumentation nicht mehr das göttliche Wesen, von dem aus die Ordnung des Seins und
der Sinn des Ablaufs der Heilsgeschichte erschlossen werden könnte, son­dern vielmehr stellt
die Erfahrung der Man­­nigfaltigkeit des Seins und der wider­sprüchlichen Heilsgeschichte das
theologische Denken vor die Aufga­be, gerade die Variabili­tät des von Gott Geschaffenen mit
der Unverän­der­lich­keit seines Wesens in Einklang zu brin­gen.“ Das empiristische Erfah­rungs­
potential, das Bannach zurecht be­tont – mit dem die dann bereits metho­do­lo­gische Wer­tung
der Akzeptanz von Ansichten und Optionen über­ein­stimmt, kraft deren auch theologi­sche Prä-
ferenzen abgelehnt werden kön­nen, bei Scotus, dann aber auch die­sem gegenüber noch einmal
von Ockham –, kann durch­­­aus zu einer Pression ge­führt haben, bei der der Got­­tes­be­zug nicht
mehr konkret und das Ver­­­ständnis von der divina essentia nicht mehr ge­gen­standsähnlich
blieben. Dass über Gott mehr indi­rekt ge­spro­chen wur­de, mochte nach den scholastischen
Bedingungen durchaus zum Vor­­teil ge­rei­chen. Auch so hat Ban­nach hier recht. Durandus sieht
einen Gegensatz von potentia divina absolu­ta und po­ten­tia ordinata. (III Sent. d. 2 q. 1, f. 242
H.): „Utrum persona divina possit assumere natu­ram irrationa­lem.“ f. 243 C: „Di­­cendum est
ergo ali­ter ad quaestionem. Primo quod Deus de po­tentia ab­soluta naturam ir­rati­o­n­a­lem potuit
assumere. Secundo quod de potentia ordinata hoc non de­cuit.“ Ockham definiert Konsistenz
über die di­s­tinctio realis. Das gilt auch bei der reductio ad absurdum und somit über sie hin-
aus: Wo eine re­duc­tio ad absur­dum auf­tritt, stößt sie sich an der distinctio realis. (Durandus zit.
nach F. Hoff­mann, 1941 p. 107 Anm. 34 u.)
39. Ord. Prol. q. 9 OT I p. 249 lin. 1 – p. 250 lin. 3.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 225

passiones alias pro­pri­­e­tates:40 „subiectum est il­lud de quo con­­­si­de­rantur passiones et


proprie­ta­tes.“ Der Beweis benutzt die ‘ratio subiecti’ die kei­­­­nem Element zukommt
als dem subiec­tum. Es fällt in die ratio subiecti, dass es subiec­tum con­­clu­si­­onis sein
kann:41 „de ratio­ne sub­iecti est quod sit subiectum conclusio­nis“. Es ist das al­so nicht
ausgeschlossen. Alle wei­te­ren realen extramentalen Bezüge werden ausge­schlos­­­sen;
sie werden nicht einmal virtualiter angenommen:42 „Praeterea, illa est prima ratio
sub­­­iecti qua po­sita, omni alio circumscripto, ali­quid potest esse subiectum, et qua
non po­sita, quo­cum­que alio posito, non potest esse subiec­tum. Sed hoc solo posito
quod aliquid sit sub­iec­­tum con­­­clu­si­onis scitae sci­en­tia pro­prie dicta vel conclusio-
num, omni alio circumscrip­to, – pu­ta quod non contineat vir­tualiter, et sic de aliis
condicionibus –, vere erit subiectum sci­en­ti­ae, quia ista sci­en­tia vere ha­be­bit aliquod
subiec­tum. Et certum est quod nullum potest dari ni­si subiectum con­­clusionis. Si­­
militer, quacumque alia condicione posita, si non sit subiectum in conclusio­ne, non
potest es­­se subiectum in sci­en­tia.“ Die ratio subiecti wird nur pauschal mit dem sub­
iec­tum ‘iden­tisch’ ge­­setzt:43 „dico quod ratio sub­­iec­ti vel est ipsum sub­iec­­tum con­clu­
si­o­nis, et tunc ratio subiecti et subiectum sunt sim­­pli­ci­­ter idem, vel est pars sub­iec­­ti.
Hoc patet quia im­pos­si­bi­le est ha­bere scientiam ig­no­rata rati­o­ne sub­iecti. Sed scientia
pot­est ha­­beri igno­to illo quod non est aliquod complexum in de­mon­­stra­tione, nec
terminus, nec pars ter­­­mini illi­us de­monstrationis.“ Wir verbleiben mithin innerhalb
des Syllogismus. Mit einem actus darin (ac­tus in­­­­com­­ple­xus oder complexus) muß die
ratio sub­­­­­iec­ti zusammen­fal­len: „Er­go opor­­tet quod ratio sub­­­­­iec­ti vel sit complexum
ali­quod, vel in­com­plexum, vel pars in­com­plexi. /§ Et non pot­­­­est es­se com­plexum, nec
medium, nec prae­di­­ca­­tum ergo est sub­iectum vel pars sub­iec­ti. §/“ Al­so muss alles
zum subiectum gesagt sein und faktisch gel­ten. Nach Ockham er­folgt das Be­wei­sen
syl­logistisch. Ockham beweist aber so auch noch ein­mal in­duk­tiv, dass sein Ver­­fah­ren
nicht aussagenlogisch ana­lytisch sein kann.44 Hier ist erkenn­bar, dass in­ner­halb der

40. Ib. p. 249 lin. 1f.


41. Ib. p. 249 lin. 3f.
42. Ib. p. 249 lin. 5–14.
43. Ib. p. 249 lin. 15–23.
44. Dass analytisches Deduzieren philosophisch indefinit ist, spricht gegen Duns Scotus. cf.
Anm. 79 u. Bei Ock­ham erschei­nen alle technischen Begriffe, auch die erkenntnis­the­o­reti­schen
wie notitia intuitiva, noti­tia ab­­strac­ti­va, habitus, zunächst als natürlich einsehbare und werden
unter Hinweis auf die Erfahrung ‘be­grün­det’. Nach Reichweite und Funktion erscheinen sie
jedoch wie künstlich gewählt. Für Ockham war ihre De­finition er­­klär­ter­ma­ßen ‘ad li­bi­tum’. Sie
werden nicht für einen analytischen Gebrauch definiert. Analytisch wer­den ‘Be­grif­fe’ im fort-
gesetzten Gebrauch „‘be­grün­det’“, naheliegend im deduk­tiven. (Viel­leicht sind es da­mit auch
nicht Be­grif­­fe.) Sie bleiben aber da­mit praktisch widerleg­bar. Ockham kann Duns Sco­­tus wi­­­der­­
le­­gen. Sofern die Wi­­­­der­­legung statt­hat, muss für sie bis­her ein lo­­gisch gebunde­ner Ge­brauch
un­terstellt werden. Die­ser ist damit noch nicht bewiesen. (Inso­fern kann Ockham den Gebrauch
angreifen, sofern er nur in einer The­se oder Mei­nung auf­­tritt.) Wird er durch die Widerlegung
226 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ar­gu­men­­­tation der Bezug auf die Realität nicht mehr bis zur förmlich bezeich­ne­­ten
res extra ani­mam geht, sondern bloß bis zum actus mentalis oder apprehensivus.
Nach dem Verhältnis von Glauben (fides) und Wissen (scientia oder auch cogni-
tio) bei und für Ockham ist oft gefragt worden. Hägglund45 zitiert46 Ockham47 „isto
modo cognitio su­­pernaturalis est necessaria nobis preter fidem“. Wird eine cognitio
superna­tu­ra­lis angenom­men, deren Inhalte dem Glauben nicht zu­gänglich wären,
bzw. im Glauben zu­nächst nicht be­kräftigt werden könnten, so wäre die fi­des funk-
tionslos, wenn diese cognito super­na­tura­lis ei­nen Schluss auf dann von uns anzu­neh­
men­de Aussagen erlauben soll. Ockham hat­­­te die­se Kon­­­­struktion verworfen. Hägg-
lund sagt aber: „Der Occamismus zeigt im großen und gan­zen ei­­nen ungebrochenen
Glauben an die Vernünf­tigkeit der Theologie.“48 Welcher Theo­logie? Der­jenigen, die
dann mit den ra­tionalen Mitteln Ockhams selbst erst erstellt wur­­­­de? Wie weit hat
Ockham die ihm denk­ba­ren Prospekte wirklich ganz und gar ausgezogen? War es
sein In­te­resse oder begrenzte sich dies auf einen Teil der Aspekte, etwa den Sinn und
die Sinn­fest­le­gung der Sätze, die damit als kontingente etwa nur bedingt erschließbar
sein kön­nen, weil die Methode der Schlussfolgerung oder der Gebrauch der Implika-
tion nicht gestattet werden oder als trugschlüssig klassifiziert und charakterisiert wer-
den, so etwa wenn man mit Duns Scotus aus der Tatsache, dass Widersprüche nicht
gefunden wurde, auf die Rationalität und Bewie­sen­­heit der Glaubenssätze schließen
will? Welche Rationalität kann dann der kon­tingente Satz beanspruchen, etwa der
Satz ‘Deus est omnipotens’, der allenfalls modal charak­te­­ri­siert und er­weitert werden
kann? Was wird aus der Er­klä­rung der Glaubenswahrheiten durch die Ver­nunft, wenn
die fides nicht alle Inhalte umfasst? Solche Erklärung wird von Ockham weder di­rekt
noch à la longue sehr in Betracht gezogen. Die re­gulative Funk­ti­on und Kraft der fides
gibt es für Ockham gar nicht; bei Abweichungen der Vernunft oder Wis­­­­sen­schaft von

auf­ge­­ho­ben, muss der Be­­griff, wenn sein Ge­brauch mit sei­ner Kor­­­­rek­tur de­­fi­ni­tiv gesichert
er­schei­­nen soll, ohne ana­­ly­ti­sche Definition konsistent er­schei­nen. Der funk­ti­onale Ge­­brauch
wird durch Opposi­ti­o­nen fixiert. Das ist eine allgemeine wissen­schaft­liche Met­ho­de. Sie findet
sich al­so bei Ockham. Nach sol­cher ‘De­fi­­ni­tion’ müs­­sen sie ein Gebiet all­gemein überdecken
und wesentlich aus­schö­­pfen kön­nen. Das Verfa­hren der Ermittlung wird nicht mehr strikt lo-
gisch heißen müssen.
45. B. Hägglund, 1955. Dieses Buch stellt keine Untersuchung zur Struktur Ockhamscher Argu­
men­ta­ti­o­nen, The­sen und Pro­blemlösungen dar. Ockham, Peter von Ailly, Holkot und Ga­bri­
el Biel werden unbe­stimmt zum ei­nen Ge­samt­­­phä­­no­men ‘Nominalismus’ zusammengezogen.
Mehr als par­ti­el­le beiläufige Über­ein­stim­mun­­gen erge­ben sich nicht. In extenso gibt es da keine
Verifikati­on. Die grundlegen­den Urteile des Autors mit unsri­gen über­lappen sich, decken sich
aber nicht ganz.
46. Ibid. p. 40.
47. Sent. Qu. 7 Prologi – bei Hägglund zitiert nach R. de Guel­luy, 1947 (da p. 242f.).
48. Ib. p. 42.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 227

ihr wird ihr eine hypothetische Geltung zugestanden oder belassen.49 Wo die sacra

49. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 7 lin. 12–15: „aliquae veritates naturaliter notae seu cognoscibiles
sunt theologicae, si­cut quod De­us est, Deus est sa­pi­ens, bonus etc., cum sint necessariae ad
sa­lu­tem; aliquae autem sunt supranatu­ra­liter cog­noscibiles, sicut: De­us est trinus, incarnatus
et huiusmodi.“ Es ist daraus zu fol­gern, dass die so­ge­nann­ten Glau­­bens­wahrheiten für Ock-
ham nicht den­selben natürlichen Rang haben wie die vermöge der na­türlichen Ver­­nunft ein­­­seh­
ba­­ren Wahr­­­heiten, die die Ver­nunft auch erst erschließt. Dabei gilt eben gleich­sam kon­klusiv
auch (ib. p. 11 lin. 2–5): „eadem veritas pot­est per­tinere ad aliquam scientiam proprie dic­tam
et aliquam sci­en­­ti­am large dictam pro firma ad­hae­sione, cuiusmodi est the­­ologia pro ma­xi­
ma sui parte.“ Zu den theolo­gi­schen Er­­kenntnissen, die die Ver­nunft eru­iert, ge­hört, was das
Verhältnis Gottes zum Menschen dar­stellt, z. B. Rep. II, q. 15 OT V p. 260 lin. 20–22 „Deus
autem nul­li te­ne­tur nec ob­li­ga­tur tamquam de­bitor, et ideo non pot­est fa­ce­re quod non de­
bet facere nec pot­­est non facere quod debet fa­ce­re.“ (s. Kap. 3 Anm. 99) Die Dimension der
Verge­wis­se­rung, die später im Mittel­al­ter und dann mit Lu­ther und in der Gegenreformation
innerlich und seelisch wichtig ge­­­wor­­den ist, bleibt hier dem Ver­stande, sc. der cog­nitio in se,
vorbehalten, wobei denn auch hinzu­ge­setzt wer­den muss, dass in facto eine emo­­­tionale Ba­sis
für die Vor­be­rei­tung der rein rationalen Er­kenntnis ockhamistisch nicht gegeben sein kann: die
Begrif­fe wer­den nicht so emotio­nal oder sinnlich präkonzipiert wie sie dann theo­lo­gisch und
rational zu gelten haben. Folg­lich gel­ten sie nicht für diese tiefere Ebe­ne. Die Verge­wis­­se­rung
muss dem Ver­stande zu­kom­­­­men. Nach G. Leff, 1957 trennt Ockham zwischen Glauben und
Verstand, Über­na­tür­li­chem und Na­­tür­li­chem. Aber vermöge der Ab­straktion wird diese Unter-
scheidung problematisch. Und ei­nen frei­­­en, nicht kon­struk­tiv und struk­­­turell er­fass­ten Inhalt,
be­­züg­lich dessen die Klassifikation gelten könnte, gibt es nicht. Ihn zu suchen wäre auch sinn­
los, an sich und bezüglich der Scho­las­tik nochmals. Also schlecht­hin über­haupt sinnlos. Dabei
sind womöglich die For­men von Aussagen, die Erkenntnis tragen oder besagen müs­sen, von
Ockham schwan­­kend und unsi­cher klas­si­fiziert worden, etwa Elementarium Logicae lb. VII c. 6
OP VIII p. 194 lin. 52–55: „Ex istis patet quod idem syl­logismus pot­est es­se uni demon­stra­­tio
et alteri etiam habenti et for­man­ti ipsum potest esse non demonstratio. Quia illi qui per prae­­­
missas eviden­ter notas ac­quirit notitiam evi­­­den­­tem con­clu­si­o­nis, erit demonstratio, qui si­bi erit
‘syllogis­mus faciens scire’.“ Der Aus­druck ‘syl­lo­gis­mus fa­ci­ens scire’ be­zeich­net in­ten­­sional die
Eigenschaft des Syllo­gis­­mus, wenn er intel­lek­tiv ist, i.e. erkennen(d) macht. Dass der Verstand
des Menschen die res sin­gu­la­ris er­kennt, beweist Ockham durch ei­­­­­nen Induktions­schluß (Ord.
d. 3 q. 5 OT II p. 474 lin. 13–18): „Praeterea, in po­ten­tiis or­dina­tis in quod­cumque obiec­tum pot­
est po­ten­tia in­­fe­rior, in idem pot­est, et sub ea­dem ratione po­ten­­tia superi­or. Patet de in­­­tellectu
et voluntate et de po­ten­tiis sensiti­vis inte­ri­oribus et ex­­te­r­i­o­ri­bus. Igitur in om­­­ne ob­iec­­tum in
quod potest sen­­sus, intellectus potest in illud idem; sed sen­sus potest pri­mo in singulare, igitur
et in­tel­­lec­­tus.“ Der sen­­­sus steht den Objekten näher und vermag ‘(et­was) über sie’. Es gibt kei-
nen Einwand da­ge­gen, dass der in­tel­lec­tus es nicht eben­­­­so vermöchte. Die­sel­be „ra­tio“, un­ter
der der in­tel­lectus die res singu­la­ris er­kennt und be­züg­lich deren er sie erfasst, ist be­reits ver­
möge des sensus ne­ga­tiv be­stimmt: wir wissen nicht wie in se der Gegen­stand ex­tra ani­mam
darin er­fasst wird. In dersel­ben Wei­se werden offenbar in­tel­lectus und vo­luntas ge­­schie­den
bzw. ‘unter­schie­­den’. Der Wille ist die untere, in sich be­züg­­lich des Gegenstandes oder Zieles
dunk­le­­­re Kraft. Die Vermö­gen werden geordnet ge­nannt, indem sie auf­ein­­­ander auf­bau­en oder
vice versa einan­der nicht stören, i.e. vom Ge­gen­stand her ge­dacht „eadem ratione“ fun­­gie­ren
oder operieren. Das „sub ea­dem ra­ti­o­ne“ im­plan­­tiert sich in die Abstraktion, welche es ja nicht
228 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

scriptura oder die kirchliche Auslegung gegen die Vernunft stehen, diese also dieser­
art nichts vermag und da­­mit auch nicht zum Tragen kommen soll, entscheiden sie
und erge­ben wenigstens, dass die Glaubenssätze positiv verstanden werden oder auch
Fideismus. Bei­des ist denn Ockham auch vorgeworfen worden.50
Zum Artikel 105 der gegen Ockham gerichteten Irrtumsliste aus der Hand des
John Lutte­rell bemerkt F. Hoffmann:51 „Das nächste Argument geht vom Willen des
Geschöp­fes aus und ist wohl darum in ei­gent­licher Weise gegen Ockham gerichtet,
der ja an anderer Stelle das We­sen von Ver­dienst und Nichtverdienst in den Willen
des Menschen legt. Ist nun dieser Wille nach dem Willen Gottes ausgerichtet, so kann
ihn Gott nicht verdammen, weil er sonst dassel­be annähme und verdammte. Ist aber
der Wille eines Men­schen gegen den Willen Got­tes ge­rich­tet, dann würde Gott ja in
dem Menschen, ja in dem Men­­­schenwillen, selbst den Grund der Verdammung, d. i.
der Sünde finden. Darum ist entwe­der im Menschen die Sünde, so dass ihn Gott ver-
dammt, oder Gott kann ihn nicht verdam­men.“ Ockham fragt aber nicht nach dem
Wesen des meritum oder des Willens, was wenig Sinn macht. Er fragt nach der Funk­­­
tion des Willens, nach welcher dieser zureichend in Bezug auf von ihm zu be­wirkende
Ef­­fekte er­schei­­­­nen – können – soll. Es wird also gefragt oder ent­schie­­den, wie und ob
der Wil­l­­e eine ratio sufficiens ad aliquem effectum, die gratia, die gloria etc. bedeuten
kön­ne. Ein einfacher Widerspruch ist dann auch nicht von einer ‘mehr grundle­gen­
den’ Bedeutung als ein sol­cher Be­scheid. Natürlich haben Theologie und Philo­sophie

auf­hebt, son­dern steu­ert: die Gleichheit der Be­­din­gun­gen, i.e. de­ren Unwan­del­barkeit, sichert
erst die Ab­strak­tion, wel­che sich über gleich­blei­­benden und in sich un­be­­stimm­­­­­ten Grundlagen
er­hebt. Im­­­mer gilt bezüglich der unte­ren Ver­­­­­mögensart in Bezug auf ein Objekt, was Ockham
schon zur Bil­dung der Universalien sagt, die ja auch ab­­stra­hiert in ment­e existieren (Ord. d. 2
q. 7 OT II p. 261 lin. 13–20): „dico quod natura oc­cul­te operatur in uni­ver­sa­libus, non quod
producat ipsa uni­versalia ex­tra ani­mam tam­quam aliqua re­a­lia, sed quia produ­cen­do cogni­ti­­o­
nem suam in ani­­ma, quasi occulte – saltem /§ im­me­di­a­te vel §/ medi­a­te – pro­du­­­cit illa univer-
salia, illo mo­do quo na­ta sunt pro­du­ci. Et ideo omnis communitas isto mo­­do est na­­­turalis, et
a singula­ri­ta­te proce­dit, nec oportet illud quod isto mo­do fit a natu­ra, esse extra ani­­mam, sed
potest esse in ani­ma.“ Es macht dann we­­­­nig Sinn, die Mo­ti­va­­­­tion Ockham für seine Behaup-
tungen und Erörterungen erst noch ein­mal in der im Grun­de dabei kollek­ti­ven sogenannten
epochentypischen Psyche zu su­chen, der sie sich ge­ra­de entfernten.
50. So von Gilson. Er wirft Ockham damit mangelnde rationale Durchdringung vor. Andere,
wie F. Hoffmann, 1941 und K. Michalski, 1969 halten ihm vor, an den Grundlagen der mensch­­
lichen Ver­nunft, den ontologi­schen wie den logi­schen, die das Dogma zu erläutern gemacht
seien, nicht fest­gehalten zu haben. Ockham struk­tu­riert die als menschliche von ihm heraus-
gehobenen Ver­nunftmittel. Das sind grundsätzlich Begriff, kon­tin­genter Satz, die in der noti-
tia intuitiva und der notitia abstractiva erfassten Vernunftfähigkeiten. Beim ordo sa­lu­tis greift
Ock­ham dann entschiedener ein. Er reduziert über ‘rationes sufficientes’. Die Gliederung der
In­hal­te nach sub­stantia und accidens gilt auch für die Psychologie und hiernach für Erläute-
rungen zum ordo salu­tis, das Ver­hältnis von ani­ma und peccatum, meritum etc.
51. F. Hoffmann, 1941 p. 124 (unter Verweis auf p. 132ff ebd.).
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 229

im­mer mit Rationalis­men gear­bei­tet, die simpel auf dem ‘begrifflichen’ Widerspruch
beruh­ten. Er kann nicht die Philo­so­phie Ock­hams begründen oder: beschließen, wie
hier immer zu zeigen versucht wird.52
Am Ende ist es fraglich, ob Ockham durch Lehre und Argumentationspraxis das
Christen­tum bewahren konn­te. Wenn man im Bereich der christlich geprägten Kul-
tur im scholasti­schen Be­griffsdenken einen Fortschritt erblicken will, der das Glau-
bensbekenntnis gestützt und es aus der Zone des bloßen Symboldenkens, der Bild-
lichkeit oder Emblemstruktur ins Denken gehoben habe, dann hat Ockham mit der
Zerstörung des Begriffs und dem par­ti­el­len Über­stieg über den Begriff, wie er mit
Abstraktionen sich ergibt, die kompatibel mit dem mensch­­lichen actus apprehensivus
(oder notitia abstractiva53) erscheinen, aber nicht mehr mensch­li­ches Erkennen sen-
su stricto betreffen, christliche Rationalität außer Kraft ge­setzt.54 Er hat den Be­reich
der noch menschlichen Fiktionen zum Bereich verschoben, der gött­licher Wesen­heit
an­gestammt war. Auch damit ist das Erdachte natürlich nicht mehr re­al, ja es ist von

52. Ockham ist anscheinend mit dem Gottesaspekt ratio­nal umgegangen, was wohl gerade hei­
ßen muss: ohne Über-Ich, Ich, Selbst und Es erkennbar oder konfliktträchtig gegeneinan­der in
Stellung zu bringen. Es ist nicht zu erkennen, dass er gegen Gott mit Aggression rea­giert hätte
oder Gott selbst Aggressionen fik­tiv und bildlich (symbolisch) gegen den Men­schen zuschrieb.
Gegen das Papsttum freilich hat Ockham aggressiv reagiert. Ock­ham hat mutmaßlich Gott
aus dem Feld aggressiver Hal­tun­gen herausge­nom­­men. Dass es nur un­echt ge­sche­hen sei, weil
es nur unecht geschehen konnte und könne, ist ad libitum. Ockham hatte die Allmacht argu­
men­­ta­tiv in­te­­griert und dabei neu­tralisiert. Daher ist, in­halt­lich wie tech­nisch, kein An­­lass,
Gott, wie Ockham die Lehr­­ge­hal­­te der Prädestination, der Gna­­­­­­den­lehre usw. fasst, in Verdächte
zu ziehen oder ihn mit H. Blu­men­berg, 1966 angesichts der ge­schicht­­­li­chen Folgezeit wegen
angeblich vorangegangener Selbst­fes­se­lung des denken­den Menschen durch Ockham zu de-
nunzieren und ihn intellektuell abzuwerten. N. Luh­mann, 1972 I p. 197f will im spätmit­tel­alterli­
chen Gebrauch des Om­nipotenz­prin­zips den Vor­lauf auf ei­ne the­o­retisch-wis­­sen­schaft­­­liche
Ver­nunft erkennen, die sich durch die Erfin­dung von Hypo­thesen ei­nen Er­kennt­­nis­frei­raum
schaf­f­e und von vermeintli­chen Realitätsob­li­gatio­nen befreie. Damit wä­re sie von dem ei­
gentlichen Realitätsbezug gleich­sam probeweise entpflichtet ge­we­­sen, um dann leichter zu ihm
zu fin­den. Ock­ham hat solu­ti­­ones oder opinio­nes über men­tale Fakten und Fak­­­to­ren in der
Form der Ab­straktion und mit­tels der Induktion ermittelt, wobei er sich ausdrücklich da­­­­gegen
ver­wahrt, den Bezug auf die Re­­­a­lität von dem in­halt­li­­chen Aus­druck zu tren­nen. Bei Ockham
wird mit dem Ge­brauch des Om­­ni­po­tenz­prin­­­zips Gott we­der durch ei­ne Über­­stei­­gerung seiner
Macht­be­fug­nis contra legem com­mu­nem (i.e. seine Schöp­fung) ge­recht­fer­­tigt noch in­kul­­piert.
Ockham kupiert und lockert mit Hilfe des Om­ni­po­tenz­prin­­­zips als Modus die Verbin­dung
zwischen Ter­mini; er schafft damit keine neuen Sach­be­züge. Luh­­­­mann müss­te a limine eine
Par­al­lelität oder gar Koinzi­denz von Abstraktion und Sachverhaltsfiktion denken.
53. Ockham hat die notitia abstractiva in eine größere Reichweite versetzt als andere Scho­las­­­­
ti­ker. Man sehe et­wa, dass Robert Holkot sie bloß auf die Negativität des aktual bestätigten
Be­funds der non-existentia von Ob­jek­ten in einem Augenblick beziehen will.
54. Die Seele verliert ihre Relevanz, da sie sich anthropologisch auf das Erkenntnisvermögen
nicht mehr stützt und ihm nicht mehr korreliert ist.
230 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ock­ham selbst sogar als ausdrücklich von dem menschlichen Betreff ge­trennt an­
gese­hen worden. Es erscheint nach Kompatibilitäten55 in einem nicht mehr logischen
Sinn.56 Es ist uner­kenn­bar, wie da die kritische oder ra­tionale Auskunft ihrem eige­
nen Werte nach ver­stan­­des­­im­ma­nent oder auch weltimmanent bleiben soll. Abai­lard­s
‘Intel­ligo ut cre­dam’ wird funk­­ti­ons­los, An­sel­ms ‘Cre­do ut in­telligam’ verliert seine
Folgemä­ßig­keit. Die the­o­­­logische Qua­­­­­lität von Vernunft­kritik erscheint als nicht
mehr faktisch in der Welt gel­tend an­ge­­setzt.57
Ockhams Ausführungen enthalten oder bedeuten Korrekturen oder Einschrän-
kungen selbst des Dogmas. Der Mensch wirkt zwar noch einmal am Dogma mit, wie
er es in Patristik und Scho­lastik zwei­fellos mit Erklärungen schon getan hatte. Aber
die Art, wie es hier von Ock­ham geschieht, definiert die Vernunft (oder die ratio) nach
Formen, die, wenn sie Stan­dards sein sollen, nicht mehr bloß inhaltlich bestimm-
te Entscheidungen mit allenfalls im­ma­­nenten for­malen Prinzipien sind. Es gibt eine
Formalität, die den Inhalt (Intensionen) wiedergibt, sie aber von der extensional ge-
fassten Realität trennt. Man könnte sa­gen: kategorial trennt. Aber dann hat man keine
Definition(en) für dies Kategoriale. Indessen hat man kasual differenzier­te Kriterien
für die Anerkenntnis von Sätzen, Reichweite und Bestimmung von Akten usw.
Ockham gibt auf die Frage:58 „Utrum creatio actio qua Deus denominatur for-
maliter creans dif­­ferat ex natura rei a cre­atore?“ die Antwort: Qua Po­tenz bleibt die
creatio bei Gott:59 „cre­a­tio ac­tio non dicit respectum rationis, nec respectum re­a­lem.“
So gibt es nicht einmal einen be­­­grifflichen Verweis auf etwas anderes als Gott, wenn
von creatio, creans und creare gespro­chen wird. Die begriffliche Bestimmtheit des
Be­griffs ist nicht für eine extensive und ungere­gel­te Verwendung freigegeben:60 „Aut
est dif­­fe­rens re­ali­ter ab essentia aut for­maliter.“ Ei­ne di­stinctio realis zwischen der
divina essentia und der creatio scheidet nach Ockham aus, weil dann creatio als et-
was Eigenes und Neues zur es­sen­tia hin­zuträte, so wie das acci­dens in die essentia
eintreten müsste, wenn man die inhaerentia als ex­tra mentem real inter­pre­tieren woll­
te.61 Die formale Unterscheidung des Begriffe creare und creans von Gott be­zieht sich

55. Kompatibel bedeutet: weder (erweisbar) konsistent noch erweisbar widersprüchlich.


56. Logisch bedeutet nicht notwendig bereits nach einem bestimmten Kanon und unfehlbar.
Bezeichnenderweise verweist A. Tars­ki, Logic, Semantics, Metamathematics, 1956, 1983 Kap. VIII
‘The Concept of Truth in Forma­li­z­ed Languages’ p. 252 auf die mit­tel­al­ter­­­li­chen De­fi­nitionen der
Suppositionsar­ten und unterscheidet sup­­positio materialis und suppositio formalis.
57. In einem abstrakten Sinn gilt sie natürlich weiterhin in der Welt oder, vermittelst des Men­
schen, für sie.
58. Rep. II, q. 1 OT V pp. 3–26.
59. Ib. p. 8 lin. 13f.
60. Ib. p. 9 lin. 1.
61. Ib. lin. 2f. Die essentia würde dadurch „verändert“ werden, weil die relatio als etwas Neues
zu ihr hinzukäme.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 231

da­mit auf einen Satz, in welchem distincte formaliter Modus mo­do compo­si­­to be­
deutet, eine Impli­ka­tion der realitas in se vel in mundo gerade nicht einge­schlos­­­sen
ist.62 Das ‘idem for­ma­liter’ als Modus modo composito von einem Satz prädiziert,
ist eben­falls aus­ge­schlossen:63 „Nec for­maliter, quia sic denominaret De­­­um ab aeter-
no sicut quodcum­que attri­bu­tum et per conse­quens Deus esset creans ab aeter­no,
et sic creatura esset ab aeterno.“ Der Ver­gleich mit em­pi­ri­schen Verhältnisse bleibt
gewahrt:64 „relatio realis nihil aliud po­siti­vum dicit rea­le nisi extrema relata ….“
Ockham gibt als Beispiel, dass es keine Beziehung der Ähn­lich­keit in sich gebe, wel­­
che in ir­gend­einer Weise neben und mit den Dingen, die ähnlich heißen, be­­ste­hen
könnte:65 „Exem­plum: simili­tu­do non dicit aliud nisi duo alba vel significat unam
al­be­dinem connotan­do ali­am … Deus non pot­est facere duo alba nisi sunt similia,
quia similitudo est ipsa duo al­ba.“ Das Akzidenz wird nicht Teil der somit deter­mi­­na­­
ten Sache: es kann ihr nicht realiter hin­zugefügt werden und es fügt ihr nichts realiter
hin­zu. Das erst bedeutet, dass die relatio als reale beste­hen kann. Sie ist oder be­deutet
Modifi­ka­tion ex accidenti. Gott kann nicht kraft sei­ner All­macht eine Ver­bindung
schaffen, welche dann, ne­­ben den Dingen, reali­ter oder essen­ti­a­liter, aber nicht mehr
akzi­den­tell, „in“ den Din­gen wä­re, praktisch die Din­ge hierin selbst aus­mach­te. Entwe­
der ist die relatio die Dinge oder die Dinge selbst sind. ‘Aut essentia aut accidens – ter-
tium non datur.’66 Die ontologische Unterscheidung zwischen essentia und accidens

62. Boehner, 1958 p. 368f stellt fest, Ockham glaube nicht, dass die distinctio formalis et­was
erkläre. Vig­naux be­tont dagegen, dass Ockham sie jedoch nicht ablehne und gibt ihr ei­­­nen
psycho­logischen Wert und eine Stüt­zungsfunktion in der Logik (Ockham, Duns Sco­tus). Die
distinctio formalis ist nicht ka­no­ni­sche Lo­gik. F. Ehrle, 1925 p. 94f sieht Lehrunter­schie­de bei
Duns Scotus und Ockham. Und: „supra infinita deitatis substantia sunt ra­ti­­o­nes variae ex natu-
ra rei for­ma­liter differen­tes.“ Bei Ock­­­­­ham ist die distinctio formalis ein Modus mo­do com­­po­­­si­
to auf Sätze an­wend­bar. Auch die Om­nipo­tenz ge­hört zum Ver­­band der Modi.
63. Ib. lin. 3–6.
64. Ib. lin. 8f.
65. Ib. lin. 10–13.
66. An sich könnten wir natürlich sagen: Das tertium non datur gilt a priori. Nach Brouwer
stellt dieser Satz als Satz a priori ein Paradox hinsichtlich des Terminus a priori dar: Das a priori
ist nicht notwendig a priori. So lässt das tertium non datur auch die Kontingenz zu, in deren
Bereich Ockham u. a. sei­ne induktive Argumentation schöpft. Brouwer war der Ansicht, dass
das tertium non datur anwendbar sei allein, wenn es eine empirische Ve­ri­fikationsmöglichkeit
gäbe, die zuletzt durch eine scharfe Disjunktion bestimmt (fundiert) wäre. Die hät­te man hier
mit der ontologischen Unterscheidung von substantia und accidens, also scheinbar a priori.
Aber Ockham wen­det die beiden für schlechthin disjunkt erklärten ontologischen Begriffe auf
Begriffe an, solche, die sub­iecta (substantia) und accidentia betreffen oder angeben und gele-
gentlich, wenn sie beide per Beweis (Wider­legung) als unanwendbar sich herausstellen, keine
Realität mehr betreffen und keine scharfe Disjunktion mehr be­sagen können, sondern nur ein
falsum oder absurdum. Hier bemüht sich Ockham bei einer propositio, die dem Ty­pus nach
232 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

bleibt ge­wahrt und sie trägt die Abstraktion der Begriffe, auch der relatio, und dar-
über hinaus die Ar­gumentation. Das ter­tium non datur „trägt“ die Empirie – in einer
quasi empirischen Funk­ti­on, welche es „vertritt“; dagegen kann auch die omnipo-
tentia divina nicht einschreiten oder: soll es nicht tun. Wir ha­ben es ja mit einem
intensionalen (auf Inhalte bezüg­lichen) Argu­men­ta­tionsgebaren zu tun: Es fungiert
induktiv. Die re­la­tio rationis dagegen bezieht sich noch auf keinen Zu­sam­men­­hang
der extrema (Deus und creatio):67 „Eodem modo ipsa relatio rationis ni­hil dicit ni­
si ip­sa extre­ma relata praecise.“ Hier(in) wird noch keine ‘Ding­haf­tig­­­keit’ gesetzt; es
wird in der relatio rationis bloß auf den hetero­ge­nen Sprachgebrauch ver­wie­sen, der
dann wie Ockham ausdrücklich gezeigt hat, bedingt, dass mit der Kenntnis (no­ti­tia)
des einen con­cep­tus noch nicht die des anderen ge­geben sei.68
Ockham kann allgemein sagen:69 „Ideo creatio actio nihil dicit vel significat nisi
es­sen­­­ti­am divinam, connotando vel dando in­tel­ligere exsistentiam creaturae.“ Dies
meint eine „(cre­­­­­­a­tu­­ra) quae nullo modo potest esse nisi posita divina es­sentia.“ So ist
natürlich eine em­­­pi­ri­sche Re­ferenz mitgegeben, aber:70 „illud nomen ‘creatio actio’ vel
conceptus significaret divi­nam es­­sentiam connotan­do creaturam sine omni respectu
de mundo.“ Die Konnotation der cre­atura be­­sagt ein­­zig und einfach de­ren Existenz
(Ge­gebenheit), geht aber in keinem Sinne inhaltlich darüber hinaus. Die Frage muss
dem Grad oder Charakter der Abstraktion gelten:71 „Si quae­ras in quo est creatio actio,
dico, sicut supra dictum est de veritate, quod quando est ali­quod no­­­­­men sig­nificans
plura realia, non est quaerendum in quo est illud nomen vel conceptus sic sig­ni­fi­cans.“
Damit ist auch eine realistische Universalienkonzeption als Basis einer Ab­strak­­ti­on
und zwar einer jeden, auch der des terminus creatio pro deo solo abgelehnt worden.72

der propositio immediata nahe kommt (‘Deus est omnipotens’ ist eine!) mittels der ontologi­
schen Be­grif­fe eine Entleerung von empirischem Sinn zu erreichen. Das führt zu einem nicht
ganz echten Satz der natür­lichen The­ologie. Zum Satzinhalt kommen wir potentiell nur durch
den Glauben, aber evtl. nicht zwingend. Der infide­lis kann manches, was wir nur durch den
Glauben kennen mögen, zumal wenn es nicht bewiesen werden kann, aus dem Gegenstand
zugeneigter Bemühung doch kennen oder glauben.
67. Ib. lin. 13f.
68. Zur Analyse der distinctio ratione s. im Kapitel u. Mit der distinctio ratione wird abstrakt
(‘zeitlich’ vorgreifend) aus der Negation einer ‘unbegründbaren’ Folgerung induziert. Wir ge-
hen vom Besitz der termini aus.
69. Ib. lin. 16–18.
70. Ib. lin. 20–22.
71. Ib. p. 9 lin. 23 – p. 10 lin. 2.
72. Es gilt also auch nicht was G. Ritter, 1921 für die notwendige metaphysische Basis der uni­
ver­salia in rebus festgestellt (postu­liert) hatte, nämlich dass die Abstraktion hier ein gemein-
sames onto­logisches Fundament vor­­aussetze. Man könnte dann einzig ein­wen­den, dass eine
Abstraktion hier nicht den cre­a­turae ge­gol­ten habe, son­dern dem Begriff creatio. Dann gilt
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 233

Da­mit noch einmal prinzipiell und zusammenfassend die Frage:73 „Sed quaerendum
est quod de­no­­mi­na­tur ab illo. Et dico quod divina essentia principaliter et creatura
secundario et connota­ti­ve, ita quod hoc nomen duo significat quantum ad significa-
tum totale, licet unum principaliter et aliud connotative sine omni respectu medio
rei vel rationis. Et ista via vitat multa incon­ve­ni­­en­tia quae oportet ponere secundum
ponentes relationes distinctas a fundamentis.“ Creatio be­deu­tet also die creatura ver­
mit­telst einer Hauptbedeutung in Gott (significatum prin­cipale), aber nicht direkt
und in se nach einer da­­rin gele­ge­nen Eigenschaft oder einem fun­damentum, bzw. der
Ähnlichkeitsrela­ti­on unter ‘ver­glichenen’ Gegenständen, realia, singularia. Es geht um
einen determinaten Begriff ‘crea­tio’, mehr noch de­terminaten Satz, der allein Gott be-
trifft. Der Satz hat also förmlich ei­nen ei­ge­nen, i.e. nicht aus den Be­griffen ableitbaren
Sinn. Der wird derart significatum totale oder complexum signi­fi­ca­bile genannt.74
Alles was inhaltlich determinat dann mit dem Verhältnis Gottes zum Menschen
oder zur cre­a­tu­­ra zusammenhängt und damit überhaupt nur dem begrifflichen Ver-
ständnis entsprechen und in ein solches eingehen kann, zugleich aber von Seiten der
Empirie legitimierbar, d. h. un­­­­­­­­­an­fecht­bar bleibt, also nicht auf einen Widerspruch
stoßen kann und somit den Begriffen de­finit entspricht, wird im Sinne von forma
festgestellt werden müssen. Sie ist dann gegen den Wi­der­­spruch abgesichert. So mus-
ste Ockham sich wohl fragen, ob die Tätigkeit Gottes, wenn er hervorbringt, denn
auch eine praktische (oder praxis) heißen könne oder müsse. Es ist zwar ge­­­wiss, i.e.
es kann vorausgesetzt werden, dass Gott dabei erkenne, also no­titiae ha­be, ebenso
auch, dass er seinen Willen einsetzen muss, um wirken oder schaffen zu können, was
heißt, tä­­tig werde, nachdem er es zuvor nicht war, bzw. ja dasjenige, was er erkannt
habe, als damit schaffensmöglich, auch erst zu wollen habe; aber die genaue Vorstel-
lung dieser Tä­tigkeit im ma­te­riellen Sinn und von der Seite des Pro­duzierten her ist
damit natürlich noch nicht um­ris­sen. Das ist aber un­­er­lässlich; denn sonst wäre ja die
Bestimmtheit des Produzier­ten selbst im Sinne des gött­lichen Verstandes oder Will­
ens gar nicht gegeben. Das Produzierte wäre nicht definit gedacht. So sagt Ockham:75

un­ser Ein­­wand gegen Ritter im­mer noch gegen dessen Auf­fas­sung vom Fun­dament der uni-
versalia in einer au­­­­ßer­men­­talen Realität welcher Art immer, und die Abstraktion selbst, die des
Wor­tes crea­tio nämlich, wür­de erwie­se­­ner­maßen keine realia in se und kein universale extra
men­tem erfor­dern, sondern wie­derum als Abstraktion da­von ab­sehen. Zugleich würde sie auf
ihrer Stufe aber realia und sin­gularia förmlich über­­steigen. In dem Sinn nur be­trifft sie Gott
unbedingt.
73. Ib. lin. 2–8.
74. Ockham gebraucht den Terminus öfter, z. B. bezüglich der mensu­ra­tio tempo­ris, die letzt-
lich von der Be­we­­gung der Fixsterne abhängt, aber zu einem Mischbe­griff tempus führt. Des-
sen Sinn wird als comple­xum sig­ni­fi­cabile bezeichnet. Der Terminus wird zen­­­­tral bei Gregor
von Rimini und dessen Schü­lern, z. B. Mar­si­lius von Inghen, und verall­ge­mei­nert zur Satzbe-
deutung (bei einem jeden Satz gleich welchen Typs). Cf. H. Élie, 1937.
75. Ord. d. 35 q. 6 OT IV p. 512 lin. 15 – p. 513 lin. 2.
234 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

„quod notitia divina respectu factibilium ab eo est prac­ti­ca. Quia quan­­­­­tumcumque


volitio divina, quae est ipse deus realiter secundum om­nes, – et ut cre­do non plus
distinguitur a divina essentia quam deitas a deitate –, non sit vere praxis, quia non
est actus in potestate voluntatis, tamen in potestate voluntatis divinae est pro­du­cere
crea­tu­ram contin­gen­ter, et omnia alia facere circa creaturas est in potestate volunta­tis
di­vinae. Id­eo is­­ta productio potest aliquo modo dici praxis, quia scilicet contingenter
est a voluntate di­vi­na et per conse­quens no­titia sibi correspondens vere practica dici
potest.“ Auch die Er­kennt­nis (notitia) kann hier, weil einem actus oder der praxis
entsprechend, practica heißen.
Nicht anders war ja auch die theologia von Ockham – in Auseinandersetzung
mit Duns Sco­­­­­­­tus und ihm mit diesem Sta­tement zustimmend – nicht bloß als scien-
tia speculativa be­trach­­tet wor­­­den, sondern wenn es um Handlungen des Menschen
ging als scientia practica.76 Der ac­tus selbst ist, wie oben deut­lich wird, nicht Teil der
essentia divina. Mit dem actus selbst tre­ten wir formell oder ma­te­riell natürlich aus
der Zone der essentia divina heraus, au­ßer­halb de­ren er sich zu ma­ni­fes­tieren hat. Er
gehört der materiellen, kontingenten und ge­schaf­fenen Welt an, in Be­zug auf die, wie
oben ausgeführt, sich alles, was von Gott gesagt wird, zu legi­timie­ren hat. Es muss
dann na­tür­lich ebenso faktisch (oder determinat) von Gott allein gelten, ohne dass
damit die Be­grif­fe generell deformiert sein dürfen. Erst die Struk­tur, die für Gott, per
ar­gu­mentum her- und festgestellt wird, ist dann unteilbar, aber eben auch (auf die
Welt) bezieh­bar. Zwischen Gott und Welt kann dann aber keine logische Folgemä­ßig­­­
keit per conse­quenti­am (oder mate­ri­el­ler oder sonstiger logischer Implikation) mehr
ange­nom­men werden. Die Ar­gumentation neigt sich zur Abstraktion und berück-
sichtigt damit ei­nen gewissen Schnitt zwischen Gott und Welt und stellt ihn her: was
Gott intensional (in­halt­­­lich) und struk­turell zu­ge­hört, ver­bleibt bei diesem und wird
nicht mit der Welt geteilt. Der Begriff, wenn er auch der Welt an­gehört, wie ja für
voluntas und eventuell producere evi­dent ist, könnte lo­gisch und empirisch illegitim
werden; er wird nicht mehr secundum legem com­mu­nem legiti­miert. Hier ist er ge­ge­
ben. Dabei sagt Ockham in nicht unerheblichem Ma­­ße, dass sowohl die no­­titia intui-
tiva, kraft deren der Begriff erhoben wird, als auch der Be­griff (als uni­ver­sale) bei ihrer
Genese aus der empirischen oder Gegenstandswelt nicht ver­folgt werden kön­nen.77
Hier wissen wir nichts. Der Bildungsvorgang des Begriffs (die ‘via ex obiecto per sen-
sum ad in­tellec­tum’) ist Ockham zufolge zunächst unverfolgbar (dunkel), die noti­ti­ae
(in­tu­­i­­­ti­­va und ab­strac­tiva) werden durch intensionale Abstrak­ti­ons- und Definiti­ons­
akte ge­klärt und ab­ge­grenzt, und schließlich über Kompatibilitäten und per­­su­a­si­ones

76. Die Feststellung erfolgt von seiten Ockham im Tone eines ‘ad libitum’. Da­rin kann man den
Hin­weis er­blic­ken, dass Ockhams Interesse eher bei den Struktu­ren liege, die mit seinen Lösun-
gen vermit­telst der Ab­strak­­tion, der Induktion, der persuasio, alle die­se erge­bend, gewonnen
werden. In Summa: per Argumentation.
77. Der Begriff ist dann schließlich vorhanden. Es macht daher wenig Sinn, wie J. Pinborg,
1972, das Denken Ock­ham über den kontin­gen­ten Satz unter Zuhilfenahme einer angeblich
ana­logen Auffassung in Chom­s­­­kys TG erklären zu wollen.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 235

wei­tergeführt.78 So ‘wis­sen’ wir denn schließlich auch noch welche Erkenntnis­se der
be­a­tus (in patria) vermöge der notitia in­tuitiva oder notitia abstractiva haben mag,
die dem via­tor (pro statu isto) ver­schlos­­­sen sind.
Was wir mit dem Satz, der Gott, die divina essentia, betrifft in der Sache für in
sich notwen­dig halten, kann niemals im Sinne einer Implikation mit etwas verbunden
sein, was de facto, als obiectum oder mit dem conceptus, der ihm zukommt, nur für
kontingent zu hal­ten wäre. Es gibt analog natürlich auch keine Verbindung zwischen
einem Begriff, der ei­nem oder dem Notwendigen, generell der Sphäre der Notwen-
digkeit zuzuteilen wäre, mit ei­nem an­deren Be­griff, etwa eigenschaftlicher Natur, der
bloß kontingent erfüllt werden kann.79 In­dem es einen sol­chen Satz nicht gibt, gibt
es auch keinen anderen, der das Verhältnis des Not­wendigen zum Kontingenten ver-
mittelst eines hier vermittelnden Begriffs, der eine propri­etas des Notwendi­gen dar-
stellt (creator, voluntas), im Sinne der Realität (= realen Erfüllung) be­deu­ten könnte.
So kommt es zu den modalen (modallogischen) Sätzen, die ‘distinctio for­ma­lis’ als
Modus, mo­­­­­­do composito, des Satzes verwenden. Realität und Implikation können
nicht – wechselsei­tig – aufeinander bezogen werden. Ein solcher modallogischer
Satz, bei dem der modus modo com­posito appliziert sein soll, ist dann abstrakt der

78. Dabei gehört die erkenntnistheoretische Klärung mittels der Begriffe notitia intuitiva und
no­ti­tia abstractiva in den Sentenzenkommentar. Die SL eröffnet über einen Zeichenbegriff, der
‘außerhalb’ des im SK für den mensch­lichen Be­griff ge­dachten Begriffs des conceptus steht, der
neben dem all­gemeineren terminus gesetzt wird. Der Fol­­gerungsbegriff wird gleichbleibend
reduktiv verwandt.
79. Nach dem Satz von Löwenheim und Skolem ist die mathematische Aussagenlogik auf philo­
sophische, i.e. nicht mathematisierte Inhalte, nicht anzuwenden. Ferner ist zu be­mer­ken, dass
bei Scotus oft zu­sätz­lich Abstrak­ti­onen eintreten und einge­schleust wer­den, für wel­che und
implizit mit welchen der ontologische Gehalt (z. B. nach ei­nem über­nom­me­nen aristo­telischen
Prinzip) dann von der allgemeinen und eben auch an­schau­­lichen em­pi­­ri­schen Basis für einen
speziellen Gegenstand oder Bereich (et­wa Gott) durch eine spezielle Ein­­wen­dung ex­preß ab-
getrennt wird. Es werden förmliche empirische oder kontingente All­ge­mein­heit und spe­zi­elle
Abtrennung gleichzeitig intendiert, also Ab­strak­tion nachge­reicht und sekundär vollzogen.
Ockham, der die Be­griffe und die Aussa­gen mit dem Inhalt gleich­setzt und darüber hinaus
keinen In­halt an­nimmt (cf. so auch Hoff­mann, 1941 p. 41f), hat nicht die zwangsläufige Ver­bin­
dung (Verket­tung) der Begriffe und Aus­­sa­gen mit einer da­raus zu fol­gern­­­den conclusio ange­
nom­men. cf. Ord. Prol. q. 12 OT I p. 361 lin. 25 – p. 362 lin. 6: „habitus principio­rum or­­di­­nan­tur
ali­quo modo ad no­ti­ti­am con­clu­sionum et ta­men propter ta­lem ordinationem non di­ci­tur sci-
entia. Ergo quan­tum­­cum­­­que ali­qua practi­ca or­di­ne­tur ad spe­culati­o­nem, non prop­ter hoc dice-
tur speculativa nec e con­ver­so. Ideo di­co quod or­di­­nari ad aliam notiti­am vel non or­di­nari nihil
facit, sed conside­ran­dum est obiec­tum et tota­le et par­ti­a­le et secundum hoc dicen­da est notitia
speculativa vel practica.“ Die Zu­ord­­nung der prin­cipia (über deren no­­­­titia oder habitus!) ist
also keineswegs die logi­sche und ent­hält keine solche. Bei Duns Scotus wer­den Zuord­nun­gen
zumindest versuchsweise über den lo­gischen Be­weis­­­akt (Be­weis­­­vollzug), dessen ontologische
usw. Vor­­aus­set­zun­­­gen ge­sichert. Das wird bei Ockham suspen­diert. Inclusive der distinctio for-
malis. Cf. Anm. 80.
236 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

unmittelbaren empiri­schen Geltung ent­zo­­gen. Für die ‘Begriffe’ muss die Differenz
zwischen göttlichem Gegenstand und menschli­cher Ge­nesis – dann – nicht gemacht
werden.80
Wo der Modus formaliter bezeichnend für einen Begriff diesem beitritt und da-
mit eine Relati­on essentiell macht, da gibt er eine Implikation an, aber so, dass alle
weiteren Folgerungen und­ eben Wahrheitswerte und Modi ersetzt werden. ‘Forma-
liter modo composito’ bezeichnet den Satz, der de facto nicht in Bezug auf die Em-
pirie, auf die Gültigkeit von Modi und eben die Implikationen (Konsequenzen) hin
ausgelegt werden kann, die weitere Ansichten und Aus­­­­­­­­legungen zu begründen hätten,
welche forderungsweise mit dem so affizierten Begriff (und In­halt) zu vereinbaren
wären und ihn, womöglich dubitationes aussetzen könnten. Solche du­bia schneidet
Ockham damit ab. Formaliter bezeichnet und kappt Schlüsse (consequen­tiae, und
dies damit folgerichtig auch technisch, formal), die nicht gezogen werden können:
in dem Sinne nicht existieren. Formell müssen sie daher falsch sein. Sie können die
Begrif­fe nicht de­fi­­nit enthalten oder gebrauchen. Dass die Schlüsse nicht existieren,
bedeutet, dass sie, wie sie in die Klassen von Schlüssen nicht pas­sen, die Ockham
angibt, in einer falschen Klas­se förm­lich nur als inexistente Schlüsse auf­treten. In-
sofern ist das Gesamtklassement sei­ner Funk­tion nach exklusiv ge­meint. Es schließt
wirklich Schlüsse aus, die mit nicht mehr sig­ni­fi­kan­ten Be­griffen zu arbeiten hätten.
Die Gesamtfunktion (oder Bilanz) ist also analytisch. De­terminatio be­­sagt, dass die
Begriffe nicht – i.e. nicht kon­tin­gent – definierbar seien.81 Das kann natür­lich nach
dem Begriffsverständnis von determinat schon vorausgesetzt wer­den.

80. Ockham setzt die distinctio formalis nicht für Begriffe an, wie sie ununterschieden im Be-
reich der Schö­pfung und der divina essentia gebraucht werden sollen. Rep. II, q. 2 OT V p. 41
lin. 13, „non pono distinctionem for­ma­­­lem in cre­atu­ris.“ Duns Scotus hatte (s)einen „Gebrauch“
der distinctio formalis wie oftmals ontologisch im empiri­schen ‘Be­reich’ be­grün­det, um ihn
dann im Bereich der divina essentia „‘fruchtbar’“ zu machen, ge­nau in dem Sin­­ne, in dem für
die divina essentia noch weitere Relationen anzusetzen wären, wie etwa vo­lun­tas, was be­­deu­­tet,
dass er diese formell auch über die göttliche Entität hinausheben muss oder kann. Ockham hat
Gott in sei­­ner Sei­end­heit als die voluntas bezeichnet oder betrachtet und mit dem absolutum
gleichgesetzt, das Gott für ihn ist, d. h. gegenständlich betrachtet sein muss. Duns Scotus über-
geht so ein regelrechtes legitimierendes und fun­dier­tes Abstraktionsver­fah­­ren. Ockham stützt
Entscheidungen über Satzwertigkeiten da­rauf (Quaest. var. q. 6 art. 3 OT VIII p. 222 lin. 37f):
„creatio dicit cau­sam crean­tem et effectum creatam et connotat negatio­nem im­me­­di­ate prae­ce­­
den­­tem.“ Die Ne­­gation wird auch hier zur Stüt­­ze einer Re­lation: creatio (als actio). Wie stets
be­zeichnet die Ne­ga­ti­on in se significatio unterm Aspekt der Nichtexistenz. Indem die formell
iden­tisch mit der res (oder den res) gesetzt werden kann, ist die Relation als Verfügung einer
Beziehung auf sie hin mög­lich, in die die­se res nicht mehr ein­geht (eingehen), vielmehr wie
akzidentell ausgeschieden (beiseitegesetzt) wur­den. Denn es geht um keine reelle Ein­­sicht im
Sinne der (intensional) gedachten Relation. Sie ist nicht fak­­tisch, son­dern ge­setzt und mit der
Abstraktion abgehoben und gegenüber dem Regelaspekt der Fak­ti­zi­tät neutra­li­siert.
81. Spino­za suchte determinate Begriffe und fasst sie dennoch inhaltlich nach der Empirie, also
kontin­gent und ak­zidentisch. Bei Ockham tritt nicht der akzidentische Inhalt oder Gehalt in
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 237

Es geht Ockham darum, den Begriff der creatio überhaupt zu gewinnen, d. h.
ei­nen deter­mi­na­ten Begriff zu haben:82 „nomen vel conceptus creationis est ad aliud,
non quod sig­nificet ali­­­quem respectum, sed quia ip­sum nomen non importat prae-
cise unum sed cum hoc quod sig­ni­fi­cat unum, connotat aliud. Et inter illa significata
sive importata per illud nomen est dis­tinc­­­tio sicut absolutorum non sicut relativo­
rum.“ Das würde so von allen jenen Begriffen gel­ten, die eben­so ei­ne Relation mei-
nen müssen oder bedingen, die an den oder zwischen den re­la­­ta nicht mehr sicht­bar
sein oder gemacht werden kann:83 „actio non differt a producente quan­­­tum ad su­­­um
sig­­nificatum principale, tamen quantum ad con­notativum bene differt.“ Wenn die­
Struk­tur­ana­lyse Ockhams sinnvoll und richtig ist, gibt es analog die Verbindung zwi-
schen es­sen­ti­ae als Grundlage der Deduktion und eben eine Deduktion, die formell,
zwi­schen dann re­ell ver­stan­­denen essentiae Verbindungen inhaltlicher Natur zöge,
nicht.84 Der de­terminate Haupt­be­griff setzt aber immer eine Implikation (mit), wie
aus Ockhams Stel­lung­nahme hervor­geht, so dass er danach beweisbar sei:85 „potest
aliquis habe­re appellatio­nem relativam ra­tionis sine om­­­ni respectu rationis. Et ideo
om­nia argumenta quae probant quod ibi est relatio rationis quia Deus est guberna-
tor, conserva­tor, creator etcetera alia, con­cedo, quia Deus dici­tur ta­li­bus no­minibus
secundum appellationem re­la­tivam. Et hoc est sic intelligendum quod De­us est de­no­
minabilis ab istis nominibus quae significant prin­ci­paliter Deum et connotant exsis­
ten­­tiam creaturae in effectu vel dant intel­li­gere. Et ideo vocantur ap­pel­latio relativa,
quia non intelligo tantum Deum, sed aliud, puta connotatum. Sed propter hoc non
oportet pone­re ali­quem re­spec­­­­­­tum realem vel rationis. Tamen talis appellatio non po-
test competere sine no­mi­ne signi­fi­can­te unum connotando aliud.“ Wis­senschaft und
Philosophie sind hier nicht mehr an der The­­­­­o­logie orientiert, wenngleich sie keines­
wegs als falsch ausge­schlos­­sen wird.86

die substantia oder die forma ein, was sowohl bei den Analysen der Satzformen und Satzge­hal­
te (etwa in der Demonstrations­leh­re) zutage tritt wie bei den Argumentationsweisen und der
Induktion geradezu zugrunde liegt.
82. Rep. II, q. 1 OT V p. 13 lin. 18–23.
83. Ib. p. 26 lin. 8–10.
84. Ockham hält die These für zitationswürdig, dass eine Deduktion (de Deo), die a priori er­
fol­ge, praktisch oh­ne den Charakter der demonstratio potissima zu haben, möglich sei, wobei
als negatives Moment oder Kriterium ein­­­gefügt wird, dass diese Deduktion nicht per causam
rea­lem sei. Mit Ideen, die Momente besagen sollen, die in Gott fallen, verbleiben wir natür­lich
auch innerhalb Gottes essentia. Wenigstens förmlich. Das lässt sich noch per persuasio­nem
begründen. W. Chatton sieht in die Sätze Kausalmomente eingeschlossen. Und zwar im Sinne
der Sätze (Satzakte) untereinander wie mit ontologischer Pointe reallogisch.
85. Rep. II, q. 1 OT V p. 13 lin. 5–17.
86. Ockham betreibt eine Trennung des (funktionslosen) Glaubens und seiner dogmatischen
Inhalte von der Ra­ti­o­na­lität, indem er die Partikel des Denkens zu Trägern und spiegeln dieser
238 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Von Thomas Buckingham allerdings ist eine waghalsige und abundante Ver­wen­
dung des Om­­­­ni­potenzprinzips angeführt worden.87 Dass eine vorgreifliche vernunft-
feindliche Verwen­dung nicht Ockhams Sache war, wird überdies dadurch bewiesen,
dass Ockham hier ei­ne fal­la­cia fi­gurae dictio­nis sah, wenn man von dem Bereich der
göttlichen Majestät unmit­tel­bar in den der geschaffe­nen Dinge übergehen wollte, also
Empirie und gött­liche Autonomie so ver­bin­den woll­te und „ver­mit­tel­te“, dass man sie
gemeinsam in einen Syl­logismus ein­brach­­­te und sie da­bei für kom­mu­tier­bar hielt:88
„Et ideo in multis argumentis est fal­lacia figurae dictio­nis, sub no­mi­ne sim­pli­ci­­ter
accipiendo nomen connotativum. Sicut sic ar­guendo: quid­quid potest Deus me­di­ante
cau­sa secunda, potest immediate per se; sed actum meritorium pot­est produce­re me­
di­ante actu vo­lun­ta­tis, ergo sine ea.“ Es darf also nicht aus der essentia auf das acci-
dens resp. die accidentia geschlossen werden und nicht aus ersterer zum zweiten über­
ge­schritten wer­den.89 Ein Prinzip wie das berühmte ‘pluralitas non est ponenda si­ne
necessita­te’, das noch in ver­schie­denen anderen Versionen vorliegt, wie bei­spielsweise:
‘frus­tra fit per plu­ra quod pot­est fieri per pauciora’ oder ‘entia non sunt multipli­canda
praeter necessitatem’ be­schränkt auch diese vermeintli­chen Beweismöglichkei-
ten, das heißt sie „ra­sie­ren“ sie im Hinblick auf die frei­e Erfindung von „rationes“,
die beweis­logisch über Ope­­­ra­ti­onen vertei­digt (eingeführt) werden müssten,90 die

Trennung macht. Er schließt hier das Om­nipotenzprinzip ein, dessen a-rationale und mecha-
nische Anwendung er ablehnt.
87. Nach G. Leff, 1957 p. 257f will Tho­mas Buckingham eben diese Trennung mittels des kon-
trapunktisch einge­setzten Omnipotenzprinzips er­rei­chen. Das sieht für den technischen Ge-
sichtspunkt nach petitio principii aus. Leff sagt denn auch: „his scepticism seems even mo­re
pronounced than that of Holcot.“ Nach p. 190f stell­ten die Avigneser Zensoren häu­figer fest,
was Ockham angeb­lich mit der po­ten­­tia ab­so­luta zu erklären versu­che, lie­ße sich auch oh­ne
diese be­­­haupten. Sie hätten die religiöse Wertigkeit der Formel schüt­zen wollen. Damit wä­re
frei­lich die Irrationalität Ockhams beim Gebrauch des Omnipotenzprinzips erwiesen, wenn-
gleich auch, dass er mög­li­cherweise es kon­form einer menschlichen und empirisch orientierten
Vernunft gebraucht habe. De­ren Ver­­teidi­gung wäre so Anliegen der Zensoren gewesen – kühl
und papal gegen den schwärmerischen Ex­zess. G. Leff ist fast bei H. Blumenberg, 1966. Cf.
Kap. 3 Anm. 79. Nach G. Leff, 1975 p. 15 und p. 450 ordnet Ockham aber mit­­tels des Omnipo-
tenzprinzips im Sinn göttlicher Ökonomie (sic!) die Theologie der Logik über.
88. Ord. Prol. q. 3 OT I p. 141 lin. 9–11.
89. Duns Scotus und Spinoza gebrauchen bei ihren Beweisen logische Formen und beweisen
vielfach indirekt. Sie gehen von De­fi­nitionen der Prädikate aus. Diese De­fi­­ni­ti­onen sind oder
enthalten die media für den Beweis, von Ockham ebenso wie gewisse logische Formeln (For-
men) media extrinseca genannt.
90. Wo eine Operation auftritt, muss sie also immer von derselben Weise auf die significatio
be­zo­gen sein, i.e. mit der Eklipsis der consequentia in der Verteidigung ihrer selbst als Ope­ra­
ti­on zu tun haben. Alle Operationen er­scheinen also als Abstraktionen und werden wie diese
auf die significatio bezogen sein. Sie schließen sie nicht aus, beinhalten sie aber auch nicht. In
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 239

Ockham nicht zu­lässt, wie die Ana­lyse der fallaci­ae zeigt oder aber be­weis­technisch
für nebensächlich hält (me­dia extrin­se­ca).91
Es gibt nach Duns Scotus wie nach Ockham auf der Ebene der in se kontingenten
Ursa­chen und in der Kausalkette der Dinge, die dabei als singularia in Frage kommen,
keinen Aus­­­schluss der Unend­lich­keit. Duns Scotus hatte daneben einmal argumen-
tiert, indem er sag­te: „Es gibt nicht Aktualun­end­li­ches“. Es ist eine Ausschließungs-
oder Widerlegungs­for­mel.92 Ockham hat dann gegen den Scotischen Gottesbe­weis

dem Sinne ist die implicatio, die sie einschlösse, fehlerhaft. Sie ist es nicht nur in Bezug auf das
accidens, i.e. den kontingenten Inhalt.
91. Man denke den Fall, dass Ockham (Rep. II, q. 16 OT V p. 379 lin. 15–21) sagt, es kön-
ne nicht gewusst wer­den, ob eine noti­tia intuitiva wirklich von einer äußeren Erscheinung,
dem obiectum als res singularis herrühre: „non scio evi­den­­ter quod haec cognitio intuitiva
causatur als hoc singulari. Ista autem non possum scire nisi per mul­tos discur­sus, vel saltem
per unum discur­sum, et ideo licet cognoscam intuitive cognitionem alicuius singula­ris, tamen
non cognosco intuitive illud singulare cuius est, sed vel non cognosco vel solum cognosco per
discur­sum.“ Der scheinbare oder reelle Skeptizismus Ockham beruht ausschließlich da­rauf,
dass Schlüsse (oder Rück­schlüsse) auf die Realität, auf die Gegebenheit, die Existenz wesent-
lich, wenn et­was als forma, essentia oder ra­tio gefasst werden soll (Ockham gibt rationes der
no­ti­tiae an), nicht gezogen werden ‘können’ sol­­­len = nicht gelten. Das bedingt die Induktion,
weil an die­ser Stelle bezüglich des Faktischen und as­so­ziiert mit ihm eine Ein­schrän­kung oder
Nega­ti­on gelten können soll. So entfallen die Merkmale, die im Empi­ri­schen oder bezüglich
der Kausation akzidentell sind, zumindest eine Vermittlung zwischen Ding (substantia) und
Um­stand oder Wir­kung nicht zu­las­­­sen. Cf. analog Ord. Prol. q. 1 OT I p. 38 lin. 15 – p. 39 lin. 6
und hier besonders: „Sicut si videam in­tu­­i­­ti­ve stellam ex­sis­ten­tem in caelo, illa visio intuitiva,
sive sit sensitiva sive intellectiva, distinguitur loco et sub­­iec­­to ab obiecto vi­so; igitur ista visio
potest manere stella de­­structa; igitur etc.“ (So schon ibidem p. 12) Wenn hier das er­­ste igitur
auf die indukti­ve Möglichkeit einer visio sine obiecto praesente zielt, so das zweite da­rauf, dass
des­halb (sic!) auch Gott per divinam poten­t­iam ab­solutam eine notitia intuitiva sine re existente
be­wir­­­ken könne: ei­ne reine persuasio. Es greift also nicht die unumwundene Allmacht krude in
die empirisch-weltli­chen Ver­hält­nis­­se ein, um sie willkürlich außer Kraft zu setzen, wie gerne
behauptet wird. Ockham bestritt da­mit aber nicht, dass Erkenntnis dem real existierende ob­­
iectum extra ani­mam gelte, i.e. dass es de facto erkannt wer­de. Im ers­ten der bei­­den Beispiele
Rep. II, q. 16 OT V p. 379 lin. 11–15 wird Gott als causa totalis einer notitia in­tuitiva ge­­­­nannt,
oh­ne dass eine res singularis als deren Ur­sa­che gewiss sein könne oder müsse. Indes handelt
es sich hier um ei­ne „notitia intuitiva in angelo“ und es wäre nötig „oportet quod sciam quod
nullam ali­ud si­mi­le sit ita ap­pro­­­xima­tum an­ge­lo in quo est illa cognitio intuitive. Nec sit a deo
sicut a causa to­tali.“ Dafür wird ein em­pi­­­­ri­sches Beispiel gegeben ib. lin. 6f: „si sint duo ignes et
ap­pa­reat fumus causatus, non plus scio quod iste fu­mus causatur ab is­to igne quam ab alio.“ Es
liegt al­so auch hier bloß eine „Überredung“ (persuasio) vor.
92. Georg Can­tors Fest­stel­­­lung bei der Begründung der Mengenlehre: „Es gibt Aktualun­end­li­
ches“ ist hier noch fern. In dem zugehörigen berühmten Be­weis stellt Cantor Aktualunend­lich­
keit als Über­ab­zählbar­keit dar. Cantor selbst wil­l­ damit dem Philosophen oder dem Theo­logen
wi­der­sprechen. Aristoteles’ Idee vom infinitum potenti­a­le gilt bis zu Kant und Gauß. Cf. C. F. v.
Weizsäcker, 1967.
240 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

ein­ge­wandt, dass darin ei­ne un­end­liche Rei­he von kontingenten Ursachen – in der
Welt, und damit für sie! – nicht aus­ge­schlos­sen wer­­den kön­ne: alle Väter haben ih-
rerseits schon Väter ge­habt oder ha­ben sie ha­ben kön­nen. Wir müssten nicht Gott
als prima causa an­nehmen, wenn wir auf der Ebe­ne der res, der re­alia, der singula­ria
und kontingenten Dinge bleiben. Da­­neben schließt Ockham auch je­ne Kau­sa­li­tät als
faktisch logisch nicht erklärba­re aus, die zwi­schen den sin­gularia empirisch an­ge­­­nom­
men werden kann; er wird also auch nicht eine von Gott verlie­hen Wirkfähigkeit
und Ver­ur­sa­chens­kraft faktisch annehmen, die Duns Scotus bei seinem Got­­tesbeweis
unmittelbar mit dem Postulat einer höheren und ersten Ursache an­neh­­men möch­­­te.
Ockham setzt causa­li­tas auf ei­ner höheren Ebene an, während er die Welt, mit ihrer
mögli­cher­weise unendlichen, aber eben nicht aktualunendli­chen Reihe von kon­tin­gen­­
ten Gegen­stän­­den für den Gottesbe­weis zu­nächst kompakt setzt, indem er efficientia
mundi und conservatio mundi gleichsetzt. Con­ser­va­tio est efficientia et vice ver­sa. Das
ent­spricht der Auffassung der causalitas, die nicht in die Dinge so verlegt werden darf,
dass daraus sig­ni­fi­kant deren Zu­sammenhang her­vor­­ginge.93 Ak­tualunendlich­keit

93. ‘Aktualunendlich­keit’ ist, wo sie auf­tritt oder nicht bün­dig abge­wie­sen werden kann,
Widerlegungs­for­mel. Die­ses Aktualun­endliche mit Gott gleichzusetzen oder dies, dass es ge­
sche­­he, für die scholastische, sei es aus­­drück­liche oder ihr zu unterstellende geheime Idee zu
hal­ten, ist unsinnig (so aber Blumen­berg, 1966 p. 122); es heißt das po­ten­tiell Unendli­che, das
man im­­­merhin nacheinander durch­lau­fen könnte, ohne allerdings mit ihm fer­tig zu werden,
mit dem Ak­tual­un­­end­­lichen zu ver­wechseln, das man nicht durchlaufen kann, weil an jeder avi­­
sier­­ten Stelle eine unendliche Men­­­ge von Einzeldingen hinzukäme. So auch Adam Wod­ham,
IS lb. III, d. 14 q. 11, fol. 135 col. 4 (cf. Kap. 7 Anm. 151) Duns Scotus sagt De Pri­mo Prin­­­ci­pio (ed.
Klu­xen p. 34) cap. III, con­clu­sio secunda (Be­weis) undeutlich bloß „Infinitas est impos­si­bilis
ascen­den­do“. Als beweistechnische Re­pro­ba­ti­ons­formel tritt das Ak­tu­a­l­u­n­endliche bzw. seine
Nega­tion auch in Ockhams Got­­­tes­be­weis auf, hilft al­so bei der Aus­füh­rung einer re­­duc­tio ad ab­
sur­­dum. Das infini­tum actu­a­le be­trifft ein Ver­­hält­nis von Akzi­den­zen. Sagt Sco­tus (Ord. I d. 2,
p. 1 q. 1–2 Ed. Vat. pp. 159s n. 54): „quod in­­fi­ni­tas in ac­ci­den­­talibus sit im­possibi­lis nisi ponatur
sta­tus essenti­a­li­ter ordinato­rum“ und (De Primo Princi­pio, ed. cit. p. 38): „infi­ni­­­tas ac­ciden­ta­lis,
si po­na­­tur, hoc non est si­mul, patet, sed successive tantum, est alterum post al­te­­­rum, ita quod
se­cun­dum aliquo­mo­do fu­erit ex pri­­o­re, ta­men non dependet ab ip­so in cau­san­do, potest enim
cau­­­­­sare il­lo non existente sicut illo exi­s­ten­te“, er­klärt Ockham verschärfend, efficientia und con­­
servatio seien realiter das­sel­be (Quaestiones in Lib. I Phy­si­co­­rum q. 136, OPh VI) und sowohl
die akzi­den­telle Ord­nung der cau­sae wie die essentielle könn­ten nicht zu einem zu­rei­chenden
(definiten) Beweis der Erstursache führen (ib. p. 769 lin. 47–49): „per so­lam primam pro­duc­
tionem non potest suf­ficien­ter probari, quod non sit processus in in­fi­ni­tum, sal­tem in causis
ac­ci­dentaliter or­di­natis nec formaliter in cau­sis or­di­na­tis.“ Ockham sagt all­ge­mein und speziell
zum Sco­­­ti­schen Got­tesbe­weis (Ord. d. 2, q. 10 OT II p. 354 lin. 18 – p. 355 lin. 3): „Vi­de­tur tamen
quod eviden­tius pos­­set pro­­­­bari pri­mitas effi­ci­en­tis per con­­ser­va­­tio­nem rei a sua causa quam
per productio­nem secun­dum quod di­cit rem accipe­re esse im­­me­di­a­te post non-es­se.“ Er sagt
hier nichts zur Struk­tur Sco­­tischen Bewei­sens, nur (ib. p. 354 lin. 16–18): „Di­­­­­­­­co igi­tur quan­­­tum
ad pri­mum arti­culum, quod ra­tio pro­bans pri­mi­­tatem ef­ficientis est suf­fi­ci­ens. Et est ra­tio omni­
um phi­lo­­so­pho­rum.“ Doch hält er Duns Scotus entgegen (Quaestio­nes in Libros Phy­­sico­rum
q. 136 OP VI p. 768 lin. 25–27): „quam­­vis posset poni proces­sus in infinitum in produc­ti­o­ni­bus
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 241

hingegen bedeutet, dass immer wenn und wo in einem noch so kleinen Bereich Zäh­
lung und Ab­zäh­lung vorgenommen wer­den, un­end­lich viele Elemente auftreten, die
damit nicht erfasst worden sind und infolgedes­sen nicht erfasst werden können. Das
ist zu unter­schei­­den von je­ner – potentiell – unendlichen series von Dingen oder auch
Ur­sachen, die man zählend durch­laufen kann, ohne jedoch an ein Ende kommen zu
können.94 Die Idee der Un­end­lichkeit (infinitas) Gottes wurde im späten Mittelalter

si­ne in­fi­ni­ta­­te ac­tuali, non potest ta­men po­ni pro­ces­sus in in­finitum in conser­van­tibus sine
infinitate actu­a­li.“ Duns Scotus’ Beweis (s.o.) ist da noch unklar.
94. Ockham hebt den Unterschied zwischen ‘Aktualunendlichkeit’ und potentieller Un­end­­
lich­­keit auch Quae­s­ti­ones in Libros Physicorum q. 135 OP VI express hervor und sagt p. 767
lin. 136–139 „quod per pri­mam pro­­­­­­duc­­­ti­­o­nem non potest suffici­enter probari quin sit processus
in infinitum in causis efficientibus, qua­rum una cau­sa­tur successive ab alia; sed ex hoc non
se­quitur aliqua infinitas actualis.“ Dabei wird die unendliche Rei­­he – das Ak­tu­­­alunendliche
bil­det keine Reihe, son­­dern sprengt und trifft sie an jedem Orte, sic est nomen! – (ib. ad sep­­ti­
mum) ein­deu­tig ei­ne „infi­ni­­tas in accidentaliter ordinatis“ genannt (wie auch bei Duns Scotus
im Got­­tes­be­weis De Pri­mo Prin­­ci­pio. Diese in­fini­tas (ib. p. 766 lin. 113–116) „potest salvari sine
aliqua natura infinite durante a qua tota suc­ces­sio dependet, quia non potest probari sufficien­
ter per productionem, quod unus homo non possit produci ab alio si­cut a causa totalis et tunc
diceretur quod unus homo totaliter dependeret ab alio et il­le ab alio, et sic in in­fi­nitum et non
aliqua re in infinitum durante; nec potest probari oppositum per productio­nem, licet per con­­
servati­o­nem possit.“ Dass der Vater Gottes Beistand benötige, um einen Sohn zu zeugen, kann
nicht bewie­sen werden; er hat ihn ohnehin: ex concursu generali divino – per conservationem
(sic!). Ockham will den Sco­tischen Be­weis si­chern oder ver­­bessern, indem er die con­­­ser­va­tio
heranzieht, weil bei ihr die Ursa­chen, die zu Erschaf­fung der ab­hän­­gi­gen Welt erforder­lich
seien, gleich­zei­­tig ge­geben (simultaneae cau­­­sae) sein müs­sen. Da­nach wird dann con­servatio
mit ef­fi­ci­en­tia gleich­ge­­­­setzt. Wir ur­tei­len in­tensional = nach je zu ver­­an­­­schla­gen­den Begriffen,
die in Bezug auf je unliebsa­me und so zu negierende Konsequenzen beurteilt wer­den und so­
mit vermöge ihrer. Ähn­lich bei Ockhams Be­weis von der Schöpfungs­not­wendigkeit für die
Welt, bei der de­ter­­mi­na­tio und implicatio gleich­ge­setzt wer­den: Ewigkeit der Welt ist im­mer­
hin denkbar, Ewigkeit der cre­­a­tura nicht. Zu seinem ‘Gottes­be­weis’ dann ebenso Ord. d. 2 q. 10
OT II p. 355 lin. 22 – p. 356 lin. 4: „Sed non est pro­ces­sus in infini­tum in con­­­ser­van­­­ti­bus; quia
tunc aliqua in­­finita essent in actu, quod est im­pos­sibile.“ (Das Ak­tu­alun­endli­che ist an sich
un­mög­­lich und be­deu­tet da­her Ab­surdität für al­les, dem es ange­hef­tet wer­­­den müsste.) Hier
sind die ra­ti­o­­nes, u. a. des Aristoteles, „satis ra­ti­o­na­bi­les. Sic igitur videtur per istam rationem
quod oportet da­re primum conser­vans et per conse­quens primum ef­fi­ciens.“ Denn (ib. p. 356
lin. 9–12): „quam­vis posset poni pro­ces­­­sus in infinito in pro­­­­­­du­centibus sine infini­ta­­t­e ac­tua­li,
non tamen in conser­van­ti­bus cum (W 1495)/sine (Ed.) infinitate actu­a­li.“ Das Aktualun­end­­
liche lässt sich nicht durchlaufen. Sein propr­i­um. Bei der conservatio gä­be es das Ak­tu­­al­­un­end­
li­­che, wenn es nicht Gott gä­be, der alle conservatio in sich zu­sam­men­fasste. Bei der pro­duc­tio
kann es die suk­zes­­­­­si­ve unendli­che Rei­he ge­ben. Sie kann man durch­lau­fen, wenn man auch an
kein En­de kom­­men wird. Beim Aktualunendli­chen kommt man nicht einmal an einen An­fang,
denn zwi­schen einem item und dem näch­sten lie­gen schon ‘un­end­lich’ viele. Die Reihe ist ‘über­
abzäh­lbar’ Freilich muss man an die conser­va­tio mundi glau­­ben, und eben, dass die Welt sie
242 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

dann auch noch durch den theo­lo­­gi­schen Gebrauch der Methode der sogenannten
calculatores vertreten.95
Gott der „Schöpfer“ ist Gott der „Erhalter“. Wenn Gottes „Tätigkeit“ gegenüber
der Welt die Er­­haltung ist, wobei conservatio efficientia (Hervorbringung) ist, rücken
wir mit dieser con­­­ser­­­­­­­va­tio von der Innervation in die Welt und von der Bestimm-
barkeit der Handlung ‘ge­gen­­ü­ber’ der Welt und förmlich „aus“ der Welt mehr ab, als
wenn wir ihn lediglich die causa ef­fi­ci­­ens der Welt nennen wollten, gemäß welcher er
auf causa finalis, causa formalis, causa ma­­terialis ins­gleichen angewiesen wäre. Alle
diese causae müssten sogar in ihn fallen und wo­­­­­­­mög­­lich zu­sam­men­fal­len.96 Der Got-
tesbeweis muss im Grunde aus einer ontolo­gisch geord­ne­­ten Welt, innerhalb deren

be­nötige. Das gilt bis zur Neu­zeit (Spi­no­za). Zur Bezie­hung von Gottes­be­weis und In­­duktion s.
Kap. 9: Ontologie und Induktion.
95. Cf. grundsätzlich A. P. Jusch­­­ke­witsch, 1961, dt. 1964. Die Methode der „la­titudi­nes“ und
der „lon­gui­tudines“, die die „mertonenses“ ge­pflegt haben, stellt ein qualitatives be­griffli­ches
Ver­­fahren dar, das bis in die Termi­no­­­lo­gie hinein (äußere und innere ‘Randpunkte’ = „ter-
minus exclusivus“ und „terminus inclu­si­vus“) der modernen mathemati­schen Topo­lo­gie, als
soge­nann­­te Punktmengenlehre einge­führt, nahe kommt. Die ma­the­mati­sche To­po­­­lo­gie, der
die calculatores praeludieren, hat nichts mit empirischer Raum­mes­sung zu tun. Sie ist quali-
tativ be­stimmt, nicht quantitativ. Eine theologische Verwen­dung dieser mittel­al­ter­li­chen Met­
hode s. A. Combes et P. Vig­naux, 1964. Ihr Ver­gleich mit neu­zeit­li­cher Wissenschaft gerät pro­
blematisch, wenn Jusch­ke­witsch (mit Be­zug auf Swi­­nes­head) p. 203 sagt: „Die In­ten­si­tät der
Form tritt als ver­än­derliche In­ten­­sität einer Eigen­schaft auf … Diese Analy­se ist rein abstrakter
Natur, und we­der die Vor­aus­­­set­zungen noch die Er­geb­­nisse wer­­den mit rea­len quantitativen
Mes­sungen oder mit ex­pe­ri­men­­tellen Daten oder Be­obachtungen verknüpft.“ H. Blumenberg,
1966 p. 344 überbietet da noch: „Man besaß eine Art von logischer und physi­ka­lischer Ka­su­
istik, in der höchst kom­­­­pli­zier­te Vor­­gänge konstruiert wur­den, aber die einge­setzten Grö­ßen
waren immer rein spe­ku­la­tiv und nicht empiri­scher Her­kunft.“ Blumenberg be­scheidet uns
dann, dass in der Wis­­­­senschaft des 14. Jahr­hun­derts ‘einfach noch nicht die not­wendigen Zwi­­
schenschritte ge­tan gewesen seien’, um zu den Anforderungen der neuzeitli­chen Wis­sen­­schaft
kommen zu kön­nen. Diese fiktiven „Zwischenschritte“ bleiben naturgemäß unbe­legt. Nach
Jusch­­­ke­­­witsch ist zugleich die logische und ‘analyti­sche’ Qualität in den Ent­­wür­fen der cal­cula­
to­res nicht überzeu­gend. Zur phy­si­ka­­lischen Aus­rich­­tung der ‘Met­­hode’: W. Cur­tis, 1960. Mes­
sung und Ex­peri­ment mö­gen Stan­dards der neu­­zeitli­chen Wis­sen­schaft sein. Der aus­schließ­­li­
che Be­zug auf sie ist wi­der­sin­nig. Zum Gebrauch des Om­ni­po­tenz­­prin­zips und der Met­­ho­de
der ‘lon­gui­tudines’ und der ‘latitu­dines’ s. M. de Gandillac in: A. Forest et al. 1956, p. 451: „La
po­ten­tia absoluta exclut l’é­li­mi­nati­on du contingent par le cal­cul al­gé­­bri­que de mi­ni­mis et de
ma­­­ximis. En fait le re­cours à la tou­te-puis­san­ce est … op­po­sé à toute ar­gu­men­ta­ti­on qui con­­
fon­drait le fait et le droit, l’habi­tu­el et le né­­­cessaire.“ Die To­po­lo­gie der Län­­­gen bzw. Brei­­ten’
nive­lliert nach ih­rer Anlage die Dif­­­fe­renz von not­wen­­digem und un­end­lichem Sein Got­tes und
kon­tin­genter Welt.
96. Das ist zugleich ein Moment der Spekulation. Cf. Gershom Scholem, Die jüdische Mystik.
1957 und 1967, p. 285 und öfter: Nach Isaak Lu­rias Kabbala muss Gott sich erst in sich zurück-
ziehen (zimzum), um für die zu er­schaf­­fen­de Welt Platz zu ma­chen. Nach Scho­­­­lem löst Luria
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 243

der Aristotelismus die Begriffe mit einer synthetischen Option si­chert, zu Gott auf-
steigen, der ihr nicht mehr angehören kann. Damit ist eine Paradoxie gege­ben, mit
der die Satz- und Wahrheitsqualitäten modifiziert erscheinen: besteht diese Wahrheit
auch, wenn sie niemand gedacht hat? Wird sie wenn sie gedacht wird, damit nicht
auch so­gleich not­­wendig und ist da­mit in jedem Fall als induziert zu bewerten?97
Dass die notitia intuitiva von Gott konserviert werden kann und auch konser-
viert werden muss, wenn ein negativer Befund (eine Falsifikation in kontingenten
Urteilen) erfolgen kön­nen soll, birgt ein Problem: notitia (intuitiva) selbst und der
Satz, den sie betrifft, rücken in die Nähe analytischer oder notwendiger Sätze, bei wel-
cher man sich ohnehin be­findet, wenn und weil die notitia intuitiva hier mittels der
conservatio in Gott anhängig ist, d. h. auch not­wen­di­ger­weise nur von ihm bewahrt
werden kann: Notwendigkeit in Gott und De­­­­­­­­pendenz aus Gott liegen beieinander.
Die notitia kann notwendigerweise nur von ihm be­wahrt werden und auch Gott wird
offenbar genötigt zu bewahren. Er müsste sonst etwas gera­de­­­zu aus der Schö­pfung
herausfallen und es ‘wegfallen’ lassen. Es würde wenigstens eine Lüc­­­­­­­ke ent­stehen;
sie hät­te zu besagen, dass die notitia intuitiva kein objektives Urteil mehr besa­gen
könnte, da die Frei­heit zur Negation (Falsifikation) nicht mehr bestünde. Das wiede­r
ent­­klei­det den Be­griff der notitia intuitiva seiner absoluten Kontingenz in Bezug auf
sei­nen Wert als ‘Grö­ße’ und setzt ihn auf die Bedingung einer analytischen Definition
fest, die aber nirgendwo ge­ge­ben wird und gegeben werden kann. Alle Er­ör­te­rung
Ockhams mit ihrer be­son­de­ren Aktsetzung im kon­­­­­tin­genten Charakter der Grö­ßen,
die damit res absolutae sind, wird auf­ge­ho­ben und von der Sei­­­­­­­­­te der Notwendigkeit
her ne­giert oder suspendiert. Be­weis­­­qualität wird danach auf eine Iden­ti­tät von Inhalt
und Fol­­­­­gerung festgelegt. Gottes Allmacht, der Formel nach vom Wi­der­spruchssatz
begrenzt, erweist sich hiernach in der Form, dass Wi­­­derspruch, mit un­­er­find­licher
(Ding-) Realität identisch, an dieser entfal­len wird.
Es kommt noch etwas anderes hinzu: es handelt sich bei der notitia intuitiva,
einem Akt, der aus actus apprehensivus und actus iudicativus, in diesem aber aus
actus apprehensivus und ac­tus assentiendi zusammengesetzt ist, ebenso wie bei dem
kontingenten Satz, der per notitia in­tu­itiva beurteilt wird, und seinen Begriffen (ex-
trema = s und P), um ‘mentalia’. Sie alle sind als ‘Er­scheinungen’ (= Gegebenheiten)
kontingent, werden aber über Bestimmungen einge­­ord­­­­net, mittels deren sie, per per-
suasio und Induktionen, in vielen Fällen aus der empiri­schen Ebene konkreter Ob-
jekte abgetrennt und entfernt werden. Das bezeichnete Ockhams no­mina­lis­tische

ältere einfachere Konzeptionen der Kab­­­bala ab, bei denen Gott aus sich heraustreten kann um
zu schaffen.
97. Hier hat Duns Scotus die terminologische (und ebenso sachlich ontologische) Ex­pli­­kati­on
der cau­sae (ihre Ord­nung betreffend) seinem Gottesbeweis vorangestellt, insofern er mit ih­nen
ar­bei­ten will. Ni­ko­­laus von Autrecourts Zweifel gegenüber solcher scholastischen Ter­minologie
ver­kennt, dass diese immer nur in beigeschlos­se­ner logischer Funktion er­schei­nen kann. Wollte
oder könnte man auf sie verzichten, käme man zu absoluten Be­­­weisen. Die im­pli­­catio würde
der de­terminatio gleich. Dies ist dann bei Ockham auch so der Fall.
244 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Denkweise und Verfahrensart. Wir kommen an die Stel­­le, an der Bestim­mung und
Fak­­tum identisch werden, damit aber auch förmlich als durch­ein­ander vermittelt er­
scheinen werden. Duns Scotus hatte argumentativ so auch bereits verfahren, aber
darin Gott un­­­ter­schieds­­­los zum Teil der Welt gemacht; er konnte ihn innerhalb des
Arguments nicht von ihr trennen, es sei denn er ließ sich auf Zirkel bzw. Nachgriffs-
postulate ein. Das vermied Ock­­­­ham. Seine Gottesbeweise bezeichnet es nun überdies
in der Tat, dass er die determi­na­tio der Relationsbegriffe (etwa genera­tio) mit einer
Implikati­on gleich­setzt, kraft deren sie in ih­rer unausdrücklichen Beziehung zu dem
stehen sollen, was aus ihnen erfolgt.
Wir werden uns die conservatio als eine Fernwirkung zu erklären haben. Gott
wird darin in kei­nem Fall von den Gegenständen in se und der Welt im Ganzen fak-
tisch tangiert und von ih­nen her begrifflich bestimmt sein können. Das wäre gleich-
sam widersprüchlich in sich.98 So geht es um eine Widerspruchsvermeidung, bei
der die Elemente der Welt nicht Bestim­mungs­­­merk­­ma­le dessen liefern können und
dürfen, was von ihnen unterschieden eine Wir­kung und Aus­­wir­kung auf sie haben
können soll: Gott. Zumindest als Beispiel kann hier die­nen: Gott kann materia und
forma sine extensione, also Gra­­vitation, in der Realität erhalten. Gott kann ei­ne Wir-
kung ausüben, die der empiri­schen Mittel und Substrate sich ent­schlägt. Sie muss der

98. Auch die Ideen (ideae) Gottes fallen in Gott und sie reichen, wie sie die creaturae betreffen,
wenigstens for­mell und inhaltlich über ihn hinaus; sie gehören nur Gott und können nicht
en­ti­ta­tes in Deo oder Teile in Gott an­geben. Ord. d. 35 q. 5 OT IV p. 504 lin. 22 – p. 505 lin. 2
„de virtute sermonis debet concedi quod ideae oriuntur et intereunt, quia ideae sunt ipsaemet
creaturae quae oriuntur et intereunt.“ Denn (ib. p. 503 lin. 2f): „omnium re­rum sunt ideae in
Deo, hoc est quod Deus est omnium causa ef­fec­tiva.“ Und ib. p. 488 lin. 5–18: „Ostendo quod ip­
sa creatura est idea primo: quia sibi compe­tunt om­nes particulae praedictae descripti­onis. Nam
ipsa est cognita ab intellectu activo, et Deus as­picit ut ratio­na­li­ter producat … (ib. lin. 21 – p. 489
lin. 3) Ergo ip­sam creaturam pro­du­­ci­bilem vere aspicit et ipsam aspiciendo potest eam produ-
cere. Praeterea, illud quo praecognito potest cog­nos­cens rationabiliter producere, – etiam omni
alio per impossibile non prae­cognito –, et quo non praecognito – eti­am quocumque alio cogni-
to – non potest rationabiliter producere, est vere idea et exemplar.“ Idea und exemplar werden
so gleichge­setzt. Das ebenso ib. p. 490 lin. 5–10: „Ex praedictis patet quid est idea. Quia non
est nisi ali­­quid cognitum ad agens aspicit in producendo, ut secundum ipsum aliquid simile
vel ip­sum­met pro­du­cat in es­se reali. Sicut una domus potest vere esse idea et exemplar alterius
do­mus, quia scilicet aliquis artifex illam do­mum cognoscendo, potest per hoc aliam fabricare.“
Da­mit müsste aber die idea prak­tisch schon von einem exis­tens, nämlich dem exemplar aus­
gehen oder eben dieses mangels Un­ter­scheid­­barkeit verkörpern, also in der Ab­strakti­on vor­
liegen. Erst so bestünde Konsistenz innerhalb des Ockhamschen Schematismus. Grund­sätz­lich
ib. p. 486 lin. 1–4: „(idea) habet tantum quid nominis (nicht: quid rei) et potest sic describi: idea
est ali­quid cogni­tum a prin­­­cipio effectivo intel­lec­tuali ad quod activum as­pi­ciens potest aliquid
in esse reali produce­re.“ Die Ide­en­lehre Ockhams hat ei­nen prakti­schen „realistischen“ Sinn:
die idea trägt die causa formalis. In Gott können die Ideen kei­ne ratio cognoscendi sein (cf. ib.
p. 491 lin. 14–25), da mit der Zahl der Individuen identisch und ver­mehr­bar. Die idea ist hier
die creatura cf. p. 489 lin. 8 und p. 490 lin. 1–4.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 245

Abstraktion verdankt werden.99 Materie und forma sind empirisch be­stimmt gar
nicht zu defi­nie­­ren; sie haben keinen definiten in sich bestimmten Begriff, der in der
Re­al­welt als be­­grenz­ter Erscheinung aufgehen könnte. Da sie von ihr abstrahiert wer-
den können, kön­nen sie, wenn sie denn sein können sollen, auch von Gott unabhän-
gig von ihrer ‘Er­schei­nungs­wei­se’ qua Extensi­on aufgefasst werden; es käme sonst zu
keiner begrifflichen Ver­mittelbar­keit und Überein­stim­­mung oder Konsistenz. Es gibt
sie al­so, insofern sie an ‘den’ Er­schei­nungen sind, ohne in ihnen sie selbst zu sein. Das
ist die Be­din­gung ihrer konsis­ten­ten Vor­kom­mens­mög­lich­­keit zum einen und konsi-
stenten begrifflichen Ver­wen­dung zum an­­deren.100
Auch die Erwählung (praedestinatio) und die Verwerfung (reproba­tio) liegen
akzidentell tat­sächlich außerhalb der Essenz Gottes. Gott ist so de facto im Sinn der
Wahlfreiheit erkennbar, er unterliegt nicht mechanistischer Dependenz. Die Freiheit
Got­tes ist eine funktionelle der da­­­­­­­zu festgestellten Ordnung der Faktoren ohne den
mechanisti­schen Zwangscharakter. Es gibt im stringenten Verhältnis der Faktoren
zwei termini exclusi­vi, Gott extra mundum und die im Inneren der Welt materiell

99. Ockhams ‘Theorie’ der Erkenntnis (in­clusive Be­griffs­­bil­dung) setzt die in sich un­­er­schlos­se­
ne Empirie fort und über­schreitet sie förmlich nicht. Das geht bis zum struk­­­tu­rel­len (‘argu­men­
ta­­tiven’) Aus­griff über die Erfah­rung hinaus, die niemals negiert wird und das nie struk­tu­rierte
Wi­der­spruchs­mo­­­­ment ver­tritt. Der ab­strak­­­te Über­stieg über die Em­pirie und die ihr ver­­­dankte
Be­­griffs­bil­dung und Er­­­­kennt­nis­ga­ran­tie führt zum nomi­nel­len Gott, der nicht der in sich uner­
schlos­­­­­senen Welt entgegenge­setzt wer­­den kann. Das de­finiert uns pro statu is­to. Ock­hams Erör-
terungen (selbst über den mensch­­­­­­li­chen Be­griff hin­aus!) reflektieren direkt beweistheoretisch
auf die in se unbegründbare Empirie. Cf. Kap. 9 Ontologie und Induktion.
100. Natürlich muss die Bestimmung einer solchen Möglichkeit formaliter oder de potentia
divi­na absoluta su­pra­na­turaliter loquendo gelten. Forma und ratio sind die Leitbegriffe der
Ratio­na­li­sierung; so lässt sich von einer ra­tio secundum speciem sprechen, etwa bei der notitia
abstractiva Ordnung in­ner­halb der Vernunft. Ratio bedeu­tet, dass wo eine dis­tinc­tio realis ist,
der Begriff nicht über diese usw. Sie wird nicht über die acci­den­tia be­stimmt, die als Umstände
außerhalb ihrer liegen. Sie bedeutet damit abstrakt oder in­ten­sional Notwendigkeit. Es treten
die Formeln auf, die der Abstraktion, der Induktion und der persuasio entspre­chen: ‘non est
magis (maior) ratio quod (non)’, ‘non est inconveniens’. Wir haben also in der dis­tinc­tio realis
ei­nen Hiat, der eine Begriffs­reichweite negativ festlegt. In der forma nehmen wir einen Inhalt
von den Schwan­kun­gen und Unbestimmtheiten des Akzi­den­tel­len aus. Dieses Akzi­den­tel­le
grenzt an den abstrakten Begriff (re­la­tio), wobei dieser wie mit der Pi­pet­te aus dem allenfalls
noch durch die termini (i.e. Anfang und Ende) ‘be­stimm­­ten’ unbestimmten empiri­schen Pro-
zess herausgehoben werden. Wir sind – wenigstens ten­den­­­­ziell – im Be­reich der Naturphiloso-
phie (phi­lo­sophia naturalis). Die ‘forma’ trennt einen ab­­strak­ten Inhalt von den Schwan­kungen
und Unbestimmtheiten des Akzi­den­tel­len, die ratio von Abhängigkeiten, die im Sinne eines
Rück­schlusses auf die causa, die Existenz, die Gege­ben­heit, gewohnte Umstände (der essen-
tia) verstanden wer­den müssen – und so denn onto­lo­gischen Fun­dierungen entsprächen. Diese
Fundierungen entfallen bei Ockham, nicht der Ge­­­brauch onto­logischer Be­grif­fe, die dann kon-
struktiv im Sinne der Argumentation (Beweis­fü­h­rung) inte­griert werden, ohne selbst darin
oder überhaupt bewiesen werden zu können.
246 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

wirkende Verur­sachung, die wie die innere Dingqualität nicht er­forscht werden kann.
Zwischen diesen beiden termini erstreckt sich eine Ordnung, die fak­tisch, wie wir
sie haben, immer nur eine begriff­li­che oder eine terminologische sein kann, die wir
als begriffliche so mittels der Erörterung denn auch zu erstellen genötigt und befä-
higt sind. Indem wir die Begriffe nach ihren Verhält­nissen füllen, werden die Begriffe
auch Termi­no­­lo­gie. So geht die Argumentation der Einsicht des ‘Begriffs’ voraus und
betrifft seinen In­halt.101 Für Begriffe wie „volitio“ und „intellectio“, die am ehesten
ja der Psychologie oder der Er­kennt­nis­lehre anzugehören scheinen und metaphy-
sisch dadurch Belang haben können, dass sie für heterogenes Seiendes, nämlich Gott
und creatura gleichermaßen in Betracht kom­men, gilt mithin was für (übergeord-
nete) Relationsbegriffe immer gilt: sie werden nicht von ih­rem Bezug her, das heißt
vom realen, von dem wohin sie in der Welt und in die Welt aus­flie­­ßen, bestimmt:
ihr induktionsnaher praktischer Bezug bedeutet, dass eine recta ratio ihres Inhalts
widerspruchsfrei ohne Inanspruchnahme eines formell realen oder akziden­tel­len Be­
zugs oder Effekts bestehe:102 „voluntas debet hoc velle. Sed eo ipso quod voluntas
divina hoc vult, ratio rec­ta dictat quod est volendum.“ Es gibt so in der Sache kei­nen
Rechtfer­ti­gungs- oder Anforderungs­grund. Damit ist im Grunde das metaphysische
Man­dat ausge­schlos­­­­sen.103
Wenn Ockham die Verhältnisse zu behandeln und zu entscheiden hat, die mit den
Pro­ble­men der Heilsleh­re sich ergeben, ordnet er sie nach dem Verhältnis von essentia
(divina es­sen­tia) und Handlungsumständen, in die der Mensch einbezogen ist. Das ist
hier insofern lo­gisch, als dabei der Handelnde Gott sein muss und bezüglich seiner
substantia Motive, Wil­lens­­ent­schei­dun­gen und Veranlassungen und Verursachun-
gen anfallen müssen. Weniger kann es um di­rek­te oder ausgemachte Eigenschaften
Gottes gehen; denn sie werden bezüglich der blo­­­­ßen Aus­wirkungen nur vorgreiflich
sich ausnehmen können und be­züg­lich der virtuellen oder viel­fachen akzidentellen
Fälle bzw. Abwandlungen rein ideo­logisch erscheinen, etwa wenn man zu erörtern
tendiert, was der an sich doch gute Gott nicht könne, tun müsse, zulasse oder was er,
weil er darin im Widerspruch mit sich oder dem was er schon wolle oder getan ha­­be,
sich befinden müsste, nicht tun könne oder werde usw. Man hat damit vom Terminus
(End­punkt) der realen Welt aus keine ange­mes­sene oder denkbarerweise empirische

101. Es ist anders als bei der Deduktion des Duns Sco­tus: Hier wird der Begriff qua Defi­ni­tion
in­haltlich oder in­halts­ähnlich vorgegeben, um dann im Sinne der Beziehung Zwangs­läu­fig­keit
durch die Beweisführung zu ermit­teln. Damit muss die Beziehung qua Zwangsläufig­keit auch
Kausalverhältnis besagen. Ockham dispo­niert aber über die Kausalbeziehungen und erör­tert
sie, bezüglich der Zwangsläufigkeit i.e. engen Bindung oder aber der bloß fakul­ta­tiven; dann
kann es sein, dass eine Beziehung oder ein Verursachungs­ver­hältnis bestehe oder aber in be-
stimmten Fällen entfallen könne.
102. Ord. q. 41 OT IV p. 610 3–5.
103. Ockham setzt auch keinen Vorrang des Willens vor dem Verstand, etwa in der divina
essentia wie Scotus.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 247

Ent­scheidung gefällt.104 So hat die Differenz (und Dis­tink­tion) von essentia und acci-
dens auch hier in der The­­ologie eine ordnende Funktion oder Kraft. Sie ist dann nicht
mehr logisch, ver­mag aber ei­ner Auffächerung der verschiedenen Grö­ßen oder Stich-
punkte zu dienen: salvatio, dam­­na­tio, praescientia, praedestinatio, gratia, caritas, pec-
catum, opus meritorium und meri­tum. Eben letzteres kann noch als induktive Basis
einer salvatio dienen, wie im Folgenden sichtbar werden wird.105 Ock­ham erörtert:106
„Utrum sit possibile aliquem praedes­tina­tum damnari et prae­­sci­tum sal­vari.“ Derjeni-
ge, der kein opus meritorium begeht und kein meritum auf­weist, könn­­­­­­­­­­­t­e also immer
verworfen werden, obwohl das die Frage nach praedestinatio und prae­sci­en­tia in se ja
nicht vorab berührt: Gott würde inbegrifflich des meritum prädesti­nie­ren und eben
auch vor­aus­wissen, ob der Mensch es erwerbe. Aber das müsste in sich den Ter­mi­nus
prae­­destinatio eben­so wie den Terminus prae­scientia affizieren. Sie würden ja immer
vom me­­ri­tum gesteuert und so von ihm abhängen. Sie würden quasi von einem Wi­der­
spruch ab­hän­­­­gen oder mit ihm de­finiert sein. Der Widerspruch wird also bei Ockham
von einer em­­­pi­­­ri­schen Ba­sis her aufge­grif­fen und eben auch beseitigt und aufgelöst.

104. Dieser Maßstab ist unerlässlich. Man hätte sonst vorderhand keine realitätshaltigen Begrif­
fe, nach denen ja am Ende immer, auch theologisch zu urteilen wäre; denn was nicht sein kann,
kann nicht der Macht, Realität, Ver­nunft usw. Gottes entsprechen, der, wie schon die er­sten
Scho­lastiker, die den Unterschied von potentia ab­so­lu­ta und potentia ordinata ge­brauch­­­­ten,
zum Beispiel Alexander von Hales, keinen Konflikt zwischen diesen bei­den Ver­mö­gen such­ten,
sondern sagten, Gott könne nur ordinate handeln, d. h. so wie es seiner Schö­p­fung ent­spre­­­­che.
Cf. A. Funkenstein, 1986. Auch das Verhältnis von conservatio und efficientia kann hier sub-
sumiert werden: Gott hat die Welt ge­schaf­fen und gegen ihn lässt sich nicht wirken. Cf. Rep.
II, q. 15 OT V p. 346 lin. 5–10: „quando agens conser­vans ef­fectum est for­ti­us in conservan­do
quam agens effectum con­trari­um in causando, non potest secun­dum agens cau­sare effectum
con­trarium ef­fec­tui con­­­serva­to a pri­mo agente. Sed Deus est agens fortissimum con­ser­vans ac­
tum beati­fi­cum. Igitur quam­­diu agens conservat istum actum non potest voluntas creata elicere
actum con­trari­um.“ Woll­ten wir der creatura eine Wirkungskraft zuschreiben, die sich gegen
die lex communis der Welt zu rich­­ten ver­möchte, müss­­ten wir ihr auch eine mit den innersten
Sachver­halten der Welt gege­bene Er­kennt­­nis und eine so ausge­breitete Kenntnis der Weltver-
hältnisse zutrau­en, dass sie ggf. danach die Welt­ord­nung abgeän­dert sehen könnte. For­mell
wird eine sol­­che Ände­rungskraft Gott im Sinn der potentia divina ab­so­luta (und auch nur
bedingt) zuge­schrieben. Gott ist aber auch causa immediata aller Dinge und das steht vorab
gegen die ex par­­te ho­­minis seu creaturae gedachte Ver­än­­der­barkeit der Welt. So gilt auch (ib.
lin. 10–12): „Et sic patet quod an­ge­lus bonus est impeccabilis ex sola voluntate Dei causante
actum beatificum et conservante, et non ex na­tura sua.“
105. Anders müsste man immer auf formelle oder analytische Aus­schlie­­ßungen, reelle oder
ver­meint­liche Tautolo­gi­en, Truismen usw., zurückgreifen. Die propositio per se nota und die pro­
positio immediata stehen hier als Satz­­­typen der menschlichen Erkenntnis nicht zur Verfü­gung.
Ob überhaupt eine Erkenntnis gleich welchen Trä­gers oder Zustandes hierzu möglich sei, muss
von der mensch­lichen Basis aus entschieden werden, womöglich im Sinne danach mög­licher
Kom­pa­ti­­bilitäten im Raum der Abstraktion.
106. Ord. q. 40 OT IV p. 592 lin. 19f. Die quaestio dort von pp. 592–597.
248 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Die Frage ist also, ob derjenige, den Gott prädestiniert zum Heil habe, doch noch
verworfen wer­­den und ob jener, von dem er vorauswisse, dass er verdammt werden
werde, dennoch er­rettet werden könne. Dazu antwortet Ockham: Derjenige, der er-
wählt ist, ist zufällig, nicht aber notwendig, erwählt. In diesem Sinne gibt es keine
mit einem inhaltlichen Vorgriff beste­hen­­de Erwählung. Danach kann der Mensch in
der Sache ebenso wohl erwählt werden wie ver­­­­­­wor­fen. Empirisch sind die beiden
Möglichkeiten gleich gegeben. Die Errettung hängt vom gött­lichen Willen ab, der
notwendig in kontingenter Weise verursacht. Er statuiert seine Akte ja nicht zwangs-
läufig oder mechanistisch. Aber, so fügt Ockham hinzu, dem Erwach­se­nen wird das
ewige Leben nur zuteil, wenn er verdienstlich gehandelt hat. Insofern hängt der Er­­
werb des ewigen Lebens vom Vermögen des Erwachsenen ab, ist also in sein Ermes-
sen – sei­ne Entscheidung – ge­stellt.107 Jemand kann also entscheiden, kein Verdienst
zu erwer­ben, dann wird er nicht errettet werden.108 Der Text enthält gewisse dogma-
tische Entschei­dun­gen nicht, auch nicht die nicht nach dem Grad der Mitwirkung des
freien Willens oder des me­ri­tum:109 „Circa primum tenendum est quod quicumque
est praedes­ti­natus, est contingenter prae­­­des­ti­natus, ita quod potest non prae­destinari,
et per consequens potest dam­nari quia potest non salvari. Hoc patet, quia cuiuslibet
salvatio dependet a voluntate divina contingenter cau­san­­te. Igitur in po­tes­tate Dei
est conferre cuicumque vitam aeternam vel non conferre. Igitur qui­­­­cum­­que potest
non salvari. Praeterea, nul­li adulto confertur vita aeterna nisi propter ali­quod opus
me­rito­rium; sed omne opus meri­torium est in potestate merentis; igitur talis potest
non mere­ri et per consequens potest non sal­vari.“ Der Text enthält keine Verwahrung
gegen Lu­thers Po­si­­­tion des „sola fide“ und keine Parteinahme zugunsten Luthers.110
Das malum bezeichnet eine Referenz, die kontingent zum actus hinzutritt, es ist
nicht in des­sen ratio enthalten:111 „malum autem in quantum tale est privativum et

107. Die Willensfreiheit steht hier nicht an; sie würde nicht gegen prae­destinatio und prae­
scien­tia verrechnet wer­den müssen.
108. Insofern greift eine Induktion, die nicht jedes Problem löst; sie er­laubt bedingte Feststellun­
gen mit einem ne­ga­tiven intensionalen Faktor auf einer in sich nega­tiv bestimmten empiri­
schen Basis.
109. Ord. d. 40 q. unica OT IV p. 593 lin. 17 – p. 594 lin. 3.
110. Die geschichtliche Fernwirkung Ockhams auf Luther qua methodischer Präferenzen
erscheint unbestimmt. Luthers Neigung zur via moderna Ockham, den er als seinen „magis­
ter meus“ liebt, weil der die scholastische Dogmatik, in Luthers Augen bedünkungsreich und
hochmütig und trugschlüssig, zerstört habe, ist bekannt. Eine Parallele zwischen Ockham und
Luther findet sich, wenn Luther im Glauben und den zugehörigen Heilstatsachen ein strikt
menschenbezogenes quasi nur positives Setzen Gottes sieht, wo Ockham strukturell menschli-
ches Denken an die Stelle des christlichen Lehrgehalts setzt. Für ihn war bezüglich der vorgän-
gigen Heilswahrheiten vorab Verstandesmühsal geboten, nicht Glaube. Denkerisches Urteilen
wird menschenbezogen bedingt absolut.
111. Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 414 lin. 13f.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 249

actus est aliquid posi­ti­vum.“ Es ist eindeutig, dass das malum nicht Teil des actus sein
kann, der in diesen determ­i­nat ein­ge­­schlossen wäre. So kann die Re­fe­renz kontingent
hinzukommen und aus­ge­wechselt werden. Wenn das Entwenden eines Ge­gen­standes
einen Raub darstellt, so ist es mit einem malum ver­­bun­den. Mit keinem malum ist es
verbunden, wenn dabei ei­ne Rück­­­­an­eig­­nung ei­nes zuvor selbst ent­wen­­deten Objekts
geschieht bzw. eine Präventivmaß­nah­­­me vor­liegt. Das malum kann also dem actus in-
haltlich nicht angehören. Beide treten in ein ‘Verhält­nis’ ver­mö­ge ihrer Struktur oder
der des Satzes. Diese Erklärung schließt ei­ne andere – ge­­rade im Sin­n von Definit­
heit – nicht aus. Sie ist mit ersterer kompatibel:112 „Hic tamen est adver­ten­dum quod
quandocunque terminus ex se, hoc est ex in­stitutione in­sti­tu­en­­tis et ex natura in­sti­tu­
ti­o­nis ha­bet supponere pro aliquo et ratione adiunc­ti pro alio, ubi­cun­que po­nitur ille
ter­mi­nus, semper habet supponere pro primo, sed ratione ad­iuncti pot­est sup­po­­­­ne­re
pro secundo praecise.“ Offenbar besteht immer ein Verhältnis von kon­tingenten Sät­
zen oder Erklärungen (Be­­stimmungen) zu Sätzen, welches die Kontingenz ab­bildet.
Die Sät­­­­ze fol­gen weder als sol­che noch nach den Bestimmungen auseinander. Die da-
mit gegebene Er­klä­­rung definiert ent­we­­­­der selbst die Kompatibilität oder beruht auf
ihr. Sie definiert die Ver­­­hält­nis­se, sofern sie über die Betrachtung der Sätze erfolgen
und nicht als Sachen in sich, und nicht die Konsistenz tut es. Auch hier wird übrigens
erkennbar, dass die Sünde (Verfeh­lung) nicht prägend sein muss, kann oder darf.
Man käme sonst zu Widersprüchen (Ab­sur­ditä­ten). Wäre nämlich die Sünde Teil des
actus und prägte (bestimmte) ihn, so dass er de­ter­­minat als Sünde an­zuse­hen wä­re,
dann könnte er als solcher niemals Sünde wer­den (als solche klassifiziert wer­den):
wir hätten eine fallacia accidentis. Der ac­tus könn­te nie­mals in Bezug darauf, dass er
eine Sünde würde, sc. nach den Umständen, die ihn dazu machen, ver­übt wer­den. Es
gä­­be vielleicht kei­nen freien Willen, den wir für die Begehung der Sünde als sol­cher
ja auch voraussetzen.113
Gott und Mensch werden also bei Ockham geschieden und ihre Differenz ent-
spricht der Un­­­­­­­­­­­­­ter­s­chiedenheit von substantia und accidens und deren in einer gewis-
sen Weise negativen Ver­­­­­hältnis.114 Wir haben aber damit bei Ockham Erkenntnisse,

112. Ord. d. 4 q. 1 OT III p. 9 lin. 15–19.


113. Die Sünde liegt also in der Referenz. Auch hier ergibt sich, dass wir Sätze behandeln und
betrachten müssen und nicht Fakten. Wir könnten uns sonst nicht von Widersprüchen etc. frei­­
halten. Mit einem Widerspruch kom­men wir natürlich bei den ‘Sachen’ an: wir erkennen nun
was in den Sachen nicht sein kann. Haben wir eine dis­tinctio realis, so sind wir auch bei den
Sachen. Daneben liegt die Sünde im Wollen (Willen), jedenfalls nicht im Objekt cf. Ord. d. 1
q. 3 OT I p. 414 lin. 4–15 und eben auch nicht in der Tat an sich.
114. Zwischen substantia und accidens kann es eine distinctio realis geben, die praktisch und
empirisch ermittelt wer­­den kann (Rep. III, q. 4 OT VI p. 135 lin. 7–19), so dass etwa die sinn-
lichen potentiae, wie sie untereinander realiter di­s­­tinc­tae sind, es auch gegen unsere schlecht-
hinnige potentia sensitiva sind. Ockham schließt aber meh­re­re formae für die sinn­li­chen Ver­
mögen aus. Sie widersprächen (ib. p. 136 lin. 16–21) dem Ökonomieprinzip: „Frustra ponuntur
plures formae.“ For­ma ist der direktive Begriff. Ein und dieselbe Form erstreckt sich auf die
250 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

mit denen der Mensch pro sta­tu isto ‘relativ absolute’ Positionen erreicht. Er erreicht
nicht eine schlechthin absolute im Sinn der dogmatischen Lehren und ebenso nicht
im Sinne der Erkenntnistheorie, wie er denn nicht mit Johannes von Mire­court sagt:
„pro­babiliter potest sustineri cognitionem vel vo­li­tio­nem (die auch für Ockham iden­
tisch sind) non esse dis­tinc­tam ab anima, immo quod est ip­sa anima. Et sic sustinens
non cogeretur negare propo­sitionem per se notam nec negare ali­­quid, aucto­ri­ta­tem
ad­mit­ten­do.“115 Es gibt für Ockham Struktu­ren (Begründungen von Struktu­ren), die
ge­gen die Idee, jede Erkenntnis beruhe und be­stehe in einer propo­sitio per se no­­ta,
mög­­­lich sind. Sie müssen den eher akzidentel­len Charakter des actus in anima un­
ter­stel­­­­len. Sie be­gründen den oder die actus aus der empiri­schen Kausation.
F. Hoff­­­­­mann schreibt:116 „Weil die sün­di­ge Handlung den Habitus der Seele nicht ver­
än­­dert, kann Gott ei­nem Todsün­der oh­ne Eingießung der Gnade das ewige Leben
schen­ken und umgekehrt ei­nen Ge­rech­ten, der sich im Stande der Gnade befindet, ver­
dam­men.“ Da bedeutet die Einfü­gung des Fak­­­tors habitus eine Suspendierung der ge-
wohnten Größen der Heilsord­nung, ohne dass die damit denk­barerweise verbundene

verschiedenen materiellen Par­ti­en des Lei­­­­­bes, die sie invadiert und von denen her sie als for-
ma nicht affiziert und bestimmt werden kann. Die­­­se par­tes werden nicht aus sich, d. h. gegen
die formae oder über sie ansichtig (ib. p. 138 lin. 10–12: „ex quo omnes is­tae par­tes ei­usdem
rationis et eiusdem formae non videtur quod potest uni parti com­pe­te­re quod non possit et
al­te­­ri.“ Das gilt auch bei den Naturerscheinungen: So sei das accidens bei der prismatischen
Farb­­er­zeu­­­gung keine Qua­lität eines Ge­gen­stands, sondern der umgebenden Luft, wie Ockham
(ib. p. 140 lin. 2–4) sagt. Ähn­lich (ib. lin. 6–14) die Aus­bil­dung des Mag­net­feldes. Beide Bei-
spiele sind für Ockham Analo­gie­bei­spie­le, um eine actio auf Dis­tanz als möglich zu er­wei­­­sen.
Die Nicht­verwen­dung der ontologischen Be­griffe for­ma und accidens und ihre Unterschei-
dung erbrächte letztlich kei­ne ande­re naturwissenschaftliche Er­kenntnis. Ockham induziert
für diese Be­grif­­fe. Für ihn ver­hal­ten sich causa und effec­tus (Rep. II, q. 2 OT V p. 35 lin. 11)
„sine ali­qua re­latione me­­dia.“ Er ord­net mit­tels der Un­ter­schei­dung und Tren­nung nach sub­
stantia und ac­­ci­­­dens die Bin­­nen­ver­­häl­t­nisse der Welt und Got­­tes Ver­hält­­nis zur Welt. Gott und
Welt tre­ten nicht in Wi­der­spruch. Die Welt wird fest­­­ge­hal­­ten; der Wi­der­spruchs­satz er­lischt ‘in
ihr’. Er­­­kennt­nis­se der ma­­­teria (res) in se ha­­­­­ben wir nicht. For­ma be­zeich­net ei­nen reflexiven
Leit­begriff, der gleichermaßen erkenntnistheo­re­tisch, the­o­lo­gisch wie natur­phil­oso­phisch ver­
wandt werden kann, af­fin den gedachten Variationen der Schö­pfungs­­ver­­hält­­nis­se, mit de­nen wir
nach Ockham falsche Schlüsse und Generalisierungen abfangen (negieren). Cf. Kap. 7 und 8.
115. Die Formulierung findet sich als Artikel 28 in der gegen Johannes von Mirecourt ge­rich­
te­ten Irrtumsliste. Cf. F. Stegmüller, Die zwei Apologien des Jean de Mirecourt, Recherches de
Théologie ancienne et médiévale 5, 1933, pp. 192–204. Dieselbe These bei Adam Wodham, cf.
Kap. 3 Anm. 79.
116. Cf. F. Hoffmann, 1941 p. 123. Ockham fächert Sätze typologisch auf, vereinheitli­cht nicht
zur einen propo­si­tio per se no­ta. So gibt es be­dingte Erkenntnisvarianten, mit denen der Mensch
in­ner­­­­­halb der Abstraktion im Sinn von Kom­­pa­ti­bi­litäten in ei­nen Raum ihm denkmögli­cher
Er­­kenntnisse, die dem viator pro statu isto noch nicht gege­ben sind, aufsteigt. Da­rin mögen Ver­­­­­
zicht und Selbstbekräftigung liegen. Das „Wider­spruchsprinzip“ hat hier kei­­­­­­ne Rolle (an­ders
H. Blu­menberg, 1966 p. 165f), denn es definiert nicht in absoluter Form In­hal­­te.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 251

Kausalordnung ersetzt, aufrechterhal­ten oder er­wei­­­­tert wür­­de.117 Aber es wird auch


keine bedingungslose Kontingenz oder Wahl­­lo­­sigkeit der Vor­gän­­ge unter­stellt. Es
wird allein eine persuasio zugunsten der Aufhe­bung der gleichsam me­cha­ni­schen Rei­
henfolge der Faktoren bei der Heilserlan­gung des Menschen vor­getragen: der ha­­bi­tus
be­deutet eine Aussetzung gewohnter Vor­stel­lun­gen, die auch als Kau­sal­­­­­vorstel­lun­­­gen
in­ter­pre­tiert werden können. Wenn sie das nicht sind, ist Ockhams Ein­wand erst recht
legi­tim. Die per­suasio beruht aber in be­sonderem Maße auf der Gleichsetzung und
Gleich­­­­ge­wich­tung (mehr­heitlich zweier) kon­trärer Mög­lichkeiten, die gemeinsam ne-
giert oder suspendiert wer­den. Es gibt das Moment der Kau­salität in der Realität in
keiner binden­den Wei­se; nicht nur nicht be­züg­lich der Fak­toren der Heilsordnung,
die ja nicht empiri­scher Na­tur ist, gilt das, son­­­­­dern auch bei den Kausalverhältnissen
in der Psychologie.118 Gott steht – in­clusive jeder Kau­salität zu denken119 – über bzw.
außerhalb der (geschaffenen) Welt.120

117. Die sündige Handlung bestimmt (definiert) nicht den habitus ‘inhaltlich’ (oder gegenständ­
lich): ‘Dass ich ge­sün­­­digt habe, bestimmt meine Neigung (ha­bitus, inclinatio) wieder zu sündi­
gen, nicht mich nach meinem Wesen (essentia oder substantia).’ Mein habitus (eine Relation)
be­dingt nicht (streng kau­sal) die künftige sündige Hand­­­­­­­­­lung, an der er indes beteiligt ist.
118. Daß Ockham das Kausalitätsprinzip geleugnet habe, genau wie das ‘tertium non da­tur’,
wurde von K. Mi­chals­­­­ki behauptet. F. Hoffmann, 1941 lässt immer durchblicken, dass Ock-
ham Leh­­ren und Äußerungen sträf­lich das Widerspruchsprinzip nicht zu be­rück­­sich­ti­gen
pfle­­gen. Für Ockham ist causa ei­ne Komponente oder Kate­go­rie, die in empirischen Be­zü­gen
er­hoben und erwo­gen werden kann, also dort mit­wirkt, nicht aber a priori den Ver­­hält­nis­sen
be­stimmend zugeteilt werden kann, so dass sie denn förmlich selbst um jeden Preis ord­­­nend
und lei­­tend eingesetzt werden könnte; sie hätte damit ja je auch nicht mehr als den Rang ei­nes
Postu­lats. Für Ockham kann Kau­sa­li­tät empirischen Verhältnissen nicht inhalt­lich ent­­­nom­men
werden, wie denn, wie er es aus­drückt, die causa ihren ef­­fectus nicht er­ken­­­nen lässt. Damit ist
schon die variable Kon­tin­genz der Ver­hältnis­se grund­sätz­­­lich denk­bar. Dass dann a fortiori
auch die Kausali­tät in der Über­tra­gung auf die Heils­ord­nung nicht lei­­tend wirk­­­­sam werden und
maßstäblich sein kann, ist beinahe evident. Sie ist nicht ein­­­mal empirisch.
119. Die Kausalität muss im Sinne der Kontingenz suspendiert werden, weil eine in­haltli­che
Überformung der Fak­­to­ren oder Größen ganz und gar undenkbar sein müsste, die das Re­ale
(die res) im Sinn der Dependenz aus Ver­hält­nissen ausschlösse. Damit wäre relatio = res. Cf.
hierzu auch Kap. 9 Ontologie und Induktion.
120. Dass für Ockham Gott als divina essentia außerhalb der Welt stehend gedacht wer­­den soll,
kann immer be­wie­­sen oder suggeriert (persuadiert) werden (Rep. II, q. 11, OT V p. 173 lin. 15):
„licet deus non ponatur mensu­ra ali­orum quo ad nos pro statu isto“, mithin nach den empiri­
schen Be­dingungen mensch­lichen Verstandes. Cf. Ord. Prol. OT I p. 32 lin. 22 – p. 33. lin. 2:
„(est) universaliter ille qui pot­­est ac­cipere de ali­qua veri­ta­­te contin­gen­t­e (-i) ex­perimentum et
mediante illa de veritate necessaria habet aliquam notiti­am in­­­com­plexam de ali­­­quo termino(,)
/§vel (de) re§/(,) quam non ha­bet ille qui non potest sic expe­ri­ri.“, so kann doch Gott als Maß
der Voll­kommen­heit ge­setzt wer­den (ib. lin. 17f): „tamen aliquo mo­do pot­­est poni mensura
perfectionis, sicut post di­ce­tur“, d. h. aliquo modo im Sinn der damit noch nicht be­stimm­ten
252 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Wenn er im Sinne der theologischen Lehren oder Fragestellungen von praedesti-


natio, gratia, re­pro­ba­­tio etc. etc. thematisiert werden soll, muss dies mit dem indexi-
kalisch nach dem Ver­hält­nis von Begriffen geschehen, die in wesentlich kontingenten
Sätzen stehen und zwar so, dass sie mit gegen alle Folgemäßigkeit indizierten Prädi-
katen bestimmt werden. Wir ha­ben so ein ar­gu­­­men­tum gegen die Beweisbarkeit und
die Basis für die Induktionen, die die Be­­­griffs­ty­pen und ebenso die Wertigkeit des Be-
griffs (passio) gegenüber de Realität intensio­nal fest­le­gen.121 Schließlich zieht Ockham
die distinctio ratione heran. Die distinctio ratione be­steht und le­gi­timiert sich nach
Ockham durch den an sich unbe­nom­menen Gebrauch ver­schie­­dener ter­mi­ni, deren
Begründung nicht wie mit der dis­­tinc­tio re­alis durch die Erfah­rung ge­geben ist und

Ausnahme, wie denn Ockham auch fort­fährt: (ib. lin. 18f) „et tunc dicetur mensura per es-
sentiam suam, quia per illam dis­tin­gui­tur reali­ter ab om­nibus ali­is.“ Gott steht also durch eine
distinctio realis außerhalb der Welt und zwar im Sinn seiner da­mit noch nicht bestimmten
essentia. Derart stieg Ockham auch nicht mit der Bestim­mung der Einzigkeit in die Wesenheit
Got­tes ein. Duns Scotus ‘be­weist’ uni­­tas als quali­tas der es­sen­tia des höchsten Sei­en­­den. Nicht
so Ockham. Cf. J. Klein, 1960 col. 1558: „Für den Er­weis der Exis­­tenz Got­tes ging er zumal
we­­gen der Schwie­­rigkeit des re­­gres­sus in in­­finitum von der Not­wen­dig­keit der Er­haltung der
Welt aus. Nicht zu bewei­sen ist nach ihm die Ein­­zig­­keit des Er­­­hal­ters und da­mit auch die Ein-
zigkeit Got­­­­tes.“ Ockham be­­weist aber die crea­tio, wobei nach ihm de­ter­mi­na­tio und implica-
tio zu­sammenfal­len. Im Text p. 32f o. im Fettdruck die nicht angegebenen Abwei­chun­­gen des
W 1495. Nach K. Mi­chalski, (K. Flasch ed.) 1969 p. 17 hält Johannes von Pollia­co die cre­a­tio für
nicht be­weisbar.
121. Die Welt, die eine geschaffene ist, soll doch nicht im Sinne Gottes in diesem anhängig
sein. Das scheidet nach der Definition der Begriffe (der Begriffsarten) aus und bedeutet, dass
das me­dium des Syllogismus und der con­se­quentia formalis entfällt. Die Abstraktion der Be-
griffe entsteht aus reinen Verhältnisvorgaben, ohne dass sie da­mit auch schon in­halt­lich in der
Wei­se eindeutig sein könnte, dass sie einem realen Ge­genstand zu ent­sprä­che und durch ihn
er­füllt würde. In genau diesem Sinn ist ja die Induktion als Verfahren bestimmt und ge­grün­det.
(Rep. II, q. 1 OT V p. 26 lin. 11–14): „dico quod sic oritur iste de­no­minatio ‘Deus est creans’ ex
na­tura rei: quod quando deus coexistit cre­aturae, tunc habet istam denominationem sine omni
operati­o­ne intel­lec­tus et omni re­latione reali. Et quando non sic coexistit, tunc non oritur.“ Die
deno­mi­natio ent­steht also aus der natura rei ohne doch im Sinn realer Er­fül­lung, quasi Gegen­
ständ­lichkeit der Relation zu ‘bestehen’. Die im Men­schen existie­ren­­de Abstrak­ti­on besagt nicht,
dass et­was wirklich in der Welt ‘gegeben’ sein müsse. Aber es ist für den Ver­stand legi­ti­miert
nach den Be­dingungen der Urteilsbildung, die unab­hän­gig vom Men­schen sich vorfin­det und
dabei dem Glauben entnom­men wird (Ord. d. 8 q. 7 OT III p. 260 lin. 15–17): „sed hoc est so­la
fide tenen­dum: quia Deus in principio creatio­nis mundi omnia pro­du­xit, ita quod nihil an­te
fuit in rerum natura praeter De­um.“ Fides und scientia oder ratio wi­­der­spre­chen sich nicht.
Die Abstrak­ti­on kann den Ge­sichts­punkt der fides auf­greifen. Der hierbei ver­mie­­dene Wider­
spruch (denn die Abstraktion stößt an keinen Widerspruch), steht an der Stelle der Wirklich­
keit. Formell geht die Abstrakti­on ihm und der Wirklichkeit voran. Sie ist im Sinn unantastba­
rer, aber ge­ra­de nicht als erfüllt (= per se erfüllt) zu be­­weisender Relationen begründet.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 253

damit verschiedene res vor­aus­setzt. Die impositio terminorum (ein alter gram­­­­­­­­­­ma­tik­
the­o­re­tisch-logischer Begriff) ist hier für einmal un­­abhängig von der Erfahrung.122
Die menschli­che Erkenntnis, die Ockham mit Satzge­brauch und Begriffsverständ-
nis wei­ter­­­­­führt, folgt da ihren Wegen mit einer Ausdehnung ins Unanfecht­ba­re. Die
Ab­strak­ti­on lässt bei Ockham den Wi­der­spruchs­satz hinter sich, der kei­nen Einwand
liefern soll und tat­säch­­lich nicht liefert. Wie sehr es sich hier nur um eine Stei­ge­rung
und Aus­weitung handelt, zeigt Ock­ham durch den Ver­gleich:123 „di­co … quod via-
tor pot­­est impo­ne­­re nomen ad distinc­te sig­­­ni­fi­can­dum De­um vel divi­nam essenti­am.
Hoc patet quia quicun­que potest vere intelli­ge­re ali­quid esse dis­tinc­tum ab alio, potest
in­stituere nomen ad illud dis­tincte significandum. Sed vi­a­tor pot­­­est ve­re in­tel­li­ge­re et
scire De­um esse distinc­tum ab omni alio.“ Ockham gibt also ei­nen In­­­­duk­ti­ons­be­weis
mit einer nur auf der Negati­on von Identi­tät beruhenden Unter­schei­­dung von Ge­gen­
stän­den. Gott, wie öfter gesagt, ist dem Menschen nicht vor Augen. Der Be­griff Got­­tes
kann nicht em­pi­­risch per notitiam intuiti­vam erworben wer­­den. Aber dessen Kon­­zep­
tion ist gleich­wohl nicht ausge­schlossen; sie ist fak­tisch gege­ben, was NB. dasselbe ist.
Wir haben die Bedingung der Un­ter­scheidung in ab­stractis festge­halten. Die relatio
ratio­nis ist immer schon in der ab­strac­tio enthalten, wie Ockham klar­­macht,124 indem
er sie ge­gen die relatio rea­lis absetzt. Sie ist demnach logisch früher. Denn die re­la­
tio re­alis kann den Wi­­der­­­spruchssatz nicht mehr voraussetzen.125 Unanfechtbarkeit

122. Es gilt mit Einschränkung J. Klein, 1960 col. 1560: „Die Offen­ba­rung sup­pliert die mehr
oder we­niger wahr­scheinlichen Theorien des philoso­phie­renden Men­schen“, was Klein so auch
„auf die Möglichkeit der Er­kenn­tnis der ethischen Gebote und den Got­tes­be­weis“ be­zieht. Bei
der distinctio ratione handelt es sich um ei­ne Ab­­strak­tion, die nicht die Of­fen­barung aufnimmt
oder ihr entspricht, sondern nur Kir­chenlehre. Hie­­r­­­­in al­so Aus­le­gung ist. Wenn Ockham (Ord.
d. 2 q. 11 OT II p. 363 lin. 5 – p. 36 lin. 4 mit Scotus) sagt, essentia (di­vi­na) und relatio (perso-
na) sei­en iden­tisch, nicht aber in je­der Hinsicht (modus), weshalb sie einen gewissen mo­dus
noni­den­titatis aufwiesen oder be­sä­ßen, der zur An­nah­me der distinctio realis zwischen ihnen
berechtige oder genüge, dann wird eine In­duk­tion durchgeführt, deren Ergebnis den theologi-
schen Sätzen zugesprochene Mo­da­li­­tät ohne realempirische Re­ferenz oder Geltung ist. Die­­se
soll ja ausgeschlossen werden und nicht nötig sein. Ähnlich hat Ockham für die dis­tinc­tio ratio­
ne (tantum) von induktiv argumentiert: mit der identitas realis wird die Nega­ti­on ver­bunden,
in der sie nicht em­pirisch mehr gilt: Die empirische Vergleichbarkeit wird aus­­­geschlossen. In
rebus gilt nicht die distinctio forma­lis, die in abstrakten Sätzen Be­griffe (Inhalte) ‘verbindet’ –
wie nicht Inhärenz usw.
123. Ord. q. 22, OT IV p. 55 lin. 4–9.
124. Ord. d. 30, q. 5 OT IV p. 385 lin. 16 – p. 386 lin. 20.
125. Der Widerspruchssatz wird dabei von Ockham in vielen Worterklärungen oder Be-
griffsumprägungen zu the­ologischen Zwecken, wobei sich beides a limine entsprechen muss,
durch im Prinzip unangängige empirische Äquivalente ersetzt. Danach werden dann theolo-
gische Aussagen möglich bzw. auch die Verwendung metaphy­sischer Begriffe wie forma (und
materia) in Verbindung mit dem Omnipotenzprinzip, wobei die materia in den Ge­gensatz zur
forma tritt, wie sie ja das Akzidentelle selbst schon ‘verkörpert’, u. a. bezüglich der menschlichen
254 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

und Unbegründbarkeit korres­pon­­die­ren. Die Unbegründbar­keit selbst gründet in der


Unerfahrbarkeit der res singularis in se, wie sie gleichwohl die Er­fah­rung bestimmt
(per notitiam intuitivam).126 Wo die Folgerung auf die Realität in sich und da­mit die
Wahrheit nicht gegeben ist und in eben diesem Sinn wo­mög­­­­­­­lich überhaupt Folgerung
nicht existiert, nicht gesichtet127 der begründet werden kann, da ist eben damit doch
die Induk­ti­on gewährleistet, die auf solcher Negation aufbaut. Die In­­­­­­­­­­duk­­­­­­ti­­­­­on aber
gewährleistet Unan­fecht­barkeit. Der Modus der Argumentation128 muss sich än­­­­­dern,
wenn Ausdruck und Wahr­heits­­anspruch nicht mehr per se und unumwunden oder
kraft der Fol­gerung­ zugestanden werden können.129 Dabei kann über Methode oder

Wahrnehmung. Nach Ockham soll der Widerspruchssatz auch in der Theologie eine regulative
Bedeutung ha­ben können, um doch gegenüber sacra scriptura und determinatio ecclesiae zu-
rückgezogen werden zu müssen. Aber er entfällt auch oft schon, i.e. wird in sich nichtig, wenn
die theologischen Auslegungen von einem Be­griffs­ma­­­terial ausgehen, das empirisch bestimmt
ist. Zwar will Ockham das empirisch-menschliche Verständ­nis be­wah­ren (fest­halten). Es indes
kann nicht auf den Widerspruchssatz sich stützen. Er vielmehr wird oft durch em­pir­i­sche Vor-
stellungen ersetzt, die sich analog als unangängig erweisen. So büßt er objektiv Wert ein.
126. Zur notitia intuitiva verhält sich die res extra als accidens und wird bei der Abstraktion,
die auch die notitia in­­­tu­itiva erfasst und umgreift, nicht aufgenommen. Das bestimmt dann
auch die Ausweitung unserer Erkennt­nis­se zur notitia in­tu­itiva, wie sie per Induktion erfolgen
kann. cf. dazu nochmals Kap. 12 Verflechtung und Abgrenzung der Akte.
127. Hier treten dann oft die die Kontingenz beschwörenden Gegenbeispiele Ockham auf. Da­
bei wird oft die Nicht-Folgerbarkeit betont, auf fallaciae verwiesen. Beides durchdringt sich.
128. Die Argumentation reicht dann bis zu Gott, den Engeln, der visio beatifica, bis zu ei­ner
Er­kenntnis der divina essentia, in der Gott nicht mehr medium cognitionis sei, wie in der visio
be­­atifica: es ist eine notitia abstractiva in patria, die nicht derjenigen in via entspricht, in der
der empirisch ge­bil­dete conceptus medium ist und die no­ti­tia intuitiva notwendig voranging.
129. Wenn diese Argumentation bis hin zu in Anm. 126 erwähnten Fällen fortgesetzt werden
kann, dann ist dabei nicht aus den Begriffen wie notitia intuitiva und ihrer Definition gefolgert
worden. Die Induktion von wei­te­ren kompatiblen Fällen widerspricht geradezu der Möglich­
keit der Folgerung und einem mit einer Folgerung ver­bun­­denen Anspruch von significatio.
Die Definitionen von notitia intuitiva und notitia abstractiva (z. B.) schlie­ßen die kompatiblen
Fälle ja nicht ein. Das wäre auch unter dem Gesichtspunkt nicht folgerichtig und nicht sinn­voll,
dass ja dann wieder aus einer oberen uns versagten Erkenntnis auf unsere ‘gleichlau­ten­de’’ sie
legitimie­rend ge­schlossen werden könnte. Hier schließt Ockham auch die Folge­rung wieder
mit aus. Für sie gibt es die Kon­di­­ti­on der consequentia formalis nicht.
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 255

den Metho­den­be­griff dis­putiert werden.130 Die Bestimmung des Erkenntniswerts ist


zunächst wohl offen.131
Wenn wir die Welt nach dem Maßstab unseres Erkennens in den Akten, den
Begriffen und Sät­zen repräsentieren, die wir von ihr haben, aber die Welt als dar-
in enthalten nicht un­ter­stel­len können, wenigstens insoweit nicht, als dies abstrakt
‘zugleich’ irgendwie anzugeben wäre, werden wir sie (nach ihren Eigenschaften und
ihrer Existenz) als genau in dem Sinne gegeben auch nicht fol­gern dürfen et vice versa.
Wir haben dafür keinen Maßstab (mehr). Dann aber müssen wir zu­letzt Gott, den
wir mit unseren Mitteln denken (die Mittel werden sei es aus der Welt kom­­­men sei
es mit ihr verträglich sein und Gott nicht ausschließen), als ter­minus exclusivus zur
Welt aus ihr herausnehmen.132 Gott hat mit dem Wi­­der­spruchs­satz nicht zu tun. Das
mensch­li­che Sub­jekt ist der termi­nus inclusivus der Welt. Es entnimmt ihr nichts, was
es im Sinn der Be­stimmtheit der Welt in se (die wir nicht mehr ken­nen und nicht
mittels des Widerspruchs­sat­zes er­mitteln) oder im Sinne eines Aktes als einem, der
von der Welt ‘be­wahrheitet’ wäre, zu den­ken hät­te. Die Akte sind bestimmtermaßen
‘frei’. Gott kann auf sie einwirken und er kann sie bewahren.133 Gott wird in nichts im

130. Ockhams Methode definiert sich über die Satzbestimmung als Ablehnung von conse-
quentiae derart, dass fal­sche consequentiae als dem Satzsinn nicht entsprechend abgelehnt
werden. So in der großen Res­ponsio ad ar­­­gu­men­ta Scoti Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 462 lin. 10 – p. 474
lin. 22. Das betrifft die Funktionsbegriffe wie di­s­tinc­­tio ratio­ne, d. re­a­lis, d. formalis etc. in
eins mit ‘elementaren Sätzen’ wie ‘essentia (divina) est relatio (perso­na)’. Da­­­­­­ne­ben ‘da­zwi­schen’
angesiedelte Sätze wie ‘(omne) aut essentia aut accidens’, wobei für Ockham Sach- und Wort­
wesen stets mitsamt gemeint sein können. Cf. Rep. II, q. 1 OT V p. 9 lin. 20f: „illud nomen
cre­a­tio ac­tio vel con­ce­ptus“. Wo Duns Scotus die Abstraktion für die Deduktion mit Konzepten
wie dis­tinc­tio for­ma­lis, na­tu­ra com­­mu­nis, species als abstrakten Inbegriff einer realen Geltung
usw. ver­säumt, gilt, dass Ab­­strak­tion von der re­a­len Geltung getrennt werden muss und jene
nicht diese ausdrücken kann. In dem Sin­n ist keine De­­duktion (per Folgerung oder auch syllo-
gistisch) möglich. Ockham Beweisbasis ist der kontingente Satz sqq.
131. Schließlich muss hier in Betracht gezogen werden, dass die Erkundungen und Be­griffs-
oder Inhaltssetzungen Ockhams – in der Theologie, aber auch erkenntnistheoretisch, gleich­
sam im­mer für eine scientia supranatura­lis – einen abstrakten imaginären Begriffswert an-
nehmen können, wobei über die Le­­­gitimität oder Illegitimität noch nicht entschieden ist. Nur
wird an dem Entscheid eine zu dem Zweck integral oder auch schlechthin kano­nisch werdende
Argumentation mitwirken. ‘Gibt’ es ihn denn dann?
132. Der Wi­der­spruchssatz ist wie Gott terminus exclusivus in Ockham Betrachtungen und
Argumentationen. Qua­si der andere. cf. Ord. d. 2, q. 9 OT II p. 313 lin. 13–17 „hoc est evi­denter
notum quod nunquam concipitur ali­quid inclu­dens contradictionem sine plu­ribus obiectis
conceptis, igitur conci­pi­­ens tantum unam rem sine plu­ra­li­ta­te obiec­to­rum non potest dubitare
il­lam rem includere con­tra­dicti­o­nem.“ Der Widerspruch reicht nicht in die Welt und das Sub-
jekt nicht bis zu ihm. Cf. hierzu nochmals deutlich u. Anm. 134.
133. Auch bei der conservatio notitiae intuitivae, so sehr sie supranaturaliter erfolge, gibt es
eine naturale Kompo­nen­­te wie bei der causatio notitiae intuitivae ausschließlich. Sie ist bei
256 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Gegen­satz zum Wi­der­spruchs­prinzip stehen. Da­bei kann auch nicht die Singularität
der res extra mentem in se ipsa als Stützpunkt des Wi­­­derspruchsprinzips oder gar
als supponierter Ausgangspunkt einer Gewinnung mensch­li­chen Selbstbewusstseins
gegen Gott und Kirchenlehre exegetisch gesichert werden.134 Wenn Ockham insge-

beiden, conservatio und causatio, uner­läss­­lich. Sie lautet (Rep. II, q. 12–13 OT V p. 259 lin. 15f):
„obiectum sit debito modo approximatum, in certa di­s­tantia existens.“ Auch für den Fall der
conservatio gilt so noch die Voraussetzung, dass naturaliter die Nähe des ob­iectum nach Zeit
und Ort anzuneh­men sei. Daraus kann induktiv geschlossen werden: (ib. lin. 16–18): „ideo
non possum iudicare illud quod cog­nosci­tur naturaliter intuitive nisi obiectum sit praesens.“
Wenn Gott mir per potentiam su­am supranaturaliter lo­quen­do die Kenntnis eines maxime re-
motum obiectum verursacht (ib. p. 258 lin. 20–23): „puta si deus causaret in me cognitionem de
ali­­­quo obiecto existente Romae“), gilt ebenfalls noch (!), dass ich über die existentia (praesen-
tia) des sehr ent­fern­­­ten Ge­­­­gen­­standes urteile (ib.) „sicut si illa cog­ni­tio habe­re­tur naturaliter.“
Die „notitia intuitiva intellectiva suf­­ficit ad iudicium tamquam causa proxima.“ So Ord. Prol.
q. 1 p. 27 lin. 5f. Das gilt pro forma cognitionis. Die Defini­ti­on der no­­­­titia in­tu­i­ti­va ist es, die
vom göttlichen Ein­­­­­griff her, der nur ex accidenti verfügend zu denken ist, wenn die De­­finition
oder ihr ‘Ge­gen­stand’, die no­titia intuitiva intellectiva nämlich, selbstredend nicht angetastet
werden kann. Auch die Wirksamkeit des habitus in in­­tellectu hebt nicht die naturale kausale
Relation zu dem, was der intel­lec­tus er­­kennt, auf. Ockham spricht von notitia intuitiva intellec­ti­
va; nicht von sinn­li­cher Wahr­neh­mung, nicht von Ent­rüc­kung (raptus), nicht von Täu­schung,
nicht von ir­gend­einer Ab­sicht Gottes, nicht vom Deus fallax, nicht von Durch­bre­chung der lex
commu­nis, nicht von Wunder. Er sagt le­dig­lich: die no­titia in­­tu­­i­ti­­va in­tel­­lec­tiva, aus sich selbst
verstanden, ist mit Urtei­len kompatibel, die res extra nos gel­ten, doch deren Exi­s­­tenz als reale
nicht ent­hal­ten. Es gibt gar keinen Grund sie zu fordern. Be­griff­lich ge­­­­se­hen ‘est nul­la ratio ut
res sit in facto’. Noch Got­tes supra­­­na­tu­­ra­ler Ein­griff kommt dem naturaliter Erlebba­ren gleich:
dem secundum le­gem communem Er­­­fahr­­baren. Der Begriff notitia in­tu­i­ti­va in­­tel­­lec­tiva ist se­
cun­dum ar­gu­men­tum de­finit. Ohne argumentum ist er in­halt­lich unverstanden; der natural
ent­stan­dene oder belegte (re­fle­­xi­ve) Be­griff kann nur als durch seine ratio in seiner Identität
be­stimm­ter verwendet werden. Hier muss und kann er nie als im Sinn der na­turalen Genesis er­
klär­bar zugrundegelegt werden. Im No­mi­nalismus müssen die Ak­te, da­runter Be­grif­fe, die res
bezeichnen, wie sie be­reits vorgegeben sind, doch noch­mals für und durch die Ar­­gu­men­­­tation
gesetzt wer­­den, die auch wieder von Erfahrungen zeugt und sie einbe­greift. In der Ed. Rep. II,
q. 12–13 OT V p. 259 lin. 19 – p. 260 lin. 25 noch der andere Fall, dass der viator per notitiam
intuitivam er­kennt (iudicat), dass ein Ob­jekt nicht gegeben sei, wozu die notitia in­tui­ti­va per
De­um supranaturaliter konser­viert worden sein muss. Es ist aber die natural bewirkte notitia
intuitiva.
134. Die Sin­gula­ri­tät einer mensch­lichen Einzel­per­son und die singularitas rei ex­tra animam
könnten für Ockham nicht Modelle oder Anhaltspunkte in dem Sinne sein, dass sie gemein-
sam Widerständigkeit oder Unab­hän­gig­­keit von intentionaler Vereinheitlichung wären und
ein Motiv in Ockhams Denken abgäben. Es könn­te nur als phan­tas­ma in Ockham ge­griffen
ha­­ben und dann nichts besa­gen. Wir sind nicht ausnehmend Dinge. Wir haben einen Ver-
stand und eine ani­ma, die von der Seite der Materie und der Natur aus nicht absolut = ab­so­lut
nicht erreich­bar sind. Ockham in­sti­tu­iert eine Ver­nunft, die zwar als ge­nerell mensch­li­­che zu
gel­ten hat, aber nicht kenntlich aus der mensch­­li­chen Natur des In­di­vidu­ums er­klärt wer­­­den
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 257

samt auf dem Wege zu einer natürlichen Theologie ist, so auch in dem erwei­ter­ten
Sinne, dass was theologisch auf Grund der ‘denktheoretisch’ angewandten Prinzipien
gilt, analog auch bezüglich der Natur zu gelten hat.135 Es ist natürlich eine Frage, ob
dann wenn ei­­ne Deduktion im quasi noch naiven Sinn à la Scotus unsere Wissen-
schaft von Gott er­mit­teln und darstellen können sollte, überhaupt von einer natür-
lichen Theologie zu sprechen wä­re. Denn letzten Endes wäre die Deduktion selbst,
wenn sie denn so angenommen werden kön­­­nen soll,136 gegenüber Inhalten neutral.

kann; dazu ist sie zu sehr met­­ho­­disch verfasst und erst zu er­­werben. Das stellt einen gewis­sen
Wider­spruch dar. Diesen Widerspruch muss die Methode selbst überwinden (desavouieren).
Vom intellectus aus können wir den absoluten An­spruch und dessen absolute Stelle begrün­
den, nicht seine Differenz (Distanz) zu Natur und Materie ange­ben. In der Neuzeit wird das
mit dem an­de­ren genealogischen Aufbau anders gesehen und behauptet, aber mutmaßlich nie
ausgewiesen.
135. Das Omnipotenzprinzip wird hier selbst naturalisierend in den Bereichen der Trinität
angewandt, etwa was die assumptio naturae humane angeht Rep. II, q. 1 OT V p. 15 lin. 3–8; aber
das gilt ebenso für andere Prinzipi­en, wie z. B. dieses ib. p. 14 lin. 20 – p. 15 lin. 3: „Sed necesse
est ponere aliquos respectus qui formaliter non per­ti­­nent ad aliquod genus. Cuius ratio est quia
impossibile est quod extrema alicuius contradictionis successive ve­ri­­fi­centur de aliquo, nisi
propter mutationem alicuius positivi, absoluti vel respectivi (grammatisch-logische Deu­tun­gen
vor­be­hal­ten).“ Dann aber eben auch in den Berei­chen physischer Erfahrung, der Naturlehre.
Das ist inso­fern schlüs­sig, als Ockham, wie nicht zuletzt in Kap. 4: Fides et scientia gezeigt,
anhand und bezüglich der Em­­­­pi­­rie für die Theologie (bei Ockham die Bestimmung der theolo-
gischen Sätze), die ontologischen bzw. mit den on­tologischen Termi­no­lo­­gien aufge­bau­ten Sätze
korrigiert. Überdies kann eine consequentia, deren an­te­ce­dens Gott betrifft, deren consequens
aber innerweltlich gelten muss (etwa dass ‘ich’ exklusiv ‘hienieden’ sün­di­ge!), im Sinne der cau-
satio consequentis (des Satzes wohlgemerkt), von Gott zur creatura übergehen und beide so
ver­bin­den. Gott betrifft meine Sünde nicht, außer dass er per Gebot und Verbot sie zur Sünde
dekla­rier­te; sonst bin­det sie ihn nicht. Sie geht ihn also inhaltlich im Sinne eines determinat
auf ihn anwendbaren Sat­zes gar nichts an. Analog auch nicht in persona. Wie andere, Anselm
von Canterbury oder Luther, den Be­treff ‘mei­­ner’ Sünde in Gott wirklich denken wollen, steht
dahin. Dass Gott davon (in seiner Ehre!) ‘verletzt’ oder ‘er­zürnt’ wor­­­den sei, erklärt nichts und
folgt menschlichen sozietären Mustern. Die unbekannte Genese der Empfindung in Gott ist
der unbekannten Genese des religiösen Empfindens im Menschen ‘korreliert’, seiner Bedürf-
tigkeit und Be­reit­schaft, Gott die Ehre zu geben. Dass er das tun müsse, ist in der zivilisierteren
Welt eigentlich unbe­greif­­­lich, in die hin­ein Luther seine Reformation vollstreckt. Das Religiöse,
von der Kosmogo­nie gelöst, gewann nie­mals mehr Ver­ständ­lichkeit.
136. Das eben ist nach den berühmten grundlagentheoretischen Ergebnissen von Löwenheim
und Skolem (Para­dox von L. und S.) so wie Gö­del schon zweifelhaft. Wenn die theologischen
Aussagen, an sich oder vermischt mit anderen, ableitbar wären, wie es bei Duns Scotus der
Fall sein soll, würde die Bestimmung der Teile dieser Aussagen schwierig, entsprechend auch
die Bestim­mung der Wahrheit und Gel­tung nach diesen Teilen; über sie aber geht Ockham
vor. Je übernimmt (und erhält) ein charakterisier­ba­res (ab­hän­giges) Element den Wider­
spruchs­charakter. Das Wunder ist, dass hier noch bewie­sen (argumentiert) wer­­den kann. Es
bedeutet äquivalent, dass die Argumentation eine Synthese der Ausdrucks­for­­men nach deren
258 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Wir könnten gegentheologische Weltausle­gun­­gen den­ken.137 Will man aber Ockham


ein wenig ausgeführtes (‘blasses’138) Gottesbild nachsa­gen, so lie­ße sich kon­tern, dass
man im anderen Fall innerhalb unserer Welt nicht einmal ein Gottes­bild oder ei-
nen ge­nü­gen­­den oder le­gi­ti­mier­ten Gottesbegriff besäße.139 In allem gehen wir bei
Ockham vom actus apprehensivus aus, dem der Begriffe (incomplexa) und dem der
Sätze (com­­plexa). Über den actus apprehensivi entstehen die habitus apprehensivi.
Die Evidenz als (empirische) notitia incomplexa bleibt maßstäblich; aber darüber

Be­­stim­mung erlaubt (‘enthält’). ‘Defi­nit­­heit’ für Begriffe und für Sät­ze ist damit zugleich einge-
schlossen. ‘Definitheit’ wurde zuerst für Sätze in Axi­o­­men­systemen von E. Zerme­lo, Über die
Grundlagen der Mengenlehre, Mathemati­sche Annalen lxv, 1908 ge­braucht. Hiernach hat Th.
Sko­lem, Ei­ni­ge Bemerkungen zur axiomatischen Be­gründung der Men­genlehre, 1923, Abdr. in
Th. Skolem, Selected Works on Logik (ed. J. E. Fenstad), 1970 grund­le­gend das oben genannte
Paradox gewonnen.
137. So wie Ockham auch eine andere Welt denken kann als unsere secundum legem com-
munem. Ob sie einen besseren Aufstieg zu Gott böte oder gar keinen, muss dahinstehen. Gott
könnte ‘uns’ mit dieser anderen Welt an­de­­­re Begriffe gegeben haben (bzw. gar keine oder ein
anderes Medium!); sie müssten dann auch jene Welt ein­sich­­tig machen können, bzw. einsich-
tiger als es die unsere ist; aber auch das ist damit noch nicht sicher. Cf. A. God­­dù, 1984 mit be-
sonderem Bezug auf die Frage, ob Gott dann die spe­ci­­­es und die or­­dines habe ändern kön­nen
oder nicht; die Frage scheint nicht umfassend genug gestellt zu sein. Denn selbstverständlich
müssten species und ordo als Begriffe dann aus unseren Kontexten secundum le­gem com­mu­
nem herausgelöst werden. Das ge­schieht aber bei Ockham nach dessen Beweismodi im Sinne
des Erlöschens der ‘normalen’ Logik. Bei Ockham liegt keinerlei semantisches Interesse vor,
weder analog dem Begriff der species, noch in dessen Sinn oder ali­quo­modo bezüglich seiner;
dasselbe gälte für den Begriff ‘ordo’, den Scotus ja über die ‘species’ aufbaute.
138. Mit insgesamt negativer Bewertung Ockhams W. Dettloff, 1963. Er wirft Ockham rein
logisches Ver­fah­­ren ohne tie­­fe­res the­o­logisches Sachinteresse und unschöpferische Wieder-
holung schon bekannter An­sich­­ten vor. Aber Ockhams auxiliärer Gebrauch ontologischer Be-
griffe, die for­­mell mit negativen Beweisverfahren ver­­bun­den sind, führt zum Erlöschen der
normalen oder formalen Logik, wie wir sie kennen.
139. Duns Scotus und Spinoza hätten operiert (zu operieren begonnen), ohne ihn zu haben.
Ockham zweifelt sogar oder gesteht den Zweifel zu, dass mit der notitia in­com­­ple­xa von Gott,
d. h. dem entsprechenden Begriff oder Na­­­men (sic!) Gottes, noch keine Gewissheit von seiner
Exi­­stenz verbunden sei: jemand könnte zweifeln, dass Gott möglich oder existent sei, weil der
Begriff so ei­nen Widerspruch einzuschließen vermöchte. Er weiß er es nicht durch irgendeine
Deduktion. Ord. d. 2. q. 9 OT II p. 313 lin. 8–12: „Sed viator intelligens Deum no­ti­tia in­com­­
ple­xa, quantum est pos­si­bile viatori, potest dubitare an includat contradictionem, quia potest
dubitare an in­­clu­dat contradictionem Deum esse, etiam quod firmiter credat quod nihil est
impossibile esse nisi inclu­dens con­­­tra­dic­tionem.“ Dies muss nach Ockham zusätzlich und ei-
gens geglaubt (sic!)werden! Ockham hat aber in der noti­tia in­tuitiva ein deter­mi­na­tes Prin­zip
der empirischen Erkenntnis (ih­­rer Re­le­­vanz) ange­nom­men. Aus ihr kann ent­­sprechend nicht
gefolgert werden und ebenso reflexiv nicht für sie (und gegen sie!).
Kapitel 5.  Aus dem Innern Gottes 259

erheben sich leicht und legi­tim ‘Eviden­zen’ (assensus), die weniger gesichert sind,
und über allen entstehen und erheben sich wieder ha­bitus.140

140. Quaestiones variae q. 5 O T VIII p. 188 lin. 681 – p. 189 lin. 693: „evidentia non est nisi
notitia causata aliquo praedictorum trium modorum: vel ex terminis quocumque modo co-
gnitis sicut in propositione per se nota, vel ex terminis intuitive cognitis sicut in propositione
contingente evidenter nota, vel ex notitia praemissae vel praemis­sa­­rum evidenter notarum, vel
aliquo alia modo consimili. Et in omnibus istis patet quod evidentia in actu assenti­en­­di non
distinguitur ab ipso actu, sed distinguitur sicut superius et inferius. Quia sequitur ‘evidenter as-
sentit, igi­tur assentit’ sed non e converso, quia aliquis potest naturaliter firmiter et certitudina-
liter assentire alicui com­ple­­­­xo sine omni evidentia.“ So kann eine conclusio bewiesen werden.
Es bestehe dann eine ‘Evidenz’ und Glau­be an die Wahrheit der bewiesenen conclusio. Dabei
entstehe (p. 190 lin. 2f) „forte aliquis habitus iudicati­vus quo evidenter cognoscit se scivisse
demonstrare eam quando demonstravit.“ Die Argumentation indes hat kei­­nen geschlossenen
formalen Charakter; sie ‘ermittelt’ nicht, sie verlangt inhalt­li­che Vor­­wegnahmen und mutet so
bloß behauptend an. Verfuhr der Ord. Prol. konstruierend, müssen nun dessen Ergebnisse in­
halt­­lich mit­ge­dacht wer­den. Der „Schluss“ ‘evidenter assentit, igi­tur as­sen­­tit’, wird durch Appell
(„si­cut superius et inferi­us“) „ge­stützt“; das antecedens cum determina­ti­one soll all­ge­mei­ner
und zudem em­pirisch bes­ser gegrün­det sein als der Folge­satz. Der unauthentische Diskurs läuft
auf eine petitio principii hinaus: der assensus sei evidentia. Wie nur?
kapitel 6

Theologie und Logikbegriff

Ockham fasst die res extra animam strictissime als res singularis auf. Sie muss da-
her in sich aus förmlich gleichen Teilen bestehen (quasi indistinkt zusammen­ge­­setzt
sein), in Son­der­heit auch so­weit die Abstraktion der Begriffe, in denen das Denken
von­stat­ten geht, stattfin­den soll. Die Ab­straktion setzt bei jedem in sich allge­mein­
heitsfähigen Be­standteil ein und an: „Si di­cas quod unum individuum per se in gene-
re non pot­est componi ex pluribus exsistentibus per se in ge­ne­re, respondeo: verum
est ex pluribus totali­ter distinctis non facientibus per se unum.“ Es wird so bereits die
distinctio realis vorausgesetzt. „Sed si fa­ci­­ant per se unum, et sint ei­us­­dem rationis,
tunc est falsum, quia ita potest conceptus generis abstrahi et praedicari de to­to com­­­­
po­sito ex illis individuis pluribus sicut de qualibet parte.“ Die Ab­strak­ti­on findet über
per se individuellen Gegenständen (singularia) statt. „Quando aliqua sunt eiusdem
rationis, si unum est factibile per se per potentiam divinam, et aliud. Et istae realitates
sunt huiusmodi, et pri­­ma est fac­tibilis per se sine alia, tamen per Deum sed non per
naturam.“ Auch müsste beach­tet wer­­­den, dass was in der Natur gemacht ist, also in
der Realität auftritt, nicht anders sein kann, weil es damit der gesetzten Schöpfung

. Das unterscheidet res extra animam und universale (= conceptus) cf. Ord. d. 2, q. 6 OT II
p. 179 lin. 25 – p. 180 lin. 3 „igitur nulla res est realiter communis pluribus; igitur nulla res est
universalis quocumque modo (Sache und universale). … quia per hoc distin­gui­tur universale
a sin­­­­­­gulari, quod singulare est determi­na­tum ad unum, uni­ver­­­sa­le autem est indif­fe­rens ad mul­
ta, illo modo quo est universale.“ Die reale Verwendung des universale für die ‘vielen Dinge’
ist dabei nicht ausgeschlossen. Cf. p. 179 lin. 24: „/§ vel saltem potest esse realiter commu­ne
plu­ri­­bus §/, freilich nicht: ‘in pluribus’. Damit kann für das universale nicht gelten, was für das
reale extra ani­mam gilt (cf. W 1495 ib. F): „realiter non est aliqua unitas nisi unitas singularis“
(entfällt kom­men­tarlos Ed.).
. Ockham sagt SL I c. 19 OP I p. 66 lin. 6–9: „Et est sciendum primo quod apud logicos ista
nomina con­­­­­­ver­ti­bi­lia sunt: ‘in­di­vi­duum’, ‘singulare’, ‘suppositum’ quamvis apud theologos ‘indiv­
i­du­um’ et ‘suppositum’ non con­­vertuntur, quia apud eos suppositum non est nisi substantia,
acci­dens autem est individuum.“
. Rep. III, q. 8 OT VI p. 239 lin. 16–22.
. Ib. p. 239 lin. 24 – p. 240 lin. 4. NB. Text geändert und markiert nach W 1495!
. Die Abstraktion setzt quasi einen Mengenbegriff voraus; dieser ist aber nicht derjenige,
der mit der Abstraktion selbst oder deren Ergebnis, sc. dem Begriff (universale) zusammenfie-
le oder identisch wäre. Das ist es, was ge­gen den vermeintlichen Extensionalismus Ockhams
262 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

widerspräche, die ja bereits aus der Hand Got­tes hervor­ge­­gan­­gen ist. Was innerhalb
dieser Schöpfung anders zu sein hätte, würde mit den aus dieser Schö­­­pfung entnom-
menen Begriffen logisch gar nicht entwickelt wer­den kön­­nen. „Igitur Deus pot­est
fa­ce­re secundam sine prima.“ Gott macht es nicht innerhalb der Kau­salord­nung und
Kon­­­­­tingenz. Er macht es per potentiam divinam absolutam supranatu­ra­l­i­­ter loquen­
do; dafür kann dann auch gesagt werden per argumentationem. Es entspricht der
dis­­tinctio for­malis: „Id­eo te­neo opinionem quam prius tenui quam iste (P. Aureoli)
tenet, licet eam impro­bet, quod sunt duae realitates eiusdem rationis facientes per se
unum quarum una pot­est es­se et in­tel­ligi sine al­­­­tera etc. Si dicas quod ista distinc­tio
non intelligitur nisi per argumenta­ti­o­­nem, di­co quod licet de facto non potest perci-
pi nec discerni distinctio illarum realitatum nisi per ar­gu­­­men­tatio­nem, ta­men Deus
potest facere quod una realitas intuitive videatur sine alia.“ Es müss­­­­te also sein, dass
die reale intuitive Erkenntnis neben und unterhalb der abstrakti­ven mög­lich sei. Die
Ab­strak­ti­on und die notitia intuitiva widersprechen sich aber in diesem Sin­­ne. Es gibt
damit auch keinen Beweis bzw. kein Argument, das auf der Stufe der Abstraktion,
i.e. der direkten Fas­sung der In­halte im actus apprehensivus die reale Geltung – ein-
deutig- behaupten könnte. Da­mit ist die­se Eindeutigkeit (Definitheit) der Zielpunkt,
nicht die reale Geltung – in se. In der an­a­ly­tischen Argumentationsart des Duns
Scotus muss identisch beides angenommen und un­ter­stellt werden. Ockham, der mit
(seiner Theorie) der Abstraktion deren Begrün­dung über eine Vielzahl von Argu-
mentationen und Argumenten (reprobationes), also in der Weise wie er sie einführt
+/= handhabt, anders „löst“ bzw. vermeidet, gewinnt eindeutigere Po­si­ti­o­nen mit den
von ihm eingeführten nur ‘abstrakten’ Größen: actus, actus ap­pre­hen­si­vus usw.

spricht (cf. J. Pinborg, 1972) spricht, der also von Ockham ex operatione sive ex fundamento
argumenti ausgeschlossen wird.
. Es gilt also auch: „adveniens potest fieri per deum – sed non per natu­ram.“ Damit zeigt
sich, dass die Abstrakti­on aliquomodo über dem accidens stattfindet, das ein negatives Moment
gegenüber der Realität (oder – ontolo­gisch – in ihr) bezeichnet und mit der distinctio realis
eigentlich das Fundament bietet. Die res sind somit auch ver­­möge oder über die accidentia
nicht eigentlich verbindbar (relatae); an dieser Stelle findet dann auch die poten­ti­elle Abän-
derung der Weltwirklichkeit oder ihrer Wahrnehmbarkeit per potentiam divinam absolutam
statt, bes­ser noch secundum potentiam divinam absolutam supranaturaliter loquendo; denn
mit der distinctio realis un­ter essentiae oder res absolutae respektive absoluta wird die Welt
per potentiam divinam absolutam nicht eigent­lich verändert, sondern gerade ein­mal partiell
unterdrückt, suspendiert. So sagt Ockham denn: secundum po­ten­tiam divinam absolutam na-
turaliter loquendo.
. Ib. p. 242 lin. 9–17.
. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Synthesis der Aktbegriffe quasi nie vollendet ist,
viel­­­mehr mit wei­­­­te­ren Argumentationen, worin Zweifelsfälle (Einwände) ausgeräumt werden,
vollendet werden muss. s. Kap. 12.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 263

Insgesamt aber bleibt die Zahl der Akte, die durch die Überformung mit weiteren
Bestimmun­gen, die darin Nochmöglichkeiten, i.e. Ne­ben­möglichkeiten, Kompatibi-
litäten, bezeichnen, in sich begrenzt; aber die der Kompatibilitäten, die sich ergeben
kön­nen, ist formell, je von der In­­­­­duk­ti­on abhängig, nicht so begrenzbar. Eben­­so wer-
den die Lösungen, die Ockham für die Gül­­tigkeit von Sätzen veranschlagt, wenn man
nicht grundsätzliche Typen annimmt, die dann wiederum formell durch Induktion
für die Inhaltlichkeit und in deren Namen gesichert werden können, diskontinuier-
lich erschei­nen. Von der Stufe der Abstraktion aus kommt man nicht wie­­­­­­der zu einer
in se als realistisch in realitate zu denkenden Konkretion. Die einzelnen Er­kennt­nisak­
te, sofern sie ausgezeichnet sind, schaf­fen nicht Kontinuität in einer Gesamtheit von
Erkenntnissen, so dass sie sie auch begründen könnten. Indes be­treffen sie reflexiv
selbst Erkenntnis. Gehen wir aber von der Ebene oder Stu­fe der Akte und den Zutei-
lungen, die sie nach Subjekten (Gott, Mensch, Engel, beatus) erfah­ren können, über
zu den Inhalten strictissime verstanden, so nähern wir uns den mittelalterli­chen Mo-
tiven in dem Sinne, dass deren Schnittpunkt theologisch das Verhältnis des Schöp­
fer­got­­tes zu dem Erlösergott sein muss­te – im Sinne eines Bruches der Logik und
inhaltlich nicht einheitlich, nicht glatt.10 Ein solches Motiv mag dann dem inhaltli-
chen Ausdruck in der scho­las­ti­schen The­ologie und The­o­rie – bis zum Grade der Pa-
radoxie – immer fern stehen.11 Man muss­te über die Theorie hin­aus in deren Struktur,
in die Ge­samtheit der Konstellation dessen was ar­gu­­men­­­ta­tiv und in der Er­örterung
möglich war, vordringen können.12

. Während das Ökonomieprinzip von Ockham eingesetzt wird, um die multiplicatio enti­um
oder entitatum auf­­zu­halten, werden hier zahlreiche untereinander kompatible Erkennt­nis­ar­
ten und womöglich zuzugestehende Ein­sich­ten denkbar. Sie werden aber nicht ‘abge­lei­tet’, son­
dern induktiv oder per persuasio präsentiert. De Gan­dil­lac glaubt, dass das Ökonomie­prin­zip
argumentativ dem Omnipotenzprinzip beitrete, indes zur Bestätigung oder Vermeh­rung der
Wunder. Das Omnipotenzprinzip steht aber eher auf der Seite der persuasio. Potest per­su­a­­­deri
per po­te­ntiam divinam ist ausdrücklich als Formel vorfindlich. Also ist dieses Prin­zip da­rin be­
grenzt und ver­­hilft zu determinaten Annahmen und Aussagen etc.
10. Widerspruch, Kontingenz und Weltgeschehen oder Weltauslegung, bzw. Christologie (und
Trinitätslehre), fal­len erst an dieser Stelle – problematisch – zu­sammen.
11. Bei Anselm von Canterbury sind Welt und Mittel in der Welt kontingent, die Rationalität,
die aber für Gott ge­­fordert und implizit a parte Dei gedacht wird, soll formell durch Not­­­­wen­
digkeit bestimmt sein; in dem Sinne sol­len die rationes (Gottes) als inhaltlich zulängliche iden-
tifiziert wer­den können; erst dann schließen sie.
12. Hier kann fast jeder beliebige Text zum Beleg dienen. Cf. etwa H. Theissing, 1970 p. 310
lin. 17–22 mit der dort von Ro­bert Cowton wiedergegebenen opinio: „Probo conclusionem,
quia supposito huius significato, sequi­tur sta­tim, quod Deus est, et ultra, si Deus est, sum-
me est, et si summe, omne aliud est participatione sui esse. Ex qui­bus con­cludimus eum ultra
esse trinum et unum, quae in propria ratione sui non includunt aliquam rationem prac­­ti­cam,
sed pure speculativam. Falsum est ergo, quod de ipso non possit haberi notitia speculativa.“
Es wird eine Art In­duk­ti­on auf der Basis des analytischen Argumen­tie­rens und Beweisens
264 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham lässt ‘met­hodologisch’ die Fi­xie­rung von Sätzen zu, die von Gott und
seinem Han­­­­­­­­deln gelten können oder sollen, er lässt auch eine Er­kenntnis Gottes, der
divina essentia, zu, in der die beati oder die angeli womöglich ihre eige­nen media
cognitionis haben, aber ver­mengt die Stufen oder Ebenen nicht.13 Allenfalls nä­hert
er sich met­hodologisch Gott an, aber mit Be­zug auf den Menschen, und in der aus­
schließ­­­li­chen Bin­dung an diesen. Er tut es im Rah­­­­­­­­­­­­­men mög­licher In­duk­tio­nen, mit
denen er sein Leitmedi­um, den actus apprehensivus, schafft bzw. bezüglich der dar-
in vorfindlichen actus oder notitiae ausgestaltet. Er begrenzt sich auch beim Blick­­
punkt auf ‘Gott’ auf den faktischen Menschen­stand­punkt. Der Stand­punkt Gott (oder
Got­­­tes) wird von Ockham nicht abso­lut ge­nom­­men; er wird es auch nicht faktisch
nach ei­nem Inhalt, den Gott dächte; er wird nicht secun­dum potentiam Dei ein­ge­
nom­­­­­­­­­­­­men; er wird nur als ein äuße­rer Zielpunkt in Rich­tung oder Be­zug auf die Ar­
gu­menta­ti­on ge­­­setzt.14 Die ac­tus oder notitiae, die induktiv in ihren Verhältnissen
qua Negation allgemei­ner, vereinheitli­chen­der, auch lehrmäßig apologetischer An-
sichten zerteilt und zerstückelt wer­­­­­den, sind damit immer nur apprehensiv, nur in-
tensional gefasst. Es gibt keine verein­heit­­lich­­ten (durchgängi­ge) kau­sa­le Strukturen,
sondern nur casus mit Betonung der Kontingenz und mit diesen casus de fac­to im
Wortsinn ‘Zerfäl­lun­gen’. Das Omnipotenzprinzip fungiert als Modus zwi­schen Not­­
wen­dig­keit und Kontin­genz, nicht nur in Fragen der realen Kausali­tät, sie benutzend
und auf sie zie­lend, wobei men­ta­le Er­schei­nungen und psychologische Ver­hält­nisse
(bei den Ak­ten) ein­be­zogen werden, sondern auch be­züglich der Wertung von Sät­­
zen (und deren Begrif­fen) in in­ten­sionaler Hinsicht, so in dem folgenden Beispiel:15
„Et ista (propositio) est neces­saria se­cun­dum intentionem Philoso­phi (nämlich der
Satz: ‘luna de­fi­cit quando sic opponitur soli’), quamvis non secundum veri­ta­tem,

vorge­nom­­­­men. Der analyti­sche Be­weis schließt etwas aus, was die Grundlage der Abstrak­ti­on
wird. Der Text entfernt express, will man ihn bil­li­gen oder nicht, Gott und The­o­logie aus der
Sphä­re des Menschen. Denn mit ihm sind wir zwangs­läu­­fig und un­­­be­streitbar auf der Ebene
der Ab­straktion.
13. Daher ist es auch immer noch möglich, dass Gott Sätze, die wir haben, nicht hat; das ist
dann kein Mangel im Sin­ne eines Vergleichs, sondern logisch im Sinne der Sätze, die wir im
Stande der Unterlegenheit pro statu isto haben. Wir haben unsere Sätze und in ihnen bezüglich
ihrer unsere Erkenntnisse; was wir von Gott sagen, ist dann mit ihnen vereinbar.
14. Wir können von Gott nicht wissen, was wir von der Welt nicht wissen können. Gott kann,
wo wir unser Nicht­wis­sen be­zeich­nen, nicht handeln; doch wo wir Möglichkeiten annehmen,
die wir nicht wirklich aus­füllen kön­nen, kann er sehr wohl handeln, er hat hier fiktiv Frei­räu­
me. Wir können hier sein Handeln nicht durch unsere Er­­­kenntnis erschließen, viel­leicht nicht
einmal richtiggehend approximieren. Induktiv eröffnete Möglichkeiten können nicht sachlich
oder gesetzmäßig gegen die Welt durchgesetzt werden und somit auch nicht dieser eine Not­­
wen­digkeit oktroyieren, wo diese Welt in der Kontingenz zu verharren hätte. Not­­wendigkeit
wäre so Gegen­kon­tingenz. Was jede logische Gültig­keit und Sig­nifikanz ausschlösse. Es gibt
Gott und den Menschen, zwi­schen denen zu ver­mit­teln ist.
15. Prol. Ord. q. 4 OT I p. 157 lin. 6–8.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 265

loquendo de potentia Dei ab­so­lu­ta.“16 Gott kann im Ver­gleichsbeispiel grundsätzlich


noch auf Begriffe einwirken und sie tren­­nen; die Wahrheit ist nicht außerhalb des-
sen schon per se gleich­­­­­sam in reali zu set­zen. Wir können nicht ab­strakt für empi-
risch nehmen. Eine Fol­gerung oder sonstige not­wen­dige Ver­bindung zwischen den
Be­griffen existiert nicht. Sie wäre denn ja auch förmlich ex parte rei zu erklären oder
an­zu­neh­­men. Sie läge vor der Ab­strak­­tion, mit oder nach der wir bewei­sen.17 Es han-
delt sich um reine Begriffskenntnis.18 Die Wahrheit, von der Ockham spricht, betrifft
nur das Verhältnis und die Struktur der Be­griffe (un­ter sich – und da ist es eben
denn nicht gerade nach empiri­schem Maßstab bindend) und erst über diese deren
reale Bedeutung (sig­ni­fi­catio), die von der Seite der Abstraktion hier denn auch, wie
die anderen hier anzufüh­ren­den Bei­spie­le zeigen, nicht als absolute festgestellt wer­
den kann.19 Daneben ist wieder ein­­­mal erkennbar, dass Ock­ham dort, wo Aristoteles
Notwendigkeit sieht (und das eben auch nach Ockhams Einschät­zung), Kontingenz
postuliert. Er reduziert (‘kor­ri­­giert’) in die­­sem Sinn aristotelische Sätze resp. Ansich-
ten.20 Er müsste es immer für Be­grif­fe tun und da­­bei unterstellen, dass diese kei­nen
wissenschaftlichen (Gesamt-) Zusammen­hang, womög­lich im Sin­ne einer einzigen

16. Veritas und omnipotentia gehen also – wenigstens hier – zusammen, was der Ver­mutung,
Ockham habe the­o­­­lo­gische Spekulation gegen allgemeinen Welt­sinn geltend machen wol­len,
konträr ist. Wir operieren aber mit dem Omnipotenzprinzip selbst abstrakt, jedoch nicht aus-
nehmend empirisch und nicht im Sinne vorgegebener On­­to­logie, es sei denn, um sie erst be-
treffende falsche Auslegungen bezüglich ihrer, also eigentli­che Erläu­terun­gen, aufzuheben.
17. Um ‘Folgern’ in einem ausgewiesenen Sinne handelt es sich dann auch nicht mehr. Konse­
quen­ter­weise: denn der Folgerungs- oder Notwendigkeitsbezug muss vor der Abstraktion aus­
ge­schieden und ausgeschlossen werden; sonst ginge er notwendig mit in die Abstraktion ein
und abstrakt und kontingent oder empirisch wären unun­ter­scheid­­­­­bar.
18. Cf. so auch Ord. Prol. q. 4 OT I p. 155 lin. 20 – p. 156 lin. 10: Man ‘könnte’ einen Begriff den-
ken, der die Er­leuch­­­tung des Mondes bedeutete und ‘determinate connotando solem’ keinen
anderen Plane­ten oder etwas an­de­res zu meinen hätte. „Ta­­­le praedicabile bene posset de luna
demonstrari“.
19. Wenn die Abstraktion für die Begriffe (deren Sätze mit einbeziehend) eingetreten ist – (die)
Abstraktion ist da­bei ihrem Range nach als einhellige, generalisierte zu werten –, dann muss
grundlegend für sie und die Begrif­fe ein eigener Modus der Deduktion angesetzt wer­den, der
auch nicht mehr Verbindung oder Folgerungsbezug im Sinne der empirisch genom­me­nen
Begriffe bedeuten darf. Ockham hatte hier bestimmte consequentiae als der Em­­pirie genuin
entsprechend definiert und war dafür als Logiker von wenig Geblüt gescholten wor­den. Kei­nen
Un­terschied zwischen Abstraktion und Empirie hinsichtlich der Erklärung der Be­griffe, die
einen jeden da­von auf die relatio zu anderen stützt, macht Walter Chatton, der nach Ockham
in Oxford die Sentenzen liest.
20. Bei Ockham dependiert alles (opinio, Beweisstruktur) aus der Emendierungspotenz der
Kontingenz.
266 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Diszi­plin hervorgehen ließen.21 Aber eben auch keine genuinen oder formierten
Schlüs­se im Ein­zel­­nen. Alle genuinen Schlüsse wären dabei formierte. Ihre Erklärung
(qua Defi­ni­tion wie qua Begründung) kongruiert dabei mit dem Ausschluss (Negati-
on) falscher Schlüs­se, die fal­sche Be­gründungen für sie zu enthalten hätten. Danach
sind die Sätze und die Schlüsse determinat.
Fälle empirischer Schlussweisen, die nicht vollgültig im abstrakten oder im all-
gemeinen Sinne sind, charakterisiert Ockham als demonstratio per causam extrin­
secam22 und demonstra­tio par­­ticularis.23 Die demonstratio per causam extrinsecam
ergibt keinen vollgültigen Schluss „quia causa extrinseca rei24 est tantum causa rei in
esse in effectu; igitur non potest esse medi­um demonstrandi nisi concludendo ali-
quam differentiam temporis.“ Damit sind wir auf die Kon­­­­­­­­­­­tingenz verwiesen, ebenso
auf die Erfahrung.25 Ockham gibt als Vergleichsbeispiel: wenn man Gott als medium
in Beweisen einsetze, wo er doch causa extrinseca aller Dinge sei, ergebe das keinen
vollgültigen Schluss:26 „Similiter, aliter possent omnia demonstrari per De­­um tam­
quam per medium, quia est causa extrinseca tam efficiens quam finalis omnium. Sed
hoc est in­conveniens.“ Die als demonstratio particularis (im Gegensatz zur demon-
stratio uni­ver­­­sa­lis) bestimmten Syllogismen sind in derselben Weise auf contingentia

21. Ockham, der Ord. Prol q. 1 OT I p. 9 lin. 13–15 Aristoteles zitiert und kom­men­tiert: „et
Meta­phy­­­si­cae III (di­ci­­tur) ‘Posteriorum in­­vestigatio prio­rum est solu­tio dubitatorum’. Sic etiam
accipi­tur sci­entia quan­do di­citur li­ber Me­ta­­physicae vel liber Physicorum esse una sci­entia“,
kann diese ei­ne und ein­heit­liche Wis­sen­schaft nicht her­stel­­len. Er betont die entsprechende
aristotelische Absicht. Ockham zer­legt ein solches Konzept in Teilaspekte, die er ad inte­grum
nicht mehr zu­sam­­­men­fü­gt. Kausal­me­­­cha­­ni­­­sche Deutungen lässt er we­der im Ver­stand noch in
realitate zu; er löst Vor­stel­lun­gen auf, wo­­rin bei­­de par­­al­lel liefen. Sie ge­hörten einer Weltauffas-
sung an, für die sich Bewei­se nicht kon­zi­pie­­­ren und Ma­­xi­men nicht verteidi­gen ließen. Da­­nach
wäre sie falsch. Falsch hieße nicht beweisbar. Hier entsteht die Definitheit für die frak­tionier­ten
Ansichten und ihre Bestandteile.
22. Prol. Ord. q. 4 OT I p. 155 lin. 11–14.
23. Ib. p. 154 lin. 7–19.
24. Entsprechend gelten die Forderungen nicht, die Autrecourt scholastischer Denkweise
und Be­­­­­weistechnik ent­ge­­­genhielt: nämlich eine absolute Wandelbarkeit aller Weltverhältnis­se
qua­­­­­si zwi­schen Sonnenuntergang und Son­­nenaufgang in Rechnung zu stellen und implizit Au­­
trecourts Atomismus zum Maßstab zu machen. Der wäre da­mit als Gegenposition zum No­
mi­nalismus der Be­­grif­fe anzunehmen. Autrecourt ‘übernimmt’ abstrakte Begrif­fe und will zei­
gen, dass sie leer seien. Derart müssen sie zugleich überempirisch sein. Die Funk­ti­ons­be­gri­­f­­­fe
Ock­­­hams sind es. Sie korrespondieren Autrecourts Kritik und lösen sie auf.
25. Die Wirkung mag von der substantia oder vom accidens ausgehen, was, wie Ockham sagt,
per experien­ti­am entschieden werde. Also, so kann man folgern, kann die experientia in se
nicht entschlüsselt werden: es kann nicht gesagt werden, was in se sie ausmache.
26. Prol. Ord. q. 4 OT I p. 155 lin. 14–16.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 267

bezogen.27 In ihnen wird für die conclusio kein ‘semper inesse praedicati in subiecto’
gefolgert, sondern dieses „in­esse“, das Ockham bei der Beschreibung der contingentia
(propositiones contingentes) an­gibt, aber von on­tologischen Ausdeutungen in betont
realistischer Manier erklärtermaßen frei­hält, gilt nur „pro aliquo tempore determina-
to“.28 Es gilt dann wieder, dass die Erfahrung über die Einsicht und den Wahrheits-
gewinn entscheidet, nicht absolut die demonstratio:29 „per nul­­­­lam demon­stra­­tionem
concluditur quod luna est eclipsabilis, quia ista (propositio) non pot­est sci­ri nisi per
experientiam, sicut non potest sciri nisi per experientiam quod luna est illu­mi­na­bi­lis
a sole. Sed postquam ista est scita per experientiam, demonstratur quod tale tem­po­re
vel tali eclipsabatur, sic arguendo: quandocumque terra interponitur inter solem et
lunam tunc luna ec­li­­psabatur; sed quandocumque sol est in tali situ et luna in tali tunc
terra interponi­tur inter so­lem et lunam; er­go tunc luna eclipsabatur.“ Gewiss liegt
auch hier im Obersatz (Ma­jor) eine Ver­­­­­­­allgemeine­rung vor und doch führt sie nicht
aus sich zu einem un­­­­­gebrochen allge­meinen Be­fund in der con­clusio. Es ist davon
abhängig, dass die Aussage und dann der Syl­logismus nicht kategorisch ist, sondern
hypothetisch. Er enthält eine ‘determi­natio conditi­ona­lis vel tem­po­ralis’. So denn auch
Ockham:30 „Et communiter tales demonstrationes, si sint (sic!) ex sim­­­pliciter necessa­
ri­is, sicut hypotheticae, condicionales vel temporales, non categori­cae.“31

27. In ausführlicher Beschreibung ib. p. 154 lin. 7–19.


28. Ib. p. 154 lin. 7–19.
29. Ib. p. 154 lin. 22 – p. 155 lin. 6.
30. Ib. p. 154 lin. 20–22.
31. Ockham hatte die Intensionalität vorab betont und auf sie sich bezogen und von ihr
aus den Unterschied zur Re­­alität gemacht; zwischen beiden muss die Induktion vermitteln.
Niko­laus von Autrecourt glaub­­­te, dass was nicht em­pirisch vorgewiesen werden könne, auch
nicht be­wiesen, also ge­fol­gert wer­­den könne. Er gab eine Ver­hält­nis­ord­nung in Form einer
conse­quen­­tia vor, um oft­mals oder grundsätzlich zu bestrei­ten, dass in deren Sinn von einer
Exis­tenz zu einer an­deren, bzw. von einem antecedens mit Exis­tenz­apostrophierung zu einer
wei­te­ren in dem Sinne (in der Form des oder eines consequens) zu gelangen sei: „Quando ex
ali­quo an­te­ce­­dente, si esset po­situm in esse ab aliquo agente, non pos­­set inferri con­­se­quentia
for­mali et evi­­denti aliquod consequens, nec ex illo antecedente pot­e­rit inferri il­lud consequens,
a quo­cum­­que fuerit posi­tum in esse.“ (I. Brief ­an Bernhard von Arezzo). Cf. D. Perler, 1988 p. 4.
Folgerung wird damit an ‘Existenz’ gebunden, als Regel von dieser abgehoben und getrennt,
jedoch so dass die Regel selbst dieser Bindung Ausdruck verleiht und auf ihr beruht. Die Regel
müsste geführte (und unbekannte) Beweise voraussetzen, deren Regel sie definit nicht mehr
sein könnte. Als Kriterium könnte sie vielleicht als absurd erwiesen werden. Woll­te Au­trecourt
beweisen, dass es nur em­pi­rische oder kontingente Sätze, bzw. Kon­tin­genz in der Welt, gebe, so
hätte er es möglicherweise getan, um den Preis, dass sein Be­weismittel oder seine Be­weisidee
der Absurdität, die sie beweisen hülfe, a limine schon ver­fal­len gewe­sen wä­re. Das hätte zu
bedeuten, dass (die) Definitheit verfehlt worden wäre oder nicht existie­ren könn­te. Das könn-
te einen elementaren Fehler abgeben. Autrecourts For­de­rung, wie sie klingt, übersteigt jeden
met­­hodi­schen Rang. Sie „soll“ tatsächlich zu­gleich Un­möglichkeit aus­drüc­ken. Das entspricht
268 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Dass Ockham kein ‘a priori’ aufbaut oder auch nur voraussetzt, kann bewiesen
wer­den, da er das ‘a priori’ mit dem ‘principium per se notum’ identifiziert,32 die-
se Er­kennt­nis aber nicht für die einzige anerkannte und legitime hält und seine Er­
kenntnistheorie ge­nerell nicht über die pro­positio per se nota aufbaut. Sie hat eher
eine Randexistenz.33 Deut­lich:34 „Non sunt idem­… ‘principia pri­ma’ et ‘principia per
se nota’.“ Dabei gibt Ockham zu, dass (ei­ne) sci­entia, die aus einer ande­ren notitia
complexa entste­hen muss, unvollkommen sei. Sie sei weni­ger vollkommen als die
notitia intuitiva, die auch Gott einzig habe:35 „conce­do quod intellec­tus di­vinus non
habet scienti­am sic stricte sumptam“ – nämlich eine scientia, die aus ei­­­nem Be­­­weis
hervorgehend gewiss geworden sei, nachdem sie zuvor bezweifelt wur­de. „Nec ista sci­­
en­tia dicit perfectionem sim­pliciter sed in­clu­dit imperfectionem, scilicet quod sit nata
pro­du­ci ab alia notitia comple­xa.“ Sie geht also aus einem anderen Satz hervor. Über
diesen Satz in sich wird damit noch nichts gesagt. Gott kann natürlich immer nur eine
in actu voll­kom­­­me­ne Er­­kenntnis haben und muss da­her schon und ausschließ­lich
eine notitia intuitiva ha­ben.
Aber auch die notitia intuitiva ist damit noch nicht in sich als vollkommen aus-
gegeben. Ein termi­nus, der wie notitia intuiti­va, nicht analy­tisch ausgelegt werden
kann, sondern viel­mehr dem ent­gegen durch seine ‘ra­tio’ bestimmt wird, kann auch
nur partikular per inductio­nem ange­wandt, d. h. in Funktion ge­setzt werden. Diese
überstreicht abstrakt Fälle, die im Sin­­­ne einer implicatio dann negativ, i.e. als nicht
wi­dersprechend dargestellt und integriert werden müs­sen. Eine solche Abstraktion,
die im Sinne einer ‘ratio’ kodifiziert wird, setzt kei­ne essen­ti­a­lis­­ti­sche Tautologie, wie
das Vig­naux glauben wollte, sondern sie wird im Sin­­ne von Nicht­wi­dersprechendheit
ausge­legt und eben damit entwickelt oder „expliziert“. Äquivalent gilt dann auch
eine persuasio ein­ge­leitet mit: ‘non est maior ratio’, ‘non est incon­ve­niens’ und wei­­tere

Autrecourts Skep­tizis­mus, der zum anderen Teil für ihn auch auf dem Zwei­­fel an der wirk­lichen
Gewiss­heit der scheinbar evi­den­ten Ansichten und Annah­men be­ruht. Er kennt und anerkennt
damit aber keine Induktion. Insofern er an dem Wert sowohl des sinnli­chen wie eines jeden
geistigen (intellektualen) Da­tums zwei­felt, könnte für ihn der Ver­gleich mit Hume angenom-
men werden; inso­fern Hume gerade an die Induktion als Ver­mitt­­lung halt­barer ‘Erkenntnis­se’
glaubte, weniger. Autrecourt zwei­felt an jeder Evi­denz, wie sie im Bewusstsein vor­kom­men
könn­te.
32. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 84 lin. 7–11.
33. In dem Sinne beweist er ja mit Hilfe der propositio per se nota gegen Thomas von Aquin, in­­
dem er der pro­po­si­tio per se nota die Funktion eines defizienten „Restgliedes“ zuweist, mit dem
eine affinempirische, aber nicht ‘er­­füllte’ (bewiesene) Qualität behauptet wird. Es wird was hier
für die propositio per se nota gesetzt wird, die Identität und Nähe der s und P, weil und wie es
nicht bewiesen werden kann, für keinen anderen Satztypus (mehr) übernommen. So induziert
Ockham.
34. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 87 lin. 17f.
35. Ib. p. 83 lin. 13–16.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 269

ähn­liche For­mu­lie­­run­gen. In ihr ist ebenfalls eine falsche conse­quen­tia aufge­ho­ben


(ku­piert). Der Begriff (qua ratio) kann keine accidentia oder individua ent­­halten und
so­mit (vermöge dieser) keine Folgerungen bedingen. In der Form der accidentia
(oder indivi­dua) müssten casus sein oder die­sen derart gleich kom­men, wenn aus
ihnen eben die­­se casus mit allgemeiner reprobativer oder widerstreitender Be­deu­
tung entwickelt werden könnten. Ei­ne solche Entwicklung kann es theoretisch nicht
geben. Das ist damit funktional (typologisch) definiert worden. Ockham muss die
Allgemeinheit der/von Erkenntnis (in sich selbst) an­neh­men. Er kann sie aber nicht
(ausschließlich) auf die Wahr­nehmung von indi­vi­dua (i.e. no­ti­tia intuitiva) stützen.
Er sagt deshalb: viele notitiae intu­i­tivae seien nötig, wenn eine allge­mei­­­ne Aussage
(principium) aus Einzelfallerkenntnissen ge­schöpft werden (können) soll:36 „forte re­
qui­run­tur frequenter multae notitiae in­tui­tivae. Sicut ponatur quod hoc sit pri­mum
prin­­cipium ‘omnis herba talis speciei confert febri­ci­tanti’: ista per nullas proposi­ti­o­­
nes no­­­ti­o­res potest syl­logizari, sed eius notitia accipitur ex no­titia intuitiva forte mul-
torum. Quia enim iste vidit quod post co­­mestionem talis herbae se­que­batur sanitas
in febricitante, et amo­vit om­nes alias causas sani­tatis illius, scivit evidenter quod ista
herba fuit causa sanitatis; et tunc ha­bet ex­pe­ri­men­tum de sin­gu­lari. Est autem sibi
no­tum quod omnia individua eiusdem ra­tionis habent ef­fec­tus eius­dem rationis in
passo aequali­ter disposito et ideo evidenter accipit tam­quam princi­pi­um quod omnis
talis herba confert fe­bri­citanti.“ Ockham muss sich not­wen­­­­dig auf die Ab­strak­tion
hin be­wegen, die er per Argu­men­tation und persuasio­nes vorzu­neh­­men hat. Diese
Über­le­gun­gen schließen sich aber konsis­tent den vorstehenden an. Alle Über­legun­
gen und Er­örterungen Ockhams erscheinen wider­spruchsfrei unter dem Aspekt der
aus der em­­piri­schen Singula­ri­tät entstehenden Induktion, wel­che sich dem ‘a prio-
ri’ entge­gen­setzt und be­wirkt, dass alle seine Erörterungen förmlich (de­terminat)
miteinander verbun­den einen Wider­spruch in der Sa­che (res ipsissima singularis)
nicht mehr haben können. Sie ver­­binden also al­le Konzepte. Sie werden unter dem
Gesichts­punkt der Abstraktion vereinigt sein. Ihm ent­spricht die empirische Fundie-
rung der gebrauchten Begriffe.37 In­haltli­che Allge­mein­heit fällt nicht mit sach­­licher

36. Ib. p. 87 lin. 1–12.


37. Ockham setzt mit unseren Begriffen die Welt secundum legem communem (Schö­­pfungs­
wirk­lichkeit) vor­aus. Rein deduktive Ermittlungen im Sinne empirischer (= vordeduktiver)
Wahrheit müssen zwischen de iure Gel­­tung und Geltung de facto unentschieden erscheinen.
Ockhams Zer­le­gun­­gen der Sätze in ih­re Ele­men­­te schlie­ßen die Im­pli­­kation zwischen den noti-
tiae der Begriffe aus. Die Be­griffe (Begriffs­ar­ten) ent­halten sich da­her auch nicht. Sie schließen
sich nicht inhaltlich ein. Für Ockham ‘gibt’ es vorderhand nichts, was nicht der Re­al­welt de
fac­to ent­spräche. Ockham denkt auch bei der über­na­türlich verur­sach­ten no­ti­tia in­tu­itiva, die
er a solo Deo und su­pra­­na­turali­ter ver­ur­sacht nennt, an real existierende, we­nigs­tens fiktiv mög­
li­che res. Cf. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 258 lin. 11–23: Sie mö­gen etwa fernab in Rom exis­­tie­ren.
Auf­grund der no­titia in­­tu­i­ti­­­va benöti­gen wir keine se­­man­tische Fun­die­r­ung. Da wir die notitia
intuiti­va von Got­tes Essenz in pa­tria an­neh­men kön­nen, ist auch der Be­griff Got­tes un­­strei­­
tig. Er kann induk­tiv ver­­teidigt wer­den, da wir ihn da von ac­cidentia frei­halten und ihn nicht
270 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

zusammen. Das ist laut dem Gebot der Definitheit unmög­lich. Es könnte stets falla-
ciae geben und zwar auf der Stufe der empirischen Aussagen wie der reflexi­ven der
Er­kenntnistheorie, Wissenschaftslehre und bei den Konsequenzen. Unterschie­de­ne
casus stel­len da implizit abgefasste Modi in der Be­zeich­­­nung der Begriffe entspre­
chend der In­te­gration in den Satz und mit Bezug auf die Reali­tät extra animam dar.
Diese Modi kön­nen sich nicht widersprechen. Modalisierung über­haupt bedeu­tet bei
Ockham: Vermeidung oder Umgehung des Widerspruchs, anders: Wi­­der­sprü­che qua
Rekognoszierung der Inhalte ent­­­fal­len. Da die Modi differentiell in der In­duk­­ti­on
elaboriert wur­­­­den, können sie auch aus die­­sem zweiten Grund sich nicht widerspre­
chen. Die Verbindung der Modi zur Induktion aber beruht darauf, dass wir in dieser
den Wi­der­­­spruch auch ak­tiv ausschalten.
Ockhams Erörterungen zeigen: Die Kontin­genz kann die Not­wen­­digkeit nicht
in sich ent­hal­ten und eben auch nicht über das Me­dium der Be­grif­fe, Sätze, Be­
weis­führungen etc. Eben­so kann (die) Notwendigkeit nicht in diese ein­gehen oder
eindrin­gen, indem sie über (höhere, überge­ord­nete) ‘Begriffe’ bestimmt wür­de oder
be­stimmt wäre, so dass sie dann für die Sätze, Be­grif­fe, Schlussfolgerungen allge­mein
sich er­gä­be. Also in der Reflexion auf die Erkenntnis- und Satzformen des menschli-
chen Ver­stan­­des. Förmlich muss diese Erörterung immer das ana­­­­­lytische Schlussfol-
gern ausschließen, weil da­rin die Fol­gerung auch über individua, sin­gu­lär fixierten
accidentia gelten müsste.38

über acci­den­­tia wahrnehmen. Die notitia in­tu­i­tiva kann ‘abstraktiv’ bezüglich der significa­tio
abge­trennt wer­­den (Prol. Ord. q. 1 OT I p. 70 lin. 16–18): „forte non est inconveniens quod res
intuitive vide­tur et ta­men quod in­tellectus iste credat rem non es­se, quam­vis naturaliter hoc
non potest fieri.“ Die res extra ist defini­to­risch nicht in der ratio der notitia intuitiva mit­ge­
geben (= intensional eingeschlossen) (cf. ib. 18–20). Die notitia in­­­­tui­ti­va und die res trennt eine
distinctio realis. Die no­ti­tia in­­tu­i­tiva steht für die notitia abstractiva als In­dex, der die Im­pli­ka­
ti­on er­setzt. Das Ver­­hält­nis von no­­titia ab­strac­­ti­va und no­titia in­tu­i­tiva entspricht der Um­keh­­
rung der Fol­­gerung, wie wir sie auch beim Ver­hältnis von Er­kennt­nis und praxis usw. finden.
Die Ver­mi­schung von no­ti­tia ab­strac­­­­ti­va und no­ti­tia in­tu­i­ti­va bei Duns Scotus, Ni­ko­laus von
Au­tre­court, Chat­ton, Gre­gor von Ri­mi­ni ist nicht zwin­­­gend zu be­­grün­den und widerlo­gisch.
Auch Re­lationsbegriffe sind nicht identisch mit quid­­di­­ta­­ti­­ven zu be­­grün­­­den oder zu ver­­­ste­hen.
Die scholastische Keim­bahn be­zeichnet sich in der Identifizierung der Akte mit dem Vermö-
gen, was a limine eine Distanzierung des aris­totelischen Adäquat­heitsprinzips bedeu­tet; doch
ward es reklamiert. Als ‘Definition von Wahrheit’ (A. Tarski) übersteht es nicht den Ab­bau von
Logik und On­to­­lo­gie. Es gibt dann nurmehr keinen zureichenden Grund gegen die Wahrheits-
geltung. Ein Einwand ist so­­lange un­­mög­lich, wie er anscheinend nicht konzipiert werden kann.
Das ist natürlich kein Beweis.
38. Das be­han­delt Ockham in Sonderheit an der oben zuletzt zi­tier­ten Stelle.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 271

Ockham sagt:39 „Supposito ex quaestione praecedenti40 quod per potentiam di-


vinam mul­tae ve­­ritates pure theologicae possint evidenter cognos­ci, quaero utrum
notitia evidens illarum ve­ri­tatum theologicarum sit scientia proprie dicta.“ Dieser
Verweis auf den Vorgang samt dem In­halt in der quaestio prima Prologi ist zu beach-
ten. Die Anknüpfung kann keine Folgerung be­sa­gen oder voraus­set­zen. Die potentia
Dei absoluta entlässt keine Folge­rung aus sich. Wäre das der Fall, könnte Ockham
die Scotische Meinung nicht bekämpfen, dass die Einsicht, die wir de facto (pro sta­­­­­­­­tu
isto) nicht haben, eine Einsicht legitimiere, die wir in der Form des ac­tus apprehensi-
vus und der Sätze tatsächlich haben, freilich nicht im Sinn der Evi­denz. Nach dieser
fragt Ockham aber nun tatsächlich: „quaero utrum notitia evidens il­la­rum veritatum
the­­ologicarum sit scien­tia pro­prie dicta.“ Ockham muss also die Voraus­set­­zung in dem
Sin­n machen, dass die Struk­­­­tur der notitia evidens als Folge der durch die po­tentia
Dei absoluta ver­­mittelten Er­kennt­­­­­­­­nis von dieser unabhängig sei. Das muss bedeuten,
dass die Omnipotenz selbst auch mit dieser Er­­kenntnis, die wir so als natürliche evi-
dent nen­nen, übereinstimmt. Sie lässt sich da­mit nur per potentiam divinam absolut-
am nicht aufheben. Gott bewirkt keine Ab­än­derung. Das ist die Legitimierung und
Sicherung (quasi per persuasi­o­­nem). Die/eine Wahr­heit der per po­­tentiam divinam
absolutam induzierten Abstraktion kann ­so nie durch den spä­te­ren Struk­turbe­weis,
der die Bestätigung der Evidenz gibt, bewie­sen werden. Evidenz ist oder be­schreibt
nicht Wahr­­heit. Um Wahrheit kann es in der Abstraktion nicht gehen. Ock­ham macht
das mit der Definition der notitia abstractiva allüberall klar:41 „quaedam est cogni­tio
in­tu­­itiva, et quae­dam abstrac­ti­va. Intuitiva est illa mediante qua cog­nos­citur res esse
quan­do est, et non esse quan­do non est.“42 Haben wir die (Struktur der) Evi­denz, so

39. Prol. Ord. q. 2 OT I p. 75 lin. 9–12.


40. Prol. Ord. q. 1. OT I p. 3 – p. 75 lin. 5: ‘Kann unser Verstand theologische Wahrheiten evident
erkennen?’
41. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 256 lin. 12–14.
42. Die Evidenz wird zunächst durch die notitia intuitiva ausgedrückt. Diese überträgt sie
nicht auf die notitia ab­strac­­tiva und sie geht nicht im Sinn einer inneren Bestimmung der
notitia ab­strac­tiva in diese mit ein. Die Evi­denz, die mit der notitia abstractiva verbunden ist
(bzw. ver­bun­den wer­den können soll), kann ja nicht in Form einer eigenen Abstraktion in
diese aufge­nom­men worden. Es lässt sich also keine Integration der abstractio in die abstractio
denken, so dass damit eine Argumentation gegeben wäre, bzw. auch ersetzt würde. Das lässt
sich an je­­­­nen Argumentationen ablesen, die Ockham, wie noch (bes. Kap. 7, 10, 11, 12) ge­zeigt
werden wird, auch dort führt, wo eine abstrakte Allgemeinheit ontolo­gisch mit Begriffen wie
forma, finis em­pirisch eingelöst werden soll/muss. Da wird argumen­ta­ti­ons­för­mig wieder­­holt
was wie hier jede analytische oder Argumentatio a priori er­­setzt: das Em­pirische oder die Evi-
denz kann nicht Bestandteil der Abstraktion sein und nicht ihren Fol­ge­rungs­wert darstellen.
Es ist die Negation einer Folgerung, die Folgerungswert be­kommt. Eine ‘Evidenz’ (die Evidenz)
ver­körpern­des Ele­ment, ein kontingenter Satz, aber kann nicht Teil einer anderen ‘prä­ze­denten’
Aussage sein. Cf. hier auch die passim zu Nikolaus von Autrecourt geäußerten Vorbehalte. Ent­
sprechend gilt die Im­plikation nicht. Sie wäre mit dem inneren Enthaltensein eines klei­­neren
272 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

haben wir auch nicht vermö­ge eines übernatürlichen Eingriffs eine Abänderung zu
er­fahren. Deren Idee ge­­hört der Ab­strak­­tion an. So lauten Ockhams Thesen. Seine
Untersuchungen sind mög­lich, in­­dem es nie um Wahr­heit als Leitidee oder begleitend
eingeschlossenen (= einge­schlos­­senen) Faktor geht. Es kann hier nicht den analyti­
schen Folgerungsmodus als leitenden geben.43 Wie Ock­ham diese Struktur fand oder
er­fand, lässt sich nicht leicht sagen.44 Duns Sco­­tus und Ock­­­­ham deu­te­ten die Potenz

Elementes in et­was zu deuten, das (in­ten­sional oder ex­ten­­­sional) ein Größeres oder Ganzes zu
ver­tre­ten hätte. Dem wider­spricht die Supposi­ti­ons­­lo­gik und da­ge­­gen tritt tech­nisch und dem
Begriff nach Sup­position auf. (Die) Evidenz tritt we­der in Form der noti­tia in­­tu­iti­va noch des
kontingenten Satzes oder in der einer Erfah­rungs­maxime bei Ockham als in sich erfüllt auf. So
auch dort, wo das obiec­tum extra ani­mam für die praxis als deren Ge­gen­stand steht und ihr
Zweck oder ‘Ziel’ (finis) das opus ist, so dass es, nicht außerhalb der ontolo­gi­schen Terminolo-
gie ge­sehen, nicht als in se erreichbar oder spe­zi­fizierbar angegeben wird. Natürlich gibt es den
Erfahrungswert. Er steht für sich: Es kann ihm nicht wi­­­der­spro­chen werden. Er wird nur nicht
aus sich und allgemein erklärt. Die no­­­­­titia speculativa inten­diert dann kein opus. Wir haben
auch hier wieder die Paarung von Ter­mini oder Größen, bei deren einer die Erfüllung sus­pen­
diert wird, wie bei der notitia ab­strac­ti­va, und der an­de­ren die die Erfüllung ausdrückt (notitia
intuitiva), ohne dass die­­se selbst damit auch als fraglos selbst bekräf­tigt, strictissime „‘erfüllt’“
an­zu­sehen wäre. Implikation kann nur wie folgt akzeptiert werden (Prol. Ord. q. 7 OT I p. 201
lin. 18f): „di­co quod illud scitur evi­­den­ter de quo sci­tur evi­den­ter quod ad ipsum non sequitur
impossibi­le.“ (Wenn wir evi­­dent wis­sen, dass auf et­was nicht ein im­pos­­si­bile (absur­dum) folgt,
wis­sen wir es evident. Nikolaus von Au­­tre­­­court behauptete, dass wir es nie wis­­s­­en.) Wir bezie­
hen uns aber auf die Abstrakti­on. Wenn wir nicht die Abstraktion, den actus ap­prehen­si­vus
ak­­­zep­­tie­ren und vor­aus­setzen, kön­­nen wir Ockhams Aussprüche nicht akzeptie­ren, z. B. auch
(Prol. Ord. q. 7 OT I p. 201 lin. 7–9): „Ad om­nes is­tos actus, praeter credere, sufficiunt habitus
ap­pre­hensivi cum notitia con­se­­­quen­­ti­a­­rum, si­cut per experientiam patet.“ So kommen wir aus
einer eige­nen mensch­lich autonomen Posi­ti­on zum voll­­­wer­tigen menschlichen Er­ken­nen. In-
klusive der empirischen Erkenntnis als Basis alles Erkennens.
43. Nicht jeder Hinweis zur Logik des Mittelalters erschließt etwas. Cf. E. A. Moody, Truth and
Conse­quen­ce in Mediaeval Logic, 1953 p. 8: „Bu­ridan’s Con­se­quen­tiae is one of the most interest-
ing works of medi­ae­val lo­gic be­­cau­se it un­dert­akes an axi­o­matic derivation of the laws valid
de­duction, and in so doing takes the laws of pro­po­­­­si­ti­onal logic as the basis and elementary part
of the theory of de­duction. This is ap­pa­rent­ly the first at­tempt in the history of logic to give a
deductive deri­va­tion of the laws of de­­­­duc­tion. Bu­ri­dan states in his prefa­ce that most although
others had trea­ted the “consequen­ces” in a pos­te­ri­ori man­ner he proposes to investigate the
“cau­se” of the validity of these laws of infe­rence.“ Bu­ri­dan unterscheidet und vereinigt asser-
torische und modale Sät­ze und unter­sucht für sie con­­se­quen­tiae und schließlich syllogistische
con­se­quen­­tiae.
44. Nicht die Theologie, nicht die Gram­matik, nicht die Logik bestimmten Ockham ausneh­
mend oder vorran­gig. De Rijk, 1967 II, Part I, p. 126f nennt auch das Recht als eine Quelle im
Aufbau des scholasti­schen Den­kens, nä­herhin der Logik. Ockham hat gegen das scholastische
System empiristisch mittels seiner in­stan­ti­ae, durch re­pro­bationes und die Auf­deckung von fal-
laciae opponiert. Als Aufdecker von Trugschlüssen be­ein­druckt er Lu­ther. Das hat aber nicht
seinem ‘beweiskritisch’ erstellten System Wirkformat verschafft.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 273

des mensch­li­chen Er­ken­­nens als auf des­sen Rech­nung gehend und nicht un­­ter dem
As­pekt der Re­du­­­pli­ka­tion im gött­li­chen Erken­nen an­zu­set­zende. Ab­strak­te Evidenz
galt beiden als möglich.45 Sie be­­grenz­­­­ten sich auf das mensch­li­­che Subjekt.46
Es ist der Beweis, der jeweils zu den (konstitutiven) Einzelheiten eines Ausdrucks,
einer Er­kenntnis, eines complexum (auch notitia complexa) zurückkommt, und sie
quasi negativ im Sin­ne ihrer Bedeutung affiziert oder approximiert:47 „Probatio isti-
us: quia posito quod aliquis ad­­quirat habitum ex actibus circa principium tantum et
post simul cum altero principio, quod erat altera praemissa, applicet ad conclusionem,
sciet ipsam evidenter, et non sine habitu prin­ci­pii. Ergo habitus ille est aliquomodo
causa notitiae conclusionis, mediate vel immediate, per se vel per accidens.“ Die Un-
terscheidungen (mediate, immediate; per se, per accidens) werden also erst einmal
nicht konkretisiert und in dieser Wei­se auch nicht weiter inhaltlich in die in­­duk­­­tiv
vollzogenen Über­legungen aufgenommen. Die strenge Unterschei­dung von ‘für die
In­duk­ti­on’ und ‘in der Induk­ti­on’ entfällt also. Indem der actus iudicati­vus durch die
Schlussfol­ge­rung in der demonstratio syllogistica statthat, gibt es eine Erkennt­nis, die
dieserart bloß der Ab­­­­leitung der conclusio aus (den) Prämissen ent­spricht. Der ac-
tus iudicativus be­deutet so Er­kenntnis (intellectio – nicht im Sinn der Bestimmung
der Natur des Begriffs). In dem Sinn kann er natürlich als Einzelheit oder internes
(verborgenes) Faktum des gesamten Erkennt­nis­vor­­gangs bloß erscheinen. Auch der
actus apprehensivus ist typisches Beispiel eines un­spe­zi­fi­­ziert zu denkenden Aktes.
Ebenfalls der actus iudicativus, der natürlich auch immer als ein ge­­­­wähltes Moment
innerhalb der Reihe der Erkenntnisbestandteile zu denken ist, die alle in­­duk­­tiv zu
bestätigen und zu bestimmen, so ja überhaupt erst zu gewinnen sind. Man denke
ins­­­gleichen an den actus volitionis, der verborgen und nur partikular, gewissermaßen
hilfswei­se Mit­träger ei­nes Ge­­samt­vorgangs des Erkennens ist, der wiederum ja mit
der Bildung des ac­­­­­tus appre­hen­­­­­­­­sivus nicht aufhört. Er geht weiter zur consequentia,
zum actus iudicativus, zur Elizi­tie­­rung und Be­stä­tigung eines consequens, die einer
propositio contingens gleichkommt. Die pro­­­­­­positio con­­tin­­gens ist dabei in einem sol-
chen Fall dann nicht mehr aktuell gebildet (ge­­­­­­­rade erst per no­­ti­ti­am intuitivam gewon­
nen) worden. Der Beweis macht die Größe zum exi­sten­tiell anfallenden Mo­ment. Er

45. Ockham ist ein später Methodologe der Scholastik. Cf. A. Ritschl, Criti­cal His­t­ory of the
Chris­­­ti­an doc­tri­­­ne of Justification and Reconciliation, Engl. Transl. Edinburgh, 1872 p. 262f:
„On its pu­re­­ly lo­gi­cal, its purely intel­lec­­tual side, Ockhamism represents the culmination of all
scho­las­tic thought … Ock­ham’s philo­so­phy is that of centuries later.“ Ockham schließt den
Em­pi­­ris­­mus nicht aus, der nach R. Gu­ar­­­­di­ni, 1950 p. 30f. ursächlich für die im 14. Jahr­­hun­dert
erfol­gend­e ge­schicht­li­che Wen­­­de zur gla­u­­bens­losen Neuzeit gewesen sein soll.
46. Sie blieben darin auf ihre Methode(n) beschränkt. Zu Duns Scotus schon A. Ritschl, op. cit.
p. 258: „Sco­tus has divined the great secret of modern idealism, the reality of mental relations
and the part which those re­la­tion play in the constitution of the world which we know.“ So auch
W. Klu­xen, 1974 p. 257. Ritschl kriti­sch p. 260: „in his mo­de of meeting doubt the­re is re­­tro­­gres­
sion as well as progress.“ Das gelte intellektuell und re­ligiös.
47. Ord. Prol. q. 8 OT I p. 218 lin. 2–8.
274 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

reduziert sie dergestalt von der Inhaltlichkeit zur Exis­tenz. Aus die­ser entfaltet sie ihre
induktive Bedeutung. Ebenso in anderen Fällen. Der Ver­stand hat nur ei­nen zusam-
mengesetzten Be­griff von Gott48 „qui non est realiter Deus“, al­so nicht einer Er­kennt­­­
nissituation entspricht, in wel­cher der Mensch mit Gott zugleich Gott als me­dium
cogni­ti­onis wahrnehmen könnte. Dies ist bei Ockham ein besonderer (nicht aus­ge­
schlosse­ner) Fall von Erkenntnis, die mit unse­rer nicht gegeben ist und nicht mit ihr
über­ein­stimmt, aber mit ihr kom­pati­bel bleibt. Ockham fragt: „quare tunc Deus plus
intelligitur quam ante?“ Näm­lich dann wenn wir den actus assentiendi mittels des
Syllogismus, die­sen al­so ju­di­cativ vollziehen. Er antwortet: „Respon­deo quod tunc
Deus intelligitur quia habet unus con­ceptus pro­pri­us natus pro solo Deo suppo­ne­re.“
Dessen Erkenntnis muss der Syl­­lo­gis­­mus lei­sten. Er muss darauf zuführen. Der Be-
griff ist also schon da. Er wird aber nicht in se inhalt­lich abge­lei­tet, sondern förmlich
bloß im Sinn sei­ner Existenz und des Enthaltenseins in ei­nem Satz, der innerhalb
des Syllogismus auftritt bzw. sich vorfindet.49 Die Theologie, in der Form des ac­tus
apprehensivus gegeben, auch wenn wir ihn der fides entnehmen, bedarf des ac­­­­tus
oder ha­bi­tus iu­dicativus:50 „theologia ad omnem habitum iudicativum est scientia, vel
fi­des etc.“ Wir müssen so, um die Wahrheit des im Glauben inhaltlich Gemeinten un­
ter­stel­len zu kön­nen, habitus apprehensivi mit einer notitia consequentiae, die nicht
ein im­pos­­­­sibile51 be­­­deu­tet, an­neh­men. Für die propositio credibilis ist die Evi­denz,
dass aus ihr kein impossibi­le fol­ge, na­tu­raliter nicht gegeben, vielmehr nur ex fide.52
Der actus des ‘credere’ selbst liegt au­­ßer­­halb des Tableaus der in der Erkenntnislehre
zu behan­deln­­den Sätze und Operationen bzw. ihrer Ver­hält­nisse. Der Nominalismus

48. Ord. Prol. q. 7 OT I p. 203 lin. 16–20.


49. Wenn wir Begriffe (Ausdrücke) von Gott haben, die wir als zusammengesetzte primär von
Gott haben, nach ihren Teilen aber nicht (so dass wir keinen Maßstab dafür haben, dass jene
nicht primär von Gott gebraucht wür­den), so müssen wir die Komposition im Sinne der Ab-
straktion über die Empirie hinaus von Gott vorgenommen haben, also darauf zurückgreifen
(können!), dass diese komplexen Ausdrücke nicht im Sinne ihrer Bestandteile (em­pirisch und
per Implikation), bestimmt und zusammengesetzt (worden) sind. Wir müssen also vorausset-
zen, dass der (menschliche!) Geist sie so komponierte, wie sie nur Gott zukommen können,
und hier dem natürlichen Begriff des Menschen von Gott überhaupt entsprechen. Danach sind
sie nicht, wie Hobbes wähnte, aus der Em­pi­­rie genommen und supraempirisch verwandt bloße
Einbildungen. Es müsste gefragt werden, wie sie zu dieser Verwendung kommen (können).
50. Ord. Prol. q. 7 OT I p. 201 lin. 5f.
51. Cf. p. 201 lin. 18–24.
52. Da­ die fides ein Akt ohne Inhalt ist, konnte die metho­dische Syn­these im Argument nicht
au­tonom werden und nicht ge­schichtlich wirksam. Sie konnte nicht effektiv Glau­bens­­aus­­­sa­
gen strukturieren. Der scholastische Auf­­­­trag das Dogma rational zu verteidi­gen konn­te nicht
erfüllt werden. Ockhams rationale Korrekturen er­setz­­en im Grunde das Dogma. Na­tür­lich ist
die rationale Schaffung des Dogmas auch eine scholastische Lei­s­tung. Am­­bi­­­gui­tät bezeich­net
da selbst noch Ockhams weitgehende Ersetzung der fides durch Rationali­tät.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 275

kommt qua Ar­gu­­mentation so zu jenem Moment (der Exi­stenz) zurück, von dem er
vermöge der Abstraktion und eben mit der Argumentation (Be­weis­füh­rung) stricte
sich entfernt zu haben scheint: er ver­­­wirft also nicht Existenz kraft bloß fingierter In-
halte, sondern er reduzierte noch jede ad hoc und (quasi) induktiv ge­wählte Größe auf
eine bloße Stellenfunktion alias Existenz im Geflecht der Größen, causae etc.53 Da­bei
tritt zwi­­schen Syllogismus, empirischer Begrün­dung und Beweis in gene­ra­li kein Ge­
gen­satz auf. Denkbare Beweisformen rücken aneinan­der.54 Die consequentia forma­lis
ist der Aus­druck ei­ner zu­­­gleich empirisch angesetzten und ver­fassten Begründung
von Zu­sam­men­hang, die auch mit der Struktur des Syllogis­mus affin ist.55 Tatsächlich
muss es eine Syn­­­thesis ge­ben können, die außerhalb jeder und vor jeder als a priori
anzusetzenden Deduk­tion zu denken ist. Eine sol­­che Basis des Den­kens kann nie-
mals aus­­­geschlossen werden. Sie schließt (die) Fol­­gerung womöglich ein. Setzt man
sie aber empi­risch (an), so muss sie auch ohne das Den­ken a priori denk­bar sein.
Also „gibt“ es sie. Das Lo­­­­gi­sche ist dann außerhalb die­­­ser Empirie (Genesis) mit ihr
nur kompatibel. So er­schei­nen Ab­­strak­tion und Empirie (ali­as em­pi­­­ri­sche Gel­tung)
bei Ockham; con­se­quen­tia for­­ma­lis und consequentia naturalis gren­­­­­zen so ‘aneinan­
der’. Die Ab­­straktion darf keine con­­­se­quentia ent­halten, die direkt auf das Em­pi­rische
ginge und es ein­schlös­se, viel­mehr nicht bloß es in ei­ner be­stimm­ten oder unbe­stimm­
ten Forma­ti­on le­dig­lich nicht aus­schlösse.56 Wir hätten die Mit­tel des Denkens sonst

53. Hier gibt es demnach keinen Gegensatz. Weder für die Größen noch die casus, in denen
sie anfallen und nur scheinbar heterogen sein können. Die Argumentation verschränkt hier
Ab­strak­tion und Kontingenz, Kausalität und Negation usw.
54. Das galt ja bereits in dem besonderen Sinn, dass für den Syllogismus die einzelnen Sätze,
Maior und Minor, bewiesen werden, bevor sie in den Syllogismus integriert werden. Konse-
quentermaßen ist dann die Wahrheit we­­­­der beim Syllogismus in toto noch bei den Vorder-
sätzen des Syllogismus Dieser macht, wie Ockham dar­leg­te, allein der conclusio zustimmen.
Einsicht als dem Verhältnis ihrer Begriffe ent­spre­­chen­­de und dies Ver­häl­t­nis aufnehmende,
so die Begriffe irgendwie als solche einsehende, wird ohnehin nicht geboten. Doch wur­den die
Vor­­­dersätze durch Induktion und persuasio eigens ‘bewahrheitet’. Nur gibt es nicht Wahrheit
in se, die nicht den Maß­stab abgibt. Es gibt keine Erkenntnis der realitas in se. Auch nicht die
(neuzeitlich) fiktive.
55. Kap. 11 zeigt, wie die Begründung von Sätzen schließlich wieder dem em­pi­ri­schen Stand­
punkt sich nähert, oh­ne in diesem Sinne logisch gegliedert sein zu können. Mit der Suppositi­
ons­logik war gleichsam darauf ver­zich­­­­­­­tet wor­den. Weder das A priori ist bei Ockhams
Be­weiszügen leitend noch sticht als Argu­ment strik­te em­pi­rische Geltung in se. Es gibt aber
einen latenten Widerpart des Naturalen zum Mentalen.
56. Diese Formation bezeichnet die Welt, die den Gegenbegriff zur begrifflichen Abstraktion
be­deutet und eben potentielle Widersprüche und Ausschließungen dieser gegenüber. Die Ab-
straktion zeigt, wie die Welt aus sich (empirisch) nicht sein kann. Das mag theologisch nach
Apologie aussehen, soweit die Begriffe, als Gegenbegriffe gegen Welt und Mythos, die Rede
über Gott ermöglichen sollen. So noch D. Bonhoeffer, Akt und Sein, 1930 im Kontrast zur deut-
schen idealistischen Philosophie. Cf. Ockhams analogen antischolastischen Impuls.
276 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

per fallaciam begrün­det. Ab­strakt kann das Reale als das ex­­tra­men­tal Empirische per
se57 nicht mehr begrifflich auf­ge­­schlos­sen werden. Fol­ge­­­rung be­kommt (wenigstens
virtuell) einen re­duzierten Wert.58 Hin­sichtlich und vermöge die­­ses Man­gels kann

57. Es wird von der Definitheit verkörpert, die keine interne Eigenschaft der Inhalte oder des­­­
sen was sie trägt, sein kann. Definitheit ist identische inhaltslose Allgemeinheit des Sinns.
58. Folgerung kann so nicht wirklich grundgelegt werden und in kein Konzept autonom oder
ab­­­solut einge­schlos­sen sein. (Die) Folgerung kann und darf genauso wenig begrün­det werden
können, wie die sachliche (em­pi­ri­sche) oder begriffliche (inhaltliche) Bedeutung des univer­
sa­­­le. Das be­grün­det den Inhalt und die Stellung der De­­­finitheit. Wenn ein reflexiv zu gebrau-
chender Allgemeinbegriff wie species oder forma mit der Im­pli­ka­tion zusammengesehen, i.e.
kontrahiert wird, meinen sie im Verein significatio, Existenz oder Naturalität. Das gilt auch
dann, wenn – über mehrere ‘Schlüsse’ wie Ockham aus­führt, – Beweise (Syllogismen) aufge-
stellt wer­den, die von der Erfahrung nicht unabhängig sind, also nicht einen actus iudicandi
per demonstrationem bedeu­ten kön­­­nen. Dass Folgerung und Empirie oder res so zusammen-
treten können, kann gerade zum Beweis für die Ver­ei­ni­gung von Existenz und Implikation
gelten. Auch bei der consequentia formalis rücken sie auf­ein­an­der. Eben sie kann deshalb bei
naturphilosophischen Erkenntnissen, Erfahrungen usw. nicht an­genommen werden. Denn
sie können nicht zusammen abstrahiert werden. Das gilt ab­so­lut nicht und es ist anhand der
naturphiloso­phi­­schen Feststellungen des Verhältnisses von sub­stan­tia und Bezug, darin auch
causa, ein zweites Mal evident. So kann denn species (etwa) nicht Evidenz meinen (oder sein)
und sie nicht per implicationem enthalten. Wenn Autre­court das aber mit seiner Forderung
meint (= sie darin besteht), ist sie per se absurd. In quasi tauto­lo­gischer Wei­se kann seine For-
derung nur ungültig sein. Das zeigt Ockhams Philosophie. Ockham zeigt dadurch mehr als bei
Hume in Rede steht oder verhandelt wird. Wo bei Ockham der ac­tus iudicandi per demon­stra­
ti­o­nem angenom­men wird, werden die Begriffe, die da­nn in dem Syllogismus vorliegen, nicht
mehr in Bezug auf die Realität, die res extra, be­züg­lich de­ren sie per notitia intuitiva erkannt
und erworben wurden und in einer no­ti­tia in­com­­ple­xa wei­terhin bewahrt und gedacht werden
können, in keiner Weise nach einem Ver­hält­nis für­ein­­an­der ausgelegt, al­so per implicationem
erscheinen oder eingesehen können. Sie erscheinen also in dem Syl­lo­­gis­mus nicht nach ei­nem
Verhältnis im Sinne der Implikation be­stimmt, aus­gelegt, enthalten. Der actus de­mon­­stran­di
wird intellektiv und judicativ unabhän­gig von einer Re­aleinsicht sein, die dazu noch über eine
Impli­ka­­ti­on gestützt werden könn­te, in welcher die Begriffe ihr Verhältnis mit ihrer Bedeu-
tung wie Evidenz zugleich ab­straktiv be­sitzen könnten. Das verlangt Autrecourt, bzw. ist es in
seine Forderungen eingeschlossen. Die Ab­strak­­­­ti­on wie die an sie ange­schlos­senen Beweise
können also eine Implikation weder enthalten noch auf sie ge­grün­det sein. Entsprechend ist
auch niemals ein im Grunde empiri­scher (kontingenter) Satz mit dem Verhältnis von substan-
tia und accidens in irgendeiner Wei­se als notwendiger auszulegen oder in einen solchen zu
verwan­deln. Das würde zu fal­la­ci­ae füh­ren und zur ‘notwendigen’ Vermehrung der ontologi-
schen oder der empirischen (kau­salen) Größen usw., welche Ockham­­­­ dem Ökonomieprinzip
abschneidet. Der kontingente Satz ent­spricht dem Ökonomieprinzip. Die mul­ti­pli­catio entium
impliziert eine unbegründba­re Notwendigkeit. Die for­der­­te Autrecourt, um die scholastische
Wissenschaft anerkennen zu können. Er bestritt zugleich, dass sie a parte rei gegeben sein oder
im Verhältnis von extra­men­taler materia und subjektiver menschlicher Erkenntnis resp. Wahr­
nehmung gesichert sein könne. Wollte er hier im Namen der Folgerung erst ‘fordern’ und dann
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 277

es direkt begründete und gel­tende analytische Aus­sagen nicht geben; sie kön­­­nen für
Ockham daher auch nicht lei­tend sein und müssen nicht von ihm gesucht wer­den.59
Ockhams Scholastikkritik bildet in sich ein kom­paktes Modell. In ihm werden die
Mittel oder Ele­mente intensional mittels ei­ner Re­duk­ti­on wie­dergegeben: sie wer­den
darin ebenso wohl de­fi­niert wie ne­giert. Sie werden bezüglich ei­ner Tauglichkeit be­
trach­tet, Realität und res extra men­tem wie­derzu­ge­­ben und zu erreichen; Gel­tung
wird kein in­­tensionaler Aus­druck: sie tritt nicht in ein Prädi­kat für äquiva­lent inten­si­
onal betrachtete thematisierende Aus­drüc­ke und Denkge­hal­­te ein.60 Anders als Sco­tus

bestreiten, so beruhte das auf Trugschlüssen be­züg­lich der Implikation. Die Implikation kann
nicht zugleich mit der exis­ten­tia zusammenfallen oder zusammen­ge­hen, bzw. aus ihr hervor-
gehen und der Abstrakti­on angehören. So kommt Ockham Em­­pirismus (Naturalismus) zum
Mentalismus. Für ihn ist aber die materia der quantitas gleich. Cf. J. Weisheipl, 1984 p. 631.
59. Die absolute Fixierung des Denkens, die Ockham betreibt, bezeichnet keine im Sinne der
Apriorität zu ver­­­­­­ste­hen­den Akte (Sätze oder Begriffe), d. h. Akte, die mit ihrer Konzeption oder
Auffassung im Verstande (Sub­jekt) auch sogleich als extramental ‘wahr’ gelten sol­­len. Duns
Scotus hat eine solche Apriorität ange­strebt oder un­ter­stellt, selbst wo er mit der Abstraktion
begann, bzw. wo er ontologische Prinzipien ein­führ­te, die er un­ter Be­ru­­fung auf Aristoteles
heranzog und dann dabei ‘differenzierte’, das hieß: sie auf der freien De­duk­ti­onsstrecke mit der
Begrenzung ihrer Geltung über die Spaltung in casus im Grunde noch einmal neu ab­stra­­hierte
und im­pli­zit „ver­­bes­serte“. Dagegen wird bei Ockham eine Teilmaxime für den Sonderfall
durch die In­duk­tion begründet. In Ock­hams Ar­­gu­­mentationen kann nun auch der Wider-
spruchssatz nicht im Sin­ne ei­ner empirischen Be­grün­­dung für die Denkak­te ‘a priori’ gelten, so
dass er danach auch deren reale Geltung extra men­tem meinen könn­te. Dass ‘Kau­salität’ und
‘Notwendig­keit’ nicht als „Elemente des ‘A pri­o­ri’ im Verstande“ gegen Ockham ange­führt wer-
den kön­nen, ergibt sich schon daraus, dass sie als eigene Inhalte (Partikel) in der Physik nicht
vor­kom­men oder in der mathe­ma­tischen Logik die materielle Impli­ka­ti­on nicht ‘mitdefinie­ren’
(Fre­ge). Ockhams Argu­men­te mit ihrer ei­­ge­nen Struktur stützen eine sol­che An­nah­me inhalt-
lich nicht. Sie las­sen sie nicht zu. T. Hi­ra­no, Die kon­­­­tra­­dik­­torische Lo­gik, 1934 zeigt zudem, dass
nicht der Wahr­­­­heits­­­wert die ‘Ta­­u­­tologie’ in der Lo­­gik und insoweit deren Apriorität be­grün­det.
Ockham nun baut wesentlich die Scotischen Regula­tive ab, ver­neint und er­setzt sie, wo sie
Gel­tung a parte rei (Wahrheit) und zwar dann, wenn sie direkt in einem Prin­zip re­kla­­miert
wer­den meinen oder aus einem solchen folgen sollen; er negiert on­­tologische Annahmen und
ver­wendet on­­tologi­sche Begriffe reprobativ, wobei sie auf Nichterfüllung qua res direkt oder
nach einem supposi­ti­ons­­lo­gisch klas­si­fizierten Satz stoßen; die reprobative Beweis­art ist der
Struktur nach nicht-ana­ly­tisch. Ockham ver­neint also stets auch die Implikation als untaugli-
ches Koregulativ mit.
60. Analog meint bereits die passio im (kontingenten) Ele­men­tar­satz, der für uns Wirk­lich­keit
wiedergibt und Aus­­­gangspunkt der Überlegungen Ockhams ist, keine Re­a­lität, ob­wohl sie auf
sie bezogen ist. In genau die­sem i.e. in ei­nem äquivalenten Sinn ent­fällt Fol­­­ge­rung als Mittel
des Ausdrucks der Realität extra nos sie als sol­che un­­an­­fecht­bar mitmeinend, als Ermittlungs-
instrument. Kein Satz kann in eine Folgerung oder Fol­ge hin­ein ent­­wic­kelt werden. Satz, Akt
(durch ‘notitia’ bezeichnet) und Folgerung oder auch Syl­­logismus blei­ben ein­an­der hete­ro­gen
und können theoretisch nicht miteinander ver­schmol­zen werden.
278 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

klei­det Ockham das Sub­­jekt nicht eigentlich aus. Scotus meint da­bei stets explizite
Gel­­tung. Er­kenn­bar hat sie zur Be­­dingung eine bei ihm pseu­­do­­lo­­gi­sche Im­pli­ka­tion.61
Bei Ockham regiert nicht fiktiv das Widerspruchsprinzip. Die Konsistenzforderung
erlischt in der Kompatibilität.
Ockham klei­­­­dete indes den in­tel­­lec­tus we­der sub­stan­zi­ell aus noch nahm er sub­
stantia und ac­ci­­­dens als schon mit den Denk­vor­­stel­lungen (im Sub­jekt) ver­bundene
Wahr­neh­mungs­ge­hal­te an; er geht aber mit ihnen und ih­­rer Dif­fe­renz ad rem extra
ani­­mam über. Das be­deutete Ar­gu­­men­­ta­ti­on, jedoch Logik nur, so­­­fern die­se selbst
er­kun­det und re­du­ziert wer­­den kann. Der Ge­­gen­stand und Ausgangspunkt die­­­ser
Lo­gik (ih­rer Be­­trach­tung) ist der kon­tin­gen­te Satz, was die Zu­rück­drän­gung der
Folge­rung be­­­deu­tet. Ockham unter­sucht, was das Sub­jekt in ob­jek­tiver Ten­­denz lei-
sten kann, er the­ma­tisiert es reflexiv. Sein Men­­­­ta­­lis­­mus ist nicht ein im Sub­­­­jekt ge­­­fan­­
gener Subjektivis­mus, son­dern per ar­­gu­men­­tum ein ob­jek­­­ti­vi­sti­­scher.62 Das gilt auch
beim re­­duziert empiristischen Wert the­o­­lo­gischer Aussagen und Vor­stel­­lun­gen.63 Bei

61. Bei Duns Scotus müssen eigens reklamierte Funktionen des Denkens dessen Effizienz in
der Realgeltung im­mer sogleich mitmeinen, sie fraglos bedeuten. Vor denkbarem Einwand
müssen sie im Vorgriff ge­schützt wer­­den: im Verein mit ihrer Definition, die oft innerhalb der
Deduktion eintritt, um diese zu ermög­li­chen oder zu be­­grün­den, werden ontologische Prin-
zipien durch zusätzliche Differenzierungen zu Lemmata gestaltet. Die sind zugleich Lemmata
und Definitionen. Scotus differenziert bei ontologischen Prinzipien vor dem Schluss, um ihn
zu ermöglichen: cf. W. Hoe­res, 1962 p. 107: „Das all­gemeine onto­lo­­gi­sche Prin­zip, dass Notwen­
dig­keit voll­kom­­mener sei als Kontingenz, ist zu ab­­strakt, um für je­den Fall zu gel­ten. Es muss
sich da­­her auf­grund der Be­trach­­tung der verschiedenen Inhalte ei­ne Differenzierung gefallen
lass­en, d. h. es kann nicht un­ver­­­mittelt an­ge­wandt werden, sondern nur in Abstim­mung mit
den betref­fen­den Inhal­ten.“ Im Zu­ge sol­cher Dif­fe­­ren­­zie­rung (p. 106) „erwidert der Doctor
subtilis zu­nächst, dass die Be­stimmung der Not­wen­­­dig­keit nur dann voll­kom­me­ner sei, wenn
sie mit dem Wesen des be­treffenden Seien­den vereinbar sei. Das sei aber nicht der Fall, wenn
es um die Beziehung eines Seienden zu et­was gehe, das ihm nachgeordnet sei (pos­te­rius).“ Ib.
p. 111: „Sco­­tus wird nicht müde, den Gedanken einzuschär­fen, dass Kontin­gen­tes immer auf
eine kon­­­tingent wir­ken­­­­de Ur­sache zu­rück­­­weise. Der einzige Grund, dass es kon­­tingente Dinge
gebe, liege in der kon­tingenten Wirk­sam­keit einer Ur­sa­che. Diese aber könne nur der Wille
sein.“ Ockham argumentiert hier erst induktiv für Gottes Wahlfreiheit.
62. Es tendiert daher zur Naturalität, in der es erlischt. Wenn Ockham sagt, was naturaliter
existiere, existiere auch realiter, so hat er lediglich den Widerspruchssatz ausge­schlos­sen. Denn
was soll es bedeuten, dass etwas na­tura­li­­ter existiere, wenn es realiter existiert, als dass es in
seiner realen Fügung keine Bestimmung besitzen kann, die ge­gen die naturale Fügung stünde.
Ein ähnl­i­ches Gefälle s. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 221 lin. 15f.
63. Nach Ockham muss beim Be­weis für die Be­griffe em­­­piri­sche Re­­le­­vanz voraus­ge­setzt wer-
den; jedenfalls darf deren Er­weis nicht primär feh­len. Be­wei­­­­­sen ist als menschliche Tätig­keit
zu bewerten, wobei die empirisch, in Gott und visio be­­­a­ti­fica gege­be­ne no­ti­tia intuiti­va als
Träger der Be­weis­erkenntnis aus­schei­det. So mögen z. B. Prä­di­ka­te in Gott ei­­­nen or­do ha­­ben,
oh­ne dass Be­wei­se, die einen sol­­chen ordo transempi­risch in An­spruch neh­­men könn­­ten, zu
kon­zipieren sind. Ockham geht es für einen Fall im Einzelnen durch: Ord. Prol. q. 2 OT I
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 279

die­sem Men­ta­­­lismus liegt die Grenz­­­schei­­de zwi­­schen neuzeitlichem und mi­t­­tel­al­­ter­


lichem Den­­­ken, über die hin­­weg das Ver­ste­hen von der ei­nen zur der an­de­­ren Seite
un­mög­­lich er­scheint: Scho­­­las­tiker hät­­­ten den neu­­­zeitli­chen Aus­­gang vom Sub­­­­­jekt, das
der Ex­­tra­­­men­­­ta­li­­tät zu­strebt, ohne ih­rer versi­chert sein zu kön­­­nen und, in pseudothe­
o­reti­scher Hal­tung, auch nicht ver­si­chert sein ‘muss’ und sein will, kaum ak­zeptiert.
Da­bei ward im Ne­­ben­­ef­­fekt aus dem Mit­­­tel­­al­ter ein ‘Sub­­jekt’ als Em­­blem (Sym­­­bol) an
die Neu­­­zeit wei­terge­reicht, das un­ser mo­der­­­nes Selbst­­ver­­­ständ­­­­­­­nis ne­­ben (kon­trär zu)
un­seren immer auch erst er­worbe­nen Ver­­mö­gen be­sagt.64 Es drückt ein fortbe­ste­hen­
des Nicht­ver­­ständ­­­nis­­ unsrer selbst aus. Das Sub­jekt ver­mögen wir nicht kom­pakt an­­­­
zu­ge­ben.65 Das gilt umso mehr als die Vermö­gen, die wir hier zu ken­nen hätten, nicht

p. 126 lin. 1–21. Ockham be­tont, dass der ordo conceptuum auch nicht rein secundum ra­ti­onem
angenommen wer­den kön­ne, ohne dass da­zu die real­em­pirische Iden­ti­tät in re un­ter­stellt wür­­­
de; er nennt ei­ne solche Prämisse (p. 121 lin. 1–7) „sim­pliciter impossi­bi­lis“. Das sei sie „prop­ter
fal­­­sam im­pli­cationem“, die be­sage, dass die Be­grif­fe ih­re Ord­nung auch dann behiel­ten, wenn
sie nicht in der Ein­heit der res zusammenge­fasst erschienen. Sol­che Fol­ge­rung müsste besagen,
dass (‘ab­strakt’) sich deduzieren lasse, auch wenn die sachli­che Einheit nicht ge­ge­ben sei oder
gar nicht nach­weis­bar wäre. Ockham kann die Prämis­se so generell fassen (ib. lin. 7–11), dass er
die cor­­res­po­n­­den­tia von or­do rerum und ordo con­cep­­­tu­um hypothe­tisch annimmt (cf. lin. 10):
wenn er sie dann be­streitet, ge­langt er an die Grenze zur Empirie. Der Ge­brauch reflexi­ver
Begriffe (sub­iectum, ac­ci­dens, po­ten­tia, ac­tus) kann Ockham jedoch im Grunde nur (bis) zur
persuasiven Bestreitung füh­ren. Dabei er gibt on­­to­lo­gi­schen Begriffen eine nur fiktive Bedeu-
tung. (ein­deu­tig p. 122 lin. 10: in­ter res non est ordo superioris et in­fe­rio­ris.) Da­zu s. umfänglich
Ord. d. 2 qq. 1–11 OT II pp. 3–379. S. Kap. 4 Fides et scientia.
64. Die Vermögen können keine Vorprägung in Richtung auf andere, sowohl historisch wie
für ein Subjekt (oder das Subjekt), nachkom­men­de Vermögen bedeuten. Aber damit ist eben
auch nicht ein einzelnes (bestimmtes) Ver­­­­­­mö­gen begrün­dbar (legitimiert). Es gibt nicht die
Präformation eines Vermögens in einem anderen oder die Fundierung eines Vermögens in
einem schon besessenen. Es gibt nicht was R. Jakobson, Studies on Child Lan­gua­ge and Apha-
sia, 1971 für Laute beschrieb, im oder für das Verhältnis von Vermögen, weder gene­tisch für
In­­dividuen und ge­ne­a­lo­gisch für die Menschheit noch inhaltlich. Das besagt noch ein Kritik­
mo­ment ge­genüber N. Chomskys Trans­fo­rma­ti­onsgrammatik und deren philosophischer Be-
gründung über Leib­niz-Descar­tes’ „ide­ae innatae“ und ein apriori­sches Vermögen des Geistes,
das diesen auszumachen und zu defi­nieren hätte. Wir wä­­­ren bereits mit Ockham Empiristen
und begründeten die Verstandesformen, indem wir zei­­­gen, wie Fol­gerun­gen unangängig sei-
en. Wir kommen zu Relationen, ohne sie wie Leibniz der Logik an­zu­vertrauen. Wir haben
In­hal­te zu Relationen nicht in den Elementarsätzen oder daraus abgewandelten all­­gemeinen
oder notwen­di­gen Sät­zen. Wir können in Elementarsätzen – für die Theologie – unangängige
In­hal­te (Aussagen) er­hal­ten und müs­sen dann die Relationen umdeuten. Das geschieht auch
mit ontologischen Begrif­fen, die hier nur Funk­ti­onsbegriffe sind. Die Relation wird so logisch
konklusiv. D. h. abstrakt und unantastbar.
65. So können wir auch womöglich über das mittelalterlich ererbte Christentum Schlüssiges
nicht mehr sagen.
280 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

von selbst aus dem Kon­text der neuzeitlichen Ge­samtepo­che sich lö­sen lassen; denn
aus ih­rer gene­ti­sch-hi­s­to­rischen Verankerung lassen sie sich nicht be­frei­en.66
Ockham kann die Christologie auf der Stufe der Allgemeinheit nur behandeln,
wenn er sie durch die Intention auf die Sache mindert oder aufhebt. Dabei muss
grundsätzlich zwischen Tat­­­sache und ratio (= Grund, Argument) unterschieden wer-
den. Ockham tut es und wieder­holt damit die Differenzierung zwischen Abstraktion
und res singularis. Er braucht dazu bloß von der Stufe der propositio auszugehen und
deren Geltung nach dem intensionalen Cha­rak­ter aus­zu­loten. Indem er beides nicht
verwechselt und vertauscht, er­geben sich seine Lösun­gen, als Vermeidungen von Wi-
dersprüchen (contradictiones) und Trugschlüssen (fallaciae) etc. I.e. es handelt sich
um die Regulation von Sprachgebrauch, wie ihn die Grammatiktheorie des Mittel­al­
ters und dann die Logik (oder Dialektik) immer betrieben ha­­­ben. Damit begegneten
sie genu­in dem Christentum. Daneben war mit diesen Disziplinen ein Bil­dungs­­­­in­
teresse verbunden, des­­sen Funktion gegenüber dem Christentum un­klar war, blieb
oder wurde, weil ja die Ver­stan­­­des­form aus sich selbst bereits nicht nur reinweg apo­
logetisch erschei­nen konn­­te – es nicht durf­te. So gab es einen inneren Widerspruch,
ei­ne Para­doxie, eine Apo­rie, da sich nur schlecht behaupten ließ, das Christentum
habe durch eine ver­quere Aufgabe den Intellekt ge­för­­­­dert.67 Anselm von Canterbury

66. Ockham und Duns Scotus sichern den Gebrauch des Begriffs (der Begriffe) von Gott. Das
tut oder versucht Duns Scotus mit einem förmlich gleichbleibenden menschlichen Begriff, den
er mit Bestimmungen in Richtung auf Vermögen und in Gestalt postulierter, aber nicht voll-
zogener Akte überformt, also im Sinne der petitio prin­ci­­pii inhaltlich reklamiert, Ockham,
indem er diese Bestimmungen im Sinn einer Folgerung und der Negation von Folgerung ab-
baut und in die Sphäre Gottes hinauf- und hineinhebt, in welcher er gewissermaßen aufhört (re­
gu­lärer) menschlicher Be­griff zu sein und einen imaginären Gehalt empfängt; darin wird von
Gott gesprochen und darin insgleichen „‘wirkt’“ Gott; beides bleibt sich inhaltlich (intensional)
„‘gleich’“. Gott wird nicht mit ei­­ner Er­kennbarkeit in se ‘ausgestattet’, die a parte viatoris gültig
wäre. Gottes Funktion erlischt im mensch­li­chen Argu­ment; dieses wird durch die reprobatio
falscher Auslegungen der Glaubensartikel mittels der Ontolo­gie gestärkt ebenso wie die Er-
kenntnisfähigkeit des Menschen durch die argumentative Zurückweisung der fal­schen Dekla­
ra­ti­­­on des Erkennens, die a parte rei und mittels ontologischer Beiwörter erfolgt, umgrenzt
oder be­grenzt wird. In der Neuzeit wird ein philosophischer Gebrauch unserer Begriffe von
und für Gott zugestanden; aber die Met­ho­do­logie, die das menschliche Erkennen allgemein
sichern soll, hat Schwierigkeiten mit der Gene­se der Begrif­fe. Insofern blieb eine Aporie ge-
schichtlich bestehen, der gegenüber alles romantische und post­ro­man­tische Ge­schichts­­denken
infruktuos sich ausnimmt. Zur Problematisierung des Verhältnisses von Vernunft­kritik und
Re­li­gi­onsdenken für die Genese der Verstandesakte (hier Vernunft genannt) und der religiös-
mythi­schen Einbil­dungs­­­kraft s. M. Frank, 1982 pp. 123–152. Die Frage ist natürlich, wie Bedeu­
tungen entste­hen und, da sie in Operationen des Verstandes oder des Ge­müts gewahrt werden
können müssen, reglementierbar sind. Damit geben wir den Anspruch auf zu wissen, was et­
was (Begriff oder Sache) an sich selbst sei.
67. Nietzsche: die Intelligenz, da die europä­i­sche Mensch­heit Lüge und Dop­pel­deutigkeit lern­
te.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 281

mit seiner berühmten For­mel ‘credo ut intel­li­­gam’ hat es ver­sucht (un­terstellt), wäh-
rend Abailard mit der Umkehrung ‘intelligo ut credam’ bereits das ra­­ti­o­­na­lis­ti­sche Di-
lemma beschreibt. Für Ockham ergibt sich ein neues Problem: die Er­­kennt­­nis muss
mit dem besser entwickelten philosophischen Mittel beschrieben und ge­ge­be­nen­­falls
auch neu ge­stif­tet (definiert, nacherzeugt) werden.68 Das Bedürfnis scheint bei Duns
Sco­tus trotz intern im Milieu der christ­­lichen Lehre in Anschlag ge­brach­­­­ter techni-
scher Kunst­grif­fe und ter­mi­no­lo­gi­scher Erfindungen nur innerhalb seiner subjekti-
ven Ingeniosität geherrscht zu haben.69
Ockham muss, indem er wie Duns Scotus die Tradition aufnimmt und soweit
es um Thema­ti­­sie­rung geht, nicht von ihr abweichen kann, mit deren Behandlung
zwangsläufig, wenn er über­­haupt nur die traditionellen Themenstellungen und Pro-
bleme erfassen und einholen will, be­­­reits zu einer Abwandlung und Veränderung
gelangen. Diese jedoch wird, wie sie eben auch un­weigerlich eintritt, den Charakter
der Auslegung modifizieren.70 Diese Modifikation ist hier in ih­rem technischen Sinn
inhaltlich.71 Der Status der Form, mit welcher am Ende einer langen scho­las­tischen

68. An die Stelle der Er­kennt­nis, der Got­­tes zumal, die mit­­tels der scholastischen Argu­men­­
tationen erschlossen zu werden hatte und dann in Aussagen eine emblema­ti­sche Ge­stalt erhielt,
treten die Aussagen selbst und deren akt­­bestimmte Erklärung. Das ist kaum als Wissensab­bau
und subjektives Misstrauen in die Vernunft zu be­trach­ten.
69. Die Virtuosität des Duns Scotus war schon im Mittelalter bemerkt worden. So rühmt ihn
Wilhelm von Aln­wick: „fratris Johannis Scoti qui inter om­nes subtiliter noverat naturas con­se­
quentiarum.“ (A. Pel­zer, 1964 p. 415) Ockham hat Scotus’ Fertigkeiten, den er mehr als ande­re
scharfsinnig (plus quam alii subti­lis) nennt, an­er­kannt. Er findet aber, dass es bei den Kon­se­
quen­­zen hapert oder bezüglich der con­se­quentiae ver­mö­­ge der in­stan­­tiae, die er widerlegend
anführt. Es wäre sogar denkbar, dass er danach den Be­griff der conse­quen­tia über­haupt als
noch be­grün­dungs­bedürftig betrachtete. Für oder nach Ockham gibt es ge­­d­ie­ge­ner das Pro­­
blem der Kon­­sequenz nach deren Einsatz im Verhältnis zur Ab­straktion. Ockham sah prak­
tisch nicht ein­mal den Be­griff der Konsequenz ver­gleich­bar als be­grün­det und taug­lich an­:
der ver­hielt sich hete­ro­­­gen zur Be­gründung und der Geltung der Ab­strak­tion gegenü­ber der
empi­ri­schen Sphäre, von der Abstraktion auszu­ge­hen hatte.
70. Hat Yorck von Wartenburg, 1956 vielleicht innerpsychische Prozesse in Individuen oder für
Individuen in Epo­­chen mit geschichtlicher Relevanz gültig beschrieben, so eben doch nur er-
kenntnistheoretisch orien­tiert oder fixiert. Aber bei Ockham nimmt ein theoretischer Duk­tus
den erkenntnistheoretischen auf und absor­biert ihn.
71. Ockhams technische Form des Denken inclusive seiner Kritik an Duns Scotus stieß statt auf
Verständnis eher auf Befremden und Sarkasmen, cf. F. Ehrle, Pe­trus von Can­­­dia, 1925 p. 61: „Si
li­cet is­ta (des Duns Sco­­tus) vide­an­tur pulchre dicta, tamen in au­­ri­bus Ock­­­­ham non ge­­­ne­rant pul­
chram melo­diam. Cum dicit quod natura in cre­a­tu­ris non di­cit ac­tua­li­tatem nec uni­­ta­tem nec
incom­mu­­ni­ca­bilita­tem, quero de qua natura loquitur, aut de cre­a­ta aut de in­cre­­a­ta. Si de incre­ata
fal­sum est, quia ipsa est summe actualis, si ve­ro de cre­­ata ista est vel sub­­­stantia vel ac­­­ci­dens et
quod­­­cum­que istorum detur sequi­tur quod est una et singula­ris et ac­tualis.“ Ockham hat­te sich
nur auf die creatura bezogen. An ihr wird un­­ser Begriff ge­bil­det. Ockham nähert sich mit ihm
282 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Entwicklung ein Bewusstsein von dieser Entwicklung aufgefangen, aber nicht mehr
wahrhaft ausgetragen und erweitert, nur noch theoretisch gespiegelt und dabei redu-
ziert wer­den kann,72 enthält jede inhaltliche Qualität und eben auch die Kappung der
Folgerung als Aus­legungs- und Austragsweise.73 Die Rettung der Scholastik, wenn sie

auch Got­t in sei­­ner essen­tia. Er gestaltet nicht die divina essentia von ihr her aus Ord. d. 2. q. 1
OT II p. 17 lin. 9–12: „Sapientia divina om­ni­bus mo­dis est eadem essentiae divinae quibus essen­­
tia di­vi­na est ea­dem essentiae divinae, et sic de bo­nitate di­vi­na et ius­titia; nec est ibi pe­nitus ali­­
qua dis­tinctio ex natura rei vel etiam non identitatis.“ (ib. p. 25 lin. 13ff) „Per­­fectiones attributales
nullo modo ex na­tu­ra rei dis­tin­guuntur ab essentia divina.“ Ockham, von der Zensur angeklagt,
für die essentia divina keine distinctio (non-identitas) zwischen Deus und perfectiones anzu-
merken, verteidigt sich signifikanterweise mit dem Verweis auf Schwierigkeiten beim Beweis
(ib. p. 17 lin. 13 – p. 19 lin. 2) und bleibt so beim kontingenten Satz, den er in seinen reprobatio-
nes bezüglich der sacra theologia implizit und nicht kanonisch-logisch vertritt. Ein Beweis für
die göttliche Trinität wäre gleichwertig auch für eine in creaturis möglich. Analog könnten die
perfectiones bewiesen werden. Die distinctio formalis, nach Scotischem Vorbild veranschlagt,
entspräche für Ockham (ib. p. 19 lin. 10–15) ausdrücklich nur einem „quid nominis“.
72. Man kann auch sagen, dass Ockham nur einen Teilbereich des menschlichen Interesses,
das bis zur theolo­gi­schen Auslegung aliquo modo ja doch gehen muss, substantiell themati­
siert, näm­lich Erkenntnis und Erkennt­nisgewinn. Aber er kann dann quasi nicht mehr anders
als die theologische Erkenntnis selbst ihrem Prinzip nach für indiscernibel von (der) Erkennt­
nis zu hal­ten. Es ist das menschliche Erkennen. Aber es objektiviert nicht fik­tiv seinen theo­lo­
gi­­schen Gegenstand, etwa die divina essentia und den ordo salutis. Es muss ihn dann auch
nicht apologetisch vertreten, was ja (ebenfalls oder ausschließlich) heißt: die nicht explizite
Denkform verteidigen. Lo­gisch geschieht hier bloß die Übertragung menschlicher Erkennt­nis­
zu­stände auf Gott, Engel und die Seligen, in­des mit Einschränkungen, die Abstufungen sind. cf.
z. B. für Gott Ord. d. 39 q. unica OT IV p. 592 lin. 5–7: „om­­­­nia enuntiabilia cog­noscit Deus sine
omni compositione et di­vi­­si­o­ne, quia unica cogni­ti­­one sim­plicissima cog­noscit omnia.“ Die
menschliche Abstraktion der Begriffe und ihre klassifizierte Verwendung in Sätzen ent­fällt für
Gott (ib. p. 592 lin. 9–16): Gott weiß danach, dass etwas Kontingentes wahr ist, wenn es wahr ist,
nicht aus irgendei­ner Kennntnis von Sätzen, die dem vorausginge; es ist klar, dass eine andere
Auffassung für uns logi­sche Wider­sprüche ergä­be! Enuntiatio (und allgemein enuntiabile) war
früh im Gebrauch für propositio.
73. Ockham schließt allgemein nicht aus der Tatsache, dass man Begrif­fe und Sätze ha­be, mit
denen man er­ken­­ne und also auch schon eine Wahrnehmung ver­binde, dass etwas sei, was
die­sen Sätzen entspräche. Er sieht hierin ei­­ne falsa implicatio. Cf. p. 463 lin. 12 – p. 464 lin. 2 be-
ginnend mit der von Ockham so abgewiesenen i.e. wi­der­­leg­ten The­se: „Si di­ca­tur quod aliquis
potest credere eam (= divina essentia, logisch wäre nach p. 462 lin. 11 – p. 463 lin. 2 neben divina
essentia auch relatio möglich) esse in una per­so­na tan­tum et ta­men pot­est frui ea, er­go talis fru-
etur ea ut est in una persona tan­tum“, also in völlig ab­­­strak­ten nur die divina es­sen­­tia betreffen­
den Aus­sagen, „respondeo ne­gan­do conse­quen­­tiam etc.“ Mit­hin widerlegt Ockham fallaciae,
ob­­wohl wir in ab­strak­ten überwelt­li­­chen Ma­te­­rien uns be­finden, allein nach der Gleichheit von
Modalität (cre­de­re! i.e. cre­de­re bezüg­lich des Sat­­zes) und mentaler Existenz der Aussage. Aus
ihr folgt kei­ne Existenz ex­­tra ani­mam. Es folgt viel­mehr, dass die Definitheit der Aussagen bzw.
Begriffe nur bestehe, wenn sie nicht ex­­­tra ani­mam und de facto a par­te rei unterstellt werden
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 283

denn Ockhams In­te­res­se gebildet haben sollte, wird brüchig im Sin­ne der Einheit von
Inhalt und Technik.74
Ockham „folgt“ einem traditionellen Schema, wenn er metaphysische Aussagen
für nicht un­­be­dingt wahr, i.e. für nicht beweisbar halten will.75 Er kann zu und ge-
gen Aristoteles nur ei­ne Hypo­­these der Entstehung aller Er­kenntnis hinzufügen und
von ihr her muss zu gewin­nen sein was denn (bedingt) wahr sollte heißen können.
Die absolute Wahrheit war im Mit­tel­al­ter im­­­mer unter Bedingungen an­genommen
worden, nie unbedingt; in diesem Sinn war sie insge­heim oder offen immer strittig
gewesen, und zwischen ‘insgeheim’ und ‘offen’ spielte die Men­­­­talität des Mittelalters.76
Diese war darin eine geschichtliche ‘geistige’ Verfasst­heit auf der Su­che nach ihrem

könne. Nach Ockham sollen wir di­vina es­sen­tia und perso­na (oder relatio) der Sa­che nach für
iden­tisch, de ra­tione aber für unter­schie­­­den hal­ten: denn wir haben hier ver­schie­­­dene Be­grif­fe
bzw. so­gar nur ‘Namen’ (Benen­nun­gen). Deren De­fi­nit­­heit wäre ge­fährdet oder auf­ge­ho­ben,
wenn wir eine so­ge­nannte for­ma­l­­lo­gische Konse­quenz secundum ter­­tium non da­tur vorschrei-
ben wollten. Er spricht hier nicht ein­­­mal da­von, dass wir die fallacia bloß se­­cun­­dum fidem et
cognitionem nobis pro sta­tu isto non pos­si­bi­­­lem hät­ten, wie Ock­­ham bei gewissen Syllogismen
annimmt: wir kön­nen da nur ex fide wis­sen, dass ei­ne Aussage oder ein Syl­logismus falsch sei.
Es ist die Fra­ge, ob die numerische Identität da noch eine Gel­­tung hat.
74. Wollte man annehmen, dass solche Einheit, die ohne Grund ist, weil sie immer erst hätte
hergestellt werden müssen, forderungsweise vorauszusetzen war, so zeigt Ockham (a), dass sie
nicht erreicht werden kann und (b), dass die Technik, wie sie Kriterien birgt und setzt, gegen
den Inhalt steht. Wenn man aber nicht mehr anneh­men will (in der Theologie oder sonst wo
oder in irgendeiner Disziplin), dass Inhalt und Kriterium identisch sei­en oder zusammenfielen,
so entstehen in der Theologie die Glaubensprobleme Kierkegaards und in der Wissen­schaft der
Agnostizismus.
75. Nach J. Pinborg, 1967 p. 79 will Bo­e­­thi­us von Dacien „nicht von der Konstanz oder Ewig-
keit der speci­es aus­gehen, weil diese we­­­der von der Physik noch von der Me­ta­physik bewiesen
wer­­den kann. Deshalb ist die Wahr­heit der Physik nicht ‘simpliciter’ wahr, sondern nur ‘se­cun­­
dum quid’, d. h. als Folge der er­s­ten Prin­­zi­pi­en der Physik.“ Nach apologetischer Stoßrich­tung:
die Welt wird abgewertet. Cf. hierzu Th. Kobusch, 2011 p. 186.
76. H. Blu­men­berg, 1965 p. 38 sichert ihm Wahrheit durch petitio principii, Zirkelschluss
oder Anakoluth: „Die Vor­aussetzung der ari­s­toteli­schen Meta­physik, dass die der Zeit ihr Fun­
dament ge­bende Him­mels­­be­we­gung nur durch unmittel­ba­re Ab­­­hän­gig­keit von der reinen
Ener­­gie der Gottheit ver­bürgt sein kön­ne, musste auf die ka­len­da­rischen Grundbe­we­gun­gen
der Erde anwendbar blei­ben, solange das physika­lisch-kos­mo­­logische Sy­s­tem auf ein konstant
blei­ben­des me­ta­physisches System zu­ord­nungsfähig sein musste.“ Der Nominalismus insze-
niert da­nach a-metaphysisch den Bruch: „Wiederum hat Bu­­ri­dan das neue Prin­­­­zip der mögli­
chen Unmittel­bar­­keit je­der Wir­kung zur er­sten Ursache mit klar erkennbarer Wen­­­­dung gegen
die Vor­stellung der ac­tio subor­di­na­­ta for­mu­­liert, indem er je­­de innerwelt­li­che Not­wendigkeit
eines Ord­nungs­ver­hältnisses der Ursa­chen leug­net zu­gun­s­ten der aus­schließ­­­­­­­­­­­li­ch­en Zuord­nung
al­ler Wirkungen zur ersten göttli­chen Ur­sa­che: nos tene­remus quod nul­la est sim­­pliciter ne­ces­
sa­­ria subordi­na­tio agentium ni­si ad ipsum de­um.“ Ockham zeig­te, dass feste kau­­sale Re­­la­tio­
nen nicht ange­nom­men werden kön­nen, weil sie nur im ak­zi­den­tel­len Um­feld der sub­­stan­­­tiae
284 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

geistigen In­strumentarium. Es war das ‘absolutum’ und die histori­sche psychische


Verfassung acci­dens. Das Mittelalter dauerte, solange der Wunsch nach absolu­ter
Wahr­heit und dem insgeheim dagegen gerichteten kritischen Vorbehalt bestand.77
Soweit wie die Ge­wiss­­heit hier möglich war, stellte sie einen bloß intermediierenden
und in sich schwan­­ken­den Be­­griff dar. In der Neu­zeit war Erkenntnis an die Welt
als Substrat gebunden, so dass Gott und Dä­mon, letzte­rer als das Residuum des ver­
dräng­ten Heidentums, wegfielen. Die Welt war entleert, weil die See­lenkräfte ihre
Fixierungen und Spiegelungen verloren hat­­­­­­­­ten. Das In­­dividuum war, oh­ne es selbst
zu sein, mit der Welt allein. Die See­le, naturgleich, wurde auch zum Referenzboden
der Erkenntnis.78 Ockham stiftet unter Kritik des Duns Scotus das Den­ken.79 Die
Apologie des Christentums jedoch war auf die Trinitätsleh­re konzen­triert, i.e. Ein­heit
und Unterscheidung der göttlichen Personen, die auch Relationen ge­nannt werden
und in Relationen untereinander stehen, schließlich aber auch auf die Zweina­tu­renleh­
re. Das Ver­häl­­tnis von fides und scientia, worin, faktisch oder fiktiv, der Satz vom
Widerspruch spielen mag, wird bei Ockham auf zu typi­sie­rende Sät­ze bezo­gen und
festge­legt, die unter Be­zug auf die Worterklärung und bei Elimination des Wahrheits­

spie­­len. So gibt es mul­­tip­­le und wan­del­bare Kausal­akzentuierungen (= ‘Kausalver­bin­­dun­­gen’)


und kei­nen sichtbar ‘not­wen­­­di­gen’ ordo.
77. Beide müssen aber schließlich eine organisierte Gestalt erhalten, sie eigentlich anneh-
men, wenn denn eine sol­che Forderung soll möglich sein können. Historisch gilt, dass wir mit
Ockham zur pro­blematischen Aus­­gangs­la­ge des Mittel­al­ters zu­rück­kom­­men: Logik (The­­orie
des Denkens) und christliche Apologie müssten zur Dec­kung oder hinläng­li­chen Ver­schrän­­
kung sich brin­­gen lassen. Das geschieht bei Ockham nicht und kann, wenn seinen Bemühun­
gen Er­weis­kraft innewohnt, nicht geschehen. Wie jetzt formale und in­halt­­­liche Aspekte iden­
tisch wer­den, ver­liert die Pro­ble­matik den huma­nen Sinn. Die Autono­mie, die damit ge­sucht
oder er­reicht wurde, konnte nicht mehr die re­ligiöse sein.
78. In dieser Gleichheit exemplarisch und apokryph zugleich S. Kierkegaard. Kritik ist darin
nicht beabsichtigt. Die sucht Th. W. Adorno, 1966 p. 128: „Während Kierke­gaard, nominali-
stisch, die Existenz gegen die Essenz aus­spielt, als Waffe der Theologie ge­gen die Metaphysik,
wird von ihm, schon nach dem Dog­ma der Gotteben­bildlichkeit der Person, Existenz, der Ein­
zel­ne mit Sinnhaf­tig­keit bedacht. Er polemisiert gegen die Ontologie, aber das Seiende, als Da-
sein ‘jener Ein­zel­ne’, saugt deren At­tribute auf.“ Doch Kier­kegaard ver­wen­det ästhe­ti­sche und
psycholo­gi­sche, im Wesentlichen na­tu­rale Re­ferenzen, um sie als quali­ta­­tes und akziden­tell von
der Per­­son dann fer­nzuhalten. Ador­no zielt über Kierke­gaard auf Heidegger (ibidem).
79. Es hat Versuche ge­ge­ben, zwischen ein­zel­nen Denkern hete­ro­ge­ne Welt­an­schau­un­gen als
ih­nen der­­­art eigene an­zunehmen, dass sie gar nicht an­ders ge­konnt hätten, als ihrem Typus
ver­pflich­­­­­­­­tet mon­adolo­gisch zu reagieren; dies auch im Ver­hält­nis zu­ein­ander. So nach der Idee
von weltanschaulichen Typen, die Dilthey, Jaspers, die Neu­­­kan­tianer ver­­­tra­ten. Zur „Typo­lo­gie
von ‘Pro­blemen’“ s. N. Hart­mann, Der philosophische Ge­dan­ke und sei­ne Geschichte, Abh. d.
preußischen Akademie der Wissenschaften 1936, Nr. 5. und Nach­­­gelasse­ne Vor­lesungen o. J. Es
ist be­­hauptet worden, seit der An­tike habe es ei­­ne be­­­stimmte geringe Anzahl von Doktrinen ge­
ge­­ben, die sich bis in die Neu­zeit und in dieser be­sonders wiederauf­er­­ste­hend gefunden hät­ten.
S. Berkeley, S­­iris, 1744 und Nietzsche, Menschliches Allzumenschliches, 1879.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 285

as­­pekts im Wi­der­spruch nur noch die ver­fehl­­te empirische Deutung aufweisen; sie
ist für die Ge­­­­nese der Begriffe bindend und für die Er­­klärung des Erkennens maßge-
bend.80 Die Abstraktion muss sie integrieren.
Ockham hebt den Ausdruck compositus eigentlich auf, wenn er von der Verei-
nigung der zwei Na­turen in Christus spricht. Er lässt ihn einen abstrakt essentiel-
len Sinn annehmen. Vom Stand­punkt der Akzi­den­talität und Eigen­schaft­lichkeit aus
kann er nicht mehr (nicht mehr ein­deu­tig) gefüllt wer­den. Es gibt keine emp­iri­sche
induktive Relevanz in Be­­­­­zug auf ihn, nur den em­pi­ri­schen Ver­gleich. Den Übertrag
aus der Essentialität (Substan­ti­a­li­tät) in die Akzidenta­li­tät gibt es fak­tisch nicht. So-
mit ha­ben wir eine Art Ausschließungsver­fah­ren nahe der Wi­­der­legung.81 Die lo-
gische Ausgangslage für die Prädikation im Satz ‘Deus est homo’ ist:82 „Li­cet enim

80. Gott denkt nicht in dem Satz, den wir denken (und einzig haben); er hat und denkt nicht
diesen Satz. Cf. Anm. 72 zur Stelle Ord. d. 39 q. unica OT IV p. 592 lin. 5–7. Daher müssen wir,
die wir diesen (oder irgendeinen) Satz ha­ben, der kontingente Fakten aufnimmt (wiedergibt),
von dem Nichtberichteten und Nichtgewis­sen, für uns ins­­be­­sondere auch Nichterfahrbaren,
trennen. Die Abstraktion, mit der wir es zu tun haben, kann so bereits rein sprach­lich nicht
einbeziehen, was wir nicht wissen. Ohne diese Unterscheidung diskutiert man für Ockham
Schein­probleme und erörtert Monstrositäten oder vermeintliche, definit nicht zu begrün­dende
Kühnheiten, die er nicht aufweist. Wir entscheiden Sätze in dem Sinn, dass sie keine Sätze in
Gott sind und für ihn als diese kon­se­quentermaßen auch nicht relevant. In dem Sinn ber­gen sie
ent­spre­chend sie nicht Probleme für uns: es wären sol­che, die mit unserer Abstraktion entfallen
müssen. Bereits Prol. Ord. betont die Ab­straktion bei unseren Sätzen und dass Gott derart keine
Sätze habe; die dortige Dis­junktion wird hier bekräftigt ebenso die grundlegende Be­deu­tung
jenes Prologs. Wir haben kein Wis­sen, in dem wir uns mit dem Gottes vermischen müßten;
wir teilen mit Gott bereits nicht die Mittel. Daneben löst Ockham das Problem begrifflich als
Impossibilität oder Aporie: Rep. II, q. 3–4 OT V p. 71 lin. 19 – p. 72 lin. 2: „di­co quod Deus non
scit necessario aliquid futurum esse pro­du­cen­dum, quia nec omne futurum est producen­dum
ne­ces­­sario; nec Deus scit necessario omne futurum producen­dum, quia pri­mum est contin-
gens, quia omnis produc­tio posset cessare.“ Anders D. Perler, 1988 u. Ph. Boehner, 1945.
81. Ockham gebraucht den terminus ‘com­positus’ für die Vereinigung der beiden Naturen im
Sinne einer un­trenn­baren Einheit. Das compositum kann abstrakt ohne unio sein cf. Ord. d. 30
q. 1 OT IV p. 318 lin. 1–9. Die empirische Erfahrung lässt unio als ‘Gemenge’ zu. Wir haben es
bei den zwei Natu­ren vorab mit qua­lita­tes zu tun. cf. Ord. d. 17 q. 7 OT III p. 539 lin. 14–19: „dico
quod quantum ad aliquid est simile in aug­men­­ta­ti­­one qua­li­ta­­tis et quantitatis, et quantum ad
aliquid est dissimile. Est enim in hoc dissimile quod in aug­men­tati­o­ne qua­li­ta­tis est aliqua res
absoluta, secundum se totam no­va, fa­ci­ens per se unum cum prima. Non sic in aug­men­­ta­­ti­one
quantitatis.“ Die unio hat nicht den abstrakten Mehrwert oder Vorteil, den compositum bie-
tet, cf. Rep. III, q. 1 OT VI p. 8 lin. 3–15. Cf. auch Quaestiones variae q. 6 art. 2 OT VIII, p. 129
lin. 288–294 und Rep. II, q. 13 OT V p. 249 lin. 19f: „Nunc autem be­a­ti­tudo quae est in genere
quali­ta­tis est per­­fectior omni quan­­­­­­­ti­­ta­te.“ Ferner Rep. II, q. 9 OT V p. 180 lin. 5f: „intendit Com-
mentator quod materia et forma sunt naturae perfectius quam compositum, et tamen composi-
tum est perfectius materia et forma.“
82. Rep. III, q. 10 OT VI p. 321 lin. 24 – p. 322 lin. 2.
286 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

homo connotet suppositum divinum, tamen prin­ci­pa­liter significat naturam il­lam as­
sumptam realiter distinctam.“ Das führt zu einer suppositionslo­gi­schen Erwei­te­rung
bei Ock­ham, worin im Prädikat humanitas als vom suppositum divinum realiter di­
stinkt auf­tritt. Es fragt sich, ob diese Lösung konsistent ist. Huma­ni­tas bezieht sich in
der Sache nicht mehr auf ‘homo’ oder na­tura humana, sondern qua supposi­tio sim-
plex auf filius oder verbum. Die Aus­sa­­­ge wird, in­dem sie aus dem Essen­ti­el­len, in wel­
chem sie im Sinn der Inhärenz nicht festma­chen und gel­ten soll, in das Ak­zidentelle
überge­lei­tet wird, um den Gel­tungsbetrag was das Chri­­­­­sto­lo­­gi­sche an­geht, ent­leert,
ver­nichtet i.e. imaginär. Die noch gelten kön­­­­nende oder gel­ten sol­len­de Sprachrege­
lung ent­hält keinen sachlichen Verständnis­kern mehr.83
Der modale Ausdruck als Apostrophierung von Sätzen, die rein in­tensional ist,
mit der dabei verwandten Unterscheidung von modo composito und modo di­viso, dient
dem Sachverhalt, dass keine Integration der qualitas oder des accidens in die forma
stattfinden kann und dies auch nicht über Beweise reglementiert werden kann und
bedeutet am Ende, dass eine Indukti­on stattzuhaben hat (analog auch ausgespart sein
kann), bei der jeder Sinngehalt empirisch ab­ge­stützt werden muss. Ockham muss so
für intensionale Qualitäten, was die Bestimmung von Sätzen, die Charakterisierung
(= Qualifizierung) von actus mentales, Satz­­bestandteilen etc., die eben nach Qualitä-
ten und als Qualitäten aufgefasst werden, angeht, seine Ar­gumen­ta­ti­o­nen auf­wen­den,
die eben wesentlich induktiv sich ausnehmen müssen. Es entfallen Argu­men­­­ta­­tio­nen,
auf die Ockham stößt oder die er im Gegensinn zu seinen Aus­­le­gungen auch fin­gie­
ren mag. Ein Beispiel:84 „Ad primum prin­cipale: nego istam con­se­quen­ti­am ‘demon­
stra­­bile de aliquo non est idem re­a­liter cum eo, ergo distinguitur reali­ter ab eo’. Pa­
tet instan­tia, quia ens rationis non est idem realiter cum re nec distinguitur reali­ter.
/§ Et hoc se­­cundum opinio­nem quae ponit entia ratio­nis obiective in ani­ma. §/“85
Hier ist ein Schluss nach dem ter­tium non datur suspendiert oder zurückgewiesen
worden. Dies freilich im Sinne einer in­ten­­si­­o­­nal zu verstehenden Begriffsdeutung

83. Hier ließe sich die adverbielle Bestimmung eines Adjektivs oder einer Qualität denken. Das
muss eine Negati­on genau im Sinn eines Ausschlusses der Realität (significatio) in sich und
ebenso eine modale Satzbestimmung be­sagen, bei der nach dem realen Satzgehalt (Satzwert)
nicht mehr gefragt werden kann; modale Satzbestimmun­gen heben ei­nen Satz auf. Das nutzt
Wodham bei den Sät­zen der Christologie. Sie werden al­­le als Elementar­sät­ze gehalten. Die
Modalität tritt ein, wenn die es­sen­tia, das Es­sentielle, faktisch nicht im Sin­ne des Ak­zi­dentellen
aufzufangen ist und damit der Sinn (cf. Ockhams Induktion) zum Nichtsein, zur Negation der
res in se gelangt.
84. Prol. Ord. q. 3 OT I p. 143 lin. 9–13.
85. Eine andere Handschrift setzt hinzu: „secundum aliam est aliter dicen­dum“ s. p. 143, Appa­
rat: (add. B.) Die Be­stimmung des menschlichen Begriffes (= conceptus), die Ockham hier
setzt, voraussetzt und verwendet, ist die Hypothese, der Begriff in mente sei ein fictum esse, auf
das der actus intelligendi erst sich beziehe, nicht aber eine intellectio oder ein subiectivum es­se,
welche bereits die Erkenntnis darstelle.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 287

(Hypothese). Der Ausgriff a parte conceptus oder actus ap­pre­­hensivi respektive actus
mentalis auf die Realität ex se oder in se ist obsolet.86
So bekommen die solutiones, die eine Erörte­rung abschließen, bei Ockham fol­
gende Struk­tur: ei­ne empirische Induktionsbasis, die nur rein intensional ge­fasst sein
kann, und den Ausle­gungs- oder Bestimmungscha­rak­ter, der sich auf das intra­men­
tale ens be­zieht, und gegen eine formell analytische Auffas­sung oder gar einen Tru-
ismus sich erklären und absetzen. Im obi­gen Beispiel ist die Aus­legung des Begriffs
(univer­sale) als fictum (esse), obiectivum es­se bzw. obiective esse die Grundlage dafür,
dass die schar­fe Dis­junktion zwi­­­schen distinctio rea­lis und identitas realis negiert (ge-
leugnet) wird: ein for­mell apriori­scher Gesichtspunkt, für den aber Logik und In­halt
miteinander verschliffen er­schei­nen, wird aufgegeben; nur so kann die Negation einer
anderen Annahme oder Meinung ent­ge­gen­gesetzt werden.87 Die Induktion (oder die
Abstrakti­on) eines Urteils beruht hier da­rauf, dass das ens men­­tale des Begriffs als ob­
iectivum esse und nicht dinggleich als subiecti­vum es­­se verstanden wird. Diese Lehre
oder Position Ockhams zum uni­ver­­sale, die er an­fäng­lich und dann wieder als end-
gültige akzep­tier­­­­­te, ist damit ebenfalls in­duktiv erhärtet worden; für den Begriff nach
der Bestimmung als sub­­­iectum esse würde die Ding­identität gelten und eben damit
auch, dass es als res absoluta an­­­zusehen wäre und damit von je­dem anderen Ding, i.e.
jeder anderen Sache verschieden, da es als res keine andere res ent­halten kann. Das
schafft für Lehre und Auslegung von Sät­­zen ei­ne Problematik: Be­grif­fe haben da­rin
ja einen ‘Wesenszusammenhang’, zumin­dest muss den Sät­zen nach ih­rem Typus eine
genuine Verbindung ihrer Begriffe, s und P, zu­ge­schrie­ben wer­­­­­den; sie könnten sonst
nicht charakterisiert (typisch unterschieden) werden. Die Wider­le­gung der Vorstel-
lung von Inklusion ist zugleich die Aufhebung der Implikation.88
Da die Sätze mit ihrer Struktur und diese bedingend, nicht analytisch verfasst
sein können, al­so keine analytische gebundenen und verbundenen termini besitzen
können, können (müssen) sie gegeneinander, im Sinn von Verhältnissen bestimmt
werden, die eine Deduktion ergeben oder einer entsprechen, die nicht die analyti-
sche ist und die die Kompatibilität mehr als die Kon­sistenz betont, vielleicht sogar
definit ergibt. Eine solche Struktur, wenn sie besteht, fasst In­halte, die nach Haupt-
begriffen thematisch gegeben werden, analog den ihnen untergeordne­ten Aussagen,
die, determinat gesehen, den Inhalt nicht enthalten, den sie über ihren Stel­­­­­len­wert

86. Dabei gibt es Gott und es gibt die Welt. Beide werden nicht nach einerlei Maß betrachtet
und verbunden wer­den können, schon weil es dieses Maß secundum logicam und in der Form
eines denkbaren Deduktion, für die dann der Syllogismus stünde, nicht gibt. In der Syllogistik
können deduktive Kontinuität und Konsistenz der Be­weis­akte nicht dargestellt werden.
87. Dieser Fall ist bereits im Rahmen der Analyse der Bestimmungen heterogener theologi­
scher Erkenntnisfor­men gegenüber dem Gegenstand ‘divina essentia’ selbst erörtert worden,
wo er ganz gleich vorkommt.
88. Hier begründet sich die Form von reprobatio mit Gewicht für ontologische Begriffe wie
forma usw. S. Kap. 9.
288 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

identifizieren: Gott ist oder wird was die Satztypen, ihm zugeordnet, über ihn aus­sa­­
gen (bzw. zulassen); Gott wird auch was von ihm veranlasst werden kann. Der kontin-
gente Satz ‘folgt’ aus dem notwendigen, insofern sie beide nicht ‘analytisch’ sind oder
sein sollen. Gott ist Schö­p­fer­gott und Erlösergott. Gott wird nach dem notwendigen
Satz identifiziert, der die Heils­ordnung, somit die Heilswahrheit, angibt, und durch
den Satz, der den Erlösergott be­schreibt, den Erlöser. Das Verhältnis der Sätze und
Satztypen ersetzt die Gegenständlichkeit, hier den Gegenstand ‘Gott’. Beide Satz­­arten
im Verhältnis zueinander nivellieren oder sus­pen­­­­­dieren das erkenntnis­theore­tische
Di­lemma, das man für Ockham als Vertreter der Spät­scholastik immer sehen will.
Gott und Wahrheit sind die beiden äußeren Randpunkte, die bei Ockham, wenn er
das er­ken­nende Ver­mögen des Menschen in der Form der Sätze oder de­ren Beurtei-
lung festlegt, nicht mehr de facto erreicht und affiziert werden. An der Stelle der Re­­­­a­
li­­tät, die in se nicht erreicht wird, ste­hen die kontingenten Sätze, die über sie ausgesagt
wer­den. An die Stelle Gottes treten die Akte, deren Bestimmtheiten Erkenntnisse be-
züglich Gott formal oder formell beschreiben und als mit der empirischen Erkennt-
nisbasis des Men­schen kompatibel konzedieren. Es fragt sich, ob die beiden ersten
Artikel des Credo89 gleich­wertig er­fasst wurden und infolgedessen, ob das Christen-
tum denn bewäl­tigt wurde.90
Klar ist, dass die Vereinigung oder Zusammensetzung der zwei Naturen in Chri-
sto mensch­li­ches Denken vor Probleme stellt:91 „dico quod nihil est composi­tum sine

89. H. Blumenberg, 1966 p. 544 Anm. 27 nennt die Unterscheidung zwischen cre­­­­a­tio und ge­
ne­­ra­tio eine der dun­kelsten der Dogmengeschichte. Eine Begründung gibt er nicht. Cre­a­tio
gilt der Welt, insofern Gott sie ge­schaf­­fen ha­be, generatio hier dem innergöttlichen Bereich
der Tri­ni­­­tät, nur diese betreffend. Für Ockham Ord. d. 1 q. 1 OT I p. 385 lin. 1–3 bringt der
Wille „secundum omnes“ den Hl. Geist „necessario“, „creaturam“ aber „con­tin­genter“ her­­vor.
Ockham betont generatio als menschengemäßen Begriff (Ord. d. 13 q. unica OT III p. 423
lin. 11–13): „re­spon­deo quod non est possibile as­si­gnare ra­tionem sufficientem quare productio
Spi­ri­tus Sancti non dicatur ge­ne­ratio, et hoc pro statu isto. Ta­men hoc est credendum.“ (indes
auch das mit rationes! Cf. ib. lin. 13f: „aliqualis ratio!“) Dann grundsätzlich (ib. lin. 15–18): „Et
assurgendo a creaturis, non debemus creatu­ram omni­no ex­­clu­de­re, quin aliquomodo propor-
tionaliter dicamus in deo sicut videmus in creaturis.“ Cf. ib. p. 422 lin. 11f und 17f: generatio =
spiratio! Ein Beweisgrund für eine Unterschiedenheit würde auf der/einer dis­tinc­tio realis be-
ruhen und also induktiv gegeben werden können. Cf. ib. p. 422 lin. 13–16: „Et ad probationem
di­co quod non tantum relationis oppositio inter correlativa sufficit ad distinctionem realem in
divinis, sed etiam in­com­pos­si­­bi­li­tas in eadem persona sufficit ad distinctionem realem.“ Sie
wird also gesucht oder benötigt.
90. Die größere Bewältigungsmenge liegt technisch bei der Christologie und ihr entspre­chend
in der Konzeption des dreieinigen Gottes. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Scho­
lastik mit ihren terminologischen Mit­teln einen Teil der Probleme integral erst erzeugte und
danach zwingend auch integrativ zu beantworten hatte.
91. Ord. d. 30 q. 1 OT IV p. 318 lin. 1–9 Der empirische Sinn eines Satzes meint kein (absolutes)
inhaltliches Ver­hältnis der Begriffe zueinander. Die syncathegoremata, die hier nichts zum Satz
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 289

uni­­­­­one partium com­ponibilium, accipiendo unionem pro ipsis partibus unitis, quia
sic valet is­ta(m) ‘nihil est compositum sine partibus realiter unitis et non distantibus’.
Si au­tem ibi ly un­i­­­o­­ne supponat pro conceptu exprimente rem sicut est, sic conceden-
dum est quod pot­est esse com­­­­positum si­ne unione partium componibilium … sed
primus sensus est ma­gis usita­tus apud auctores.“ Es gibt also ein compositum sine
unione. Es bedeutet (die) Nä­­he der Teile in der Zu­­sammenset­zung, sie müssen de fac-
to sich berühren, wie evident ist, aber sie müs­­sen nicht sich durchdrin­gen. Das erlaubt
die Induktion, welche mit einem Sta­tus per Ab­straktion zu­sam­­­­­­­men­geht. Da­nach ist
die unio sine compositione möglich. Erst das wür­de den definiten Be­­­griffsgebrauch
und eben auf einer Induktionsbasis sichern. Erst danach ist ein Schluss mög­lich; dass
er nicht apologetischer Natur ist, ist klar. Das Schließen kann mit der Apologie nichts
zu tun haben. Die­­se arbeitet im Prinzip auch mit Zirkelschlüssen. Es wird so­gar klar,
dass Ockham immer mit abgeschlossenen, i.e. begrenzten, prinzipiell also ele­men­
taren Sät­­zen arbeiten muss, wenn die (Approximation an) Wahrheit ausgedrückt oder
verhan­delt wer­­den soll. Duns Sco­tus hat sicher eher apologetisch operiert als Ockham.
Der tut es der hier geschilderten Met­ho­de der Abstraktion nach nicht. Man kann die
Methode Ockhams im Ver­gleich mit ‘der’ des Duns Scotus auch so ver­stehen, dass
man sagt: Ockham operiert ab­schlie­ßend mit Elementen, die bei Duns Sco­tus auxiliär
und prä­pa­rativ sein konn­ten. Aber Ockham operiert so, dass das Akzidentelle nicht
in das Substan­zi­elle eindringe: er sichert strikt und aus­drücklich diese Ab­strak­tion.
Duns Scotus hatte sie in der noch unabdingbaren Ar­­­­gumen­ta­tion wieder offengelas­
sen bzw. eigentlich aufgehoben, sie ent­we­der kasual un­ter­teilt oder nur noch auf ei-
nen von zwei casus (Empirie versus Ab­­strakti­on, Empirie versus Me­ta­­physik oder
göttli­che Trans­zen­denz) bezogen. Duns Scotus muss dabei die Geltung, den Vor­­­­­rang
usw. im Grund extern und extra zum Wortlaut seiner einzelnen speziellen Ausfüh­
rung be­haup­ten oder unterstellen; na­tür­lich auch für alle und am einzelnen Ort für
eine einzel­ne Un­ter­scheidung. Geltung oder Vor­­­rang sind nicht methodisch jeweils
eingeschlossen. Bei Ock­ham erübrigt die klarere Ge­stal­tung bzw. die durch­gän­gige
Kon­zep­­ti­on zum einen Teil das spe­zi­elle Argu­men­tati­ons­we­sen des Duns Sco­tus, zum
anderen aber jedes annähernd ana­­­ly­ti­sche Begrün­den und Bewei­sen über­haupt, bei
dem vorderhand Logik und Ontologie ir­gend­­­­­­wie, am Ende aber nur unbe­stimmt zu­­
sam­­menge­nommen und zusammengezogen werden könn­­ten. Ockham geht mit dem
in­dukti­ven Verfahren von der Geltung aus, die aber in sich von ihrer Basis her fak-
tisch be­grenzt ist (i.e. Negationen einschließt) und es im abstrakten Er­gebnis bleibt.
Auch hier ist der Ausdruck ein förmlich begrenzter, in den sprachlich eine Ne­ga­­­­tion
eingeschlossen ist. Mit ei­ner in dieser Art begründeten persuasio wird der Anspruch
der reellen ausgedehnten Geltung nicht erhoben, die Auswechselbarkeit der Begriffe
sogar er­wo­­gen, unterstellt oder zugelassen.
Nur in kontingenten Aussagen hatte Ockham die Christologie auffangen kön-
nen; die über­­grei­fen­de Vorstellung heilsnotwendiger Sätze musste bedeuten, dass die

nach dem realen Sinn hinzufü­gen (cf. loc. cit. lin. 7: „omnis homo est risibilis sine hoc signo
distributivo ‘omnis’“), haben auch nichts mit der abstraktiv verstandenen qualitas zu tun.
290 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

In­­­­­­halte der Glau­bens­wahr­heiten, die heilsnotwendig i.e. „necessariae et sufficientes


ad sa­lu­tem“ sein sol­len, eher die Handlungen und Erwartungen, ja das Selbstver-
hältnis zur Ratio­na­­­­­lität und in­ner­halb der Rationalität be­treffen können, denn dass
sie Glaubensaussagen wä­ren, die der ‘Glaube’ als Vermögen und entsprechend auch
die Seele als diese Aussagen pri­ma facie anzu­nehmen hät­ten. Es sind indes auch hier
Aussagen für den ‘viator’, d. h. den Er­den­­pilger.92 In die Seele aber kann nun, bei
Ockham, wenn man seine Kon­zeption betrach­tet, de facto nichts mehr rei­chen;93 da-
gegen ist die Eindeutigkeit der Meinun­gen, die der „opi­ni­­o­­nes“ und ‘Optio­nen’ bei
Ockham gesichert.94 Die neuzeitliche Philosophie holt nun in den Be­­­reich der Quali-
täten aus und muss, indem sie Subjekt (oder Sub­stan­­tiv) und Prädikat ei­gent­­­lich in ih-
rem Ver­hältnis zu amalgamisieren hat, eine Be­gründung für es geben.95 Sie un­­­ter­lässt

92. Darin besteht die Über­einstimmung mit Luther, dem anscheinend Ockhams Erörterungen
auch intel­lektu­ell nicht widerstanden. Cf. NACHWORT Anm. 74.
93. Diese besondere Seelenwertigkeit ist dann proprium der spätmittelalterlichen und auch
der neu­zeitlichen Denk­weise und Religiosität, bei Luther wie im Kat­­­­­­holizis­mus, und wenn
nicht im Rationalismus und der pro­tes­tantischen Orthodoxie, so doch im Pie­tis­mus und bei
Kier­kegaard, der das Mittelalter religiös lobt und genuin in ihm gräbt: Don Juan Motiv. Er ist
der historischen Abkunft des Motivs als eines mittelalterlichen sich bewusst.
94. Mit Ockhams Ver­fahren aber, der Haltung, die damit einhergeht, wird, im­mer anstelle ei­
ner Kau­sa­li­tät in ac­­­tu, die Induktion (mit) angesprochen. Die Induktion leistet und über­nimmt,
was für die Bestimmungen der Sät­ze, der kontingenten zumal, nicht gesichert wer­den kann:
dass das Prädikat eine kausale Funktion und inhaltliche In­te­grität gegenüber dem sub­iec­tum
aufweisen könnte. Mit der Induktion wird sie insoweit erlangt, als für die Em­­­pi­rie, von ihr
aus­ge­hend, aber nicht auf ihr, das Akzidentelle und in seiner empiri­schen Dimension Kontin­
gen­­te, dem subiectum beigeschlossen, als in dieses förmlich nicht ein­­tre­tend bewiesen werden
kann. Es be­sitzt dann ei­nen referentiellen oder indexikalischen Charak­ter. Es wird eine kon­
tin­gente oder akzidenteller Wer­­tigkeit beibe­hal­­ten, die wird aber nicht in­haltlich und nicht re­
flexiv ausgedrückt oder ausschlaggebend. Sie geht in die Be­stim­­mungen der Substanzbe­grif­fe,
mittels forma eingeführt, nicht ein; diese mithin sind intensio­nal in jedem Sin­ne des Wortes
zu ver­stehen: inhaltlich, modal, pragmatisch, auf den Den­ken­den als Subjekt und nach seinem
Ver­­­mögen bezogen. Modal verstanden werden können auch Apo­stro­phierungen von Beweisen
wie ‘pot­est per­su­a­deri’. Cf. wie das subiectum causa praedicati propositionis ist: Ord. Prol. q. 3
OT I p. 142 lin. 23 – p. 143 lin. 6.
95. Hobbes, Leibniz, Spinoza, Hume stützen wie definieren dieses Verhältnis über den Wider­
spruchsatz. Ockham trennt ab­strak­te Aus­sagen und even­­tuell Notwen­dig­keit und empiri­schen
Sachverhalt, i.e. akziden­tel­ler Ge­­­halt und kontin­gen­ten Sachverhalt so, dass dies auch eine
Re­vision der Beweistheorie bedingt. Ge­gen Spinoza erhebt W. Cramer, 1959 p. 11 Ein­wän­­de:
„Wir hö­ren nichts darüber, warum sich die Substanz in vieles aus­ein­an­der­legt, warum sie Modi
hat…“ (ebenso p. 13). Dann p. 18: Spi­no­za sei „vor­zuhalten, dass er nur versichert, wo er hätte
be­­grün­den müssen.“ Met­hodologisch ist es die Frage, ob er mit der Definition von passio-
nes, also Prädi­ka­ten, faktisch nach dem Sinn von ac­cidentia, vorgehen konnte, um beweisend
mit der ‘con­se­quen­tia’ Not­­­­wen­dig­­­keit dar­zutun. Konnte es die Notwendigkeit der subiecta, des
in ihnen Dargelegten, ihrer Verhältnisse sein oder muss­­te dies alles wesentlich per Induktion
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 291

es vielleicht und gibt, wenn sie vom empirischen zum abstrakten Begriffsgebrauch
fort­­­schreitet, via Argumentation zu­nächst nur Be­grün­­­dungen für die Bedeutung der
Vermögen. Sie werden zu Rivalen des Christen­tums. Die Christologie verbleibt als ein
Relikt im neuzeitlichen Denken.96
Indem die theologischen Wahrheiten, die die Heilsordnung betreffen, wozu die
christologi­schen Aussagen nicht sichtbar oder notwendig gehören können, vorran-
gig für den Glauben sind und potentiell notwendige Wahrheiten, können sie mit den
kontingenten christologischen Aus­sagen (Zweinaturenlehre) nicht ableitbar überein-
stimmen, da die kontingenten Aussagen aus ihnen nicht abgeleitet werden können;
sie können daher mit ihnen nur kompatibel sein. Letz­­tere werden ersteren auch nicht
widersprechen oder einen bzw. den Widerspruch für sie formu­lie­ren. Aber sie können
auch nicht als Aussagen Bedingungen für den Glauben darstel­len, den sie zugleich
auszudrücken hätten. Gibt es eine absolute Verlässlichkeit in den Be­zeich­­­nun­gen, so
können den Glauben nur solche Aussagen wiedergeben und zu­gleich abge­ben (= ver­
körpern), die mit ihrer rationalen Form von einer bloßen sach­lichen Aus­sa­ge, wie sie
die Christo­logie bietet, sich unterscheiden: sie können daher kategoriell überhaupt
nicht mehr dem Glauben, sondern bloß noch der Rationalität oder dem Wissen, wenn
es denn ge­stif­tet werden kann, angehören. Es muss also (Wissen oder) Erkennt­nis ge-
ben, die wenn sie bloß ge­äu­ßert wird, schon ‘ist’. Was hier allgemein gefordert werden
muss, löst der Nomina­lismus ein. Er gehört wesentlich somit sogar der mittelalterli-
chen Welt an. Die Rationalität in der christlichen Welt kann keine gegenstandsverhaf-
tete sein. Des­halb war die Christologie wel­t­­lich denkbar und rational untauglich und
unerheblich.97 Dass ir­gendei­ne spä­­tere Philoso­phie das Dilemma be- und aufheben

erhoben und erwogen werden? Spinoza macht das alte ari­s­to­te­li­sche Prinzip der adaequatio
intel­lec­tus ad rem geltend und schließt die Kausalität darin ein. Gilt dies (al­les)? Oder sa­gen
wir mit Ockham: Sunt falsae opiniones, operationes, argu­mentationes sive consequen­tiae. D. h.
Fal­­sche An­sichten im Verhältnis zu Beweis, Argument und Ontologie. Nicht absolut, nur relativ
absolut.
96. Duns Scotus und Ockham haben beide in einer an­deren Stellung sich befunden: sie ha­ben
(die) Absolut­heit – von Thesen wie Beweisverfah­ren und sei ein solches wie bei Duns Sco­­tus
auch nur vermeintlich – an (die) Vor­­gangslosig­keit geknüpft, letztere implizit inner­halb der Ar-
gumentation und eben konstruktiv herzustellen un­ter­nom­­men. Ockham bewertet Ausdrücke,
Begriffe und Sätze ebenso wie consequentiae und stellt sie nicht durch Deduktion dar wie Duns
Scotus. Wenn Ockham beweist, widerlegt er die Annahme, dass bestimmte Aus­­­drücke, Sätze
und consequentiae gültig seien. Er zeigt, dass sie auf fallaciae beruhen usw. Ockhams Be­wei­­sen
richtet sich damit auf die Intensionalität: er widerlegt und induziert oder persuadiert mit Bezug
auf den ac­­tus mentalis. Den lernen wir inhaltlich (inhaltsbezogen) als actus apprehensivus
kennen.
97. Ockhams Frage (Ord. d. 17 q. 3 OT III p. 475 lin. 13f): „Utrum de facto omni actui meritorio
caritas cre­a­ta prae­supponatur“ impli­ziert, dass der actus meritorius zu seiner Akzeptanz der
dem Menschen möglichen (ge­ge­be­nen) natürlichen ca­ritas (Men­schenliebe) als seines Motivs
bedürfen könnte. Denn er richtet sich aus­schließ­­lich auf den Menschen. Er ist im­mer sittlich
292 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

bestimmt, er hängt damit von der Ethik ab. Damit ha­t er in­ten­sional gesehen kei­ne Grundla­ge.
Er ist von etwas abhängig, was nicht sicher gegeben ist: eine ethische Erklä­rung oder die ihr ent­
sprechende, d. h. sie wirklich ergreifende Motivation. Das gilt, nicht weil die ethischen Prin­zi­
pien als Setzun­gen abgeändert werden könnten, etwa secundum divinam voluntatem liberam,
sondern weil es keine Prä­mis­sen gibt (geben kann), von de­­­­nen her sie Substanz bezögen. So
kann die ethische Maßregel oder Pflicht in­duk­­­tiv ge­se­hen keinen actus meri­to­rius dem Begriffe
nach begründen. Sein Begriff wäre so unhaltbar. Wir kön­nen so auch in der ethisch be­grün­­de­­
ten Pflicht keine Motivation besitzen, die ausreichend seiendlich be­grün­det wäre; sie ist bloß
ak­zidentell denk­bar. Wir hätten ein Widerspruchsmoment; wir könnten nie einen actus merito­
ri­us vollfüh­ren. Gott kann also ver­wer­fen, wiewohl der actus meritorius und entsprechend die
caritas crea­ta beim Menschen vor­han­den waren (ib. p. 477 lin. 18 – p. 478 lin. 2): „caritas aliqua
(sic!) creata – qua tamen po­sita non includit con­tradicti­o­nem habentem non es­se carum deo
ut sibi praeparetur vita aeterna – praesuppo­ni­tur om­ni ac­tu meri­to­­rio. Nec ali­quis de facto
actum me­­­ritorium elicit sine tali caritate formaliter informante. Et hoc est te­nen­dum propter
auc­to­ri­­tatem Sanctorum.“ Der Väterlehre entspricht eine Beweisüberlegung, der kei­ner­lei ein­
sei­ti­ger Ex­tre­mismus an­haftet, wie er mit der Prädestinationslehre u. a. gegeben wäre. Solche
Extrem­leh­ren sind mit Ockhams Argumentationshabitus nicht gege­ben. Das Motiv muss also
nicht für jeden actus me­ritorius ge­for­­dert wer­den und implizit für kei­nen überhaupt. Das ist
ausge­schlossen, wie jedes Widerspruchs­mo­ment und was es ver­tritt, für einen Begriff oder eine
Relation ausscheidet. Auch hier werden Induktions­man­gel und Wi­der­le­gung gleich. Da nicht
a limine theologischer Inhalt (Gehalt) eines ‘Begriffes’ mit einer empiri­schen Referenz koinzi­
diert bzw. so auch nicht sei­­ne empirische Fun­die­rung in Rich­tung auf ‘andere’ theologi­sche
Größen im or­do sa­lu­tis ge­wahrt werden kann, muss bedingt der the­­ologi­sche Be­griff außer-
halb der empi­risch-praktischen Welt des Men­schen stehen. Die charitas creata hat also kei­nen
festen Bezug auf den actus me­ri­torius. Deren not­wen­diger in­haltlicher Teil ist also bereits die
implizite Ak­­zeptanz bei Gott. Die bereits wider­sprüchlich oder ak­zi­dentelle bestimmte Empirie
(Schöpfungswirklichkeit) be­dingt, dass der von Ockham ar­gu­mentativ erreichte und gerei­nig­­te
the­ologische Begriffssinn nicht mehr un­be­dingt als men­schenbezogener und unserer Wirk-
lichkeit entspre­chend anzusehen ist. (Das ist praktisch induktiv begründet!) Wir haben entspre­
chend die feste Wirk­lich­keit auch im Innern nicht: wir kön­nen sie nicht in anima er­­kennend
registrieren. Was die­se Wirklichkeit in un­se­rer Seele au­­ßerhalb des Erken­nens wäre, steht da-
hin. Wir haben the­­­olo­gi­­­­sche Begriffe, die per In­duk­­­tion mit ih­rem ab­strak­ten Inhalt überhaupt
erstmals Bedeutung erwar­ben. Psychologisch gesehen bleiben sie leer. Ihr theo­lo­­­­­gi­­scher Gehalt
müsst­e unerwie­sen, dessen empirische Er­schließung unmöglich sein. Das ge­­­mahnt an Kier­ke­
gaard. Die abstrakt leeren i.e. ne­ga­tiv intensional gefassten Begriffe, die als solche überhaupt
nur abstrakt Sinn haben und intentional kaum Wirk­­­­lichkeit meinen können (auch kei­ne feste
in Gott), bedingen gewiss, dass sich der Mensch empirisch (auch als em­­pirischer Mensch) in
Hin­sicht auf den Glau­­­ben in keiner Wei­se zu fassen ver­mag. Von der Erkenntnisthe­orie auf-
steigend zur sacra the­ologia, zu den in der visio be­atifica gedachten Erkennt­nis­funktionen, mit
habitus und conservatio no­titiae in­tu­i­tivae ad co­g­niti­o­nem rei non existentis bis hin zu solchen
theologi­schen Begriffen wie spi­ratio, die relational die Dreifal­tig­­keits­leh­re zu um­rah­men ha­
ben. Das gilt auch für jeden Begriff aus dem ordo salu­tis. Wir kom­­men so zu ei­ner eigen­tüm­
lichen scientia supranatu­ra­lis. Die da­mit gegebenen Grundsätze oder Gewiss­­heiten resp. Evi-
denzen paral­le­li­sie­ren sich vielleicht Lu­t­her oder Boeh­me. Die Idee des christ­li­­­chen Glau­­­bens
könnte auch an die negativen Me­ta­physiken von Bradley und McTag­gart verloren gehen. Gott
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 293

konnte, war nicht denkbar. Die christo­logischen Wahr­hei­­­ten kön­nen daher die Kon-
sistenz für die Heilslehre bedeuten, der sie selbst dabei nicht an­ge­­hören, indem sie
die Wahrheit in keiner Weise förmlich selbst existen­ti­ell darstellen; sie be­deuten die
Min­derung des Existenz- und Konsistenzmoments in se. Folglich müssen die kon­tin­­
genten Aus­­­sagen auch eine Struktur haben, mit der sie die Kontin­genz in se nicht
mehr mei­­­­­­­­­nen kön­nen, weder in sich selbst als Aussagen, i.e. intensional, noch die
Kontingenz ex­tra nos, mithin ex­tensional.98 Ockham kann in der Christologie den
sprachlichen Ausdruck sup­po­­sitionslogisch salvieren; der dogmatische Wortlaut er-
fährt keine inhaltliche Apologie.99
Ockham hält in allen Fragen, den theologischen wie den naturphilo­sophischen,
den einen be­stimmten Rahmen, der für die Argumentation gilt, ein; er schöpft aus ihm
kei­­ne Erkenntnis der „Realität in sich“, wenngleich er diese dabei nicht ausschließt,
sondern sie gleich­sam sus­pendiert (= hintanhält). Das, a parte argumentationis, be-
schreibt und bezeichnet seinen No­­mi­na­lismus; es macht ihn praktisch aus. Metho-
disch ist der Inhaltsbegriff bei Ockham ge­ne­rell nicht bereits mit dem Begriff, der
seiner Verwen­dung nach, hypothetisch auf reale Ge­gen­stän­de extra animam bezogen
einheitlich zu sein hat, gegeben, son­dern erst mit jenen Be­stim­mun­­gen, die über die
erste Abstraktion, die aus der no­ti­tia intuitiva nach Ockham zwangs­läu­fig er­wächst
(i.e. förmlich mitgeht, d. h. noch ak­zidentell ist), hin­aus­ge­hen. Sie sind nach der

und Welt sind bei Ockham implizit geschieden. Die Welt ist natürlich die von Gott geschaf­fe­ne
Welt. Ih­re Geset­ze gel­­ten als lex com­mu­nis. Aber sie können in der scientia supranaturalis nur
Folie sein. Die externe Welt ist nicht kohä­rent in die in­te­llektive anima eingewan­dert. Diese
versam­melt die the­­­ologische Wahr­heit, sucht die ratio suf­ficiens für sie, lei­­­tet sie aber nicht
zur Fröm­migkeit weiter, die spät­mit­telalterlich so be­­deut­sam wird. Fides und fiducia blie­ben
dis­­pa­rat. Wie Glau­bens­satz und Beweisbarkeit. Zu ac­cep­tio, caritas crea­ta, meritum s. a. Kap. 3
Anm. 100.
98. Die Christologie wird in die Nähe der in se empirischen unerfahrbaren Realität gerückt.
Wenn die Christo­lo­gie der empirischen und damit geschöpflichen Realität nahekommt, wobei
diese nach ihrem sprachlich-gramma­ti­­schen Ausdruck nicht als Realität in se fixiert werden
kann, erhält sie ihren induktiven Grund in den Sprachre­geln selbst. (Diese müssen freilich
selbst eigens standardisiert werden, da sie für die Induktion ein Moment der her­abgesetzten,
der reduzierten, der eingeschränkten Realität als Induktionsbasis erst durch Präparation erhal­
ten können; andernfalls wären sie in sich zu allgemein und unbestimmt, so dass keine definite
Folgerung oder Pos­tu­lation erlaubten.) Das ist eine sehr einfache Folge, welche damit über­ein­­
stimmt, dass Folgerungen schließlich überhaupt nicht ‘a parte abstractionis ad rem empiri­cam
seu singularem’ gezogen werden können. Die Induktion ersetzt Folgerungen im prakti­schen
Interesse der Wissenschaft (J. St. Mill, Peirce). Ihr präludiert Ockham so.
99. Da das Christentum, seine Substanz betreffend, ungesichert ist, ihm aber, im Mittelalter ins­
be­­sondere und es eigentlich fundierend, verpflichtend die Apologie beigetreten ist, die jedoch
da­bei nur akzidentell sich ausneh­men konnte, kann man wesentlich und aus der Tiefe nicht auf
das Christentum verpflichtet sein, und die Apolo­gie ihrerseits kann misslingen oder freiwillig
aufgegeben werden.
294 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

zwei­­­ten Abstraktion (= notitia abstractiva secunda) zu erfassen und wer­­­den dann


über die Stell­­ver­treter­be­grif­fe der Intensionalität (wie ratio, notitia, forma u. a.) ver­
tre­ten.100
Bei Ockham sind die Begriffe und Aus­sagen, wenn sie klassifiziert werden und
in die­sem Sinn formell erst einmal von der Empirie und der un­mit­tel­ba­ren Realität
geschieden sind, nicht in dem Sinne inhaltlich gefüllt, dass von da­her ihre Re­algel­
tung faktisch unmittelbar er­kun­­­det werden müsste. Die vorausgesetzte, aber nicht
gewährleistete ‘Erfüllung’, wird nicht durch Reflexionen, Beweise, Argumentationen
usw. sichergestellt oder behauptet. Sie wird nicht verneint; sie wird durch die intensio­
na­le Kon­struktion als mögliche her­gestellt.101 Sie wird in dem Sin­ne voraus­ge­­setzt,
dass der Begriff als solcher, wenn er sinnliches Datum und dann ein ers­tes menta-
les ist, aus einer nicht qualifizierbaren Materi­alität stammt und eben nie­mals in de­
ren Sinn, was ja auch absurd wäre, Sinn und Bedeutung haben kann. Er ‘ist’ dann im
Verstan­de, ist ein Zei­chen und gewinnt Bedeutung durch seine Bestim­mung, etwa
die Hy­po­these, der Be­grif­f, das universale, sei oder habe ein subiectivum esse. Ana-
log beziehen sich Be­griffe wie ‘ratio’, ‘for­ma’, ‘notitia’, ‘species’ usw. re­fle­xiv auf die­ses

100. Beide er­wähn­­ten Ab­straktionen oder internen Abstraktionsstufen heißen bei Ockham no­
ti­tia ab­strac­ti­va. Je­ne, die dem Be­griff gleichsam ent­spricht, ist die notitia ab­strac­tiva se­cunda,
die mit der blo­ßen Be­griffser­zeu­gung, die darin qua­si dinglich, wenn auch im Ver­stan­de statt­
findend ist, denn auch noch nicht gegeben ist. Indem sie für den Verstand und in ihm rein in­
halt­lich statt­fin­det und auf­find­bar ist, besteht die Verbindung zur Realität (oder Em­pi­rie) rein
in­duktiv und vollzieht sich über die In­duktion. Das heißt: rationes und no­ti­tia, spe­ci­es usw. als
Ver­mitt­­lungs­­­begriffe sta­tu­ie­ren die Be­deutung von Begriffen, Sätzen als formell in­­haltli­che; ka­­
suale Ge­flech­­­­­te der ac­tus liegen außerhalb von deren inhaltlichem Be­griffs­­ver­ständnis.
101. Autrecourt unterstellt eine Atomlehre um den Sinn der scholastischen Terminologie und
Prin­­zipien ‘se­man­tisch’ zu bestreiten (i.e. sie fiktiv oder formell zu widerlegen). Sie definiert für
ihn die Wirklichkeit, die zugleich in sich schwindende Ungreifbarkeit besa­gen soll. Die Atom-
lehre besagt eine entzogene Weltwirk­lich­keit, die er nur unterstellen kann. Ob er damit irgend-
welche Termini oder Prinzipien retten oder definieren wolle, sagt er nicht. Nach Ockham stellt
sich natürlich die Sache anders dar: Da es für Ockham keinen Aus­druck gibt, der in die Realität
extra animam direkt hineingin­ge und sie ex se darstellen könnte, kann es auch eigentlich kei-
nen in­­­direkten Beweis geben, der ein positives Ergebnis nach dem tertium non datur besagen
zu besagen hät­te, i.e. in dess­en Sinn Eindeutigkeit herstellte oder in Anspruch nehmen könnte.
Wir würden damit in der Tat der Ab­strak­tion aus dem Verlauf der Argumentation Konkurrenz
machen. Das hätte den Widerspruch zu bedeuten, i.e. die Wi­­derspruchsmöglichkeit, dass im
Verlauf und Erfolgen der heterogenen Argumentationen und Beweise die­se sich nicht deckten.
Bei Ockhams Argumentation(en) mit Hilfe der Induktion ist das ausgeschlossen: hier wer­den
nicht deckungsgleiche casus ja gerade ent­zerrt. Vgl. auch Kap. 8 Anm. 115: Die Induktion fasst
die Wirklichkeit in sich widerspruchs­frei auf (Peirce). Das muss auch bedeuten, dass reproba-
tio und Induk­ti­on nicht völlig sich ent­­spre­chen und nicht sich widersprechen. Cf. auch noch
Kap. 11 Anm. 54. Zur Einführung des Ato­mis­­mus in die Kopernikanische Theorie (durch De-
scartes, 1644) s. T. S. Kuhn, The Coper­n­i­can Revolu­ti­on, Plane­ta­ry As­tro­nomy in the Develop-
ment of Western Thought, 1957, 1985, pp. 238–242, p. 258f.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 295

Zeichen.102 Eben­so kann der Be­griff hypo­thetisch fictum oder obiectivum esse heißen,
bzw. letzteres ‘ha­ben’.103 Als res be­zeich­net wäre der Begriff funktionell unterwertig

102. Species als Formation, die die notitia intuitiva und die notitia abstractiva begleitend ent-
stehe oder gar die Na­tur des Begriffs bezeichne, wird von Ockham ad libitum zugestanden,
nicht aber gefordert. Anders bei seinem ‘Schü­ler’ Adam Wodham, in dessen SK lb. III d. 14 q. 11
Folio 135 col. 1. Bei Duns Scotus geht sie in die Be­­­­schrei­bung der Erkenntnis ein. Cf. etwa bei
Duns Scotus zur abstractio ultima (s. Kap. 2).
103. Cf. G. Gál, 1967. Walter Chatton behauptete, Ockham habe sich im SK für die fictum-
­ ypothese entschie­den. Das über­zeich­­net die Präferenz. Chatton selbst erwähnt (Lectura
H
I, d. 3 a), dass Ockham am Ende seiner quae­s­tio über die Na­tur des Begriffs dem Le­ser die
Wahl zwi­schen fic­tum-Hypothese und intellectio-Hypothese über­las­se, sagt aber (Gál, p. 201
Anm. 22): „Licet enim isti (sc. Ockham) de secunda opinione in fine ali­quo­rum dic­to­rum
suorum de en­te ficto ad­dunt ultimam particulam, tamen processus quaestionum suarum de
con­cep­tu tota­li­ter est exaratus in Primo suo su­per Sententias ad declarandum quod conceptus
communis sit tale ens fic­tum ob­jec­ti­vum, nec penes aliam est ali­qua quaestio de conceptu com-
muni vel per­trac­tata.“ Das ist eine Ten­denz­­bemer­kung mit Schluss ex negativo, wie er stets ad
libitum ist. Chatton nennt Ockhams Prol. SK I, d. 1, 2, 3 zum Be­­leg und ver­weist auf die Fälle
von Ockhams Behandlungen der theo­logischen Wahrheiten ‘de pro­­­duc­tione Verbi et Spiri­tus
Sancti et ubicumque pertractat de cognitione Dei vel creaturarum in conceptibus com­mu­ni­­bus’.
Chatton be­han­­­delt nun (Lectura I, d. 3, a 2 nach Gál, p. 203) die fictum-Hypothese Ockhams
so, als trete damit ein wei­te­res ens zu intellectio, res extra und eben auch species und habitus
ins Spiel. Für Ockham soll das fic­tum dem ac­tus ap­­pre­hen­si­vus ent­­sprechen. Als intellectio
verstanden „quodlibet uni­ver­sa­le et ge­nus generalis­si­mum est ve­re res singularis“ und steht
dennoch nicht „pro se sed pro rebus quas sig­nifi­cat.“ (Ord. d. 2 q. 8 OT II p. 290 lin. 15). Chat­ton
bringt gegen Ockham vor (Gál, p. 202): „Non plus dependet actus intel­li­gen­di ab esse ficto vel
ab ente fic­­to et obiectivo quam ((a)) rebus re­a­liter et subiective existentibus. Sed per po­ten­ti­am
Dei sine re­bus sub­­iec­tive exis­tentibus pot­est fieri actus intelligendi, igitur sine ficto.“ „Nulla
ap­pa­ret con­tra­dic­tio quod remane­at in­­­­tellectio sine tali ficto sicut et sine rebus et subiective
exis­ten­tibus extra. Et ta­men contra­dic­tio est quod pona­tur intellec­tio quia aliquid intelliga­tur,
pu­ta terminus ip­se.“ (p. 201) „Alia est opi­­nio: quia non in­tel­ligo quod con­cep­tus uni­versa­lis vel
particularis sit aliud quam ipse ac­­­tus intelligendi.“ Doch für Ockham ist der intellectus nicht
erweis­lich cau­sa (effectiva) cognitionis, während er die causa des Be­­­griffs (uni­­ver­sa­­le) in ani­ma
sehr wohl ist, sc. cum obiecto extra mentem. (Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 418 lin. 7–9): „non pot­­est
suf­fi­­ci­­en­ter pro­ba­ri quod in­tel­lectus est causa effectiva cognitionis, sed sufficit ad salvandum
om­nia quod sit sub­iec­­tum cog­ni­tio­nis.“ Ock­ham begibt sich auf die ar­gu­men­tativ konstruier­te
Ebene des actus appre­hen­­si­vus nicht um von des­­sen Warte aus die reale Er­kenntnis reell zu
eli­zi­­tie­ren; Chatton will das und reduziert die Zahl der Größen im Er­­kenntnisaufbau durch
vorgreiflich exzessive Behaup­tung von Gel­tung und Erfü­l­lung. Er sucht Kontraktio­nen, weil
Ockhams Be­wei­se überhaupt ent­f­al­len sollen. Er wirft Ockham vor, ei­ne ars ser­mo­cina­lis zu
betreiben („Di­co quod non oportet ubi­que uniformi­ter referre ad qua­lita­tem lo­gica­lem ser­­mo­­
nis.“) Das ist zwar der Vorwurf des Realisten gegen die Terministen, Ockham zog indes für
sei­ne soluti­o­nes Satz­­struk­­turen nach Wort­arten heran, um sie in­duktiv zu verwenden. Diese
Bewei­se sind nicht mehr ge­nu­in lo­­gi­­scher Na­tur. Sie arbeiten, auch auf dem Feld der actus
men­tales, mit reduktiven Kausalreferenzen und führen nur zu solchen. Die Fak­toren haben
296 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

angegeben.104 Er steht da noch in kei­nem com­plexum: Satz, consequentia, syllogismus,


etc. für welchselbe ja die Be­stim­mun­gen, das heißt die der Anordnung secundum
contentum (also dem Inhalt gemäß und ihn tra­gend), klassifizie­rend und mit Affini-
tät zur Induktion (sic!) ein­ge­führt und benötigt wer­­­den. Wird der Begriff funk­ti­onell
aber als terminus angegeben, so gelangen wir nach Ockham in eine größere Nä­he
zur res:105 „Et omnis notitia complexa /§ terminorum vel rerum sig­nificatarum §/ ul­
ti­ma­­te reducitur ad no­titiam in­complexam terminorum (vel rerum significatarum).
Igitur isti ter­mi­ni, /§ vel res, §/ una alia no­titia pos­sunt cognosci quam sit illa virtute
cuius non pos­sunt evidenter cog­nos­ci tales veritates contin­gen­tes, et illa erit intuitiva.
Et ista est notitia a qua incipit noti­tia ex­perimentalis, quia universaliter il­le qui po-
test accipere experimentum de aliqua veritate contingenti, et me­­­diate illa de veritate
neces­sa­ria, habet aliquam notitiam incomplexam de aliquo termino /§ vel re §/ quam
non habet ille qui non potest sic experiri.“ Die notitia intuitiva kann erschlossen wer­
den, weil zu je­­dem Satz, in dessen no­­ti­tia com­­plexa indistinkt die notitia incomplexa
der termini enthalten ist, die notitia incom­ple­xa der termini und der res, welche die
termini mei­nen, auch distinkt ex­is­tieren (können) muss. Gä­be es sie nicht, könnte
auch die notitia incom­ple­xa terminorum in­­nerhalb der oder zu­sätz­lich zu der no­ti­tia
complexa des Satzes nicht gut ge­dacht oder ange­nom­men werden. Sie ‘wä­re’ in dem
Sinne gar nicht. Man sieht aber wie die Identitäten durch die Argumentati­on ei­gent­­
lich aufgesogen oder überkompensiert werden. Das bleibt ein Pro­blem­­moment aller
In­duk­tion zu jeder Zeit und zu jedem Thema.106

nicht im Sinne inhalt­li­­cher Inklusion essentiellen Berührungswert und Ex­klu­sivi­tät. Unizität


be­steht zwischen desultorisch nach causa (ratio) sufficiens und necessaria geordneten Grö­ßen
(= Be­zü­­gen, die den Inhalt der Operationen, eben Ar­gu­men­ten, ausmachen). Es wird von for-
ma qua­li­ta­tis (und for­­ma quan­ti­tatis) ge­spro­chen genau in dem Ge­gen­sinn zu der von Chat­ton
qualitas logi­ca­lis ge­nannten Eigen­schaft des Begriffstypos bei Ockham. Wod­­ham be­zeich­ne­te
in glei­cher Nach­bar­schaft zu Ockham wie Chat­ton den Be­­­griffsge­halt (In­­halt) als Kon­glo­me­rat
von for­ma, noti­tia (ac­­tus) und Begriff (als quid­dita­ti­ver Be­griff). Der ha­bitus, den auch Chat­ton
hervor­hebt, ist in Be­zug auf das Sub­­­jekt, den Verstand, qua­litas. Ac­ci­dens, ha­bi­tus, qua­li­­tas,
quan­ti­tas besa­gen eine relatio, die als forma, an der es aus­drück­lich wird, und eben auch for­ma
qua­li­­ta­tis, for­­ma acci­den­tis etc. von jedem Aus­druck ge­trennt wird, der noch in etwa ines­se
oder in­hae­ren­­tia mei­nen könn­te, also die kon­tin­­gen­te Bestim­mung kon­­tin­gen­­ten Vor­kom­­­mens
in re­a­li betref­fend. Die ars logicalis + Sup­po­si­ti­­ons­lehre tritt zum actus ap­pre­­hen­sivus hin­­­zu,
so­bald die Quali­tä­ten des Begriffs und der Sätze (im Ver­hält­­nis der Be­griffe) quasi for­mal inhalt­
lich be­stimmt sein sol­len. Das realisti­sche Präro­ga­tiv ent­­fällt. Pin­­­­borg nennt sig­ni­­fi­­catio bei
Ockham ac­tus praedicatio­nis. Signi­fi­­ca­tio ist res sin­gu­laris ex­tra nos, die nicht relatio ist.
104. Byel schreibt Ockham eine doppelte Auslegung oder wenigstens Sprechweise zu. Cf.
H. Hermelink, 1906 p. 102 Anm. 2+3. Byel, Coll. I, d. 2 q. 4 J: „Et vocantur termini res quia
supponunt pro rebus.“
105. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 32 lin. 17 – p. 33 lin. 3.
106. F. Schiller nach Th. W. Danzel (H. Mayer ed.), 1962 p. 238f hofft, (so Danzel) ‘die Identität
des Ge­fühls, we­l­­­­ches die Freiheit in der Er­­­schei­nung hervorru­fen muss, mit dem Gefühl bei
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 297

Die ingressio ad materiam seu realitatem in se aber ist bei Ockham selbst ein
Gang ad ab­sur­­dum, ad falsum, ad inexistens.107 Das gilt in Theologie, in Naturphilo­
so­phie, in den Expli­ka­ti­o­nen der Wissenschaftslehre. Den actus men­talis (oder ac­tus
apprehensivus) also formell sinn­­gefüllt zu denken, ist unzweckmäßig und be­denklich.
Es ent­spricht nicht den konstrukti­ven Grundlagen der Vollzüge (dem Aufbau) bei
Ockham. So lässt denn Ockham auch se­hen, dass er dort, wo der Satz eine förmliche
Wahr­nehmungseinheit auch für ihn108 be­in­hal­­tet, wo er sie voraussetzt oder sie für ihn
unbestreitbar ist, dennoch, im Sinne und im Zu­ge sei­­ner Ar­gu­­mentationen und der
mittels ihrer gegeben Er­läuterungen faktisch die Trennung von s und P nach deren
notitia behauptet und induziert. Da­mit sind wir aber auf der eigentli­chen abstrakti­
ven und eigenen inhaltlichen Ebe­ne.109 „Et quan­do dicitur quod ‘subiectum cadit in
definitio­ne praedicati’, concedatur, com­mu­niter accipien­do definitionem ad quid rei
et quid no­minis. Sed definitio non tantum depen­det ab una parte sed etiam ab alia.
Ergo ad noti­ti­am praedicati non debet sufficere subiectum, quod non est nisi pars
definitionis, sed potest re­quiri alia pars; et ita notitia subiecti non est suf­ficiens.“110
Das Problem im Nominalismus Ockhams ist, nicht dass es Realerkenntnis nicht gebe,
etwa weil der Universalienrealismus ausscheiden soll, son­dern dass die Begriffe keine
identische intentionelle ‘significatio’ als Inhalte haben.111
In den Quodlibeta fragt Ockham: Utrum eadem veritas theologica specie vel nu-
mero pos­­­­­­­­­­­­sit pro­­­­ba­ri in theologia et in scientia naturali112 und sagt: „dico … quod ea-
dem con­clu­sio spe­cie theolo­gi­ca non potest probari in theologia et scientia naturali

der Vor­stellung des Schö­nen’ (Zi­tat Schiller) „durch In­duk­tion und auf psychologi­schem We­ge
zu er­wei­sen“. „Denn freilich lässt sich we­der aus dem Be­griff der Frei­heit, noch aus dem der Er­
schei­­­­­nung ein solches Gefühl analytisch her­aus­­zie­hen, und eine Syn­­thesis apriori ist es ebenso
we­nig; man ist al­so hierin durchaus auf em­pirische Beweise einge­schränkt.“
107. Das ist so noch in der Form der Widerlegung gegenwär­tig, etwa wenn die forma die res
nicht erreicht.
108. Als besondere Vertreter der Ansicht, dass es einen Satzsinn gebe und er vor den Begriffen
und deren Be­deu­tungssinn rangiere, s. Gregor von Rimini („significatum totale“) und Walter
Chatton.
109. Ord. Prol. q. 9 OT I p. 265 lin. 6–11. Cf. Scotus ib. p. 228 lin. 18f: „subiectum cadit in defi-
nitione praedicati.“
110. Beide Ar­ten der Definition, definitio quid rei und definitio quid no­mi­nis, al­­­so jene, die
den realen Tat­be­stand (und im Prinzip, cf. Hobbes und Leib­niz, auch die Her­stell­­bar­keit) an-
gibt und jene, die die Worterklä­rung besagt, werden von Ockham zu­sam­men­­­­­­ge­nommen, um
festzustellen, dass die notitia subiecti nicht die no­ti­tia praedicati schon ent­­halte, mit sich führe
oder ‘ergebe’. Es gibt somit zwischen ihnen auch kein Band der Kon­­sequenz.
111. Dies kompensieren in theoretischer Form die methodischen Problemlösungen und der
Erkenntnisaufbau.
112. Quodlibeta V q. 1 OT IX pp. 475–480.
298 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

primo modo ac­cep­tis“. Das er­scheint zu­nächst be­reits evident. Denn es müssten in
dem Beweis – i.e. in den beiden ver­schie­­­­de­nen Beweisen, die für sich je der einen
Disziplin und nicht der anderen angehören könn­­ten, wenn denn beide Disziplinen an
dieser Stelle oder überhaupt getrennt sein können sollen – ein und derselbe Satz nach
verschiedenen Begriffen in den Prämissen aufgefasst und abgeleitet werden können,
was zu bedeuten hätte, dass sie implizit bereits einen unterschiedli­chen Kontext vor
dem Beweisen und gegen den jeweiligen Beweis besäßen. Ockham gibt ei­nen ‘Beweis’,
den man als Überredungsbe­weis an­sehen kann: „quia pluralitas non est po­nen­da sine
necessitate, ita ea­dem con­clusio non potest probari in diversis scientiis.“ Der ein­zel­ne
Satz kann nicht in seiner In­halt­lich­keit oder auf Grund seiner Inhalt­lich­keit mul­ti­pli­
ziert wer­den. Der Inhalt müsste sonst, wie er ein Verhältnis der Bestandteile, die ihn
aus­ma­chen, gibt und hat, i.e. aus diesem und auf Grund dieses Verhältnisses besteht,
mehrfach kom­­bi­niert oder bewiesen werden können, da­nach aber auch mehr als einer
sein und mehr als einen Inhalt bedeuten und angeben. Auch ein und der­sel­be Realbe-
zug kann nicht mul­tipliziert wer­den; er ist aber Teil der Bestimmtheit des Satzes, wie
gezeigt wurde.113 Es müssen dann aber nicht ma­­teriell verschiede­ne Wis­­­sen­schaf­ten
gesetzt werden, damit un­terschiedene Wis­sen­­­schaf­ten sein können. Wo die­­sel­­­ben Sät­­
ze bewiesen werden, da werden die Grenzen der ein­­­zelnen Dis­zi­plinen gegenein­an­der
auf­ge­hoben, wie auch die Ord­nung der Sätze. Dass Sätze aus ver­schie­­­­­de­nen Wissen-
schaften ineinander übernommen werden können, hatte Ockham zugestan­den und
damit die Grenzen der Disziplinen aufgehoben.114 Die persuasio, wie sie hier statt­hat,
versteht das Ökonomieprinzip als einen Ausdruck, der Ab­straktionen mehr fas­sen
kann als konkrete Dinge. Für die obiecta muss sich das Ökonomie­prin­­zip erübrigen,
da mit der di­stinc­tio realis und den Dingen, wie sie sinnlich wahrnehmbar vor­lie­gen,
deren Zahl nicht re­du­zier­bar erscheint. Nur wo abstracta als concreta behandelt wer­­
den, macht es Sinn, so wie das Om­ni­potenzprinzip vergleichbar nur zu wirken und
einge­setzt zu werden vermag, wenn reale Din­­ge, real unterschieden, benachbart, i.e.
zusammen vor­­kom­­mend, im Sinne ih­rer Kon­­tin­genz in der Welt nicht als unbedingt,
i.e. als notwendig ver­bun­­den angenommen wer­­­den sol­len oder müssen. Doch besteht
zwischen sensitiven und in­tellektiven Akten eben­falls eine di­stinctio realis, wie sich
induktiv und somit empirisch er­gibt.115

113. Cf. Kap. 3: Zum Verhältnis der Satzformen.


114. Cf. A. Zimmermann, 1965.
115. Cf. W. Windelband, 61912 p. 271f. „Occam … zer­legt … die bewusste Seele in einen intel-
lektiven und einen sensi­ti­ven Teil und schreibt dieser Trennung re­a­le Bedeutung zu. Mit dem
zur Anschauung der im­mate­ri­­ellen Welt berufenen Vernunftwesen scheint ihm die sinn­liche
Vorstellungstätigkeit eben­so wenig ver­einbar wie die Ge­staltung und Bewegung des Leibes.
So zer­split­tert ihm die Seele in eine Anzahl einzelner Kräfte, deren Ver­hält­nis (namentlich
auch ihres räumlichen In­einander­seins) zu bestimmen große Schwierigkeiten bereitet. Das
We­­­­sentliche dabei aber ist, dass hier­­­mit die Welt des Bewusstseins und diejenige des Körpers
wieder völlig aus­ein­ander­fal­len, und das zeigt sich besonders in Occams Erkenntnislehre, die
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 299

Dabei wird von Ockham beatificabilis nur die anima intellec­ti­va ge­nannt.116 Na-
türlich ist die anima intellectiva als forma immaterialis et in­cor­ruptibilis nicht per
rationem naturalem be­­­weis­bar. „Solum experimur intellectionem et vo­li­tionem et
consimilia.“ Also die Akte und die Vermögen. Wenn diese beiden in die ani­ma in­
tellectiva fallen, gleichwohl diese aber aus der Erfahrung, der der Vermögen und Akte
mithin, nicht bewiesen werden kann, so heißt dies of­fen­bar, dass die Induktion, mit
der die Ver­mö­gen und die Akte als bestimmt und exis­tent sug­­geriert werden, nicht
bis zu dem oder einem materiellen Beweisgrund für die anima intel­lec­­­ti­va reichen. Da
Letzteres auch Ockham sagt, lässt sich folgern, dass die Induk­ti­on im Zen­­trum sei­ner
Beweise etc. stehe, i.e. seine Meinungen und so­lu­ti­­ones wesentlich von der In­duk­tion ge­
tragen wer­den. Alles außerhalb der genannten Be­weis­art oder ihr ver­wand­ten ste­hen­
de ist dann akzidentelle Meinungskundgabe, mithin von Ockham nicht für zwin­gend
ge­­halten wor­­den:117 „dico quod intelligendo per animam intellec­ti­­vam for­mam im­
ma­te­rialem et incor­rup­­tibilem, quae tota est in toto corpore et tota in qualibet parte,
non potest evi­denter sci­re per rationem vel per experientiam, quod talis forma sit in
no­bis, nec quod in­tel­ligere ta­lis sub­stan­­tiae proprium sit in nobis, nec quod talis anima
sit forma corpo­ris.“ Es werden also ra­tio und experientia gleich oder gleichwertig
gesetzt, was auch auf die Indukti­on ver­weist, die bei­de vereinigt; es wird vom ‘intelli­
ge­­re’ (die genannte forma oder sub­­stantia betreffend) als ei­nem Akt oder Vermögen
gespro­chen, der, wenn er beweiswertige materielle Gründe vor­wei­­sen könnte, in der
Tat die Erfah­rung und deren genetisches Potential überstie­­ge. Denn wir kön­nen hier
keine empirischen Be­griffe oder Anhaltspunkte haben. Von den ge­nannten weder er-
fahrbaren noch beweisbaren Meinungen oder ‘Wahrheiten’ sagt Ockham: „sed ista
tria so­­lum credimus. Quod autem non possit demonstrari patet, quia omnis ra­­­­­­­­tio
pro­bans ista ac­ci­pit dubia homini sequenti rationem naturalem, nec per experienti-
am pro­bantur, weil, wie schon gesagt, solum experimur intellectionem et volitio­nem.“

von diesen Voraussetzun­gen her mit Hil­fe der nominalistisch-terministischen Lo­gik zu einer
überaus bedeutsamen Neu­­e­rung fortge­schritten ist.“ Die über­sinnliche Welt wird pro statu is­to
durch Begrif­fe und die mit dem em­pi­rischen Gebrauch begründeten no­ti­ti­ae, den wir induktiv
feststellen kön­nen, repräsen­tiert. Auf derselben empirischen Basis, nach der wir die notitiae (in­
tuitiva und abstractiva) ge­win­­nen, ergibt sich für uns auch deren kompatible Reichweite in den
Be­reich einer uns gegen­wär­tig nicht zu­gäng­li­chen Erfahrung, die wir erst in patria haben könn-
ten, als denkbar weil nicht aus­zu­­schließen. Wenngleich wir anneh­men müssen, dass wir Gott
schauen und so denn termi­no­logisch und sachlich eine notitia intuitiva einräu­men dür­fen, wird
eine no­titia abstractiva, die wir in patria hätten, ohne dass ihr an­­­der­s als in unseren gegenwär­
ti­gen ir­dischen Verhält­nis­­­sen eine notitia intuitiva desselben Gegenstands vor­aus­­gegan­gen
wären, als eine schlecht­­hin mit unseren em­pi­ri­schen Gegebenheiten kompatible Möglichkeit
eben­falls noch genannt: sie kann von die­sen Ge­gebenheiten her nicht ausgeschlossen werden.
Die notitia intui­ti­­va prä­­ju­diziert ein­­­­fach nicht die no­titia ab­strac­tiva. Die An­schau­ung (o.) ist
nicht fakti­sch. Das kon­zep­tuelle ‘Wis­sen’ ist hy­po­­thetisch: die veri­tas nicht aus­geschlossen.
116. Cf. Ord. Prol. q. 9 OT I p. 246 lin. 17–18.
117. Quodlibeta I, q. 10 OT IX p. 63 lin. 39 – p. 64 lin. 51.
300 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Die­se Begriffe sind natürlich Re­la­ti­ons­­begriffe; sie begreifen damit den induktiven
Be­zug auf die Realität quasi notwendig ein. Die mit ihnen stattfindende induktive
oder empiri­sche Bezug­nah­­me ist faktisch eine den oder einen essentiellen Gehalt ak-
zidentell abstützende. Gleich­wohl ist die Verallgemeinerung auf eine Seelenqualität
oder forma nicht möglich. Das sagt Ockhams Stellungnahme. Er stößt da­mit aber
auch auf Lehren des Aristote­les, welche er an der Stelle aus­drück­­lich bei­sei­telässt. 118
Dabei können wir mit Ockham durchaus quasi analyti­sche Wahrheiten ansetzen, die
aber in die­sem Sinne auch nie ali­quo­modo empirische Er­kenntnisse sein können, wie
es bei den pro­po­sitiones per se primo mo­do et propositiones per se secundo modo
immerhin der Fall ist:119 „Tamen haec tunc erit vera per se ‘habitus specu­la­ti­vus est in
intellectu specu­lativo’, non per se primo modo nec se­cundo, de quibus loquitur Phi-
losophus I Posteriorum,120 quia non est ne­ces­­saria, sed dicuntur quia nihil hic ponitur
quod significet aliquid quod nec est subiectum nec accidens receptum in illo subiec-
to.“ Dabei wa­ren die propositiones per se pri­mo mo­do et per se secundo modo ne­ben
der empirischen Wahr­nehmbarkeit notwendige Sätze, die als un­vor­­gän­gige Sätze Prä-
missen im Syllogismus sein konnten.121

118. Ib. p. 64 lin. 45f: „Quidquid de hoc senserit Philosophus, non curo ad praesens.“ Metho-
dologisch kann es sich bei Differenz oder auch Opposition zu Aristoteles für Ockham immer
nur um die mittels Induktion, Ab­strak­ti­on, per­sua­sio ge­ge­be­ne eigene ‘Lehre’ han­deln. Seine
reprobationes geben Vorbehalte und stellen Unan­gän­gig­kei­ten heraus. Ockham bewertet Ar-
gumentationen und stellt sie her, nicht Wahrheitselaborate. Nur die no­titia intuitiva ver­kör­pert
Wahrheit a parte rei und ist eine notitia in­com­ple­xa. Zur Thematik cf. O. Pluta, Kritiker der
Unsterb­lich­keitsdoktrin in Mittelalter und Renaissance, 1986 Kap. 4.
119. Ord. Prol. q. 12 OT I p. 353 lin. 16–21.
120. Aristoteles, Anal. Poster. I, c. 4, tt. 30–33 (73a 34 – 73b 10).
121. Cf. aber ib. lin. 21f: „Sed ista erit per accidens ‘habitus practicus est in intellectu specula-
tivo’.“ Die notitia spe­culativa fällt nicht in die notitia practica, kann aber deren „causa effectiva“
sein. Ib. lin. 22 – p. 354 lin. 5.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 301

Notwendige Wahrheiten sind in der Theologie nicht ausgeschlossen.122 Grund-


sätzlich gilt: „quae­­­­­li­bet veritas sit theologica, quae est necessaria ad salutem.“123
Ockham spricht nicht nur von der „theologia necessario­rum sed etiam de theologia
contingentium, quia non ali­­ter ac­ci­pi­endum est subiectum in theo­logia necessariorum
et theologia contingentium. Quia sub­iec­tum propositionis scitae – sive sci­­atur proprie
et scientifice (also per syllogismum de­mon­striert) sive non scientifice – erit sub­­iectum
scientiae qualis est respectu talis propositi­o­nis (i.e. der propositio necessaria oder der
propositio contingens); et hoc sive praedicatum sit primo modo de illo sive de alio,
nihil refert. Ex isto sequitur quod subiectum veritatum contingenti­um non est semper
illud cui primo praedicatum inest sed illud quod est subiectum in illa pro­posi­ti­­o­ne,
sive si­bi primo insit sive non. Sed si illud cui primo inest sit aliud, tunc illarum ve­ri­
tatum erunt di­s­tincta subiecta.“124 Da Ockhams Konzepte abstrakte sind, kann nicht
be­ur­teilt wer­­den, ob sie erklärenden Wert und damit überhaupt Wert haben können.
Es müsste be­deuten, dass sie dort, wo sie der empirischen Sphäre schon sich entwin-
den, eben dieser noch zu­geordnet bleiben und nach deren Maßstab effizient gewertet
werden können.125 Das Ver­häl­tnis von ‘Notwendigkeit’ und ‘Kontingenz’ aber muss
allem immanent bleiben, was in der Form der Aussagen förmlich in Bezug auf einen
wenigstens hypothetischen Wahrheits­wert der Aussagen untersucht werden soll und
muss, selbst wenn es de facto nicht a parte ve­ri­ta­tis und so determinat genommen, ge-
setzt werden kann. Hier tritt dann bei Ockham kein ana­­ly­ti­sches Deduktionsverfahren

122. Zu einseitig und mit apologetischer Note sieht P. Vignaux, 1948 p. 25 was als notwendiger
Satz bei Ockham mög­lich sein soll: „Com­ment formera-t-il avec ces termes une de ces propo-
sitions toujours vraies qui res­tent l’idé­al d’un logicien même croyant? Il lui suffira de passer
au mode hypothétique: si homo est, homo est ho­mo. Voici at­teint le nécessaire, l’universel.“
Hier wird eine Aus­sageart zum Typus hö­he­­rer oder allgemeiner Ord­nung erho­ben, der alles
einbegrei­fen, retten und alles ver­tre­ten und be­deuten soll. Die Suche nach dem A pri­o­ri bei
Ock­­ham müsste schwierig sein. Persuasio, Induktion und Abstraktion tragen es nicht notwen-
dig. Ph. Boeh­­­ner, 1958 p. 327 versucht Ockhams Aus­füh­rungen zu den consequen­tiae da­hin zu
deu­­ten, er habe die ma­teri­e­lle Im­pli­kation festgehal­ten und eben mit dem As­pekt unbedingter
se­man­ti­scher Wahr­­­­heit ver­­bun­den. Boehner sieht so auch noch den Im­­pe­tus zum philosophi-
schen Realismus bei Ockham enthalten oder ge­wahrt und die gewünschte kanonische Auffas-
sung bezüg­lich der Universalien. Ob eine be­stimmte Form von conse­quen­­­tia bei Ockham das
Wahr­­heits­moment näher tragen soll, ist zu untersuchen.
123. Cf. Ord. Prol. q. 9 OT I p. 270 lin. 16 – p. 271 lin. 5.
124. ‘Inest’ und ‘in­esse’ ist façon de parler, ohne ontologisch realistische Bedeutung, wie
Ockham Summa Toti­us Logicae und ebenso in der Ordinatio ex­preß klarmacht.
125. Cf. da z. B. die Bemerkung Ph. Boehners, 1958 p. 368f in Ockhams Ge­­brauch ha­be die di-
stinctio forma­lis ‘nichts mehr zu er­klären’. Sie de­fi­niert nur den Gebrauch von Ter­m­ini oder Sät­­­
zen. Zu Duns Sco­tus ib. p. 265f. Nach Boehner will Ockham durch die d. f. den in Anbetracht
der sacra theologia bedroh­ten Wi­der­spruchssatz ret­­ten, ein sacrificium intellectus. P. Vignaux,
1938 und 1948 p. 183 dramatisiert Ockhams Vorbehal­te.
302 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

bestim­mend und prä­va­lent mehr ein.126 Absolute met­ho­do­­lo­­gi­sche Ele­men­­te sind bei
Ockham die Abstraktion und die In­duk­tion; sie schaffen und si­­chern ge­mein­­sam die
persuasio d. h. den Überredungs­be­weis. Da­ne­ben die Modalisie­rung von Aus­sa­gen.
Zu den Modali­sie­run­gen ge­hö­ren auch die Apo­stro­­phie­­rungen ‘non potest pro­ba­­ri’,
‘pot­­­est persuaderi’, die distinctio for­malis, die be­rühm­­­ten Prin­­zipien (Om­­ni­po­tenz­prin­
zip mit seinen verschiedenen Auslegun­gen, das Öko­no­mie­prin­zip), die For­meln ‘non
est ma­ior (oder ma­ius) ratio’, ‘non est inconve­ni­ens’ etc.127
Adam Wodham gilt neben dem sehr späten Gabriel Byel (auch „der letzte Scho-
lastiker“ ge­nannt) als der getreueste Schüler Ockhams. Dabei ist zu sehen, dass das
genuine In­te­res­­se Ock­hams, die intensionale Satzanalyse, nicht beibehalten worden
ist; das bloße oder auch nur fingierte Sachinteresse setzt sich bei Wodham förmlich
durch und kappt damit das methodi­sche Ver­fahren. Wodham kritisiert Ockham
auch.128 Ob die Identität der divina es­sen­tia und der personae, relationes, bzw. pro-

126. Ph. Boehner, 1958 p. 371 verweist auf Adam Wodham, der in I Sent. d. 33 q. 1 als 8. con­­
clu­sio habe: „Deitas non est formaliter vel per se primo modo aliqua Persona di­vi­na.“ Damit
kann in einem mo­da­len und nicht emp­i­ri­­schen Sinn eine distinctio formalis an­ge­nom­men
werden. Sie steht dann in abstraktem Be­zug auf den Satz, von dem der Mo­dus nach Ockham
ohnehin prädiziert wird, und wird ihm, wie Ockham sagt, modo composito zuge­schrie­ben sein.
Es gibt dann keine empirische deiktische Qualität und Bedeutung des Sat­zes. Boehner hält ib.
fest, Gregor von Rimini sei Verneiner der distinctio formalis gewesen. Cf. zu Adam Wode-
ham (Wodham), Super quattuor libros Sententiarum: Abbreviatio Hen­rici Trot­ting de Oyta (ed.
J. Major), Paris 1512. Aus diesem Druck wird im folgenden zitiert werden.
127. Die Argumentationen verlangen, wenn sie richtig betrachtet werden können sollen, eine
kon­­struktive Si­che­rung und Gewährleistung der Inhaltlichkeit gegenüber der extensiven em­
piri­schen (oder extensional verstan­de­nen) Geltung. In der Art schon Ph. Boehner, 1958 p. 386,
dass das dictum, welches aus ei­nem ergänzten un­voll­ständigen Aus­druck besteht (etwa: ‘homi-
nem esse animal’, ‘hominem ese album’) und so in ei­nem modalen Satz erscheint, „can be un-
derstood to have simple supposition“. Die suppositio simplex ent­spricht nach Ockhams Termi-
nologie der intentio secunda. Damit auch der Ab­strak­­­­­tion, die mehr als empirischen Sinngehalt
besitzt.
128. lb. I d. 33 q. 1 Fo. 77 col. 1. Wodhams Auslegung in der Lehre von der divina essentia ist
zu­nächst rein wort­ge­treu apo­­lo­getisch. „Ex hoc patet quod est falsa responsio okam … dicentis
quod quamvis suppositum creatum non pos­sit multiplicari nisi naturaliter multiplicetur prop­
ter omnimodam identitatem inter naturam et suppositum di­­vi­num tamen natura divina inter
quam et suppositum divinum est aliquis modus non identitatis non mul­ti­pli­ca­tur quam­vis sup-
positum multiplicetur haec ille.“ Bei Ockham ist suppositum ein Funktionsbegriff, der mit der
na­­­tu­ra nu­me­ro ver­einigt und in ei­nem Satz modo composito prädiziert und verstanden werden
kann, also un­em­pi­risch. Er gilt dann nicht in einem Satz, worin er mo­do diviso zu verstehen
wäre (Quod­­libetum IV q. 7 OT IX pp. 328–331 lin. 11 – 27, lin. 41–45, lin. 56–58). Übereinstim-
mung mit Ockham zeigt Wodham in der Phy­sik und be­züg­­lich des Be­griffs der forma, der
von ak­zidentell bestimmten Beimengungen freigehalten wird. Cf. lb. II, d. 1 q. 1 Fo. 92 col 3f:
„probatur quod non sit augmentatio formae per depurationem a suo contrario.“ Er ver­weist
auf Ock­ham: „arguit okam tunc nulla esset augmentatio vera formae sed solum secundum
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 303

prietates anders als durch einen Kunstgriff oder eine fal­la­cia di­rekt ‘bewiesen’ werden
könne, stehe denn auch dahin.129 Ockham sagt deutlich:130 „Quam­­­vis re­la­tio non sit
de intellectu essentiae, quia non prae­di­ca­tur formaliter de di­vi­na es­sen­tia, est tamen
ea­­dem realiter cum divina essentia et ideo non pot­­est intelligi divina essentia non
in­tellecta per­­­­­­sona.“ Ockham behauptet also eine distinc­tio formalis zwischen di­vina
es­sen­tia und re­la­tio oder persona; sie muss denn auch modo com­po­sito von dem Satz
prädiziert wer­­den, der be­sagt, dass die divina essentia und die relatio for­ma­liter nicht
iden­tisch seien. Da­­raus folgt dann nicht, dass sie nicht realiter identisch seien. Im
Sinne dieser förmlich empi­ri­schen Gel­tung sind sie identisch; diese aber wird nicht
ermit­telt werden kön­nen. Damit zeigt sich wie­de­rum, dass eine bestimmte Folgerung
mit realer Be­deutung, in Präsumtion einer sig­ni­fikativ bestimmten Relevanz nicht
gezogen werden können soll. Formell setzt das die Rea­li­tät wie sie ist oder angenom-
men werden kann, das heißt nicht ausgeschlossen ist, aber nicht per Folge­rung ausge-
drückt und vor allem nicht ‘ausgeschöpft’, i.e. nicht voll umfangen wer­den kann. Nach
diesem Muster kann ein Satz determinat genannt werden. Was zu ihm real ge­meint
wer­den – können – soll, kann nicht im Sinne einer Folge­rung, die aus der Abstraktion
auf die Kon­­kretion in reali ausginge, ‘abgeleitet’ werden. Neben distinctio realis und
distinc­tio for­ma­lis ist die distinctio rationis induktiv möglich: es kann definitermaßen
eine distinctio ratio­nis für die (Begrif­fe) der divina essentia und der relationes oder
personae angenommen wer­den, weil abstractive gesehen diese verschiede­nen Begriffe
im menschlichen Verstand vor­kom­men und gekannt wer­­­den können, ohne dass der
jeweils andere daraus elizitiert wer­den muss (musste). Wir lehnen uns an die Empi­
rie (die Schöpfung der Begriffe in der notitia in­tui­ti­va) an, oh­ne sie verpflich­tend zu
ma­chen: wir un­ter­stellen sie nicht für den faktischen Be­griffs­­­gebrauch131 und mit ihm
identisch.132

appa­ren­tiam quia so­lum ap­pa­re­ret quam prius propter absentiam sui contrarii.“ Die Abstrakti­
on wird durchgehalten.
129. Cf. dazu Anm. 71. Wodham gebraucht den Ausdruck acceptio für Bedeutung lb. I d. 33
q. 1 Fol. 74 col. 1 „secundum commu­nem acceptionem ter­­mini“, bezogen auf distinguere und
distinctio. Gemeint ist aber distinctio re­alis. Ib.: „Dico primo quod di­vi­na essentia non distin-
guitur realiter a persona ita quod es­sentia non sit persona vel non sit res quae sit persona vel
econtra.“
130. Cf. Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 457 lin. 4–8.
131. Wir könnten es nicht ohne logischen Widerspruch tun.
132. Determinatheit ist praktisch dadurch bestimmt, dass eine Folgerung für eine Abstraktion,
die somit erst ge­­si­chert wird, in Richtung auf deren reale Bedeutung nicht gezogen werden
kön­­nen soll. Ockham führt in der Wei­se noch seinen Gottesbeweis, indem er den Scoti­schen
verbessert; er beweist, dass die ‘Welt ge­scha­ffen’ sei, wo­bei er determinatio und Im­pli­ka­tion
gleichsetzt (sic!), mit anderen Worten: die Implikation in die Aussage in­ten­­­sional hin­­­einholt. Sie
wird dann nicht beigefügt. Autrecourt hat, wie er namens der Folgerung auf die Re­a­li­tät in se,
Existenz quasi gleichnamig mit essentia und Gel­tung einer Abstraktion in der scholasti­schen,
304 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham hatte die Glaubenseinsichten, welche wir de facto, auf der Basis unserer
empirisch ge­wonnenen Begriffe, nicht haben können, konstitutiv aus der Erkennt-
nis- und Beweislehre her­­­­ausgenommen. Wodham macht einen solchen Unterschied
‘nicht mehr’ und kehrt so zur Apo­logetik zurück. Ockhams Feststellun­gen gingen
nicht in die seiner ‘Par­tei­gänger’ ge­stal­tend ein: Wodham, Autrecourt, Mirecourt, Bu-
ridan, Johan­nes Gerson, Peter von Ailly, Gre­­gor von Ri­mi­­­ni, Marsilius von Ing­hen,
Gabriel Byel. Der Grund muss sein, dass Ockhams Fixie­rung seiner Standpunkte, sc.
der Abstraktion gegen­ü­ber der Em­pi­rie, von ihnen nicht exakt über­nommen wer­den
konnte, selbst wenn der Tenor der opi­nio Ockhams de fac­to doch direkt an­ge­eig­net
werden konnte, ihnen also eingegangen war.133 Sie ging dann pa­radoxerweise oder
auch verständlich nicht in den Ausdruck über.134 Die Empirie ist bei Ockham konsti­
tu­ti­­ver Teil der Argumentation, ohne doch, wenn rele­vant, mit der Ab­­strak­ti­on im
Ganzen gleich oder gleich­­wer­tig erschienen zu dürfen. Die Em­pirie, wenn als Ziel­
punkt der Argumentation fun­gie­rend, kann doch gerade nicht ih­ren apo­lo­getischen
Erfül­lungs- oder Geltungsaspekt in­te­gral darin verkörpern. Es ist aber we­sent­lich,
dass dieser em­pi­ri­sche Begleitkontext wirk­lich gestaltet wird. Dies lässt Wod­­ham
nach Ockham selbst se­hen:135 „Aliter respondet okam li. I dist. 2, qu. ulti­ma quod
contradictio est via potissima ad probandum distinctionem realem quo­­­­n­­­iam ibi est

aristo­te­lisch be­stimmten Terminologie Zugriff wünscht, von Ockhams Methode nichts über­
nom­men.
133. Auch das Bedürfnis zur alten Tradition zurückzukehren und den Versuch zu machen,
sie noch einmal zu hal­ten, nachdem sie sichtbar oder, wie vielleicht auch zu befürchten stand,
grundsätzlich durchbrochen worden war, mag dabei wirksam gewesen sein. Eine Tradition zu
bewahren, die in Gefahr scheint, mag verständlich erschei­nen, und kann wahrscheinlich nie­
mals mehr mit den stärksten Mitteln und den nur im Ursprung umfänglichsten Eingebungen
ge­rettet werden. Eine andere Frage ist na­türlich, ob eine andere als politische Erschütterung
wirk­lich zu einer geistigen oder im Namen der Philosophie technisch-wissenschaftlichen Re­
for­mation führen konnte und wie die äußere Einwirkung für Ockhams Zeit denn ausgese­hen
habe. Es sieht aber so aus, als habe Wod­ham gleichsam nur den Buchstaben­sinn noch ein­mal
hervorgeholt und seine SK sich da­rauf beschränkt, dies zu tun. Die Verbin­dung von der res sin-
gularis zum Individualbewusst­sein ist spekulativ. Sie wider­spricht ge­rade dem reich entfalteten
technischen Be­wusst­sein Ockhams, der ja die­­­se res sin­gularis extra men­tem da­mit über­deckt
und ausschaltet oder wenigstens einklam­mert. Dies wird auch an die­ser Stelle hier im Verhält-
nis zur dis­tinc­tio re­alis und zur empiri­schen Gel­tung überhaupt noch einmal hervorgeho­ben.
Wodham will die Per­ver­sion des the­o­logischen Ge­dan­­­kens durch den vergleichbar empirischen
aus­schal­ten, indem er die Pluralität von divina es­sen­tia, göttlichen Per­­sonen, Eigenschaften
und Relationen gegen die nume­ri­sche Konkreti­on ab­schirmt.
134. Die Sache ist gleichsam so zu sehen, dass Schüler und Nachfolger Ockhams Lehre, in­dem
sie sie akzep­tie­ren und explizieren, diese, weil sie sie sich selbst zu vermitteln gehabt hät­ten, in
toto noch einmal abzuleiten ge­­habt hätten. Das konnte so wenig gelingen wie eine Wider­le­gung
(zu letzterem siehe Kap. 12).
135. Ib. I d. 33 q. 1 Fo. 76 col. 4.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 305

negatio simpliciter ita quod per nullam cir­cum­locutionem potest alterum con­tradic­
tori­o­­rum verificari de illo a quo negatur reliquum et sic non est in proposito quia li­cet
essentia est com­municabi­lis et non tamen pater est ista res quae est communicabilis et
sic de similibus.“136 Wodham ar­bei­tet wesentlich mit der distinc­tio realis. So auch:137
„Si es­sen­­tia et relatio dis­tin­guuntur rea­liter haec (propo­si­tio) esset simpliciter falsa
‘pater, filius et spi­ri­­­tus sanctus sunt unus deus’ quia quaero pro quo sta­ret iste termi-
nus deus aut pro essentia aut pro persona aut pro­prietate sive relatione. Si pro essentia
igi­tur cum tunc pater non est es­sen­­tia igi­­tur falsa es­set ista pro­po­sitio ‘pater et filius
et spiritus sanctus unus deus una essen­tia.’ Nec pro perso­na nec proprie­tate ut patet
de se.“ Am Ende trägt Wodham bloß dem Wort­laut des Con­fiteor und den hier her-
kömmlichen Wort­ver­ständ­nis­sen und apologetischen Prä­­ven­tionen Rechnung. Mit
Hil­fe der distinctio realis weist er sol­che Auslegungen als absurd zu­­rück, wel­che diese
Kon­­ven­tionen als rationale in Frage stellten könnten. Er verbleibt damit im Rah­men
des inter­nen christlichen Selbstver­ständ­nis­ses. Es ist grundsätzlich fest­zuhalten, dass
die dis­tinc­tio re­alis nicht ein­fach die oder ei­ne Folge­rung tragen kann, und, da dies
nicht der Fall ist, kann nicht mir ih­rer Hil­fe in der Form ei­ner Widerle­gung gleich­
sam, eine These ex negati­vo ge­stützt werden. In dem Sinn wür­­de für die empirie­ge­
stütz­ten Be­griffe, die man ja immer ver­wendet und die man denn auch on­tolo­gisch
mit essentia, re­la­tio, proprietas usw. be­zeich­net, nur die Eindeu­tig­keit ver­­lo­ren ge­hen
und man erreicht ar­gu­mentativ überhaupt nichts.138 Denn man liegt ja fak­tisch noch
der Ab­strak­tion139 voraus.140

136. Die distinctio realis liegt aber selbst eigentlich dem Widerspruchssatz zugrunde, der so
in­ten­­sional aufge­fasst, integriert und auch negiert und suspendiert werden kann: res, die per
dis­tinctionem realem geschieden sind, las­sen nicht zu, dass das real unterschie­de­ne An­de­re
von dem verifiziert werde, von dem sein Gegenpart verneint wer­de.
137. Ib. I d. 33 q. 1 Folio. 74 col. 3.
138. Die distinctio realis steht dann formell auch für die Ebene der extramentalen Empirie
über­haupt.
139. Die Differenz, mit der man vom empirischen Begriffsgebrauch zur abstractio und der
Be­zeich­nung der Er­kennt­nis übergeht, wie wir es für Ockham bestimmt haben, lässt sich mit
Wod­ham lb. I, d. 1 q. 12 Folio 14 col. 4 angeben: „dicendum quod signari pri­mo su­mi­tur pro re-
praesentari menti formaliter et sic idem est ut cognosci. Alio mo­do pro suppone­re.“ Suppone­re
bezeichnet also eine intensionale Qualität, die vom ‘Bezeichnen’ ver­schie­den ist und eben vom
‘Bezeichnet werden’ der Sache und von dieser her gedacht.
140. Daß die distinctio realis auch „per se“ einen negativen Akzent hat, ist festzuhalten. Sie
be­zeich­net ja nicht die Dinge aus sich oder in sich, sondern wie sie untereinander empi­risch
in keiner sie übergreifenden oder ab­strakten relatio gefasst werden. Sie tritt, wo Ockham sie
als Induktionsbasis ge­braucht, immer mit diesem ein­gren­­zenden Akzent auf, wie das bei der
Induktion, wie sie hier in Rede steht, immer sein muss, da diese auf men­tale Struktu­ren und ih-
nen zugewiesenen Charaktere und zu ermit­teln­den Ei­gen­­schaf­ten sich be­zieht; Ock­ham wür-
de mit un­um­grenzten Begriffen seine Erkennt­nis­se, die das Mentale be­tref­fen und nicht ein
306 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Die Differenz von mental und extramental, die Wodham konstitutiv nicht macht,
holt er nach durch den Gebrauch der Modi: ‘per se’, ‘formaliter’ etc. und eben die
Differenz von mo­do com­­posito und modo diviso bei der Bestimmung der Sätze, wie
kurz zu zeigen ist. Wod­ham sagt so beispielsweise141 von den proprietates personales
und der essentia: „possint dis­tin­gui for­­­maliter quin sint distinctae formalitates.“ Folg-
lich soll keine distinctio realis zwi­schen ih­nen angenommen werden. Das ‘non idem
formaliter’ wird also dem Satz mo­do com­po­sito als Modus zugeschrieben werden
können, nicht modo diviso, i.e. empirisch. Es gibt dann zwi­­­­schen beiden Auslegun-
gen keine consequentia, ‘esset consequentia invalida’, ‘esset con­clu­sio falsa’. U. dgl. m.
Derart tritt Wodham der Abstraktionslehre Ockhams und sei­­­ner The­o­rie der Folge­
runge­n implizit noch bei.142 Adams Reportata143 zeigen nicht die be­­­son­de­ren Be­weis­
formen, die in Ockhams Ordinatio ausgebaut wurden.
Für die Trinitätslehre stellt Ockham die besondere Ausnahme vor, dass in der
visio beatifi­ca die divina essentia direkt eingesehen werden kann, also intelligiert
wird, daneben aber auch die Erkenntnis noch möglich ist, die wir haben, die weder
empirisch sei noch per se nota.144 „Ta­­­lis enim propositio propter identitatem realem
personarum cum divina essentia omni ap­pre­­­hen­­­denti in se illos terminos esset per
se nota, nec posset de ea plus dubitare quam de ista ‘de­itas est deitas’. Praeter istam
propositionem posset ille intellectus formare illam eandem pro­po­­­si­tionem quam nos
de facto habemus, dicendo ‘deitas est tres personae’, quae esset sibi evi­denter nota, et
tamen non per se nota sed per primam propositionem, de qua dictum est, quae fo­ret
sibi per se nota, et hoc quia ista secunda formaliter sequitur ex prima.“ Auch hier wird
nicht die Herleitungsbeziehung oder die rationale Gleichheit zwischen fides und ratio
oder Er­kennt­nis in patria und Erkenntnis in via betont. Aber auch hier wird die (for-
male) Qua­li­tät des menschlichen Denkens am End­e auf die Erkenntnis in patria über-
tragen. Es muss nicht ange­nom­men werden, dass der terminus, der für die Erkenntnis
in patria gebraucht wird, einem menschlichen terminus gleich sei. „Quod autem istae

un­­bestimmt Tatsächliches in der physischen Re­a­li­tät, nicht gewinnen können. Die De­ter­
minatheit der Prinzi­pi­en usw. ist mit einer Ne­­­ga­tion kor­reliert, welche einen integralen Be-
standteil abgibt, nicht den äuße­ren, der durch ‘de­duk­­tive’ („ana­lytische“) Operationen vermit-
telt wird, wie bei Spinoza, der fundamental annimmt: determinatio est negatio.
141. Ib. I d. 33 q. 1 Folio 74 col. 4.
142. Ockham hatte auch von einem auf der Abstraktionsebene angesetzten ‘formaliter idem’
nicht auf das em­pi­ri­sche und individua betreffende ‘hoc est hoc’ folgern wollen: ausdrück­lich
und wieder direkt im Zusammen­hang mit dem Gedanken der Abstraktion, eben in der Ent­­­ge­
gensetzung gegen das empirische deiktische Mo­ment in kontingenten Aussagen. So wenn er
die Beweisbarkeit von ‘Deus est omnipotens’ erörtert.
143. Wahrscheinlich um eine Vorlesungsmitschrift wie Ockhams Reportatio, die Adam gefer-
tigt haben soll.
144. Die folgenden Zitate gehen ineinander über in Ord. Prol. q. 1 OT I p. 73 lin. 1–10, ib.
lin. 11–16, ib. lin. 17–21.
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 307

sint distinctae propositiones, patet prop­ter distinctionem terminorum: quia termini


primae propositiones sunt res in se /§ si res pos­­­­­­­­sint praedicari, vel aliquae intentiones
animae quas viator habere non potest §/, in secunda au­tem termini sunt ipsi concep-
tus quos de facto habemus termini, quia nec Deum in se nec ali­­­­­­quid quid est realiter
Deus possumus in se cognoscere.“ Da eine ‘propositio per se nota’ auch da­durch be-
stimmt ist, dass sie ebenso schon bei (abstrakter) Kenntnis der Begriffe ein­sich­­­­tig ist
wie bei Wahrnehmung des Gegenstands der Aussage, räumt Ockham auch für die­­­­­se
Er­kennt­nis, die wir nicht haben, und dies in termini, die wir nicht haben, ein, dass sie
be­reits cognitis terminis möglich sei: „Et quando dicitur quod si tales propositiones
essent si­bi (näm­lich dem Geist, der die divina essentia in se erkennt) per se notae,
cognoscerentur co­g­­­­­­­­­­­ni­tis ter­minis, concedo quod quicumque cognoscit illos termi-
nos, non habendo alios ter­mi­nos evi­den­ter scit tales propositiones, sed hoc non est
nobis secundum statum communem pos­­­­­­­­­­­­­­­­­si­bi­le.“145 Die propositio per se nota reicht
aber auch in unsere theologische Erkenntnisweise hinein, i.e. die Satz­bildung, die uns
möglich ist und die Lehre des Christentums aufnimmt.146 Dann aber muss sie auch
gegen empirisch geschöpfte Einwände förmlich verteidigt werden.147 Die pro­positio

145. Der menschliche Begriff erreicht nicht den geschaffenen Gegenstand und nicht den gött-
lichen; er müsste dann sofort im Verein mit den Sätzen, in die er eingehen soll und die er bilden
hilft, diesen Gegenstand in se und ex se er­schlie­­ßen können. Der Begriff könnte so gar nicht
gebildet werden. Der Satz soll aber intellektiv sein.
146. Zwi­schen allgemein philosophischen Prinzipien und ethischen besteht bei Ockham
der Unter­schied, dass jene aus dem Aufbau der Erkenntnis gewonnen werden (müssen), also
eigentlich die Begriffs­struk­tur durch­sich­­tig ma­­chen (durchsichtig enthalten), diese aber aus
Dispositionen hervorgehen, bei denen die prak­tische In­duk­ti­on Be­griffe ‘brechen’ muss. Die
propositio per se nota wird im zweiten Fall eine hypothetische Größe sein, weil wir sie der
Erfahrung, der sie gleich zu kommen hätte, ja wiederum nicht gleichsetzen können: die Be­
grif­­fe der pro­po­sitio per se nota oder des principium per se notum sind in sich ganz und gar
unbestimmter Her­kunft, wir ha­ben den Begriff nicht, aus dem wir a priori folgern könnten: oh-
nehin abwegig, weil die noti­tia intuitiva im Sinne des Begriffserwerbs der propositio per se nota
fakultativ mitwirkt und die Rolle mit weite­ren fa­kultati­ven Bestim­mun­­gen der hier möglichen
begrifflichen Einsicht (des Begriffserwerbs) wie cog­ni­tio dif­­fusa usw. teilt. Die pro­po­­sitio per
se nota (das principium per se nota) soll nach J. Miethke, 1969 pp. 325–330 eine abstrak­te Struk­­
tur­ef­fi­zi­enz für de­duktive Systeme haben. Ockham sugge­riert Ord. Prol. q. 2 OT I p. 84 lin. 7–23
ein Ket­ten­­system von pro­po­sitiones per se no­ta; er sagt nicht, dass es deduktiv zu durchlaufen
und zu vollziehen sei oder ‘exis­tie­re’; er schließt (ib. p. 84 lin. 26 – p. 85 lin. 3) einzig aus, dass,
gäbe es dies System, experientia zu ihm führe.
147. Die propositio per se nota ist die Aussage, die am nächsten bei der Natur (Reali­tät) extra
animam ist, so sehr, dass dieser gegenüber und für den Satz selbst subiectum und passio pro-
positionis kaum sich scheiden las­sen. In der pro­po­­sitio per se nota erscheinen Begriffe inhalt-
lich kaum gegen­einander differenziert. Gegen die­sen Satzty­pus erst lassen sich notitia intuitiva
und notitia abstractiva ein­füh­ren und als ex opposi­to be­stimmte notitiae fest­hal­ten. In­­dem wir
einen gewissen Abstand zur res extra nos für die Begriffsklassen (subiectum und pas­sio als
quid­ditativum und connotativum), deren Definitionen, dann auch die der Sät­ze setzen und
308 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

per se nota ist, wenngleich wir sie empirisch erfahren und damit erfahren, dass es sie
gibt, hypothetisch darin bestimmt, dass ihr letzter Rückhalt in der Bedingung liegt,
dass wir nur die­se Begriffe, die sie bilden (= in ihr vorkommen), haben und keine
anderen.148

ihn voraus­ge­ben, kön­nen wir die Induktionen vollziehen, die die Differenzierungen der actus
men­tales begrün­den und so­lu­tiones bei einzelnen Fragen anbahnen. Infolgedessen kann die
pro­posi­tio per se nota zu Widerlegungen die­nen, nämlich wenn die Qualität und Leistungskraft
anderer von ihr zu unter­scheidender Satztypen ermit­telt wird: ein Satz wäre eine propositio per
se nota, wenn…. Ockham bean­sprucht nicht die rea­li­tas in se (die reelle Gestalt wirklicher Na­­­­
turzusammenhänge) zu geben. Etwa für causa und effectus, die in der ‘Natur’ der Din­­ge wirk-
lich zu­sammen­sto­ßen. Aber wir heben es nicht zur Stufe der Begriffe und der mit ih­nen ei­gens
de­fi­nierten und dabei hypo­the­tisch angenommenen Erkenntnis (cognitio, evtl. notitia, actus).
Man weiß nicht, ob Ockham sich für die Na­tur­zu­sam­menhän­ge in reali überhaupt interes­sierte:
es gibt für sie kei­­­n­en Maß­­stab. Sie konnten nicht gut gedacht wer­den. Ockham erkennt geo-
metrische Konstruk­ti­onen und die de­finitio quid rei an. Wie Aristo­te­les, De Cae­lo, 279, b 33
Cf. Dazu F. M. Corn­ford, Pla­to’s Cos­mo­­logy. (Der „Timaeus“ engl übers. u. komm.) 1937 p. 26.
Ockham ent­wickelte über konzedierter Empirie und in sich un­er­­fahr­barer Re­ali­tät (ontologi-
sche Imple­men­te lehn­te er ab) seine Operationsbewertun­gen. Dabei bleibt die Bedin­gungs­funk­
tion (Be­­din­gungsstruktur) des kon­tin­gen­ten Sat­zes für die Er­kennt­nis er­hal­­ten (Ord. d. 1 q. 5
OT I p. 460 lin. 20–23): „pa­ternitas in di­vinis nul­­lo mo­­do dis­tin­gui­tur a ge­­ne­ratione ac­ti­va et
per consequens nullo modo a fi­deli pot­est cog­­nosci pater­ni­­tas, ni­si co­g­nos­­ca­tur eo­dem modo
ge­­ne­ratio ac­ti­va.“ Das gilt schon ab­strakt; denn der Satz ent­hält und er­laubt nicht Schlüs­se (ib.
lin. 23–25): „et tamen multi cre­dunt istam esse veram ‘pa­ter­nitas constituit di­­vi­nam per­sonam’
et non is­tam ‘ge­­­ne­ra­tio con­sti­tuit personam’.“ Der ‘Schluss’ würde so qua­si empirisch de­sa­vou­
iert. Der Satz ist aber wahr, er gilt „se­cun­­dum veritatem rei“, i.e. genau in der Weise wie er als
‘kontingen­ter’ wahr nach der Sup­­­­posi­ti­onsi­den­tität von s und P ist. Der auch in der sa­cra theolo­
gia noch geltende Satz ‘Pa­ter pri­or filio est’ aber ist ei­­ne pro­po­­sitio per se no­ta. Da­rin hebt man
sich nicht vollstän­dig von empirischer Wahr­neh­­mung ab. Wie er­kenn­­bar gilt er ja auch in un-
serer irdischen Welt. Aus ihr haben wir ihn. Haben wir aber die Begrif­fe, so ist er eben­falls nach
die­sen ein­sehbar. Es gibt bei Ockham den in­ne­ren Gegen­satz ‘Mentalis­mus vs. Em­pi­­ris­mus’, der
die Er­dung aller sei­­ner Ope­­rati­o­nen ist. Zu ‘generatio’ s. a. o. Anm. 89.
148. So können denn ‘Begriffe’ oder besser termini, die nur der beatus in der visio beatifica
hat, hypothetisch eine propositio per se nota ergeben, ohne dass daraus eine Erkenntnis für
uns in via abgeleitet werden könnte. In dem Sinne gibt es also keine Folgerung und kann ‘Fol-
gerung’ auch nicht selbst begründet werden, etwa für die The­o­lo­gie, die gleichsam der erste Ort
dieser Begründung sein können müsste. Theologie und Logik fielen aliquomo­do zusammen.
Es ist erkennbar, dass Ockham fak­tisch so etwas ge­­tan hat bzw. eben das Omnipotenzprinzip
in einem überweltlichen Sinn und doch nicht in der In­ter­ferenz mit der Welt oder Schöpfung
einsetzte. Es ist auch er­kennbar, dass Ockham nicht bloß termini, die nicht unseren conceptus
gleich sind oder entsprechen, für hy­po­thetisch möglich hält, sondern auch ‘Begriffe’, die einer
anderen Schöpfung entsprächen als der gegenwärti­gen und so einen jetzt entbehrten kausalen
Aufschluss über die Phänomene (unsere gegenwärtigen propositiones immediatae betreffend)
enthielten. Der beatus, der nach Ockham in anderen termini als unseren menschlichen con-
ceptus die Erkenntnis Gottes hätte, könnte mit dieser Erkenntnis oder Kenntnis nicht Aussagen
Kapitel 6.  Theologie und Logikbegriff 309

Wod­­ham stellt die Frage:149 „propositio ab aeterno vera secundum legem commu­
nem an pot­est esse falsa de po­ten­tia dei absoluta.“ Sie reicht aus, um das Ver­fahren
Ockhams aus der Keh­­­­­re der ‘quaestio absurda’ deutlich zu machen. Denn der Satz,
der gemäß der Schöpfung immer wahr ist, wenn diese denn Ewigkeit definieren
kann, kann nicht, solan­ge diese Maß­­­­stab und Ver­gleichs­­folie bleibt, falsch werden.
Es müssten am Ende neue ‘Be­grif­fe’ oder der­­­­gleichen geschaffen werden, und es ist
erkennbar, dass Ockham fak­tisch so etwas ge­­tan hat, bzw. eben das Omnipotenzprin-
zip in einem überweltlichen Sinn und doch nicht in der In­ter­­fe­renz mit der Welt oder
Schöpfung einsetzte. Folglich müsste das Logische für die Om­ni­po­tenz­­idee neu defi-
niert werden (können) oder ent­­fallen (dürfen). Wir halten nur Letzteres für möglich:
von seiten der (heuti­gen) Logik wie von seiten der Scholas­tik.150 Dassel­be gilt für al­­le
Funktionsbegriffe Ockhams.151 In der Theologie verwendet Ockham als einen sol­chen
Funk­tionsbegriff ‘suppositum’. Er definiert ihn gleich so, i.e. rein negativ, so dass er fak­
tisch bloß Ausschließungen er­laubt152 und insofern auch Aporien und unerwünschte

in der Form unserer conceptus beweisen, indem er diese andere höhere Erkenntnis für Prämis-
sen verwendete, wenn er nicht zuvor unsere Aussage pro statu isto bezweifelte; er kann also
nicht direkt oder in logi­scher Form aus dem e­i­nen medium ins andere „transponieren“. Diese
in se negative Feststellung ist gegeben. Wenigstens sie.
149. Folio 67 col. 3. Siehe tabula materiarum.
150. Ockham hat in einem solchen Falle den Satz, der die Weltwirklichkeit nach dem verän-
derten Modus wie­der­zugeben und zu bedeuten hätte, über die z. B. temporale Modifikation
des Prädikats dieses Satzes außerhalb der Welt und ihrer schöpfungsbedingten Kontinuität zu
setzen gesucht. Da in Wodhams Frage Sophisma und Me­t­­­ho­­de gegen­ein­­an­­der ste­­­­­­­­­­hen, kann es
eine determi­nat ‘logische’ Lösung bei dem Di­lem­ma nicht geben; denn Om­ni­po­tenz und reale
Schöpfung ­kommen in einem einwandfreien Sinn ja nicht über­ein. Es kann nicht behaup­tet
werden, dass sie es nicht täten oder tun sollten. Die Frage ist nicht sinn­voll und kann so u.
a. auch kein pro­ble­­ma der Selbstidentifikation von Akten oder die Akte denkenden Subjekte
besagen (enthal­ten) bzw. Aporien, im Na­men de­rer Th. W. Adorno, 1966 über die Geschichte
richtet und H. Blumenberg, 1966 ihr Ausblicke eröffnet.
151. Zu ihnen zählen: notitia intuitiva, notitia ab­stractiva, pro­po­sitio per se nota, forma, spe-
cies, substantia, acci­dens, subiectum, ratio, das Ökonomieprinzip etc. Sie haben die Eigen-
schaft, Begriffe, die die Sätze bilden, im Sinne des Ausschlusses (der Stornierung) von Fol-
gerungen, mit denen nach dem Ausdruck für realwer­tig ausge­ge­ben werden, zu überfassen
und den Vorausgriff präventiv auszuschlie­ßen; sie führen zur hypotheti­schen Iden­tifikation
der Begriffsakte und Sätze ohne diese fiktiv realwe­r­ti­ge Konsequenz oder eine entsprechende
ty­polo­gi­sche Füllung nach Begriffsarten oder Satzarten. Beides ist gleichermaßen oder ineins
ausgeschlossen. Jeder sol­cher­maßen verwehrte ‘Inhalt’ (= Gel­tungs­wert) wäre als consequens
be­reits einer consequentia gleich und müsste eine fallacia oder Aporie bedingen.
152. Ord. d. 23 q. unica OT IV p. 61 lin. 14 – p. 62 lin. 4: „‘suppositum est ens completum, non
constituens ali­quod ens unum, non natum alteri inhaerere, nec ab aliquo sustentificari’. Per
primam particulam excluditur quae­li­bet entitas partialis, – sive actualiter componat sive non –,
quia nihil quod potest esse pars est ens comple­tum sed tantum ens partiale. Et ita excluditur
310 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Kon­se­­quen­zen ausschließt. Man kann daher fragen, wo ‘suppositum’ überhaupt einen


‘Betreff ’ ha­­ben kön­ne. Es wird indes gleich nur eine definitio quid nominis gegeben,
die Ockham als mehr oder minder ‘gewählte’ bezeichnet.153 Der Betreff liegt dann
in der natura, spezieller in der na­­­tura divina oder mehr noch christologisch in der
natura humana. ‘Suppositum’ ist quasi ei­ne Funktion154 (oder ein Funktionsbegriff)
mit einem einzigen Wert, natura, den er der real­lo­­­gi­schen Funktion in aliqua re rea-
li entreißt. Entsprechend dient er der modalen Apostrophie­rung eines Satzes modo
composito.155 Dass die Strukturen Ockhams, gleichartig oder kompatibel mit der noti-
tia abstractiva, potentiell außerhalb derselben liegen, ist kein Problem.156

anima separata et quaelibet forma substantialis et etiam materia. Per se­cundam particulam
excluditur divina essentia, quia quamvis sit ens completum, tamen constituit unum ens, scili­cet
Patrem et Filium et Spiritum Sanctum. Et propter idem excluditur quaelibet relatio et unum
constitutum ex essentia et spiratio activa. Per tertiam particulam excluditur quodlibet accidens,
quia quodlibet accidens, – sive inhaereat sive non, natum est inhaerere. Per quartam particu-
lam excluditur natura assumpta a Verbo, quia illa est a Verbo sustentificata.“ (Dasselbe knapper
ausgedrückt Quodlibet IV q. 7 OT IX p. 328 lin. 11–21).
153. Ib. p. 61 lin. 11–14: „dico quod suppositum non habet quid rei, sed tantum quid nominis;
nec habet definitionem quid rei, sed tantum definitionem exprimentem quid nominis. Defini­
tio autem exprimens quid nominis potest esse is­ta“, und es folgt die in der vorigen Anmerkung
gegebene ‘Beschreibung’.
154. Man denke an zahlentheoretische Funktionen und Symbolbegriffe wie etwa die Möbius-
Funktion u. a. Cf. I. M. Winogradow, Ele­mente der Zahlentheorie, dt. 1956 Kap. II. pp. 15–19 und
andere Werke.
155. Cf. Anm. 126.
156. Cf. R. Wood, 1982 p. 218: „Ockham oppo­sed the view that it was the business of theolo-
gians to establish scie­ntifically the truths of the faith in virtue of ab­­stract knowledge of God.“
Da müsste die notitia abstractiva strukturiert werden. Ob Ock­ham das tut oder gar nicht tun
könnte, ist offen. Die notitia abstractiva lässt begriff­lich eine solche Möglichkeit nicht erschei-
nen. Ock­ham erforscht und be­stimmt aber im Rahmen seiner argumen­ta­tiven Möglichkeiten
die Struktur der Sätze und bezieht wissenschaftliche Sätze und potentiell wissenschaftli­che
theologische Sätze ein. Die notitia ab­strac­tiva hat argumentativ nicht unbedingt die no­titia
intuitiva zur Vor­aus­setzung. Genea­lo­gisch indes immer. Das etwa auch schon bei Durandus,
cf. J. Koch, 1927 p. 75.
kapitel 7

Formbegriff und reale Wahrheit

Die ontologischen Begriffe forma, substantia, essentia, accidens, differentia, qua­­litas,


quanti­tas usw. erscheinen bei Ockham in der Reduktion auf das Grundverhältnis von
substantia und accidens. Sie sind verbunden mit der Argumentation, die abstrakte
Begriffssetzungen ge­gen eine in sich nur diffu­se Realität sichert. Der ausgedehnte und
unmittelbare Bezug auf die Re­a­lität wird suspen­diert. Die empirische Bedeutung der
ontologischen Hauptbegriffe, die da­bei selbst vielleicht zweifelhaft oder erörterungs-
würdig ist, wird den induktiven oder persua­si­­­ven Ge­halt der Argumentationen be-
dingen, die für sie eintreten. Denn sie kann ja nicht gera­den­wegs ‘ab­geleitet’ werden.
Diese Realität wird durch das accidens repräsentiert. Dabei setzt sich für Ockham
das Akzidentelle im qua­le als quan­tum fort: „quan­do arguitur quod tunc ille gra-
dus additus esset accidentalis quia ex­tra speci­em, dico quod ille gradus est unum
in­­di­­vidu-um et respicit illam speciem, sicut Sortes ho­mi­nem sive con­ceptum spe-
ciei. Et sicut con­ceptus hominis potest esse sine Sorte, sic con­­cep­tus albedi­nis potest
esse sine illo gradu.“ Es ist also auch der conceptus albedinis, der ohne den gradus
angenommen werden kann, mit­hin in einer abstrakten Allgemeinheit, aus der der
gradus selbst herausgehalten wird oder wer­den muss. Eben das galt auch bereits für
den es­­sen­tiellen Gehalt (der species) oder einem Be­griff wie ‘ho­­mo’ gegenüber dem
von akziden­tel­­len Gehalt oder Begriff von ‘albus’: „Unde nec albedo a parte rei nec
nigredo est de es­sen­tia rei.“ Der gradus, als individuum be­zeich­net, tritt der es­sen­
tia, dem vollen Gehalt des Be­griffs nicht bei. Ebenso nicht das acci­dens, wie et­wa
albus, albedo, niger, nigredo, nicht der es­­­sentia des­sen beitreten, was die Far­ben an-
nehmen kann. Der Begriff (der) forma erscheint schließ­lich als jenen vielen gradus

. Die Bedeutung erscheint überhaupt nicht identisch mit der empirischen Bedeutung. Wollte
man das annehmen, so hätte man vorab eine ontologische Qualität: sie wäre überall, wo sie ein­
gesetzt würde, jeweils in toto voraus­zu­set­zen und vorausgesetzt worden. Diese Vorausset­zung
macht die Scotische Verfahrensweise in „De Primo Prin­cipio“ aus und diskreditiert sie.
. Gegenstand und Wirklichkeit sind schließlich identisch; sie werden über das ac­cidens wahr­
ge­nom­men (erfah­ren) werden, wenigstens zunächst über es. Dass es exklusiv über es gesche­he,
kann nicht gesagt oder eben, wie das notwendig wäre, geschlossen werden.
. Rep. III, q. 8 OT VI p. 231 lin. 5–9.
. Ib. lin. 9–10.
. Dabei gilt ib. p. 230 (lin. 2–5): „dico quod differentiae non suscipiunt magis et minus,
sed hoc est speciale qua­li­ta­ti­bus quod per ad­di­tionem possunt suscipere magis et minus, et
312 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

entgegengesetzt, in de­nen die qualitas auftreten kann. Die­ses Ver­hältnis oktroyiert


sich ge­gen den Wider­spruchs­­­­­satz. Hier hat auch das Omnipotenz­prin­­zip ‘seine’
Funktion.
Das Omnipotenz­prin­­zip kann im Sinne der Gleichheit von Unterscheidung und
Nichtunter­schei­­dung, Unter­schiedenheit (differentia) und Nichtunterschiedenheit
(non-differentia) ein­tre­ten (interagie­ren): „Si dicas quod ac­cidens non indivi­du­a­tur
nisi per subiectum, dico quod falsum est, nec est propositio philosophi. Sed in­tel­ligit
quod quando sunt alia acci­den­tia, nata facere per se unum, tunc si sint in uno subiecto,
fa­ciunt per se unum, naturaliter lo­quen­­do, li­cet10 per potentiam divinam aliter pot­est
fieri. Sed duo accidentia tota non nata facere per se unum non possunt naturaliter

quantitati. Sed non convenit dif­­fe­rentiae sub­stan­tiali … (lin. 8–12) Quando enim differentia
unius est dissimilis dif­fe­ren­tiae alterius, tunc in illis differentia for­malis est specifica sicut patet
de bo­ve et asino. Sed quando est similis et non dissimilis, tunc et differentia forma­lis non est
specifica.“
. Es lässt sich im Verhältnis von einem gradus zum ‘nächsten’, i.e. den einzelnen Punkten, Ge­
schwindigkeit­s­pha­­­­sen usw. einer Bewegung (motus, augmentatio, intensio usw.), die ihrer­seits
infinitesimal sein können oder müs­sen, kein erklärter „Widerspruch“ annehmen.
. Aus der ‘Tatsache’, dass Ockham um die Existenz des instans als res oder secundum rem
zu untersuchen und darüber negativ zu befinden, i.e. sie zu bestreiten, die Unterscheidung von
substantia und accidens (im Sin­ne ei­ner exhaustiven Disjunktion – Distinktion) verwendet,
folgt nicht, dass das accidens an ihm selbst Existenz ha­t; al­so kann Ockham hier nicht den Wi-
derspruchssatz zugrundegelegt haben. Es gibt neben der Unterschei­dung zwi­schen substantia
und accidens im rein förmlichen (logischen) Sinn die Frage nach ihrem Realitäts­ge­halt, also die
ontologische Fragestellung zu ontologischen Termini und infolgedessen die Abhängigkeit von
ei­ner Argu­men­­­tation, die wieder nicht (rein) logischer Natur sein kann, weil sie dann auch in
deren Sinn geord­net sein müss­­­te und nicht kontinuierlich im Sinne einer schrittförmig erfol-
genden Induktion mit in sich negativ be­stimm­ten Realgehalten erfolgen könnte. Hier erst ruht
der Schlussgehalt. Er fällt mit dem negativen Befund zu­sammen. cf. zu instans L. Baudry, 1958
Art. Instans pp. 126–128. Dass die In­duktionsschrit­te von­einander unabhängig und so absolut
sind, kann vorausgesetzt werden.
. Das Omnipotenzprinzip belässt oder setzt das accidens als nicht zur forma oder species
ge­hörig außerhalb der mit dem Ding oder Gegenstand gesetzten Absolutheit. Zugleich wird
da­mit im Sinn der Abstraktion die von ele­men­taren Verhältnissen, wie sie kontingente empiri­
sche Satz meint, ausgehende Allgemeinheit (Verallgemeine­rung) angesprochen. Eine solche
‘All­gemeinheit’ gab es analog schon bei den die divina essentia betreffenden Sät­zen, welche so
mit dem Modus ‘formaliter non idem’ modo composito verbunden werden konnten. Der für
die divina essentia verwandte Satz ist mit seinen termini intensional von höherer Allge­mein­heit
als die bloß Kon­­­­kretes meinende empirische Aussage.
. Rep. III, q. 8 OT VI p. 232 lin. 5–11.
10. W 1495 hat (neuer Satz) Sed. Als höherstufiger Zusatz, besser begründet als die Einschrän-
kung mit licet im selben Satz, wie wenn dieser nicht vollständig wäre. Der Gedanke ist es
nicht.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 313

exis­tere in eodem sub­iecto.“ Wiederum wird der Be­reich, in den das Omnipotenz-
prinzip eingreifen kann, empirisch begrenzt.11 Dann gilt aber doch:12 „Di­­co quod
distin­guun­tur nu­me­ro non sicut duo tota distincta loco et subiecto, sed duae partes
fa­ci­en­tes per se unum.“ Es gibt hier mithin keine distinctio realis per se, wie es ja auch
keine res ab­so­lutae gibt, die in diesem Sinn empirisch getrennt wären. Die nun supra­
na­tu­raliter wir­ken­­de Om­nipotenz bleibt aber empirisch derartig begrenzt, dass sie das
weltliche oder in der Schö­p­fung gegebene Verhältnis nicht wirklich umstürzt. Wenn
zwei accidentia nicht real (nach der geschaffenen Welt) miteinander vereinigt sein
können, wird die Ein­wir­­kung Gottes per po­ten­tiam divinam ohne gehörigen Anlass
scheinen; sie tritt demgemäß auch nicht auf. Sie wäre in Anbetracht der Realität oder
Schöpfung bezugslos. Sie würde an et­­was ansetzen, was nicht ist. Wir haben die Wahl
zwischen Induktion und pe­titio principii. Mit letzterer wi­der­streiten wir auch dem
Wortlaut Ockhams. Damit schiede aber zugleich die empirische Gel­tung aus, wie sie
es nach Ockhams Analysen bei jeder fal­lacia tut. Auch das Omni­po­tenz­prin­­zip darf
nicht als eine Relation (an­stelle einer Re­lation) erscheinen, die als Vor­griff gegenü­ber
der Em­­pi­rie und Kausalität sich ausnähme, wenn ei­ne fallacia vermieden sein soll.
Die Untauglichkeit (Insuffizienz) des Widerspruchsprinzips für die Bestimmung
des Den­kens als Urteilen, gleichsam von der Seite der Geltung her gedacht und die
Genese betreffend, er­scheint hier unter dem Aspekt der sinnlichen Wahrnehmung
der Objekte, über die Sätze lau­ten werden. In Ockhams Darlegungen zeigt es sich
so, dass der forma-Begriff, bzw. sein In­­­­halt, nicht empi­risch be­grün­det werden und
nicht begründet werden können. Da­mit wird wie­der die Abstraktion thematisiert:13

11. Die distinctio realis, die Ockham auch zwischen substantia und accidens ansetzt, ersetzt
auch da den Wi­der­spruchs­satz. Ebenso gilt er dann nicht für das Omnipotenzprinzip und be­
grenzt nicht dessen Anwendung. Natür­lich ist die distinctio realis empirisch orientiert; sie gibt
aber keine Realität oder Empirie ex se, die es überhaupt de­finit nicht gibt, insofern sie nicht
angegeben werden kann. Wir gehen mit der Induktion von einer in se negier­ten Re­alität aus,
was eine unmittelbare Berührung mit der significatio besagt. Das accidens betrifft diese Reali-
tät oder sig­nificatio.
12. Ib. p. 231 lin. 23 – p. 232 lin. 2.
13. Der Widerspruchssatz begründete nicht den abstrakten Gebrauch elementarer (kontingen-
ter) Sätze für den über­empirischen ‘Bereich’ (Ge­gen­stand) der divina essentia. Die Abstraktion
wahr­te ihren Bezug auf die Kon­tin­­genz. For­ma meint den von Akzidenz und Kontingenz frei­en
Bestand. Da das accidens an die substantia (es­sen­tia) als forma logisch nicht vermittelt wer­den
kann, muss es selbst alle Logik mit sich wegnehmen und in ei­nen Status der Di­mi­nuti­on ver-
setzen. Da­nach können (die a se kontingenten) Sätze nur als mo­dal be­stimm­te ge­se­hen werden:
ei­­ne an­dere Auslegung ist für sie nicht möglich. Andererseits entspricht auch die Wi­der­le­gung
dem accidens in seiner falschen Annähe­rung an die substantia/forma/essentia. Sie fasst das
ge­­sam­te Verhältnis des accidens zur substantia noch ein­mal. Die substantia kann da­nach in
ei­ner ge­wis­sen Weise nicht ein/das ac­ci­dens enthalten und: nicht an es übertragen wer­den.
Was Au­tre­court verlangte, war die Unmöglichkeit (Ab­sur­di­tät) schlechthin. Sie woll­te er ma­
te­ri­ell (in­haltlich, stofflich) in der Scholastik entdecken und in der Methode des Aris­to­teles
314 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Das Verhältnis von for­ma substantia­lis und for­ma accidentalis bedeutet, dass das Ak-
zidentelle in das Sub­­stantielle nicht zwingend eingefügt werden kön­­ne, und eben dies
mit Notwendigkeit die Notwendigkeit ersetzt und aufhebt, die sonst falsch konzipiert
worden wäre, ja sogar den Grund der Falsch­heit (fallacia) abgäbe.14 In be­stimm­­tem
Sinn kann es die Wahrheit damit gar nicht ‘geben’.15 Das Verhältnis von forma sub­­­­
stantialis und forma accidentalis muss immer auch be­sagen, dass eine Ab­straktion a
parte rei nicht möglich ist; es muss wenigstens immer eine Zwi­schenstufe ge­ben, die
wie die notiti­a intuitiva die notitia ab­strac­ti­va, diese in jedem Sin­ne genommen, erst
her­vor­­gehen lässt. Die notitia intuitiva ist da­mit nicht nur Induktions­basis, sondern
auch Recht­fer­tigungs­grund der In­duktion: sie bedeutet, dass, förmlich und in weite-
stem Maße, mit der Ana­­­lyse von Aussagen auch deren Wertigkeit induziert werden
kann. Ja, sogar induziert wer­den muss. Mit dem ‘instans’, dem ‘per se’ wan­delbaren
(= ersetzbaren) passageren momen­tum, tritt man ‘begriff­lich’ zum Ima­ginären im
Reich noch wahrnehmbarer Realität über:16 „…‘in­stans’ non potest dare esse par­­ti
praeteri­tae nec futu­rae, et de praesenti nihil est nisi in­stans, igitur nullo modo potest
da­re esse.“17 Hier steht nach Ockham kein Widerspruch an: das in­stans, das für die
Gegenwart im engsten Sinn steht, kann selbst in keiner Weise mehr in der Welt ausge­
dehnt er­scheinen. Wie das dann für das momentum temporis selbst auch gilt. Mit
dem instans ‘unterschreitet’ man faktisch und ‘über­schrei­tet’ man abstraktiv gesehen
den kon­­­tingenten Satz, für den es kein Wahrheitsmo­ment besagen kann, so wie dieser
be­reits nicht nach dem Wi­der­­spruchsmoment defi­niert werden kann. Erst weil eine
solche De­fi­ni­­tion nicht mög­­lich ist, kön­­nen fallaciae aufgelöst werden, deren Korrek-
tur von kontingenten Sätzen über­­­­­nom­­men wird. Auch die De­­fizi­enz in der fallacia
verweist auf Kontingenz. Kon­tin­gen­te Sät­­z­e ge­hören einer ge­gen­über der­je­ni­gen, auf
der die allgemeinen Aus­sa­gen liegen, unter­ge­ord­­neten Stufe an.18

vor­­ge­bahnt finden. Aristoteles hatte aber nur das contin­gens inhaltlich unbegründet an­ge­se­
hen. Das Ak­zi­den­telle per se kann keinen Inhalt bedingen. Das hat Ockham metho­disch mo-
difiziert.
14. So erscheint die Wahrheit als Leerstelle alias falsum.
15. Es wird aber näher­hin an dieser Stelle Ockhams Notwendigkeit tangiert und gestrichen,
wel­che ganz aus dem Akzidenz hervor­kom­men (stammen) müsste. Wie weit das bei Aristo­teles
vermieden werden konnte, ist die Frage.
16. Rep. II, q. 10 OT V p. 208 lin. 12–14.
17. Ebenso siehe ib. p. 209 lin. 14f: „pars praeterita et futura ratione instantis praesentis non
com­po­nunt nec fa­ci­unt ali­quod unum per se.“
18. Wie und ob aus infinitesimal oder imaginär gedachten Größen Kausalität entstehen kön-
ne, ist eine andere Fra­ge. Damit verschiebt sich das Kausalmoment zu Relation und Abstrak­
tion und kann im Sinne des Widerspruchs­prin­zips nicht einmal mehr gefasst werden. Nach
Ockhams naturphilosophischen Erörterungen wird Kau­sa­li­tät empi­risch nicht wahrgenom-
men; sie hat damit keine begriffliche oder intentionale Funk­­tion.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 315

Wenn Ockham sich auf Aristoteles bezieht, reduziert er dessen Aussagen oder
Prinzipien, für ge­wöhnlich auf die Kontingenz der Erscheinungen und kontingen-
te Sätze. Dieser Bezugs­punkt erfordert oft Korrekturen, so dass Ockham Aristoteles
nur nach Maß­gabe sol­cher Ein­­­­­schränkungen überhaupt zulässt und approbiert. Was
bei Aristo­teles auf ei­ne Allge­mein­heits­be­deutung des Satzes, diesen qualifizierend,
hinauszulau­fen hätte und even­tuell ei­nen zwangs­­läufigen Einschluss von Kausalität
beinhalten müsste, wird auf Kon­tingenz und kon­tin­gente Aussagen eingeschränkt
und enthält damit eine hal­be, in­ten­si­onal bestimm­te Wi­der­le­gung.19 Prinzipielle Aus-
sagen, die einen unbeding­ten allgemeingültigen und ana­lytischen Cha­­rakter nicht
haben können, sind danach nicht umweglos oder unumgänglich wahr.20 Die Scho-
lastik war so jedoch förmlich nie anders als im kontingenten Satz zentriert. Wenn
Ock­ham ihn zum systembildenden Ausgangspunkt wählt21 und inhaltlich ausschlag-
gebend macht und andere Deduktion danach noch zensurieren kann, nimmt es sich
somit auch aus, als habe die Scholastik nie anders als mit einem immer quasi auf die

19. Hier muss auch die unterschiedene Argumentationsart bei Ockham beachtet werden. Es
muss für ihn zwi­schen hy­po­the­tischer Konjektur und Ableitung unterschieden wer­den. Cf.
Ord. Prol. q. 1 OT I p. 33 lin. 15: „Ex istis se­­­quuntur ali­­quae conclusiones.“ Im W 1495 Prol. Ord.
q. 1 AA): „Ex is­tis pos­sunt sequi ali­quae conclusi­o­nes.“ Die­se im Apparat nicht vermerkte Vari-
ante ist vorzuziehen, wenn man be­­denkt, dass Ockham die Ter­mi­­no­lo­gie (die notitia intuitiva
und notitia abstractiva) für ad libitum wählbar und in dem Sinne für hypothetisch hält. Cf. ib.
p. 30 lin. 6–11. Danach müssen die conclusiones nur ver­suchs­wei­se ge­zo­­gen wer­­den: die Sätze
(The­­o­­re­­me, Lehrsätze) müssen hypothetisch sein. Sie sind also eher per­su­a­­diert. Denn wir ha­­
ben die ter­mi­ni nicht, die in ei­nem absoluten Sinne gelten können; wir haben nur sol­­che, die
ali­quo­mo­do aus der Erfah­rung ge­­won­nen und be­stätigt worden sind. Derart sind sie kontin­
gent. Sie sind be­stä­­tigt, so­fern wir die Erfahrung mit der Argu­men­ta­ti­on (Induktion) verbinden
können.
20. Wo eine induktive Begründung eintritt, da ist allerdings auch immer eine intensional be­
stimm­te Implikation im Sinn der Auslegung eines Satzes oder der Geltung eines Satzes gemäß
dessen Typus möglich. Insofern be­steht zwischen Deduktion und Induktion kein unbeding-
ter Gegensatz. Es war allerdings die Implikation eines Ter­minus oder Begriffstypus in einem
an­de­­ren abgelehnt oder eben durch Gegenbeispiele induktiv ‘widerlegt’ wor­den. Ein Beweis
Ockhams ist immer ein begrenzter Beweis; er ist kein direkter und kein unlimi­tiert gültig ge­
dachter: er beweist, indem er anderes nicht beweist (= ‘ausgegrenzt’). Daraus folgt Ent­schei­
den­­des: die Gesamt­heit der Beweisbedingungen überhaupt ist in jeden Beweis ein­ge­­schlossen
und latent vorhanden. Beweisbedin­gun­­gen überhaupt und Einzelbeweis sind mit­ein­­ander kon­­
sistent. Das könnte für ein Muster der Analytizität + De­­finitheit gehalten werden.
21. Dass es so ist, ist eindeutig. Ockham trennt immer die notitia conceptus im Satz, auf den
wir uns mit einer notitia complexa beziehen, von der notitia incomplexa terminorum. Durch
erstere kennen wir nicht die Wahrheit. Wenn wir notwendige Sätze ha­­ben, sind uns auch deren
Begriffe aus der notitia intuitiva als einer notitia incom­ple­xa und nach den kontin­gen­ten Sät-
zen, zu der diese unmittelbar (zwangsläufig) führt, bekannt geworden. Wir erkennen in einem
notwen­digen Satz nicht die Wahrheit, wiewohl dieser Satz, sobald wir ihn gebildet haben, nicht
mehr falsch sein kann.
316 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

kontingente Aussage fest­ge­leg­ten Aristoteles ope­rie­­ren und käm­pfen können, wie ex-
press post festum über Ockhams Analy­se fest­gestellt werden könne.22 Das tangiert
Nikolaus von Au­trecourts Scholas­tik­­kritik. Bei ihm steht seine eigenen Behauptung,
es könne nur kontingente Sätze und ‘Er­kennt­­nis­se’ ge­ben, ge­gen die ihn leitende
Forderung nach (analytischer) Allgemeingül­tig­­keit bei scho­las­tisch-aristotelischen
Prinzipien und damit deren Begriffen (wie etwa sub­­­­stan­tia) und dem du­bi­­um, dass
es diese Allgemeinheit nicht geben könne, dass seinen Ge­dan­ken die Kohärenz und
Kon­sis­tenz, i.e. die Bündigkeit fehlen muss: wenn der kon­tin­­gen­­­te Satz entschie­den
Me­di­um und Basis der Erkenntnis ist, kann es keine sinnvolle For­de­­­rung sein, dass
Erkenntnisse (Sät­ze) not­wendig, allgemeingültig und allgemein seien. Ockham denkt
jeweils das Ver­hältnis von Begriffen als Ele­­­­­­­men­­­ten, das, wenn diese inhaltlich ge­fasst
werden können sol­len, eben weil dies Verhältnis nicht selbst ontologisch erklärt wer-
den kann, mit Be­gründungen ge­­­­­stützt sein muss. In­duktion und persuasio haben
hier ihre Rolle.23 Man sehe eine Induktion, die zur bloß wahrscheinlichen Ansicht
führt:24 „Pa­­tet per Philoso­phum III, De anima,25 ubi di­­­vi­dit ope­ra­ti­onem intellectus
in operationem sim­plicium“, für die Ockham dann sa­gen will: in­com­ple­xa, aber auch
propositio, „et com­positorum“ für die Ockham dann auch sagt com­­­­­­plexa, aber auch
„consequentia“ sc. die no­­titia conclusionis ex notitia prin­­­cipii. „Er­go si divi­sio sit
propria, ita erit intellectio comple­xi sicut incomplexi.“ Es liegt ver­möge der Ab­­strak­­­­­­­­
ti­on eine Weiterung vor, indem man von in­complexum zum Satz und von Satz zu

22. Verschiedene empirische Fälle begründen die semi-abstrakte Aussage, die mittels der For­
mel ‘non est incon­ve­­­niens quod (non)’ gemacht werden kann. Cf. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 70
lin. 21 – p. 71 lin. 1–4: Ad septimum du­bi­­um: „pot­est dici quod non est inconve­ni­­ens quod aliqua
causa cum alia causa partiali causet ali­quem effec­tum et quod illa sola sine alia causa partiali
cau­set oppositum effectum.“ Sie ist natürlich auch induktiv einsehbar und kann mit­tels der
Formel persuasiones be­­gründen. Die Allgemeinheit müsste also be­züg­lich einer Kon­tingenz
behaup­tet und ausgesagt werden und doch dabei eine Nichtaus­schließ­lichkeit be­nennen. Wir
fassen damit Kon­tin­genz be­dingt ab­strakt, wobei ja anzu­neh­­­men ist, dass die Kon­­tingenz selbst
mit der darin vorliegenden dis­tinc­­­­tio realis Vereinbarkeit schon bedeutet, jedenfalls Nicht-
vereinbarkeit aus­schließt; denn für diese gibt es da keine Grund­la­ge. Der Ausdruck ‘non est
in­con­veniens quod (non)’ könnte nicht gebraucht werden, wenn der Sachver­halt, den er zu
benen­nen hat, selbst ab­­­strakt aus den gebrauchten termini hervorginge oder entwickelt werden
kön­­­nen soll­te. Duns Scotus hat ver­­sucht über der Kontingenz als dem der Welt angemessenen
Gesichtspunkt Not­­wendigkeit als logisch begründbare (im­pli­zit aber auch zur Logik/Deduk-
tion führende) in­haltliche Quali­tät zu fixieren oder zu präsumieren. Das Essen­ti­elle bietet sich
sub signo relati­o­nis. Das gilt auch bei Ockham für das Substanziel­le, aber nicht prima vista.
23. Die Elemente bleiben dabei mit ihrem Verhältnis grundsätzlich kontingente. Sie bleiben
das a parte rei; denn es kann ja, wie Ockham zu zeigen sich bemüht, nie aus der Art oder Stel­
lung eines Begriffs als subiectum ‘ge­fol­gert’ werden, welches Prädikat ihm im Sinne der dann
notwendigen oder einzigen Folge, gleichsam gleich­wer­­­tig zugehören könne oder müsse.
24. Ord. d. 1 q. 1 OT I p. 382 lin. 11–14.
25. Aristot. De anima III, c. 6 tt. 21–25 (430 a 26 – b 21).
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 317

‘con­se­­quen­tia’ geht oder über­geht. Das macht den Ar­gumentationszug poten­ti­ell un­ge­­­­
gen­ständ­lich. Es gibt keinen fes­ten ‘ge­genständlichen’ Bezug mehr: Ockham steigt aus
dem explizi­ten oder immanenten Ver­gleich zur Abstraktion oder persuasio auf. Der
allge­mei­ne Satz, der ge­won­nen wird, lautet:26 „videtur probabile quod pos­sunt esse
duo ac­tus, et quod possunt es­se unus ac­tus.“ Nämlich in­complexa (conceptus) neben
dem com­ple­xum (Satz) und com­ple­­xa ne­­­ben der consequentia. Der gesamte hier in
Rede stehende Text27 be­deutet oder bein­hal­tet eine per­su­asio, die wie folgt formuliert
wird:28 „non minus potest vo­lun­tas su­per obiecta sua quam in­tel­lec­­tus su­per ob­­iecta
sua.“ Der Willensakt bzw. worauf er sich be­zieht, ist weni­ger gegen­ständ­­lich als der
Ver­standesakt und worauf er sich bezieht. Die per­su­a­sio fußt auf ei­­­­­­ner In­duk­t­ion.
Wenn in­tel­lec­­­tus und voluntas ununterscheidbar sind, muss oder kann was für den
einen gilt auch von der anderen gesagt werden. Hinsichtlich des intel­lec­tus haben wir
kon­­kre­te Ak­te (bzw. Empi­rie). Zu diesem allgemeinen Satz wird ge­sagt:29 „Hoc pot­est
de­­cla­rari, quia si­cut in­­tel­lec­tus se habet ad principia et conclusiones, ita vo­­luntas se
habet ad fi­nem et ad ea quae sunt ad finem. Sed intellectus potest scire conclusio­nem
dis­tinc­to actu ab actu quo cog­­­­­­nos­citur prin­­cipium, et potest unico actu cognoscere
utrum­que, er­go eodem mo­do vo­luntas pot­­est ha­be­­­re distinctos ac­­tus respectu finis et
illius quod est ad fi­nem, et unum ac­tum respec­tu utrius­que.“ Dabei muss was bei den
Willensakten un­sichtbar ist (= di­rekt nicht gegeben er­scheint), analog vom Ver­stand
und dessen Ak­ten geschlos­sen wer­den. Mehr wissen wir zu­nächst ein­mal nicht. Na­
tür­­lich können Wil­lens­akte selbst auch induktiv durch Erfah­rung er­schlos­sen wer­den
bzw. in Er­fah­rung­szu­sam­men­­hän­gen dif­fe­rent erscheinen, so dass auch neue (weitere)
In­duktionen von all­ge­meinen re­fle­xiven Aussa­gen möglich sind, bzw. die in­duk­tive
Begrenzung und Kon­tes­ta­ti­on vermeint­lich unum­stöß­li­cher Prinzipien möglich ist.

26. Ord. d. 1 q. 1 OT I p. 381 lin. 20f.


27. Ib. p. 381 lin. 20 – p. 382 lin. 11.
28. Ib. p. 382 lin. 3–4.
29. Ib. p. 381 lin. 22 – p. 382 lin. 3.
318 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Bei allen Fallunterscheidungen wirkt die Differenz von Sub­stanz und ak­ziden­
tellem Ap­pendix mit.30 Es gilt:31 „quod convenit alicui na­tu­ra­li­ter, con­­­ve­nit sibi rea­
li­ter.“ Mit den privativen und den ne­gativen Begriffen treten wir auch nur in den
Be­reich des accidens (oder des Akzi­den­­tel­len) ein32 und kön­nen eine identische oder
not­wen­­dige Be­zie­hung nicht mehr anneh­men:33 „Non est sic de negativo et pri­va­tivo:
sed conve­niret si­bi rea­li­ter nisi agens extrinse­cum impe­di­ret.“34 Das von au­­­ßen wir-
kende agens extrin­se­­­­cum tritt al­so auch inhaltlich nicht in ei­nen Zu­­sam­­men­­hang mit
ei­nem Objekt, der­art dass in­halt­lich und lo­gisch eine gemeinsame Wir­kungs­wei­­se
oder irgend­ei­ne Beein­flus­sung und De­pen­denz an­ge­nom­men werden könnte. In der
physika­li­schen Welt ist die Refe­renz­größe reali­ter immer au­ßerhalb der im Satzsubjekt
ge­nann­ten Es­senz. Sie mei­nen dann zu­sammen kein re­a­les Ver­hält­­nis mehr, soweit es
um die Be­griffe und deren Deter­mina­ti­on geht. Die Wahr­neh­mung ist da nicht (etwa
bei Licht- und Spie­gelungseffekten) aus­ge­schlos­sen; sie kann aber nicht be­giff­lich
qualifiziert werden. Da­mit gibt es keine Er­klä­rungs­po­tenz des Autors.35 Mit den Be­
grif­­fen, die damit auch ei­nen Sta­­tus qua ac­tus ap­pre­­hen­sivus haben, aber nicht einen

30. Das Akzidenz ist inhaltlich leer, insofern eine Vergegenständli­chung und eine gemeinsa-
me Ab­straktion aus dem Akzidentellen und über ihm für das Sub­stan­­­­zielle nicht möglich ist.
In dem Sinn dependiert auch keine veri­fizierbare Kausalität aus dem Substanziellen. Anders
als Nikolaus von Au­tre­court meinte, muss es sie nicht ge­ben. Prin­zipi­en, die Ockham ver­wen­
det/aufstellt, wirken nicht or­ga­nsierend in den Bereich des Ak­zi­denz hin­ein. Sie haben kei­­nen
Ge­halt, der das Ak­­zi­dentelle ‘ergäbe’, gäbe oder be­in­halte­te, bzw. ausdeutete. Das Re­a­le ist eher
das Akzidentelle als et­was Sub­stanz­artiges. Abstraktionen, In­duktionen, persuasio­nes werden
aus dem Ak­zi­dentel­len emp­irisch begründet. Formeln (‘non est inconveniens’, ‘non est ma­­jor ra-
tio’) ordnen das Akzi­den­tel­le auch unter dem Aspekt ka­sualer Abwandlung gegen die Sub­stan­z
an. Bewiesen aber wird das Referentielle, das dem accidens zugehört. Ihm gegenüber wird der
substanzielle Begriff bloß identisch und definit gehalten.
31. Quaestiones variae q. 3 OT VIII p. 67 lin. 137 f. Es ist eine Bewegung vom Begriff (natura!)
zur Sache (res!), die aber umgekehrt schon induktiv begründet ist, wie Ockham unterstreicht
(lin. 138): „patet inducti­ve.“
32. Cf. Ord. d. 1 q. 1 OT I p. 386 lin. 19–20: „Ponit philosophus privationem esse principium
per accidens. Und ib. q. 3 p. 414 lin. 12–14: „pri­vativum in quantum tale non est causa positivi,
malum autem in quantum tale est pri­va­­­tivum et actus est ali­quid positivum.“
33. Quaestiones variae q. 3 OT VIII p. 93 lin. 632 – p. 94 lin. 1.
34. Die Argumentation bereits bei Plotin, Woher kommt das Böse? 51 (78): „Indessen die al­­ler
Form entge­gen­­ge­setzte Wesenheit ist ‘Beraubung’; Beraubung aber ist immer an etwas ande-
rem und hat an sich selber kein Da­sein: liegt also das Böse in der Beraubung, so wird es nur an
einem Ding auftreten, welches aller Form be­raubt ist, und wird mithin nicht an und für sich
dasein.“ Das accidens selbst ‘ist’ extra formam. Der Hiat von sub­stan­tia und accidens ist der
methodische Kern, wenn Plotin die Argumentationsformeln des Aristoteles ge­braucht.
35. Auch mit dem Begriff des obiectum partiale tritt man zum Bereich des Akzidentellen über.
Cf. Ord. d. 1 q. 1 OT I p. 386 lin. 5–8: „concedo quod voluntas potest simul habere duos actus
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 319

pro­jek­tiven Inhalt enthalten, ist keine rein ab­strak­­te oder ab­strak­­ti­ve Erklä­rungs­suf­fi­
zi­enz verbunden. Die Be­­griffe in sich, qua ac­tus in­tel­­­lec­ti­vus, ha­ben ab­strakt mit den
beigeschlossenen In­­­halten kei­ne physika­li­sche Er­klä­rungs­suf­fi­z­i­enz. Hier tri­um­­phiert
ver­bor­ge­n die intellec­tio-Hypo­the­se in der Be­stimmung des Be­griffs über die fic­tum-
Hypothese: Wir erkennen insofern wir den Begriff haben.36 Das er­gibt eine qua­si
tauto­lo­gische Po­si­tion. Sie muss wieder der Abstrakti­on ent­spre­chen. Die Abstrak­ti­­­
on, wie Ockham sie fasst, integriert Teile des Argumentierens an der Stelle der im
ele­men­­­­­­­­­ta­ren Satz vorhandenen Elemente wie subiectum und passio. Indem diese nicht
ineinander über­ge­­führt werden können, sondern disparat bleiben, erscheint es mög-
lich, den Aus­­schluss, sc. die Exklusion, durch Operationen zu ersetzen, deren Ergeb-
nis oder Effekt die Definitheit ist: sie wird zugelassen, eingeschlossen, jedenfalls nicht
ausgeschlossen. Die Ab­strak­ti­on, mit ih­ren inneren Verhältnissen, die äußere sind,
tritt an die Stelle des elementaren Satzes, der über­­­­­gewichtet werden musste, sofern er
allgemein sein sollte. Duns Scotus fällt Ent­scheidun­gen, indem er Fälle definitorisch
sondert und danach sei­ne Ent­schei­dungen aus­drückt und be­grün­det.37 Die Ansicht
wird mitgeteilt:38 „dilectio et de­lec­­tatio sunt a diversis causis efficien­ti­bus, quia dilec-
tio est effective a voluntate sed delectatio ef­­­­­fective ab obiecto, quia sicut sen­si­­bile est
causa delectationis in appetitu sensitivo ita obiec­tum intelligibile est cau­sa delec­ta­ti­
o­­nis in ap­petitu intellectivo“39 Dazu sagt Ockham:40 „Sed haec opinio non est vera,
quia quan­­­do aliquid aequaliter potest esse sine alio sicut cum alio, et illo posito non
potest esse nisi ali­ud ponatur, non est causa ef­fectiva ipsius. Sed posito actu voluntatis
aequa­li­ter potest esse de­­­lec­ta­­tio sine obiecto sicut cum obiecto, ita ipso obiecto posito,
destructo ac­tu voluntatis, nul­­­­­­­lo mo­­do potest esse delec­ta­tio; ergo videtur obiectum
non est causa delecta­tionis saltem im­­­­­­medi­a­ta.“ Und ebenso:41 „res­pectu multorum est
delectatio quae non sunt.“

perfectos re­s­pectu eiusdem obiecti, ma­xi­me quando illud ob­iectum est obiectum totale respec-
tu unius actus et par­­­­­­ti­ale tantum respectu alterius.“
36. Bei der fic­tum-Hypothese müssten wir hier auf den Begriff als obiectum intellectionis
schau­­­­­en, dem dann je­doch nichts entspräche: Begriff, Akt und Vermögen sind nämlich an sich
und im Verhältnis ohne significatio.
37. Ord. d. 1 q. 2: Utrum fruitio sit qualitas realiter distincta a delectatione. OT I p. 203 lin. 13 –
p. 428 lin. 21. Der hier insgesamt behandelte Text erstreckt sich zunächst p. 413 lin. 18 – p. 420
lin. 16.
38. Ib. p. 413 lin. 18 – p. 414 lin. 3. Cf. die Stelle Duns Scotus Reportatio Paris., I, d. 1, q. 3, n. 6
(ed. Wad­ding, XI-1, 27). Ockham operiert gegen diese opinio Scoti mit einer induktiv ge­bun­
denen Fallunterscheidung.
39. Zuletzt handelt es sich hier bloß um eine Analogie oder einen Analogieschluss und eine
Über­­­redung. Cf. aber auch Anmerkung 22.
40. Ib. p. 414 lin. 23 – p. 415 lin. 4.
41. Ib. p. 415 lin. 9f.
320 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham hat es bei Duns Scotus mit Ansichten und der Art wie sie verteidigt wer-
den (zu­gleich ‘be­gründet’) zu tun, oft mit notwendig nicht zwingenden Argumen­ta­ti­
onen: Duns Sco­tus arbei­tet da, um re­futationes vorzunehmen, mit dem Argument der
non-re­pug­­­nan­­tia (Ver­ein­barkeit): non est re­pugnans.42 Duns Scotus steigt not­wen­dig,
indem er ei­ne non-repugnan­tia fest­stellt, auf die Ebene der Em­pi­­rie hinab und zeigt
(sagt) bloß, dass sie nicht in einer Ab­strak­­tion ent­hal­­­ten sei.43 Das ist weder bezüg­
lich der em­pi­ri­schen Gehal­te zwingend (und de­fi­­nit) noch be­­­­züg­­lich der Ab­strak­tion
überzeu­gend. Ockham muss im Prin­zip diese Argu­men­­­­te und Ar­gu­mentati­o­nen,
schon wenn er sie durch­dringen will, auf­lö­sen: er muss den prak­­­tischen em­pi­ri­­schen
Teil vom ab­strakten tren­nen, oh­ne, im Sinne von Fol­gerung, bloß ei­ne Kompati­bi­li­
tät festzustel­len. Er kann dann sei­nerseits bloß eine Fallun­ter­­scheidung vor­neh­­­men,
welche aber zu be­deu­ten haben muss, dass verschie­de­ne Ab­strakti­o­nen, Prinzipien
oder Aussagen bezüg­lich dem (formell em­­­p­iri­schen) Anwen­dungs- und Be­zugs­­fall zu
unter­schei­­den und zu trennen sei­en. Denn bei Ockham liegt eine ‘Entschich­tung’ vor:
er trennt zwi­­­­­schen abstrakter Ebe­ne, für die ar­gu­mentativ auch Omnipo­tenz­prin­zip,
Ökonomieprinzip etc. eintreten und empiri­schen Refe­renz­fall und schließt analog in
dem Ver­hältnis die Folge­rung aus:44 es kann dafür nur die In­duk­tion ein­tre­ten.45 Die
Fol­ge­rung gilt we­­­der pro noch con­­­tra. Mit der Induktion aber ver­bin­det sich die per­
sua­sio, weil grundsätzlich der empirische Ge­halt weder direkt (un­mit­telbar) noch in
einer ab­ge­leiteten und übertragenen Weise an- oder auf­ge­nommen werden kann. So
er­­schei­­­­­nen rein hypothetische Stel­lungnah­men und Er­wä­gun­gen. Ockham sagt ge­gen

42. Ockham sagt auch oft: non est inconveniens.


43. Im Grunde eine petitio principii.
44. Dem Sachverhalt folgt wahrscheinlich ausschließlich die Darlegung Ockhams von den con­­
sequentiae und die Liste voneinander unterschiedener Arten consequentiae, die Ockham vor-
legt. Deren Interpretation bei Boeh­­­­­ner, W. u. M. Kneale und Pinborg ist zu widerspre­chen.
45. Die Induktion enthält (die) Kausalität, weil wie eine passio (nach ihrem Typus) oder das ac­
ci­­dens an das sub­iec­tum (die essentia) angeschlossen wird, eine Defizienz auftritt, über die das
Kausale bestimmt wird (mitge­ge­ben, eingeschlossen ist). Das gilt physikalisch wie psy­cho­lo­gisch.
Es gilt, wo das Physische (in den naturphiloso­phi­schen Quästionen) im Sinne der Spiegelung
durch das Psychologische, also die actus mentales fixiert gesehen werden muss. Die aristoteli-
sche homoiousis kann dabei keine Rolle haben. Die Defizienz hat damit zu tun, dass es keine
Partikel geben kann, die das Kausale trüge (oder gesondert einschlösse) und der­art es an die
essentia ver­­­­mittelte und in sie hineintrüge. Es gibt die Partikel nicht, die ne­ben dem Eintritt in
die essentia auch noch au­ßer­halb ihrer bestünde und so das Kausale per se ver­kör­pern könnte,
das accidens in essentia und daneben noch informans. Im Sinn der kausal­re­le­van­ten Konstella-
tion der ‘‘Dinge’ „stoßen“ diese „aneinander“, (wie Erde, Son­­ne, Mond, bei der Sonnenfinsternis);
sie ist kontingent und es gibt keine im Satz (in Sätzen) ausdrück­ba­re in­nere Be­ziehung der
Gegenstände. Die begriffliche tritt an die Stelle und sie könnte mit neu­em Wissen wie auch ter­­
mi­no­­logischen Veränderungen abgewandelt werden.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 321

Duns Sco­tus wie wiederholt in dieser Passage:46 „Ideo di­­co … quod obiectum non
est cau­sa immediata de­lec­­ta­ti­o­nis, sed cau­sa immediata delectatio­nis est ipse ac­­tus
voluntatis. Et ra­tio est quia po­si­to actu voluntatis ae­quali – sive obiectum sit si­ve non
sit – sequitur ae­qua­­­­­lis delectatio, et si­ne ac­tu voluntatis nul­lo modo potest sequi de­lec­
ta­tio. Ergo so­lus actus volunta­tis erit causa im­­­­me­­diata.“ Es geht also nur um die causa
imme­di­a­ta. Mit ihr verbindet sich die Vorstellung, dass sie sei­end (gegeben) sei. Es ist
tatsächlich die Frage, wieweit hier die expe­rientia der In­tro­­spection in ein Verhältnis
der causa immedi­a­ta, in das von Akten usw. ent­spricht und nicht vielmehr Er­­fahrung
Wahrnehmung aus Erfah­rung, d. h. Induktion oder je­den­falls Argumenta­ti­­on sein
muss. Man kann Ockhams Argu­m­en­ta­ti­on als Induk­ti­on über dem Terminus cau­sa
im­­mediata ansehen, bzw. als Indukti­on, bei der der Inhalt, fak­tisch und empirisch,
mit die­sem Terminus zusam­men­genommen wird.47
Wie Ockham solche Introspection und Aufladung der Be­griffe (Größen) vermei-
det, zeigt:48 „(Ex isto sequitur quod) non potest sufficienter probari quod intellectus
est cau­sa ef­­fec­tiva cog­­nitionis, sed suf­ficit ad salvandum omnia quod sit subiectum
cognitionis.“49 A li­mi­­ne wird die Konzep­ti­on vermieden, aus der in­tensional als

46. Ib. p. 415 lin. 16–22.


47. Es ist natürlich zu denken, dass die bei Duns Scotus auftretende, von ihm sei es in An­spruch
genommene, sei es ihm von den heutigen Autoren in ihren Interpretationen zugesprochene In­
trospection sachlich gesehen nur ei­ne vermeintliche sein kann; es lässt sich mit Ockham zei­gen,
dass gerade sie nicht begründet werden kann: die Fol­ge, die Duns Scotus in die Ab­straktion legt
und verlegt, und um derentwillen er sie fingiert hat, wird gleich­sam mit dem in­duktiven Grund
(Basis) einer Argumentation bestritten, widerlegt werden können. Nicht an­ders als die Scoti-
sche Annahme und Ansicht hier widerlegt wird. Cf. auch Ord. Prol. q. 9 OT I p. 237 lin. 18–20:
„Non potest a nobis evi­den­­­­ter cognosci quod omne ens est a nobis cog­nosci­bi­le intuiti­ve“. Die
species, die Duns Sco­tus unmittelbar mit der notitia intuitiva gegeben und vereinigt se­hen woll­
te, wofür W. Hoeres, 1962 den Ver­gleich mit Husserl zog (cf. schon P. Vignaux, 1938 und 1948
p. 163) elimi­niert Ockham. Cf. S. Day, 1947 Ock­ham schließt eine Grö­ße wie die species mittels
des Ökonomie­prin­zips aus. P. Duhem, 1913ff V, p. 595 unter­stellte Duns Sco­­­tus da einen exzes-
siven ‘Intuitionismus’: „Les disciples de Raymond Lull et de Jean Duns Scot se complai­sent à
fabriquer des noms qu’ils faisaient déri­ver des verbes, des pro­noms, d’adver­bes, des pro­positi­
ons; puis sous ces noms, ils prétendaient voir des réalités.“ Du­­­hem nennt das eine „piquerie“.
Den Schluss, dass ein ens nicht existiere, wenn es nicht er­kannt werde, zieht Ockham mit obiger
Formulierung eben nicht.
48. Ord. d. 1. q. 3 OT I p. 418 lin. 6–9.
49. Dass der intellectus subiectum des actus intelligendi sei, nicht aber causa efficiens und im­me­­
di­­ata, und dass die­­se Feststellung (ratio) sufficiens sei, bedeutet auch, dass der actus intelli­gen­­­di
accidens ‘in’ diesem subiectum sei, daher nicht daraus herleitbar, nicht per informatio­nem sub­
iecti denkbar. Entsprechend geht wieder vom sub­iec­tum keine kausale Beziehung (Wir­­kung)
zum accidens. Wo der Satz ist, ist nicht die Ableitbarkeit nach logi­schen Regeln (con­se­quen­tia
materialis) gegeben oder eine analytische Qualität der Aussage, bei der letztlich die Be­griffe
(s und P) als intensional gleich definiert zu gelten hätten. Ockham hat die oder ei­ne pas­sio
322 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

zwangs­läu­­fig sich erge­ben müss­te, was ei­ner immediaten ‘sachlichen’ Ver­bin­dung der
Begrif­fe oder Größen ent­sprä­che. Nach Ockham erschließt die causa nicht in­halt­lich
‘unmittelbar’ den effectus. Sie blei­ben als Sa­chen oder res getrennt.50 An die Stelle tritt
die Argumentation; sie aber trennt und er­reicht dies auf dem We­ge der Re­futation der
opi­nio anderer Autoren oder induk­tiv.51 Ockham wi­der­­legt mittels des fik­tiven Argu-
mentes, das er dann zurück­weist:52 „Si dicatur (sic!) quod is­ta ratio non sufficit, quia
eius­dem effectus pos­sunt plures cau­sae quarum quaeli­bet sit suf­ficiens, ergo quantum­
cum­que volitio sit causa sufficiens delecta­tionis, ex hoc non se­quitur quod ob­iec­­­tum
non sit causa.“ Damit wird eine reine Kompatibi­li­tät fingiert: sie greift formell auf den
empirischen Bereich aus und benennt hier eine conditio oder causa rea­lis. Sie müsste
ei­ne cau­­­­­sa oder con­di­tio ne­ces­saria sein. Ockham fingiert53 ein Beispiel, das er mit
einem Zi­tat des Duns Scotus un­ter­legt, das aber eine rein akzidentelle Kausalordnung
(Kausal­de­pen­denz) als wiederum ak­ziden­tel­les Bei­spiel dar­stellt und so nicht bis zu je­
ner Abstraktion erhoben wird, aus der die Folge­rung folgen konnte. Ockham weist das

nie als in die­sem Sinne im subiectum anhängig angesetzt – i.e. keine pas­sio wurde von ihm so
verstanden. Die Vielzahl der ac­­tus oder Sätze, die hier möglich sind, erreicht ein­fach niemals
die consequentia, mit der oder in der sie sis­tiert und in eine feste Ordnung ge­bracht wären. Die
Erstreckung solcher Sätze in die Wirklichkeit muss gleich mit ih­rer nicht ab­­schätzbaren Zahl
also unlimitiert und unbegrenzt sein. So ersetzen sie in sich die Folgerung. Je­de Fol­ge­rung
und Kette von Folgerungen. Die kontingenten Sätze müssen sein, weil nie­mals eine bestimmte
Gren­ze im Erkennen ex parte rei analog oder äquivalent mit dem actus in­­telligendi angegeben,
i.e. eben abge­lei­tet wer­den kann. Es ist klar, dass es dann keine Sätze (keinen Satz) geben kann,
in welchem forma (ein allgemei­nes Sub­jekt) und ein kontingentes (rein empirisches) Prädi-
kat zusammengefasst werden können. Dieser Mangel wird durch die Ma­ximen ausgeglichen,
welche der Induktion verdankt werden. Anders: eine erste und ei­ne zwei­te Stu­­fe der intellectio
sind niemals identisch, weder in actu noch durch die Begrün­dung. Im Falle des for­­ma-Be­grif­fs
zeigt sich, dass Abstraktion als Fassung des Inhalts bei ei­nem Begriff oder diesem gleichwertig,
keinen Schluss auf die passio erlaubt und dass umge­kehrt die Abstraktion eintreten muss, weil
die passio – als ac­cidens oder einen akzidentellen Gehalt überdeckend – nicht, weder inhaltlich
noch extensional, aus dem sub­iec­tum ge­fol­­gert werden kann, um dann in diesem Sinn ihren
Inhalt und ihren Zu­sam­menhang mit dem subiec­tum oder der substantia oder essentia zuha-
ben. Was als Konzept etwa Duns Scotus unterstellt werden kann, im We­­sentlichen das Schema
von species und accidens (oder proprium), erhält derart bei Ockham eine Emenda-­ti­­on.
50. Ockham schließt nie­ in einen Begriff (dessen Definition) ein (sieht nie als darin einge­schlos­
sen), was des­sen Ver­­bindungen, sachlich zudem, bezüglich ei­ner mit ei­nem andern Begriff (in
anderer Be­zeichnung) notierten ‘Grö­­ße’ ent­sprä­che. Dies ist ne­ben dem, dass die Inhaltserklä-
rung bei der Argumentations­form liegt, nominalisti­sches Signum.
51. Aus der Kritik bzw. refutatio opinionis alicuius alterius kann die solutio propria auc­to­ris,
i.e. Ockhams, er­wach­­sen.
52. Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 415 lin. 23–26.
53. Ib. p. 415 lin. 27 – p. 416 lin. 17.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 323

zu­rück und ge­braucht ab­strakt das Ökonomie­prin­zip und bindet es ex­pe­ri­mentell.54


Das Öko­nomieprinzip hat als Ockhams „Rasier­mes­ser“ Ge­schich­te gemacht: Wie es
argumentativ in der Konstitu­ti­on des Ver­stan­des ver­ankert sei, bleibt die Frage.55
Das Verhältnis von Abstraktion und accidens oder Erfahrung, welches Ar-
gumente substanzi­iert, be­deutet, dass ein Prinzip je zur Empirie führen soll. Auch
beim Ökonomieprinzip be­deu­­­­­­tet die Setzung einer per divinam potentiam nach In-
terpretenmeinung vermeintlich will­kür­­lichen notitia intuitiva unius obiecti (noch)
nicht, dass damit – auch nur hypothetisch oder eben ‘logisch’ – die reale Existenz

54. Erkennbar ist das Ökonomieprinzip je an die Erfahrung oder an den Ver­weis auf sie ge-
bunden. So auch hier ib. p. 415 lin.5f: „pluralitas non est ponenda sine necessitate vel certa ex­pe­
rientia“ und ebenso p. 416 lin. 12–15: „quamvis respectu eius­dem effectus pos­sint plures cau­­­sae,
hoc tamen non est ponendum sine necessitate, pu­ta: ni­­­si per experientiam possit con­vin­­ci.“
­Neben den Va­ri­an­ten des Ökonomieprinzips, die M. H. Carré, Realists and No­­­minalists, 1946,
1967 p. 107 und W. & M. Kneale, 1966 p. 243 nennen, nämlich: „Entia non sunt mul­­ti­pli­can­­da
prae­­ter ne­ces­sitatem (oder sine necessitate),“ „pluralitas non est ponenda sine ne­­ces­si­ta­te“, „Fru­
stra fit per plu­ra quod potest fieri per pauciora“ und (bei W. & M. Kneale erwähnt) „Num­quam
ponenda est plu­rali­tas si­ne ne­ces­­sitate“ (s. Ord. d. 27 q. 2 OT IV p. 205 lin. 15f) findet sich also
als weitere p. 415 lin. 5f: „plu­ra­l­i­tas non est po­nen­da si­ne ne­ces­­sitate vel cer­ta experientia“. Die
gesamte Stelle ebd. lin. 5–10 ist instruk­tiv. Sie zeigt, dass die Ab­­strak­ti­on im Sinne der Gel­tung
nicht mehr gerechtfer­tigt oder noch einmal begründet werden muss. „Prae­te­rea, pluralitas non
est ponenda sine ne­ces­­sitate vel certa expe­rientia; sed posito actu vo­­l­un­ta­tis solo vide­tur ha­­be­ri
causa sufficiens de­lectationis; ergo vide­tur obiectum superflu­e­re. Praeter­ea, illud quod non est,
non est causa po­­sitiva alicuius; sed ob­iectum potest esse non-ens; unde respectu mul­to­rum
est delectatio quae non sunt.“ Das Ver­hält­nis der Ab­straktion zur signifi­catio (obiec­tum oder
res singula­ris als Bedeutung) muss im­mer be­deu­­ten, dass ein Inhalt, wo es um Rela­tion geht,
diese Beziehung außerhalb der pragmati­schen De­fi­ni­ti­on des In­halts als Ge­genstand hat. Das
Ökonomieprin­zip verweist jedoch nicht auf Ab­strak­tion, die au­ßer­­halb der Em­pirie stün­­­­­­de
oder gar ihr widersprä­che: es muss deshalb auch keine Argumen­ta­­­ti­on geben, die, au­ßer­halb
der Empirie ste­­hend, ihr widerspräche. Dies be­stimm­­t sogar die Ana­­lyse der fallaciae mittels
des Öko­­no­mie­prin­zips.
55. I. Kant, De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis, Diss. 1770 (Sectio V, § 30)
spricht in Be­zug auf das Ökonomieprinzip von dem „fa­vor unitatis philoso­phi­co ingenio pro-
prius, a quo pervulgatus iste ca­non pro­­fluxit: prin­cipia non es­­se multiplicanda praeter summam
ne­cessitatem, cui suffragamur, non ideo, quia cau­sa­­lem in mundo unitatem vel ratione vel expe-
rientia perspicia­mus, sed illam ipsam in­dagi­mus im­­pul­­su intel­lec­­tus, quia tantundem in expli-
catione phaenomenorum profecisse vi­detur, quan­tum ab eodem principio ad pluri­ma ra­­tionata
descendere ipsi concessum est.“ Es gibt also nach Kant eine Vernunftregel (canon), die wir auch
rein in der Ver­nunft entdecken oder aus der wir schöpfen, nämlich bei der Deduktion nicht
von vielen Grundsät­zen (prin­­­cipia) auszu­ge­­hen, son­dern von wie es scheint sogar nur ei­nem
einzigen. Nicht aber geht es bei Kant um Grö­­­­­­­ßen, Be­griffe, entia oder res wie bei Ockham.
Zur ‘Deduk­ti­on’ selbst den­ke man an den modus composi­ti­vus oder mo­dus resolutivus nach
Thomas von Aquin, des Duns Scotus, Zabarellas, in der Deduktion more geo­me­­tr­i­co bei Spi­no­
za, Pu­­­­­fen­dorf usw., die ohn­e Erweiterungen bei den Prädikaten nicht auskommen.
324 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

als Bedin­gungsmoment gestrichen wurde:56 „Si posset pro­ba­­ri quod posita notitia
intuitiva per divinam potentiam sine obiecto non sequeretur tanta de­lec­­­­tatio quanta
obiecto realiter existente, tunc posset probari quod obiectum esset causa illius delec-
tationis, vel saltem volitionis praecedentis delectationem.“ Die Größe volitio oder
ihre Not­­­wendigkeit würde gleichsam noch nicht ausgesetzt oder getilgt. Man gewinnt
gewisserma­ßen einen a fortiori Grund dafür, dass die existentia obiecti nicht förmlich
(definit) schon ent­behr­­lich sei, (nur) weil Gott per divinam potentiam interveniert
hätte. Das a fortiori Argument (ali­as das Argument als a fortiori Argument) lässt sich
modal deuten. A fortiori bedeutet da­bei, dass die Stufe der Empirie entschieden über-
stiegen wird: divina potentia lässt sich su­pra­na­tu­ra­liter loquendo verstehen, womit die
empirische Abstützung in der realen Weltord­nung zu­nächst über­stiegen wird. Doch
wird diese von Ockham festgehalten und letztlich für be­stim­­­­­mend gehalten: ein ef-
fectus ist reallogisch gesetzt, indem für ein Wirkursächliches gilt:57 „quod ipso posito,
alio destructo, sequitur ille ef­fectus, vel quod ipso non posi­to, quocumque alio posito,
non sequitur effectus“. Das muss natürlich sowohl allgemein wie speziell gelten. Ein a
fortiori Argument hebt das nicht auf, es bekräftigt es vielmehr: selbst wenn die divina
po­­­tentia interveniert, so gilt doch eben gerade, nur nicht im Sinne des ana­lytischen
Beweisar­gu­men­tes ex negativo, die reallogische Ordnung; das Argument mit der di­
vi­na potentia hat sie abstrakt und potentiell, förmlich und hypothetisch überstiegen.
So denn:58 „re­spondeo quod si posset probari per potentiam divinam unum esset
se­pa­­ra­bi­le ab alio et non e con­verso (so die de­lectatio nicht von dem actus volen-
di), posset forte pro­ba­ri causalitas in uno respectu alterius et non e converso.“ Wenn
also per potentiam divi­nam bewiesen werden könn­te, dass der actus volendi von der
delectatio getrennt werden kann, nicht aber gleicher­ma­ßen die delectatio ohne den
actus volendi sein kann, dann könn­te viel­leicht bewiesen wer­den, dass dasjenige, das
ab­ge­­­­­­­­­trennt werden kann, Ursache des anderen sei, nicht aber umge­kehrt. So gilt:59 „Et
ita si non posset esse delectatio sine actu vo­­­len­di – cum sit probatum prius quod potest
esse actus volen­di sine delectatione –, sequetur quod actus sit causa.“ Sc. für die in sich
hypotheti­sche Be­weis­la­ge, i.e. die abstrakte Hand­habung. Daneben gilt aber empi-
risch oder in­duk­­tiv:60 „Ta­men di­co quod na­turaliter sunt separabiles, ita quod actus
volendi potest esse si­ne de­lec­ta­tione et non e con­ver­­so.“ Dagegen gilt am Ende:61 „con-
cedo quod non potest suffi­ci­en­­ter pro­bari quod de­­­­­­­lec­tatio est effective a voluntate.“ Es
wird allenfalls bewiesen, dass der „actus volendi causa de­lectationis“ sei. Dies wird als

56. Ord. d. 1. q. 3 p. 417 lin. 25 – p. 418 lin. 1.


57. Ib. p. 416 lin. 15–17.
58. Ib. p. 420 lin. 4–7.
59. Ib. p. 420 lin. 7–9.
60. Ib. p. 420 lin. 9–11.
61. Ib. p. 420 lin. 15–16.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 325

argumentum verstanden:62 „Et tenet ta­le argu­mentum per ta­lem propositionem quod
‘quaecumque res absoluta requiritur in esse rea­li ad esse alicuius est causa illius in ali-
quo genere causae’.“ Und:63 „‘om­ne illud quo po­si­to sequitur aliud, est cau­sa illius’.“64
Es war nur einmal angenommen wor­den, dass die voli­tio prae­cedens delec­ta­ti­o­nem
sei. Voluntas, bzw. volitio, actus volendi, delectatio stehen also als Begriffe oder Grö­
ßen notwendig nebeneinander; das obiectum als causa – wel­cher Art auch immer –
für die delec­ta­tio steht ak­zidentell außerhalb dieses abstrakt vertretba­ren Bereichs.65
Vorrangig klärt Ock­ham also die formelle (abstrakte) Argumentati­ons­struktur. Doch
ist die Erkenntnis nicht sine experientia dabei. Dies ist nicht immer der Fall:66 „Aliter
aliquid esse causam alte­ri­us potest pro­bari sine tali experientia per rationem. Et isto
modo probatur quod voluntas est causa ef­fe­c­ti­va actus sui, quia omnis potentia libera
quae non potest neces­si­­tari est causa ef­fec­tiva actus sui. Et forte ista ratio sola est con-
vincens voluntatem esse cau­sam effectivam ali­cu­ius ac­tus sui.“ Dieses Argument wird
von anderen unterschieden, die nicht streng bewei­send sei­en:67 „Aliae autem ra­tiones
… es werden drei ge­nannt … magis sunt persuasiones quam rati­o­nes de­mon­strativae
vel necessario convincentes.“68

62. Ib. p. 416 lin. 25 – p. 417 lin. 2.


63. Ib. p. 417 lin. 4–5.
64. In der gleichen Weise Ord. d. 6 q. unica OT III p. 92 lin. 14–17: „omne absolutum, necessa-
rio secundum cur­sum na­­tu­rae prae­supposi­tum effectui, est causa illius in aliquo genere cau­sae;
sed ista volitio ne­ces­sario praesup­po­nitur effectui secundum cursum naturae; igitur est causa
in aliquo genere causae.“ Dies wird angeführt, um zu ‘be­wei­sen’, dass die Be­haup­­tung oder
Maxime (ib. lin. 12f) „quod volitio non est principium eliciendi ac­tum ex­te­­ri­­o­rem sed sola vo­
lun­tas“ falsch sei. Die volitio ist die spezielle kontingente Ursache; die vo­lun­tas er­gä­be ei­nen ge­
ne­rellen oder prinzipiellen Grund, aus dem im einzelnen erst noch inhaltlich gefolgert werden
müss­­­te, um ihn zu beweisen, also durch einen indirek­ten Beweis wahrscheinlich.
65. Das gilt nicht für alle Relationen: cf. Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 416 lin. 21–24 „probatur quod
obiectum est causa in­­­­tellectionis intuiti­vae quia omnibus aliis positis, ipso solo amoto, non
sequitur notitia intuiti­va; ergo obiectum est causa notitiae in­tu­itivae.“ Auch der Gebrauch des
Omnipotenzprinzips kann nicht dawider sein; denn er be­ruht sei­nerseits darauf, dass die notitia
intuitiva als res ab­so­luta von dem Objekt als eine andere getrennt, distinkt ist. Die diesbezüg-
liche dis­tinctio re­­a­lis begrenzt dessen Gebrauch und ersetzt darin noch das Widerspruchs­prin­
zip, weil es die­ses gleich­sam fundiert. S. auch Rep. II, q. 8 OT V p. 155 lin. 17f: „impossibile est
quod extrema con­tra­dic­tionis ve­ri­fi­centur de eodem sine dis­tinc­tione.“ Auch hiermit könnte
man wieder auf eine Stufe abstrak­ter Be­weisführung bzw. Son­derung von Be­wei­­sen wechseln.
66. Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 417 lin. 4–9.
67. Ib. p. 417 lin. 9–15.
68. Bei allen Entscheidungen in der Erkenntnislehre wie in der Theologie geht es Ockham um
dieses Verhältnis von Abstraktion und Kontingenz oder Erfahrung. So wenn die Gesamt­heit
der Gesinnung oder Heiligung nicht zur Voraussetzung für die Anerkenntnis eines defini­ten
verdienstlichen Aktes gemacht werden können soll (Ord. d. 17 q. 2 OT III p. 475 lin. 8–10):
326 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham widerlegt auch Petrus Aureoli. Dabei werden dessen psychologische


Grundsätze von Ockham erst einmal auf eine fallacia (fallacia acci­den­tis) reduziert,
wonach die extra­men­tale reale Gegebenheit oder Existenz, da dann die E­men­­dation
der fallacia bloß zu ei­nem modalen Satz in der Minor des Syl­logismus führt, nicht
unmittelbar und ausnehmend er­reicht werden kann. Die Wahrheit so ge­sehen ist kein
unbedingter Gesichts- oder Ziel­punkt mehr. Die ge­mein­te Stelle lautet:69 „arguo con-
tra … sic: quando aliqua sic se ha­bent quod unum ma­­­­net alio non manente, illa distin-
guuntur realiter.“ Dies ist dann nur die Ma­ior ei­­nes Syl­lo­gis­­mus. Ockham merkt dann
zu dem Syllogismus in seiner Gänze an:70 „/§ Sci­en­­dum est quod ista forma arguendi
non valet sicut sonat: ‘quan­do aliqua sic se habent quod unum manet alio non ma-
nente, illa distinguuntur realiter; sed pos­sibile est quod maneat di­lec­tio et quod non
ma­neat delectatio nec tristitia; igitur dilectio distin­guitur realiter a delectatione et a
tristi­tia.’ Sed est fal­lacia accidentis sicut alibi est de­clara­tum.71 Sed sequitur ista conclu­
sio: ‘igi­­tur haec (propo­si­tio) est possibilis: dilectio dis­tingui­tur realiter a tristitia et
delectati­o­ne.’ Et hoc suf­ficit con­tra praedictam opinionem.“ Es wird nicht analytisch
Wahrheit er­schlos­­­­sen: die Argumenta­ti­on wird formell vorher abge­bro­chen. Im An-
schluss beschränkt sich Ockham darauf zu zeigen, dass die psychologischen Argu-
mente oder Mei­nun­­gen des Pe­trus Au­re­­oli nicht konklusiv sei­en, bzw. realiter zum
Gegenteil des Gemeinten führen. Nur in diesem Sinn, also abblockend, führt Ockham
dann implizit eigene Vorstel­lun­­­gen ein:72 „ra­tiones su­­­­ae non con­cludunt sed sunt
magis ad oppositum.“ Beim obigen Syl­lo­gis­­mus, den Ockham korrigierte, müssen
Maior und Minor dann erst einmal bewiesen wer­den oder für erwie­sen ge­halten wer-
den, wenigstens für erweisfähig. Ihre Be­grün­­­dung wird in­dukti­ver Natur sein müssen
und also empi­risch. Die Minor, die pos­si­bilis ist, kann sogar an ei­nem nicht empiri­
schen Material bekräftigt werden.73 Denn sie muss nur mög­lich sein. Die Be­­­grenzung
nach dem empirischen Material muss für die Induktion nicht vollstän­dig em­­­pi­risch
aus sich sein. Vor­­­­­aus­setzung ist, dass die Be­griffe ein­deutig und unveränderlich fest

„ad secundum quod non opor­­tet de necessitate ad actum meritorium quod tota lex actualiter
impleatur sed quod ali­quod mandatum impleatur, et contra nullum fiat transgressio.“ Der Held
der spät­mit­telalter­li­chen Volks­ballade von „Robin Hood“, der ‘um der Gerechtigkeit willen’
den Reichen nimmt und den Armen gibt, wür­­­de somit noch keinerlei verdienstlichen Akt be-
gehen.
69. Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 407 lin. 13–15.
70. Ib. p. 407 lin. 17 – p. 408 lin. 2.
71. Secundum editores ibidem: Summa logicae pars III – 3, c. 30 (ed. Venetiis 1508, ff 88vb –
89rb).
72. Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 409 lin. 17–18.
73. Ib. p. 408 lin. 13ff: „hoc confirma­tur…“.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 327

ge­braucht wer­­den. Die­se Voraussetzung ist ganz selbst­ver­ständ­lich. Das bedeutet kei-
nen cir­culus vitiosus. Der Be­weis­­­­gang ist ins­gesamt kon­klu­siv.74
Ockham hat eindeutig klargemacht, dass er zwischen substantia und quantitas
eine Koexis­tenz sieht, die nicht förmlich im Sinn der inhaltlichen Identifikation des
einen durch das ande­re be­stimmt oder aufgelöst werden könne. Analog erfolgen seine
Induktionen auch in theo­lo­gi­­schen Fragen, wenn er die Koexistenz (bzw. Kompati-
bilität) von Transsubstantiation und Brot, von Gnade und ursprünglicher Gerech-
tigkeit, ebenso die Gnade mit der Sünde, die einen aktuellen Zustand vermöge ver-
gangener strafenswürdiger Handlung besagt, worin Ockham die Koexistenz von zwei
habitus sieht, die ihrerseits als Relationen verstanden werden kön­nen.75 Der habitus
verweist auch erkenntnistheoretisch, im Umkreis von actus, notitia usw. er­­­­­­­läutert,
auf eine Relation. Insofern liegt auch eine Ge­schlossenheit der Argumentation und
Pro­­­­blemlösungen bei Ockham vor, mit der die Kon­­sis­­tenz in der Induktion zentriert
ist: Ock­ham verweist letztlich auf die Koexistenz von sub­stantia und quantitas als
jene Diffe­renz, an­ge­sichts deren die forma76 sich induktiv über der Menge von vielen
gleichen, nicht ei­gens di­stinkt zu durchlaufenden, nicht unterscheidba­ren Par­­tikeln,
Ingredienzien oder Infini­te­­si­­ma­len erhebt. Das gilt im Sinn der Abstraktion, von der
immer gesprochen wurde, weil es sich ja um die Dif­­ferenz von Stufen handelt, wobei
erst auf der hö­he­ren Stufe die Begriffswertigkeit exi­stiert; sie nimmt Ockham auch
apologetisch in den theo­­logischen Sachfragen in An­spruch.77 Dass aber Ockham
schließlich die qualitas auf die quantitas reduziert, sofern es um die Kate­go­­rien geht,
ist insofern konsequent, als er, wenn er der qualitas ein von der sub­stan­­tia ge­trenn­­­­tes
Sein zubilligen wollte, die qualitas als im Sinn der quantitas ‘zerlegbar’ und be­stimmt
denken müsste; er könnte es nicht ausschließen und hät­te damit eine Realität (oder

74. Zu Ockhams Beurteilung des Petrus Aureoli in toto cf. Ph. Boehner, 1958 pp. 121–123 und
p. 122f.
75. Rep. IV, q. 6 OT VII p. 139 lin. 14f u. p. 140 lin. 5: Christi Leib und die alia quantitas panis
sind kompatibel.
76. Entsprechend setzt denn auch Ockham die Gnade als forma (absolute Form), als qualitas,
als relatio, als ha­bi­tus an, ebenso Gerechtigkeit, Sünde, Schuld usw. Es bestätigt sich, dass die
Abstraktion die Stufe der Kompa­ti­b­ilitäten schlechthin ist. Mit diesen wird eine mögliche Ko­e­
xistenz, i.e. Nichtwidersprüchlichkeit, hinreichend, i.e. nicht exklusiv dargetan.
77. Gewiss hat Ockhams Gegner John Lutterell in seiner Anklageschrift gegen Ockham ei­­
nen logischen Feh­ler ge­macht, wenn er die Frage der Koexistenzen und Kompatibilitäten auf
die Frage der Koexistenz im Zei­chen der Existenz in se und ausschließlich sie erniedrigt, von
der sie durch die Abstraktion getrennt ist, und eben­so im Sin­­ne der Induktion als Begrün­
dungsverfahren. F. Hoffmann, 1941 p. 149 löst diese Unstimmigkeit nicht auf, wenn er zu Lut­
terell zustimmend sagt, dass mit ‘Gnade’ und ‘Schuld’ (Sünde) nicht zwei habitus kon­trä­­rer
oder in­­kon­sis­tenter Zuwendung zu Gott im Menschen nebeneinander bestehen könnten. Es
ist für Ockham nicht mehr eine Frage secundum existentiam schlechthin; es ist auch keine des
Wahrheitsmaßstabes, son­dern einer der in sich noch konsistenten Argumentationen. Deren
Ver­­­­bund ist induktiv gesichert: wir erheben uns immer über der Empirie über diese hin­aus.
328 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

The­­­orie), die er nicht wirklich erschließen könnte. Er müsste mit infinitesimalen


Quantitäten ope­rieren können (oder über ihnen). Er hätte die Qualitäten nicht.78 Wir
zeigen, dass Ockhams Natur­phi­­­­losophie darauf beruht, dass das entfalle.79
Ockham überträgt empirisch-menschliche Verhältnisse auf transempirische
vermittelst der er­kenntnistheoretischen Begriffe, die er gebraucht. Er muss diese in
der neuen Ver­wen­dung be­gründen und kann sie nicht dafür als notwendig zusam-
menhängend voraussetzen. Das wäre un­sinnig im Sinn des Wortge­brauchs und der
Er­klä­­rungsabsicht des Autors überhaupt:80 „di­co quod angelus potest natura­li­ter acci-
pere no­titiam intuitivam a re materiali vel immateriali tamquam a obiectis quae sunt
cau­sa partialis respectu illius cognitionis.“ Es wird nicht strikt unterstellt, dass der
oder ein En­­gel sei: „posi­to uno angelo potest alius intuitive eum videre.“ Wenn wir
die Be­­­­griffe in der übertra­ge­­nen Weise verwenden und eine rein logische Kon­sis­tenz
zwischen ih­nen aus­schlie­ßen, muss oder kann wenigstens dieser Übertragungs­wert
selbst im Sinn der Negation des A priori oder der analogia entis verstanden werden.81
Ockham sagt be­merkenswerterweise:82 „quia non minoris perfectionis est intel­lectus
ange­licus quam hu­ma­­nus.“ Es gilt vielmehr die Gleichheit der Bedingungen für an-
gelus und homo via­tor bzw. die empirische Analogie. Damit wird ihm gleichzeitig
keine unmittel­bare im Prin­zip höhere Ein­sicht zugesprochen:83 „dico quod (angelus)
potest naturaliter acci­pere a rebus noti­ti­am com­­plexam propositionum contingen-
tium.“ Das wird auf der Basis nichtaus­ge­schlos­­se­ner em­pi­rischer Bedingungen des
Erkennens für den Engel hypo­thetisch oder induktiv bewie­sen („pro­batur“): „quia

78. Wenn, wie F. Hoffmann p. 62f sagt, Ockham mit seiner Lehre von der suppositio (Suppositi­
ons­­logik) die on­to­­­lo­gi­sche Deutung der Prädikamentenlehre abfange, so schließt dieser auch
für die Sup­positionslogik und die Leh­­­re von den Prädikamenten, anders als Hoffmann glaubt,
recht­­mä­ßig die Geltung des Widerspruchsmo­ments aus: an des­sen Stelle tritt die Induktion.
Man kann sogar zeigen (cf. o. und im Kap. 4), wie sehr die Induktion mit der Neu­­tra­lisierung
von for­­mell kontra­dik­to­ri­schen Ele­men­ten in der Realität arbeite und: sich über sol­che kon­­tra­
dik­­­to­­rischen Ele­men­te in der Rea­lität erhebe.
79. Die Quantitäten entziehen in se sich der Wahrnehmung. Cf. etwa Ord. d. 27 q. 3 OT IV
4 p. lin. 15 „nec ali­quis motus quicunque apparet sensui. “ Bei Ockhams Wi­der­­le­gungen geht es
um die Definitheit in­tensionaler ‘Grö­ßen’. Sie werden nicht ‘a priori’ gedacht, während sie die
em­pirische Bin­dung behalten. Es gilt für sie (etwa die notitia intu­i­ti­va), was ihre Gehalte auch
be­sagen sol­len: die per notiti­am intuiti­vam empirische Begrün­dung der Begriffe. Eine sol­che
wird auch für die relationes in ihren ab­strakten Inhalten festge­hal­ten.
80. Rep. II, q. 14 OT V p. 316 lin. 5–7.
81. Die mit dem Uni­­vo­­zitätsprinzip zu unterlegende Konsistenz kann nicht mehr auf der mate­
ri­el­len Implikation be­­­ruhen, die Boeh­­ner, 1958 p. 327 als spiritus rector Ockhamscher Logik
bzw. syllogistischen Demon­stra­ti­­ons­leh­­re, bei deren Erstellung und als Ga­ranten einer seman-
tisch verstandenen Wahrheitsauf­fas­sung sieht.
82. Rep. II, q. 14 OT V p. 317 lin. 5f.
83. Ib. lin. 18f. Dann der ‘Beweis’: ib. lin. 19–23.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 329

qui cognoscit extrema (also s und P) ali­cuius complexi contin­gen­tis in­tui­ti­ve statim
potest, mediante cognitione intuitiva et abstracti­va eorundem, quae si­mul est cum
intuitiva, formare complexum: et virtute illius cognitionis assentire vel dis­­­­senti­re.“84
Das menschliche Schema des Erkenntnisgewinns und der Erkennt­nis­grundle­gung
bleibt also be­ste­hen. Allerdings wird die phantasia, die notitia sensitiva für den
‘leiblo­sen’ Engel und die er­kennende anima post separationem von Leib und Seele
von Ockham ausge­schlos­­­­­­­­­­sen:85 „ani­ma separata quae non habet phantasiam (wie die
Seele „pro statu isto“) pot­­est cognoscere rem intuitive et respectu illius cognitionis est
res materialis et corporalis cau­­­sa par­­­tialis sine phan­tasia.“ Auch „pro statu isto“ wird
nicht die phantasia als causa par­ti­a­lis im Er­­­kenntnis­auf­­bau gefordert und angenom-
men.86 Ockham restituiert also regelmäßig ein und dasselbe phi­losophische Schema
bei allen Fragen und Lösungen.87 Ockham be­weist und ‘wider­legt’, doch nicht indem
er aus Begriffen formal begriffsinhaltlich be­gründete Kon­­­­­sequenzen zöge, son­­dern

84. Cf. generell Ord. Prol. q. 1 OT I p. 21 lin. 6–9: „omnis actus iudicativus praesupponit in
eadem potentia noti­ti­am in­complexam ter­mi­norum: quia praesupponit actum apprehensivum;
et actus apprehensivus respectu ali­cu­ius complexi praesup­po­nit notitiam incomplexam ter-
minorum.“ Dabei ist für Ockham der mediante notitia in­tu­itiva etc. empirisch gebildete Be­
griff in belie­b­igen Satz­typen verwendbar: scien­tia, intellectus, sapientia, d. h. auf ver­schie­­de­ne
habitus (p. 6 lin. 8f: „quos ponit philosophus“) bezogen. Auch für die ‘pro­po­si­tio contingens’
gilt (ib. lin. 7): „potest eviden­ter cog­nosci“ und damit ist sie allgemein subsumierbar unter die
Beschrei­bung (ib. p. 5 lin. 19–21): „notitia evidens est cognitio alicuius veri complexi, ex notitia
terminorum incomplexa immediate vel mediate vel immediate nata sufficienter causari.“ Die
„propo­si­tio aliqua contingens“ ist also nicht von analytischen und über sie hinaus­ge­hen­­den
Bedingungen her – erst – zu de­finieren.
85. Rep. II, q. 14 OT V p. 326 lin. 1–3.
86. Cf. die schon behandelte Aristoteles-Stelle.
87. Anders Luther: „om­nia vocabula fiunt nova, quando transferuntur e philosophia in theo­
logi­am, si­cut ho­mo, vo­­­­­luntas, ratio“. (zit. nach B. Hägglund, 1955 p. 100.) Man sieht, dass
Ockham Lu­ther wohl stimulieren, nicht aber genauestens festlegen konnte. Ockham erkennt
le­­diglich an, dass es struk­turlogische Fragen gebe: „quae ma­gis perti­nent ad logicam quam ad
the­o­lo­giam“. So wird sachlich nichts über die Theo­logie ent­schie­den, sei es dass sie­ thema­tisch
nicht betroffen ist oder auf einer an­de­ren Option be­ru­ht oder ruht. Natürlich kann der Be­­­­griff
‘deus’ nicht empirisch gewonnen wer­den. Bereits die Begrif­fe secundae in­ten­tio­nis bzw. die
Re­­­lations­be­griffe, wie etwa auch creatio, aber alle an­de­ren der Klasse auch, kön­nen nicht mehr
sensu stric­to als empirischer Wahr­neh­mung ent­stam­mend betrachtet wer­den. Die Ab­­strak­­­­ti­on,
die im Sinne der Kausalität und bei naturphilo­so­phi­schen Fragen denn auch nicht mehr zu
einem empirischen Betreff, der de facto real be­kräftigt wäre, führen kann, über­schrei­tet ganz
leicht die Empirie und zwar so, dass diese negativ formuliert wer­den kann (Ord. d. 23, q. uni­
ca OT IV p. 60 lin. 2–5): „Quando­cun­que ali­quod no­men non sig­ni­fi­cat aliquid per mo­dum
possi­bi­lis et sig­ni­fi­ca­tum suum com­­­pe­tit rei non per ope­ratio­nem in­tel­lectus, illud est no­men
pri­mae inten­ti­o­nis.“
330 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

er schätzt die Wahrheitsmöglichkeit von Relatio­nen ab:88 das An­ge­schlossene wird


in­halt­­lich und wahr, indem es die Folgerung er­setzt. Da­mit wird der Raum für die
Induktion frei und das Feld der Erscheinungen in rea­li als per se, von der unter­sten
Stufe her, kon­tin­gent ver­fasst zugelassen. Hier können denn auch die Fälle nicht so
stark wer­­­­den, dass von ihnen ei­ne Widerlegung, i.e. ein indirekter Beweis (reductio ad
ab­sur­­dum) aus­gin­ge. Es wer­den Ab­sur­­­­di­täten ausgeschlossen, sie müssen nicht ange-
führt werden. Die Argumenta­ti­on nä­hert sich der Ab­strak­tion. Die ersetzte Folgerung
erscheint äquivalent mit einer Negati­on (mit der Be­­strei­­­tung) ei­ner Fol­­­ge­rung oder
verschiedener Folgerungen: die Gesamtheit der ne­gier­­ten Fol­­­­­ge­­rungen um­schreibt
die Definitheit des Begriffs, zu dessen ratio dann etwas nicht ge­hö­ren soll. Was sein
kann oder können soll erscheint sinnvoll im Sinn dieser Definit­heit, die nicht selbst
auf Expli­ka­tion beruht und somit nicht eigentlich erforscht wird, also nicht de­finit
ange­ge­ben wird.89 Mit der Form-Bestimmung liegen wir auf der Stufe der Abstrak­ti­
on, in wel­­cher wir zwar Be­griffe fassen, die Empirie aber für nicht widersprechend,
i.e. kom­pa­tibel halten müs­­­­­­­­­­sen. Die forma ist non-repugnans zur Empirie; von dieser
her wird per­sua­diert, dass die Formbestim­mun­g­en gehalten werden können. Sie sind
dann nicht mehr not­wen­­dig empirisch ein­lösbar.90 Das entspricht auch der Induktion
und der Abstraktion.

88. Das zusammenfassende Ergebnis der Analysen Ockhams (beweishaften Dar­­le­gun­gen) im


Prol. Ord. ist: Kei­ne Folgerung von der Prämisse zur conclusio ist mög­lich, die in dem Sinne
intellektiv und bewahrheitet wä­re. Dort wo es einmal möglich er­scheint, näm­lich bei der be-
sonders konstruierten und konstitutionell heraus­ge­ho­be­nen demonstratio po­tis­sima, ist der
actus assentiendi an die Stelle des immediaten intellektiven Vollzugs ge­tre­­ten. Da­mit schei­­tert
die Scholastik; sie kann ihre aristotelische Erbschaft nicht austragen. Ockham be­wahr­hei­tet
dann noch Folgerungen im Sinne von Wahrheitsmöglichkeit fast grund­sätz­­lich, nach­­dem er
fal­sche ausge­schie­den hat. Da aber falsche, i.e. ungültige Folgerun­gen aus­ge­schie­­den werden
kön­nen, müssen ‘Folgerungen’ selbst nach ih­rem Inhalt, anders als Abai­lard annahm, nicht als
zwangsläufige, praktisch a priori verankerte an­ge­sehen wer­den (kön­­nen). Folg­lich ist in der­sel­­
ben Weise, wie sie als indefinit angehen werden müssen, der In­halt oder der darin ge­brauch­te
Begriff auch indefinit. So gesehen gibt es dann keine Inhalte resp. Er­kennt­nisse. Die Zahl der
in der Scholastik möglichen Sätze, Erkenntnisse und Folge­run­­gen erscheint re­duziert, und dies
im Ver­hältnis der Be­griffe zu den Sätzen und Fol­ge­rungen, in de­nen sie vor­kom­men oder ge-
braucht werden können. Ockham hat im Ver­hält­­nis zu den Met­ho­den der Ar­­gumentation, die
er notgedrungen gebraucht und zulässt, dort wo er nicht Sät­ze kon­stituie­ren kann, wie es in der
Erörterung zur Konstruktion der demon­stra­­tio potissi­ma ge­­schieht, kon­se­quenter­wei­se nur
noch die Möglichkeit Relationen abzu­schät­­zen. Dabei ist nicht unwichtig, dass ein ‘Schluss’ ge­
rade in dem Sinn, in dem er zulässig ist, doch sachlich unerheblich sein kann. Das ist somit be­
reits Teil der scholastischen Selbst­kri­tik: bei Ockham einer integrierten konstitutiven Kritik.
89. Die Lösungen oder Antworten Ockhams hängen damit zusammen, dass es Em­­pirie gibt
und Abstraktion, in wel­cher die Begriffe ruhen und dass sich beide nicht wider­sprechen. Das
beweist oder zeigt er. Danach muss sein Verfahren sich darstellen lassen.
90. Auch das entspricht der Induktion und der Abstraktion, insofern ja bei dieser die Basis des
Operierens keine di­­rekte Konstitution von empirischen Fakten oder Beziehungen aufweist.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 331

Der Begriff der forma augmentationis erübrigt den Widerspruchsbegriff. Die


forma (qualita­tis) kann und darf nicht selbst am Widerspruchssatz sich stoßen, i.e.
auch von ihm als etwas ihr Äußerem nicht begrenzt werden. Das ermöglicht die In-
duktion, mit der die forma augmen­ta­ti­o­nis ‘ist’, d. h. bestimmt und begrenzt ist. Die
forma muss, wie es bei den determinat zu se­­­­henden Begriffen generell der Fall ist, die
Menge der akzidentellen Reihen, Wandelbarkei­ten, Kombinierbarkeiten etc. überstei-
gen und derart ‘ausschließen’:91 „Sed quantum ad modum aug­mentationis dico quod
forma augmentatibilis continet in se plures gradus eiusdem rationis. Et quando forma
primo generatur in uno gradu, est minor perfectio in forma. Et quando fit aug­men­­­
tatio, est nova pars eiusdem rationis addita, realiter distincta a prima parte, faciens
cum pri­ma unam formam numero.“ Dann:92 quod talis modus sit possibilis probatur.“
Es wird also nur die Mög­­­lichkeit bewiesen, so dass gegen sie kein Widerspruch mög-
lich ist, der ebenso de­fi­­nit wä­re. Ockham leitet den fiktiven Widerspruch ein und
widerlegt ihn:93 „Quia si non, tunc aut hoc est quia repugnat illis partibus facere per
se unum, aut quia forma non potest re­ci­pere ma­gis et minus sine extensione, aut quia
re­pug­­nat pluri­bus formis accidentalibus in­for­mare idem subiectum – si sint eiusdem

91. Rep. III, q. 8 OT VI p. 226 lin. 13–18.


92. Ib. lin. 19f.
93. Ib. p. 226 lin. 20 – p. 227 lin. 18 Ockham kann Ausschließungsbeweise führen und zwar in
exhaustiver Form, wo er die Im­pli­ka­ti­­on als Zei­chen der Verbindung von Begriffen, auch der
ontologischen, und gerade im Sinne der realitas extra men­tem ver­nei­nen will. Er beschränkt
sich dann auf diese Verneinung und schreitet nicht se­cun­dum ‘tertium non da­tur’ zur kon-
tradiktorischen Behauptung fort. Kann die Im­pli­ka­ti­­on nicht eine Kombi­na­­ti­on der Begriffe
aus­drüc­ken und nicht die Projektion (Fällung) auf die Realität besagen, so muss sie doch Mo­
dus der Singularität (Sin­gu­la­­ri­­­­tä­ten) sein können: sie begründet dann die Beweise, ohne darin
vorzu­kom­men (vor­­kommen zu dürfen). Die Implikati­on hätte als Modus singularis mit der
Ak­zep­tanz von Beweisfor­men qua Ausschluss der Analytizit­ät zu tun. Nichts was em­pirisch
(extramental) ist, tritt in die universa­lia und die Sätze oder den Beweis über; nichts kann iden­
tisch ab­strakt sein oder ‘erhalten’ blei­ben. Analog kann der im Grunde intensio­nal ver­wand­­­te,
den ab­strak­­tiven mentalia zugeteilte Funktionsbegriff ‘ratio’ auch von der res ver­­wendet wer-
den. Cf. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 36 lin. 17–19. Hier wird die enge Be­dingung der notitia intuitiva
un­ius rei an die­ res in Abrede gestellt. Al­so: res und no­titia intuiti­va rei gehören nicht bindend
zusammen. Die ratio obiecti wie jede ratio (subiecti, unius no­titiae etc.) hilft uns, wie sie das
der ‘Sache’ oder Größe Akzi­den­telle von ihr ab­trennt, auch Kausalität von ei­nem in­hal­t­­­lichen
Ent­­hal­­tensein zu tren­nen. Die ursächliche Verknü­pfung per acci­dens entspricht der conditio
necessa­ria. Ockham zeig­­te (ib. p. 20 lin. 17 – p. 21 lin. 4) ferner, dass der as­sen­sus, der schon in
der no­ti­tita in­tu­i­ti­va ent­hal­­ten war, nicht im­­mediate in der ‘Ableitung’ aus der res ex­tra ani­mam
ge­won­nen werden kann und nicht der res ex­tra ent­spricht, wenn er ganzen Sätzen gelten soll
und nicht bloß Ding­wahr­nehmungen mittels ei­nes Be­griffs (wie) in der notitia in­tuiti­va. Hier
geht es implizit auch um den den syl­lo­gi­s­tischen Folge­rungs­akt und die mit ihm ge­wirk­­­­ten
actus assen­ti­endi. Das Beweisverfahren ist immer in­duk­­­tiv. Es stiftet die Identität des Be­griffs,
der rela­tio usw, die durch an­dere Indukti­o­nen nicht auf­ge­hoben wird. Sie las­sen sich inein­an­
der schie­ben.
332 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

speciei; non ap­parent plu­ra impedientia istum mo­dum po­nen­­di. Sed primum non
impedit: quia partes eiusdem ratio­nis possunt facere unam qua­li­tatem – patet de al-
bedine. Aliter lignum habens unam superficiem non posset esse album una albedi­ne,
cu­ius oppositum dicunt. Similiter: duae partes aquae distinctae faciunt unam aquam.
Nec secun­dum impedit, quia non repugnat plus (Wortstellung W. 1495) qualitati sus­
cipere magis et minus, sive ha­bere plu­res (W. 1495 statt multas Ed.) par­­­tes sine exten-
sione, quam formae substantiali si­ve (W. 1495 statt vel Ed.) materiae. Sed Deus potest
con­­­­­­­servare ma­teriam et formam (W. 1495 statt tam … quam Ed.) sine quantitate et
omni extensi­o­ne, et tamen tunc haberent partes realiter di­s­tinctas licet non extensas.
Igitur eodem modo pot­est qualitas habere plures (W. 1495 statt multas Ed.) partes
sine omni ex­ten­­­­­si­o­ne. Nec tertium impedit, quia non repugnat formis ac­ci­dentalibus
non facientibus per se unum informare idem subiectum; igitur nec repugnat formis
acciden­ta­­­­­­­libus eiusdem rationis fa­cientibus per se unum in­for­mare idem subiectum.
Consequentia pa­tet de se. Antecedens pro­ba­­tur.“94 Ockham ope­riert (be­weist) also
nicht aus einem mit dem spe­­cies-Begriff abstrakt gleichgesetzten Inhalt, aus dem er
Schlüsse zöge und seien es solche, die der reductio ad ab­sur­­dum entsprächen und
dann per tertium non datur für einen positiven oder absoluten ‘Sach­ver­halt’ gehalten
werden kön­nen sollen.95
Duns Scotus „beweist“, indem er auf die species als Begriff, Topos, Ide­­al o. ä. sich
bezieht und diese sichert; empirische ‘Gehalte’ können dann abge­schie­­den wer­den.
Sie wer­den als Nicht­­­­anteile und Nichtbedingungen des Gehaltes des To­pos aus­ge­­
geben. Es wird er­klärt, dass sie nicht als direktive Bestandteile anzuse­hen seien, selbst
wenn man da­rin empiri­sche Gel­tungs­­­­­anteile erkennen möchte, die das Prinzip si-
chern möch­ten. Der Topos gilt, in­dem sie nicht in ihn eingelassen oder für ihn inten-

94. Der Ausdruck ‘non repugnat’ bedeutet: „es ist nicht unvereinbar“. Es wird also nicht auf Ab­­­­­
lei­tung reflektiert. Dies gilt, wenn auch hier zum Schluss eine consequentia an- und einge­führt
wird. Auch hier wird eher eine Fol­ge­rung a fortiori gezogen. Die aber stellt eine Indukti­on dar.
Die im Bereich der ‘Akzidentalität’ „‘liegenden’“ Ver­­­hältnisse werden in keiner Es­senz oder
forma qualitatis seu accidentis an­­­­hän­gig gemacht.
95. Zur Non-repugnantia cf. Rep. II, q. 15 OT V p. 345 lin. 2–4: „sed respectu aliorum quae non
sequuntur neces­sa­rio ex primis acti­bus nec re­pug­­nant, sed sunt indifferentes, habent (sc. die
Engel) libertatem et indifferentiam. Hu­­ius­modi autem est tentare homi­nem in malo angelo et
cu­s­todire in bono (angelo).“ Was nicht (notwendig) aus einem an­de­ren folgt, ihm aber auch
nicht wi­­­der­spricht, ist mit ihm vereinbar: es ist davon unabhängig (ihm gegenüber indiffe­rent).
Der so­mit ins­gesamt kon­tingente or­do der Akte ist gleich dem ordo der Aktwertun­gen. Ein
Be­weis, dass non­-­repugnantia be­steht, er­folgt per persu­a­si­­onem und a posteriori, ist somit
nicht strin­gent. Daher ist ein Be­weis, dass In­kon­sis­tenz nicht be­stehe (unmöglich sei), nicht zu
führen. Denn wir müssten ihn bezüglich nicht ent­hal­te­ner Ak­te füh­ren, wo­­­bei ein Akt einen
anderen überhaupt nicht derart enthal­­ten kann, dass der eine Akt, wenn er gesetzt ist, den zwei­
ten mitenthalte: sie wären dann ein einziger. Soll ein Akt einen anderen enthalten, so kann dies
folglich nur über Wer­tungen geschehen. So muss man aber Freiheit, Indifferenz, Zusammen­
gehö­rig­­­keit empirisch vor­aus­­set­zen. Etwa (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 51 lin. 23f): „intelligens di-
stincte albedinem scit quod albedo est calor vel qualitas.“
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 333

sional zu­ge­las­sen wer­den. Verfährt Ockham be­züg­lich des forma-Begriffs, direkt oder
indirekt, ana­log? Dann würde sich als Unter­schied am Ende ausweisen, dass er in
Richtung auf die sig­­nificatio (obiecta ex­tra men­tem, gra­­­dus usw.) operiere, sie aber als
Teil der Begriffssi­che­rung (abstractio!) aus­schlie­­ße, nicht, wie Sco­­tus, der Be­­griffsgel­
tung. Em­pi­rische Ele­men­te werden nicht in den Begriff hin­ein­­ge­las­sen, nicht da­raus
bloß kasu­al ausgeschlossen. Ockham synthetisiert Begriffe.96 Die Be­grif­fe, die so ge-
wonnen werden, sind empirische. Sie können nicht durch einen göttli­chen Ein­griff
sus­pen­diert oder verändert werden; sie werden ja mit Hilfe des Omnipotenz­prin­zips
ge­wonnen. Allenfalls könnten auch mit Hilfe des Omnipotenzprinzips neue Begriffe
ge­won­nen werden, die rein abstrakt (förmlich abstrakt) den Sachverhalt überdecken
müssten, den wir kon­kret, i.e. empirisch kennen. Ockham unterstellt so per divinam
potentiam abso­lu­tam an­de­re Begriffe als die per pro­positio immediata jetzt uns em-
pirisch bekannten.97

96. Die species wird bei Duns Scotus in dem Rahmen „inhaltlich“ gesichert, in welchem sie
von empirischen Ele­men­ten nicht getrennt worden sein soll, für die sie inhaltlich doch nicht
ein­treten darf. Ockham führt eine Ab­strak­­ti­on aus, in die er solche Elemente als faktische nicht
aufnimmt. Duns Scotus muss die Abstraktion, die bei Ockham termi­no­­­logisch unge­klärt bleibt,
voraussetzen. Duns Scotus spricht re­flexiv über empirische Ele­men­te, oh­ne dass diese aufge-
wiesen würden. Die Ontologie als Implikat im species-Begriff entpuppt sich als Fol­ger­bar­keit
aus einer Folge­rung. So werden Verteidigung des spe­cies-Begriffs und On­tolo­gie äquiva­lent.
Wenn man die Verteidigung der On­to­logie in Identität mit der Ontologie an­er­ken­nen will, gibt
es Ontologie und Logik ab­so­lut gar nicht mehr. Hier(in) setzt sich bereits die Abstraktion als
abso­lut durch. Die On­tologie kann nicht (de­fi­nit) in­­terpretiert werden, wenn sie eben wie sie
verteidigt wer­den soll und muss, erst begründet wird. Ihre An­schau­­un­gen sind widerlegbar, wie
Ockham durch indi­rek­­te Beweise (reductio ad absurdum) zeigt. Auch wenn man ih­re Termini
als solche, nicht als reelle Größen fiktiv ge­dacht, ver­steht, kann sie nicht be­gründet wer­den.
Das zeigt Ockham am Ende persuasiv im vorangegangenen Text, worin drei Mög­lich­keiten der
wider­spruchs­ge­stützten Kon­testation fallweise nacheinander als nicht notwen­dig (nicht zwin­
gend) ausgeschlossen wer­den, oh­­ne dass da­nach mehr als die Auch-noch-Mög­lich­keit des An-
deren „praeter ‘tertium non datur’“ be­weis­bar sein soll. Sie wird persua­diert. Ockham beweist
damit anti-ontologisch anders als Duns Scotus.
97. Motus steht zur res mota im Verhältnis des accidens zur substantia. Beim mo­­tus augmentatio­
nis alias ‘Be­schleu­­­ni­gung’ sind wir bei der Veränderung, der Steigerung des motus. Dazu sagt
Ockham (Rep. II, q. 7 OT V p. 104 lin. 1–8): „motus au­g­men­ta­­tionis non distinguitur realiter
a rebus per­ma­nentibus. Quia si sic, aut ille motus est in genere quan­ti­ta­tis aut qua­­litatis. Non
qualitatis, quia potest aliquid ad­qui­rere quantita­tem sine omni quali­tate, saltem per potenti­am
Dei.“ Aus der qualitas kann nicht die quantitas fol­gen, in dem Sin­ne entfällt auch die Folge-
rung. Abstraktion, Induktion und Widerlegung fallen zusammen. Der Modus ‘per po­ten­ti­am
Dei’ drückt das aus und bedeutet so die Definitheit der Begriffe ‘qualitas’ und ‘quantitas’. Die
qua­­li­­tas kann nicht in der quan­­­­­­ti­tas ge­­gründet (= bestimmt) sein. Die quantitas kann auch
in umgekehrtem Sinn nicht in die qualitas über oder an sie herangeführt werden. Sie kann
nämlich hier nicht kompaktifiziert wer­den. Denn Ockham fährt fort: „Si in genere quantita­tis,
igitur est idem cum quantita­te quae terminat, quia si es­­set quantitas discreta, non posset Deus
334 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Gott kann nicht genötigt sein einen nicht notwendigen Zusammenhang als un­
ausweichlichen oder überhaupt zu be­­­achten. Als eine über­welt­liche Instanz wäre er
dann von der lex commu­nis der Schöpfung tan­giert und gar bestimmt.98 Dies muss
dem Be­­griff Got­­tes nach jeder Aus­­­­­­­­le­­gung und entspre­chend, auch empirisch und
induk­tiv gesehen, wi­­­­der­spre­chen. Der Rück­­­­­­­­griff auf die Allmacht ist ver­mö­ge der In-
duktion kon­sis­tent mit ge­wohn­ten weltlichen Tat­be­stän­­den, also mit Er­fahrungen.
Weil hier Kon­sis­­tenz be­steht, kann die Induktion eintreten, die dann zu Syl­logismen
führt, die oft nur per­suasi­o­nes dar­stel­­­len. Die per­su­a­sio enthält kei­ne Nö­­ti­gung, we­
der des Menschen noch Got­tes. Sie ‘ab­stra­hiert’ über der Er­fah­rung und bleibt mit ihr,
der sie nicht widerspricht, kon­form, ei­gent­lich kom­pa­ti­bel: eben so­weit die In­duk­tion
dazwi­schen­tre­ten kann und mög­lich ist.99 Ab­straktion und Kontingenz ste­hen in dem
Verhält­nis, dass das Abstrahierte nicht in­halt­lich im Sinne ei­ner Folgerung ausge­legt
werden kann. Kon­­­tin­genz kann aber dop­pelt auf­ge­­fasst werden:100 „dis­tinc­tio est de
con­tin­genti: quod du­­pli­ci­ter accipi­tur – ad praesens – frui ali­quo sicut est pro­du­ce­re
aliquid con­tin­genter. Uno modo quod simpliciter potest frui et non-frui, vel produ­ce­
re et non produ­ce­re. Et isto modo quid­quid pro­du­cit quem­cum­que effec­tum, producit
con­tin­genter, quia deus pot­est facere quod non pro­du­­­­cat.“ Da bei­spielsweise ob­iec­tum
(res extra) und die noti­tia intui­tiva zwei ver­schie­de­ne res absolu­tae und in­folge­des­sen
re­a­liter distinctae sind, kann Gott ma­chen, dass dem Men­­schen das Ding vor Au­gen

fa­cere unum in­di­viduum quan­­­t­itatis si­ne alio, quod est falsum.“ Die Be­we­gung der zweiten
Stufe kann nur kon­ti­nu­ier­­­li­ch sein, also eine quantitas non discreta (continua), die Ockham ne­
ben der quan­ti­tas dis­cre­ta kennt, darstellen. Sie wäre in se unbegrenzt = in se unabschließbar.
Abge­schlossen ‘existierte’ sie nicht, sie wäre erlo­schen sein, so dass man sie dem Be­griff nach
nicht hätte. An der quantitas discreta gäbe keinen Ansatz für eine Wider­spruchs­o­pe­ra­tion, die
die po­tenti­a Dei begrenzen könnte. Die quantitas discreta kann nicht heran­ge­zogen werden.
Ockham argu­men­tiert also abstrakt. Cf. hier auch Kap. 8 Anm. 153.
98. Das Natürliche und natürlich Zukommende ist das der Schöpfung Entsprechende. Es ist
dies nicht das argu­men­­­tativ Erschlossene. Die Argumentation mit ihrer Struktur, in der die
distinc­tio realis eine Körnung der Welt be­wirkt, legt die reale Welt aus, nicht aber die im Sinn
der Er­­­­­­fah­rung primäre Welt. Die argumentative Operati­on und Beweisart, also die Indukti-
on usw. erschließen die Welt. Sie werden nicht durch die consequentia natura­lis legitimiert.
Was argu­men­tativ erschlossen wird, ist nicht in dem Sinne wahr und unumstößlich, dass es
die Din­­­ge in se und nach ihrer Struktur gäbe. Das eben ist gerade nicht möglich. Es gäbe die
Argumen­ta­­ti­ons­art nicht, wenn es die Erschließung (Synthesis) der Dinge in sich gäbe. Es gibt
sie im No­­minalismus nicht. ‘Des­halb’ gerade gibt es die Argumentation, die an ihnen äußerlich
an­setzt, ihren Wandel durch Kombination und be­züglich der allenfalls in diesem Sinn konkre-
ten Kausalität gibt und angibt. Dieser Ar­gu­mentation tritt das Omni­po­­­tenzprinzip bei. Es hat
ar­gu­­­mentativ so auch nie mit der natürlichen Welt zu tun, sachlich schon: es hebt sie nicht auf.
99. Die In­duktion er­weist sich in facto durch sich selbst. Ihre Exi­stenz kann nicht vorausgesagt
werden. Ockhams Ope­­ra­­ti­o­­nen, Beweise, Mei­nun­gen, consequentiae etc. insgesamt wider­spre­­
chen ein­ander zwangsläufig nicht. Sie enthalten in sich dafür keinen Grund.
100. Ord. d. 1 q. 6 OT I p. 501 lin. 1–7.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 335

ist und er es doch nicht sieht, so dass die kon­tin­gen­te Aussage ‘hoc est hoc’ u. ä. m.
von ihm falsch be­urteilt wird. Es gibt kei­ne not­wen­di­ge Ver­bin­­dung zwi­­schen der
res extra und der no­ti­tia intu­i­ti­va etc. Die notitia in­tu­iti­va, die über die existentia ob­
iecti praesen­tis be­findet, schließt inten­si­o­nal nicht die existentia als fak­tisch ge­ge­­be­ne
ein.101 Zum Kontingenten heißt es dann weiter102 „Alio mo­­do ac­ci­pi­tur pro illo quod
pro­­du­cit ali­quem ef­fec­tum, et nullo varia­to ex parte sua nec ex par­te cuius­cum­que
alterius ha­bet in potes­tate sua ita non producere si­cut pro­du­­ce­re, ita quod ex natura
sua ad neutrum de­ter­mi­na­tur. Et eodem mo­do dicendum est de con­­tin­gen­ter frui. Et
isto se­cun­do mo­do intelligi­tur quae­s­­tio.“ Frui kann daneben für Ockham auch einen
un­­be­schränk­­ten empi­ri­schen Sinn ha­ben, es be­zieht sich damit nicht nur auf die di­
vi­na es­­sen­tia und die beatitudo, die dem Er­den­­pilger ver­wehrt ist. Frui wird auch
wieder auf eine über­na­tür­liche (transempi­ri­­sche) Ebe­ne des ‘Da­seins’ ver­setzt, wo Zu-
sammenhang und Zwang nicht ‘empi­risch’ re­gu­liert und ge­wertet wer­den kön­nen,
aber dem Effekt nach eben­­falls nicht notwendig e­r­schei­nen müs­sen. Die Kontin­genz
bleibt re­gu­­lär be­ste­hen, wie­­wohl die Empirie nicht mehr auf­­ge­wie­sen wird. Im zwei-
ten Fall wird die Kon­­tin­­genz so be­­­stimmt, dass ein ens de facto oder ab­strakt nicht(s)
enthalte, was sie in eine Wir­kungs­be­zie­hung zu setzen ver­mag. Im er­sten Fall werden
empiri­sche Wir­kungs­ver­­hältnis­se an­gesetzt:103 „Item, aliter non potest sal­va­ri modus
augmentationis nec continuitatis in mo­tu sine tali additi­o­ne, quia si sit aug­mentatio
et pars prior non corrumpatur, oportet necessario quod per il­lam au­g­­­­mentationem
aliquid ad­ve­­ni­at de novo, faciens unum cum priori. Aut igitur illud adven­i­ens est
eiusdem ra­ti­o­nis et in eadem specie cum priori, aut alterius. Si sit eiusdem rationis
et in ea­dem specie cum priori, aut per se auf per reductionem. Si per se … habetur
pro­­­­po­situm. Si per re­duc­­­­­­­tionem tunc est es­sen­tiale speci­ei et tunc est actus vel poten-
tia quod nul­­­lus ponit.“ Es darf also keine Verände­rung an der spe­­cies oder essentia
in se geben, so dass die Verände­rung in deren Be­reich fie­le.104 Gleich­wohl findet ja
eine Veränderung statt. Diese muss also über Su­pra- oder Leit­­­­­be­griffe wie ratio oder

101. Die Frage erübrigt sich nicht gleichsam im Sinn der Abstraktion, wie Vignaux meint, so
als sei, wie er sogar sagt, logisch die existentia darin mitgegeben. Man käme so durch Ab­strak­­ti­
on beim Truismus an, indes reflexiv und indirekt: dass was ‘ich’ als ge­geben oder exi­stent an­se­he
oder denken, nicht von mir als nicht exis­tent ge­dacht oder gewollt werden kön­ne.
102. Ib. lin. 7–12.
103. Rep. III, q. 7 OT VI p. 228 lin. 9–18.
104. Cf. Rep. II, q. 6, OT V p. 91 lin. 1f: „agens naturale potest conservare grave sursum contra
suam inclina­tio­nem.“ Das ist eine An­­deu­tung des Trägheitsprinzips, das, ins rein Akzidentelle
verlegt, keine Aus­le­gung a par­te es­sen­ti­ae erlaubt. Das Träg­­­heits­prinzip wird nicht pos­­tu­liert
(Spi­noza), son­­dern induktiv zugelassen. Ge­gen es, nicht mit ihm oder ihm zufolge, müss­­­­­ten
Be­hauptun­gen auf­gestellt werden kön­nen. Doch realiter hat das gra­ve eine Wi­­­­der­le­gungs­­f­unkti­
on und ist, in se unerkennbar, nach infini­te­si­malen An­tei­len zu be­schrei­ben. „Item quae­ro ut­
rum in­ter pri­mum gradum et se­cun­dum sit distinctio vel non … in il­la forma sunt plura eius­
dem ra­tio­nis rea­li­ter di­­s­tinc­ta.“ Die subtilitas nominalium stützt nicht H. Blu­men­­berg, Die
336 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

‘modus’ sta­tuiert werden, ohne dass eine Konstituti­on ex parte re­ali prä­tendiert wür­­
de und präten­diert werden könnte. Das eben wird ausge­schlos­sen. Man ge­langt al­so
nicht bis zur signifi­ca­tio in se:105 „Si sit alterius ratio­nis et in alia spe­cie per se, tunc per
il­lud non est aug­men­tatio quia in­dividuum speciei uni­­us non augmentatur per indi-
viduum alter­i­­us spe­­cie sicut pa­tet.“ Damit ist man, rein negativ, auf der Ebe­ne der sig­­­
nificatio. Man gelangt zur Definitheit des terminus aug­mentatio, aber man kann ihn
nicht in einer empirischen Rea­li­tät in se suchen, wie wenn diese konstituierbar wä­re.
Die Methoden des Beweisens, rein im scho­­lastischen Medium, schließen es aus.106
Die Beschränkung der Omnipotenz durch das Widerspruchsprinzip wird für den
Nominalis­mus Ockhams schon lange hervorgehoben.107 Gott kann vermö­ge seiner
divina potentia ab­­soluta alles Machbare machen.108 Er macht alles Machbare, sofern
es auf der distinctio rea­lis beruht. Gott kann quasi in der Welt die Welt gegenüber
der ge­schaf­fenen verändern, weil er, was, im Sinne einer distinctio realis, in ihr (de
communi lege) vorfindbar ist, trennen könn­­te, so dass es nicht mehr zusammen vor-
käme; für eine weitere Annahme fehlt die induk­ti­ve ali­­as empirische Basis. Fazit: die
distinctio realis ersetzt das Widerspruchs­prin­zip. Gott kann dane­ben eine für uns re-
ale oder nach der Kirchenlehre bezüg­lich der gegebenen Kausal­fol­ge hypo­thetische
Ver­bindung von Faktoren, die für die Er­lö­sung oder beatificatio notwen­dig zu sein
scheint, über­springen oder verkürzen.109
Während für Ockham der Gegenstand, i.e. die res extra ani­mam durch­aus und
unmittelbar er­kannt wer­den kann und zwar dessen essentia, also die res oder das
obiec­tum extra in seiner es­sentia, ist es das Problem, dass nicht und wie nicht aus der
essentia zum accidens überge­gan­gen werden kann. Weil und wie es nicht ge­schehen
kann, werden seine Beweise, seine In­duk­tio­nen, seine Widerle­gun­gen möglich, bei
denen über Bestimmungen sukzessiv entfaltet wird, was im Verhältnis zueinander
subiec­tum und passio verschiedentlich (noch) bedeuten (kön­nen). Ockham hatte es-
sentia mit exi­stentia gleichge­setzt. Sie waren für ihn gleichna­mig. Infol­ge­dessen gibt
es keinen Grund anzuneh­men, das Objekt werde nicht in sei­ner Es­senz erkannt, wenn
es als existent erkannt wird (oder werde), eben mittels der noti­tia intu­itiva, dann aber
auch in der notitia abstrac­ti­va, die den Be­griff, der aus der notitia intui­tiva entstan­den

koper­nika­ni­sche Wen­de, 1965, p. 34 mit Anm. 12 (p. 165f), der im „Träg­heitsprinzip“ den Indika-
tor für den transitus vom Mittelalter zur Neuzeit sieht.
105. Rep. III, q. 7 OT VI p. 228 lin. 18–20.
106. Es ist die in diesem Medium mögliche reductio ad absurdum, die die Synthesis des termi­
nus in abstracto, wie sie allein möglich ist, gewährleistet.
107. E. Hochstetter, 1927 p. 16 Anm. 3. Cf. aber auch unsere Kritik Kap. 3 Anm. 18.
108. So hatte Ockham ausdrücklich selbst gesagt.
109. Aber pro mente hominis oder secundum mentem hominis. Das Omnipo­tenz­­­prin­zip ge-
winnt unter diesen Be­din­gungen Nähe zum Ökonomieprinzip. Bei diesem muss der Re­kurs auf
die em­pirische Basis einer speziellen Er­kenntnis nur bedingt stattfinden.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 337

ist, wei­ter wahrt und be­wahrt und auf den sich nach Ockhams bevor­zug­ter, wenn
auch nicht durch­gän­gig festge­haltener An­schau­ung der actus intelligendi in men­­te
be­zieht.110 Fie­len essentia und existentia nicht zu­sam­men, wären also nicht dasselbe,
müssten aus dem sub­iec­tum, das ein obiectum be­zeich­net, pas­­­­si­o­nes entwickelt wer­­­
den kön­nen.111 Gott kann pro statu isto nicht in re und nicht in sua natura erkannt
werden. ‘Begriffe’ kön­nen auf ihn an­ge­wandt wer­­­­­­­den, aber nur be­dingt:112 „om­nis res,
si cognoscatur, vel cognosci­tur in se /§ vel cog­­ni­tione pro­­pria si­bi vel ae­qui­valenti §/
vel in aliquo conceptu. Sed Deus non cognoscitur primo in se a nobis in parti­cu­­­­­lari
et in natu­ra pro­pria; tum quia omnis notitia rei in se abstrac­tiva na­tu­raliter ad­­qui­si­ta
prae­­­­­­suppo­nit intui­ti­vam. /§ Ista ar­gumenta procedunt secundum opi­nio­nem quae po­
nit quod con­cep­tus men­tis dis­tin­guitur ab in­tellectione.“ Damit ist der Begriff wieder
als fic­tum esse oder ob­iectivum esse bestimmt. Auch im Bereich der divina essentia
erfahren wir nicht aus der es­sen­­tia das Akzidentelle und damit über Gott Hinausge-
hende.113
Die Kenntnis oder Erkenntnis der Sache in se ist mit der ab­straktiven Erkenntnis
im blo­ßen Be­­­­­­griff, der aus der äußeren Wahr­neh­mung des Objekts mit­tels der notitia
intuitiva ent­standen ist, nicht aufgehoben, wenn und weil dieser in sich natürlicher­

110. Ockham spricht (Rep. II, q. 14 OT V p. 317 lin. 2–5) von „habitus, qui … generatur ex
actibus qui imme­di­ate acci­pi­un­tur a re si­cut a causa par­ti­ali, quia a cognitione abstractiva ma-
nente cum intuitiva.“ Das ist (ib. lin. 10f) ge­­­meint „(intellectus) potest accipere a re­bus notitiam
universalium quia potest ab­stra­here a singulari­bus.“ Ähn­­­lich siehe Rep. II, q. 12–13 OT V p. 302
lin. 15–17: „Ad notitiam primam ab­strac­­­­tivam, quae stat cum in­tuiti­va, suf­fi­cit notitia in­tu­i­ti­va
cum intellectu, sed ad secundum ab­strac­tivam requiritur habi­tus.“ Aus der notitia in­tu­i­ti­va
entsteht die no­ti­ti­a ab­strac­tiva, aus dieser ein habitus, der die zweite notitia abstractiva her­vor­
bringt. Dabei sind die Be­griffe (universalia) schon bekannt. Derart werden die ‘ontologischen’
Begriffe nicht her­vorgebracht. Der Begriff ‘genus’ u. a. wird nicht per notitia intui­ti­va und nicht
per no­titia ab­strac­tiva ge­won­nen. Wir haben so auch, nach Ockham, mit der Wahr­nehmung
ei­nes Ge­genstands nicht die Wahrnehmung ei­nes anderen von ihm ver­­schie­de­nen. Wir kön­nen
den Be­griff ‘genus’ nicht im Sinne der suppositio personalis prä­­dizieren. ‘Ge­­­­nus’ kann nur im
Sin­ne der suppositio simplex in den elementaren Sätzen gelten.
111. Wenn Erkenntnis sein können soll. Deren „Zugehörigkeit“ oder ‘Verhältnis’ zum subiec-
tum wer­den induk­tiv, eben über Ne­ga­ti­onen und Aus­schlie­­ß­un­gen dargelegt.
112. Ord. d. 3 q. 1 OT II p. 389 lin. 7–13.
113. Was Ockham pragma­tisch thematisiert hat und mit allen Einzelmeinungen bzw. Einzel­
ent­scheidungen tech­nisch (also im Gebrauch seiner Terminologie und seiner Argumentations­
for­men und -formeln) beweist, ist, dass aus der essentia nicht das accidens folgen können und
entsprechend oder umgekehrt das accidens nicht förm­lich in die essentia eingeführt werden
kön­­­ne. Alles Beweisen Ockhams erscheint hier technisch im Sin­ne der Aufhe­bung die­­­­­­­­ses einen
konstitutiven Zusammenhangs von essentia und accidens. Alle seine Formeln kön­­­­­­­­­nen darauf
zu­rückgeführt werden, dass ein solcher genannter konstitutiver Zusam­men­hang nicht erlaubt
oder be­weis­bar sei, also widerlegbar. Man kann ihn wahrscheinlich nicht ein­mal ontolo­gisch
nennen.
338 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

weise erworben ist; da­rin be­steht zugleich wie gezeigt eine Indukti­ons­basis. Bereits
damit wird der Vorzug der fic­tum-Hy­po­­these, d. h. der, dass der Be­griff als obiec-
tivum esse dem ac­tus intelligendi in men­te zu­grun­de liege, indirekt dargetan. Dass
der Vor­zug der Hypo­these des Begriffs als fictum es­se gilt, be­legt dann nochmals die
Textfortset­zung:114 „Si au­tem po­natur conceptus seu in­ten­tio esse re­ali­ter intellec­tio,
tunc debet proba­ri quod deus non cognoscitur cog­niti­o­ne pro­pria sibi nec ae­qui­va­
lenti, et hoc sicut proba­tum est prius, quia tunc non posset talis du­­bi­tare de­­um esse,
si­cut alibi osten­sum est.“ Wer also Gott in se, mithin als res, wahr­näh­me, könn­­te
an dessen Exi­stenz nicht zweifeln. Ebenso wenn er ein Äquivalent einer sol­chen Er­
kennt­nis besäße. Beides ist aber dem viator verwehrt.115 Dann aber kehrt Ockham zur
ei­gent­lichen Ba­sis seiner Erör­te­­run­gen mit der Prä­dilektion der fictum-Hypothese
für den Be­griff zurück116 „Si autem deus cog­noscatur in aliquo conceptu distincto
ab intellectione, igitur ille con­cep­­tus est pri­mum ob­iectum illius cog­nitionis, et per
consequens Deus non erit pri­mum obiec­tum primi­tate gene­ra­ti­onis. §/“ Gleich­wohl
wird damit noch Gott in se erkannt; es kann einfach nicht ausgeschlos­sen werden, zu-
mal ihm dabei zusammengesetzte Ausdrücke zu­kom­men, die nur für ihn ge­braucht
werden. Das ist schon ei­ne von Ockham gebrauchte Argumentati­ons­art, nach der
was nicht notwendig ausgeschlos­sen ist, möglich ist. Sie steht der persuasio nahe
o­der ist ei­ne.117 Dabei wird die no­ti­tia abstrac­ti­­va immer doppelt gefasst als ‘notitia

114. Ib. lin. 15–18.


115. Die Frage wä­re dann immer noch für Ockham, ob er auch die theo­logischen dogmati­
schen Wahrhei­ten – be­reits – einsähe: divina essentia est trina, pater est filius, etc. Das lässt
im­mer­hin als Vermutung zu, dass die Ab­straktion, die dem mensch­lichen Be­griff konstitu­tiv
entspricht, weiterhin quoad ho­minem relevant ist und eben auch insoweit, als mit ihr Er­kennt­
nis­se und Wahrheiten für den Menschen erst ge­stiftet wären oder (schließ­lich) noch einmal
per rationem zu stiften und zu begründen wären, wie ja denn Ockham sagt, ‘dass die Le­bens­
zeit nicht ausreiche, veritates ad salutem neces­sa­riae zu entdec­ken’. Das müss­­­­te auch be­deuten
können, dass wenn Gott uns solche nicht ganz und gar vor­ent­hielte, doch an einer von der
Begründung abhängigen Einsicht und Rich­­­­­tig­keit noch zu ar­bei­ten wä­re. Man muss das als der
scholastischen Inspiration a limine entsprechenden An­satz se­hen, wenn sie denn auch spät-
scholastisch verschärft und modifi­ziert sich ausneh­men könn­te.
116. Ib. lin. 18–22.
117. Cf. auch im 2. Kap.: dass es Prädikate geben kön­ne, die nur in Gott fallen könnten, uns
in­des verschlossen sei­en. Aus ihnen kön­nen dann möglicher Weise ein Satz wie ‘De­us est trinus
et unus’ – syllogistisch – abgeleitet und be­wiesen werden. Dies wird als kompatible Möglichkeit
hypothetisch, nicht faktisch gesetzt. Hier hat M. Lenz, Himmlische Sätze: Die Beweisbarkeit von
Glaubens­sät­zen nach Wi­l­helm von Ockham. Bochu­mer Phi­los. Jahrb. F. Antike und Mittelal-
ter, 1998, 3 pp. 99–120 zu beweisen, bzw. abzuleiten versucht, dass Ockham mit der An­nahme
auf eine der Konzeption des Thomas von Aquin immerhin noch vergleichbare Fundierung
un­se­res Er­ken­nens in der Form eines antezedenten überirdischen gezielt habe, das unsere Er-
kenntnis, die wir de fac­to ha­ben, gleichsam legitimieren könnte. Modi der Ableitung aus je-
ner hö­he­ren, uns entzogenen, auf die unse­re tat­säch­liche, benennt er dabei nicht. Daneben s.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 339

abstracti­va quae sem­per sequitur notitiam in­tuitivam aut illa quae habetur post corrup­
ti­onem intuiti­vae.’ In ersterer können wir die noti­tia abstracti­va im­perfecta sehen, so
dass es am Ende viel­leicht um eine ter­minologi­sche Ver­schiedenheit (und Doppel-
heit) sich handelt, wel­­che indes von der Er­fahrung ausgin­ge.118

die schon in der Einleitung Anm. 58 und in Kap. 1 Das Ver­hält­nis der Begriffe bei Ockham
Anm. 75 geäußerten Einwände. Außerdem: Wenn Ockham ei­­nen Be­griff ak­zeptieren wollte,
der auch Sache wäre oder einer solchen äquivalent (parallel) aufträ­te, dann wä­re ‘die­ser’ „Be­
griff “, ob­wohl per notitiam intuitivam geschöpft, in der Lage einen ande­ren zu ent­hal­ten; d. h.
ei­ne ana­ly­tische Erkenntnis (oder Aussage) darzustellen. Die unverknüpfte Erkenntnis, von
der M. Lenz spricht, kann nicht exis­tie­ren; sie hät­te keine Logik, d. h. eine, die den Be­griff
definieren könnte, wie das D. Brown, Ana­­­lyti­ci­ty: An Ock­ha­mist Approach. Am. Phi­­los. Quar­
terly, vol. 34 No. 4, 1997 pp. 441–455 erörtert und schließlich als für Ock­­­ham nicht anzunehmen
ansieht. Wir müssten analyti­sche Erkenntnisse oder Wahrheiten für Ockham zu­las­­sen oder
anneh­men, die er nirgend­wo ins Spiel gebracht hat. Er muss daher auch den Syllo­gismus, an-
ders als Aristoteles, unab­hängig von ihnen halten. Dass Ockham an das ‘ali­quid’ in Gott, das so
oder so ‘ac­ci­­pi potest’ nicht wirklich heran will, sei noch einmal be­merkt. Er hät­te also, sei es
als res (alias conceptus quem non habe­mus), sei es res in Deo cognita per beatum et pos­si­biliter
per angelum, angenom­men was in Gott nach sei­nen An­nah­men theoretisch gar nicht fallen
kann. Das müssten wir nach Lenz’ Interpre­ta­tion für Begriffe und Sät­ze an­set­zen, die wir gar
nicht haben. Das stellt eine Absurdität dar. Der Widerspruch widerspricht exakt der Be­weis­­art
Ockhams. Er müsste hier die Funktion haben, Ockhams Meinung oder ‘Absicht’ anzugeben
oder darzu­stel­len. Das Analytische (per se Wahre) wäre identisch das Widersprüchliche (per se
Falsche). Das hät­­te im Na­men des von Ockham in seiner Erörterung de facto hier verwandten
Omnipotenzprinzips zu gel­ten, das doch nach der opi­­nio communis der Ausleger vom Wider-
spruchssatz begrenzt sein soll.
118. Dafür dass der menschliche Geist anlässlich der Wahrnehmung eines Ob­­jekts (res) extra
ani­mam mittels der no­ti­tia intuitiva das universale als fictum bilden könne, für das dann eine
Ähnlichkeit oder wenigstens Entspre­chung mit diesem extramenta­len Ob­jekt angenommen
wer­­­den könne, argumentiert Ockham unter Verweis auf Au­gustinus mit ei­nem Überre­dungs­
be­weis (Ord. d. 2, q. 8 OT II p. 277 lin. 3–10): „ex ista auctoritate potest argui sic: non minus
potest intel­lec­tus ex aliquo viso aliquid totaliter consimile fingere quam ex visis aliquid con­
simile pri­us non viso; sed ali­quis ex multis faciebus visis potest fingere aliquid consimile fa­ci­ei
Apostoli vel Chris­­ti vel alicuius alterius quem nunquam vidit; igitur non est inconveniens quin
de ali­­quo individuo viso vel intuitive cog­ni­to fingat ani­mus aliquid consimile, et illud sic fictum
non erit ens reale, sed tantum cognitum.“ Bezugspunkt ist da­bei die in­tra­mentale Iden­tität
dieses fic­­tum. Nicht die relatio ad extra. Über diese kann ja in facto nichts ge­­wusst wer­den. Die
Be­stim­mung des fictum alias universale ist determinat und beruht auf der Aus­schal­tung eines
Wi­­derspruchs ex parte rei extra animam. Der Begriff beruht auf ac­tus qui im­me­­diate ac­ci­pi­un­
tur a re sicut a cau­sa partiali. Die zwei­te causa parti­a­lis, die hier nötig ist, ist der in­tel­lectus. Es
gilt natürlich ebenfalls Ord. Prol. q. 1 OT I p. 27 lin. 10–12: „veritates con­­tingentes non possunt
sciri de is­tis sen­­sibilibus nisi quin sunt sub sensu.“ Es wird nie die reale Erkennbarkeit de facto
ausge­schlos­­sen. Darü­ber hinaus ist für Ockham die Bestäti­gung ei­nes universale im weiteren
Ge­brauch mittels der notitia intu­itiva problem­los. Die noti­tia intui­ti­va umfasst einen ac­tus iudi­
ca­tivus und schließt ei­­nen actus as­sentiendi ein.
340 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Vergleichbare Stellungnahmen sind bei Ockham zahlreich:119 „dico quod Deus,


et uni­­­­ver­sa­­­li­ter omne ens reale, potest intelligi vel in se, ita quod nihil aliud termi-
net actum intel­li­gen­di, si­cut nihil aliud quam albedo terminat actum videndi. Et isto
modo non est possibile nobis in­tel­ligere Deum pro statu isto, quia numquam pro
statu isto potest intelligi Deus a no­bis ita in par­­­­ticulari sicut haec albedo potest videri.
Vel potest deus intelligi in aliquo alio, pu­ta concep­tu.“120 Gott, der in einem Begriff
er­kannt werden kann, kann in einem solchen Begriff auch er­­kannt werden, wenn wir
keine prak­tische Erfahrung von ihm als Gegenstand per notiti­am in­tu­­­­­itivam haben.
Das ist per inductionem legitimierbar. Denn wir können Begriffe oder zu­­sam­men­
gesetzte Ausdrücke für Gott bil­den, die nur von ihm gelten.121 Dann gilt in einem
über­greifenden Sinn nach der Aktlehre:122 „Quarto, ex prae­dic­tis con­cludo quod no-
titia deita­tis distincta est communicabilis viatori, manente viatore, quia sola noti­tia
in­tui­ti­va repugnat viatori. Igitur si abstractiva potest fieri sine intuitiva, sequitur quod
ab­­strac­tiva notitia deitatis distincta potest esse in viatori, manente viatore.“ Der In­
duktion folgt die per­suasio:123 „ad for­mam quaestionis dico quod Deus de po­tentia sua
absoluta potest cau­­sare notitiam evidentem in intellectu viato­ris aliquarum verita­tum
theologi­ca­rum et forte aliqua­rum non.“ Beide Wahr­­­nehmungen oder Erkenntnisse,
die no­­­titia intuitiva dei, die uns pro sta­tu isto nicht mög­lich ist, und die notitia ab-
stractiva, auch wenn ihr, wie es der empi­risch be­ding­­ten Erkenntnis nach der Begriffs­
bil­dung keine notitia in­tuitiva voraus­ging, sind dis­tinkte, also deutliche Er­kennt­nisse.
Nun kann Gott, weil die no­ti­ti­a abstractiva und die no­titia intui­ti­va demnach ge­trennt
sind, eine Erkennt­nis ersterer ohne die vorgängige zwei­te im viator ver­an­lassen. Es
gibt dann keinen Grund dafür, dass eine solche ‘unabhän­gi­ge’ Er­kennt­nis nicht de­­­finit
oder nicht distinkt oder nicht evident sei. Die per­­suasio ent­spricht der Induk­ti­on. Es
gibt persuasiones, de­­­ren Sätze per In­duk­tion erstellt oder ‘bewie­sen’ worden sind.124
Auch wenn die von Gott kraft seiner All­macht bewirkte Erkenntnis erfol­gen würde,
die dabei nicht auf vorgängige em­pirische Erfah­rung und Begriffsbegründung und -
legitima­ti­on mehr sich zu stüt­zen hätte, wür­de das nicht notwendig je­­­de theologische
Wahr­heit oder Er­kennt­nis betref­fen. Der Ge­brauch des Om­­­nipotenzprinzips ist also

119. Ord. Prol. q. 9 OT I p. 266 lin. 23 – p. 267 lin. 3.


120. Unterlegen wir für Begriffe deren Bestimmung als intellectio oder intentio passen sie we-
niger zur Unterschei­dung von notitia intuitiva und abstractiva und müssten einer Erkenntnis
Gottes in se entsprechen, die Ockham ver­neint. cf. ib. lin. 13–20. Erst wenn wir nach ib. p. 267
lin. 20 – p. 268 lin. 3 die Begriffe secundum se und nicht pro re verstehen, und keine Äquiva-
lenz zwischen ihnen ansetzen (sic!), können wir wieder nach unseren Mög­lich­keiten Gott auch
nach dieser Auffassung erkennen.
121. Ib. lin. 3–12.
122. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 49 lin. 4–8.
123. Ib. lin. 10–14.
124. Ein Beispiel Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 414ff. in der Widerlegung des Duns Scotus.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 341

nicht wahl- und schran­ken­­los, son­dern do­siert.125 Solche ‘In­duk­ti­o­nen’ von Einsichten
in den mensch­lichen Ver­stand wä­ren un­mög­lich, die nicht von ihm kon­zipierbaren
be­griff­li­­chen Formen entsprä­chen.126 Sie ge­ben die empiri­sche Basis und er­set­­zen so-
gar das Wider­spruchsprinzip. Beide dürfen nicht ig­no­riert oder ver­letzt werden. Gott
wür­de, gegen die Weltordnung ste­hend, die er erlas­sen hat, nichts bewirken kön­­­­nen.
Die Gren­­­­­ze des Widerspruchsgesetzes wird durch die Ersetzung hinausge­scho­ben.127
Es wird auch nicht ‘schlussfolgernd’ vollzogen.

125. Eine abstraktive Erkenntnis theologischer Wahrheiten, die überhaupt keiner notitia intui-
tiva entsprächen, wie sie auch für den beatus entfielen, kann auch Gott nicht bewirken: Darauf
bezieht sich das ‘forte aliquarum non’.
126. Beide Abschätzungen, sc. dass Gott gewisse theologische Wahrheiten so kraft seiner All­
macht dem viator pro statu isto ohne vorgängige Erfahrung der divina essentia und entspre­
chen­­­de Begriffsbildung eingeben könne, gewisse andere aber nicht, sind hypo­thetisch. Sie wer­­­­
den persuadiert. Sie müssen konze­diert werden, da sie ef­fek­­tiv nicht sich ausschließen las­sen.
Dabei ist, im Sinne der Konsistenz gewissermaßen, hinzuzufügen, dass wenn der bea­tus Gott
schaut, eine Begriffsbildung nicht mehr nötig ist und jedenfalls nicht notwendig er­folgt. Dass
ein zweites Medium nach der seligen Gottschau gebildet werde, gleichsam in Ana­logie zur no-
titia abstrac­ti­va, die der notitia intuitiva folgt, ist nun auch nicht ausge­schlos­sen. Man hat also
eine Reihe von Schlüssen bei Ockham, die entweder in seinem Ma­­­­te­rial, den Be­grif­fen und den
Bezugsgegenständen der Erkenntnis mittels der Begriffe und da­mit zentral für den Menschen,
vorgebildet sind oder aber es nur begleiten. Indem sie es nur be­­gleiten, wer­­den die Begriffsbil-
dungslehre oder Universalientheorie und die Logik schwie­rig. Die Uni­versali­en­­­­the­­orie kann
nicht mehr zentral sein. Cf. G. Ritter, 1921 p. 280: „Die Passivität des erkennenden Verstandes
bei Ockham schließt jede Umschreibung seiner Universalien­leh­re aus, die den Ton auf einen
vom Men­schen gebil­deten Be­griff legen will. Indem Ockham die aktive Mitwir­kung des Intel­
lekts bei der Erkennt­nis leug­nete, zeigte er gera­de­zu eine antinominalistische Tendenz.“ Es ist
al­ler­dings einzu­wen­­­den, dass Ockham (nur) drei empiri­sche Grö­ßen im Erkenntnis­auf­­bau an-
nimmt, die zugleich auch ei­ne kausale Kom­po­­nente ha­ben, i.e. damit argumen­ta­tive Bedeutung
und Inte­gra­tionskraft erhalten (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 56 lin. 12f): „po­ten­­tia in­tel­lec­tiva, notitia
intuitiva rei, res in­tu­i­ti­ve no­ta.“ Erkenntnis, die so inner­halb des Erkennt­nis­aufbaus be­stimmt
wird, existiert, und das bedeutet, dass der Ver­stand in der Form seiner Akte ent­­we­der doch
aktiv ist oder aber hinsichtlich der Kategorien ak­tiv und passiv keine re­gelrechte Unter­schei­
dung mehr zulässt. Der Verstand wählt die Akte jedoch nicht mehr distinkt aus. Der Verstand
ist humaner Verstand und be­stimmt, umgrenzt, kurz de­terminiert, wenn er die Gren­­­­zen des
Ver­stan­des vermöge der Auslegung seines Auf­baus, se­cun­­­­­dum rationem, darlegt. Das Humane
liegt auch in diesem Selbstbezug. Gegenüber dem bloß Logi­schen zeigt sich so etwas wie eine
reduktive operationale Struk­­­­tur. Darin sind Gott und Mensch glei­chermaßen um­fasst, in­dem
die Form des menschlichen Den­­kens dem Ge­­­­genstand nach for­mell ‘auch’ noch auf Gott lautet.
Gottes ei­ge­­nes Denken ist, wie es scheint, nur noch unent­fal­tet mit eingeschlossen und um-
fasst.
127. Gott kommt mit seinen Eingriffsmöglichkeiten secundum suam potentiam absolutam em­
pi­­risch eher an Gren­­­zen als außerempirisch. Cf.Rep. II, q. 11 OT V p. 249 lin. 8–10: „pot­est
concedi quod Deus pot­est facere ange­lum ita simplicem quod non pot­est facere sim­pliciorem,
sicut forte De­us non pot­est facere motum primo motu ma­gis regu­larem.“ Beim empirischen
342 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Die notitia intuiti­va128 geht von der essentia rei aus:129 „dico … loquendo de cog­
nitione in­tu­­i­ti­­va na­turali, quod angelus, et intellectus noster, intelligit alia a se non per
species eorum nec per essentiam propriam, sed per es­­­sen­tias rerum intellec­ta­­rum. Et
hoc prout ly per dicit cir­cum­­stantiam causae efficientis, ita quod ratio intelligendi, ut
distinguitur a potentia, est ipsa es­sentia rei cognitae.“ Das obiectum fun­giert als causa
effici­ens im Zusammenwirken mit dem intellectus, der damit daneben eben­falls als
causa wirkt. Es ist nicht der sensus, der dem Ob­jekt nach dessen Erkenntnis (in seiner
essen­tia) zugeordnet ist, wie es auch kein universale gibt, in dem Vermittlungsanteile
in Rich­tung auf das Objekt, et­wa durch Aus­bildung einer spe­­­­­­cies etc. noch denkbar

Begriffsver­stän­dnis ist das Wi­derspruchsmoment damit nicht mehr bloß ab­strakt geblieben. In
der ab­strakten trans­em­­pi­ri­schen Welt dagegen wird die ‘Macht’ Gottes von der be­griff­­li­chen
Be­weis­­form der re­duc­­tio ad absurdum begrenzt, wie ib. lin. 4f zeigt: „dico quod Deus posset
facere ange­lum perfecti­o­rem omni an­gelo facto, et ille non es­set Deus.“ In der ab­strakten trans­­
empirischen Welt wird die Macht Gottes vom Wider­spruchs­satz begrenzt, dort mithin, wo Gott
nicht prima vista mit of­fenkundiger Will­­­kür Eingriffe zu statuieren hät­te. In dieser ab­strakten
trans­­empiri­schen Welt sind die ebenfalls und noch mehr be­griff­lichen Optionen nicht rea­le.
Der Begriff der perfectio und der ihrer mensuratio ist komplex. Cf. Rep. II q. 10 OT V p. 218
lin. 22 – p. 219 lin. 5: „si ex cognitione dei in­tu­i­ti­va et cog­nitione aliarum re­rum (Ed. ergänzt
ohne An­ga­be aus W. 1495: potest cognosci quod una creatura est per­fectior alia). Non ex sola
cognitione Dei, quia men­­sura et mensuratum necessario prius cognoscuntur secundum suas
essentias quam ut sunt mensu­rae. Nec sufficit ad cog­noscendum quantitatem mensurati solum
cognoscere mensuram.“ Gott ist aber das Maß der per­fec­tio. (ib. lin. 6–11). Maß kann ‘vielfältig’
verstanden werden, cf. Rep. lb. II, q. 11 OT V p. 232 lin. 3–7: „Dico quod qua­druplex est men­
sura: extensionis, mul­ti­tudi­nis, durati­o­nis, et perfec­ti­onis (sicut deus res­pec­­­tu creatu­ra­rum).
Extensionis in continuis, sicut ulna panni. Mul­ti­tudi­nis, sicut unitas numeri. Durati­o­nis, si-
cut tem­pus men­su­rat motum. Per­fec­­ti­onis, sicut deus res­pec­­­tu creatu­rarum et albedo respectu
colorum.“ Eine Auffas­sung der men­su­ra wie die letz­te auf den un­endlichen Gott be­zo­gene,
in welchem al­­le Eigenschaften selbst schon un­end­l­ich vor­lie­gen, wäre bloß ab­strakt ge­­­­dacht
und zwar ge­genüber der Er­kennt­nis, die wir empirisch an den cre­a­turae wirk­lich hät­ten; die­se
Auffassung ähnelt der der calcula­tores, die so in qualita­ti­ver Form das Maß einsetz­ten. Sie ver-
wandten es ebenso theologisch wie phy­si­ka­lisch.
128. Notitia intuitiva und notitia abstractiva sind die Grundpfeiler der Er­kennt­nislehre
Ockhams. Sie sind so ge­gen­­einander geordnet, dass die eine, notitia intuitiva, im Sinn von Gel­
tung definiert ist, der für die andere, no­ti­tia abstractiva ent­fällt (entfallen kann). Dabei kann
selbst für den Geltungsausdruck die Einlösung (faktische Gel­tung) nicht be­wie­sen wer­den. Es
sind zwei Grö­ßen gege­ben, von denen eine in die andere hineinwirkt, die zwei­­te aber im Sin­ne
des ‘Widerstan­des’ eben­so pas­siv ist wie die erste fiktiv. So treten es­sen­tia und accidens, no­ti­
tia ab­stractiva (= ac­tus appre­hen­sivus) und notitia intuitiva (= Er­fah­rung) gegeneinander. Exi­
stenz ist nicht zwangs­läufig mit dem ac­cidens oder mit der notitia intui­ti­va adjun­giert. Sie liegt
eher beim actus men­talis. Die no­titia in­­­­­­­tuitiva be­zeich­net die Realität in­ten­ti­o­nell, was bei der
notitia abstractiva gar ausge­klam­mert wird.
129. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 276 lin. 13–19.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 343

oder beglei­tend enthalten wä­ren. Die ra­tio intelli­gen­di130 muss von der potentia un-
terschieden werden.
Falls wir die Stufe des actus apprehensivus, wie er in der notitia abstractiva ge-
kennzeichnet wird, gewonnen haben, lassen sich die Fragen regeln, welche der Gel-
tung der notitiae incom­ple­xae im Verhältnis zueinander Rechnung tragen und zwar
in der Allgemeinheit, welche dem allgemeinen Zeichenbegriff entspricht, und so-
mit über den conceptus hinaus, den der viator de facto hat. Hier greift denn auch
Ockhams Gebrauch von der distinctio formalis, wel­che Be­grif­fe oder Inhalte betrifft,
die nicht mehr einem empirischen Sinn entsprechen können:131 „Nunc autem ita est
quod quamvis relatio non sit de intellectu es­sentiae divinae, quia non prae­­­­­­­­­dicatur
formaliter de divina essentia, est tamen eadem realiter cum divina essentia, et ideo
non potest intelligi divina essentia non intellecta persona.“ Zwischen divina essentia
und per­sonae divinae wird nach Ockham auf der begrifflichen Ausdrucksebene eine
distinctio for­ma­­lis angenommen wer­den können. Die­se von Duns Scotus bekannte
Unterscheidungsart ist bei Ockham rein funk­tionell weniger bedeutend als die di-
stinctio realis. Die hat einen em­­­pi­ri­schen Grund. Sie entspricht der Dif­fe­renz von
res absolutae, die als solche in der realen Welt nach dem Charakter der Schö­pfung
unabhängig voneinander vorkommen können. An die­­­ser dis­tinc­tio realis setzt die po­
tentia di­vi­na absoluta naturaliter loquendo an, wenn sie nach Ock­ham hypothetisch
Dinge, die von­ein­an­der real getrennt sind, wie sie etwa ihre cau­­satio ausü­ben, auch
faktisch ohneein­an­der in Wirkung setzt.132 Sie werden dann nur in ei­nem begrifflich
ana­lytischen Zu­sam­­men­hang, in ei­ner Zwangsläufigkeit, die generellen Aus­sa­­gen ent-
spräche, be­strit­ten. Die po­ten­tia divina ab­­so­luta supranaturaliter loquendo aber ist in
die Nähe der dis­tinc­­tio formalis ge­rückt.133

130. Autrecourt legt Beweise, an die er nicht glaubt, bzw. sie auf die Folge­mä­ßigkeit aus kon-
tingenten und em­pi­ri­schen Wahrnehmungen fest, was hei­ßen muss: ge­mäß der no­ti­tia intuiti-
va. Das consequens soll nach ihm bereits durch kon­tin­gen­­te Erscheinungen wider­leg­bar sein.
Es müss­­­te zuvörderst in einer no­ti­tia intuitiva enthalten sein oder aus ihr er­fol­gen können. Die
notitia intuitiva wäre so doch auch notitia abstractiva, wie Gregor von Rimini annahm. Akte
wie Begriffe enthalten einander bei Ockham nicht. Notitia intuitiva und ab­strac­tiva müss­ten
sonst identisch sein. Nach Autrecourt Schema oder Ideen würde gar nicht erst mit definiten
Bezeichnungen, Sät­zen und Beweisen operiert. Ockhams Be­­­­­­weis- oder Be­gründungsverfahren
für Aussagen­(-charak­te­re) und Be­griffs­ar­­­ten könnte es nicht ge­ben. Alle werden bei Ockham
durch ihre ratio = ratio intelligendi bestimmt.
131. Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 457 lin. 4–8. Cf. lin. 12f: „Non tamen potest intelligi essentia sine re-
latione propter iden­titatem realem inter es­sen­ti­am et re­lationem.“ Es ist aber keine empirische
oder empiriewertige Erkenntnis. Cf. p. 462 lin. 11–20. Der viator spricht aber von divina essentia
+ relatio „non in se sed in aliquo conceptu ali­quo com­­muni vel proprio.“ Cf. Anm. 119.
132. Zu solchen real distinkten Größen (res) gehören auch die notitiae selbst (notitia intuitiva
und ab­strac­ti­va), die no­titiae complexorum, die noti­tiae incomplexo­rum, die potentiae.
133. In einem analogen Sinn kann auch die ‘identitas formalis’ modal prä­diziert werden. Auch
da wird der Modus dem Satz zugesprochen; der Modus gilt dann wie im obigen Beispiel auch
344 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ge­­­ne­rell ist die Abstraktion in ihrer Abhängigkeit von der – doch die Begriffe
hervorbringen­den Erfahrung – beschränkt. Das beweist die folgende Stelle:134 „di­­co
quod posito quod sub­iec­tum contineret virtualiter passionem adhuc notitia subiecti
non contineret virtualiter notiti­am passionis. Et quando dicitur ‘sicut aliquid est ad
entitatem’ etc, dico quod quantum ad ali­quid est simile et quantum ad aliquid non.
Quantum enim ad hoc est simile quod sicut entitas unius est nobilior cognoscibilitate
alterius et notitia unius est nobilior notitia alterius. Quan­tum autem ad causalita-
tem non est sic, quia si ita esset, tunc sicut notitia ef­­fectus, saltem com­plexa, potest
esse causa notitiae complexae ipsius causae, ita ipse effectus potest esse causa ip­­­sius
causae, quod falsum est.135 /§ Similiter, sol est causa vermis et causa ca­­­­lo­ris, et tamen
no­­titia incomplexa solis non est causa notitiae incomplexa vermis et calo­ris. §/136 Et

mo­­­do composito, d. h. es erfolgt oder be­steht kein formeller Durch­griff auf die Erfahrungse­
be­ne, wo wir sagen können (monstrando obiectum vel rem) ‘hoc est hoc’, ‘Pe­trus est albus’
etc. etc. Dann muss der Modus modo diviso ange­wandt werden: ‘Petrus pos­­­­­­­si­b­i­liter est albus’
(monstrando Petrum). Ein Satz wie ‘Petrus est Petrus’ ist dann nach Ockham dubitabilis, weil
ge­zweifelt wer­den könne, „an sint extrema“. Es kann so natürlich auch keine unterschie­de­nen
notitiae ge­ben, die sub­iectum und passio zu gelten hätten. Cf. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 113 lin. 2f:
„(Propo­sitio) in qua praedicatur idem de se, est dubitabilis.“ Es ist also ein auf die In­ten­sion
selbst bezogener Zweifel. Es ist so auch klar, dass der Mo­­­­dus ‘du­bitabilis’ dem Satz gilt. Nicht
dem Sachverhalt. Für diesen in sich gibt es keinen Maß­stab. Es wird auch nicht auf ihn hin
vermit­telt. ‘Gewusst’ oder ‘eingesehen’ werden nach Ockham im­mer nur pro­po­­si­­ti­­ones, nicht
res oder relationes inter res. Denn sie können nicht vom acci­dens her wahr­ge­­nom­­men wer­den.
In dem Sin­ne tritt ei­ne Grenze des Erken­nens auf, die bei Ockham auch auf den Ge­brauch der
Logik, bzw. auf die­se nach Form und Geltung reduktiv wirkt. Logik (bona logica) stellt sich in
der Analyse her, sie an­te­­ze­diert ihr nicht und wird ihr nicht als starre und un­abweisbare Form
übergestülpt.
134. Ord. Prol. q. 9 OT I p. 252 lin. 11 – p. 253 lin. 3.
135. Zum Beweis: Die notitia complexa, die einen effectus betrifft und be­nennt, könnte allein
ihn als den ef­fec­tus einer bestimmten causa benennen, die damit ebenfalls in Form einer noti­tia
com­­plexa be­nannt würde. Wenn Ab­straktions- oder Erkenntnisebene und Realität – strikt –
par­­allel liefen, also im Sinne der Aristotelischen homoi­ou­sis oder adae­qua­tio intellectus ad
rem, müsste der effectus causa suae cau­sae sein können. Diese Bedin­gung der Realerkenntnis
wird also nicht angenommen. Man erkennt, dass die Induktion im Ge­gensinn verläuft und
dem­­­­­­gemäß wo zwei Stufen existieren und Empirie und Abstraktions­ebene so organisiert sind,
dass sie zwei hete­ro­­genen Stufen bilden. Überdies kann die Ab­strak­­tionsebene (actus appre­hen­­­
sivus) so gestaltet werden, dass sie mehrere Erkenntnismittel­arten zulässt (Begriffe und an­­­­dere,
res, mehr als Begriffe, und womöglich weitere Stu­fen. Dahinein kann sich die Abstraktionsebe-
ne selbst widerspruchsfrei entfalten. ‘Non est aliqua con­tra­dictio.’).
136. Aus der Bemerkung kann nicht ein Glaube an die „Ur­zeu­gung“ geschlossen werden. Ein-
deutig negiert wird sie in Quaestiones in Libros Physicorum q. 134 OP VI p. 762 lin. 66–72. Sie
wäre per om­ni­po­tentiam di­vi­nam möglich, sagt Ockham, was die Idee widersinnig macht und
dem Omnipotenzprinzip einen negativen Akzent ver­leiht: der nach dieser Stelle nicht identisch
nach propagatio und putrefactio mögliche effec­tus ist überhaupt nicht möglich, wenn nicht die
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 345

ideo non ob­stante quod entitas unius esset causa entitatis alterius, non tamen oportet
quod notitia esset cau­sa notitiae.“ Die Einschließung ist begrifflich weder für die no­
titia ­complexa noch für die notitia incomplexa gegeben, wenn ein reales oder kausa-
les Ver­hält­nis extra animam ge­geben ist oder gegeben sein soll und dies auch dann
nicht, wenn ein Begriff als ‘subiectum’ virtual­i­ter einen anderen als ‘passio’ „enthalten“
können soll, was ja zu be­deu­­ten hätte, dass sie bei­de induktiv137 miteinander einseh-
bar wären. Ockham sagt:138 „Solae propositio­nes sci­un­tur.“139 Andernfalls müsste die
res singularis in ihrer Singularität selbst erkannt wer­­den kön­nen.140 Der Modus eines

geordneten Verhältnisse der Welt eingehalten werden, „licet per potentiam Dei pos­­set aliter fie-
ri.“ D. h. der secundum potentiam Dei supranaturaliter loquendo mög­li­che Al­ter­na­tiveffekt kor­
res­pondiert einer numerischen Identität, die durch ihn gar nicht erreicht werden kann, folglich
auch nicht aus dem Omnipotenzprinzip gefolgert sein/werden kann. R. Wood, 1990 pp. 25–50
p. 25 nimmt den Glauben an die „Ur­zeugung“ für Ockham (wie für Scotus) an. Gegen Woods
pauschale Behauptung steht Ockhams Wortlaut.
137. Andernfalls könnte der gan­ze Beweis Ockhams nicht funktionieren. ‘Subiectum’ und
‘passio’ wurden so weit möglich aneinander gerückt. Selbst dann soll die Übertragung auf die
Stufe der notitiae terminorum nicht ge­­ne­rell stattfinden und also zwangsläufig sein können.
Der Beweis nimmt verschiedene Be­zugs- und Ver­gleichs­­­fälle zusammen und reduziert die Ma-
xime, die keine allgemeine mehr sein kann.
138. Ord. d. 2 q. 4 OT II p. 134 lin. 9.
139. Dass wir nur Sätze haben, muss ‘umgekehrt’ auch der skeptizistischen Annahme Autre-
courts entgegenste­hen, dass wir in oder mit ihnen Erkenntnis nicht haben können müssten,
i.e. am Ende gar keine Erkenntnis be­säßen. Denn es müsste in den Sätzen selbst, bzw. der Be-
stimmung ihrer Teile (ratione terminorum) gefolgert wer­­den kön­nen, bzw. den Modi, die dem
eher widerstreiten. ‘Deus est’ ist ein notwendiger Satz, der nicht mehr falsch sein kann, wenn
er gedacht oder geäußert worden ist. Wir müssen also gar keine Erkenntnis ex visu Dei (per
no­ti­tiam in­tu­­iti­­vam) ha­ben. Der Satz „‘Deum non esse’“ opinabilis est, steht in keinem Wider-
spruch zu „haec est ne­cessaria ‘Deus est’.“ Es gibt Evidenz für letzteren nicht. Beide modalen
Sätze (modo composito) fußen in nichts auf dem Widerspruchssatz. Au­tre­court be­­zwei­­felt gene-
rell die Geltung auch kontingenter Sätze, da­ne­ben die Gel­­­tung on­­to­lo­gischer Be­griffe und den
reel­len Grund von Implikationen, es sei denn, sie könn­ten an die no­ti­­­­­tia in­tu­itiva an­schlie­ßen.
Nach Ockham muss dazu syllogistisch ein notwendiger Satz beigefügt werden, der mit einer
sehr ein­ge­schränkten, indes spezifisch ontologisch zu formulierenden Bedingung, angesichts
der notitia in­tu­itiva (ei­ner Einzelerkenntnis) gebildet werden könnte.
140. Für Ockham ist, wenn ein universale im Verstand gebil­det worden ist, dessen Be­­stä­ti­gung
in jedem weite­ren Ge­brauch des Begriffs in der notitia in­tu­itiva angesichts der gleich­ar­ti­­gen
Dinge, auf die er, er­ken­nend und be­stä­tigend, dann ange­wandt wird, zwangsläu­fig und eben
kein logisches Pro­blem mehr. Die notitia intuitiva um­­­fasst dabei einen actus iu­di­ca­ti­vus, der aus
actus appre­hen­­sivus und actus assentiendi besteht. Der Be­griff be­wegt sich natürlich, äußerlich
oder immanent, auf die Ab­straktion zu. In dieser ist er allge­mein. Es muss nicht er­klärt werden
(können), wie er allgemein sein könne. Chatton und Campsalis fas­sen die noti­tia in­tui­ti­va so,
dass sie den Bezug zwischen res realis und res formalis angebe.
346 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

mo­da­­len Satzes (wie possibilis, necessarius, du­bi­ta­bilis, cre­­di­bi­lis, op­tabilis, opinabilis


etc. etc.) bezeichnet dann immer den (ganzen) Satz.141
In dem Satz:142 „notitia accepta per experientiam non potest esse sine noti­tia in­­­tu­
itiva“, um­greift die experientia nicht die noti­tia in­­­tu­itiva, sondern diese tritt für jene

141. S. SL-II c. 1 OP I p. 242 lin. 44 – p. 243 lin. 57: „circa quod est scien­dum quod propo-
sitio dicitur moda­lis prop­ter modum ad­ditum in propositione. Sed non qui­cum­que modus
sufficit ad faciendum pro­­positionem moda­lem, sed oportet quod sit modus prae­d­icabilis de
tota propositione et ideo dicitur proprie modus propositionis tam­­­quam veri­fi­ca­bi­lis de ipsamet
propositione.“ Wird der Modus als von der Aussage verifi­zierbar angesehen, wie Ock­ham sagt,
so ergibt sich doch, dass eben damit der Rückgriff auf die Realität oder Empirie nicht nötig ist
oder nicht nö­tig sein darf, vielmehr der Modus bezüg­lich der Aussage im Sinne von deren Ab­­
straktheit ver­stan­­­den werden muss, weshalb ja dann auch Modi wie ‘distinctio formalis’, ‘iden­
titas forma­lis’ bzw. ‘distincte for­ma­­­liter’, ‘idem for­maliter’ oder gar ‘idem (bzw. distinc­tum) per
potenti­am divinam absolutam supranaturaliter lo­quendo’ mög­lich werden. Die Modi können
von Ver­­­ben oder Adverbien abgeleitet werden. Denn Ockham sagt: „Et a tali mo­do vel adverbio
talis praedicabilis, si adverbium habe­at, vel verbo dicitur propositio moda­lis.“ Dabei ver­­mehrt
sich die Anzahl der denk­­baren Mo­­di und modalen Sätze. „Sed talis tales mo­di plures sunt quam
qua­­­tu­or praedi­cti.“ Das sind die vier aus Aristoteles’ Modallogik be­kann­­ten Modi ‘notwendig’,
möglich’, ‘un­mög­­lich’, ‘zu­fäl­lig’ (cf. J. Luka­si­­ewicz, 1951) Diese nennt auch Ockham zu­nächst:
„Nam si­cut propositio alia est neces­sa­ria, alia im­­­possibilis, alia pos­­­sibilis, alia con­tin­gens, ita
alia pro­positio est vera, alia falsa, alia sci­ta, alia ignota, alia pro­la­­ta, alia scripta, alia concepta,
alia credita, alia opinata, alia dubitata et sic de aliis.“ Ockham nennt also die Wahr­­heitswerte
„wahr“ und „falsch“ auch Modi. Das ist kon­se­quent, wenn er un­ter die Ebe­­ne des actus men­­
talis nicht hin­ab­steigen will. Luka­si­­ewicz p. 140 be­zwei­felt eine bloß in­ten­­si­o­nale Bedeutung
der mo­dalen Aus­drüc­ke: „as func­tions whose truth-va­lu­es do not depend solely on the truth-
values of their ar­gu­ments. But what in this case the ne­ces­­sa­ry and the pos­si­ble would mean, is
for me a mys­­te­ry as yet“.) Pin­borg legt Lo­gik und Satz­­lehre Ockhams auf die rein ex­ten­sionale
Be­deu­tung fest, die mit dem Datum der res ex­tra animam als Aus­gangspunkt und ihrem Nicht-
Ausschluss in der Erkenntnis deren inten­si­onale Bedin­gung en bei Ockham nicht löscht. Mit
Be­­rufung auf Pin­borg und Boeh­­­ner U. Eco, (dt.) Kant und das Schna­bel­tier, 2000, pp. 476–481.
Ock­ham ver­mehrt die Zahl der Modi und definiert mit Bezug darauf die proposi­tio mo­dalis:
„Et ideo sicut pro­po­­­si­tio di­citur mo­dalis in qua po­ni­tur iste modus ‘pos­­si­bi­le’ ‘necessarium’.
‘con­tin­gens’ vel ‘im­­pos­sibi­le’ vel ad­ver­bi­um alicu­ius isto­rum (also „possibili­ter“, „necessa­rio“,
„con­tingenter“ und an­de­re, auch „ab­sur­de“ etc.), ita pot­est dici ae­que ratio­na­biliter pro­po­sitio
modalis in qua ponitur aliquid prae­­dic­to­rum.“ Ockham bringt den mo­dalen Satz (+ Syllogis-
mus) via Unterscheidung von modo compositionis und modo divi­si­o­nis zu einem eigenen in-
tensionalen Gehalt und setzt ihn von der Existenz (Existenzaussage) ab. Es bedeu­tet Ex­klu­sion.
Die Existenz­aus­­sage wird auf Singularitäten bezogen und als insuffizient gegenü­ber dem ab-
strakten Er­kenntniswert ausgege­ben. Die Modi fungieren wie die Suppositionslogik überhaupt
intensional. W. & M. Kneale positionieren gegen Ockham einen Pseudo-Scotus mit derselben
Vielfalt von Modi (p. 243) und einer besseren Kon­sequenzenlehre (p. 288). Da Ockham sie nicht
kenne, soll der Pseudo-Scotus spä­ter sein. Was Ockham macht, sehen sie nicht.
142. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 41 lin. 4f.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 347

ein.143 Wir stüt­zen uns in der noti­tia in­­­tu­itiva auf die den termini geltende notitia
incomple­xa, mit der die Wahr­neh­­mung der res ex­tra animam verbunden ist. Man
hat bloß die notitia von terminus zu ter­­mi­nus, um den actus iudicandi auszufüh-
ren. Erst der davon ver­schiedene actus assentiendi be­zieht sich auf den gan­­­zen Satz,
der aus s und P besteht: den kontin­gen­ten Satz, da nur dieser der Ve­­ri­fi­­ka­­tion (bzw.
Fal­sifikation) offensteht. 144Weder übernatürlich noch natürlich ist die Realität nach
Qualität und Quantität im Sinn des Widerspruchsprinzips aufgewiesen:145 „pos­­­­set eti-
am probabiliter teneri quod Deus non posset facere tan­­tam caritatem in anima quin
pos­­­set facere in eadem maiorem.“146 Gott ist in seinem Handeln nicht explizit durch
den Wi­der­­spruchs­­­satz be­grenzt, der an quanta und qualia nicht ausgeführt werden
kann.147 Für suc­ces­sio und motus (in der Na­turphilosophie) gilt ebenso, dass die con-
tradicitio akzi­den­tell er­heb­­lich ist, aber nicht nach einer eigenen Gestalt greift. Sie
tritt nicht mit einer sol­chen an die Stel­­le der Realität, des factum in se etc.148 Hier gilt
denn auch die Ähnlichkeit mit Theo­­logie, Psy­cho­logie etc.149 Grundsätzlich muss die

143. Die experientia in se kann nicht erfahren werden, so wenig wie die res singularis extra ani­
mam. Erst mit der Annahme des actus mentalis können induktiv die Be­grün­dungen der refle­xi­
ven Aussagen über das Erkennen in Ty­pen von actus, Sätzen, conceptus gegeben werden.
144. Wir können zur induktiven Begründung von reflexiven Aussagen keinen Satztypus her­an­
zie­hen, der der em­pi­­rischen Ve­­rifikation überhaupt widerspräche, sie ausschlösse.
145. Ord. d. 17 q. 8 OT III p. 557 lin. 25 – p. 558 lin. 1.
146. Ockham persuadiert den Satz (ib. p. 558 lin. 2–8): „quando aliquae formae eiusdem ra­ti­
onis possunt esse in eo­­dem subiecto primo, non est contradictio quascumque formas eiusdem
speciei esse in eo­dem subiecto. Sed ali­quae caritates partiales possunt esse in eodem subiecto.
Igitur, quibuscumque datis, non est contradictio illas esse in eodem subiecto primo. Et ita
quacumque caritate data, non est contradictio quin Deus, faciendo unam carita­tem novam,
augmentet priorem.“ Wir steigen hier von einer abstrakten Ebene zu einer konkreten ab und
ex­tra­po­lie­ren auf dieser wieder. Der Widerspruchssatz ist terminus exclusivus. Die ‘persuasio’
schließt ihn aus. Der In­dex des Spe­kulativen, das H. Blu­men­­berg, 1966 p. 344 der Spätscholastik
vorhielt, ist darum bei Ockhams ‘persuasio’ schlecht angebracht.
147. Ebenso Rep. II q. 11 OT V p. 248 lin. 6–10: „dico quod nulla creatura magis necessario
habet esse quam alia ni­­si forte quia una potest corrumpi a pluribus causis: et alia a paucioribus,
quia una potest corrumpi ab agente cre­­­­a­to et increato, et alia ab increato solum. Et illud non
ponit maiorem vel minorem necessitatem.“ Diese causae und ihre im Vergleich unterschiedli­
che Anzahl werden nicht präsentiert. Sonst gilt für sie die conservatio. Be­züg­­­­­lich dieser sind
also causae cor­ruptionis subtrahierend zu denken.
148. S. z. B. Rep. II, q. 8 OT V, p. 151 lin. 6-9 „dico quod non est successio in motu nisi ratione
contradictionis; nec est dis­tinc­tio in­ter successivum et permanens nisi ratione contradicitionis,
quia omnia positiva in motu pos­sunt ma­ne­­re.“ Sc. de potentia divina absoluta. Im natürlichen
motus betrifft die contradicitio das acci­dens.
149. Etwa beim Engel. S. Rep. II, q. 8 OT V p. 159 lin. 14–17: „dico quod duratio angeli non est
tota simul, quia du­ra­tio ange­li connotat successionem cu­ius partes non sunt omnes simul, quia
348 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

successio als außerhalb des Sub­stanz­be­­reichs lie­gend ange­setzt werden:150 „dico quod
potentia, successio, immedia­tio non dicunt ali­quid po­si­­ti­vum ab­so­­lu­tum vel respec-
tivum ultra partes formae, sed connotant affirmationes et ne­ga­ti­o­­nes. Quia po­­tentia
significat posse habere formam, et connotat carenti­am eius; suc­ces­­sio et im­­­­­­mediatio
dicunt aliquid habere unam partem contradicitionis post ali­am vel aliquid ha­­beri
quod prius non habebatur.“151 Die ‘notitia intuiti­va’ muss nicht einem realen Gegen­
stand au­ßer­halb des Sub­jekts entspre­chen bzw. keine wirk­li­che Objektgegebenheit
dem Akt der no­ti­tia intuitiva (i.e. den beiden Ak­ten, actus ap­pre­hensivus und actus
iudicativus, die sie in sich verei­nigt). Darum kann Gott eine ‘notitia intuitiva’ ohne
Objektprä­senz statuieren oder auch im Men­schen bewahren, wiewohl diese Objekt-
präsenz besagt: denn notitia intu­i­tiva und Ob­­jekt sind als res absolu­tae per distinctio-
nem realem getrennt. So kann Gott ohne Widerspruch über die eine ge­trennt von der
anderen ver­­fü­­gen. Da­mit ist weder ein Fak­­tum aus­ge­sprochen noch dass es je die­­ses
Fak­tum ge­ge­ben habe.152 Sollen die Sätze153 „obiectum au­­tem notitiae in­­tu­i­ti­vae potest

tunc successio esset simul, quod in­­clu­dit con­­tra­dictionem.“ Doch (ib. p. 160 lin. 5f): „duratio
Dei est tota simul, quia Deus sic durat quod non pot­­est non durare.“ So ist er mit allen Teilen
seiner schon durchmessenen Zeit gleichzeitig (cf. ib. lin. 6–9).
150. Rep. II q. 8 OT V 5 p. 134 lin. 11–17.
151. Im Sinne der Aktualunendlichkeit kann Gott nicht han­­­­­deln oder operieren, weil er dazu
ac­ci­dentia oder Ver­än­derungen im Akzidentellen durch­­­­­lau­fen und so eine Bedingung für die
for­­ma oder substantia zu erfüllen hätte, die mit de­ren verläßlichem Begriffe nicht überein­stim­
men könnte. Eine solche Bestimmung, die im Grunde ei­nen Zusatz darstellt, lehnt Ockham aus­
drücklich ab. Nicht anders als Duns Sco­tus. Das Ak­­­tualunendliche so auch bei Wodham in der
bezeichneten negativen Bedeutung, die argu­men­tativ eine Exklusion (oder Unmöglich­keit) be-
deuten will. Wodham IS lb. III d. 14 q. 11 fol. 135 col. 4: „non contingit infinita per­­transire sicut
ar­gu­ebat Zenon. Nam si tot sunt partes secundum longum in isto spatio finito quot sunt futurae
cognitiones angelo­rum si­cut oportet dicere nisi detur ad individibilia cum con­­tradictio sit om-
nes futuras cognitiones an­ge­lorum pos­­­­­sibiles esse pertransitas igitur et in proposito est simile
impossibile“, nämlich wo es darum geht auch die kleins­ten Teile der Ak­zi­dentien zu durchlau-
fen. Ein Über­trag aus der Empirie in den Bereich der Theologie bzw. Psy­cho­­logie (theologi­schen
Psycholgie) findet wie bei Ockham statt. Zu H. Blumenbergs Deu­tung der Aktualun­end­lich­keit
als Gottes infinitas. cf. Kap. 5 Anm. 93.
152. Ockhams Om­nipotenzprinzip wird technisch den „ra­tiones“ an­­­­ge­fügt und schnei­det ac­
ci­dentia ab, wo die­se „fälschlich“ zum wesentlichen (not­wen­digen) Be­­­standteil einer essentia
oder forma gemacht worden wären. Da­mit tritt man ge­wöhn­lich un­an­ge­mes­sen aus dem Be­
reich der Subjektivität in die Realität hinaus und macht sie fik­­tiv zur Ba­sis der Erkenntnisakte
und ihrer Bestimmungen. Bei Ockhams Widerlegungen wird er­kenn­­bar, dass notwendige Zu­
sammenhänge (Bestimmungen) nicht durch kontingente Aus­sa­gen (Bezüge) de­finiert wer­­den
kön­­­nen. Die Ab­­­strak­ti­on ver­meidet diesen Fehl­griff.
153. Ord. Prol. q. 1, OT I p. 37 lin. 12f. Die notitia intuitiva ist dabei „per potentiam divinam
conservata“ Cf. ib. p. 31 lin. 14f.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 349

es­se non-ens.“ und154 „ad notitiam intuitivam non requiri­tur quod res sit prae­sens in
pro­pria existentia“ als negative Ausführungen (Zusatzbestimmungen mit Folgerakter)
zu­sam­men­stim­men, kann es nicht a parte rei sein: das non ens ist nicht generell ei­ne
res non prae­­sens in pro­p­ria exis­ten­tia und die res non prae­sens in prop­ria exi­­­s­ten­tia
noch kein non-ens. Es müs­sen also ‘Fälle’ sein, die in den Bereich des Akzidentel­
len ge­hören und so nicht in die essentia der notitia intuitiva fallen, doch mit deren
ratio über­ein­stim­­men. Sie kön­nen em­pi­­risch (induktiv) für den Formbe­griff eruiert
wer­­den: sie sind nicht zu exkludieren. Sie fallen in die ratio der noti­tia in­tu­itiva. Als
akzi­den­telle Umstände inhaltlich nicht ausgeschlos­sen sind sie als ex­­­tensi­o­na­le Grün-
de der De­fi­­nition (ratio) der notitia intuitiva ohne Belang. An­dern­falls wä­re man in­
haltlich bei falschen Erweiterungen des Begriffs und: bei fallaciae.155
Auch das significatum totale156 bleibt der Spaltung zwischen forma und accidens
un­ter­wor­­fen. Es kann nur mit einer oder der forma identifiziert werden, nicht aber
einem akziden­tel­len Augenblick:157 „dico quod motus quantum ad suum significatum
totale non pot­est esse in in­stan­­­­­­ti etiam per potestam divinam, quia Deus non potest
facere quod duo contra­dic­to­ria sint ve­­­­­ra in eodem instanti. Nunc autem motus for-
maliter includit multas contradicti­ones.“ Der Mo­­­­­ment (instans) hat kein re­a­les Sein
neben den res und von ihnen getrennt:158 „dico quod in­­stans non dicit aliquod ab­so­
lu­tum distinctum a rebus permanentibus, quia si sic, non pos­set De­­­­­­us conservare ali-
quem ef­fec­tum per aliquod tempus nisi corrumpendo infinita abso­luta. Quod videtur
inconveniens satis.“ Gott müss­­­­­­te eine unendliche Reihe von Zuständen durch­lau­­­fend
sie zerstören, damit, was gar nicht mit diesen identisch ist, nämlich die res perma­nens
oder der ef­­fectus conservandus, be­stehen könnten: das bezeichnet den Widerspruch
qua Stu­fen­­­dif­fe­renz, mit deren Exi­s­tenz oder Bewahrung die divina potentia absoluta

154. Ib. p. 38 lin. 1f. Es gibt dafür eine Induktion (ib. p. 36 lin. 15 – p. 37 lin. 3): „idem totaliter
et sub ea­dem rati­o­ne a parte obiecti est obiectum intuitivae et abstractivae. Hoc patet quia nulla
res est, saltem in istis infe­rioribus (auf Erden), nec aliqua ratio sibi propria sub qua potest res
intuitive cognosci quin illa cognita ab intell­ec­tu possit in­tellectus dubitare utrum sit vel non sit,
et per consequens quin possit cognosci abstractive … Et manifestum est quod quidquid reale
potest cognosci abstractive, potest etiam cognosci intuitive; igitur etc.“
155. Es gibt natürlich auch eine ratio obiecti, gemäß welcher Induktionen ausgeschlossen
(nicht mög­lich) sind, die ihrerseits die vor­greifliche Identität von obiectum und notitia zu besa-
gen oder gar zu bewirken hätten.
156. G. Leff, 1961 p. 16 spricht von einem negativen Verständnis des complexum sig­­­nificabile
bei Ni­­ko­­laus von Autrecourt: „The complex signi­fi­cabile … although he (Gre­go­ry) did not use
it in the negative man­­ner at­­tri­bu­ted to Ni­cho­las (s. Elie).“ Cf. H. Elie, Le complexe significabile,
1937.
157. Cf. Rep. II, q. 7 OT V p. 134 lin. 18–22.
158. Cf. Rep. II, q. 10 OT V p. 212 lin. 14–17.
350 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

zu tun hat.159 Ei­ne Disjunkti­on tritt zwi­­schen substantia (forma) und accidens ein,
welche sogar die Wahr­­­­neh­­mung (verifica­tio) be­­­­rührt:160 „possunt multa verificari de
instanti quae non pos­sunt ve­ri­fi­cari de re perma­nen­­te.“ Auch die Zeitmessung liegt
für die res außer­halb ihrer selbst:161 „dico quod non quaelibet res mensuratur tempore
vel instanti, sed so­lum quae habent duratio­nes.“ Da­­mit sind wir in ei­ner physischen

159. Freilich wahrt Ockham die Freiheit des Formbegriffs vor der Realität. Cf. Quaestiones
variae q. 3 OT VIII 8, p. 78 lin. 336 – p. 79 lin. 341: „di­­co quod non est da­­re minimum naturale
quin semper posset dividi in partes mi­­no­­­­res in infi­ni­tum, re­ten­ta eadem forma naturali. Si­­cut
patet de carne quod non est dare mini­mam carnem, quae non possit dividi in minorem, quia
omnis caro quantumcumque parva potest dividi in minorem in infinitum sal­tem per po­tentiam
divinam.“ Gott bewahrt die for­ma noch in der Nähe zur quantitativen und akzidentellen Auf­he­­
bung der Er­schei­nung. Dabei grenzt Ockham sich gegen Aristo­teles ab (ib. p. 79 lin. 341–348):
„Et ad Phi­­lo­­so­­­phum dico quod intelligit quod est dare minimum naturale et mini­mam carnem
quae pot­est naturaliter exsi­stere per se et resistere agenti extrinseco corrumpenti, – puta frigido
et cali­do etc. et aeri vel aquae etc. – ita quod si esset minor caro non posset naturaliter re­sistere
agentibus exteriori­bus, sed sta­tim propter de­fec­tum po­ten­tiae re­sis­ten­di cederet in corrumpens
sic quod cor­­rumpe­re­tur forma car­­nis et in­du­ce­retur forma nova alicuius alterius.“ Da­nach gibt
es die Möglichkeit die forma aus den Um­stän­den der Natur aufzuheben. Man gelangt da­hin,
dass die Ma­­terie oder deren letz­te In­gredienzien nicht mehr die qualitas oder forma carnis
bewahren müssen. Gott aber kann diese Zerset­zung (‘Vernichtung’) hemmen bzw. aufheben
(ib. lin. 349–352): „Sed pos­set Deus su­spen­de­­re ac­ti­o­nes agen­ti­um extrinsecorum et conserva­
re a corruptione, et semper dividere­tur in par­tes mi­no­res et mi­no­­res in infinitum, ita quod
numquam stabit divisio ad mi­ni­mam par­­­­tem car­nis.“ Gott steht auf der Seite der for­­­­ma, die
vom accidens her nicht angefochten werden kann. Die forma ist so des Wi­der­spruchs­mo­ments
und ent­sprechen­der Definitionen ‘ex accidenti’ ent­ho­ben. Auch die transmutatio qualitatum
müsste davon unabhän­gig sein.
160. Rep. II, q. 10 OT V p. 215 lin. 13f.
161. Rep. II, q. 10 OT V p. 229 lin. 17f.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 351

Welt; Gott verhält sich parallel zu ihr.162 Für ihn wird in der abstractio die distinctio
formalis erklärt und die distinctio ratione induktiv begrün­det.163
Wir können hier, wo Physik und Theologie, Erkenntnistheorie und Psycho-
logie gleicherma­ßen in Betracht stehen, aber auch förmlich abgedeckt werden, zu
Ockham sagen: Er­kennen ist insgesamt zu ‘Denken’ nach der Form der Erklärung sei-
ner Be­standteile und Be­din­­gun­gen ge­wor­­den; es wird mit der Be­wertung von Akten
gleich(wertig). Das ist die sehr ge­nerelle „‘Lö­sung’“ eines ganz speziellen Problems:
Ob ‘dieser’ Akt, ‘diese’ Aussage, ‘diese’ Operation oder Schlussform (eventuell nur

162. Es gibt keine perfekte Ähnlichkeit (Univozität der Begriffe) be­züg­lich Gott und cre­a­tura
(cf. Ord. d. 2, q. 9 OT II p. 335 lin. 23 – p. 336 lin. 5). Be­weisfähig­keit bloß im Sinn ei­ner abstrac-
tio, die quasi förm­lich über­em­piri­sche Begriffe verwendet, in dem Sinn die pro­po­sitio per se
nota (cf. Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 461 lin. 15–19): „Et id­eo quid­quid competit uni personae competit
alteri ubi non obviat relationis oppositio vel ubi non de­cla­ra­­tum est con­­trari­um in Scrip­tu­ra
Sacra vel ab Ecclesia vel sequitur formaliter ex talibus saltem medi­an­ti­bus pro­positio­ni­­bus per
se notis.“ (Zu diesem Satz cf. auch Nachwort) Nichts was essentiell oder auch akzidentell im
Men­schen ist oder von ihm ausge­sagt wird, kann unmit­telbar, im Sinne einer absoluten Ent-
sprechung, auf Gott über­tra­gen werden. Die Begriffe ste­hen in sich nicht wirklich fest. Auch
so gilt (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 10 lin. 5f): „ea­­dem con­clusio in distinc­tis scientiis per dis­­tinc­ta
media pot­est evi­­denter probari“, wobei Ockham die en­ge­­re Be­weis­art (etwa demonstratio po-
tissima und andere, weniger strikte) außer Acht lässt. Auch metaphy­si­­ca und the­o­lo­­gia können
diese sci­en­tiae distinctae sein.
163. Der Beweis, der eine bloß logische Struktur hätte, nach Ockham medi­um extrin­se­­cum,
wird verneint. Als me­dium extrinsecum kann auch ein mehr inhaltliches Prinzip, eine Regel
be­zeich­net werden, wie die folgende (Ord. Prol. q. 2 OT I p. 92 lin. 1f): „omnia agentia eiusdem
species specialissimae sunt ef­fectiva effectuum ei­us­dem ra­ti­onis.“ Ein Heilkraut in seiner äu-
ßersten Spezifität betrachtet muss immer densel­ben Heileffekt hervor­brin­­gen. Zu­mindest kann
es per consequentiam formalem behauptet werden, mit der dieses Prinzip also zu­sam­men­­geht
cf. ib. p. 91 lin. 18–23: „Per notitiam tamen evidentem alicuius contingentis et noti­ti­am unius
veri­ta­tis ne­ces­sa­ri­ae, non ordinatas in modo et figura (also in einen vernünftigen Syllogismus
geklei­det und einge­bracht), potest ac­­cipi notitia evidens conclusionis per modus declaratum“
((dieser Modus war ib. lin. 2–4, dass die notitia im Sin­ne einer einmaligen Wirksamkeit dieses
Heil­krauts nicht streng auf den erfahrenen Einzelfall beschränkt sei, viel­­­mehr bedingt zum ge-
nerelleren Beweis tauge, der weitere Fälle abdeckt: „ista notitia non sufficit – zum Be­weis- nisi
evi­den­ter sciatur quod omnia individua eiusdem rationis sunt nata habere effectus eiusdem
rationis in passo eius­dem ra­ti­o­nis et aequaliter disposito.“ Es muss also viel identisch sein,
z. B. der Kranke (passus) in der äußer­s­ten Spezifi­tät seines Leidens: passus eiusdem rationis
et aequaliter disposito)). Aber der Beweis kön­ne an­ge­­nom­men werden, „quia scilicet scietur
evidenter conclusio necessaria per unam contingentem evidenter no­tam, ex qua contingente
sequitur formaliter conclusio illa demonstrabilis.“ Der Beweis besteht qua Ab­strak­ti­on aus ei-
nem einzigen (evi­denten) Fall oder nach ib. p. 87 lin. 8 als „experimentum de singulari.“ Der
Beweis und die Ab­strak­tion (identisch, wie sie ja im Grunde immer sein müssen, zumal ein
Subjekt neben den Akten von Ock­­­ham nicht angegeben oder konstruiert wird) sind Erzeugung
der Notwendigkeit aus dem Ein­­zelfall, aber nicht im strengsten Sinn bindend. Die Einschrän­
kung hält den Vorbehalt fest und trägt über ihn hinaus.
352 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

gerade noch), ob ‘diese’ oder mehr ‘jene’ Begründung für Akte usw. suffizient sein kön-
nen.164 Man kann aber wie sie geschichtlich nur einmal und einzigartig auf­ge­treten
ist, ent­­­­gegnen, dass ‘alle’ anderen praktischen und eben spezielleren Intentionen un­
be­han­delte Re­ste von ‘Allgemeinheit’ und Fragwürdigkeit besitzen, die zum Teil bei
der Dis­­kussion der entsprechenden Philosophien, wenn sie interpretiert und erläutert
werden sol­len, nicht einmal be­merkt worden sind. An dem Vergleichsmodell, das wir
Ockhams Erör­te­run­gen entneh­men, können sie erkannt werden. Sie werden als Feh-
ler, sogar Fehlhaltungen, im­pli­zit über­zo­gene Erwartungen mit explizit schiefer Ein-
lösung diagnostiziert.165 So aber ist auch seine im­me­­di­­­a­te Wir­kung im ge­schicht­lichen

164. Ein Satz trägt da auch nicht per se Einsicht. Der Satz ‘Deus est infinitus’ (‘Deus est ens
infinitum’) etwa kann klas­­si­fi­ziert werden und erhält damit seinen Erkenntnisrang. Auch seine
Verwendbarkeit (z. B. im Beweis, Syl­lo­­gis­mus) kann man taxieren. Ent­ge­gen H. Blumenberg,
1966 p. 56, der hierzu bei Hob­­­­­bes Kredit aufnimmt, ist Vor­­stellbarkeit (Vorstel­lung) kein Maß­
stab für einen Satz, um über seinen ‘Sinn’ zu ent­­schei­­d­en und zu vernei­nen, dass er einen habe.
Denkbarkeit ist nicht Vorstellbarkeit, so dass es zu verurteilen sein könnte (p. 57), „dass mehr
ausgesprochen wird als im Denken vollzogen werden kann.“ Wenn wir in auch nur irgen­deiner
Weise for­ma­le Bestimmungen haben, überschreiten diese je Vorstellen in Richtung auf Un­wi­­
der­l­egbar­keit und Unwi­der­sprechbarkeit. Das bezeichnet übrigens einen a limine scholastisch
mitgege­be­nen Raum, in dem Ockham frei ope­­rie­ren konnte und seinen Vorteil durch gehäufte
Widerspruchsvermeidung ge­wann oder anstrebte. Von Voll­zie­hen ist bei Ockham nicht die Re­
de, weder qua Idee noch in der Praxis, selbst da nicht, wo der Syllogismus den ac­tus iudi­ca­ti­­vus
für einen Satz liefern soll. Noch die notitiae, wie Ockham sie ver­wen­det, beschließen in sich
nicht dem Sub­jekt im Sinne des Vermögens zukommende ‘in actu Ein­­sich­ten’. Weder no­ti­tia
intuitiva, be­ste­­hend aus notitia ab­strac­tiva (actus apprehensivus) und actus iu­­di­ca­ti­vus, noch
die­se einzel­nen oder die er­staun­­­licher­wei­se dann noch von der notitia intuitiva geschiedene no­­
titia ab­strac­ti­va tun das. Und nicht scientia und fi­des. Alle haben keine Qualität von Einsicht an
sich. Sie sind re­­latio­nes, d. h. dem was sie erfül­len soll, über­geordnet. Für sie sind Induktionen
möglich. Und zwar bei der De­fi­niti­on, bei ihrer pri­mä­ren Un­­­ter­­schei­dung und bei den kausal
relevanten Fallunterscheidungen, mittels derer sie noch­mals ge­trennt werden.
165. Im mittelalterlichen Kontext verwirft Ockham die realistische Ontologie. Ihre Be-
hauptungen erscheinen als ab­surde = widerlegbare. Sie taugen ihm nicht zu Begründungen.
Ockham bestreitet die Wahr­­nehm­barkeit ab­strak­­­­­­­ter all­ge­mei­ner Größen in re singulari; die res
selbst sind nicht in se wahr­nehm­bar (er­kenn­bar). Er bestrei­tet nicht, dass die­se Größen prä­di­
zierbar sei­en: Cf. Ord. d. 2 q. 7 OT II p. 264 lin. 4f. Aber: ib. lin. 9–11: „phi­loso­phus (Aristote­les)
et com­­­men­­­­ta­tor (Aver­ro­­es) per quiddi­ta­tem substantiarum intelligunt for­­­mam quae est altera
pars com­positi (ne­­ben der ma­te­ria)“ und ib lin. 13: „Et sic con­­cedo quod quidditates substan-
tiarum sunt sub­stan­ti­ae, quia istae quiddi­ta­­tes sunt par­­­­ti­cu­lares par­­tes particu­la­rium.“ Ockham
gebraucht die on­tologischen Ter­mi­ni re­fle­xiv. Sie helfen ein­­fassen, was wir erkennen können
und ausschließen, was nicht. Noch die conservatio mun­di per Deum wahrt das Ver­hält­nis der
ontologi­schen Paar­größen (for­ma und materia, sub­stantia und acci­dens) und erscheint so er­
klär­bar und rational. Die con­servatio mun­di garantiert unse­re Erkenntnis und zwar in­halt­lich
wie formal. Man den­ke nur an die conservatio notitiae intuitivae. Wir ha­ben Er­­kenntnis rati­o­­ne
ter­­­mi­no­­rum se­cun­­dum generales condi­ti­­o­nes cogitandi. Rationes und conditiones ge­winnen
wir per Abstrak­ti­on und induktiv. Ockham hat die ‘Onto­logie’ also, nicht a parte rei, sondern a
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 353

Magma der psychisch-psychologischen Re­fle­xe und Kon­­­ne­­­xe als viru­lent, dominant


und Reaktionen auslösend immerhin denkbar.166 Gott aber ist ein We­sen (essentia,
ens), das uns Ockham innerlich (intrinsece) über den Be­griff der rela­tio, nach au­­ßen,
i.e. zur Schöpfung hin, über den Begriff der forma schil­dert.167

parte actus mentalis gebraucht. Wo man sie für Be­stim­mungen a parte rei verwenden will, stößt
man auf Ockhams reprobationes, die sich unter die anderen erstel­len­den Beweise einrei­hen
und noch keine Behauptung secundum ‘tertium non datur’ liefern, sondern aus­schließ­lich eine
Negation. So­mit behalten sie eine lediglich intensionale Qualität.
166. Die Urteile Ockhams zu Vermögen, Satztypen, usw. sollte hier aber mit den Formen ver­
glichen werden, die die Philosophen in der Neuzeit gebrauchen und die als Veranlagungen des
Geistes die Bil­der abgeben, mit de­nen die Theologen der Neuzeit sinnstiftend ihre Theoreme
entfalteten. Denn die philoso­phi­schen Spiegelbilder des Gei­­stes sind die theologischen Sinnbil-
der, so dass die Theologen gar nichts anderes als ihren Stoff ausma­chen als darin gegeben oder
vorgegeben ist. Es ist auch so unsinnig, gegen Des­car­tes, der hier ei­ne idea innata ge­se­hen hat,
die Idee vom ‘ens infinitum’ auf geistiges ‘Unvermögen’ (Hob­bes) oder ‘Dumm­­­­heit’ (Voltaire)
zu­­rückzu­füh­­ren. Cf. H. Blumenberg, 1966 p. 56. Für Ockham stimmen in ‘deus est ens in­fi­
nitum’ die beiden Be­griffe zu­sam­men wie in ‘deus est creator’ und ‘deus est omnipotens’ usw.
Hier gibt es so noch keine Kritik: erst bezüg­lich der Verwendbarkeit in Syllogismen usw.
167. Die Relationen erhalten absolute Beweise, aber es werden nicht in ihnen absolute Fakten
bewiesen, die selbst ja auch nicht nach Relationen auseinander- oder zerlegt werden können.
Doch ist die essentia relatio. Die relatio ist für Ockham nicht ‘in’ der essentia. Wollte man es
annehmen, so müsste sie, vom obiectum unterschieden, zu­­gleich im obiectum sein. Er weist es
von der relatio ab, wie er es von der species oder vom universale abweist. Die re­probatio ver-
weist auf ein absurdum im Sinne der Identität. F. H. Bradley wollte den Relationsbegriff durch
das Ak­tu­­al­unendliche widerlegen. Cf. J. L. Borges, GW Essays 1932–1936, dt. 1981 p. 126f mit
Verweis auf Brad­­­leys Ap­pea­­rance and Reality, 1997 pp. 19–34. Für Ockham ergibt sich, unter­
scheidet man die relatio a fun­da­men­­­­to, das infinitum actuale: die The­se wird so wi­derlegt (Rep.
II, q. 2 OT V p. 32ff. Ib. p. 34 lin. 8f): „conti­nu­­um … est in­finitum in potentia propter partes
infinitas, quae ta­men fa­ci­­unt unum totum.“ Forma, bei Ockham re­la­tio nahe­ste­hend, wird zu
deren intensionalem significatum to­tale, i.e. wird nicht reell und akzidentell zerglie­dert; sie wird
nicht daran, i.e. ei­ner (nur) formellen empirischen Erscheinung, mehr ge­mes­sen. Das gilt im-
mer (cf. Ord. Prol. q. 4 OT I p. 158 lin. 2–7): „Aliqua au­tem passio, quantum est ex se, nullam
praesupponit dis­tinc­ti­o­­­­nem par­ti­­um quin simplici­ter potest poni qua­cum­que il­la­rum par­t­ium
circumscripta, et ideo nihil est ex­pri­mens quacum­que intrinseca suo sub­iecto cui pri­us vel no-
tius conve­nit quam subiecto, et ideo talis non est de­mon­stra­bi­lis.“ Re­la­­tio, nicht im ob­iec­tum
fundiert und ei­gens, sc. gegen die Empirie bewiesen, i.e. mit einer ra­tio verse­hen, die für sie
Reichweite, Bewandtnis, Dis­tink­­tion, Bezü­ge und Ver­bin­dungen besagt, kann au­ße­r­em­pi­­risch,
so meta­physisch oder jen­seitsweltlich ge­deu­­tet sein. Sie ist da­mit von dem obiectum entfernt
wor­den, des­sen em­pi­rische und sogar dem Widerspruch af­fi­ne Bedeutungen und Be­wandt­
nisse Elementarsätze aus­drüc­ken, die von der Re­la­tion und ihrer Deutung über­stie­gen werden.
Inte­res­sant Borges, op. cit. p. 127: „Brad­­­ley (schaltet) die pe­­­ri­­­odi­schen Abgründe Zenons (al­
so das Ak­­tu­­al­unendliche) … zwischen dem Subjekt und dem Prä­dikat, so­fern nicht zwischen
dem Subjekt und den At­tributen (ein).“ Das tut Ockham nicht. Wir be­fin­den wir uns bei ihm
mit relatio alias forma und sei es die forma propositionis nicht mehr auf einer iden­­tisch (oder
354 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Die Beziehung Gottes zur geschaffenen Welt aber wird, was ihn selbst angeht,
durch Kontin­genz bestimmt. Zugleich müssen die relationes, die wir für Gott, etwa
mit dem Begriff der spi­­­­­­­­­­ratio u. ä., also in Gott annehmen, von allem Empirischen ge-
schieden werden. Sonst können sie nicht verstanden werden. Sie werden im Sinne der
Empirie inkonsistent, absurd etc.168 Im Bereich der Schöpfung aber tangieren Beweise
bereits immer die Sphäre Gottes, u. a. mittels des Om­nipotenzprinzips, der persuasio
und mittels der Induktion.169 Hierin wird jedoch die Kon­­tin­genz für die Schöpfung

im­­­­plizit) em­pirischen Stu­fe. Ähnlich, nur zur Rea­li­tät der Zeit, J. E. Mc­­Tag­­gart, The Unreality of
Time, in: Mind, A Quar­ter­ly Review of Psychology and Philo­so­phy 17, 1908, pp. 456–473. Borges
erwähnt ferner Lotze und Lewis Carroll.
168. Wir sind da in einer Sphäre des Beweisens, für die empirische Bedingungen stricte und
vielfältig darstellbar nicht gelten können.
169. Wo das Omnipotenzprinzip, wenigstens in Relation zu empirischen Verhältnissen, ein-
tritt, kann die em­pi­ri­­­sche Bedingung des Beweisens, die in sich schon nicht vollgültig ist, als
Basis für den Induktions­schluss ange­setzt werden (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 48 lin. 24 – p. 49
lin. 3): „Si abstractiva non posset esse sine in­­­tui­t­iva Dei, igi­tur intuitiva (W 1495 erg. Dei !) es­set
causa essentialis respectu abstractivae, sed non nisi extrinseca: et quid­quid pot­est Deus mediate
causa extrin­se­­­ca potest immediate per se. Igitur potest (W 1495:) haberi (statt Ed. un­pas­­sen­d
face­re) abstractiva sine intui­ti­va et e converso.“ (Umkehrungsformel fehlt z. T. Mss, auch im
W 1495/ den App. om). Dass Gott eine notitia in­­tu­i­ti­va ohne no­ti­tia ab­strac­tiva ma­che, wi­der­
spricht em­pi­ri­schen Bedin­gun­­gen, da die notitia abstrac­ti­va neces­sa­­rio mit der notitia intui­ti­va
entsteht. Der Satz p. 48 lin. 2–4 „dico quod Deus, de potentia Dei absoluta, pot­est ta­­li du­­pli­ci
notitia cognos­ci, ita quod una sit intuit­i­va et alia ab­­strac­ti­va,“ bezieht die potentia Dei ab­soluta
bereits ein. Ockham sagt lin. 4f: „Ta­men difficile est hoc pro­­ba­re. Pot­est ta­men per­suaderi.“ Die
per­suasio er­folgt, in­dem denkba­re Ein­wän­de dage­gen ausge­räumt wer­den. Es wird also un­ana­
ly­­tisch ohne ter­tium non datur ‘bewie­sen’: ib. lin. 5–19. Das im Bereich über­welt­­­licher Verhält-
nisse induktiv er­mit­tel­te possibile gilt pro statu isto. Cf. p. 49 lin. 4–8 Die noti­tia intu­i­ti­­va bleibt
aber auch hier causa essentia­lis und causa extrinseca no­titiae ab­strac­ti­vae. In­dem Gott in pa­­tria
kraft sei­ner Allmacht von dieser Bedingung ab­se­hen kann, kann es ei­ne hy­po­­the­tische Gel­tung
der no­ti­tia abstracti­va auch pro statu isto geben. Notitiae intu­i­­ti­va und ab­strac­tiva bleiben be­
grifflich de­fi­­nit, wie es Ockham u. a. mit dem Univozitätsprinzip for­­dert (Ord. d. 2 q. 9 OT II 2
lin. 336 lin. 17–19): „pa­tet quod quan­tum­cum­que De­us et creatura sint re­ali­ter distincta, tamen
pos­sunt habe­re aliquem con­cep­tum uni­­vo­cum prae­dica­bi­­lem de eis.“ Cf. p. 48 lin. 23 f. Dass
Gott die (Ord. d. 45 q. unica OT IV p. 668 lin. 9) „causa im­me­di­ata om­nium eo­rum quae fi­unt“
sei, (ib. lin. 10) „de­mon­stra­­ri non pos­­sit ex puris na­tura­li­bus“. Da aber (ib. lin. 10f) „Hoc tamen
persuaderi potest“, ist die Begriffswertigkeit nicht ‘mehr’ gesi­chert. Beweisgrund ist, dass jede
causa secunda des concursus immediatus der causa prima, also Gottes, be­dür­fe. Keine causa
kann in se ihre Be­din­gungen cau­san­di enthalten; wäre es so, hätten wir eine Parallelität von
Be­weis- und Real­welt und bedürf­ten bloß jener um zu erkennen. Die Mittel dazu lassen sich
praeter experienti­am aber nicht herleiten und begründen.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 355

gewahrt.170 Indes wird der Begriff immer gegen sie zu retten ge­­­trach­tet.171 Das be-
deutet, dass der Begriff ideell und praktisch mit der Intellektion zusam­men­stimmt,
solange nur nicht Folgerungswertigkeit Element oder Kriterium der Aussagen, i.e.

170. Alles Verursachte ist kontingent. So auch wenn die notitia conclusionis durch die notitia
prae­mis­sa­rum (im Syl­­­lo­­gis­mus) verursacht wird. Cf. Ord. Prol. q. 8 OT I p. 222 lin. 14–16:
„concedo quod potest poni no­ti­tia prae­mis­­sarum sine noti­tia conclusionis; et idea notitia con-
clusionis est contingens quia est causat, quamvis sit de ob­iecto necessario.“ Gleich­wohl ist die
conclusio notwendig (ib. lin. 10–13): „Tamen quomodo est con­clu­sio neces­sa­ria? Non est in­
telligendum quod sic sit necessaria quia semper actualiter illo modo quo nata est es­se in actu
sit semper vera, ni­si forte in intellectu divino; sed est necessaria quia est vera, et numquam
potest esse falsa.“ Es ist klar und die Grundlage (bei allem und in jeder Bestimmung, auch
technischen Definition von Sät­zen etc.), dass ein Begriff oder Begriffsakt bzw. die (reflexive)
notitia dieses Begriffs keinen anderen enthalten und in dieser Wei­­se des Ent­­hal­tens und Ent-
haltensseins mit sich führen kann; so muss noch die Kausalität in men­­te ebenso wie in reali
von der Implikation geschieden werden. Die Implikation kann so weder vorausgesetzt und
verwandt, noch, was et­was an­dere wäre, begründet werden. Auch die notitia unius conceptus
kann nicht die ei­nes anderen ‘enthalten’. Das ist die Voraussetzung der Definitheit, weil sonst
ein Begriff nach einem anderen, also nicht a se (und mit sich selbst) iden­tisch wäre. Daraus
folgt, dass die Notwendigkeit von Sätzen unabhängig von der Ge­­win­nung oder Schö­pfung der
Begriffe bzw. Sätze ex reali, mithin der Erfahrung, ist. Wo das der Fall ist, auch beim Syllogis-
mus, ha­ben wir notwendige Sätze, bzw. (deren) Determinatheit. Wir können aber auch aus
diesen Sätzen nicht(s) fol­gern; täten oder könnten wir es, würden wir die Erkenntnis im Satz
(vermöge des Satzes) koin­zidierend mit der der Begriffe haben. Wir erkennten die Begriffe und
erkennten oder billigten den Satz überein­stim­mend damit. Wir hätten die propositio per se nota.
Für Ockham können wir aber außerhalb die­­­ser einen be­son­deren Satzart lediglich den actus
apprehensivus des Satzes bilden, i.e. diesen formieren, aber nichts in ihm und bezüglich seiner
erkennen und keinen assensus statuieren. Wo die propositio per se nota er­scheint, können wir
die consequentia formalis unterstellen. Zwischen den Sätzen des Syllogismus, die nicht die­sem
Satzty­pus an­ge­hören, kann es keine Implikation geben. Das Verursachen der notitia conclusio-
nis im Syl­lo­gis­mus liegt au­ßer­halb der Implikation; die conclusio selbst wird nicht verursacht;
denn hier kann der actus apprehensivus ge­bil­­det werden, wenn die ter­mini (con­ceptus) be-
kannt sind; aber sie ist dann noch nicht eingesehen oder gebi­l­ligt. Die con­­­clusio kann vor dem
Syllogismus bereits gekannt werden.
171. Hierfür tritt sogar noch die Unterscheidung von persuasio und demonstratio ein. Cf.
schon Kap. 1 u. passim. J. L. Borges, op. cit. p. 61 f. rühmt die Kabbalisten der Kontingenz
widerstanden zu haben. G. Scholem nennt sie naturfern. Beides bezeichnet weder zu Ockham
noch zum gesamten Mittelalter eine wirkliche Differenz.
356 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

ihrer Elemente unter sich, ist172 oder aber die res extra als Wahrheitsmoment ihnen
beige­schla­gen wird oder gleichsam wie intensional einverleibt erscheint.173
Ockham ord­net Be­weis­leh­re und The­ologie praktisch gleich und verleiht ihnen
eine welt­li­che Na­tur. Sie kann nicht für die See­­­le aus­­­ge­­legt werden etwa in Bezug auf
deren Eigen­schaf­ten und Bestand­tei­le, die, als Bereich oder Ele­ment mit der Neuzeit
aufkommt, aber für de­ren Ver­­ständ­nis und Selbst­ver­ständ­­nis und das der neu­zeit­li­
chen Sub­­­­jekte nichts tun kann. Das Mit­­­­tel­alter be­rei­tet die Neuzeit so denn nicht vor.
Über den Nominalis­mus, der aufs Zei­­­­chen hin ange­legt und selbst über es darzustellen
ist, lässt sich diese Ein­sicht oder Cha­­­­­rak­­te­ri­s­tik er­­­­rei­chen­.174 Ockham hat einige For­
meln der Aussa­gen­lo­gik ebenso media extrinseca ge­­nannt wie das me­dium extrinse­
cum, das eine causa extrinseca enthält. Nach Ockham175 kann die di­vi­na essentia ratio
cognoscendi und medi­um im Syllogismus sowohl in re wie nach dem hu­ma­nen ac­
tus apprehensivus sein. Der Syllogis­mus mag dem Men­schen eignen und doch ei­ne

172. Es ist z. B. nach Ockham Ord. Prol. q. 1 OT I p. 49 lin. 10 – p. 51 lin. 6 unklar (dubium),
ob derjenige, der die divina essentia intuitiv erkennt, also in der visio be­atifica, ihr zufolge jene
theologischen Wahrheiten erken­nen kön­ne, die pro statu isto als kontingente und un­erkennbare
Wahrheiten einzustufen wären. Für sie müsste ja die definierte Ableitbarkeit fehlen. Solche
Wahr­hei­ten wären p. 50 lin. 5 „‘Deus est incarnatus’“, p. 50 lin. 22 – p. 51 lin. 2 „‘resurrectio mor-
tuorum est futura’, ‘ani­ma beata perpetuo be­a­ti­ficabitur’ et huiusmodi veritates contin­gen­­tes de
futuro“.
173. Seine Verneinungen (Bestreitungen) belegt Ockham durch Induktionen. Cf. ib. p. 38
lin. 15 – p. 41 lin. 8.
174. Wenn Ockham (Ord. d. 35 q. unica OT IV p. 474 lin. 6 – p. 475 lin. 24) besonders erörtert,
ob der Satz ‘De­us in­tel­lexit creaturam’ ante creationem mundi wahr ge­we­sen sei (sein könne),
hat er drei Bezüge: die divina es­sen­­tia, die für ihn de facto ab aeterno intelligens war (ist), die Be­
griffs­­taug­lich­keit des signum ‘intelligens’ be­züg­lich der Sache’, hier Gott, und den menschlichen
Satz, der an das Erscheinen des Menschen in der cre­a­tio ge­bun­den ist. Aus der Tatsächlichkeit
der Intelligenz Got­tes kann weder auf die Qualität des Zeichens ‘in­tellige­re’ ge­schlossen werden
noch auf die Wahrheit der Aus­­­sa­ge quoad nos; sie sind auch nicht Bedingungen der Sa­che (res),
wenn wir nämlich von Gott sagen wollen, er sei ens intel­li­gens. Erkennbar hält Ockham an der
Zei­chen­haftigkeit des Begriffs fest, den er damit nicht per se nach einer inneren Verfassung
oder Qualität für erken­nend hält. Wieder ist auch erkennbar, dass der mensch­li­che Begriff
angesichts Gottes (per se) nicht not­wen­­dig ei­ne Er­­füllung hat (und der Satz, der damit gebildet
wird, ebenso nicht) und dass der Begriff eben damit Zeichen hei­ßen muss; er muss dann formal
reguliert werden, damit wir über­haupt von Erkenntnis sprechen kön­nen. Die Lo­gik ist als eine
negative in das Verhältnis von Gott, Mensch, Erkennen und Erkenntnismittel einge­schlos­­sen
und produziert sich daraus. Alle andere Logik ist danach bedingt oder unbedingt nebensäch-
lich, wie Ockham in der quaestio erkennen lässt, wenn er sie bagatellisierend be­handelt, indem
er ihre Problemvor­wür­fe als für die Sa­che nicht ergiebig abtut und darum oder eben überhaupt
nicht behandelt und beantwortet.
175. S. Ord. Prol. passim. Eine ratio cognoscendi kann nicht die ‘idea’ sein (Ord. d. 35 q. 5 OT
IV4 p. 507 lin. 2f).
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 357

for­mell un­be­stimmte Reich­wei­te haben. Die visio beatifica be­deu­­tet da kei­ne Gren­ze.
Aber die mit dem medium im Syllogismus verbundene Beweis­füh­rung muss den für
die on­­­­­­tologi­sche Klassifikation der Begriffe relevanten Aufhebungen der sig­nificatio
alias singu­la­­ria (= res singu­la­res) entsprechen.176 Boolesche Algebra und Aussagen-
logik können die Be­­weis­norm wahrscheinlich nicht mehr abgeben.177 Ockhams Be-
weisverständnis ist so tiefliegend, dass be­reits in der Ten­denz das Sco­tische Be­wei­sen
abgelehnt werden muss­te.178

176. Vom determinaten Satz darf nichts ausgehen, was auf die Realität der singularia ginge; es
ist dies wo­­mit die Fol­ge­rung negiert ist. Es bedeutet auch, dass Folgerung intensional möglich
ist, aber sie darf dann kei­nen von den Inhalten getrennten Sinn haben. Die als Logik von den
Inhalten getrennte Beweisart kann es letzt­lich nicht ge­­ben. In den Kapiteln 9–11 wird dies be­
züglich der reprobatio behandelt.
177. Cf. dazu L. Wittgenstein, 1921, 6.031: „Die Theorie der Klassen ist in der Mathema­tik ganz
überflüssig,“ da „die Allgemeinheit, die wir in der Mathematik brauchen, nicht die zufällige
ist.“ Er sieht offenbar beim ‘aus­sa­gen­­logischen Kalkül’ (G. Frege) Notwendigkeit, bei der ‘Alge-
bra der Logik’ (E. Schröder) Kontingenz.
178. Hier sind denn elementare Entscheidungen über theologische Gehalte, Vorstellungen,
Begriffe usw. schon un­ter­­halb der hohen Beweisform des Syllogismus und der in seinem Sinne
äquivalenten Erörterungsformen mög­­lich. Sie nennen die Kernkompetenz des Begriffs. Anders
als F. Hoffmann, 1941 meinte z. B. p. 123 „So wä­ren… ge­genüber Ockham die Aus­füh­rungen
Lutterells über den Schuldcharakter der Sün­de bedeutungslos, weil diese den inneren Wert
oder Un­wert einer sittlichen Handlung als solcher aner­ken­nen, während Ockham al­le sittli-
che Ord­nung allein auf eine will­kürliche Anordnung Gottes zurückführt.“ Ockham nimmt so
kei­­­­nen mythischen Schuld­cha­rak­ter in der Sün­de an; sie ist Verfehlung qua Wider­setz­lich­­keit
gegen Gottes po­s­i­ti­­ve Gebote. Es bleibt von ihr nichts in der Seele zurück außer vielleicht ein
habi­tus. Der aber kann keine inhalt­li­che Bedeutung haben, an sich nicht und weil diese allem
Denken und Meinen oder Wol­len Gottes selbst wider­stün­de, da so et­was Sünde außer­halb von
Got­tes Willen zu sein hätte und gegen Gott als acci­dens Widerspruchs­cha­rakter besit­zen dürf-
te: in der Welt und zu­gleich auch außerhalb der Welt. Cf. Rep. IV, q. 3–4 OT VII p. 52 lin. 16ff:
„non vi­de­­tur verisi­mi­le quod Deus in­fundat unum ha­bitum ni­si expellat habitum contrarium.“
Es­sen­ti­elle Ver­derbt­heit in­­folge des Sün­­denfalls nimmt Ockham nicht an (ib. p. 54 lin. 8f):
„adulto non potest remitti pec­­ca­tum origina­le nisi etiam remit­ta­tur pecca­tum actuale.“ Da (ib.
p. 52 lin. 10f) auch die „vir­tutes morales natae acquiri ex ac­­ti­bus non infunduntur“ per De­
um „in baptismo“, ist der kulti­sche Taufakt in­­haltlich bedeutungslos. Ockham gleicht zwi­schen
Gott und der Welt aus. Beide werden als to­po­logische Rand­punkte der menschli­chen Exis­tenz
nicht be­grifflich gefüllt und er­schöpfen ihre Funktion als Rand­punk­­te. Cf. hierzu auch ib. p. 55
lin. 17f: „deus nul­­li­us est debitor.“ (Cf. Kap. 3 Anm. 100 und Kap. 5 Anm. 49) Ockham kommt
nur bis zu einer positiven und summa­ri­schen Aus­le­gung des Erlö­sungsakts (ib. lin. 19–21): „Ex
hoc quod de­us facit aliquid, iuste factum est. Exem­plum: Chris­tus nun­­quam peccavit et ta­men
fuit punitus gra­vissime usque ad mor­tem.“ Die Begrif­fe, die der scho­las­ti­schen Re­gu­lati­on aller
Materien dienten und ent­stamm­ten, werden das Dog­ma am Ende zwangs­läu­fig eben­so de­s­tru­­­
ieren wie sie selbst überhaupt destruiert werden und bei diesem Thema so wie bei vielen oder
al­­­len, sich aufhe­ben, i.e. obso­let erscheinen: der Aspekt der signi­fi­catio lässt wie im­mer nicht zu
dem der Ab­strak­tion sich he­­ben; kardi­na­­le Ordnungsbegriffe nä­hern sich einem to­pologischen
358 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Erschlossen forma und ac­ci­dens als Begriffspaar na­tur­philosophisch die Welt


nicht bündi­g, da sie ein Verhält­nis der Inhärenz für subiectum und passio nicht be-
deuten konnten, so ver­wen­­­­det Ockham sie in der Theologie, indem er bestimmte Kon-
sequenzen als irrig (nicht zwin­gend) ausweist. Ockham über­schrei­­tet da dog­ma­tisch
nicht notwendig die lex com­mu­nis.179 Gehen forma und accidens formal bereits für

Rand­punkt wie dem Wi­der­spruchssatz, der bei Ockham die unbe­ding­te Rele­vanz einbüßte.
Ockham reicht mit sei­nem in sich re­duk­­tiv gehandhab­ten scho­las­­ti­­schen Werkzeug nicht in
den mythischen Be­­reich des ‘Er­lö­sungs­faktums’ hinein, wie nicht in den der ma­te­­ri­­­el­len Welt.
Bei­de haben und be­wah­­ren die Af­finität, die sie wohl im­mer ge­habt ha­ben. Gott wirkt hier
auch kei­­­ne Wunder. Gott wird von ihnen ge­trennt. Auch so ist er nie­mands Schuld­ner und
ist der alttesta­men­tarische Gott, den E. Gilson Duns Scotus zu­schrieb. Zur Formel Gott sei
ni­e­man­­­dem ver­pflichtet s. auch Quae­s­ti­ones va­ri­ae q. 1 OT VIII p. 26 lin. 578 Für Ockham ist
eine Hand­lung Sünde nicht we­gen der (ib. q. 7 art. 4 p. 386 lin. 4–7) „dif­for­mitas in actu vel
pec­catum in ac­tu non est carentia rec­ti­­tudi­nis debitae inesse actui“ wie er ge­gen Duns Sco­tus
festhält, son­dern wegen „ca­ren­tia rectitudinis de­­bi­tae in­es­se voluntati.“ Der Will­­e un­ter­­­lässt ei­
nen durch Gott aus freiem Wil­len ge­bo­­tenen Akt. Damit wird die Na­tur frei­gegeben. Ockham
ge­braucht pec­ca­re für Gott und den Men­schen gemäß den Regeln und Bewei­sen, die er gibt.
Die Natur ist auch so frei, dass der Kult­akt kei­nen Wan­­­del bewirken kann (Rep. IV, q. 3–5 OT
VII p. 45 lin. 3f): „tan­­­tum cre­di­­tum est om­nem culpam dimitti in bap­tis­mo. Nec pot­­est hoc os­
tendi ratione naturali.“ So müsste von ei­ner ver­gan­ge­nen Verfehlung (ac­tus pec­­­ca­ti) ein habitus
ge­blie­ben sein, der im Taufakt getilgt werden könnte. Es muss den ha­­bi­tus nicht geben: Der
actus pec­cati mag kei­nen habitus zu­rück­ge­las­sen haben. So muss die all­ge­­mei­ne Aus­sage bestrit-
ten werden. Dies heißt, dass cre­­dere und pro­bare einan­der er­heblich entgegenstehen; es kann
am En­de überhaupt nicht gesagt wer­den, was ge­­glaubt wer­den solle, so wie nicht gesagt werden
kann, wie die Til­gung der Sünden geschähe. Die ra­tio gibt, so weit wie es ihr mög­lich ist, die
Lehre, statuiert sie. Nicht­be­weis­bar­keit liegt mit Be­zug auf formell all­­­­ge­mei­ne Be­­griffe wie u. a.
ha­bitus und actus vor, wenn die em­­­pi­ri­sche Be­stä­ti­­gung er­­kenn­bar ent­fällt. Dass es ge­zeigt
werden kann, bedeu­tet stets: (die) significatio kann nicht in ab­stractio über­setzt werden. Das ist
ab­strakt be­weis­­bar und allgemein. Konnten wir mit Ockham zeigen, wa­rum ein be­­stimm­­­­ter Be­
weis aus­ge­schlos­sen ist, ist die ent­­spre­chen­de Aussage wi­der­legt. Doch nicht ana­ly­tisch durch
in­di­rek­­ten Be­weis: die neo­po­siti­vis­tische Di­cho­­to­­mie von analyti­sch und em­­pi­ri­sch ist so nicht
zwin­gend.
179. Cf. Ord. d. 17 q. 8 OT III p. 567 lin. 6–8: „non est contradictio quod esset ali­qua ca­ri­tas
maior ca­ritate Chri­s­ti, quia non est contra­dic­tio quod Deus faceret aequalem ca­ri­tatem caritati
Christi et il­lam uni­ret ca­ri­tati Christi. Ve­rum­ta­men de potentia Dei ordinata non pot­­est esse
aliqua caritas ma­ior cari­ta­te Christi.“ Ockham erörtert ib. d. 17 q. 1, ob nach der Tod­sün­­de
(oder we­gen der ‘Erbsünde’) in der See­le eine forma zu­­rück­bleibe, derentwegen Gott den vi­ator
vom ewi­gen Leben auszu­schlie­­ßen habe oder ob es ei­ne solche nicht ge­be. Er schließt sie aus.
Er zieht das Wider­spruchs­­prinzip hy­po­the­tisch heran. So ib. p. 455 lin. 12 – p. 256 lin. 1: „Ego
au­tem pono quod nul­­­­­la forma, nec naturalis nec supra­na­turalis, potest De­um ne­cessitare quin
non in­clu­dat con­tra­dic­tionem quod ta­lis forma quae­­cumque praevia beati­tu­dini sit in anima,
et tamen quod Deus numquam ve­lit sibi conferre vi­tam aeternam. Immo ex mera gratia sua
li­be­raliter dabit cu­icumque dabit, quamvis de po­tentia ordinata aliter non pos­sit facere propter
leges volun­ta­rie et con­tingenter a Deo ordinatas. Et sic loquun­tur Sancti in ista mate­ria.“ Er
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 359

die Naturphilosophie nicht inein­an­der auf, so werden sie in der Theologie der Erstel-
lung determinater Aussagen quasi nur durch die Ab­schei­­dung von Aporien dienen,
indem sie den in sich physischen Bestandteil un­se­res Le­bens, die nicht ausschließbare
Referenz darauf, nicht für einen Aufbau verwenden, der nach dem Ver­hältnis von
forma und accidens nicht angeht, d. h. nicht schlüssig ist, zu in­de­finiten Be­grif­fen
(Begriffsverständnissen) führt.180 Auch die Bindung des Begriffs der Mo­ral, der Tu­
gend, der Sünde an das positive Gebot Gottes ist rational. Anders müssten in der
äu­ßeren Hand­­lung das accidens oder accidentia über die substantia entscheiden oder
die sub­stan­­tia auf accidentia einwirken; beides ist irrational. Es unterwürfe Hand-
lungen Wertigkeits­schwan­kun­gen.181 Den sancti freilich spricht Ockham eine höhere

ver­wahrt sich gegen Pela­gi­us, (ib. p. 456 lin. 2ff) „qui ponit Deum … posse necessitari et non gra­
tu­itam et libe­ra­­­­lem Dei acceptationem esse necessarium.“ (ib. p. 455 lin. 7ff:) Wohl könne nichts
auf Erden Gott nöti­gen, das ewi­ge Le­ben zu gewähren, doch gelte „aliquam supranaturalem
formam creatam a Deo necessitare De­um.“ Nach Ockham indes kann Gott qua Widerspruch­
sprinzip laut der potentia ordinata gezwungen werden = gemäß un­s­e­­rem empirisch bedingten
Verständnis. Der in sich negative (nicht sachgleiche) Widerspruch affiziert nicht Gott.
180. Die augmentatio gratiae (oder caritatis) fällt in die forma accidentalis und kann so „in
infinitum“ ge­steigert werden. Sie hängt da aber vom subiectum ab. Christus hatte die (Rep.
III, q. 8 OT VI p. 261 lin. 21–23) größt­mög­­li­che gratia „de potentia Dei ordinata (also nach
den Bedingungen der lex communis), non absoluta“. Auch Gott ist hier zunächst gebun­den
(ib. p. 262 lin. 18–20). Man kann auch sagen Gott vermöge was die Natur ver­mag (ib. p. 253
lin. 225 lin. 11 – p. 261 lin. 2) Das gilt dann in beiden Rich­tun­gen. Eine andere Ansicht steht nach
Ockham (ib. p. 262 lin. 7f) dem frei „cui non tamen placet iste modus dicen­di propter reveren-
tiam Chri­s­ti.“ Die­se kann also für Ockham nicht die erste Rolle spielen. Sie geht also nicht in
eine rationale Auffassung ein, die ih­rerseits wieder für Theologie und Physik gleichermaßen
gilt. Ockham un­­terscheidet für unser Den­ken nicht streng zwischen Jenseitswelt und Erdenre­
alität, ja überhaupt nicht, cf. Ord. Prol. q. 12 OT I p. 345 lin. 3–5 „et ideo sive Deus ponatur a
aparte subiecti sive a parte praedicati, ta­lis veri­tas erit theologica, ma­xi­me cum pos­sit haberi
naturaliter.“ So bleibt er in der Mit­te zwi­­schen Gott und Welt (Empirie) stehen. Die phy­sische
Wirk­lich­­keit unterhalb der psy­chischen kennt keinen Aufbau; sie ist nur Bewe­gung. Sie lässt
gar keinen Auf­bau zu. Phi­lo­sophi­sche Wahr­heit oder Er­kennt­nis kann phy­sisch nicht Relevanz
ha­ben. Cf. Giordano Bruno.
181. Cf. Quaestiones variae q. 7 OT VIII pp. 323–407. Ockham widerlegt mittels der Aktualun­
endlichkeit. Er spricht (Rep. III, q. 11 OT VI p. 427 lin. 8) z. B. „de ac­tibus interi­o­ri­bus qui pro-
prie et intrinsece sunt virtuosi.“ Sie könnten nicht den realen äu­ße­ren Wert in sich auf­neh­men,
den es gar nicht gibt. Auf Gottes positives Gebot ausgerichtet sind Handlung, Be­wusst­sein und
Wil­le nur bestimmte zu ihm sich akzidentell verhaltende Größen. Das bedeutet ei­ne gesicherte
logische Relevanz: es entfällt die vor­lo­­gisch defizitäre Nichtstruktur, bei der es auch keine Argu­
men­tation geben kann. Der actus vir­tu­o­sus ist dann nicht mehr vitiosus (Q. v q. 7 p. 328 lin. 128
„stante praece­p­to divino.“ Ockham hatte al­len anderen Scho­las­ti­kern vor­hal­­ten können oder
müssen, solch ei­ne ge­diegene (be­standsfähige) Argumentation nicht auszufüh­ren. Gott kann
die praecepta aber auch nicht will­kür­lich abän­dern. Ockham kommt Kants ‘kategorischem Im­
pe­­ra­tiv’ na­­he: er nennt Rep. III q. 11 OT VI p. 425 lin. 6f für die Verbindung der Tugenden als
360 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Erkenntnisfähigkeit als dem Ge­mein­men­schen zu.182 Wie sie ausgestattet wären, ist
allerdings zu fragen. Den Sancti als den Men­­­­schen mit besonderem Wandel könn­te
höhere geistliche Ein­­sicht hin­sicht­­­lich der dis­ci­pli­na christiana zugesprochen werden;
es könnte auch da­ran ge­dacht wer­den, dass ihnen in der Aus­­­legung späterer Zei­ten ei­
ne überlegene Erkenntnisqualität zu­wuchs. Ei­ne überra­gen­de Rol­­­­le gibt ihnen Niko-
laus von Autre­court, mit der sie dem aristotelisch-scholastischen Er­kennt­­­­­nisstre­ben
über­le­gen seien. Das wird zur allgemeinen theologischen Haltung (Jean Ger­son). Sie
muss mit der ei­gentümlichen Leistung Ockhams, The­ologie und rationale Er­kennt­­nis
(scientia) miteinander aus­zugleichen (sie gleichnamig zu ma­chen), nur noch in dem
bedingten Sinne überein­stim­men, dass auch spä­­­ter von der The­o­­lo­­gie der genuine
Ver­nunft­sta­tus nicht ab­­­getrennt werden konnte. Dabei ist bei Ockham die Struktur
des Den­­kens on­to­logisch affi­ziert.183 Aber er beginnt argumentativ auf seiner Basis als

‘principium’: „omne dictatum a ra­ti­one propter debitum finem, et sic de al­i­is cir­cum­­stantiis
esse faciendum, est faciendum.“ Ockham zieht eine Folgerung (ib. p. 426 lin. 20): „Ex istis pa­tet
nul­­la virtus mo­­ra­­lis re­pug­nat alteri.“ (cf. auch: wenn der finis nicht gewollt werde, werde die
Sache nicht ge­wollt. Ebenso zum ‘gu­ten Willen’ (Q. v q. 7 p. 329 lin. 139–141): „secundum Sanc-
tos nullus actus est laudabi­lis … nisi prop­ter in­ten­tio­nem bo­nam.“) Die verdienstlichen Akte
können ein­an­der nicht widersprechen: eine Tat ist nicht gut, wenn sie an­­de­re Gebote verletzt.
Cf. o. Anm. 68. Die par­tielle Nähe der moralischen Maxi­men­er­kennt­nis zur ‘pro­­posi­tio per se
nota’ nach Ockham (cf. Q. v q. 7 p 330 lin. 6–9) kann uns ins Bewusstsein heben, dass die auf
Kant fol­gen­­de Trans­­zenden­tal­philoso­phi­e (Reinhold, Fichte) sich doch ziemlich auf Aussagen
die­­ses Typus stüt­ze, und daher un­mit­telba­re Evidenz und subjektive Auto­no­mie (Independenz)
quasi einen alt­be­kann­ten Grund haben mö­­gen und allgemei­ne Erkenntnis zum Subjekt und
sei­nen Vermögen wie schon bei Kant nicht sehr von der Mo­ral ge­trennt zu halten imstande
ist. Dass die propo­si­tio per se nota auch in der theologia ih­ren Platz habe, sei er­wähnt: ‘Pa­­ter
pri­or filio’. Der Akt ist als innerer Akt in Bezug auf die Moral Akt des Wil­lens (Q. v q. 7) und so
denn auch mit der intentio bona aut mala ver­bun­den, die quasi mehr sein ‘Gegen­stand’ ist als
irgendein äußeres Tat­mo­ment, das Wertungen bloß sekundär unterliegt. Das ist verständ­lich:
‘eine Gru­be zu gra­­ben ist noch nicht schlimm’. Bö­se ist es nur (ib. p. 329 lin. 134ff) „se­cun­dario et
per quandam deno­mi­na­ti­o­nem ex­­­trinse­cam, … con­­formiter actui vo­lun­tatis“: wir wollen, dass
jemand hinein­fal­le und richten es ein.
182. Ord. d. 35 q. 5 OT IV p. 502 lin. 15–17: „multa sunt cognoscibilia a Sanctis, quae ab aliis
propter defectum ex­ercitii et experientiae cognosci non possunt.“
183. Dass im Umkreis der substantia, die causatio erleidet oder ausübt, alles accidens sein
muss, soll sie nicht durch Wir­­kungen aufgehoben wer­den, ist einsichtig. So wirkt der Leib (cor-
pus) auf den Geist (spiritus) nur akzi­den­­­tell ein (Rep. II, q. 14 OT V p. 326 lin. 21f) „potest
tamen agere in sp­i­ri­tum partialiter aliquem effectum acci­den­­ta­lem“ und vermittelst des Lei­bes
gilt auch vom Fegefeuer (ib. lin. 23f): „Certum est quod ignis infernalis vel pur­ga­torius sic agit
et affligit spiri­tum.“ Der Geist wird mithin nicht bis ins Wesen „bekümmert“: seine ‘Läu­­te­rung’
geschähe nicht als Ein­wir­­kung, die Mu­­ta­ti­on wäre. Ockham hält Größen für ein denkbares Welt­
bild fest, das durch die Theologie hin­­durch auch phy­sikalisch gilt et vice versa. Zur Wirkung
von accidens und Kon­­tin­genz im Urteilen cf. noch Chr. Mar­l­o­we, Faust, I, 4: „Hat mei­­ne Formel
dich nicht her­ge­­­zo­gen? Sprich!/ Die Ur­sach war sie, doch per ac­ci­­dens.“ Da aus der substantia
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 361

der mensch­li­chen Be­grif­fe, auf die alle Argumente hinauslaufen und für die sie gelten.
Das gilt auch für die Theo­lo­­gie und be­zieht Realwis­sen­schaft lediglich ein, indes so,
dass Theologie und Realwissen­schaft keinen Ge­­­gensatz bilden müssen.184 Für diese

ein accidens nicht abgeleitet wer­den kann und we­der im ac­ci­­dens noch in der es­sen­­tia dafür
ein An­satz, vorliegt, muss das ac­cidens (praedica­tum) je­den In­halt im Sinne ei­­ner Re­lat­ion
besagen und diese als für die substantia (subiectum) nicht ableitbar erschei­nen. Das gilt auch
für die di­vi­na essentia: cf. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 111 lin. 6–10. Alle ib. p. 117 lin. 14–24 genann-
ten be­­weis­­bar­en pas­­si­o­nes müs­sen neben der Tatsache, dass sie in unserem Geist appre­hen­­siv
gebildet werden kön­nen, bloß be­zwei­felbar sein. Für die p. 111 lin. 6–9 genannte „con­clu­sio …
quod nihil in­­trin­se­cum Deo potest de divina es­sen­tia divina de­­mon­s­trari“ gilt bei Ockham ib.
lin. 10: „pot­est persua­de­ri“. Beim „Beweis“ (ib. lin. 10–21) re­kur­riert Ockham u. a. (lin. 17–21)
auf eine Erkennt­nis der divina essentia bzw. Dei, in der nur relatio oder per­so­na ent­halten sein
könn­ten. Das muss u. a. bedeuten, dass bezüglich der divina essentia für Sät­ze, die sie be­treffen
(Sät­­ze, die determinat sein sollen), die Anwendung der ontologischen Grundbegriffe forma,
relatio, cau­­­sa, ac­­ci­­dens, res, materia usw. von Bewei­sen dependiert, die als reprobationes mit
häufigem Ein­satz von und Bezug auf die Suppositonslogik nicht über ein Verhältnis von relatio
und essentia auf­gebaut sein kön­­­nen; des­halb gibt es da die reprobatio. Die reprobatio ist dann
ontologiebezogen als Beweis positiv. Cf. dazu Kap. 4 u. Kap. 9–11.
184. Ockham kennt allerdings formell immer ein über conceptus hin­ausgehen­des Zei­chen,
das noch Er­kennt­nis­mit­­tel wäre (Ord Prol. q. 9 OT I p. 266 lin. 5–8): „In is­ta pro­po­­­si­ti­o­ne
‘om­­nis homo est r­i­sibi­lis’ il­lud quod sup­po­nit est ali­quod com­mune ad om­nes ho­mi­nes sive sit
con­cep­tus si­­ve non. Sed illud pro quo sup­po­ni­tur est ali­quid sin­gu­l­a­re.“ Sup­ponens (Be­griff,
uni­ver­sale) und sin­gu­­lare (res) wer­den real unter­schie­­­den (re­a­li­ter dis­tinc­­ta). Intra­men­tal und
extramen­tal, via Abstraktion ge­trennt, be­­han­delt er ar­gu­mentativ uniform. Dabei bleibt für un-
sere theologische Erkennt­nis Maßstab der Be­griff, den wir in facto et pro statu isto haben, wie
Ockham durch einen interessanten in­duk­tiven Schluss er­mittelt (cf. p. 268 lin. 19 – p. 369 lin. 5):
„respondeo ad formam quae­s­tionis (nämlich der q. 9 Prol. Ord. ‘Utrum De­us sub propria ratio-
ne deitatis sit subiectum theologiae’). Et dico pri­mo, quod accipiendo subiectum pro illo quod
sup­ponit, quod Deus sub ratione deitatis non est subiectum theo­lo­giae nostra. Hoc patet, quia
subiectum is­to mo­do dictum est terminus conclusionis.“ Bezugsmaßstab ist hier das subiectum
in der syllo­gi­stischen con­clu­sio, auf das (die) wir in jedem Fall rekurrieren müssen; denn alle
un­se­re theologischen Sätze müs­sen mit de­nen überein­stim­men (konform sein), die wir syl-
logistisch einsehen und bestätigen, zumal wir kei­ne ande­ren ha­ben, denen wir so zustimmen
können. Infolgedessen hat der Begriff, das subiectum, in anderen the­ologischen Sät­­zen nur ei­ne
untergeordnete Bedeutung. Ockham fährt fort: „Sed De­us non est terminus con­­clusionis, quia
illud est ter­mi­nus conclusionis quod immediate terminat actum intelli­gen­di (sc. der Begriff
nach der Aus­le­gung als fic­­­tum oder obiectivum es­se) /§ vel est actus intelligendi §/ (nach der
Auf­fassung des Begriffs als intel­lec­tio bzw. sub­iec­tivum esse und benachbart intentio ipsa). Sed
Deus in se non immediate ter­mi­nat actum intel­li­gendi sed medi­an­te aliquo con­cep­tu proprio
/§ nec est conceptus §/. Igitur ille conceptus, non De­us, erit subiec­tum the­o­­logiae nos­trae.“ Nur
als induktiver Schluss ist die Be­weis­führung mög­lich und interes­sant. Als formale analytische
wäre sie unmöglich: es hätte vorausgesetzt sein müs­sen, was gefol­gert wird. Der Text enthält
dann den zusätzlichen Hinweis (p. 268 lin. 6–16), dass wir wenn wir von Gott als sub­­iectum
theo­lo­­­gischer Aussagen sprechen, uneigentlich sprechen („improprie loquendo“). Das soll den
362 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

begriffliche Basis unseres Denkens, für unsere Gefan­gen­heit im actus apprehen­si­vus,


die Autonomie des Denkens als Urteilen und Beurteilung (Be­wertung) von Aussagen
und Schlüs­sen, des Vergleichs solcher Aussagen usw. muss bei Ock­ham immer erst
und fort­lau­­fend argumentiert werden, obgleich er dabei je auf die vor­gän­­gigen Er-
gebnisse zurück­­greift und Maximen erneuert, wenn er sie zitiert und zusätzlich ge­­­gen
Einwände verteidigt. Sie werden substantiiert, indem sie durch die Angren­zung an
an­de­­­re Thesen und Exempel in­ten­sionale Ausweitungen ihrer Reichweite erfahren;
den Einwän­den wird verstärkt die materi­a­le Basis entzogen.185

vorgängi­gen Be­­weis (cf. ib. lin. 16) „Igitur etc.“ stützen. In Ed. ist „improprie loquendo“ als
Zusatz /§ … §/ kollatio­niert. Der Zu­satz wi­der­spricht dem Text lediglich nicht. Im Weite­ren ib.
lin. 17–22 sagt Ockham, dass die theolo­gi­schen Sätze nicht ein einiges subiectum haben, was
ja im Beweis auch kei­nes­­wegs vorausgesetzt war. Und auch nicht aus ei­nem habitus ent­wickelt
werden, was ja auch klar und mit vor­auszusetzen war. Es war sogar von Ock­ham per ar­gu­men­
tum be­strit­ten worden. Die theologia versteht Ockham p. 270 lin. 16–22 nicht bloß als theolo­
gia necessa­ri­orum son­dern auch als theologia contingentium. P. 269 lin. 23 – p. 270 vergleicht
Ockham theolo­gia be­a­to­rum und the­o­logia nostra und stellt fest, dass in ersterer Gott in der
Tat (p. 270 lin. 1) „respectu aliqua­rum veri­ta­tum“ sub­iec­tum sei; hier werde Gott ib. lin. 2 „non
tan­tum in aliquo conceptu“ erkannt („intel­ligi­tur“), son­dern hier könne Gott lin. 3 „utroque
modo“ „esse sub­­iec­tum“ (lin. 3) „quia et supponet et pro se ip­so suppo­net.“ Das kann ein In­diz
für die strikte Menschenbe­zo­gen­­heit auch der Sup­positi­ons­logik sein; trans­hu­ma­ne Be­din­­­gun­
gen in Gott sind dazu dann nur kompatibel.
185. In Prol. Ord. q. 9 (cf. Anm. 184) erörtert Ockham, wie­weit die menschlichen Begriffe (in
Sonderheit auch die zusammengesetzten), die wir von Natur aus haben, und un­ser darauf fu-
ßender Verstand in der Darstellung Gottes und Bildung theologischer Aussagen gelan­gen. Die
In­­seität Got­tes betrachtet Ockham, so­weit er sie parallel zum menschlichen Begriff und zu unse­
rem Ver­mö­gen der For­ma­tion von Sätzen den­ken kann. Gott hat ein ande­res Denk­vermögen,
das wir hypothe­tisch anbe­raumen kön­nen, insofern also zulassen und erreichen. Da­rüber hin­
aus ist sie weder Gegenstand noch Maß­­stab. Cf. ib. p. 268 lin. 12–17: „Sexto, distinguo de theo-
logia no­s­­tra pro sta­tu isto et de theologia /§ possibili per divinam po­ten­­tiam §/ in intellectu via-
toris. Et illa potest accipi du­pliciter: vel quod sit totaliter respectu eorundem respectu quo­rum
est theologia nostra, vel quod sit respectu ve­­ritatum in qui­bus Deus in se subicitur vel Pater
etc. /§ vel cog­ni­tio simplex propria Deo §/. Die ver­schie­denen Auffassun­gen von der Natur des
Begriffs in anima, die Ockham erwog und proponierte, er­brin­gen dabei ver­schie­dene Lö­sun­
gen, deren fiktive Reichweite über unsere natürli­chen Erkenntnismög­lich­kei­ten hin­aus­­gehen
kann. Damit wer­den sie argumentativ eingegrenzt. Hierzu s. etwa ib. p. 270 lin. 8–15. Doch
das Ver­hält­nis von Begriff und Sa­che in ge­ne­re lässt sich analog auf das von Gott und creatura
über­tra­gen. cf. Rep. II q. 10 OT V p. 197 lin. 5–19: Wenn beim sig­ni­fi­ca­tum totale der Zeit nach
Ockham der Gesamt­be­­griff von Zeit bloß in ani­­ma ist, wäh­rend Zeit rea­li­­ter ge­mes­sen auch in
re­ali sein kann, gibt es für ihn doch kein com­po­si­tum aus exi­s­tens in re und exis­tens in ani­­­­­ma,
so wenig wie es in der creatio, die ein Akt Gottes ist, ein com­po­si­tum von De­us und cre­a­tu­ra,
dem Pro­dukt der crea­tio, vorlie­gen kön­ne. Das ist kein bloß meta­pho­­­ri­scher Ver­­gleich; davon
lie­ße sich erst spre­­­­­chen, wenn nicht Ockhams Ar­gu­­­men­­ta­ti­onen dem entgegen­stün­den.
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 363

Der Begriff, bei dem bei Ockham alles festgemacht ist, insofern er durch negative
Bestim­mun­­­­gen, signifikativ (i.e. in Richtung auf die significatio) fixiert, abgegrenzt
und komponiert (verfügt) werden kann, hat keinen ‘Inhalt’; er hat eine Funktion. Da-
mit gibt es nicht Erkennt­nis vermöge des Begriffs, im Begriff, bezüglich des Begriffs.
Es gibt kei­ne Zu­­stimmungen zu den Sätzen, die ‘darin’ in se ‘Erkenntnisse’ (mit der
Ausrichtung auf die Re­­a­lität/­Ob­­jekt­welt) wären. In dem Sinne gibt es dann ‘nulla ve-
ritas secundum cog­n­­i­ti­­o­­­nem’, aber natürlich die pro­positio vera, so wie es die propo-
sitio contingens und die pro­po­­­si­­tio ne­ces­­saria, die pro­positio per se primo modo und
secundo modo gibt.186 Es gibt je­doch kei­ne Be­gründung für Sät­­ze oder Begriffe nach
Begriffskonzeptio­nen187 oder Begriffs­kon­zep­­ten,188 mit denen sie vermeintlich paral-
lel zu ihrem Sinn oder wenigstens Wortlaut eben die­sen noch ein­mal, eben durch
die Begründung erhielte, auf deren Ebene dann zwangs­läufig ar­gumentiert wor­den
sein müsste, wenn denn eben das möglich ist bzw. wäre. Ockham zeigt, dass gera­d
das nicht mög­lich ist.189 Die kontinuierliche Widerlegung des Duns Scotus durch

186. Hier tritt die propositio necessaria per accidens als Unikum ein (Prol. Ord. q. 6 OT p. 178
lin. 1–12): „omnis propositio necessaria est per se primo modo vel se­cun­do. Hoc patet, quia om-
nis simpliciter necessaria. Quod di­co propter propositiones necessarias per accidens, cuiusmo-
di sunt pro­po­sitiones multae de praeterito. Et sunt ne­ces­sariae per accidens, quia contingens
fuit quod es­­sent necessariae, nec semper fuerunt necessariae. Omnis alia propositio necessaria
potest evidenter nota, et per consequens est ali­quis habitus veridicus respectu cuiuslibet pro­­
positionis simpliciter necessariae. Sed nullus talis habitus respectu necessarii est nisi respectu
propositionis per se, quia tam principium quam conclusio est per se.“ Von Ockham als ‘Abwei-
chung’ betrachtet, kann diese propositio offenbar weder einem syllogistischen Beweis beitre-
ten noch ‘per se’ evidenter nota sein. Sie scheint die Aktlehre zu sprengen. Nach M. McCord
Adams, 1973 pp. 5–37 p. 12 Anm. 17 kommt sie nur einmal vor.
187. Man denke hier an die Scotischen, wie etwa die perfectio simpliciter u. a.
188. Man denke an manche ontologische Remedur des Duns Scotus, die seine Beweisgänge zu
salvieren hat.
189. Hier bieten Ord. d. 1 q. 4 OT I p. 436 lin. 15 – p. 437 lin.3 und Ord. d. 2 und d. 3 OT II
Stoff. Ockham hält aber immer den Bezug zur Empirie und empirischen Grundlage des Erken-
nens fest, auch für die Deduktion. Ord. d. 3 q. 8 OT II p. 540 lin. 6 – p. 541 lin. 1: „dico quod
obiectum motivum intellectus est praecise singulare. Et di­co quod omne singulare est motivum
intellectus, quia omne singulare potest intelligi notitia intuitiva, quan­tum est ex na­tu­ra animae
et intellectus nostri. Sed ad notitiam intuitivam requiritur quod ipsa res cognita intuitive cau­­­
set intellecti­o­nem, quia aliter non posset illa res naturaliter cognosci intuitive, igitur quodlibet
singulare est mo­ti­vum ip­sius intellec­tus ad sui ipsius notitiam intuitivam. Et ideo isto modo lo-
quendo de obiecto motivo intel­lec­tus, di­co quod ens univo­cum communissimum est primum
obiectum intellectus, non propter talem duplicem primita­tem, sed propter primitatem com-
munitatis, quia est praedicabile in quid et commune univocum ad omnia motiva in­tellectus, et
tamen ipsummet non potest movere intellectum, nec causare quocumque modo intellectio­nem
… Un­de de ente tali, sumpto personaliter, prae­di­­catur esse motivum intellectus, et tamen de se
ipso, sumpto simpli­ci­ter, non praedicatur esse motivum intellectus. Un­de haec est primo vera
364 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham be­­­­­trifft nun die Prädikation im Sinne der Implikation, im Grunde die Glei-
chung ‘Impli­kation = Prädikation’, bei der, wie Duns Scotus die Sache handhabt, die
Implikation alias Be­­weis­füh­­rung (Argu­men­ta­tion) den Vorrang erhält, aber hier per
reprobatio von Ockham im­merzu re­futiert werden kann und wird.190 Die Folgerung
aber, als consequentia formalis, trennt Ock­ham vom Voll­zug.191 Die reprobatio indes,
die die Implikation nicht gebraucht, negiert und sus­pendiert sie auch im Zeichen der
Definitheit qua förmlich negierter significatio (als im Sin­ne von All­ge­mein­heit inexi-
stens192). Dabei bezeichnet der kontingente Satz den letzten Po­sten vor (ober­halb) der

‘omne ens est motivum intel­lec­tus’, et tamen haec est simpliciter falsa ‘ens commune ad omnia
mo­tiva intellectus est motivum’.“ Ed. führt ei­nen Ein­schub an, den nicht alle Mss. haben und
der einen Ver­weis auf die Hy­pothese vom Begriff als fictum oder obiec­ti­vum esse besagen soll.
Er kann so verstanden werden, dass der Gedan­ken­gang auch und ganz sicher nach die­ser Auf-
fassung vom Begriff zu gelten habe, nicht ausschließ­lich. Denn wollte man annehmen, dass er
bei der Hy­pothese des universale als intellectio nicht zu gelten hätte, müssten ens pri­mum reale
und ens commu­ne (da­rin) identisch sein, was Ockham in jedem Fall ablehnte. Das universale
ist nicht in re.
190. Duns Scotus hatte seine Begriffskonzeptionen und Definitionen so angelegt, dass sie
analytische Argumenta­ti­­on sei es behaupteten sei es zu erfordern gehabt hätten; beides aber
verfällt Ockhams Widerlegung(en). Er ent­zieht dem pro abstractis und in abstractis die Ba-
sis, zum Beispiel durch suppositionslogisch inszenierte Wi­der­le­gun­gen oder solche, die am
Ende in die Standardisierung durch die suppositionslogisch erklärte oder dra­pier­­­te propositio
contingens münden. Cf. Kap. 9 u. 10 Ockham, der dabei den Begriff forma bewahrt und eben
auch be­wahrt, kann die Begriffe, wenn sie es denn noch sein sollen, für die sacra theologia von
der empiri­schen Ba­sis tren­­nen, den Satz mit dem Modus formaliter versehen, i.e. diesen vom
Satz prädizieren, indes Be­griffe über­haupt auf forma (s. dieses Kapitel) und formaliter bezie-
hen. ‘Formaliter’ wird syncategorematisch ge­braucht Cf. Rep. II, q. 1 OT V p. 22 lin. 19–21. Es
bezeichnet so nichts, was (den) Inhalten gleichkäme oder gleich wäre, son­­­dern eine Relation,
die für die Begriffe real­i­ter und definit nie ausgedrückt werden kann, son­dern immer nur per
argumentum, d. h. intensional. Dieses In­­tensio­na­le ist for­mal, also nicht durch Realbezug ab­
gestützt.
191. Zur consequentia formalis s. auch Quodlibeta II, q. 4 OT IX p. 125 lin. 64 – p. 126 lin. 66:
„sic est consequen­tia for­malis quocumque demonstrato: hoc non est sapientia, igitur hoc non
est sapiens; quia sic concretum et ab­strac­t­um convertuntur.“ Die consequentia formalis be-
deutet nicht Operationsvollzug (ratiocinatio) und nicht de­ren Ersparung, indem man ohne
Vollzug einen Zusammenhang annimmt; Ockham setzt einen Beweis voraus: ‘quo­­cumque de­
monstrato’. Also ‘beliebig bewiesen’. Anders W. Chatton (cf. Kap. 14 Anm. 43).
192. Ockham negiert in der Form von Widerlegungen (etwa von Duns Scotus) behauptete
Beziehungen, die selbst einer Beweisform und möglichen Beweisausführung, die ganz qua De-
finitheit zu gelten hätte; indem er sie ne­giert, werden die darin enthaltenen entia als intendierte
significata zugleich allgemeine Größen sein. Negiert ent­fal­len der Beweis sowohl wie die in
ihm verbunden gedachten ‘Größen’ (Faktoren). Beweis, Größen, entia, Rela­tionen der Faktoren
(Größen) hatten einen sie miteinander bedingenden deklarativen ontologischen Wert. Für die
Kapitel 7.  Formbegriff und reale Wahrheit 365

gleichwertig mit der Prädikation nicht erscheinenden res und realitas.193 Nir­gendwo
kann er im Sinne der Realitätsgeltung übertroffen werden.194

Ontologie mussten Allgemeinheit und Singularität zusammenfallen. In der Widerlegung wer-


den sie diskrepant. Und zwar intensional secundum argumentum.
193. Diese wäre wieder als relatio zu denken.
194. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 111 lin. 12–14: „si aliqua propositio sit per se nota, illa erit maxime
in qua praedicatur idem realiter de eodem realiter.“ Die propositio per se nota erscheint als
Funktionsbegriff. Als analytischer oder tautologischer Satz ist sie noch nicht unbedingt er-
kennbar. Denn von ihr könnte immer gesprochen werden, wo der Ge­genstand der Erörterung
ein kontingenter Satz ist, a limine oder im Ergebnis. Zum Beispiel dort, wo es um die Sät­ze über
die divina essentia sich handelt. Ähnlich ist es mit den Satzformen propositio per se primo et se­
cun­do modo dicendi per se, die Ockham denn auch widerlegend gegen Duns Scotus einsetzt.
kapitel 8

Glaube und Welt. Im Vorhof 


der Naturphilosophie

Die Aussagen, die die Christologie oder die Erlösung betreffen, werden von Ockham
als kon­­­tin­gente klassifiziert: „Veritates contingentes cognoscuntur in theologia, sicut
Deus est incar­na­tus, Deus beatificat animam, et sic de aliis.“ Diese (kontingenten)
Aus­­sagen können na­­tür­lich nicht durch empirische Erfahrung bestätigt werden. Sie
kön­nen aber auch nicht aus ande­ren kon­tingenten Aussagen abgeleitet werden: Da
Ockham eine ganz und gar feste Ord­­­­nung der Be­grif­fe oder Sätze nicht annimmt,
kann er eine sol­che auch nicht für Be­weise im Sinn der Widerle­gung verwenden. Die
Widerlegung ist integraler Bestandteil der scientia – im Mo­­dus ihrer lockeren Fügung.
Aber die Widerlegung müsste schließlich die Stiftung des Ge­samtzusammenhangs im
Sinne der Abfolge der Sätze und über sie der Ordnung der Be­grif­fe übernehmen (kön-
nen), und zwar in actu, d. h. im konkreten und thematischen Einzel­fall, wie re­flexiv,
also für die gesamte scientia (Disziplin), wenn denn diese Ordnung bestün­de oder zu
bestehen hätte.
Ockhams Beweisform ist vorab die Indukti­on, wel­che auf den empirischen Tat-
bestand sich stützt, nicht den inhaltlichen, der einer dann em­pi­ri­schen oder kontin-
genten Aussage ent­sprä­che, sondern denjenigen Tatbestand, der in der Form der bloß

. Ord. Prol. q. 8 OT I p. 217 lin. 15–17.


. Cf. dazu auch Rep. II OT V und insbes. noch q. 12–13 und q. 14. S. auch Kap. 3 Anm. 109.
. Ib. p. 219, lin. 14 – p. 220 lin. 20. Bedingte Ordnungen nimmt Ockham an, aber das reicht
nicht im Sinne der ver­han­delten These.
. Das soll heißen: nicht im Sinne einer Widerlegung, welche eben den Zusammenhang der
Be­­­griffe selbst zum The­­ma und Beweisziel hätte. Cf. auch Ord. Prol. p. 8 lin. 19 – p. 11 lin. 12.
Dazu auch A. Zim­mermann, 1965.
. Cf. innerhalb der in Anm. 4 genannten Stelle p. 9 lin. 2f: „(scientia) continet etiam reproba-
tiones errorum et so­lutiones falsorum argumentorum.“
. Diese Idee ist wissenschaftsgeschichtlich nicht neu, da sie einen Kernpunkt des Hilbert-
schen Formalismus in der mathematischen Grundlagenforschung ausmachte: D. Hilbert wollte
dem Einwand der intuitionistischen Schu­­­le L. E. J. Brouwers, auf der Basis des tertium non
datur ungegründete (‘irreale’) Theoreme zu erdenken und zu ‘be­weisen’ durch einen Wider-
spruchsfreiheitsbeweis für formalisierte mathematische Dis­zi­plin begeg­nen. Das Vorhaben ist
von K. Gödel mittels der Formulierung formalisierter Theorien im Sinne Hilberts nach den
Vor­gaben Brouwers als ‘unerfüllbar’ erwiesen worden. Cf. auch V. Peckhaus, 1990.
368 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

kontingenten Aussage die mensch­­­liche Erkenntnisfähigkeit bezeichnet und be­grenzt.


Diese Form betrifft auch empiri­sche oder kontingente Sachverhalte, die damit unse-
rer Welt­ord­nung entsprechen, also der ge­ge­benen Schöpfung. Ihr werden reflexive
all­gemeine Be­­hauptungen entnommen und eben in­­duktiv bestätigt oder bewiesen,
während die Begren­zung unseres Erkennens darin sich zeigt, dass ein faktischer
Ausgriff in eine dem Menschen ent­zogene ‘Gegebenheit’ selbst dann nicht zu­stan­de
kommt, wenn kompatible Erkenntnisweisen, die uns de facto nicht gege­ben sind, be­
haup­­tet werden können. Die Induktion aber muss jeweils ei­nen implizit negativen
Ge­­halt zum Grunde, i.e. eine in sich negative Induktionsbasis haben.10 In der Nähe
zur Induktion lässt sich – bei Ockham – auch die fallacia aufklären. Auch in ihr ist
ein negativer Gehalt feststell­bar, auf den hin sich mit der Negation einer Behaup­tung
oder Mög­­lichkeit reflexi­ven Cha­­­rak­ters, i.e. die Denkmittel selbst betreffend, eine In­
duk­tion er­gibt. Weit fern liegt die The­se Abailards, dass eine (oder eventuell jede) fal-
lacia ent­­­stehe, wenn ein zwangsläufiger Schluss nicht gezogen werde.11 Die­se Ansicht
Abailards ist nicht ganz er­klär­­bar, weil ja da­mit die logische Form in die Inhal­te (bzw.

. Ockham hat sowohl im Sinn wie in der Ersetzung der Widerspruchsfreiheit seine Struktur
entfaltet. An die Stel­le der Widerspruchsfreiheit tritt der kontingente Satz und unter ihm ver­
bor­­gen das kontingente Faktum. Es kann etwa auch causa und causalitas bedeuten, dann aber
re­duziert auf Fälle. Nicht aber Kausalität nach einem grundsätzlichen Begriff, der dann im Sinn
der Deduktion oder der Ontologie und beides verschränkt oder vermit­telt sehend ausgelegt
werden könnte. Ockham hat diejenigen scholastischen Autoren, die eine solche Ausle­gung und
ein ontologisches Funda­ment für sie und die Deduktion reklamierten, im einzelnen jeweils mit
Argu­men­ta­­ti­onen angegriffen, worin solche Möglichkeit in toto und für die einzelnen Fällen
bestritten und abgewie­sen wird.
. Wir verweisen auf ein Textstück Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 414ff in der impugnatio Scoti.
. Was auch z. B. den Ge­brauch des Omnipotenzprinzips, den des Öko­nomieprinzips ohne-
hin, fixiert und sistiert.
10. Die Induktion beruht immer auf (‘einer’) Negation, in der ein Nichtsein verborgen ist, so
weit dass sie immer auf das Nichtsein (bis an es) führt. Damit berührt (und kreuzt) es sich mit
dem accidens. Es wird im accidens (oder ihm äquivalent) eine Abspaltung und Ausscheidung
vorgenommen, die nicht selbst aktuiert wird.
11. Petri Abaelardi, Glossae super Peri Hermeneias (ed. K. Jacobi u. C. Strub), 2010 p. 411
lin. 503 – p. 412 lin. 1 „‘Inferentiam’ autem ubicumque accipimus in naturali conco­mi­ta­tione,
quia scili­cet ita adjunctae sunt propositi­o­­nes ut non possit evenire ita ut una di­cit quin etiam
contingat ita ut alia proponit. Si enim secundum con­sequen­ti­am inferentias pensare­mus, for-
tassis falleretur, cum videlicet una propositio alterius in se sententiam non conti­n­e­at.“ Wo nach
Abailard der Ver­zicht auf eine logische Schlussfolgerung die fallacia bedingte, wäre der Inhalt
der fallacia und des versäumten Schlusses auch akzidenteller Gehalt der logischen Schluss­form.
Das ist ab­surd. Ockham, der die Formen der Aussagen als Erkennt­nis­mit­tel bzw. -ausdruck
nicht ableitet und nicht zu Ablei­tun­­gen verwendet, kann damit die Form der Aus­sa­gen­logik
nicht überneh­men oder zur Kalkülform seine er­kennt­­nis­­­theoreti­schen oder wis­­­sen­schafts­
theoretischen Ex­pli­kationen machen; hier eben steht die Induk­tion.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 369

deren Organisation) vorab müsste ein­grei­fen kön­nen, d. h. ein ‘a priori’ ergäbe oder
ihm sogar noch vorgriffe.12 Abailard müsste auch (wie Duns Scotus) den abstrakten
und den empirischen Begriffsmodus gleichsetzen.13
Die vorherrschende Organisationsform des Beweisens in der Darlegung von
Zusammenhän­gen ist bei Ockham der Syl­­logismus: er kann die Induktion aufneh-
men, er kann die persua­sio integrieren. Er ist das Mo­­­dell, wenn Ockham erörtert, wel-
che Funktion Sätze bei Be­wei­­­s­en für­einander haben oder eben nicht haben. Man wird
annehmen können, dass die einze­lnen Aus­sagen, die den Syl­­logismus bilden, in Son­
der­heit wenn sie Wahrscheinlichkeiten be­sa­gen (u. U. Nichtun­wahr­scheinlichkeiten),
einen eigentlichen Sachverhalt nicht besagen kön­nen, weil dieser aus der Realität
selbst geschöpft wer­den müsste: die Zusammenhänge, die wir grei­­fen können, sind
aber, als Erfahrungen, bereits in Sätzen ausgedrückt, wobei der actus ap­pre­hensivus,
der damit entstanden ist, nicht mehr unterschritten werden kann. Entsprechend kann
eine Zusam­menstellung (oder analytische intensionale Erklärung) von Begriffen,
gleich­sam ex statu realitatis, auch nicht plausibel erkannt oder begründet werden.14
Sie kann auch nicht für die Legitimie­rung der Aussagen eigens erkennbar sein. Wir
haben die Möglich­keit nicht, eine Kom­po­­si­ti­on von Be­­griffen zwingend und definit
zu begründen, weder an sich noch für ei­nen bestimmten Typus von Aussage (alias
Satz), etwa den kontingenten Satz. Auch das ist ausgrei­fend in der Spätscholastik,
in unmittelbarer zeitlicher Umgebung Ockhams in Ox­­­­­ford15 ver­sucht wor­den, wobei
denn bezeichnenderweise die Sätze (Satztypen) nicht vom Au­tor wirk­lich unterschie-
den wer­den können und ebenso auch die Argumentation le­dig­­lich so vonstatten ging,
dass eine Be­hauptung (Ockhams) über Leitbegriffe (etwa scien­tia, obiectum sci­entia
usw.) angegriffen mit Plausibilitätsargumenten überschüttet wurde, die je auf eine

12. Die Zwangs­läufig­keit des Schlusses, der unabweisbar gezo­gen werden müsste, gilt so für
Ockham nicht; er ap­­­probiert zu­lässige inferentiae und ver­wirft unzulässige. Sie müssen da­mit
aber nicht aktual und not­wen­dig, mit­­­hin müssen sie nicht notwendig und mechanisch ge­zo­gen
werden. Das Ziehen von Schlüssen steht nicht mehr im Vor­dergrund; es weicht dem Be­werten.
Ob gemeinscholastisch eine andere Auffassung gilt, muss offen blei­ben: s. Anselms „Cur Deus
homo“ mit seinen rationes necessariae, die sich über einer doch kon­­tin­genten Welt erhe­ben
und für sie (über ihr) die Notwendigkeit statuieren. Abailard denkt also womöglich ebenso.
Kon­tingenz ist da noch nicht der kardinale, technisch relevante und theo­re­tisch zu begründen-
de Gesichtspunkt.
13. Sei es in bestimmter Form oder unbestimmt. Cf. auch W. & M. Kneale, 1966 pp. 640–644
zu A. Tarski.
14. Es kann nur die Zulässigkeit eines einzelnen und dabei von den anderen unterschiedenen
Ty­pus von passio in­duk­tiv begründet werden: das immer im signifikant negativen Verhältnis
zur Realität, i.e. den res extra mentem oder singularia.
15. Von Walter Chatton. Siehe später in diesem Kapitel.
370 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

sol­­­­­che unbestimmte Allgemein­heit zielten, die bei der Satztypusbestimmung Ock-


hams bereits un­ter­schritten und suspen­diert worden waren.16
Der actus, der den habitus eines Prinzips generiert, vermag nichts bezüglich eines
actus oder ha­­bitus der conclusio. Der actus des Prinzips oder der Prämisse(n) mag
syl­logistisch den actus conclusionis hervorbrin­gen. Das ist ad libitum, weil die causa
in dem Sin­ne nicht für irgend­wel­­che Begriffe dauernd, also im Sinne von deren Defi-
nitheit, festgelegt wird, son­­­dern bloß mit der Argumenta­tion sich ergibt, die ordines
aus der Erfahrung auf­nimmt. Da­mit bringt der Syllogismus auch nach Maßgabe der
Induktion und in empirischer Hin­sicht kei­nen habitus be­­­­­­treffend der conclusio her-
vor. Dieser habitus entsteht aus dem ac­tus conclu­sionis.17 Die cau­sa der causa bewirkt
nichts hinsichtlich des ef­fec­tus (qui non de­pen­det in suo esse ab illa) der zweiten
causa. Wenn eine Prämisse (im Syl­logismus) die scien­tia sive conclu­sio herbeiführt,
so ist die Prämisse causa der conclusio, wel­che nach dem Vor­gang des Aristo­teles, der

16. Da der Satz wie Ockham als Akt ihn fasst, in keiner Weise differenziert oder auch nur als
solcher distinkt ak­­tu­iert werden und danach in das Bewusstsein eingehen kann, werden die
Begriffe selbständig in Bezug auf den Satz nicht ausgelegt werden können; ja sie sind in diesem
nach Ockham im oder neben dem Satz er­kenn­bar in kei­­nem eigenen Akt greifbar. Das führt
uns dazu, allen Wertungen (und Bewertungen) der Begriffe und Aussa­gen, sofern sie sich un-
terscheiden sollen, lediglich a-logisch anzusehen.
17. Man erkennt wie Definitheit und Empirie maßgeblich bleiben. Actus bzw. habitus prin­ci­pii
und actus bzw. ha­bi­tus conclusionis sind daher real distinkt, d. h. „spe­cie“ distincti. Die speci­
es, auch den Sätzen nach ihrer Wer­tig­keit im Syllogismus zugespro­chen, definiert den Begriff
hinsichtlich der Empirie. Spe­­ci­es, ein ontologischer Begriff bleibt in Geltung, wie und wo die
Logik in dem Sinne eine unbedingte oder gar auch apriorische Form oder Geltung nicht be­sit­
zen kann. Ockham zitiert (Ord. Prol. q. 3 OT I p. 129 lin. 19) Aris­to­teles: „Substantiae non est
demonstratio.“ Es kann al­so nicht aus der essentia oder substantia, bzw. dem Be­griff, der für sie
zu ste­hen hätte (sub­iec­­tum), auf das ac­ci­­dens oder das proprium im Sinne eines analytischen
Beweises gefolgert wer­den, so wie z. B. Spino­za und Duns Scotus ihre thematischen Begriffe
im Laufe der Deduktion ‘anreichern’, im­pli­­zit also erweitern. Ockham dagegen (cf. ib. lin. 9ff):
„Ergo demonstrabile de aliquo non est idem rea­liter cum eo. Ergo distin­gui­tur ab eo realiter.“
Das bedeu­tet aber: specie dis­tinc­tum. Subiectum und passio sind reali­ter (si­ve specie) distinkt
und wie sie es mental mit ih­rem Inhalt sind, indem sie nicht un­wei­ger­lich verbunden und ein­
heit­lich gegeben sind, so auch eben real im Sin­ne extramentaler Wirklichkeit nicht, so dass sie
nach dem Ver­ständ­­­nis einer außer­subjektiven Wirk­lich­keit, Verbundenheit und „Einheit“ ih-
ren Sinn er­hiel­­ten und nach Aus­sagen, in denen sie vorkommen (kom­bi­niert) werden, gedeutet
werden könn­ten. Die Uni­ver­salität der Be­grif­fe und die Singularität der res extra ani­mam kön-
nen nicht auf­einander ­zurückgeführt und an­ein­ander vermittelt wer­­­den. Wer es aliquomodo
versu­chen wol­­l­­­te, würde bei Ockham gegen die vera logica verstoßen und ihn so­wohl realia
und mentalia betreffend nicht treffen oder widerlegen können, wie W. Chat­ton und J. Lutterell
be­reits im Mit­­­tel­­al­ter es versuchten. Die distinctio specie als dis­tinctio re­a­lis betrifft al­so (auch)
Begriffe als actus und da­bei in Einheit mit ihrem Inhalt, der bloß pragmatisch (= inten­si­o­nal)
verstan­den werden kann, nicht aber ex­ten­si­onal oder nach einer ontologischen Deutung der
Universalien.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 371

diesen Folgesatz ἐπιστήμη (= Wissenschaft) nennt, bei Ockham auch sci­entia heißt.
Auf diese Aus­­­sa­gen (Sätze), nämlich praemissae und conclusio, richtet sich de­ren no­
titia im Verstan­de, wobei die causa des Satzes der habitus und nicht mehr das reale
Ob­­jekt au­ßerhalb des Ver­stan­­­­­des ist. Dieses war causa der notitia intuiti­va, die zu­sam­
men mit dem Ver­stand die notitia abstractiva, die notitia abstractiva prima ge­nannt
wird, hervorbringt. Daneben gibt es eine no­ti­­­tia ab­strac­ti­­va secunda, welche den actus
ap­prehen­si­vus des Satzes be­deutet. Sie entsteht mit und neben der notitia abstractiva
prima.18 Beim Ge­brauch des Syl­logismus ist der Satz und mit ihm die darin enthalte-
nen Begriffe nur noch in der Form dieser zweiten no­ti­tia abstractiva gege­ben. De­ren
causa ist der habitus, der unmittel­bar mit der Bil­dung des actus apprehensivus oder
der notitia abstractiva secunda ent­steht, so wie er jeden Akt im Ver­stande begleitet,
bzw. daraus hervorgeht und bedeutet, dass zukünftig der Akt leich­ter ausge­führt wer­­
den könne. Der ha­bi­tus verstärkt sich durch häufige Wiederho­lung des Aktes und
nimmt ab wenn er we­ni­ger häu­­­fig ausgeführt wird. Der habi­tus be­­züglich der Prämis­
se ist dann nach Ockham nur cau­sa der cau­sa der con­clu­sio; die direkte cau­sa der
conclusio aber ist die Prä­mis­se.19
Der Syllogismus kann also eine conclusio generieren. Damit entsteht ein actus
und nach die­sem (ex illo) der habitus. Ockhams Beweisführung betrifft empiri-
sche Anordnun­gen, i.e. der Empirie zugängliche Anordnungen, die sie voraussetzt
und aufnimmt. In Bezug auf sie ordnet sie dann den induktiven Beweisschritt an.
Der kann sie daher nur bestätigen. In be­stimm­tem Sinn müssen danach auch die
Beschreibungsbegriffe ad libitum sein. D. h. er­­­zeu­gend (oder kon­struktiv) ist die

18. Cf. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 302 lin. 15–17. So etwa: „Et ad notitiam primam abstractivam,
quae stat cum in­tu­­­i­tiva, suf­ficit noti­tia in­tu­iti­va cum intellectu, sed ad secundam abstractivam
requiritur habitus.“ Ockham grenzt sich dann von der Leh­re ab, dass zur Erkenntnis auch die
Vorstellung (= phantasia) gehöre und mit ihr das Vor­stel­­lungsbild: phan­tasma. Das ist die Leh-
re des Aristoteles. Ockham geht es bloß um die Verstandeskapa­zi­tät im reinen und streng­­­sten
Sinne, die dann über die menschliche Begriffsqualität hinaus moduliert werden kann: hier wer-
den Erkenntnismittel denkbar, die der Mensch „pro statu isto“ gar nicht hat, et­wa Gott als res in
der visio be­a­tifica. (Dabei wäre auch hier noch eine notitia neben der dies­be­­züglichen notitia
intuitiva auf Gott mög­lich, bzw. der Gebrauch verschiedener Medien des Erkennens, so dass
nicht einzig Gott als res Erkenntnis­mit­tel ge­dacht werden muss. Es sind hier für den Menschen
und seine Denkmöglich­kei­ten einfach nicht vor­­­ab gewisse Ausschließungen zwingend oder
möglich.) So ist denn nach Ockham die Vor­­stellung im Denkprozess beglei­tend möglich, nicht
aber hierin notwendig zu denken (ib. lin. 17 – p. 303 lin. 2): „Nec phantasma simpliciter facit ali­
quid necessario ad cognitionem intuitivam vel abstractivam, sed tantum per accidens pro sta­tu
isto. Nam ani­ma separata potest intuitive videre res sibi praesen­tes sine omni phantasma­te. Sed
philosophus (= Aristoteles) non vi­dit nisi res et cursus earum pro statu isto, ideo quan­tum est
pro statu isto, bene dicit quod requiritur phan­tas­ma.“ Ockham rechtfertigt den Aristoteles, wo
er ihm nicht beitritt.
19. Vgl. die Lehre vom „habit“ bei C. S. Peirce, der hier sogar direkt aus scho­lastischer Quel­le
ge­schöpft hat. In­des eher mit Bezug auf Duns Scotus, den er we­gen seiner Universalienlehre
schätzte. Cf. J. v. Kempsky, 1952.
372 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Argumentation, und dies so, dass sie for­mell qua synthetische Abgeschlos­sen­heit si-
gnifikativ ist. Wenn dann der Wi­der­spruchs­­­­­satz in nichts eine Fun­ktion ha­ben kann,
wo (die) Kontingenz in Rede steht, muss die Kon­tingenz an seine Stelle tre­ten. Dann
ist die Kon­­­­tin­genz auch Grund­­lage derjenigen (= aller je­ner) Überlegungen, die ohne
das Wi­der­­spruchs­­­prin­zip aus­­kom­­­men. Damit wird das Prinzip (der Grundsatz) der
In­duktion an­ge­ge­ben. Wir be­kom­men ei­­­­ne In­duk­ti­on dort, wo wir unbe­dingt mit der
Kontin­genz zu tun haben.20
Das andere, was aus diesem Prinzip ablesbar ist, ist damit auch grundsätzlich
gegeben: es kann nicht unter die Stufe des actus mentalis, der Sätze, gleich welcher
Art und Charakteris­tik, hin­abgestiegen werden. Wir reden in Wirklichkeit immer
von einem Satz: das ist so et­was wie eine Induktionsbasis.21 Wir reden nie von etwas,
in dem nicht die Struktur der Aus­sa­ge pri­mär wäre; wir stoßen nie auf eine Basis oder
Basisstruktur in der Realität, mithin des­sen, was unterhalb des actus mentalis sich
findet oder befindet.22 ­Die actio intellectus ist da­bei, ganz wie notitia intuitiva und
notitia abstractiva usw. als real und, auch im Sinne der Ver­ursachungen, als unter-
einander und im Verhältnis zur Realwelt extra animam, realiter dis­tinkt zu werten:23
„Ideo dico quod actio intellectus est realis: quia determinatur ad cognitio­nem re­a­­lem
intuitivam vel abstractivam modo praedicto.“ Damit sind die Akte des menschli­chen
Sub­­­­­­­­­­jekts nicht denen der Welt extra animam nach einem von diesen her zu definieren-
den Sinn gleich, wohl aber empirisch und ebenso kontingent und kontingent ange-
ordnet wie die äuße­ren Dinge. Die­se in­des werden subjektiv im Sinne der Intention
auf sie vom Subjekt her be­wer­­­­­­­­tet. Die reale Er­kennt­­nis der äußeren Dinge zu bestrei-
ten gibt es danach keinen Grund.24 Es geht um den huma­nen Status des Menschen,

20. Die Induktion verbindet zwei Stufen. Die untere repräsentiert ei­nen kontingenten ca­sus. In
ihm zeigt sich das Kontingente als nicht logisch einsichtig. Das wird im induzierten (oberen)
‘allge­mei­­­ne­ren’ Satz „kompensiert“.
21. Auch das enthält mithin ein negatives Moment. Cf. Anm. 8.
22. Erst durch die Differenzierung der consequentiae wird die Realität wieder gewonnen.
23. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 304 lin. 21–23.
24. Für Ockham gilt, dass es keinen Grund gebe, dass die res extra animam nicht erkannt wer-
den könne. Will man eine solche Formel direkt für eine „ratio“ oder das Argument halten, wo-
mit Ock­ham die Frage der Erkenntnis von extramen­ta­len Gegenstän­den ent­­­­scheide, so muss
man entgegen der apodiktischen Form darin die Aufhe­bung (‘Nega­ti­on’) von Konsequenzen
verborgen sehen, also eine persuasio. Die Entscheidung vermittelst eines sol­chen blo­ßen Argu­
ments entspricht dem Gebrauch des Ökonomieprinzips oder des Omnipo­tenz­prinzips: letzte­
res be­­zeich­net, auf der distinctio realis ruhend und beruhend, den Fall, dass eine Abänderung
des in der Welt­ord­nung Vorfindlichen gedacht werden könne, weil mit den Faktoren nach der
gege­be­­nen gegenwärti­gen Schöpfung und Kombinationen in der Welt noch nicht jene notwen-
dige Kom­­bination der sie ausdrückenden Begriffe gege­ben sein muss, welche ihrerseits wieder
die damit benannten Erscheinungen als ausschließlich in der einen Wei­se denkbar machte.
Hierzu müsste die Abstraktion zur Notwendigkeit geführt haben; das aber ist nach Ock­ham
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 373

eine Subjektivität, welche, als die des Men­schen, förmlich erst defi­niert, ermittelt und
in diesem Sinne hergestellt werden muss.25 Dabei steht denn, wie auch weiterhin in
der Neuzeit, zunächst prototypisch als Erkenntnisträ­ger der re­lativ knappe oder ele­­­
mentare Satz im Zentrum der Bewertungen und Klassifikatio­nen.26 Um diesen Akt
des ele­mentaren Satzes herum gibt es bei Ockham eine Vielzahl von Bestim­mun­gen
des Den­kens, entsprechend Akte, die zu dessen Hervorbringung nötig sind oder in
Va­ri­a­ti­­o­nen sie begleiten.27 Sie wer­den alle geordnet durch die Kausalverhältnisse,
in denen sie ste­hen und in denen sie auch in­duk­tiv begründet werden können. Ihr
Gesamtverhäl­tnis muss da­nach aber nicht mehr angese­hen werden, es widersetzt sich
den Spezifikationen und even­tu­ell mit einer freien ter­mino­logischen Wahl gegebenen
klassifizierenden Verfü­gung:28 „in­tel­­­ligere et velle habent esse per productionem suae
causae et conservationem. Et quam­diu con­servan­tur tamdiu habent es­se, ita quod una
in­tel­lec­tio potest, quantum est ex natura sua, per mag­­num tem­pus durare, et vo­litio

nicht der Fall, und es ist auch bei der empirischen Ausgangslage nicht zu erwarten. Denn diese
muss ja prinzipi­ell festgehalten werden, so weit jedenfalls, wie Induktion und Abstrakti­on da-
mit be­grün­det werden (sol­len).
25. S. prinzipiell (Rep. II, q. 12–13 OT V p. 289 lin. 14f): „quaelibet intentio creaturae causa-
ta a deo potest a cre­a­­tura causari partialiter, licet non causetur de facto.“ Göttliches Han­deln
und menschliches Ver­mögen widerspre­chen sich nicht. An der Stelle begegnet Ockham dem
Einwand, dass wenn Gott die in­ten­tio unius creaturae sin­gularis rei bewirkt haben sollte, da-
mit noch nicht die Erkenntnis einer anderen ihr ähn­li­chen verursacht sei: der auf ein singula-
re bezügliche Begriff sei noch nicht bezüglich anderer ähnlicher res – definit- bewirkt. Nach
Ock­ham wäre die Identität des Begriffs im Sinne der Abstraktion we­der bedroht noch aufgeho-
ben. Die Ein­wir­­­kung Gottes, die argumentativ oder real der Abstraktion des Begriffs entspräche
bzw. sie fortsetzte, kann die na­turale Entstehung des Begriffs weder ein- noch ausschließen. Die
Ab­strak­tion steht so gegen die Im­pli­ka­tion. Der Ein­wand kann nicht schlüssig sein. Abstrak-
tion und Allmacht sind kompati­bel. Letztere wird auch nicht durch das Widerspruchsprinzip
begrenzt.
26. Das ist besonders entschieden und methodisch direkt gegen Kant gerichtet bei Maimon der
Fall, der mit sei­nen Operationen, Auslegungen und Deutungen sich eng an den elementa­ren
Aussage­satz anschließt und ihn so vollwertig als Operation und Erkenntnis ansieht wie auch
schon die Infinitesimalrechnung; sie erklärt er verglei­chend nach aristotelischen Kategorienbe-
griffen.
27. Cf. z. B. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 257 lin. 12–15 E. „nec formatio complexi nec actus assenti-
endi complexo est cog­ni­tio intuiti­va. Quia utraque cognitio est complexa cognitio intuitiva est
incomplexa.“ Natür­lich kann auch die no­ti­tia abstractiva eine notitia incomplexa sein, daneben
aber auch eine no­ti­tia com­plexa. Sie ist in dem Sinne actus apprehensivus. Die no­titia intuitiva
umfasst ac­tus ap­­prehensivus und actus iudicativus: für Begriffe, d. i. in­com­plexa.
28. Rep. II, q. 20 OT V p. 430 lin. 14–19.
374 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

similiter. Et si­militer, si­­cut angelus vel lapis to­tus simi­lis et se­mel pro­­ducitur et manet
et non pars post partem, ita in­tellectio et volitio per om­­nia.“29
Wenn die Gesamtstruktur des Denkens und die einzelnen Faktoren (Größen
o. ä.) darin, kau­sal geordnet, immer bloß durch Kontingenz (oder Kontingenzen) be-
stimmt ist, können die in­ter­­nen Beziehungen der Faktoren nicht im zwangsläufigen
Erfolgen (so dass sie auftreten müs­­s­­ten) des je zweiten ens ver­stan­den werden, sobald
ein bestimmtes anderes als er­s­tes ge­ge­ben ist. Et vice versa. Es lässt sich auch nicht
denken, dass ihr Ver­hält­nis anders als das der substantia oder essentia zum accidens
sich ausnimmt. Es gibt bei ei­nem solchen Verhältnis we­der elementare noch reflexi-
ve Aussagen, die unbedingt als notwendige zu be­­greifen wä­ren.30 Das Ver­hältnis der
Größen wird dann jeweils in­duktiv be­stä­­tigt werden können oder müs­­sen. Dabei wird
die Feststellung oft bloß mit einem ‘probabile est’, einem ‘pot­est persua­de­ri’, ei­nem ‘non
est inconveniens’ ei­nem ‘non est ma­gis ratio quod (non)’, einem ‘ad istud est ra­tio suf-
ficiens’ oder einem ‘non pot­est esse quin’ ein­ge­leitet.31 Da­bei gilt im einzelnen un­ter

29. Auch R. Descartes, Gespräch mit Burman. Zur Ersten Me­di­tation. 1982, pp. 10–11 hat dem
Verstandesakt ei­ne Dauer zugeschrieben.
30. Wenn Duns Scotus oder Spinoza more geometrico deduzieren, for­­­­mal gesehen also ana­ly­
tisch, indes mit dem Unterschied von modus com­­positivus (Scotus) vs. modus resolutivus
(Spinoza), soll auch nach der Ab­sicht bei­der die inhalt­li­che Ergänzung oder Beziehung der Ter-
mini ver­möge der Deduktion selbst für not­­­wendig ge­hal­ten werden – an und für sich vor der
Deduktion und zugleich wie nicht empi­risch über sie ent­schieden werden kön­­ne. Modus com­­­­
po­si­tivus und modus resoluti­vus werden dann auch synthetisch und analytisch genannt. Den
Un­­ter­schied macht Tho­mas von Aquin, in der Neu­zeit bei Ga­li­leis Leh­rer Za­­barel­la, cf. W. &
M. Kneale, 1966 p. 306, die hinzufügen (p. 307) „it can hardly be said that he has indi­cates a
new programme for scientific ad­van­­­ce.“ Und (ib.): „he does not consider how we may acquire
the major pre­miss from effect to cause.“ Nach K. Vorländer, Ge­schich­te der Philosophie, III, 1965
p. 33 nennt er die In­duk­ti­on (neben der Deduktion) als ent­schei­­­­­den­des Er­kenntnisver­fah­ren.
Spi­no­zas sog. ‘mathematische’ Be­weis­­form stieß bei Goe­the auf Enthusias­mus, bei Bismarck
auf Skep­sis, bei Nietz­sche, Jen­seits von Gut und Bö­se, § 5 auf eine Invektive: er hat Spinoza die Be­
stre­bung zur stren­gen ‘ma­the­­ma­tischen’ Form als Panzer und Mas­kerade aus­gelegt, mit der ein
‘Schüch­­ter­­­­­ner’ habe er­schrec­­ken und die ‘un­­ü­ber­­windliche Athe­ne’ nach­ah­men wollen. G. W.
Leibniz, Kleinere philoso­phi­sche Schriften, 1883 p. 229 in den ‘Be­trachtungen über die Lehre
von ei­nem all­ge­meinem Geiste’ (1702) nennt Spinozas Beweise ‘„kläg­lich“ oder „unverständ-
lich“’. Spi­nozas Be­weise folgen im Ver­hältnis von sub­iec­tum und prae­di­ca­tum im Satz, bei viel-
leicht unbestimmter Satz­art mit dem zusätzlichen Tenor von Causalitas ei­ner Reihe suk­zessiv
eintreten­der defini­ti­o­nes pas­sionum im Ver­­lauf der de­duktiven Dar­le­­gungen; es wird impli­zit
Kausalität un­ter­su­cht und bewertet. Ist es ‘einerlei’ Kau­sa­lität und wie steht sie technisch zur
Deduktion?
31. Das Ökonomieprinzip unterbindet ebenfalls den Rückgriff auf die (fiktive) Realität im Sin­n
einer präsumti­ven ‘Notwendigkeit’ und zwar da, wo keine Erfahrung von ihnen gegeben ist
und kein Argument Verbindungs­grö­ßen als unentbehrlich sichert. Der Ver­­weis auf das Ökono-
mieprinzip kann wegfallen, cf. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 295 lin. 13 – p. 296 lin.: „Ad ali­ud dico
quod non requi­ri­tur ante actum in­tel­li­gen­do aliqua assimilatio prae­via quae fit per speciem.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 375

allen Faktoren oder Größen im­mer eine feste und ein­deutige Ord­nung und entspre-
chend auch die ra­tio sufficiens (oder causa sufficiens) für die Exi­s­tenz ei­nes jeden:32
„Omnis effec­tus natura­li­ter producibilis ex natura sua determinat sibi quod produ­
ca­tur ab una causa effici­en­te et non ab alia, sicut determinat si­bi quod producatur
in una mate­ria et non in alia.“ Dem Objekt sind causa efficiens und cau­sa materialis
ein­­deutig und unverwechselbar zugeord­net. Von cau­sa formalis und causa fi­na­lis ist
nicht die Rede. Das deutet eine Modernität an. Denn es herrscht Ein­ver­ständ­nis darü­
ber, dass in der modernen Wissenschaft von den vier aristo­te­li­­schen cau­sae bloß die
cau­sa ef­fi­ciens als Bewusstseinsgröße erhalten geblieben sei.33
Bei den Relationsbegriffen, wie creatio, volitio, intellectio etc. tritt der Fall auf,
dass eine Sub­stanz vermöge der Akte, die sie selbst tätigt und dieserart bewirkt,
an die Sphäre dessen, was in Bezug auf sie bloß akzidentell sein und ihr nicht
(innerlich)angehören kann, vermit­telt wird.34 Die ‘duratio’ ist nicht ein bestimm-
tes Ele­ment einer essen­tia, et­wa der des En­­­­­gels:35 „di­­co quod Deus potest destruere
unum ange­lum et eius du­ra­­ti­o­nem, et unum sine alio, quia in diffinitione ex­pri­mente
quid nominis duratio­nis angeli po­nitur ali­quid dis­tinc­tum ab an­ge­lo, et ideo potest
utrumque vel unum sine alio de­s­truere.“36 Messungen der Dauer bezie­hen sich auf
em­­pirische Kon­stella­ti­o­nen, die in sich wandel­bar sind und kei­neswegs von Ewig­keits­
wert. Für Ockham gibt es Messung der Zeit in ihr selbst nicht:37 „Sed loquendo de

Sed suffi­cit assimilatio quae fit per ac­tum intelligendi quae est similitudo rei cogni­tae.“ Zur spe-
cies bei Aristo­teles s. ib. p. 291 lin. 19 – p. 292 lin. 6): „ad om­nes auctoritates philosophi (Aristote­
les) dico quod accipit speci­em pro ac­tu vel ha­bi­tu. Hoc patet quia com­mentator (Averroes)
nunquam nominat spe­­ci­em. Sed semper ubi philosophus dicit spe­ci­em, ipse nomi­nat formam
et accipit formam pro in­­­tellectione vel habitu.“ Das soll so weit gehen, dass for­ma überhaupt
das Ver­mögen des Men­­­schen besage (ib.): „Et quando dicit quod est locus specierum, verum
est, quia subiectum in­tel­lec­ti­­onum et habituum.“
32. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 288 lin. 8–11.
33. N. Luhmann, 1968, 1973 p. 9 forderte einen Rück­griff auf die alte Meta­physik: die alten
Ter­mino­logien seien nur vorüber­ge­hend außer Geltung gewesen. Der wissenschaftliche Fort-
schritt setze sie wieder in ihr Recht ein.
34. Relationsbegriffe per se sollen nicht vorab sich im Sinne der engeren Zugehörigkeit zu ei-
ner sub­­­­­stantia oder es­sen­tia werten lassen; es bedarf der Deutung oder des Arguments um die
‘Verankerung’ in der sub­stantia (es­sentia) zu erklären; sie kann eben auch abgewiesen werden.
Dabei können ‘forma’, ‘res’, ‘causa’ etc. mitspielen.
35. Rep. II, q. 8 OT V p. 160.
36. Man sieht, wie Ockham mit der potentia divina absoluta supranaturaliter lo­­­quendo sich
auf ei­­ne ‘Nominal­de­­finition’ bezieht. Diese galt hier dem accidens und subtra­hiert so von der
essentia oder sub­stan­tia, in deren Sinn sie keine Realdefinition gibt. Es geht also insgesamt um
eine Ausschlussopera­tion.
37. Rep. II, q. 11 OT V p. 236 lin. 18–20.
376 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

mensu­ra du­ra­ti­­o­­nis, sic di­co quod angeli mensurantur per tem­pus et non per aevum,
quia aevum nihil est.“
Wenn die notitia und die ratio mit ihrem Füllglied, etwa dem Begriff, nach sei-
ner Satzstellung (z. B. subiectum, etc.) induktiv keine Folge im Sinne der Kausalität
haben müssen, die iden­­tisch das Glied ergäbe, das aus diesem Begriff zu folgen hätte,
wiewohl dieses Glied vir­tu­ell mit­­­­­­­gegeben ist, so gilt dasselbe nicht vom habitus. Der
habitus in se erlaubt den actus oder ha­bi­­tus eines Folgegliedes:38 „dico primo quod
habitus adquisitus ex actu circa principium tan­­­tum est alius ab habitu conclusionis.
Primo, quia semper causa distinguitur a suo effectu.“ Das Ar­gument ist induktiv und
synthetisch, indem es von einem Ende her operiert, das nicht mehr ef­­fektiv oder spe-
zifisch benannt werden muss. So setzt Ockham denn hinzu:39 „si­ve sit cau­sa per se
sive causa per accidens; sed aliquo istorum modorum habitus principii est causa res­
pec­­­tu habitus conclusionis.“ Ockham hat also nicht konstatiert, welche. Damit ist aber
na­turge­mäß noch nicht die Kausalität in facto bewiesen. Wird eine solche Kausali­
tät ange­nom­­­men, so ergibt sich, dass der habitus conclusionis nicht aus dem habitus
principii (kausal) fol­gen kann. Die verschiedenen ‘Beweise’ sind hier voneinander ab-
gesetzt. Dass sich da ver­schie­­­­dene Be­wei­­se inhaltlich, begrifflich und sprachlich nicht
ins Gehege kom­­men, womit sie not­­falls sich widersprächen, muss dem entsprechen,
dass sie mit sich die Begriffe und Be­zie­hun­gen definit definieren. Auch in dem Sinn
ist ein einzelner Beweis ne­ga­­tiv. Seine Kon­se­quenz gegenüber an­deren Beweisen ist
negativ und umgekehrt sie gegenü­ber ihm.
Mit der causa oder conditio per accidens muss die Vorstellung verbunden wer-
den, dass sie bloß causa oder conditio sine qua non resp. necessaria ist. Sie ist damit
causa oder conditio des Um­­stands (Begleitumstands). In diese causa per accidens
oder ihre Materialität hinein ver­­­­­­­­­­­­­läuft eine das Materielle niemals abstrakt oder be-
grifflich fassende reine Anordnung oder Fol­ge von causae o. ä. Der induktive Beweis
oder Beweisgrund operiert wieder aus der Erfah­rung oder lehnt sich, sei es förmlich
oder fiktiv, an sie an. Die Entscheidung darüber ist uner­heb­­­­lich, ja sogar in dem Sin-
ne hinfällig, als die Fixierung und Aufgliederung des Empiri­schen nicht in logischer
Form unter Zuhilfenahme von Junktoren erfolgen kann.40 „Probatio is­ti­­­us: quia posi­
to quod aliquis adquirat habitum ex actibus circa principium tantum et post si­mul
cum altero principio, quod erat altera praemissa, applicet ad conclusionem, sciet ip-
sam evi­den­­­­ter, et non sine habitu principii. Ergo habitus ille est aliquomodo causa
notitiae conclu­si­o­nis, mediata vel immediata, per se vel per accidens.“ Die strenge
Unterscheidung für die In­­­­­­duk­­ti­on und in der In­duktion entfällt also. Die cau­­­sa er-
schließt nie­mals aus sich, d. i. inhalt­lich, den effectus. Daher ist auch der Rückschluss
ex effectu ad causam noch nicht gegeben.

38. Ord. Prol. q. 8 OT I p. 217 lin. 21ff.


39. Ib. lin. 23 – p. 218 lin. 2.
40. Ib. p. 218 lin. 3–8.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 377

Wie der habitus selbst dem actus zugeordnet ist, ist die Frage, insofern die ac­tus
oder dasjeni­ge, dem sie gelten oder aus dem sie entstehen, de facto nicht im Sinn der
Kom­­­­po­sition oder die­­­ser folgend erkannt werden können. So gilt denn auch, dass es
von Prinzip und conclusio ge­­mein­schaftlich einen habitus geben kann:41 „dico quod
principiorum ali­quo­rum et conclusi­o­­­num potest esse idem habitus. Hoc probatur:
res­pec­­tu quorumcumque est na­tus esse unus ac­tus, respectu eorundem potest esse
unus habitus, quia non repugnat syllogismo composito ex multis propositionibus
intelligi uno actu quam pro­positioni compositae ex mul­tis terminis, sed proposi-
tio intelligitur uno actu; ergo etc.“ Die Deckbegriffe wie notitia, habi­tus, actus, ratio
etc. haben eine ‘faktische’ Bedeutung hinsicht­lich der Induktion, bzw. der Syn­­­­thesis
und de­ren Pendant, dem Widerspruchsbeweis, sonst keine. Auf der Stufe der Se­kun­­­­
därbegriffe geht der Nominalist Ockham nicht von einem un­be­dingten Sinn der
Begrif­fe aus, zielt auf die sig­­ni­fi­catio, wenn es darum geht, ihnen nach und mit Induk­
tionen ver­gleichs­weise, also im argu­men­­­­ta­ti­ven Gebrauch, diesem immanent, einen
insofern beschränk­ten ‘Sinn’ einzuräu­men.42 Er argumentiert damit aber auch nicht
bloß persuasiv, wie er es für fes­te theologische Thesen anstrebt, und eventuell einzig
mög­lich hält, sondern er hat implizit in der Induktion den Sinn der Begriffe auch
immer auf­ge­löst und kennt daher jeweils mehrere Thesen, die mit voneinan­der sehr
subtil ge­­trennten Be­­weisen einhergehen müssen. Sie ‘wi­der­sprechen’ ein­an­der auch
nicht nach irgendeinem faktischen Begriff von Widerspruch. Die Begriffe sind we­­­­der
a priori noch a pos­teriori auseinander her­leitbar. Die These, die widerlegt wird, der
also widerspro­chen wird, erhält mit ihrer Auflösung formell synthetisierte Begriffe zu­
gewie­sen. Es kann auch immer an­genommen werden, dass den reprobierten Thesen
eine Kon­­se­quenz ent­spricht, in welcher mit einer logischen Ordnung auch eine ge-
nealogische der Begrif­fe für ih­ren Ge­brauch unter­stellt wird. Induktion bedeutet im-
mer auch ‘Widerlegung’ nach ei­­ner Kom­­­­­­­pakt­heit von Sinn, der negativ ist und nicht
in sich widersprüchlich.43
In vielen Fällen aber wird der Bezug auf die res extra in dem Sinne negiert oder
abgeblockt, als die scholastische Terminologie, die Ockham gebraucht, eine eige-
ne multiplicitas bedeu­tet, mit der man in das Subjekt steigt:44 „habitus non respicit
obiectum nec in ratione obiecti nec in ratione cau­sae nisi mediante actu. Quod non in
ratione obiecti patet, quia non aliter in­clinat ad obiectum nisi quia inclinat ad actum;
nec causatur ab obiecto nisi me­­diante actu. Er­go ex iden­titate ob­iecti vel diversitate
non debet argui diversitas vel identitas habitus nisi me­diante di­versi­ta­te vel identitate

41. Ib. p. 218 lin. 20 – p. 219 lin. 2.


42. Ratio cognoscendi bleibt das obiectum extra animam. Auch die divina essentia kann ratio
cognoscendi sein.
43. Damit entfällt eine fundierende Funktion des Widerspruchssa­tzes.
44. Ib. p. 219 lin. 7–12.
378 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

actus; ergo habitus et actus in diversi­tate et iden­titate semper pro­por­ti­­­­onan­tur.“ Das


Ökonomieprinzip gilt bedingt innerhalb sol­cher Terminologien.
Der Begriff des habitus und der der notitia werden in Bezug auf die Inhalte oder
Begriffe, de­ren ‘Wahrnehmung’ sie besagen, ganz im Sinn dieses Nominalismus der
Sekundärbegrif­fe sich schlecht unterscheiden lassen:45 „Secundo, dico quod distinc-
tarum conclusionum sunt di­­stincti habitus: tum quia demonstratio universalis et par-
ticularis differunt specie, I Pos­te­­ri­o­rum;46 ergo oportet quod vel no­titia praemissarum
distinguatur specie vel notitia conclu­si­o­num. Sed sive sic sive sic, habe­tur propositum,
quia oportet quod vel habitus principiorum di­stinguatur specie vel con­clu­sio­num. Et
non est maior ratio quare habitus principiorum dis­tin­­­­guatur specie quam con­clu­sio­
num. Ergo semper notitiae conclusionum distinguuntur spe­cie.“
Der Widerspruchssatz und das tertium non datur können, wo die persuasio auf-
tritt, nicht un­ein­geschränkt, also von der extensio der Gegenstände oder ihrer Men-
gen (multitudines) her, be­stimmt sein. Entsprechend ist die persuasio gerade dadurch
bestimmt, dass für sie und ‘in ihr’ nicht der indirekte Beweis oder das tertium non
datur explizit zugrunde liegen. Man sehe z. B. als Beleg die Stelle:47 „sed quantitas
aliqua vel substantia potest fieri ita rara quod non pot­est fieri rarior. Quia inconve-
niens videtur quod una faba fie­ret ita magna quod cir­cum­­scrip­­tive occuparet tantum
locum quantus esset si essent mille mun­di.“ Man geht also auf ei­nen vorbehaltlos oder
umstandslos gesetzten Welt- oder Empiriebe­griff zurück und er­hebt sich von ihm aus
nicht mit einer scharfen Disjunktion zu den Begrif­fen oder (prin­zipi­el­len) Aus­­sagen.
Grundsätzlich gilt: alles Akzidentelle (der An­ordnung nach) dient nicht der Syn­­the­­sis
(dem Vollzug nach). Infolgedessen kann das Na­turale keine Syn­thesis enthalten oder
gar ‘meinen’. Das Meinen findet in der Form der Argu­mentation, die hier zu beschrei­
ben ist, sei­nen Rückhalt. Innerhalb des als akzidentell Anberaum­ten (Ange­ord­ne­ten)
findet die Syn­thesis nicht statt; hierin findet überhaupt keine Synthesis statt.48
Habitus, von Ockham natural gefasst, wird gegen jede theologische Überhöhung
ab­gesi­chert. Diese wird als irrelevant abgewiesen. Sie würde in Ockhams Argumen­
ta­ti­on nicht einge­schleust werden können. Deren Faktoren wür­­den untereinander

45. Ib. p. 218 lin. 11–19.


46. Aristot., Anal. Poster. I,c. 24, tt. 160–170 (85° 13 – 86° 30).
47. Ord. d. 17 q. 8 OT III p. 556 lin. 10–13.
48. Das lässt im philo­sophi­schen (philosophiehistorischen) Vergleich sich verdeutlichen.
Wenn Plotin be­wies, ei­gentlich widerlegte, nahm er einen Gehalt oder Inhalt, den er als ak­
zi­den­­tel­­len und per se inexistenten er­wei­sen würde, für den Moment als vollinhaltlich und
voll­sei­end und bewies dann, dass dies nicht angehen könne, i.e. wi­­­­­­dersprüchlich sei, absurd,
inde­fi­­nit. Man mag fragen, ob das angängig sei, i.e. ob eine substanziale An­nah­­­­­­me durch den
in­direkten Beweis als Aufweis der Absurdität des Gegenteils dann noch als vollgültig er­kannt
wer­­den konnte. Schon die Seele, erst recht aber der Leib, und schließlich vollends die Mate­rie,
sollten so als ei­gent­­lich nichtseiend die Eigenschaften des Geistes nicht tragen können. S. ex-
emplarisch Enneaden I 8: Πόθεν τὰ κακά.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 379

einen konsis­ten­­­ten Zusam­men­hang nicht haben können, der zu­gleich in facto als em-
pirischer sich ausnäh­me. Sie wür­den indefinit erscheinen. Damit steht er gegen die
theologische Überhö­hung und be­­festigt die Annahme, dass es eine Erkenntnis Gottes
in se für uns nicht geben kön­ne. Das hat­­­­­te so schon Duns Scotus gesagt,49 wenn auch
unabhängig von jeder in die Dar­stellung selbst einge­bet­teten Schlüssigkeit: „Theolo­
gia nostra est habitus non habens evi­den­tiam ex ob­­­jecto; et et­iam illa quae est in nobis
de the­o­logicis necessariis non magis, ut in nobis, habet evi­dentiam ex objec­to co-
gnito quam illa quae est de contingentibus. Igitur theo­lo­giae nostrae, ut nostra est,
non opo­rtet dare nisi objec­tum primum notum, de quo noto imme­di­ate cognos­can­­tur
pri­mae veri­ta­tes.“ Dies kann derart natürlich nur sein oder gelten, wenn wir mit der
lo­gi­schen Be­weis­füh­rung, an sich oder fiktiv genommen, keine Größen zu ersin­nen
oder zu fin­den hät­ten, die ‘de­fi­nitermaßen’ die Stufe un­­serer Begriffe, seien sie nun em­
pirisch oder ab­­­strakt, über­stiegen. Ins­o­fern wollen alle Sco­ti­schen Erläuterungen, die
Kontin­genz und Ab­straktion nebeneinan­der- oder einander entge­gensetzen, nicht zu
viel besagen:50 „Il­lud pri­mum est ens infinitum, quia iste est conceptus per­fectissimus
quem possumus habere de illo quod est in se subjectum primum, quod tamen … non
continet virtualiter habitum nostrum in se nec mul­­to ma­gis ut no­bis continet ipsum
habitum. Usw.“ Der entscheidende Unter­schied ist für Duns Sco­tus, dass trotz der
Gleichheit der theo­logia in se und der theologia ut nobis nota, letz­­­­­­­­­tere nicht evidens
quoad objectum ist.51 Die Begründungen des Duns Scotus stellen ‘Fol­ge­run­gen’ dar
(= beste­hen aus ihnen), bei denen ein Mangel (= Ungefülltheit) im Sinne einer Un­wi­
der­sprechbarkeit sich beglaubigen lassen können soll.52 Duns Scotus sagt hier eindeu­
tig, dass der Begriff (von Gott) nicht den habi­tus – virtualiter – enthalte, den wir de
facto be­züg­lich des Begriffs haben, so dass wir mit ihm nicht Gott denken können.
Das aber wiede­rum wäre eine Annah­me, zu der uns a limine nichts vermögen soll-
te. Ockham trennt habi­tus und Gegen­stand (Gott); aber er reflektiert nur noch den
habitus, bzw. den ihm zuge­hö­ri­gen ac­tus appre­hen­sivus und kann so noch von der
er­kenntnistheoretischen Fra­ge­stellung all­ge­mei­­­ner wieder sich lösen. Duns Sco­­tus
will aber an dem Aspekt einer in sich ge­wissen theo­lo­gi­schen Er­kennt­nis fest­hal­ten.
Dieser Gesichtspunkt entfällt bei Ockham: es gibt nur noch den Ge­sichts­punkt einer
in sich nicht notwendig zweifelhaften, i.e. rundhe­rum – per ab­strac­­­ti­o­nem, so wie wir
sie schil­dern, – hypothetischen ‘Erkenntnis’. Hier gelten die Formeln: ‘potest persua-
deri’, ‘non est incon­ve­ni­ens’, ‘non est magis ratio quod non’ etc. Da mag man Apo­­logie
sehen: we­gen der ein­­deu­tig intensionalen Fixierung weit mehr apo­logetisch als bei

49. Op. ox. Prol. qu. 3, a. 4, n. 12; I, 55–56.


50. Ib.
51. Bei Ockham ‘erkennt’ der habitus überhaupt nicht (s)einen Gegenstand. Es ist die Frage,
was enthalten (con­­­ti­ne­re, continere virtualiter) da noch bedeuten soll. Wir können ja aus dem
vir­tualiter keinen Folgerungs­be­griff noch einen Folgegegenstand machen. Also weder conse­
quen­­tia noch consequens.
52. E. Gilson, 1952 pp. 53, 55f.
380 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Duns Sco­tus, der ei­­nen extensi­o­nalen Wert akzeptiert. Doch ist die tech­ni­sche Form,
worin Ockham sich prä­­­sentiert, pri­ma vista des Apologetischen ent­klei­det. Diese Sa-
che lässt sich grundsätzlich klä­ren oder bestimmen.
Denn der habitus erst ist oder hat bei Ockham die Allgemeinheit des ‘Begriffs’
und zwar oh­­­ne dass eine Implikation von ihm zu irgendetwas führte. Indem es diese
Implikation nicht gibt, be­­zieht sich der Begriff auf die Definitheit. Der habitus – i.e.
der Begriff vermöge des habitus – bezeichnet (die) Allgemeinheit, welche – qua ab-
stractio – den Begriff an die Stel­le der In­hal­­­­te setzt, die sich denken ließen. Er ist die
Größe, die unabhängig von ihnen ist und ent­­spre­chend ‘induzierbar’. Zwischen Duns
Scotus und Ockham kehren sich daher fast zwangsläu­fig die Stellung und der Rang
des Begriffes im Allgemeinen und des habitus um. Ist dieser noch bei Duns Scotus,
wie oben ablesbar, ein Hilfsbegriff, wird er bei Ockham der Ge­­­­­­wich­­tung nach Haupt-
begriff; war es bei Duns Scotus wegen der Rolle des Begriffs habitus als Hilfsterm
ganz unklar, ob mit seiner Hilfe, wie er nämlich in der Form einer Implikation auf­
trat, über­haupt etwas sich ermitteln lassen würde, wird er bei Ockham inhaltlich wie
eine rela­tio ge­fasst, unabhängig von Implikation; er tritt in seiner abstrakten (ab­­­­­­­strak­­­
tiven) Be­­­­deutung ge­genüber kontingenten Umständen und in der Abhän­gig­­keit von
In­­­duktionen in Funk­tion.
Wenn jedoch, wie angedeutet, die Beschreibungsbegriffe für den Erkenntnisakt
und die Men­ge der möglichen Erkenntnisse in anima und ihre Verteilung und Zu-
ordnung ad libitum sind, also Begriffe wie notitia abstractiva, actus apprehensivus,
notitia intuitiva, habitus, actus as­sentiendi und actus iudicativus formell auch aus-
getauscht und anders definiert werden kön­nen, mithin über ihre Reichweite nicht
entschieden ist, in welcher je der akzidentelle Belang potentiell varia­bel wird wenn
Fixierungen quasi empiriewertig als fallaciae nachweisbar sind, die zur Umge­staltung
des Ganzen bewegen, weil nur so missliebige Folgerungen abgewehrt wer­den kön­
nen), so entsteht mit dem darin immanenten Bezug auf die Realität, der indes rein
negativ ist, das Logische, i.e. das genuin logische Interesse Ockhams, als Ausschlie-
ßung von Real­be­­­­­zü­gen. Die Logik reguliert nicht den Realbezug; sie vermeidet ihn
nach bestimmten Vorzei­chen: Er fällt mit der Exklusion zusammen und danach kann
es eine wirkliche Logik des Schluss­­­­­fol­gerns nicht mehr geben. So gesehen kann bloß
der Bereich des Akzidentellen nicht gestaltet werden. Für ihn gibt es dann auch kei-
ne suppositionslogische Erschließung und Re­­gu­lation.53 De­ren Aufgabe kann bloß
die Festlegung der Determinatheit sein. In diese Auf­ga­be werden so gesehen auch
die erkenntnistheoretischen Fixierungen einbezogen. Der Ein­be­­zug der Indukti­on in
die Verfahren der Erstellung und Sicherung der Ansichten, auch die Fo­r­men und
dies im Umkreis von Widerlegung, persuasio, instantiae (empirischen Charak­ters)

53. Ockham gibt etwa mit „modo compositionis“ und „modo divisionis“ keine differente Klas-
sifikation von Sät­­zen (bzw. der Begriffe darin) im Sinn von Bedeutung. Die Un­ter­schei­­dung
reflektiert den Ausschluss der Be­deu­tung im Sinne der formellen Identität mit der significatio.
Die Dif­fe­renz ist keine realiter bezogene oder ab­ge­stütz­te; sie definiert intensionale Satzbewer-
tungen. Ockham identifiziert zuletzt beide als ununterscheidbar.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 381

macht keinen rele­van­ten Begriff normativer Logik sichtbar. Wo eine sol­che tenden-
ziell bei Ockham angestrebt wird, rückt sie in die Nähe der Ausschließungs­ver­fahren
und die Ab­sicht De­­­­­­fi­nitheiten herzu­stel­len.54 Die Begrenzung des Willens bzw. der
Schöpfer­kraft Got­tes im Widerspruchssatz aber muss ab­­­solut oder inhaltlich gesehen
besagen, dass im Sinne einer Fol­­ge­rung über den Wi­­der­spruchs­­satz oder ein Wider­
spruchsmoment, das dann in­halt­lich noch nicht ausgewiesen wäre55 und bezüglich
seiner Anhaltspunkte im Realen un­be­stimmt, festge­stellt werden könn­te, dass eine
gewisse Folgerbarkeit alias Konsistenz nicht bestehe.56

54. Für Ockham ist jede Nichtidentität, die als solche der Begriffe, das heißt: intensional, er­schei­
nen können soll, notwendig Nichtidenti­tät a parte rei. Letztere muss aber nicht ex se an­ge­geben
und bestimmt werden. Es ist klar, dass er damit von den Realisten usw. sich unter­schei­det, die
immer nur mit der förm­­lichen ‘Übereinstim­mung’ des intensiona­len oder auch ‘mo­dalen’ Be-
stimmungsfaktors und der realen Zielkomponente einer Klassi­fi­­ka­­tion in rebus extra oder pro
rebus extra zu ope­rie­ren vermochten: Cf. W. Chatton, Rep. I, d. 3 q. 2 ed. G. Gál, Fr. St. 27, 1967,
pp. 199–212, p. 200: „Sed nihil per idem quo convenit cum aliquo differt ab eodem, aliter non
es­­set via in­ves­tigandi dif­fe­rentiam inter esse genus et diffe­ren­ti­am, et tunc Deus si­ne composi-
tione posset esse in genere.“ Da­gegen Ockham Ord. Prol. q. 2 OT I p. 103 lin. 21 – p. 104 lin. 2:
„Sed si nulla penitus sit distinc­­tio in­ter di­vi­nam essentiam et intellectum et actum intelligendi,
nihil ima­­ginabile potest expri­mi per unum con­cep­tum (ma­gis) quam per alium, igitur uterque
erit quidditativus vel neu­­ter.“ Auch essentia und Attribut können so nicht ge­schie­den werden.
Sie müssen beide den­sel­ben Gegenstand ganz abdecken, indes über eine Referenz ge­schie­den (ib.
p. 104 lin. 2–5): „Si dicatur quod ex­primit idem non eo­­dem modo, contra: non pot­est assig­na­ri
talis diversitas mo­dorum nisi aliquo modo propter ali­quam non-iden­ti­ta­tem a par­te rei.” Die Ar­
gumente seiner Kon­tra­­henten müs­­­­sen daher in irgendeinem Sinn explizit falsch oder indefinit
sein. Erst indem sie dies sind – was Ockham be­­wei­­st –, ent­­steht mit den Beweisen, die er führt,
seine Konzeption, die auf den Beweisen beruht und sie ka­no­ni­­siert. Die Be­weise selbst stehen
den Abstraktionen nah und gehen in sie ein und um­ge­kehrt.
55. Wenn wir von Gott sprechen, müssen wir miteinander übereinstimmend den Aspekt Got­
tes in Gott (i.e. Han­deln und Denken im Verein) und unseren Aufblick darauf geben können.
56. Dabei muss Gott nicht notwendig mechanistischen Zwängen unterliegend gedacht wer­den,
wie H. Blumen­berg, 1966 im Glauben unterstellt, erst damit der logischen Folgemäßigkeit Rech­­­
nung zu tragen. Gott ist gerade im Sinn von Ockhams Abstraktion und wie die­se gegen Kon-
sistenz und abirrende Folgerungen gesi­chert wird, von der ana­ly­tischen Zwang­­haftigkeit nach
Aussagen, die ihm gelten, freigehalten worden. Es ent­spricht dem Ab­­­straktions­mo­dus, mit dem
Ockham alle Aussagen, Begriffe und schließlich auch die er­kennt­nis­theoreti­schen Leit­begriffe
wie notitia intuitiva, notitia abstractiva usw. kon­stituiert. Ei­ne andere Frage ist, ob Kausalität
in lo­gische Aussagen ein­geschlossen gedacht werden kann. Wenn das nicht der Fall ist, und bei
Ockham ist es nicht der Fall, gibt es keinen Grund, die Zwangsmäßigkeit göttlichen Handelns
als aus begrifflichen An­nahmen fol­gend zu un­terstel­len. Ockham nimmt sie nicht einmal bei
der scientia futurorum contingentium an.
382 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Das Geflecht der Faktoren, die psychogenetisch die Erkenntnis aufbauen und die
kau­sa­le Be­zie­hung zwi­schen ihnen ein­be­zie­hen, umfasst auch die res extra animam
und diese ist nach Ock­ham strikt singularis. Sie heißt singulare:57 „dico quod obiectum
motivum intellec­tus est praecise singulare. Et dico quod omne singulare est motivum
intellectus, quia omne sin­­gu­la­re potest intelligi notitia intuitiva, quantum est ex natura
animae et intellectus nostri.“ Es muss aber das singulare sein, das in der notitia intui-
tiva die Erkenntnis verursacht und über sie der in­tel­lectio nahegebracht wird.58 „Sed
ad notitiam intuitivam requiritur quod ipsa res cog­ni­ta in­tuiti­ve cau­set intellectionem,
quia aliter non posset illa res naturaliter cognosci intuitive, igi­tur quod­libet singulare
est motivum ipsius intellectus ad sui ipsius notitiam intuiti­vam.“ Da­­­­mit ist natürlich
auch die Unterschiedenheit verschiedener notitiae intuitivae unter­schiede­ner sin­gu­
laria gege­ben und folglich auch die Wiederholbarkeit der notitia intuitiva von gleich­
ar­ti­gen res singula­res, also einander ähnlichen Objekten, für die im Sinne der notitia
in­tu­itiva, die ei­nen actus ap­prehensivus und einen actus iudicativus59 umfasst und so
bei kontin­gen­ten (em­pi­­­ri­­schen) Sätzen die Verifika­ti­­on vornimmt, kein Widerspruch
besteht.60

57. Ord. d. 3 q. 8 OT II p. 540 lin. 6–13.


58. Ib. lin. 9–13. In dem Sinne bedarf Ockham bei der notitia intuitiva nicht der species.
59. Als (oder vermöge des in ihr enthaltenen) actus iudicativus bezieht sich die notitia intuitiva
nicht mehr auf die res extra animam, die doch die notitia intuitiva generiert oder bewirkt ha­
ben. Cf. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 22 lin. 7–9 „Ad aliquem ac­tum iudicativum sufficiunt illa quae
sunt in intellectu tam­quam cau­sae proximae et imme­dia­tae, et ad omnem ac­tum iudicativum.“
Selbstverständlich ist noch ein Rück- und Durchgriff auf die Realität mit die­sem „Gebrauch“
der notitia intuitiva gleichwohl gegeben, wie auch aus der nächsten An­merkung hervorgeht.
Aber er entfällt für den actus iudicativus (ib lin. 11f) „si sit in intellectu actus sciendi praemissas,
statim scitur con­clusio omni alio circumscripto.“ Selbst bei dieser Einschränkung gilt, also – a
fortiori – immer (ib. lin. 12–15): „Ergo ad omnem actum iudicativum sufficiunt ea quae sunt in
intellectu tamquam causae proximae. Prae­te­rea, ex quo causae quae sunt in parte intellectiva
sufficere possunt, frustra ponuntur aliae causae.“
60. Cf. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 289 lin. 1–7: „licet intentio vel species, si poneretur, aequaliter
assimilaretur mul­tis in­­di­vi­du­is, ta­men ex natura sua determinat sibi quod ducat intellectum in
cognitionem illius obiecti a quo par­ti­­a­li­ter causa­tur: quia ita determinat sibi a causari ab illo
obiecto quod non potest causari ab aliquo alio. Et ideo sic in eius cog­­nitionem ducit quod non
in cognitio­nem alterius.“ Die Unterschiedenheit der res singulares als cau­­sae partia­les der no-
titia intuiti­va (die andere causa ist der intellectus), die Unterschiedenheit der notitiae intu­i­tivae
ver­­schie­­­dener Objekte, die Unterschiedenheit der Begriffe (universalia) sind gewährleistet
durch die empi­ri­sche Quel­le des Erkennens und dadurch dass gegen diese determinate nicht
operiert i.e. argumentiert werden kann. Die Argumente oder rationes, auch wenn sie dann an-
ders laufen und lauten, sie em­pfangen selbst darin ih­ren Ka­non von dieser empiri­schen Basis,
für die sie analog eintreten. Das begründet die Definitheit des Sy­stems; sie gründet im Nicht-
Ausschluss von Ausschließungen empirisch-menschlicher Referenz bei unseren Begriffen.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 383

Die res singularis wird durch die notitia intuitiva an den Intellekt ver­mit­telt, der
wie Ockham ge­meinhin sagt, zur intellectio die species erübrigt. Die Erkenntnis findet
rein im Me­di­um des Verstandes statt und keineswegs in dem des sensus. Der Intellekt
als Vermö­gen und sei­­ne in­tel­lectio sind durch die Abstraktion bestimmt und in ihm
gibt es eine notitia in­tuitiva, die von der notitia intuitiva sensitiva zu unterscheiden
und zu trennen ist, die eben nicht ‘er­kennt’.61 Dabei bleiben intellectus oder anima
und res extra getrennt:62 „dico quod res extra non est men­­­­su­ra actus intelligendi sed
veritas in intellectu men­­suratur veritate quae est in re, quia in ‘eo quod res est vel non
est’ etc. et non est res men­su­ra ac­­­tus assentiendi secundum sub­­stan­ti­am suam, sed
solum quod denominatur a veritate cui as­sentit: et veritas in re distin­gui­tur a ve­ri­
tate in intellectu sicut res a ratione.“ Zwischen res und ra­tio wird also eine distinc­tio
re­­­­a­­lis an­­genommen. Das bedeutet, dass jene Akte, die in den Ver­­stand fallen, also
actus intel­li­­gen­di, actus assentiendi, die habitus usw. von der Sphäre der res extra ani-
mam im­mer ver­schie­den sind, und weder durch Bestimmungen noch in der Form
der Beweise kann sie in die Ver­stan­des­­sphäre eintreten. Würde das geschehen, würde
alle In­duk­ti­on aufhören et vi­ce ver­sa: bei Tren­nung beider Sphären muss die Indukti-
on als Beweis­ver­­fahren zwangsläu­fig wer­­den, bzw. immer inhärent erscheinen. Wenn
wir mit Ockham vom Objekt (extra ani­mam) als einer cau­sa (partialis) der Er­kennt­
nis (intellectio) sprechen, so soll diese doch nicht ex ob­iecto konditi­o­niert werden,
derart, dass der Gehalt der Erkenntnis praktisch, diese defi­nie­­rend, als Element im
Objekt wiedergefunden werden könne.63 Das wäre die realistische Posi­ti­on (in der

61. Cf. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 285 lin. 21–23: „et sensus non potest cognoscere materiam.
Mirabile enim esset ex quo materia est res ali­qua positiva, si non posset apprehendi ab aliqua
potentia.“ Dabei wäre eben der sensus bloß mit der res singularis, also vielen singu­la­ria befasst,
die er ja in irgendeiner Weise bei der Wahr­­nehmung in irgendeiner Weise körperlich ‘berührt’.
(ib. lin. 13–15): „intellectus abstrahit a conditionibus materia­li­bus quia in­tellectio est subiective
in intellectu (was der Be­griff als universale noch nicht ist, wenn er als fictum oder ob­iec­tivum
esse, ‘Ge­gen­stand’ der in­tellectio ist, es sei denn er werde hypothetisch selbst intellectio und
subiec­ti­vum esse genannt) non extensive in ali­quo composito sicut organo corporali.“ Diese
Abstraktion fin­det allein im Verstand und mit der intellectio statt (ib. lin. 15–17): „Et potest
sic intelligi dictum commune de abstrac­ti­o­ne a con­ditionibus materialibus quod ‘intellectus
abstrahit’ etc.“ Der Verstand setzt aber die sinnliche Wahr­neh­mung voraus (ib. lin. 4–6): „natu-
raliter nihil intuetur intellectus nisi mediante sen­su exi­stente in actu suo.“ Je­doch gilt ein­­­deutig
(ib. p. 286 lin. 4–5): „nihil potest intelligere nisi abstractum a ma­te­ria, sic quod non indiget
or­gano cor­porali ad in­tel­li­gen­dum.“
62. Rep. II, q. 9 OT V p. 176 lin. 7–12.
63. Derart ist die ratio intellectionis denn auch unabhängig von der res extra, der sie doch gilt
und von der als cau­sa partialis sie abhängt. Es ist zu betonen, dass dies die Induktion als Met­
hode und entscheidendes methodisches Bindeglied begründet. (Ord. d. 35 q. 2 OT IV p. 441
lin. 8–11): „praeterea in no­bis non semper intellectio causa­tur ab obiecto, sed aliquan­do causa-
tur aliquando non. Ergo non est de ratione intellectionis causari vel dependere ab obiecto. Ergo
poterit es­­se intellectio quamvis non dependeat ab obiecto.“ ‘Ratio’ gehört in die Abstraktion.
384 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Univer­sa­­lienlehre). Nun kann aber so auch nicht die oder eine logische Be­grün­­dung
für die Erkennt­nis derartig aus dem Objekt ge­­schöpft werden. Das Objekt ist in sei­ner
Rol­le für die Erkennt­nis beschränkt auf eine bloße Erscheinung ohne eigene Erschlie-
ßung. Die Er­kenntnis erstreckt sich vielmehr nur auf das Ver­­­­­hältnis der Verstandes-
dimension zur Ge­­gen­standswelt und ist mit die­ser Erstreckung met­hodisch durch
die Begründung bestimmt und ‘aus­geschöpft’, die sich dafür geben lässt. Es wird also
induktiv oder in der Form der persua­sio im­mer nur dieses Ver­hältnis genannt und
be­­gründet und indem es als formelles besteht, be­­steht es (nach der In­duk­­­ti­­­on und
der persua­sio) formell auch inhaltlich. Was darin ent­fällt, ist sachlich erkenntnis­ir­re­le­
vant.64 Dafür gibt die Naturphilosophie Ockhams dann noch ei­nen eige­nen Beleg ab.
Der ordo conceptuum (oder besser: ein ordo conceptuum) kann damit nach
Ockham nicht mehr von Interesse oder nicht mehr möglich sein. Er wird für die
Demonstrationslehre von Ock­ham nicht angenommen und diesbezüglich innerhalb
der von uns behandelten Argu­men­­tation nicht hergestellt. Für die Deduktionsweise
des Duns Scotus muss gleichsam das „A pri­o­­ri“ ei­ner Ordnung der Be­­grif­fe immer
unterstellt werden, derart, dass sie dann durch die De­­­duktion und Beweisfüh­rung
wahrgenommen und eingelöst würde. Es wäre damit eine Ord­nung, die durch die
Deduk­ti­on erst erlangt würde und zu Bewusstsein käme, gleichwohl aber den ‘Ak-
ten’ des Bewusst­seins vorausläge, ohne dass dessen „‘A priori’“ selbst damit schon
ge­nannt würde bzw. als an die­­se Ordnung vermittelt und angeschmolzen erschiene.

64. Zugleich gibt es ein Reich der Erweiterungen. Sie werden dann ebenso induktiv wie persua-
siv sei es ‘bewie­sen’, sei es entschieden. Dabei entfallen im Sinn der persuasio schar­fe Disjunk-
tionen, und dies sowohl ex par­­te rei (obiecti) wie bezüglich der intensionalen Formulierung
und Bestimmung der intellectio. So gelten ne­ben­­ein­ander (ib. p. 440 lin. 12f): „dico quod nullo
modo potest per rationem probari quod deus nihil aliud a se in­tel­li­gat.“ Diese The­se ist relevant
in Bezug auf die Unterstellung, dass Gott überhaupt nichts erkenne, was au­ßer­halb seiner sei,
weil er damit von etwa anderem als ihm selbst abhängig sei (cf. ib. p. 441 lin. 4): „sed omnis de­
pen­den­­tia repugnat deo.“ Was, wollte man es als Einwand verstehen, weil es eine Be­schrän­­­­kung
Gottes be­deute, für Gott sei­ner­seits zu bedeuten hätte, dass er von einer rea­len Nötigung ex
parte rei abhängen können müsse, die Ock­­ham schon für den Men­schen ausschließt und in ge-
nerali für unbeweisbar hält (ib. p. 441 lin. 6ff): „non pot­est probari quod omnis in­tel­lec­tio intel-
ligentiae moventis caelum dependet a caelo, et tamen illa intel­li­gentia mo­vet caelum.“ Wir sind
an einer Grenze scholastischen Erkennenwollens, -müssens und -könnens. Denn wir woll­ten
in scho­lastischer Immanenz ja Glaubenslehren unserm Verstand angleichen und vermitteln.
Das war seit den Zeiten Abailards und Anselms von Canterbury klar. Ockham sagt daneben
ib. p. 440 lin. 14f: „secundo quod non pot­est probari per rati­o­nem quod (Gott) intelligit omnia
alia se.“ Es folgt also nicht die weiteste Erstreckung aus der maximal be­grenz­ten und formell
negativen Behauptung (oben), dass Gott nicht ‘etwas’ au­ßer­halb sei­ner selbst Ge­­ge­­benes nicht
erken­nen könne. Aus dieser formell negativen und äußerst begrenzten oder bloß indi­rek­ten
Be­hauptung ‘folgt’ für Ockham nicht einmal direkt: „quod intelligit aliquid aliud a se.“ Es wird
vielmehr ei­gens per­­­sua­diert ib. lin. 15f: „Ter­tio (di­co) quod potest probaliter probari quod intel-
ligit aliquid ali­ud a se.“ Das ‘pot­­est persua­de­ri’ liegt auf der hö­heren, abstrakten Ebene, nicht auf
der gegen­stands­­­­gebun­d­nen primären.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 385

Es wäre da­mit auch unbe­kannt wer da und darin erkennte. Ockham argumentiert
allein für die Ord­­nung der Be­griffe (im besonderen also gegen die Annahme eines
starren Gerüstes und ei­ner inhaerentia, mutuellen informatio zwischen ihnen) nach
der Maßgabe des menschlichen Er­ken­nens, wie es für den Ver­stand und in ihm ange-
nommen werden könne. Die Ordnung der Begriffe, die Ockham feststellt, besteht mit
deren Bewertung in Bezug auf Sätze. Deren Ver­hältnis aber bedingt nicht Vereinheit-
lichung, nicht Gleichartigkeit, nicht Zusammenhang, son­­­dern Trennung und Dispa-
ratheit. Er ermittelt unter Verweis auf die tat­säch­lich in die­sem Verstand vorliegenden
Sätze, nach deren Typus, und mit den wieder für die­se Typen in­duktiv feststellbaren
Charakteristiken, dass es diesen ordo, über einzelne Sät­­­ze hinaus­gehend, nicht ge­­ben
könne. Damit ‘gibt’ es auch nicht die Deduktion. Es müsste, ist zu folgern, in der Sco­ti­
schen immer einen Fehler geben, wenigstens ‘denjenigen’, den Ockham angibt: dieser
wür­de aus der Kenntnis der im actus menta­lis bestehenden Tätigkeit des Verstandes
folgen. Die­ser Be­weis könnte in intensionalem Sinn für konstruktiv gehalten werden.
Man kann aber die Sco­­­­­tische Deduktionsart auch aus anderen Gründen bestreiten.65
Daneben ließen sich even­­tu­ell wei­tere intermediäre Fehler, Fallacien womöglich, auf-
finden.66 W. Chatton setzt ei­nen sol­chen ordo conceptuum rein semantisch an, er
glaubt ihn be­wei­sen zu können. Das ver­­­sucht er in der Form von Widerlegung.67 Die
Frage ist, ob Ockham auf sol­cher Ba­sis wider­legt wer­­den könne.68 Daneben ist es die

65. Etwa wegen des Satzes von Löwenheim und Skolem s. Kap.3 Anm. 89, Kap. 5 Anm. 79,
Kap. 12 Anm. 56.
66. Zu unterscheiden von denen die Ockham als mangelnde Begründung eines intensionalen
Zusammenhangs der Begriffsarten bei Duns Scotus u. anderen Scholastikern anführt.
67. Z. B.: „((ad hoc, quod unus conceptus cadat in formali descriptione ali­cu­ius,)) non sufficit
quod de facto ea­dem res significetur per utrumque terminum, quia tunc haec esset ita per se
‘Deus est sapiens’, si­­cut ista ‘Deus est Deus’; et haec ‘Deus est pater’ esset summe per se, quia in­
ter deitatem et paternitatem est summa identitas re­a­lis. Igitur prae­ter identitatem rei requiritur
ordo conceptuum, sicut quod sint conceptus eiusdem coordinationis prae­di­ca­bi­li­um vel quod
ve­ritas praedicationis requirat per se, quod res significata per praedicatum sit quidditas vel pars
quidditatis rei significatae per subiectum, sed istae condiciones non accidunt, si illi termi­ni
sic se habent in­ter se respectu compositorum, quod unus non cadit in formali descriptione al­
terius. Igitur etc.“ Chatton, Re­por­tatio et Lec­tu­ra super Sententias. Librum Primum et Prologus,
ed. J. C. Wey 1989 p. 185 lin. 75 – p. 186 lin. 85.
68. Nimmt man beim Text aus Anm. 66 den eingeklammerten Teil hinzu, so könnte man den
Text für einen Be­weis ex negativo halten, also für die Widerlegung der Behauptung, dass für
die ge­nann­­­te ‘des­crip­tio for­ma­lis’ die Suppositionsvorschrift Ockhams genügen kön­ne: eine
ziemlich absur­de These, da das Suppositi­ons­prä­skript gerade ohne eine Verbindung und Be­zie­­
hung der Be­grif­fe auskommt und nur auf den empirischen Fall ei­ner sogenannten deiktischen
Iden­­tität (W. Kamlah/P. Lo­renzen, Logische Propädeutik, 1967, p. 27, p. 39) rekur­riert. Lässt man
den eingeklammer­ten Text aber weg, so kommt man allenfalls zu einer persuasio, und deren
Ba­sis wäre, dass das Suppo­si­ti­ons­prä­skript nicht ge­nü­ge, weil es nicht die Wahrheit gebe oder
nicht auf sie re­kur­­­rie­re, was auch absurd ist, weil es sie gera­de er­setzt, nicht anders als das
386 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Frage, wie weit semantische Grund­le­gun­gen des scholas­ti­schen Er­kennens und der
scholastischen Sprachthe­o­rie tragen kön­­nen. Pin­borg69 bemüht ei­ne solche semanti-
sche Grundlegung für Ockham und überträgt Choms­ky­s Trans­for­mations­gram­­matik
unmittelbar auf Ockhams Er­klärung ele­mentarer Sät­­­ze.70
Man hat versucht, die Geburt der modernen Naturwissenschaft, nicht ohne sie
zum Fe­­­tisch zu machen, als mitverursacht von einer apokryphen Theologie auszu-
geben, die in ih­rer Form als no­­mi­na­listische Depravation alles Denkens zu dieser
modernen Wissenschaft ei­nen kataly­ti­schen Zwischen­zu­stand abgegeben habe.71 In
dieser nomina­listischen Zwischen­pha­se wer­den göttliches und menschliches Subjekt
mit- und aneinander entwertet, wobei der Deu­ter in der Pro­­jektion auf den Nomina-
listen aus­gibt, was dieser auf Gott proji­ziert habe, um da­raufhin psy­­chisch, im Sinn
seiner verängstigten mittelalterlichen Befindlich­keit, heilsame Schlüsse zu zie­hen und
in Ermattung und Entmuti­gung Ausfalltore sich zu er­öffnen:72 „‘Die Welt ist nicht so
voll­­kommen geschaffen, dass Gott bei ihrer Erschaf­fung al­les ge­macht hätte, was er
ma­chen konn­te, ob­wohl sie wiede­rum so vollkommen ge­macht ist, wie sie werden
konn­­­­­te … Aber das Werdenkön­nen dessen, was gemacht worden ist, ist nicht das
ab­so­lute Ma­­chen­kön­nen selbst des allmäch­ti­gen Gottes.’ Man kann greifen, dass dies
ein ver­zwei­­­felter Ver­such ist, die Fakti­zität als rati­o­­nales Ärger­nis zu beheben und

Widerspruchsmoment, das so auch nicht in An­spruch ge­nommen werden könn­te, so dass man
das Gegenteil erst noch zu be­weisen hätte, was einen Zir­­kel ergibt, nicht anders als die Un­ter­
stellung der Erforderlichkeit von ‘Wahrheit an sich und in rebus’.
69. J. Pinborg, 1972.
70. Dabei gibt es Schwierigkeiten auch bereits von der Seite des bemühten Vergleichsmodells:
Choms­kys TG ist evtl. se­mantisch affiziert, der Form nach syntaktisch. Cf. N. Chomsky, As-
pekte der Syntax-Theorie, dt. 1969 p. 103: „Ich nehme durchweg an, dass die se­man­­tische Kom­
po­­nente einer generativen Gram­­matik, ebenso wie die phonologische, rein interpreta­tiv ist.
Da­­raus folgt, dass sämtliche in der se­man­tischen Interpretation verwendete Information in der
syn­tak­ti­schen Kom­po­nente der Gram­matik dargeboten werden muss.“ Der Kalkül der Post­
schen Sprachen muss zudem das ‘A prio­ri’ der Vernunft oder des Verstandes, im Sinne der
Leh­­­­re von den ideae innatae, auch fiktiv und bild­lich oder gleich­sam in or­ganischer cerebraler
Be­­deutung darstellen (i.e. wie­der­ge­ben): denn während die Post­schen Spra­­chen mathematisch
mit einer ganzen Anzahl von Kalkülen oder Algorith­men äquivalent sind, z. B. den Mar­koff­
schen Ketten, sol­len diese, wie J. J. Katz, Philosophie der Sprache, dt. 1969 p. 108f erklärt, nicht
zur Re­a­li­sation des Choms­­­ky­­schen Kon­zepts sich eignen, es also nicht darstel­len. Es hat aber
kein generatives Sy­stem, das für ei­ne be­stimm­­te Spra­che vorgeschlagen wur­­de, bisher alle Sätze
die­ser Spra­­che erzeugen können. Chomskys Modell ist da­her höchstens in genere in einem
unbestimmten oder unbe­kann­ten Sinn effektiv. J. Hintikka und H. Putnam ver­miss­­ten den se­
man­­tischen Begriff von meaning in der TG, den Pin­borg ihr gleich­wohl entnommen hat.
71. H. Blumenberg, 1966.
72. Ib. p. 546f Das Zitat zwischen den einteiligen Anführungszeichen (Auslassung durch uns)
ist von Cu­sa­nus.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 387

gleich­­zeitig die Per­sonalität Gottes zu retten; aber gerade die An­gestrengt­heit dieses
Versuchs markiert den Weg, der statt auf die als unmöglich erschei­nen­de Lösung des
Problems auf sei­ne Eli­mi­nie­­rung führt.“ Gott kann, wenn er die Welt schafft, bloß
etwas Zweit­­rangiges er­schaf­­fen; erstrangig ist er selbst. Das Pro­­blem kann nur um
den Preis ei­ner pe­­titio principii überhaupt auf­­gewor­fen wer­den. Die ge­rade sucht
Ockham durch die in sich zweistufig an­ge­­leg­te und auf das mensch­liche Denken
selbst bezogene Abstraktion zu ver­­­mei­den. ‘Sich selbst’ kann Gott sinn­­voll nicht er-
schaffen. Nicht er ist dabei – von ei­nem Wi­der­spruch – li­mi­­tiert.73 ‘Unser’ Den­­­ken ist
es. Die Aus­sa­ge, dass Gott sich selbst er­schaf­fen könne, ist nicht de­ter­minat, und der
Wider­spruch, den Gott als geschaffenes und ab­solu­tes Wesen ‘ver­­körpern’ müsste,
i.e. nicht sein kön­­nend, ko­in­zi­diert da­­­­mit, dass der Satz ‘Gott kann sich selbst nicht
schaffen’, sinn­los ist. Wir müssten den Satz auf­stellen im Sinn ei­ner Kon­­sequenz, die
kei­ne Prä­­misse hät­te. Als Wider­spruch so we­nig ab­leitbar wie als sinnlo­ser Satz. Zu­
dem liegt eine petitio prin­cipii – innerhalb des Begriffs der Voll­kom­menheit – da­rin,
dass der Autor aus (ei­ner Viel­zahl von) quantitativen Momen­ten (näm­lich vom mehr
oder we­ni­­ger zum ganz und gar) zur Qua­­lität aufsteigen müsste, die er als schein­bar
determi­na­­te ge­­gen­­­über anderen Qua­li­­­tä­ten an- und zugleich ab­zu­setzen hätte, wäh-
rend die Quanti­tä­ten ver­mit­­teln und Zwi­­­schen­­zu­­­stän­de schaf­­fen:74 der Scho­­lastiker
Ock­ham kann eine Viel­­zahl von par­­ti­­ellen cau­­­sae, und mit­hin ca­sus, ein­füh­­ren, die
je­de einheitli­che Kau­sal­relati­on ne­gie­ren und diese so­mit auch in ih­rer ver­meint­­li­­
chen Frag­würdigkeit sus­pendieren. Kon­tin­­gen­te ca­­sus und wech­seln­­de Zu­­­ord­­nun­gen
(Kom­bi­nationen) von cau­sae he­ben alle Ab­lei­­tun­gen und ‘Aus­deu­tun­gen’ auf Ba­sis
mechanisti­scher Anschauungen auf. Für sie hat es dem Nomina­lis­­mus nach kei­­ne Le­­­
gi­ti­­ma­ti­on gegeben.75 Neuzeit­lich aber war Kau­­­­­sa­lität als Ver­hält­nis oder Unter­schei­
dung von qua­li­­tas und quantitas nicht zu ­klären.

73. Wenn Gott nicht einen zweiten Gott schaffen kann, gilt für Ockham der Widerspruchssatz
gerade nicht.
74. Mit dem infinitum actuale als Widerspruchsformativ denken wir quali­ta­tiv und abstrakt.
Die davon abgesetzte quantitative Steigerung kann, zumal via Gottes Allmacht, in infinitum
fortgesetzt gedacht werden.
75. Der Mechanismus kann nach Ockham ‘logice’ nicht fundiert werden. Neuzeitlich nicht in
der exakten Wis­sen­schaft. Es ist sinnlos, je spezielle Standards wie „Kau­salitätsdenken“ für
das Mit­tel­alter, „Thomistische On­to­­lo­­gie“ für den No­mi­nalismus und (Ga­da­mer, 1935) „Aris­
totelische Ontologie“ für den (anti­ken) Ato­mismus zu po­stu­lie­­ren. Aristoteles war für seine
Ontologie ge­gen den Ato­mis­mus übrigens mit – mehreren – ihm sonst we­ni­­ger genehmen
indirekten Beweisen vorgegangen. Das im­pli­ziert die Indefinitheit der ontologischen Termi-
ni. Al­lenfalls sie wären damit begründet (postuliert) worden, – neben dem Atomismus, den
Demokrit postulierte.
388 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Bei Ockham schließen sich die Begriffe gegen die Unmöglichkeit ab. Sie tun es
im Verein mit akzidentellen Bezügen und Bewandtnissen auf einer unterhalb ihrer
liegenden Stufe, we­l­che sie in ih­rer Abstraktheit nicht affiziert, sondern ihren empi-
rischen Gehalt per Bestim­mung der Nicht­­­wi­­dersprüchlichkeit anschließt. Wir haben
ein intensionales Verhältnis, das auch die Em­­­­­­­pi­rie noch mit umfasst und sie innerhalb
des Bewusstseins hält. Es gibt kei­nen Ausgriff ad rem extra.76 Das gilt dann ebenso
für die naturwissenschaftlichen quaestiones wie für die the­o­­­­­­­­logischen Themen. Die
Struktur bei Ockham hebt den (unmittelbaren) Schluss auf die Re­a­lität oder Exis­tenz
auf. Sie enthält ihn in diesem Sinne nicht, was bedeuten muss, dass Fol­­ge­rung selbst
einem Widerspruch äquivalent ist, den wir genau im Sinn der men­­talen und in­ten­si­­
onalen Struktur oder Auffassung der Aussagen, aber auch der Schlüsse, mit Ockham
nicht an­erkennen. Das gilt schließlich auch für den Begriff bzw. die Formel von der
Omni­po­tenz Got­tes, welche in empirische Verhältnisse, gegen diese, in einem intensi­
o­­na­len Sinn ge­se­­hen, eingreifen könne: Gott kann immer nur was möglich ist:77 „om­
ni­potens idem est quod potens facere omnia factibilia.“ Das Machbare geht nicht aus
einem ‘Be­griff ’ hervor, der die re­­­­­ale Welt überschritte und ihr gegenüber ‘über sie
hinausgehend’ aus­schöpfend er­schie­ne. Ent­­­­spre­­chend kann nicht der Widerspruch
oder Widerspruchssatz de­terminans des Denk­baren sein. Auch Gott setzt nicht mit
seiner Om­ni­potenz die Machbar­keit oder ihre Gren­­zen. Es macht nicht Sinn, eben sie
selbst noch durch den Wi­derspruch und Wi­der­spruchs­satz deter­mi­nieren zu wollen.
Gott macht einfach nicht, was einen Widerspruch ein­schließt. Das bedeutet gerade
nicht, dass durch eine Beweisführung, die einen Widerspruch ergäbe und erhöbe, hin­
sicht­lich gewisser Begriffe oder Aussagen auf die Unmöglichkeit für Gott ge­schlossen
werden könnte. Diese (oder die Widersprüchlichkeit) müsste mit der Defi­nit­­heit der
Begriffe oder Aus­­­­­­­­­­­­­sagen zusammenfallen. Ockham gebraucht das Omni­po­tenz­prinzip
gar nicht erst, wo ein ‘Wider­spruch’ statuiert werden könnte, was immer das sei: ‘Deus
potest facere quod non in­cludit con­tradictionem.’ Die Widerspruchsfreiheit deter­mi­­
niert nicht die Omni­po­tenz nach de­ren intensionalem Verständnis:78 „omni­po­tens
non pot­est effi­cere om­ne il­lud quod non in­clu­dit contradictionem, quia non potest
effi­ce­­re deum.“79 Der Wi­­der­spruchs­satz ist nicht ter­mi­nus exclusivus der göttlichen

76. Dabei gilt für Ockham immer, dass der in sich abstrakte oder ab­straktive Charakter des Be­
griffs alias uni­ver­­sale nicht die reale Geltung extra intellectum ho­mi­nis ausschließt. Vgl. Ord.
d. 27 q. OT III p. 254 lin. 22: „Hoc tamen non as­sero quod non est de rebus extra.“ In der Seele
selbst, die wir bei der Begriffsbildung bis zum Ver­stand durchlau­fen, worin der Begriff schließ-
lich ‘existiert’, wie auch immer bestimmt, schöpfen wir nicht al­les was da­rin ist oder sein mag,
zu Begriffen und Aussagen. Was uns unbekannt bleibt, wird auch nicht Maßstab.
77. Ord. d. 20 q. unica OT I p. 36 lin. 17f (ib. p. 37 lin. 1: „factibile et factibilia distribuuntur et
non potentia“!).
78. Ib. p. 36 lin. 6f.
79. Dass es bei Ockham um intensionale Positionen geht, soll im Vergleich mit der opinio
sei­­­­nes Kritikers Wal­ter Chatton kurz bewiesen werden. Ockham hatte als obiectum scien­tiae,
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 389

Allmacht, die er somit zu be­gren­zen hätte.80 Auch wenn die Grö­­ßen des Heilsgesche-
hens einbe­zo­gen werden, gilt die Be­gren­zung dessen was Gott mög­li­ch sei durch die
distinctio realis (daran an­geschlossen den Wi­der­­spruchs­­satz):81 „omnipo­tens tamen
potest effi­cere om­ne fac­tibile quod non includit con­­tra­dic­ti­onem et omne aliud a deo
quod non inclu­dit contra­dic­­tio­nem.“ Der Wider­spruchs­satz rea­li­­­­siert die fehlende di-
stinctio re­­­alis. Bzw. deren Nicht­be­­rück­sich­ti­gung.82 Oder den Mangel ei­­­­­­­ner distinctio
a parte rei.83 In ei­nem solchen Fall ist dann die Wi­derlegung (reduc­tio ad ab­sur­­­dum)
möglich, die aber an den Satz in­ten­­si­onal an­greift.

also des Wissens in der Demonstra­ti­ons­lehre, wo scientia = conclusio (im Syllogismus) ist, den
Satz selbst genannt. Chatton widerspricht (Sent I Prol. q. 5, ed. C. Knud­sen, 25–24–27): „quia
con­clu­sio non est obiectum scitum, sed res significata per eam, nec pro­po­si­ti­ones, syllogismi,
demonstrationes ((non)) significant con­clusionem vel partem conclusionis, sed rem extra, er­go
res extra magis deberet dici sub­iec­­­tum scientiae.“ Das widerspräche Ockhams mentalistischer
Einstellung.
80. Bei der laxen Formulierung (Quodl. VI, 6, OT IX p. 604 lin. 13–15): „Quodlibet est divinae
potentiae attribu­en­dum quod non in­clu­dit ma­­ni­fes­tam con­tra­dictio­nem“ ist vorauszusetzen,
dass die Prädikation be­reits er­folg­te und sodann nur noch über­­prüft wird. Dann wird aber
die Implikation zwi­schen sub­­iec­tum und prae­di­ca­tum (im Beweis: notitia sub­iec­ti und notitia
passionis) wieder nicht an­ge­nommen wer­den können.
81. Ord. d. 20 q. unica OT IV p. 36 lin. 7–10.
82. Ockham sagt so (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 71 lin. 10–12): „quod contradictio est Deum non
esse et tamen no­ti­ti­­am intuitivam Dei esse“, und fügt ent­­sprechend an: „et ideo non est mirum
si sequatur inconveniens.“ Die Wir­kung der potentia Dei absoluta bei der intuitiven Wahrneh-
mung von Objekten, die nicht exi­stieren, muss nicht not­wendig in der Erzeugung eines Scheins
von Gegebenheit ohne Ursa­che bestehen, sondern sie kann auch akzi­dentell darin bestehen,
dass Gott die Wir­kung des Objekts unterbindet(Rep. III, q. 2 OT V p. 55 lin. 22 – p. 56 lin. 2):
„obiectum dis­tans ab angelo et a me potest intuitive vi­deri ab an­­gelo et a me, etiam si per po-
tentiam divi­nam ob­iec­tum nihil cau­set in me, nec spe­­­ciem nec cognitionem.“ Das obiectum
ist dann ein terminus der Wahr­neh­mung. Diese ist eben eine Re­la­tion. Auch das universale ist
von Ockham als qualitas bezeich­net wor­den, und auch dann wenn es hypothe­tisch als existens
subiective in ani­ma betrachtet wird, womit es syn­o­­nym als in­­­­tellec­tio bezeich­net werden kann.
Der Akt, der mit dem Begriff ver­­bun­­­den ist, ist dann intellectio = Erkenntnis.
83. Die Heilsordnung ist, begriff­lich gesehen, nicht empirisch ausgewiesen. Ihre Grö­ßen (Fak­
to­ren) können, so­weit sie auf den Menschen bezogen werden, in dem sie Ef­fekt und Relevanz
haben sollen, i.e. soweit also diese em­pirisch supponiert werden können, nach der distinctio
re­alis geordnet und verstanden werden. Dann erschei­nen sie kontingent. Für die di­vi­na essen­
tia aber wird die distinctio formalis angenommen, die dabei modal auf ei­nen ‘Satz’ bezogen
wird, also für die­sen als Modus modo composito verstanden werden soll; sie ist dann wie die
Be­griffe, denen sie gilt oder ‘intermittiert’ wird, der Empirie enthoben. So wird empi­risch von
Gott gespro­chen oder eben auch nicht gesprochen. Dass Gott am Ende völ­lig aus der Welt
aus­ge­­klammert wird, bezeichnet ihn und diese Begriffe als ‘Gegen­stän­de’ ei­gens noch zu
390 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Die notitia abstractiva secunda über­schrei­­tet darin die notitia abstractiva prima,
die der notitia intuitiva unweigerlich ‘folgt’. Duns Scotus möchte den Begriff im Sinne
einer Allgemeinheit festhalten und daraus de facto auch das Kontingente oder das
Faktum der Kontingenz ‘ablei­ten’ können. Er will beide für ‘ver­­einbar’ (nicht inkon-
sistent) halten. Wieweit Ockham nun die sogenannte materielle Impli­ka­tion zugrun-
delegt oder ‘wahrt’,84 ist die Frage hier wie dort, wo sie schon in Anbetracht der Stu-
fendifferenz zwischen abstraktem Inhalt der Theologie und empirischer Grundlage
unse­rer Begriffe reduziert erscheint – ebenfalls in einer Stellung und Wen­­­dung gegen
Duns Sco­tus.85 Dabei ist zu betonen, dass Ockham in den naturwis­sen­schaft­­­­­­lichen
Erörterungen von con­se­quentia formalis spricht.86 Hoeres87 sieht bei „bei Sco­tus die
Überzeugung, … dass nämlich alles diskursive Denken nur eine umschrei­ben­­­­de
Entfal­tung des­­sen ist, was mich der Akt des schlichten Versenkens lehrte.“ Das lässt
no­titia intuitiva und notitia abstractiva für Duns Sco­tus aneinanderrücken; Ockham
dage­gen88 sagt: „Noti­tia ab­strac­­­­tiva pot­est accipi du­pliciter: uno modo quia est res­
pec­tu alicuius abstracti a mul­tis sin­­gu­laribus; et sic cognito ab­stractiva non est aliud
quam cog­nitio alicuius universalis abstra­hi­bi­lis a mul­tis … /§ Et si uni­ver­sale sit vera
quali­tas existens subiective in anima, sicut pot­est te­ne­ri pro­­babi­li­ter, conce­den­dum
esset quod illud universale potest intuitive videri, et quod ea­dem no­titia est intuitiva
et abstractiva, isto modo accipiendo notitiam abstractivam: et sic non dis­tin­­guun­tur
ex opposi­to. §/“ Die von uns dargestellte Unterscheidung von notitia intuitiva und no­­
titia abstractiva ruht auf der Basis des Begriffs als obiectivum esse seu fictum. Dann
gibt es eine – erste – notitia abstractiva, die nichts als die abstractio des Begriffs als
uni­­­ver­sa­le ex uno singulari oder ex multis singulari­bus darstellt. Die vielen gleichen
anderen Fälle kön­nen mitgedacht oder aber logisch ange­schlos­sen wer­den. Diese

be­grün­dender ‘Wahrheiten’, Einsichten + eigener Re­geln, An­nah­men etc. Hier mag Ockham
sogar theologisch legitimierend gewirkt haben.
84. Für die consequentia formalis wird Ockham die Äquivalenz mit der materiellen Implika­
tion nicht wahren kön­­­nen oder wollen und daher, dies erweist sich hier, sie auch überhaupt
nicht prävalent setzen können. Cf. ein­deu­­tig: Ord. d. 35 q. 1 OT IV p. 428 lin. 5–8: „Quia quan-
documque ab una propositione ad aliam formali con­se­quen­tia – et e converso non est conse-
quentia –, ibi potest esse aliquo modo probatio a priori (im aristotelischen Sinn).“ Das gilt dann
auch für die Theologie: ib. lin. 8-12. Die consequentia formalis kann aber sehr wohl ‘um­ge­kehrt’
werden: cf. Ord. Prol. q. 5 OT I p. 171 lin. 4–6.
85. Ord. d. 30 q. 3 OT IV p. 360 lin. 133ff: „Ad intentionem Philosophi sufficit quod haec non
sit consequentia for­ma­lis ‘scibile, igi­tur scientia’.“
86. Das ist evident (Ord. d. 36 q. unica OT IV p. 566 lin. 18f): „intelligendo quod sit consequen-
tia formalis ‘hoc agit in hoc, ergo hoc est in hoc vel ad praesens huic’.“
87. W. Hoeres, 1965 p. 19.
88. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 30 lin. 12 – p. 31 lin. 3. In der zweiten Auffassung von notitia abstrac-
tiva wird von Existenz und Nichtexistenz und anderen kontingenten Bedingungen der Prädi-
kation abstrahiert (ib. p. 31 lin. 4–16).
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 391

Gleichheit (Mit­denk­bar­keit) oh­ne einen primär denkbaren Ein­wand und logi­scher


Figur im Sinne der Suppo­si­ti­­ons­logik be­deu­­­tet, dass diese einem nicht aus­führbaren
Widerspruch, i.e. einer nicht ausführ­baren und inexistenten Widerspruchso­pera­ti­on
gleich ist. Es wird also auch kein indirekter Be­­­­­weis ge­führt. Die logische Figur ist
selbst der In­duktion gleich oder analog. Es ergibt sich da­­mit, dass Logik überhaupt
resp. soweit sie mit Beweisen zu tun hat, nicht (= nicht un­be­­grenzt) Logik sein muss,
als Begründung von Schließen ver­standen. Wir müs­sen die Ge­schich­te der Logik im
Mittelalter so verste­hen, dass sie Begründungen je als Ge­brauchs­­weisen von Begrif-
fen oder zu Begriffen entwic­kelt. Der Vor­rang der Semantik vor der näherhin lo­gi­
schen Syntax des Schließens be­­­sagt dann, dass Folgern im Mittelalter über­haupt auf
die Recht­mäßigkeit von Ausdrücken beschränkt ist. Dabei existiert für Ockham je­ne
notitia ab­strac­tiva secun­da, bei der der Be­griffsakt als ac­tus apprehensivus vom actus
as­sen­­tiendi ge­trennt er­scheint. Die prima noti­tia abstractiva war actus apprehensivus,
der mit dem actus iu­di­cati­vus zusam­men­­ge­hen konn­te; dieser aber ist wie der actus
apprehen­si­vus Teil der notitia intui­tiva. Die Leh­re, die auch auf freier Klas­sifikation
und Be­griffs­wahl be­ruht, wobei Ockham die schon ein­ge­führ­­­­­­ten Ter­mi­­ni verwendet,
bedient sich der Argu­men­tation und bedarf der Argumenta­ti­on. Sie wird beständig
korroboriert und hört doch auf, Leh­re im eigent­li­chen oder in einem be­stimm­­­­­­ten
Sinne zu sein. Sie ist sogar nur inhaltlich zu nen­nen als sie ge­gen Impossibilität sich
absichert. Das ‘entstehende’ Gerüst (das potentiell un­ab­ge­schlossen ist) definiert nur
den All­ge­­meinbegriff, die allgemeine For­mel ei­ner empiri­schen Wissenschaft ineins
mit der ‘Lö­sung’ ei­ner Wissenschaft von der empiri­schen Erkennt­nis.89 Un­ter­­halb
des­sen ist sie nicht speziell. Nicht einmal rein begrifflich. Argumente ersetzen ‘nur’
semantische Gegebenheit.90

89. Gleichwohl und eben auch übereinstimmend damit ist sie selbst wieder empirisch durch
die Induktion usw. be­gründet. Das kann geschehen, selbst wenn die Begriffe wie notitia in­tu­
i­tiva und notitia abstractiva, von Autor zu Autor oder innerhalb der Schriften eines Autors
ver­schie­­dene Gebrauchsweisen haben oder, wie bei Ockham, bewusst und überlegt erhal­ten.
90. Wenn die consequentia formalis bei suppositionslogischer Andersinterpretation der Ter-
mini gleich­wohl grund­sätz­lich be­ste­hen bleibt, kann diese ‘Doppeldeutigkeit’ keinem seman-
tischen Grundwert vorab mehr dienen. Und auch kei­nem semantisch-analytischen Verfahren
wie die Belegung der Termini mit der suppositio simplex zeigt. Denn die Impossibilitas, die
nach Ockham Ord. d. 3 q. 7 OT II p. 523 lin. 12–21 weiter zu prädizieren ist, wenn ei­n Ter­mi­­nus
des Satzes oder beide suppositio simplex statt suppositio personalis annehmen, und zunächst
per con­­se­­­quen­­ti­am for­­malem behauptet wird, besteht nach dem Klassifikationswechsel fort;
die consequen­tia forma­lis wird nun negiert. Zusammen mit der Suppositi­onslogik und deren
variablen Klassifikationen dient sie, eine in­­ten­sional nicht adaptationsfähige Reflexion auf die
Realität auszuschließen; die physische Realität wird ineins mit einer reflexiven (intensionalen)
Behauptung als indefinit negiert. Cf. die Anmerkungen 53, 84 ob., 157 u.
392 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham muss den Charakter der consequentia (Folgerung), wenn sie, wo sie mit
den In­hal­­­­ten zu tun hat, auch noch begründend sein soll, als den akzidentellen Ver-
hältnissen folgend von die­­­sen insofern fernhalten, als diese den reellen Wert ihnen
übergeordneter Begriffe nicht tan­gie­ren dürfen. Folgende These des Johannes von
Mirecourt mag dabei logisch nicht scharf ge­­nug ausgezo­gen, i.e. begründet sein:91 „Si
dicatur fides est ad oppositum, igitur non est pro­ba­­bi­­­le, dico: illa consequentia non est
bona; licet enim sequatur fides est ad oppositum, igitur hoc non est verum, tamen non
se­qui­tur, quin oppositum sit probabile, immo aliquorum articu­lo­­rum opposita sunt
nobis pro­ba­­bi­lia magis quam ipsi articuli.“ Mirecourt unterhält also, dass das Wah-
re nicht wahrschein­lich sein müsse. So muss man vermuten, wenn denn auch man
nur eine Konsistenz zwi­schen seinen beiden consequen­tiae, der kon­ze­dier­ten und
der zurück­ge­­­­­wiesenen annehmen will. Wenn aber das Wahre nicht wahrscheinlich
sein (können) soll, dann kann das Wahrscheinliche nicht empirisch verstanden wer-
den und das Wahre nicht mit Be­griffen koordiniert sein. Insofern ist die Ansicht des
Johannes von Mirecourt keine kriti­sche oder gar besonders radikale, sondern sie ist
bloß unsinnig, und Ockham, der das Wah­re als nicht ganz Auszudeutendes betrach-
tet, das im kontingenten Satz vorliegt, hält konse­quen­­­t das Wahrscheinliche neben
dem Wahren und ihm jeweils folgend für ebenso mög­­lich im Sinn der Abstraktion.
So kann die persuasio an die in sich kontingente Erfahrung an­knüp­fen. Damit steigt
die Wahrscheinlichkeit aus der Wahrheit auf, nicht im Sinn der Fol­ge­­rung (Fol­ge),
son­dern in dem von Abstraktion, Induktion, mit dem Werte der persu­a­­sio.92
Man er­kennt bei Ockham, dass das Sachverhaltliche in das ac­ci­dens ge­rückt wird
und dort eben auch de facto, was eine reelle Extension angeht, ver­schwin­det (erlischt).
Es wird nicht als real im Sinne der Reali­tät betrachtet:93 „per­ma­­­nens non men­suratur
nisi quantum ad suam du­rationem.“ Die du­ra­tio, die Relation, ist mit dem Ge­gen­­
stand, der essentia, unidentisch, für sich selbst genom­men nicht gegenständ­lich. Es
muss aber die Dauer ‘Faktum’ sein und in die­sem Sinn gilt alles ‘Physikali­sche’ als Mo­
ment von Wir­­kung und Affizierung eines Gegen­stands durch Wir­kung. Indem diese
statt­hat, ist es ein phy­si­kal­i­sches Phänomen. Wir kommen auf eine Wirkung, in der
das Medium den Sach­­­­­ver­halt be­stim­men muss. Das Medium aber ist in­existent nach

91. I Sent. q. 19. Cf. K. Michalski, 1969 p. 327. Zur Stellung der q. 19 bei Mirecourt s. F. Stegmül-
ler, 1933.
92. Zugleich werden theologisch-dogmatische ‘Wahrheiten’ für Ockham mutable Wahrhei­
ten, sofern sie Re­duk­­ti­o­nen zulassen: So kann eine Größe als causa oder ratio suffici­ens ge-
genüber einer ganzen Kette von Fak­to­ren aus der herkömmlichen Heilsordnung auftre­ten, so
dass diese bisher für notwendig gehaltene Folge sus­pen­diert werden kann. Diese Grö­ße, als
causa oder ratio suffici­ens, bedeutet dann ein probabile (oder non im­pro­ba­bi­le), das je­doch
noch nicht verum genannt wird. Sein Vorzug ruht allein in der Argumentation, etwa mit­tels
des Om­ni­­­potenzprinzips, das auch nur eine empirisch zulässige, aber nicht direkt em­pi­rische
Wahrschein­lich­­keit be­grün­den kann. Das Wahrscheinliche oder Auchmögliche ist dann inten-
sional (reflexiv) begründet.
93. Rep. II, q. 1 OT V p. 229 lin. 18f.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 393

einem Vergleich mit der Re­­­a­lität au­ßer­halb des Subjekts. Es stellt nicht den Sachver-
halt dar und nicht die Relation. Es stellt oder bezeich­net und bestimmt einzig den
Satz nach einem Bezug auf die Realität. Media aber, auch die no­titia intuitiva ist eines,
verlangen ei­­ne Indukti­on, wer­den nicht definit im Sin­ne der Existenz (von Existenz)
erscheinen kön­nen. Da­mit wird das Logische im Sin­ne von Wahr­heitsmoment oder
-wert aufgehoben. So sind wir beim schon erworbenen Begriff. So sind wir im Bereich
der con­se­quen­tia for­malis.94 Die con­se­quentia naturalis erscheint, in­­dem zwei Optio-
nen der Wahr­neh­­mung, wel­che die Halbteile der Folge­rung dann ausma­chen, im
Sinne der un­mittel­ba­ren Ver­knüp­fung auch unvermittelt er­scheinen können sollen.
Sie tre­ten zusammen auf; über die Tat­­sa­che hin­aus wird nichts ge­sagt. Die Sup­posi­ti­­
ons­logik ent­steht mit Sätzen, deren Elemente ter­mini oder concep­tus hei­ßen kön­nen.
Con­cep­­tus sind Be­griffe ohne Inhalt, die aber inhaltlich verstan­den werden kön­nen.
In­halt­lich be­deu­tet dann nicht mehr ex­tensional be­zogen.95 Inhalt­lich bedeutet, dass

94. Die consequentia formalis kann immer mit dem Syllogismus zusammengedacht werden;
das zeigen die beiden Varianten der Auslegung, die Ockham Ord. d. 4 q. 1 OT III p. 15 lin. 1–20
anführt.
95. Ockham beschreibt die consequentia naturalis als ein Verhältnis von antecedens und conse­
quens, das kausa­len Inhalt oder Charakter habe und bei dem antecedens und conse­quens beide
wahr sind. Der Aus­druck wie die Sa­­che sind nach demselben Verhältnis denkbar. Ph. Boehner,
(ed.), The Tractatus de prae­­destinatione et de prae­­­scientia Dei et de futuris contingentibus of
Willi­am Ockham, 1945, p. 47 setzt die consequentia natu­ra­lis von der consequentia formalis
und der consequentia materialis ab; die consequentia na­tu­ralis soll die­se bei­den umfassen. Sie
sollen in ihr mitgegeben werden. Das ist dann aber noch uner­klärt. Die con­se­quentia naturalis
kann wie die consequentia formalis und die consequentia materi­a­lis falsch sein. ‘Omnis homo
pec­cat, quia est li­be­ri ar­bitrii’ ist ein Beispiel. Das verweist auf ein Para­dox, das eben­falls erklärt
werden muss. Anders als bei Pe­trus Abailard muss die consequentia nicht voll­zo­gen oder voll-
zogen ge­dacht werden, um zu gel­ten. Man kann auch sagen: eine con­sequentia, nicht geltend,
kann mit dem Falschheitswert nur belegt werden. Darin könnte man nun in der Tat ei­nen
dritten Wert neben ‘wahr’ und ‘falsch’ sehen, quasi:‘ nichtanerkannt’. Er wäre für den Bereich
der theolo­gi­schen Aussagen relevant. Er würde nur für consequentiae gelten. Sätze wären wahr
oder falsch. Zu ih­nen tritt die consequentia als Mittel ihrer Koordination oder Erforschung,
nicht als Voll­zug. Die con­­­sequentia naturalis hat nun eine naturale (Kom­­po­nente der) Verbin-
dung ihrer Teile, die invisibel ist oder negiert erscheint, um damit dennoch zu be­ste­hen und
zu gelten. So ge­se­hen bestätigt und um­fasst die con­se­quentia natu­ra­lis jede Deu­tung, die wir
be­züg­lich irgendei­ner consequentia wie auch mit dem Entfallen (Be­strei­ten) von Fol­­­gerungen
bei Ock­ham gegeben ha­ben. Auch diejenige repro­ba­tio, die in Kap. 10 technisch zu schil­­dern
ist, erscheint als eine Ne­ga­tion der Kon­­junktion und Ersetzung der Kon­junktion quasi durch
die Negation, die junktorenfrei erscheint. Auch diese reprobatio ist so ein Ab­le­ger der con­se­
quentia natura­lis. Er­staunlich ist, dass sie über den Be­reich der Em­pirie hin­ausgehend auch
fiktive heils­the­o­­re­ti­sche Tatsa­chen fas­sen und verbinden kann; diese er­schei­nen da­mit wie Su­
per­­fetationen der Na­tur, aber nicht wie Ab­strak­tio­nen. Zu fragen bleibt, ob die in sich negative
(ne­gier­­te) Folge­rung, die sehr ­wohl noch ei­nen formellen realen Zu­sam­­men­hang meinen kann,
mit einem negativen ‘Seinsfaktor’ ver­wandt wäre. cf. B. Moj­sisch, Das Verschiede­ne als Nicht-
394 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

die Be­grif­fe als actus abstrakt sind und auf keine Bedeu­tung und Kombina­tion mit
anderen Be­grif­­fen (Be­griffsar­ten) hin noch lo­gisch ausgelegt wer­­den kön­nen.96
Dass Wörter oder Begriffe gleichwertig mit Gegenständen (res) werden, ist Mo-
ment, ja We­sens­moment des Nominalismus, auch die consequentia naturalis ist so zu
verstehen. Ockhams Begriff, auch der gegenüber Gott gebrauchte, ist schlecht­­hin ein
menschlicher:97 „dico quod non est inconveniens aliquid esse prius deo priori­ta­te prae­­
di­ca­­tio­nis. Isto enim modo ‘ens’ quod est commune univocum Deo et creaturae est
pri­us Deo. quia est eo com­mu­­­­­­nius.“ Der Be­­griff ‘ens’ ist also inhaltlich allgemeiner als
der ‘Be­griff ’ Gott. Dann ist Gott na­türlich auch nicht in irgendeinem Sinn Systemträ-
ger oder Kal­kül­in­be­griff der Onto­­logie. Ockham betreibt die Gliederung der Begriffe
in der Überein­stim­­mung mit deren Sinn­­­­­­be­stim­mung respektive Sinn­reduktion durch
die Anordnung, die wir allge­mein charakte­ri­sierten, bis in die Theologie hinein. Auch
dort wird die Akzentuierung des menschli­chen Begriffs­wer­­tes vorgenommen oder
bewahrt, und dies auch dann, wenn das Omnipotenz­prin­zip im Sinn der Syn­thesis
einge­setzt wird: die ist auch gegeben, wenn Be­griffe (we­­nig­stens ein Begriff), quasi
kasual, aus ei­ner vermuteten Anordnung zu einer Kadenz führen, worin der ‘expo­
nierte’ Be­griff ak­zi­den­tell verwendet und damit nur noch persuasiv adoptiert wird.
Er wird rein funktionell. Beispiel:98 „Quin­­ta con­clusio est quod ta­lis videns divinam
es­sen­tiam, ca­rens per poten­ti­am di­vinam ab­solutam di­lec­ti­­one Dei – de quo patebit
in quarto –, potest nol­­le De­um.“ Die se­li­ge Gottschau (visio be­a­ti­fi­ca) bedingt nicht,
dass die anima in pa­tria auch Gott, den sie sieht und damit die divina es­sen­­tia, die

Seiendes in Platons Sophistes, 2001, pp. 1–9. Ockham cha­rakterisiert ‘Bewe­gung’, die generell
eine mutatio ist, nach Nichtseins­mo­men­ten und der­art Wi­der­sprü­chen, aber nicht über die
Wahr­nehmungsbestimmun­gen hin­aus. Er hat sie so von der forma und in dem Sinne auch vom
Folgerungsbegriff ferngehalten. Cf. dazu Kap. 7: Formbegriff und reale Wahrheit.
96. Wenn wir zur Materialität gelangen, die wir als Personen natürlich teilen, ohne über sie
in­tel­­li­gie­rend verfü­gen zu können – wir bilden z. B. die Begriffe, bzw. entstehen sie uns, indem
wir den Bereich des sensus in der Wahr­nehmung der Objekte extra animam passieren, ohne
dass wir diesen Weg nach Ockham genau verfolgen könnten –, so kommen wir zur conse-
quentia naturalis. Sie bezeichnet ‘Sachverhalte’, die als sol­­­­­­­che, reziprok zum In­tellektionsbegriff,
eine reale Bedingung qua Angrenzung der Fak­to­ren besagen. Die consequentia naturalis ist
dadurch bestimmt, dass eine Gestaltung der mentalen Ak­­­te gegen­über der extramentalen Rea-
lität nicht stattfinde und daher beinahe auch keine Tren­­­­­­­nung der Faktoren: die con­se­quen­tia
naturalis selbst steht für eine Relation oder an deren Stelle. Wir sind damit unterhalb der Sphä-
re der Er­kennt­nis, soweit wie sie nominalistisch, d. h. überhaupt gültig, bestimmt werden kann.
Wir haben die In­duktions­basis darin, dass ei­­ne nicht mentale Realität (auch bezüglich oder
vermöge der kontingenten Sätze) exis­tiert.
97. Ord. d. 35 q. 3 OT IV p. 462 lin. 8–11.
98. Ord. d. 1 q. 6 OT 1 p. 505.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 395

sie ge­nießt,99 ver­möge dieser se­ligen Gott­­schau auch schon liebe. Das Ge­genteil hät­te
man viel­leicht für geboten gehalten: die Seele, die das höchste Gut schaue und es als
sol­che unab­ding­bar erkenne, müsse es auch lieben. Nach Ockham ist eine solche Kon­­
se­­­quenz nicht gebo­ten.100 Empirischer Gebrauch, irdisches Fun­da­­ment und distinctio
rea­lis und Omni­po­­tenzprin­zip schlie­­ßen es aus. Dabei kommt nicht mehr als eine
per­suasio zu­stan­­de. Wir haben gegen­wär­tig den Status der se­li­gen Gottschau nicht
und nicht was sie an Evidenzen, eventuell in unsere Be­grif­­fe defini­t umsetzbar, ent-
hält. Wir müs­sen mit Ockham Be­griffe ver­­wen­den, die der Mensch de facto hat = em­
pi­risch ge­grün­­­­de­te. Deren ab­­strak­te Ver­­wen­­dung in dem entlegenen Gebrauchsfeld
der Theo­lo­gie nötigt ihn zur persua­sio ‘an­stel­le’ einer ana­lyti­schen Aussage. So ist ein
Teil der pole­mi­schen Aus­fäl­le Au­tre­courts unbegrün­det,101 da von ei­ner Be­weis- oder
Satzform ausgehend, die nicht gegeben ist: sc. dass Be­grif­fe inhaltlich un­ter­ein­­­ander
nach der materiellen Implika­tion alias consequentia ver­bun­den sein müssten.102 Auch

99. Das frui Deo ist dieser ‘Wahrnehmung’ in der visio beatifica vor­be­­hal­ten: dennoch ist ‘frui’
nach menschli­chem (ir­di­schem) Gebrauch und Verständnis und so­gar da­rauf begrenzbar mög­
lich, und der Mensch kann et­was anderes genießen als Gott (und daran festhalten wollen).
100. Per potentia divina absoluta supranaturaliter loquendo, was eben bedeutet, dass Gott vom
Wi­­derspruchssatz frei ist. Der Widerspruchssatz gründet also gar nicht in Gott; deshalb kann
er nicht durch ihn gebunden werden: dies Prinzip kann ihn nicht in einem bestimmten Sinn
ihn begrenzen und ihm (fiktiven) Einhalt tun. Wenn uns die Natur Gottes in se entzo­gen ist,
können wir auch nicht wissen, wie der Wi­der­spruchssatz in ihr gründe, bzw. sie bezüglich ihrer
Handlun­gen, die ihrerseits in die Welt hin­aus­reichen und also in dieser ablesbar sein werden,
begrenzen könnte. Der Wi­der­­spruch ge­hört also Gott gar nicht an und der Welt in Bezug auf
Gott nur insoweit als wir da­mit von der Welt aus zu Gott begrifflich oder argumentativ auf-
steigen können. Wenn wir also in Bezug auf Gott zwei Bestimmun­gen annehmen wollen, die
von ihm ausgehen und Sätze ver­binden sol­len, die ihn be­tref­fen, als unsere Sätze, die über Gott
sprechen und ihn bein­hal­ten und von ihm ausgehen unser Vermögen über ihn gültig zu spre-
chen bzw. ihn zu ‘erken­nen’, dann muss, sollen solche Bestimmungen miteinander konsistent
erscheinen, Wider­spruchs­­­­­freiheit be­­deuten, dass nicht zwei Stufen der Argumentation, Gott
und Welt, divina es­sentia und Schö­­p­fung, gleichgesetzt, i.e. vermengt werden.
101. Man kann dann auch sagen: nominalistisch via Ockham gesehen unbegründet.
102. Ockham setzt anders als Nikolaus von Autrecourt, der den Terminus gebraucht, die con-
sequentia formalis nicht für äquivalent em­pi­ri­sche Er­­­­kenntnisse an, bei denen die Wahrneh-
mung mitgedacht wird: cf. Ord. Prol. q. 5 OT I p. 171 lin. 4–17. Das ergäbe einen Wi­der­­spruch,
den Ockham funktional mittels der potentia divina er­mittelt: Da Gott mit seiner poten­tia abso­
lu­ta em­pi­­rische Kau­sal­­verbindungen zwischen causa extrinseca seu ma­­terialis sprengen (aus-
setzen) kann, kann die con­sequentia for­ma­­lis nur gelten, wenn wir die Begriffe nicht an­ta­s­ten
(cf. die persuasio ib. p. 170 lin. 20 – p. 171 lin. 1), was beweist, dass mittels des Omnipotenzprin-
zips funk­ti­o­n­ale Schlüssigkeit bewiesen wird. Ihr kann das Om­­ni­­potenzprin­zip nicht wider-
sprechen. Bei einer definitio quid rei kann die con­­se­quen­tia for­ma­lis zwi­schen de­fini­tio und
defi­ni­­tum nicht bezweifelt werden: verstehen wir aber ei­ne defini­tio quid no­minis als de­finitio
quid rei tritt ei­ne fal­la­­cia auf, die wir über die potentia divina ab­so­luta per Induk­ti­on be­wei­sen
396 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Autrecourt kennt indes die consequentia formalis; er setzt sie als pflichtige Relation
zwi­­schen empirischen Daten an, die formell dadurch beide als intellec­ti­o­nes (noti-
tiae) gestützt und gerechtfertigt sein sollen (quasi legitimiert103).
Bei Ockham drückt die consequentia a limine einen unvollkommenen Modus
des Erkennens aus und ist so dem Syllogismus unterlegen; sie fungiert entsprechend,
einen Syllogismus secundum formam als unvollständig, quasi nicht vollständig in-
tellektiv (= nicht zwingend) anzugeben. Er wird damit als imperfekt begründet. Die
consequentia bedeutet so für (in) sich Unableitbarkeit und für den Syllogismus inten-
sionale Unvollkommenheit. Und eben auch, dass ein per se akzidenteller Bezug nicht
der ratio essendi = ratio efficiendi beitreten kann. Die consequentia gilt implizit ‘gegen’
sich selbst. Sie ist im Selbstverhältnis negativ. Autrecourts Kritik und Programmatik
ist ungegründet und indefinit.104 Die ratio essendi wird für (die) accidentia angege-
ben, die ihr nicht per informationem zuge­hö­ren; so kann sie inten­si­o­nal thematisiert

(persuadieren). Die de­fini­tio quid rei stellt die res im Sinne der causa intrinseca et es­sen­ti­­a­lis
her, nicht im Sinne der causa extrinseca seu ma­teria­lis. Wir sichern darin Begriffe, die noch
vor dem Über­tritt zur Realität sistiert werden. Das geschieht kraft on­­to­lo­gi­scher Begriffe, die
nicht die realitas in se mei­nen müs­­­­sen oder sollen. Wo die consequentia forma­lis ne­giert wird,
wird der ‘unbedingte’ Realbezug negiert, i.e. die Realgeltung der Sätze wird wegen indefiniter
Be­grif­­fe negiert. Das bedeutet eine modale Negation der Sät­ze. Ihr muss die funktionale Logik
entsprechen, die Ockham in der SL ausführt. Es bedeutet, dass die Logik die sig­ni­ficatio negativ
ausführt. Cf. hierzu auch Kap. 7 Anm. 140. In der con­­­­se­quen­­­­tia for­ma­­­­­lis ist die Kom­­­bi­­na­­tion
der Be­grif­­­fe tatsächlich im­me­diat em­p­i­risch wie in der pro­­­po­­­si­­tio per se no­ta gegeben.
103. Diese Legitimation muss im Grunde, zumal ihr nach Autrecourt kaum entsprochen wird,
über das Gebiet der Lo­gik hinausgehen. Für Ockham ist in einer notitia nicht eine andere – wie
auch immer – enthalten. Ein Be­wusst­­­­­sein von virtus sehr wohl.
104. Da die Folgerung des accidens aus dem subiectum, i.e. der substantia, nicht möglich ist,
gibt es keine Spiege­lung des Inhaltlichen (von Inhaltlichem) für den Satz im Satz, wie es im
Grun­­d Duns Scotus implizit und explizit und zwar mittels ontologischen oder quasi transzen­
den­taler Supra- oder Richtgrößen des Gedankens anstrebt. Es muss von Ockham erst für den
Satz argumentiert werden, i.e. von der significatio her und mit deren Erstel­lung. Das be­zeich­net
den Unterschied zu Chatton. Bei diesem muss die sig­ni­ficatio äqui­valent dem intensionalen
Ge­halt sein. W. & M. Kneale, J. Pinborg, G. Leff, U. Eco u. a. erörtern abstrakt die Fra­ge, ob sup-
positio oder sig­­ni­fi­catio in der Suppositi­ons­logik primordial und danach lei­tend ge­wesen seien.
Für Ockham ist zu sagen, dass sie a) nicht entschieden und b) nicht sinnvoll sei. Die extensio-
nale significatio ist von der intensi­o­na­len sup­po­sitio aus nicht ge­­nuin zu ap­proximieren, und
eben nicht ausgeschlossen, sondern implizit mitge­meint. Es ist nicht das eine auf das andere
projizierbar oder durch es ersetzbar. Der Syllogismus kann dann für eine grund­sätz­­lich kon­tin­
gente und durch die accidentia bestimmte Welt die Not­wen­dig­­keit besagen, über­neh­men oder
ko­pie­ren, ohne dass sie damit fak­tisch in se gegeben oder aus­­gelegt werden können müsste. Sie
bleibt problema­tisch und würde nur besa­gen kön­nen (und mit ihr der Syllogismus), was über
die co­pula des kontingenten Sat­­zes und um sie her­um nicht ausge­sprochen werden könnte.
Duns Scotus hält ideell an der eigentlich qua­litäts­lo­sen Be­­deutung der Notwendigkeit nach
der Verbindung der Satzelemente fest. Form und Inhalt des Syllogismus koinzidieren quoad
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 397

werden, wie es während der vielen Er­örte­run­gen Ockhams denn ge­schieht, wenn ein-
zelne und ver­schiedene ca­sus in Ver­wen­dun­gen der Beziehung, der Abwandlung, der
Nichtausschließung, trotz gewis­ser, aber eben nur kon­tin­gen­ter Grundannahmen,
kompatibel ne­beneinander ste­hen. Die acci­den­tia bezeich­nen die Bezüge der ratio
(essendi) oder forma, welche Existenz mei­nen oder sie ideell ge­währ­­­­leis­ten, nämlich
als das in der forma Gesagte oder Benannte. Hier ist dann der qua­litative Einfluss
der Omni­po­tenz auf die forma ohne Ver­änderung oder Be­einflussung der nu­meri­
schen Grö­ßen­verhält­nis­se, die potentia divina absolu­ta suprana­tura­l­iter loquendi
ver­standen, denkbar: i.e. eben nur nicht ausgeschlossen.105 So funk­tioniert Ockhams
Natur­phi­lo­sophie. Die in­ten­­­si­­onalen Be­stimmungen erhalten einen qua­litativen to-
pologischen Cha­rak­ter nicht weit ent­­­fernt von der methodus calculatorum.106 Nach

Ockham soweit wie die formalen Elemente selbst begründungsfest ontologisch angegeben wer-
den können.
105. Die Wirkung der potentia divina absoluta bei der intuitiven Wahrnehmung von Objek-
ten, die nicht exis­tieren, muss nicht notwendig in der Erzeugung eines Scheins von Gegeben-
heit ohne Ursache bestehen, sondern sie kann auch akzidentell darin bestehen, dass Gott die
Wir­kung des Objekts unterbindet (Rep. III, q. 2 OT VI p. 55 lin. 22 – p. 56 lin. 2): „obiectum
distans ab an­gelo et a me potest intuiti­ve vi­­deri ab angelo et a me etiam si per po­ten­­ti­am di­vi­
nam obiectum nihil causet in me: nec spe­­ciem, nec cognitionem.“ (cf. Anm. 81) Das obiectum
ist dann ein ter­m­inus der Wahrnehmung. Diese ist eben eine Relation. Eine pro facto erschlos-
sene „Gegebenheit“ ist nicht Ele­ment oder Bedin­gung der Definiti­on (i.e. ihrer Gel­tung), wenn
sie denn intensional ist. Das ist sie da­­mit. ‘Patet in­ducti­ve’. Ockham gebraucht das Beispiel des
Magneten, der wirke oder eben ‘verursache’, ohne dass eine Wirk­kraft in ei­nem Medium zwi-
schen ihm und dem Eisen oder im Eisen anzu­neh­men sei. Cf. ib. p. 53 lin. 3-6: „de mag­nete, qui,
se­cundum Commentatorem, commento 9 trahit ferrum distans ab eo localiter; trahit, di­­co, im­
mediate, et non virtute aliqua exis­ten­te in medio vel in ferro.“ Erkennbar ist das Me­­­dium (die
Feldei­gen­schaft) nicht Gegenstand in Ockhams Wahrneh­mung, Er­kennt­­nis oder Er­ör­terung.
Sie muss es gar nicht sein, weil wiederum ‘nur’ ein ab­solu­tes Ver­hältnis von causa und Relation,
auf der einen Seite, und affiziertem Ob­jekt, an wel­­chem der Effekt be­wirkt wird, hier in Rede
stehen kann. Ockham subsu­miert unter eine Prä­mis­se (ib. p. 48 lin. 16–18): „probo quod non
semper mo­vens immediatum est simul cum moto, sed quod potest dis­ta­re“ Es ist klar, dass
selbst wenn die Feldlinien durch Eisenfeilspäne demon­striert wor­den wä­ren, die grund­le­gen­de
lo­gi­sche An­nahme Ockhams Be­stand behielte. Insofern ging es bei sei­­­ner Induk­ti­on um Logik,
die durch In­duk­­­ti­on nach Beispielen (etwa ausführlich zum Licht ib. p. 48 lin. 18 – p. 53 lin. 2)
be­kräf­­tigt und festge­hal­ten wur­de. Es soll nur grund­sätzlich eine Wir­kung oder Verursachung
an­ge­nom­men wer­­­­­­­den, eben: mög­lich sein.
106. Die quantitas hat für Ockham keine separate Existenz (De quantitate q. 3 a. 1 OT X p. 52
lin. 3f): „quantitas non est alia res absoluta distincta realiter a substantia et a qua­­litate.“ Die
quanti­tas umfasst nicht in Be­­zug auf die substantia die qualitas. Die qualitas kommt nicht eher
der quan­­titas als der sub­stantia zu; die qua­li­­tas um­­­­fasst viel­mehr die quan­ti­­tas mit (Expositio
in Librum Praedicamentorum Aristotelis OP II § 11 p. 198 lin. 15 – p. 199 lin. 23): „fuit opinio
Aristotelis quantita­tem non esse aliam rem a sub­­stantia et qualitate, qua­­­­si es­set pri­mo re­cep­­ta
in substantia et im­me­­di­a­te in ea recipe­re­tur ali­ae qualitates cor­­­po­rales; sicut mul­ti imaginantur
398 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

dem Mus­ter hat Ockham auch die Er­kennt­nis­­lehre mit notitiae und actus, habitus
etc. ge­stal­tet. Hier gibt es dann die prakti­sche Ver­gleich­­barkeit auch hinsichtlich der
causatio, auch was ei­nen kontingenten Fall an­geht, der nicht als solcher essentiell aus-
gedrückt werden kann.107
Empirische Geltung und die entsprechende geneti­sche Funktions­basis für Be­­
griffe und Er­kennt­­­­­­­nis­mittel dürfen nach Ockham nicht de facto ausge­schlos­sen sein.
De jure müssen sie nicht in die Abstraktion eingehen.108 Geltung bzw. Erfüllung

quod co­­lor est imme­di­ate in quantitate et medi­an­­te quan­titate est in sub­stan­tia. Hoc patet, nam
si hoc esset ve­rum, quan­ti­­­tas vere esset sus­cep­ti­va contrari­o­rum se­cun­dum sui mu­ta­tionem,
nam eadem quanti­tas nu­me­ro es­set pri­mo al­ba et pos­tea ni­gra, et per consequens ista proprie-
tas ita com­pe­te­ret alii a sub­­stan­­­­tia sicut substan­ti­ae.“
107. Ockham setzt das Omnipotenzprinzip gegen die Quantifizierung ein (Ord. I, d. 17 q. 4
OT III p. 484 lin. 6–9): „si deus aug­men­taret ali­quam formam separatam ab omni subiecto, ibi
esset augmentatio, et tamen non es­set ibi mo­tus, quia nihil ibi mu­ta­retur nec moveretur.“ Die
Quantitäten oder die Bewe­gun­gen, i.e. Ver­än­de­­run­gen kön­nen oft als infinitesimale an­gesehen
werden. (Rep. II, q. 7 OT V p. 109 lin. 8–11): „quia non semper est ter­mi­nus a quo quando motus
est. Nec ha­bet terminum ad quem, quia ille ali­quan­­do est purum nihil et pura nega­tio; patet
hoc in motu deperditivo, puta diminutione.“ Der Be­­ginn einer Veränderung oder ‘Bewegung’
(motus) oder ihr Endpunkt können nicht immer un­bedingt festge­stellt werden. Sie sind dann
nicht genau anzugeben, nicht in ei­­nem definiten Sinne da. Man nimmt so ‘Zwischen­zu­stände’
einer nicht diskontinuierlichen Bewegung an.
108. Eine ontologi­sche Ba­sis für die Beweistheorie entfällt. Das gilt auch für das Verhältnis von
subiectum und pas­­sio im Satz: Ockham sagt (Ord. Prol. q 3 OT I p. 133 lin. 20f) zu der These
„nihil est passio nisi ali­quod ac­ci­­dens vel forma alicui inhae­rens reali­ter tam­quam sub­iec­to“
deutlich (lin. 21f): „sed isto modo non accipitur pas­­­sio com­­mu­niter in scien­ti­is“, sei es subjek-
tiv apud auctores sei es objektiv quoad rem. Ockham trennt auch zwi­schen Be­griff und Sa­che
grund­sätz­lich (ib. p. 134 lin. 1) „uni­versaliter conceptus non est idem realiter cum il­­lo cuius est.“
Das gilt na­­tür­lich auch für Be­grif­­fe wie ‘omnipotens’ etc. die als Begriffe an­zu­se­hen sind, die
ge­nu­in Gott betreffen. Damit handelt es sich um ‘propositiones imme­di­atae’, die ohne Em­pirie
nicht wirk­lich ein­ge­­­sehen werden. Die Begriffe müs­sen per notitia intuitiva er­kannt wer­den.
Dabei gilt, dass sie einem an­de­ren noch nicht spezifi­zier­­­­ten me­di­um cognitionis beweisfähig
ein­ge­sehen wer­­­den könnten. Freilich ist bei den hier vor­­lie­genden the­o­lo­­gischen nicht natur-
wissenschaftlichen Sät­zen eine Doppelung von nur hypothetischer (mög­­li­­cher) empiri­scher
Einsicht und bloß inhaltlicher Gegebenheit der ter­mi­­­ni in abstractis nicht ganz einsich­tig: der­­­
art noch nicht schlüs­­sig wie die notitia abstractiva induktiv zu be­grün­­­den wäre. Man sieht, wie
schwer Ock­ham am und im Ma­­terial arbeiten muss. So wird die Implikation ega­­­li­siert und
ersetzt. Sät­ze, die als pro­po­­si­tio im­me­di­ata ei­ner rei­nen Umschreibung Got­tes entsprechen,
können weder begründbar, noch be­weis­bar, noch pro statu isto (un­mi­t­te­lbar­) empirisch ein-
sehbar sein noch schließlich nach unseren ge­schöpf­li­chen Ge­ge­benhei­ten nach not­­wendig; ih­re
Konzeption selbst ist un­pro­­blema­tisch und dem Heiden eben­so wie dem Christen gegeben.
Sie entspricht na­türlicher ‘Erkenntnis’. Wir könnten jedoch gar nicht regelrecht von Gott spre-
chen, wenn wir nicht noch anders von ihm, darüber hin­aus­ge­hend, angeben woll­ten: so spre-
chen wir mit Ock­ham von Gottes Om­­­ni­po­tenz, brin­gen das Om­nipotenzprinzip in Anschlag
und be­­­­nennen die divi­na essentia mit den drei Perso­nen, spre­­­chen von seiner Ein­wirkung und
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 399

werden nicht als ei­n in­te­graler Be­­stand­teil ex­pli­zit in die Ab­strak­­­ti­on eingeschlossen.
Sie sollen nicht da­rin ‘mit­­ge­­dacht’ wer­­­den, wie es bei Duns Sco­­­­tus der Fall ist. Die
empirische Gel­tung fun­­­giert bei Ockham da­rin, das Denkmittel des menschli­chen
Begriffs und vergleich­bare Mit­­­tel (wie et­wa Gott selbst in der visio beatifica) in Bezug
auf die damit kompatible em­piri­sche Genese der Denk­mit­tel (ver­gleichsweise auch der
pro statu is­to uns nicht zur Ver­­­fügung ste­henden) zu le­gi­ti­mie­­ren. Dies sollte so ver-
standen werden, dass wenn die Erkenntnis des beatus oder sanc­­tus und des angelus
für die menschliche Erkenntnis des viator pro statu isto nicht legiti­mie­­rend und nicht
einmal verpflichtend sein kann, die Legitimation aller menschlichen Be­grif­fe durch
deren em­pi­rische Genese gleichwohl die höhere und unmittelbare Erkenntnis Got­tes
ganz nach densel­ben Prinzipien oder Akten, notitia intuitiva und notitia abstractiva,
zulässt.
Die­­se notitia intuitiva und notitia abstractiva vereinheitlichen und binden
Ockhams Den­ken. Die Legitimation nach empirischer Genese ist wichtig, die Ab­
straktion, die über die­s Fun­da­ment hin­ausgehen kann, we­sentlich und zen­tral.109 Es
wä­re hier über­­­trieben, fak­­tische rea­le Er­fül­lung zum spiritus rector der Erkenntnistä­
tig­keit ma­chen zu wol­­­­len. Solche Er­fül­lung kann nicht bewiesen werden. Vermeintli-
che Beweise werden sie nur fal­laciam intendieren. Der Begriff oder Satz als mentales
Faktum kann nicht über einen Be­trag seiner rea­len ex­tra­men­talen Geltung ‘erweitert’
werden. Direkte onto­logische Deu­tun­gen der inhaeren­tia pas­­si­o­nis (sive ac­ci­dentis)
in subiecto können dann ad ab­surdum geführt wer­den.110 Der Begriff als Zeichen
kann für den Nominalismus und nach Ockhams Beweisergebnissen in Sät­zen mit
anderen Begriffen nur über Bestimmungen und nur dann signifikant verbunden sein,
wenn die Bestimmungen keine Konsequenzen bedeuten (oder verdecken) und darin
nicht Re­al­wer­tigkeit (mit-)gemeint ist, für die dann logische Operationen als Aus-
druck quasi von Zei­­chen­umwandlungen (Transformationen) nicht auszuschließen
wären. Die Kon­se­­quenz ist da­mit ein Mo­ment oder Äquivalent von fallacia. D. h. der

Stellung in Bezug auf das menschliche Heil. Wir ge­lan­gen nicht von der Abstraktion in die
Empirie (zu­rück). Insofern haben wir eine theolo­gi­­sche Er­­kennt­­nis, die eben­so ra­tional wie su-
pranatural ist; keines ist sie ein­­deutig (distinkt). Da­mit be­zeich­­net Ockham eine Ent­schei­dung,
die ei­­ne zu­vor geschichtlich gege­be­ne Di­cho­to­­mie und Gegensätz­lich­keit so wenig bei­be­hält wie
eine dem logischen Mit­tel nach indistinkte Verwischung. Der Mensch wird damit weniger auf
ei­ne Wahl, ein Bekenntnis verpflich­tet. So gilt auch die Scotische Maxime (Bekundung oder
Meinung) (cf. E. Gilson, 1959 p. 674) nicht: „sci­en­tia et fides non possunt simul esse in eodem et
hoc re­spectu eiusdem.“ Für Ockham sind ‘scien­tia et fides’ for­ma­liter se­cun­­dum actum mentis
indiscernibel. In beiden kann die consequentia formalis gebraucht werden.
109. Zwischen beidem tritt die consequentia formalis auf. Sie muss voraussetzen, dass der Pro-
zess der Erkennt­nis­bildung nach notitia intuitiva und notitia abstractive durchlaufen worden
ist. Von ihm her können Schluss­folge­run­gen, die die consequentia formalis kanonisch bedeu-
tet, nicht gestört werden.
110. Das gilt auch bei den Sätzen per se primo et secundo modo, die Inhärenz, Möglichkeit
und Kausalität meinen oder einbegreifen.
400 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

falschen (relationalen) Interpretation von Begriffen in Aussagen, die abstrakt einen


konkreten Gehalt haben sollen, z. B. in der sa­cra theologia. Ent­sprechend gibt es bei
Ockham reprobationes, die die für re­fle­­xive Be­griffe, darunter die onto­lo­gischen re-
latio und forma bezüglich der significatio in re extra men­tem In­sig­nifikanz (Null­wer­
tigkeit, Nichtigkeit, Inhaltslosigkeit) ermitteln und bedeuten, dass wir, was wir für die
Aus­legung der res extra mentem ansetzen, nicht zur intensionalen Be­stim­mung des
im Prinzip kontingenten Satzes erheben können. Wir suchen so immer deter­mi­nate
Sätze. Diese sind Aus­drüc­ke des Begriffs, alias Er­kennt­­nisse. Notitiae ent­sprechen
den für Be­­griffe nicht aus­drück­baren Verbindungen (unter­ein­an­der) als Ausdruck
ihres genuinen Ver­hält­nisses; dieses kann in Wahrheit nicht bezeich­net wer­­den. Kein
Bezug auf die Realität ist fol­­gerungsweise oder die Folge­rung ersetzend möglich.
Ockham schuf dem Nominalis­mus ei­­ne Form, der gemäß er gerechtfertigt und abso-
lut begründet sich ausnimmt.111
Modalität ist in Bezug auf den Satz ein besonderes Moment der Selbstauslegung,
wo­rin die Folgerung die Realwertigkeit nicht besagen kann und eben die Folgerung
nicht für den Satz, der schon Folgerung zu enthalten (oder zu thematisieren) gehabt
hätte; hier hätte Fol­ge­rung die Determinatheit mit der significatio zu verbinden ge-
habt.112 Es ist die Folge­rung, die als Re­gulativ der Bezie­hung zwi­schen Be­grif­fen (Satz­
elementen) wie Sätzen entfallen muss: sie wird aber wenigstens implizit bei Duns

111. Die Induktion hat hier damit zu tun, dass eine Beweisführung ex negativo nicht möglich
ist.
112. M. Lenz, Adam de Wodeham und die Entdeckung des Sachverhalts, in: K. Kahnert und
B. Mojsisch, Umbrü­che, etc. 2001, pp. 99–116 sieht in Ockhams ‘dictum propositionis’, die
Präforma­ti­on des Sachverhaltsbe­griffs, den dessen Schüler Wod­ham (Wodeham), indem er
Ockhams complexum (‘Satz’) als dictum propositi­o­nis mit dem significabile ver­bin­de, aus dem
Dilemma lö­se, das W. Chatton gegen Ockhams These, einziges sci­bile sei der Satz, geltend zu
machen be­müht war. Die Interpretation ist nicht zwingend, da Ockham den Aus­­­druck mit
der Modalisie­rung des Satzes, gleich­na­­mig mit dem Modus modo composito (sic), verbindet;
der Modus wird dann vom Satz prädi­ziert. Das ge­schieht nicht, wenn der Modus mo­do diviso
verwandt wird und so den kontin­gen­ten Satz, den wir natürlich genau so wis­sen wie jeden an-
deren denk­baren, unverändert lässt: es gilt das Sup­po­sitionspräs­kript. ‘Dic­tum propositio­nis’
kann da­her nur reflexiv, von der Seite der Abstraktion her ge­braucht werden. Ab­strakti­on steht
aber res und Sach­­ver­halt denkbar fern. So sagt Ockham, Expositio in Li­brum Periher­me­nias
Aristotelis Lib. II cap. 5 OP II p. 465 lin. 155f: „In sensu composito denotatur quod is­­te modus
ex­pres­sus ve­ri­ficatur de tota propositione cuius dictum ibi exprimitur.“ Er gilt dann secundum
dictum pro­positio­nis. Doch (ib. lin. 161–163): „In sensu autem divisionis aequivalet uni modali
in qua accipitur ver­bum vel adver­bi­um sine dicto propositionis.“ Hier gilt (lin. 167–170): „idem
est iudi­ci­um de eis quantum ad op­posi­ti­o­­nem et mo­dum arguendi quale est modalibus modo
verbiali vel adverbiali. Sed quando accipiuntur in sensu com­­posito secus est.“ Der Modus, der
in sensu divisionis sine dic­­to propositionis gilt oder eingesehen wird, gilt von der res und nur
hier. Den Unterschied betont Ockham ib. passim. Darüber hinaus wird man sich fra­gen, ob
nicht der Ge­brauch des Ausdrucks ‘dictum propositio­nis’ in der Früh­scho­lastik mit dem Inter-
esse an ei­ner Ver­­mittlung an res und realitas bereits jene Tendenz voll­kom­men enthalten soll,
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 401

Sco­tus vor­ausgesetzt, weniger freilich ­erkennbar ein­gesetzt. Ockham ging aus Duns
Sco­tus hervor und stieg von ihm her em­por, indem er den Be­griff (das universa­le),
wo und wie die­ser stric­­te intensional nicht fassbar war, so näm­­lich, dass er zu­gleich
exten­sionale Bedeu­tung ge­fasst und verkörpert hät­­te, als Begriff schlechthin gar nicht
mehr fasste und auffasste. Den Be­griff gibt es au­ßer­halb der Be­stim­mungen und Er­
ör­terungen des­sen, was er sei (fictum es­se, in­tellectio esse etc.) nicht. Ockham sieht
und trak­tiert die Möglichkeit der Erkennt­nis in de­ren actus, wie sie darin nicht mehr
(weiter) ge­fasst wer­den könne. Er spri­cht weder beim actus noch beim Begriff oder
Satz von Was­heit. Das nicht im Sinn eines pro­­jekti­ven Realis­mus mit eige­nen onto-
logischen Grö­ßen extra animam oder inter intellectus et res ex­­­­tra ani­mam noch im
Sinne konzeptualistischer Wesenbestim­mun­­gen des Begriffs oder sei­ner Akte, bzw.
irgend­wel­­­cher Akte. Da die Begrif­fe nach ihrer Gel­tung im Einzelnen und für einen
Ge­s­amtge­brauch (die hier identisch wer­­den), nicht mit­ein­an­der verbunden wer­den
kön­nen113 (im Sinne von Ockhams Beweisdar­le­­gungen: nicht identisch werden kön­
nen114), muss Gel­tung, da sie nicht auf der Abstraktion beru­hen kann, mo­dal auf-
gefasst oder zugespro­chen wer­­den: sie gilt dem Satz, während die Ab­­­­­strak­ti­on, die
mit dem Begriff ver­bun­den wird, in den Satz über­­führt wird, indem und weil qua
Ver­zicht auf die Implikation statuiert werden kann, was gemeint sei.115 In Ockhams
reprobationes der de­ter­mina­ti­ones des elementa­ren Satz­ausdrucks in dogmatischen

wel­che der Verfasser als Ent­dec­kung Adam Wod­­­ham zuschrieb. Cf. L. M. De Rijk, 1967 vol. II,
Part II (nach Index p. 808).
113. Ein sig­ni­ficatum totale für den Satz, in wel­chem die Begriffe s und P im Satz einen neuen
gemeinsamen Sinn haben kön­nen, zu diesem verschliffen seien, wird von Ockham nicht, wie
von Gregor von Rimini, Marsilius von Ing­hen u. a. angenom­men. Zum significatum totale cf.
Gregor von Rimini, SK I, d. 2 q. I Ockham macht von die­sem Ausdruck naturphilosophischen
Gebrauch, wenn er hete­ro­gene Auslegung eines Begriffs in einem ‘ge­hei­men’ Sinn zusammen-
gefasst sieht. Ein signi­fi­­catum totale der Zeit fasst danach die verschiedenen mensu­rae tem­
po­ris cf Rep. II, q. 10 OT V p. 191 lin. 12 – p. 195 lin. 11. Wir entneh­men sie den Him­melsbe­we­
gungen. Die un­te­re Geschwindig­keit wird je von der oberen ab­lei­tend ge­mes­­sen. Wir ken­nen
das Maß der unte­ren über die Kennt­­­nis des Maßes der oberen. Da­­neben nimmt Ockham das
obiectivum esse ei­nes rein im Sub­jekt (in anima) existieren­den beinahe auto­no­men Zeitablaufs
an (ib.). Die Struktur der Argumentation und der Be­­grün­dung der Er­kenntnis, wie wir sie bei
Ockham finden, bleibt erhalten (ib. p. 192 lin. 7–9): „viso motu in re, cer­tifi­ca­mur sta­­­­tim per mo­­
tum in ani­ma de quan­titate eius, ad motum quo artifex expertus per quan­ti­tatem ima­­­­gina­tam
cog­nos­cit sta­tim quantita­tem rei extra (wie nach ib. 9f auch Duns Scotus sa­­ge: wir bilden das
sub­jek­ti­ve Maß der Zeit nach der Erfahrung und kön­­nen es wie­­­­­­der auf die­­­se an­wen­­­den).“
114. Cf. Ord. d. 3 q. 3 OT II p. 425 lin. 5–8: „Eiusdem rei possunt esse plures conceptus simpli-
ces denominativi, et hoc propter diviersitatem connota­to­rum; sed quidditativi simplices non
possunt esse plures.“
115. Die Implikation kann so wenig wie die Ontologie vorausgesetzt werden. Peirce versuchte
die Logik em­pi­risch zu begrün­den. Cf. J. v. Kempski, 1952 pp. 74–77 s. p. 76: nach Peirce „invol-
viere das induktive Den­ken ‘die Wi­­der­­spruchs­freiheit der Welt (Uniformität der Natur)’.“
402 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ver­hält­nissen der Tri­ni­tät, bei den gött­li­chen Perso­nen, bei de­ren Eigenschaften, usw.
wird sichtbar, wie die Scho­la­s­ti­ker ih­re ‘Aus­drucks­mittel’ mit ontologischen Zusät-
zen116 als ab­solu­te quasi set­zen wollten. Die­­­­­­se soll­ten expli­ka­­­tiv wirken = der Verbin-
dung der Termini die­nen, die an sich und per se oder nur für Gott oder gemischt für
Gott und Welt gebraucht sein und gelten kön­nen soll­ten.117 So waren Abstraktion und
Folgerung gemeinsam enthalten.
Die ontologischen Begriffe bleiben erhalten, wenngleich sie nicht durch Be-
weis bestätigt wer­den und ihr empirischer Wert niemals zu kreditieren ist. Sie kön-
nen danach auch niemals be­wie­­sen werden. Der Ver­such wird nicht unternommen.
Vielmehr werden sie auf einer ab­strak­ten Stufe gebraucht und bleiben sogar immun
gegenüber dem denkbaren überweltlichen Ein­griff, der wiede­rum ihnen gemäß abge-
wiesen wird.118 Auf dieser Stufe, auf der auch die po­ten­­­tia divina ab­so­­­lu­­ta nicht rabiat

116. Es sind Postulate, die Ockham über die Kritik an den Kernbegriffen, ihre Definitionen
und in Bezug auf ihr em­pirisches Vorkommen nach kausalen Umständen angreift.
117. Das enthält insofern einen Widerspruch, als dann die Termini in sich nicht der Erklä-
rung, Explikation, der Rechtfertigung, der Zusammenleitung bedürften. Indem sie argumen-
tativ oder förmlich argumentativ, d. h. Be­weis, Verteidigung etc. erfordern, wird ein indirekter
Beweis angestrebt und insofern zum Schein analytisch ope­riert. Zum Schein, weil die analyti-
sche Auslegung direkt nicht möglich war. Insofern aber so zum Schein, sind die nach dessen
eigener Methode anderen reprobationes, die Ockham hat, indispensabel. Cf. Kap. 4: Fides et
sci­entia und Kap. 10: Beweis, Satz, Akt.
118. Rep. II, q. 7 OT V p. 128 lin. 9 – p. 129 lin. 5: „ad salvandum velocitatem et tarditatem in
motu est adverten­dum quod non est dare primam partem formae ad­quisitae per motum nec
secundam nec tertiam distincte nec ulti­mam. Et si aliqua pars formae sit acqui­si­ta per motum,
non est da­re primam aliquam partem immediate se­­quen­tem is­tam par­tem iam adquisitam
propter duo. Tum quia tunc motus componeretur ex indivisibilibus, quia illa pars im­me­di­a­te
adquisita esset indivisibilis ea­dem ratione et alia. et sic omnes partes motus essent indivisi-
biles, et tunc motus componeretur ex indivisibi­li­bus. Tum quia si esset dare primam partem
adquirendam post istam ad­­qu­i­si­tam se­que­retur quod il­lud mobile cui adquiritur ista forma
non moveretur. Probatur consequentia in motu locali ubi est magis manifestum. Quia quan­
do unum corpus exsistit in eodem ‘ubi’ de facto – non ponen­do mira­cu­lum per po­tentiam
divi­nam – dum duo con­tradicto­ria extrinseca succedant sibi con­ti­­nue, ita quod unum ‘ubi’
co­exsi­stit duobus contradic­toriis succeden­ti­bus, tunc corpus exsistens in tali ‘ubi’ non movetur
sed quiescit, sicut patet per praedicta. Sed si esset dare primum ‘ubi’ adqui­rendum post ‘ubi’
iam adquisitum, hoc sequeretur, igitur etc.“ So gibt es die Lösung (ib. p. 130 lin. 14–16): „im­mo
quaecum­que pars ad­qui­ritur per motum est divisibilis in in­fi­nitum, ita quod ante istam par­
tem datam fu­it alia prior, et sic in infini­tum.“ Der Begriff der forma ist un­an­ge­­tas­tet von den
indivisi­blen Tei­le der augmentatio oder remissio, eben der Ver­änderung (motus). Dabei wird
dem ‘mira­cu­lum per divi­nam po­tentiam’ eine Absage er­teilt. Das Wunder ver­trägt sich nicht
mit der na­tür­li­chen Ver­än­derung (Bewe­gung): we­der besteht sie aus einer unendlichen Menge
von Wun­­dern noch treten die Wun­der so auf, dass die for­mae (un­ver­ändert oder gewandelt)
ein­an­der zu folgen hät­ten. Die forma bleibt als abstrak­te Grö­ße intangibel gegen­ü­ber den in­di­
vi­si­blen Ver­ände­run­gen, die eine Be­we­gung ausmachen müssen.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 403

einbrechen kann oder gar muss, etwa um das Wunder zu er­klä­ren,119 bedeutet sie nie-
mals, dass wir es mit einem beweisbaren Satz zu tun haben und nicht, dass wir nicht
beweisfähige Sätze nicht mit unseren Beweisformen (i.e. Sätzen) über­stei­gen könnten.
Hier nun kann der Beweis nicht aus einer Feststellung, dass etwas per di­vi­nam po-
tentiam ab­so­­lutam (doch) möglich sein, was de facto empirisch nicht (nicht defi­nit)
gegeben sei, fließen, noch kann er danach ausgeschlossen werden: er muss allein die
un­mit­­tel­bar empirische Fas­son (Bedingung) des Erkennens übersteigen (überschrei-
ten). Ockham zeigt es, wenn er sagt:120 „probabilius est dicere quod delectatio sit
subiec­ti­ve in vo­lun­­tate, non in ac­tu volun­ta­tis.“ Von ihm sagt Ockham zu­nächst, dass
er ihn unterhalte121 „quamvis forte hoc suffici­en­­ter probari non pos­­sit quin ratio­nes
possent evadi.“ Doch stellt er in ei­nem nach­träg­lichen Einschub fest, der Satz könne
doch bewiesen werden und führt den Beweis:122 „/§ Dico tamen quod per prin­cipia
Aristotelis potest hoc pro­bari suf­ficienter. Nam sicut pa­tet in li­bro Praedi­ca­men­to­­rum
sub­stan­tiae maxime pro­pri­um est quod est susceptiva contrari­o­rum, ita quod nul­li alii
pot­est hoc competere. Ergo cum delec­ta­tio et tristitia sint contraria, erunt im­mediate
in ali­qua substantia, et per consequens neu­­trum immediate erit in aliquo acci­den­te.
Et ita neu­trum erit subiective in actu voluntatis sed in ipsa voluntate, quae est ipsa
ani­ma ra­ti­o­nalis … §/“ Das ist ein persuasiver Beweis. Er be­nutzt die on­tologische
Un­ter­scheidung von sub­stantia und acci­dens, die aber selbst nicht kre­ditiert und
bewiesen wird. Die Legitimi­tät der beiden ontologi­schen Begriffe kann nicht dar­ge­
tan wer­den. Sie entspricht dem Ge­brauch auf der ab­strak­­ten Stufe. Be­weisbar ist da-
nach ‘quod delectatio sit subiec­ti­ve in vo­­­lun­ta­te’. Das heißt als sub­­iec­ti­vum es­se, nicht
als obiectivum es­se, auf das man zu blicken hätte oder ver­möch­te. Ab­­gelehnt wird
der Satz ‘delectatio est in ac­tu voluntatis’. Aber delec­ta­tio ist ein em­pi­­rischer Be­griff;
Ockham lässt generell die notitia intuitiva bezüglich psy­chi­scher Akte zu. Wir kön­nen
es innerlich wahrnehmen, wenn wir uns freuen. Es gibt die innere Wahrnehmung
un­se­rer Akte oder Empfindungen qua notitia in­tu­itiva. Wir erken­nen auch, dass wir
glau­­­ben, den­ken usw. Es wird hier keine Vermeintlich­keit unterstellt. Der Akt wird
nicht ge­gen sei­­­nen Inhalt abgespalten, derart, dass er dann be­züg­lich oder vermö-
ge die­­ses In­haltes be­zwei­­felt wer­­­­den könnte, i.e. eine substantia ohne ac­cidens oder
Eigenschaf­ten wä­re.123 Es gä­be so ei­ne Aporie, die zur Grundlage der Negation oder

119. Wie H. Blumenberg, 1966 glaubte. C. Schultz, 2001, pp. 155–166 spricht kaum von Blu­men­
bergs Sach­for­­schung; sie existiert nicht. Cf. J. Goldstein, 2004. Die Ver­fasse­rin glaubt (p. 162f),
Blumenberg habe die Om­­nipo­tenz­­idee als ma­ni­fes­ten Ausdruck (End­pro­dukt) latenter spät­
mittelalterlicher Un­­si­cher­heit, nicht als In­be­­griff des Ur­­tei­­lens verstanden. Die Interferenz von
Ausdruck und Urteil impliziert, so oder so, bloß ‘Insignifikanz’.
120. Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 424 lin. 26 f.
121. Ib. p. 424 lin. 27 – p. 425 lin. 1.
122. Ib. p. 425 lin. 1–9.
123. Freilich kann oder könnte gezweifelt werden, dass ‘ich’ eine notitia intuitiva hatte.
404 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

eines Zweifels ge­macht wür­de oder mit Zweifel und Negation gleichwertig wäre. Es ist
aber unsinnig von Apo­rien über­haupt aus­zu­­­gehen.124 So trennt denn Ockham zwar
den actus (die notitia in­tuitiva) von dem darin wahr­­genom­me­nen Gegenstand extra
nos; aber er denkt nicht, dass wir darin nicht ei­­nen Ge­gen­­­­stand denken, somit also die
notitia intuitiva leer sei. Ockham be­gradigt die Er­­­­­­kennt­­­nis­the­­orie, indem er für die
Erkenntnis unius rei extra nos von dem Akt ausgeht, in wel­­­chem sie wahrgenommen
wor­den und von uns für uns vergegen­wärtigt er­schei­ne.
Wir beweisen nach Ockham aber in Ab­strakt­heit ei­ne Qualität oder deren Zu-
ordnung (zur sub­­­­­­stantia). Wir lehnen uns dann nicht mehr mit den Akten des Bewei-
ses an die Erfahrung an und nehmen auch nicht die Erfahrung darin auf.125 Wenn wir
in dieser die Prämissen ge­bil­­­­det sehen, ist der Beweis noch nicht unbedingt schlüssig,
sondern bleibt der Erfahrung na­he, wie Ock­­ham am Beispiel ‘haec herba est sana-
tiva’ usw. gezeigt hat.126 Die Be­din­gun­­­gen, die für die no­ti­tia intuitiva gelten, gelten
ganz gleich auch für die notitia abstractiva und das Er­ken­nen im Be­weis oder Folge-
rungsakt.127 Ockham denkt also konsequent, wenn er im Sin­ne des proba­bi­lius die

124. Eine Aporie entsteht, wenn eine fiktive reale oder em­pi­rische Wahr­heit, die bedingungs-
los ei­ne solche sein soll, zugleich zu einer abstrak­ten men­ta­len erhoben werden (können) und
da­mit einem apriorischen Vermögen ent­sprechen oder ver­dankt sein soll. Das war bereits
kri­tisch an­lässlich zu einer Frage an­ge­merkt worden, die Adam Wodham aufgewor­fe­n hat.
S. Kap. 6. Im Rah­­men unserer Interpretation zeigt sich aber, dass auch der Wi­der­spruchs­­­satz
zu den quasi em­piri­schen Bedingungen zählt, nach denen die Geltung der ab­strak­ten menta-
len ‘Wahr­­hei­ten’ nicht an­genommen werden kann, die vielmehr induktiv begrün­det werden
müssen und dann re­fle­xiv das Denken, eben die Akte des Verstandes betreffen. Bezüglich der
notitia intui­ti­­va würde der Widerspruch damit eintreten und darin bestehen, dass wir eine
Erkenntnis (Er­kenntnisidentität/-gegebenheit) in die res extra ani­­mam setz­ten, also in die res
sin­gu­­laris ipsa (= darin aliquomodo definiert sähen), statt sie streng und in actu auf der da-
von un­terschiedenen und getrennten men­ta­len Ebene des Subjekts, in ihm inkorporiert zu
den­ken.
125. Ockham hat ausgeschlossen, dass auf der Ebene oder in der Dignität (Iden­tität) der in
sich sin­gu­­lären res ex­tra mentem an eine Kombination von Eigenschaften gedacht werden kön­­
ne. Hier tritt sofort die Abstraktion als Mo­ment der Begriffsbildung und der Wertung nach der
Er­­­fahrung auf. Wir könnten entweder Teile abstrahie­ren oder aber wir müssen sie als un­ter
ei­nem allgemeinen (abstrahierten) Begriff, der uns in der Erfahrung ent­stan­den ist, mit­ge­fasst
den­ken.
126. Ockham schafft eine Brücke, indem er in diesem Falle eine gewisse Häufung von Erfah­
run­­gen annimmt, be­vor die nicht eine in ihrer Abstraktion auch autonome Prämisse, bzw. das
ent­spre­chen­de Medium im Syllogis­mus gebildet werden könne oder anders bei dieser Er­kennt­­­
nis (noch!) nicht eine völlige Evidenz oder Sicherheit herr­sche. Das Bestreben geht also eindeu-
tig da­hin, eine qua Abstraktion autonome Erkenntnis im Beweis zu be­sit­­zen. Das ist in die­­sem
Textabschnitt ebenso erkennbar.
127. ‘Probabilius’ ist ein Modus und enthält eine (ungetilgte) Negation; damit muss der Modus
mit dem modalen Satz, dem er angehört, empirisch gelten, soll die Feststellung widerspruchs­
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 405

Bezweifelbarkeit gleichsam qua noch nicht getilgter Empirizi­tät der Sät­­ze oder Me­dia
beim Beweisen annimmt oder unterstellt.128 Wenn er dann die Be­weis­­­bar­keit nach
den Prin­­zipi­en des Aristoteles (unter Gebrauch der ontologischen Termini sub­stan­­tia
und acci­dens) doch annimmt und vorführt, ist er bei einer Abstraktion, in deren Sinn
er die per­­­sua­sio sta­­­tuiert.129
Auch der Satz130 „‘quidquid ab­­solutum stat cum uno con­tra­riorum, stat cum re-
liquo’“ wird von Ockham modalisiert. Sein Modus lautet:131 saltem de potentia Dei
absoluta. Er gilt da­mit nicht faktisch empirisch. Da­nach nimmt Ockham an:132 „Qui
autem vult concedere il­lam pro­­­­po­sitionem quod ‘quidquid ab­­solutum stat cum uno
con­tra­riorum, stat cum reliquo’, sal­­tem de po­tentia Dei absoluta; et con­­cedit cum hoc
quod ‘unum uni est contrarium’, habet di­ce­re con­­­se­­quenter quod de potentia Dei

frei (aporienfrei) sein. Er gilt nicht ab­solut (in Bezug auf die Abstraktionsebene in ihr selbst).
Dann wäre nämlich die Bestreitung oder Bezweiflung der Beweisbarkeit sinnlos. Sie wird al­so
dort negiert oder bestritten, wo qua Em­­pirizität der Be­weis nicht erwar­tet werden kann. Auch
‘beweisbar’ ist ein Modus. ‘Unbe­weis­bar’ auch. In­dem er modo diviso gilt, betrifft er den Satz
definit nach seiner kontingenten Qua­­­lität und der Eigenschaft seiner Begriffe, nicht in­haltlich
über den em­pi­­rischen Begriffsge­brauch hin­aus­zu­ge­hen. Andernfalls wären die em­pirischen
oder kontingenten Sätze in sich nicht definit (wi­derspruchsfrei) bestimmt und wie sie ange-
nommen würden, wären sie zugleich als falsae propo­si­­tiones analytisch. So überneh­men aber
auch die kontingenten Sätze pro forma Wahrheit als Mo­­dus. Sie kann nicht be­­wiesen werden.
Sie wird konsistent = in Übereinstimmung mit dem Akt als Akt und dann auch der Be­weis­
barkeit als Modus der Akte und der beweisbaren Sätze nicht be­wie­sen werden können: die Akte
und Begrif­fe usw. im Beweis wären nicht definit, wenn die Beweisbarkeit oder die Wahrheit,
Beweisbarkeit als Wahrheit usw. (definit) bewiesen wer­den könnte. Wenn Abailard die fallacia
darauf gegründet sah, dass die wah­ren oder rich­ti­gen Schlüsse nicht gezogen würden, kann das
nicht angehen. Cf. o. Anm. 11.
128. Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 417 lin. 1–15 nennt Ockham solche ‘Beweisgründe’, in denen die Em-
pirizität wesent­lich noch nicht ge­tilgt ist: ibidem lin. 1f: „‘quaecumque res absoluta requiritur
in esse reali ad esse alicuius, est cau­­sa illius in ali­quo genere causae’“ und lin. 3f: „‘omne illud
quo posito se­qui­tur ali­ud, est causa illius’“ und sagt in­di­rekt lin. 4f: dass hier nicht „‘sine … ex-
perientia“ „bewie­sen“ werde. Ebenso ib. lin. 9: „Aliae au­tem ra­ti­­o­­nes, puta funda­tae super talia
me­dia: ‘quod competit naturae inferiori non debet sine ne­cess­itate nega­ri a su­pe­ri­o­­ri’; ‘causa
uni­ver­salis secunda con­currit par­tialiter immediate ad producendum effec­tum causae par­ti­­cu­­
la­­ris, er­­­­go causa prima sim­­pli­ci­ter’; similiter, ‘corpus non est causa totalis alicuius spiritualis’ et
huiusmodi, ma­gis sunt persuasiones quam rationes demonstrativae vel necessario convin­cen­
tes.“
129. Der Satz „‘probabilius est dicere quod delectatio sit subiec­ti­ve in voluntate, non in actu
vo­lun­ta­tis.’“ kann kon­se­quenterweise auch nicht bewiesen werden.
130. Ib. p. 424 lin. 20f.
131. Ib. p. 424 lin. 21.
132. Ib. p. 424 lin. 20–24.
406 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

absoluta actus amoris pot­est stare cum tristitia.“ Das gilt auf der Stufe der formae.133
Es ist keine empirische Aussage. Es ist sogar direkt eine the­o­­lo­gi­sche Aus­sage oh­ne
empirische Basis. Wir zielen nämlich auf den actus amoris Dei, der nicht unter die
Bedingungen unseres status iste in via fällt und auch nicht unter dessen Er­kennt­­nis­
be­din­gun­­gen, weder recte noch reflexive – i.e. wenn wir die Erkenntnisbedingungen
be­han­deln und un­ser Den­ken und Erkennen nach Ockham immer für den fernen
Gegen­stand un­se­­rer Er­­kennt­­­nis und Wahrnehmung und unserer Zustände in patria
ebenso wohl mit re­flek­tie­­ren wie wir die Er­kennt­nisvermögen pro statu isto dabei
konstatieren und sie konsis­tent be­trach­­ten müs­­sen. Bei­des sc. das Erkennen in patria
und das Erkennen auch jenes uns fer­­nen Zu­stand der Erkenntnis in patria, soweit uns
ge­gen­wärtig mög­lich, also reflexiv bezüg­lich jener Zu­stän­­de und der Mittel nach den
gegen­wär­­ti­gen uns in via möglichen widersprechen sich bei Ockham eben nicht. Sie
sollen es nicht. Das ist das Herz seiner Erkenntnistheorie und Ver­mö­gens­lehre usw.
Damit wird aber im­plizit die Kon­sistenz ins­ge­samt neu definiert. Ei­ne Ver­bin­dung
per implicationem existiert nicht und keine inferentia ex cognitione beati in pa­tria ad
cog­nitionem nostram pro statu isto.
Auf der Stu­fe der theologischen, der abstrak­ten Aussagen, die die theologische
einzig ist, be­ste­­hen ac­tus amoris Dei und tristitia als kom­pa­­ti­ble Faktoren nebenein-
ander. Für ihre empiri­sche Koinzi­denz gibt es keine Begründung. Für ih­re theologi­
sche und abstrakte wird die hy­po­­­­­­­thetische oder fälsch­li­che Identifikation der qua­li­tas
mit dem actus voluntatis seu in­tel­­lectus entfernt, bei welcher die kontingente Erschei­
nung als solche auch noch im Bewusstsein oder in der anima vor­handen wä­re. Wir
könnten auf sie blicken, was wir eben nicht tun sollen. Die qua­li­tas soll nicht im­me­di­a­
te in aliquo accidente sein, also im ac­tus, der ein accidens substan­ti­ae vo­­luntatis oder
ani­mae wäre. Das hat Ockham auch eigens bei diesem Arti­kel134 (De sub­iec­­to delec­
ta­tio­nis) erklärt:135 „est difficultas: an delectatio sit subiective in ipsa vo­­­lun­­­­ta­te vel in
ip­so actu vo­luntatis. Et dico quod est subiective in ipsa vo­­lun­tate. Cuius ratio est quia
omne subiectum re­ceptivum alicuius contrarii, ergo si actus vo­len­di esset receptivus
de­lec­­tationis, idem actus es­set receptivus tris­ti­ti­ae sibi contrariae. Sed hoc est incon-
veniens, et for­­te impos­si­bile, quod ali­quis summe diligat aliquid et tamen triste­tur de
illo, nisi forte prop­ter aliquem actum su­um.“ Das nun ist empi­risch unmittelbar einzu­
se­­hen: dass jemand einen anderen im höchsten Maß liebt und dennoch seinet­we­gen

133. Rein empirisch kann natürlich gelten (ib. p. 424 lin. 16–19): „res­pon­deo quod illa tristitia
quae est de timore amis­sionis boni amati et quaecumque alia non op­po­nitur delectationi quae
est in illo obiecto, et ideo poterit actus amo­ris stare cum tali tristi­tia.“ Es handelt sich um ein
akzi­den­telles Hinzutreten außerhalb der Formbestimmt­heit. Diese Differenzierung wird auch
ib. p. 416 lin. 24 – p. 417 lin. 15 festgehalten. Auch hier geht es um Ver­hält­­­­nis­se in der kontingen­
ten Welt. In der jenseitigen Welt im Stande der visio beatifica werden wir diesen timor oder
seine Berechtigung prima vista nicht unterstellen wollen.
134. Ib. p. 422 lin. 17.
135. Ib. p. 422 lin. 18–25.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 407

sich betrübe, sc. wegen irgendeiner von des­sen Hand­lun­gen. Dass aber die delecta­tio
oder der amor als solche in sich mit der tri­sti­­tia ein­her­gehe, ist nicht einsehbar. Derart
sind sie inkompatibel. Ockham begründet ihre dennoch denk­ba­re Kom­pa­ti­bi­li­tät ab-
strakt (persuasiv), indem er die empirischen Bedingun­gen, die zu­gleich auch für ihre
un­mög­­li­che Koinzidenz überhaupt zu gelten haben, einmal beiseite setzt.
Wenn wir aber so die Begriffe wesentlich aus der Zone immediater empirischer
Erkenntnis und Erfahrung entfernen können, so bedeutet dies doch eben nicht abso-
lute Erkenntnis im Sin­­­­­­­­­­­ne der Begriffe respektive nach einer dieser zugeschriebenen
Unwandelbarkeit. Die Inhalte er­geben und gestatten auf der Ebene der ab­strak­­ten
Begriffe bzw. Sätze keine aus sich unwan­del­baren Begriffskompositionen. Das muss
Eingriffe oder Re­duk­ti­onen bei der Be­weislehre be­­­dingen. Ockham zeigt das u. a. zur
Ableitung der demon­stra­tio potissima und bei Bewer­tun­­­gen einzelner consequentiae.
Eine auf der Ebene der res singularis ge­wan­delte Welt wäre ei­­­­ne undenkbare Welt
und eine per potentiam divinam abso­lu­tam auf der Ebe­ne der abstrak­ten Begriffe ge-
wandelte Welt wäre eine die einem anderen or­do mundi ent­spräche. Er ist nur per
potentiam divinam absolutam supranaturaliter loquen­do zu denken. Dieser Ausdruck
ist hier ein Modus und kann nur modo composito gebraucht, d. h. so dass er nicht
empirisch rele­vant, bezogen oder abgestützt ist. Das kann nicht anders ein. Denn der
or­do ei­ner anderen Welt als der unseren secundum legem communem lässt sich, wie
einsichtig, nicht aus dem or­­­­­do der gegen­wär­­­ti­gen Welt begründen. Es wäre dies eine
Welt, welche in sehr prekärer Wei­­­­se aus der ge­gen­­­­wär­ti­gen und deren res singula-
res im Sinne der abstrakten (begrifflichen) An­ders­­­artigkeit be­­grün­det und gewon-
nen sein müsste. Das ist unmöglich. Ockham hat die mensch­lichen Be­­­­griffe auf die
überweltlichen ‘Verhältnisse’ übertragen, beide indes nicht ana­­lytisch aus­gelegt. Er
hat bei dieser Übertragung dort Halt gemacht, wo die Komposi­ti­on der Begriffe selbst
als absolute oder als unwandelbare in Rede stünde.136 So beweisen wir mit Ockham
Wahr­heiten nicht mehr, für die nur aliquomodo argumentiert wer­den könn­te oder
scho­­­­­la­s­tisch eben auch argumentiert worden ist.137 Ockhams ‘Erkenntnisse’ ent­hal­­ten

136. Annahmen, die z. B. von den Engeln gemacht werden, gelten als nach menschlichen Be-
dingungen ge­macht bloß de possibili zu akzeptierende (Rep. II, q. 14 OT V p. 319 lin. 20–22):
„Sed prius dicta omnia de cognitione angelorum lo­quun­tur de possibili: si angelus esset relictus
in puris naturalibus.“ Nach ib. q. 12–13 p. 277 lin. 14f kann nicht „ra­tione natura­li“ be­wiesen
werden, dass es im Engel einen habitus gebe. Nur per analogiam, wenn es in ihm schon (wie bei
uns) notitia intuitiva und notitia abstractiva gebe, kann es geschlossen werden (ib. lin. 16–19).
Nach ib. q. 14 p. 331 lin. 3–12 bedürften induktiv gesehen auch im Engel gewisse Erkenntnislei-
stungen der Mit­wirkung des Körpers: „potest habere aliquam perfectionem posito corpore“; sie
fehlt „destructo corpore.“
137. Z. B. Gott weiß nicht aus der Sache, dass etwas Künftiges notwendig sein muss oder wird
(Ord. d. 38 q. unica OT IV p. 587 lin. 16): „sic intelligendo Deum habere scientiam necessa-
rio de futuris contingentibus, quod Deus ne­ces­sa­rio sciat hoc futurum contingens, sic non est
concedendum quod habeat scientiam necessariam (die eben auch da­durch gar nicht bestimmt
sein kann). Quia sicut ipsum contingenter erit, ita Deus contingenter scit ip­sum fo­re.“ Das
408 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

be­reits den Vergleich von überweltlicher und weltlicher Dimension und beschrän­ken
sich auf die­sen Ver­gleich. Sie überschreiten ihn nicht. Sie thematisieren ihn inhaltlich.
Die Be­wei­se Ockhams bedeuten struktural das so Thematisier­te.138 Wo man vielleicht
noch schola­s­­ti­­sche Überstei­ge­­rung wahrnehmen will und vielleicht eine signi­fi­­kante
und da­mit nicht über­­zeu­gende Ge­sucht­heit und die apologetische Evasion manifest

heißt: Gott weiß nichts in der Sache und aus dieser heraus. Hier ist das primum datum der kon­
tin­­­gente Satz. Er weiß indes anders aus seiner divina essentia (cf. ib. lin. 5–15). Analog gilt ib.
p. 386 lin. 17f: „In sensu di­visionis denotatur quod Deus volens a fore, potest non velle a fore, et
hoc est verum.“ In sensu com­po­si­ti­onis würde (cf. ib. lin. 15ff) es unmöglich sein, weil es einen
Widerspruch einschlösse. Der Widerspruch be­zeich­­net et­was au­ßer­halb der göttlichen Natur
Liegendes, das in diese nicht gehört. Andernfalls müsste der mo­da­le Satz in sensu composi-
tionis verstanden ein analytischer Satz sein; derart wissen wir aber nach Ockhams Be­kennt­nis
(ib. p. 583 lin. 23 – p. 584 lin. 2) gar nichts von Gott und können es auch nicht beweisen. Der­art
müs­sen wir zwin­gend von der propositio contin­gens als primum datum cognitionis, oder ihm
entsprechend, ausge­hen. Ock­ham hat diese ‘analytischen’ und die Kenntnis der divina essentia
einschließenden oder besa­gen­den Sät­ze nicht (ib. p. 584 lin. 21 – p. 585 lin. 1): „modum exprime­
re nescio“, nämlich für das göttliche Vor­auswissen in der divina es­sen­tia selbst. Ein analytischer
Beweis wäre hier gänzlich sinnlos, aporetisch und Nicht-Wissen.
138. Ockham spricht da z. B. von induktiv gesicherter „ra­tio pro­­babilis“ Ord. d. 2 q. 10 OT II
p. 356 lin. 14 – p. 357 lin. 9): wenn es neben Gott einen zweiten Gott gäbe (geben könnte), der
specie von Gott sich unterschiede, so wäre wahrscheinlich die eine species vollkommener als
die andere. Aber die Zahl der Götter wä­re unbe­grenz­bar; wenn es ei­­­ner wä­­re, der „so­lo numero“
vom ersten unterschieden wäre: dann wäre auch die un­end­li­che An­zahl mög­­lich: quia „non vi-
detur includere contradictionem quin sint plu­ra quam duo.“ Die Nicht­wi­der­­sprüch­lich­keit ‘be­
grün­det’ die Möglichkeit (Behauptung der Möglichkeit), dass nur ein Gott sei, aber kei­­­nen zwin­­
gen­den Grund: ent­spre­chend tut es auch nicht die Wi­derspruchs­frei­heit. Das gilt auch nicht,
wenn scheinbarer Wider­spruch (als Ein­wand vor­getra­gen) zu­rück­gewie­sen und aus­ge­räumt
wird. Die­se ratio sagt Ockham aus­drück­­lich „non de­mon­­stret (sic) sufficienter“. Sie wäre pro
forma em­pirisch. Wir müssten eine Stufe der trans­em­­pirischen Ab­strak­t­i­on er­rei­­chen, auf der
die ei­gentliche Konklusivität des Beweisens mit rational unab­hän­gigen Prin­zi­pi­en anzuneh­men
wä­­­re. Wir müssen nach Ockham (SL III-3 c. 1 OP I p. 589 lin. 55–57) „praecise ratione termino­
rum et non ratio­ne ali­cu­ius medii ex­trin­se­ci non re­spi­cientis praecise generales conditiones pro­
posi­tio­num“ beweisen. Auch Got­tes Existenz muss im Sinn der „sci­entia su­pra­natura­lis“ be­wie­
sen werden (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 10 lin. 16 – p. 11 lin. 5), die nicht mehr bloß Naturphilosophie
oder Theologie sein kann. Sco­­tische ‘Metaphysik als Wis­sen­schaft von Gott’ (W. Klu­xen) und
Sco­­tische ‘Lo­gik als Meta­phy­sik’ (E. A. Moody) ergäben Logik als Wis­­­­sen­schaft von Gott. Das
ist unmöglich. Su­pra­na­­tu­rale Ein­wir­kun­gen, die von Gott ausge­hen, wie die con­­ser­va­tio mun­­­di
oder auch die denk­bare corrup­tio animae intellectivae (cf. Rep. II, q. 18 OT V p. 407 lin. 17f),
die nur „ab agen­te in­­cre­a­to, puta Deo“ erfol­gen kön­nen, wer­den nicht von Er­fah­rungs­ge­gen­stän­
den her (se­cun­dum le­gem com­mu­­­nem) gemessen und konstatiert oder be­schrieben wer­den
kön­­nen. Doch sind sie kompatibel mit Welt­­­wis­sen­s­chaft und so hinrei­chend überzeu­gend (lo­
gisch). Sie sind nicht pro sta­­tu isto evi­­dent. Fol­­ger­bar­keit ist nicht kat­ego­riell (äquivalent) em­pi­ri­
sch. Sie ist den rati­o­nes nahe. Auch nicht experi­men­tel­le sci­­entia ge­horcht der ra­tio (= scientia).
Abstrak­ti­on ge­schieht nicht Be­griff für Be­griff mit im­me­diater Fol­ger­bar­keit.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 409

er­scheint, wird der hu­­­ma­ne Stand­punkt139 gewahrt und theoretisch integriert. Die
Freiheit des Denkens, die Ockham be­zeichnet, ist nicht eine des neuzeitlichen Indivi-
duums, die weit­ge­hend fiktiv ist;140 es ist in der Gewinnung mit­tel­alterlicher Integrität
gelegene Freiheit.141 Sie ist wahr­schein­­­lich neutral gegenüber einem denkbaren oder
im Mittelalter wirklich, bei den Aver­ro­is­ten des 13. Jahr­hun­derts, angefal­le­nen Gegen-
satz von Glauben und Wissen; bei potenti­el­ler Gleich­­­heit oder und auch struk­turell
betonter Gleichgewichtigkeit der theologischen und der phi­lo­so­­phi­schen Aussagen
oh­ne apo­lo­getische Note (sie ginge in der technischen Gestal­tung unter) kann die
Skepsis als kaum ur­teilsförmi­ger Vorbehalt nicht bis zur intellek­tu­­­alen Orga­ni­sa­ti­on

139. Diese menschliche Komponente, die insbesondere Nikolaus von Autrecourt gegen die
Scho­las­tik in Stel­lung brach­te, doch Ockham indirekt (bedingt) noch in den scholastischen
Aus­druck kleidete, wird man als neutral ge­­gen­über den geschichtlichen Wertungen mit positiv
(af­fir­mativ) und ne­gativ (bestreitend) ansetzen können. In die­­­ser Weise gerade ist Ockham ge­
schichtlich positioniert und handelt ge­schicht­lich.
140. Individuelle Singularität ist hier nicht mit gesellschaftlicher Freiheit zu verwech­seln. Cf.
F. Borkenau, Drei Ab­hand­lungen zur deutschen Geschichte, 1947 p. 72: „Die Freiheit des Westens
ist nicht die Frei­­heit eines die Ge­­­sell­schaft in seinem Inneren verachtenden … Individuums.“
Derart tritt das Indivi­du­um nur wo es zum Sym­bol wird in Erscheinung, sc. im Kunstwerk,
worin die Dilemmata der Neuzeitgene­se brüchig ge­spiegelt sind. Der Kontakt zur Antike nach
Weltwahrnehmung (K. Löwith) und Selbst­empfindung (G. Lukacs) geht verlo­ren.
141. M. L. De Rijk, vol. II Part I, 1967 p. 128 sieht das scholastische Denkens von der Aus­bildung
des Rechts be­ein­flusst: „remarkable testimonies found in the documents ex­tant of the In­ves­ti­tu­
re Con­test.“ Er be­tont den „mix­ed cha­racter of the scientific method found in in nearly all the­se
wri­tings: … a mix­­­tu­re of gram­ma­­ti­cal and di­a­lectical rules.“ Wir können indes fragen, wie viel
Rationalität bzw. Durchdringung des Verstan­des selbst wir in der Feststellung des Anselm von
Canterbury Cur Deus ho­mo, 1109 finden: „Nichts ist in der Ord­­nung der Welt we­niger zu er­tra­­­
gen, als dass das Ge­­­schöpf dem Schöpfer die schuldige Ehre nimmt und nicht ab­zahlt, was es
nimmt.“ Die Dependenz vom Herrschaftsgedanken erschwert die Vernunftbegründung kraft
rationaler Technik. Hinzu kommt das christliche Dogma. Cf. E. Gilson, 1948 p. 63: „Pendant
le moyen âge, la phi­­lo­­­sophie ne s’est introduite qu’­en contreban­de.“ p. 65: „penser, du point de
vue d’un esprit religieux c’est ex­er­­cer une activité ir­ré­l­i­gieuse, hé­rétique.“ Gleichwohl ver­­tei­digt
Gilson für Duns Scotus (z. B.) im Anschluss an des­­sen Maxime „ad scientiam proprie dictam
requiritur evi­den­tia obiec­ti.“ laut Rep. Par. n. 22 (457 b) eine ratio­na­le Form. Die nun äquivoka-
tiv (ausgedrückt) erscheint, weil sie onto­lo­­­gi­sche Postulate ein­schließt, die per peti­tio prin­cipii
anzu­brin­­gen wären. Nach E. Gilson, 1959 p. 673 differen­ziert Duns Sco­­­tus über Tho­mas von
Aquin hinausgehend Wis­sen (Ver­nunft) und Glauben, „denn er lehnt es ab, dass un­sere The­o­lo­­
gie der Theologie der Se­li­gen und un­se­re Philo­so­phie unserer Theologie unter­ge­ord­net sei, so
dass man in ei­­ner unter­ord­nenden Wis­sen­schaft glau­ben kann, was man in einer anderen für
Wis­sen hält … er ver­­wirft die­se An­­sicht im Namen der Unterscheidung der Wissen­schaf­­­ten, so
wie er sie ver­steht.“ Doch Duns Scotus kann nicht begrün­den, dass er eine scientia oder (da­rin)
evi­den­­­tia habe. Er greift dann etwa zu Maxi­men wie der, dass wo ein Ge­gen­­beweis (noch) nicht
aufgetre­ten sei (ge­­funden wurde), Geltung (Evidenz?) zu postu­lie­ren sei oder als er­wiesen zu
gelten habe.
410 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

des Denkens gelangen. Da­mit wäre Ockham vergleichsweise mo­dern (neu­zeit­lich)


und doch auch nicht.142
Ockham aber wiegt jedoch seine Epoche auch eigens auf, und zwar gegen
Aris­to­te­les und dies an der Stelle, wo dieser Erkennen auf den Beweis gründen will.
Es gilt ab­zu­wä­gen, wie viel wel­cher Beweis vermag und danach Erkennen neu zu
bestimmen.143 Ockham lehrt da­­­bei aber einen Verzicht: Wissen hat mit den Akten

142. O. Pluta, Atheismus im Mittelalter, in: K. Kahnert und B. Mojsisch, Umbrüche, etc. 2001,
pp. 117–130 er­ör­tert, ob unausdrückliche Negationen und Bezweiflungen der Existenz Gottes
im Mittelalter als atheis­tisch beur­teilt werden können. Er stellt sie der obligat positiven Ein-
stellung der Scholastiker zur christlichen Re­­ligion ent­ge­­gen, die noch heute von Forschern wie
E. Gilson als rational angängig betrachtet werde. Ockhams Weige­rung ei­ne unbedingte ra­ti­
onale Traktation vieler Fragen, die er als beweisresistent betrachtet, zuzu­g­estehen, könn­­te noch
als Weige­rung und verkappte Renitenz eines Ungläubigen verstanden werden; aber das halten
wir für noch nicht einsichtig und nicht beweisbar. Wenn Pluta feststellt p. 121: „Nicht jeder
Den­ker, der per­sön­lich von der Nicht-Exi­s­tenz Gottes überzeugt ist, ist auch an einer philoso-
phischen Argu­men­ta­tion interes­siert,“ lässt sich das so appli­zieren, dass Ockham an der phi-
losophischen Argumentation interes­siert ist, aber sobald sie nicht effektiv ist, dann auch nicht.
Damit ist die Frage zunächst unentschieden (unent­scheid­­­bar); sie ist aber auch letztlich und
überhaupt unentschieden, wie die Argumentation, wie er sie dar­stellt, aus sich die Ele­mente
der Nicht-Be­weis­bar­­­keit genügend erhellt und eben bezüglich der Prämissen, die wir bil­den
können und bezüglich aller con­clusi­o­nes, die daraus hervorgehen können. Dieses Interesse
Ockhams mag man dann für kein ‘philo­so­phi­­sches’ halten. Das indes impliziert die absolute
Frage, in welcher Form von Argu­men­tation das philoso­phi­sche Denken seine Er­­füllung suche.
Hier ist aber Ockhams Motiv unergründ­bar.
143. Cf. Aristoteles, Analyt. Post. 87 a 1: „Da aber der bejahende Beweis besser ist als der ver-
neinende, so ist er of­fen­­bar auch besser als der auf das Unmögliche führende Beweis.“ Man mag
fragen, ob man das für die formale Lo­gik akzeptieren will oder wenn die reductio ad absurdum
ein konstruktives Moment enthalte, z. B. wenn man be­weist, dass die Menge der Primzahlen
unendlich ist. Denn ausgehend von dem Produkt aller ange­nom­menen Prim­zahlern ausge-
hend gelangt man durch Addition von 1 zu eine neuen Primzahl. Die Induktion be­weist nach
Aristoteles nicht, sie kann nicht zeigen oder enthalten, dass etwas immer ‘so’ ist. (Analyt.
Post. 91 b 15 und 35). Sie sei ohne sinnliche Wahrnehmung nicht möglich; diese gehe auf das
Einzelne. Doch entstehe keine Er­kennt­nis, die durch Allgemeinheit bestimmt sei und auf sie
gehe. Denn (Analyt. Post. I 31. 87 b 28): „Man kann nicht durch sinnliche Wahrneh­mung al-
lein erkennen und wissen. Was aber allgemein ist und in allem, das ist als sol­ches unmöglich
wahrzuneh­men. Denn es ist kein räumliches Einzelnes und Jetzt; denn dann wäre es nicht
allge­mein. Was immer ist und al­lent­­halben, nennen wir allgemein. Wenn wir daher z. B. auch
(während ei­­ner Mond­fin­ster­nis) auf dem Mond wä­ren und die Erde das Son­nenlicht versper-
ren sähen, so würden wir doch nicht die Ur­­­­­­­sache der Mondfin­ster­­nis wis­­sen; denn wir wür­den
nur wahrnehmen, dass der Mond sich jetzt ver­fin­stert, aber nicht warum über­haupt; denn es
gab keine Wah­rneh­mung des Allgemeinen.“ Mit Ockham aber betrachten wir solch Allgemei-
nes mentalistisch auf der Stufe des actus apprehensivus, der intensional und for­mal als Akte
des Verstandes identifizierten Aussagen und Begriffe. Er zitiert das Beispiel ‘eclipsis lunae’ als
aristotelisches. Zur ‘demonstratio a priori’ cf. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 126 lin. 22–24: „om­nis
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 411

zu tun, die wir produ­zie­­­ren. Es stellt ei­ne par­si­­­monia dar, dass wir so auch mit dem
Satz beginnen kön­nen. Auch der Satz stellt so et­was wie eine Primärentität dar.144
Auch hier gilt das Ökonomieprinzip. Doch das wis­sen Wol­­len, was die res sei bzw. ob
sie wie und wieweit erkannt werde, ist konkomitante Spielre­gel.145 Das Erkennen in
der scientia (Wissenschaft) wie das Erkennen der res extra im sub­jek­­ti­ven Verstand
sind wesentlich unproblematisch, mit keinem Argument an­fecht­bar.146 Auch hier

demonstratio quae est per prius est a pri­o­ri, dico quod non sufficit quaecumque prioritas, sed
pri­o­ritas subiecti requiritur.“ Hier geht es thematisch um ei­n line­a­res und ununterbrochenes,
i.e. stetiges Fort­schrei­tens beim Be­wei­sen, worin man die Be­wei­se in ei­ner fest ein­gehaltenen
Ordnung und Folge aneinander anzuschlie­ßen hätte und kei­ner die Ordnung durchbräche. Sie
wird von Ockham als nicht ausnahmslos existierend oder herstell­bar angese­hen. Notwendig­
keit und Kontin­genz sind so gesehen un­un­ter­scheid­­bar – wie um 1900 wieder bei R. Dedekind
und G. E. Moore.
144. Das scire gilt dem Satz cf. Ord. d. 2 q. 4 OT II p. 137 lin. 16 -18: „nihil scitur nisi comple-
xum. Complexum au­tem non est extra ani­mam, nisi in voce vel in consimili signo.“ Denn (ib.
d. 27 q. 3 OT IV p. 253 lin. 5f): „In­tel­li­gi­bi­lia esse in intellec­tu nihil ali­ud est quam ipsa intelligi
vel co­g­nosci.“ Zum Begriff cf. ib. d. 2 q. 4 OT II p. 134 lin. 20: „omnis intellectio pot­est esse pars
pro­po­si­­ti­onis in mente.“ Zu den Äquivalenzen bzw. Varianten in der Be­zeichnung des Begriffs
in anima ib. lin. 17–19: „propo­si­­tio con­cep­ta tantum componitur ex intellectioni­bus (vel) con-
ceptibus (seu) intentionibus ani­mae.“
145. Das ‘esse obiectivum’ schließt nicht das esse in re oder, beim Satz, etwa ‘Socrati inest
albedo’, das inesse in re (oder reali) aus, das Ockham mit der significatio verbindet, nicht mit
der praedicatio allein. Cf. Rep. II, q. 1 OT V p. 22 lin. 17 – p. 23 lin. 5. Eine Hy­pothe­se, die bei
Ockham dem actus in mente gilt, wird nicht vermit­telst der Geltung in re ausgedrückt. Es ist
die Ar­gu­mentation, die die Unterscheidung der Ebenen ebenso leistet wie ver­langt. Die entia
rationis oder die dis­tinctio ra­tione können nicht effektiv auf die entia realia oder die dis­tinc­tio
realis zu­rück­geführt werden, umgekehrt auch nicht. Dennoch kann Ockham sagen (Ord. d. 35
q. 5 OT IV p. 492 lin. 5f): „Convenientius po­­neretur (sic!) quod entia realia es­sent rationes co-
gnoscendi entia ratio­nis quam econ­ver­­so.“ Denn vom ens reale wird der ent­schie­dene Aus­­gang
genommen, aber er wird nicht im Sinn der Erzeu­gung des ens rati­o­nis verfolgt werden kön-
nen. Für Be­griff ‘intellectio’, ‘concep­tus’, ‘in­tentio ani­mae’ wahlwei­se nebeneinander Ord. d. 2
q. 4 OT II p. 134. Grundsätz­lich er­­scheinen, schon bei der praedica­tio in ein­fachen Sät­zen wie
‘homo est animal’ Re­al­welt und Ver­­­s­tandes­aus­­druck nicht durcheinander vermittel­bar, cf. Rep.
II, q. 1 OT V p. 19 lin. 14–16: „unio in re (nach der co­pu­la ‘est’) necessa­rio dicit respectum rea­
lem, sed in ra­tione non opor­tet quod dicat respectum re­a­lem nec ratio­nis.“ Und ib. lin. 9–12: „si
quaeras (sic!) quomodo con­ceptus copu­lae est com­mu­nis, dico quod non per prae­di­ca­ti­onem
sicut est conceptus ex­tremi, sed est commu­nis per unionem, quia scilicet unit duo extrema ad
invi­cem.“
146. Ockham sagt Ord. Prol. q. 2 OT I p. 79 lin. 12–14: „scientia proprie dicta nullam imperfec-
tionem ponit, igi­tur hoc non de­bet ne­ga­­ri a divino intellectu“. Es ist nicht gemeint, dass der divi-
nus intellectus eine per­­­fec­­tio er­for­de­re. Son­­dern: da die scientia proprie dicta keine imperfectio
besage bzw. keine mit ihr ge­setzt sei, kön­­ne sie auf den divi­nus intellectus übertragen werden,
der maxime cognoscens ist. Die In­duk­ti­on ist auf je­den Intel­lekt, den mensch­li­chen und den
412 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

kann die Induktion im einen Medium des Begriffs oder des Satzes Gott und Welt glei­
cher­­­­­ma­ßen umfassen und eben in actu auch beweisend auf einander beziehen. Der
menschli­che Be­griff ist dessen Gebrauch für Gott generativ übergeordnet:147 „no­ti­tia
ac­tu­a­lis creatu­ra­rum est pri­or aliqua prioritate qualibet persona divina et qualibet
relatione“, was ar­­gu­men­tativ nicht gilt:148 „di­co quod conces­sa illa propositione quod
omne absolutum crea­tum potest esse sine quocumque alio per po­ten­ti­am di­vinam,
nihil est prius natura alia absolu­ta simpliciter et ab­­so­lu­te loquendo nisi solus De­­us.“
Unter Gebrauch des Omnipotenzprinzips schließen, indu­zie­ren oder persuadieren
wir was den Begriff der ‘res’ allein nach dem Sinn von Negationen über­schreitet. Die
Begriffe aber bleiben in der Physik wie in der Theologie gleich. Die Begrif­fe, auch die
in der sacra theologia gebrauchten, sind womöglich lediglich „prioritate conse­quen­­­­
tiae“ geordnet:149 Die „essentia divina et intellectio divina et volitio … idem sunt totali­
ter.“ Aber vermittelst der divina essentia als medium können bezüglich der personae
et relatio­nes divinae Beweise ausgeführt werden.150 Im Sinn der Abstraktion, also
wenn wir das Da­tum der im Grunde empirischen res überschreiten, unterstehen wir
der Ordnung der Sätze. Für sie ar­gumentieren wir; da es induktiv geschieht, geschieht
es immer mit einem Bezug auf die res (al­so deren ‘Iden­tität’), damit auf die Empirie.
Es gilt auch für die Begriffe der Theologie, weil wir stets ei­­ne Induktion ausfüh­ren
kön­nen, wo die Ne­­gation eines Datums – mit einer Über­­­­schrei­tung gleich – dessen
Verhältnis zur significatio und darin deren Ver­­­all­ge­meinerung zu besa­gen hät­te. Eine
Negation wird negiert; für diesen Aus­schluss kön­­nen wir argumentie­ren (ope­rieren),
al­­so einen Beweis führen, wenn das acci­dens (Ak­zi­dentelles) – etwas schon Ne­­­­­­gier­tes,
Ne­ga­ti­­ves – nicht entitative in der substantia oder for­ma sein kön­nen soll.

göttlichen unterschiedslos, über­trag­bar. Kein in­tel­lectus in sich kann be­züg­lich sei­ner Ak­te,
ei­nes actus apprehensivus, ein dubium ent­hal­­ten, von der propositio per se nota an­ge­­fangen.
Da ist kei­­ne Un­­­­ter­­­schie­den­­­heit der Intellekte. Du­bitabilis propositio heißt: ‘aliquis possit de ea
du­bitare, non: quod de ea ve­re du­­bitat’. Du­­­bi­um, das der Be­weis apprehensiv aufhebt, ist kein
In­haltsele­ment des Satzes. Da die Ab­strak­ti­on im Be­griff ‘intellectus’ bis zu Gott reicht, kann
sie argumentativ auch von ihm aus überredend be­gin­nen. Ana­­­log kann etwa der Gedanke alias
Beweis, dass kein Ding ein anderes sein könne, wie auch kein sibi ad­ditum es zu ei­nem solchen
einigen oder einfachen machen könne, von Gott her beginnen, der das ens simpli­cis­simum ist:
Ord. d. 24 q. 1 OT IV p. 86 lin. 13–19 Es kommt einer res, um von einer anderen distincta zu
sein, d. h. uniden­tisch, nicht ein­mal die negatio zu, dass sie dieses (andere) nicht sei; sie ist es
schlechthin in sich selbst nicht, das heißt als sie selbst. Das wird vom Begriff Gottes her erläu-
tert: ib. p. 82 lin. 22 – p. 83 lin. 5.
147. Ord. d. 9 q. 3 OT III 3 p. 305 lin. 16–18.
148. Ib. p. 310 lin. 7–10.
149. Ib. p. 305 lin. 11–14.
150. Cf. dazu auch ib. p. 312 lin. 11–16: Es gibt hier einen ordo realis, aber keine relatio realis.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 413

In Ockhams kategorienfreier Betrachtung des Denkakts (der Denkakte) ist das


Scotische Ver­­fah­ren umgedreht worden: Duns Scotus hatte die Akte semantisch oder
ontologisch vorge­klärt und dann einer ‘neutralen’ logischen Verarbeitung unterzogen,
die selbst damit eine kat­e­­­go­ri­a­­­le Rol­le erhielt. Für diese muss sie angefochten werden,
nicht zuletzt, weil damit die Be­­weis­art selbst gleichsam noch per Reflexion kritisiert
und aufgehoben werden kann; d. h. das lo­gi­sche Potential ist nicht mehr eindeutig,
womit die Logik selbst in sich indefinit wird oder keine determinaten Aussagen mehr
liefern oder behandeln kann. Aber bereits die Logik der Antike kann hier nicht beste-
hen, geschweige denn die Deduktion; Ockham hat hinsicht­lich letzterer die kontinu-
ierliche, die ununterbrochene Reihe (Kette) ange­foch­ten (be­strit­­ten). Er hat auch die
affine deduktive Komponente der Logik nicht ausgeführt, sie eher un­terbun­den. Er
ist damit als ein gebrochener Protagonist des Logi­schen auf­getreten. Er hat sie gleich­
na­mig von der Ontologie gelöst. Indem er sie hier abbin­det, kann er sie vom lo­gisch-
dedukti­ven Vollzug befreien, den er gleichsam schon in ‘kon­struk­­­tiver’ Form aufgelöst
hat. Hier hat er seine Tendenz und kritische Spitze gegen Duns Sco­­­tus gehabt. Er hat
sie in der Or­dinatio for­ciert.151 Dabei bleibt Gott nominalistisch der Aktlehre verbun­
den.152 Ockham leugnet nicht die em­pirische Di­­­­mension. Sie tritt in einer Ersetzung

151. Ockham hat in der Ordinatio die Sprach- und Satzformen herangezogen, um die hypo-
thetisch gemeinte Er­kennt­nis abzuschätzen, in der Reportatio mehr die Akte behandelt. Er
ord­net diesen da wohl Sätze zu, um die ac­tus (oder habitus) in­haltlich fi­xiert vonein­an­der zu
segre­gie­ren. Er unter­sucht diese Sätze jedoch weniger ge­­ne­­tisch (genealogisch) und danach
typologisch. Dabei sehe man, dass Duns Scotus Satzeinheiten vorgibt, die po­stu­lativ präpariert
und darin mutiert der gesamten Deduktionsleistung entsprechen sollen. Und das, obwohl sie
sie unterbrachen. Der Nachweis, dass dies angehe, fehlt. Er entfällt mit den Beweisstrukturen
Ockhams.
152. Gott ist hier ein terminus exclusivus der Welt, ebenso wie der Wider­spruch. Gott wird
vom menschlichen Sub­­­­jekt ‘gedacht’, aber nicht so, dass sich das Subjekt in Gott hineinfüllen
könnte oder vice versa Gott in das Sub­jekt. Ockham führt öfter Beweise bezüglich des Den-
kens, indem er zu­nächst von Gott et­was pro forma an­nimmt, weil das wi­der­spruchsfrei sei,
um es a fortiori zu generalisieren (Ord. d. 35 q. 1 OT IV p. 426 lin. 13–16): „Deus est ma­xi­me
co­g­noscens et tamen non est na­tus habere formam cuiuscumque alterius nec species rei est in
Deo. Ergo per hoc non cognoscens non dis­tinguitur a cognoscente.“ Das ist ein Induktions­
schluss. Darin ist so viel wahr, dass wenn wir Mittel und/oder Bedingun­gen des Erkennens
(der Erkenntnis) ha­ben (wollen), diese auch für Gott gel­ten müs­sen; sonst müss­ten wir denken
(wollen), Gott existiere nicht. So­­weit werden wir nicht gehen wol­len, zumindest nicht an die­ser
Stel­le. Folglich gilt (ib. p. 427 lin. 11f) „nec potest aliqua ra­ti­o­ne ge­neraliter dari quare ali­quid est
cognitivum“. Wir wis­sen induktiv nicht, wodurch aliquid zum Erkennen­den (cognoscens) wird
und sich da­mit vom Nichterken­nen­den unterschei­det. Andernfalls müssten auch Mittel und
Be­dingung identisch werden. Ein Be­weis ließe sich da schwerlich füh­ren. Generell müssen wir
nicht ein­­­mal an ei­­ne Person denken: aliquid! Das menschliche Sub­jekt ist bei Ockham „ei­­ne
Grenze der Welt“ (Wittgenstein, 1921, 5.632), in­des nur wie Ockham für es inhaltlich und funkti­
o­nal argu­men­tiert: es argumentiert nicht durch sich selbst, son­dern durch Ockham vertreten.
Es „ge­hört nicht zur Welt“ (Wittgenstein ib.), we­nig­stens nicht, in­so­fern der intellectus nach
414 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

des Wahrheitsfaktors auf und eben auch, wenn Gott hypothetisch über unser theolo-
gisches Erkennen in der Gestalt ‘unserer’ grundsätzlichen Akte notitia intuitiva und
notitia abstractiva ‘für uns’ verfügt.153 Seine Struktur steht gegen die se­man­ti­sche Fol­
ge­rung, oh­­­­­ne die sie auskommt. Sie bedeutet keine Identifi­ka­ti­on von Empirie und ex

Ockham nicht Teil der physischen Welt ist, der er mit seinen ‘Akten’ doch wie­der an­zu­ge­hö­ren
scheint. Der Verstand (intellectus), in den die ver­schie­­­­denen und eben auch essentialiter, spe-
cie, for­ma­liter und causaliter un­terschiedenen Akte fallen (cf. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 57 lin. 20 –
p. 61 lin. 20), ist außerhalb der actus und dann ha­bi­tus, die für ihn be­­­­nannt werden können,
selbst un­greif­­bar und nur noch durch den Begriff der potentia re­prä­sen­tiert: in sie fal­len die
actus, die wir sehen, also wahr­­­­­neh­men, während das bei den habitus nicht der Fall ist. Dabei
kön­nen die ver­schie­denen Ak­te, die nach­ein­an­­­der anfallen können, nebeneinander bestehen;
sie lö­schen einan­der nicht aus cf. ib. p. 59 lin. 24 – p. 60 lin. 7. cf. auch p. 19 lin. 13f: „concedo
quod in eo­dem intel­lec­tu sunt plures actus intelligendi.“ Die dis­tinc­tio realis, mit der distinctio
specie gleich, be­dingt die em­­­­pi­risch wahrnehmbare Unabhängigkeit der actus von­­­einander.
Hier liegt ja die Ba­sis der In­dukti­on, die im Ge­­­­­­­­gen­satz zur contradictio steht cf. p. 59 lin. 14–24.
Zu­gleich kumu­lie­ren sich die actus in der­selben po­tentia (cf. ib. p. 21 lin. 6–10): „omnis actus
iudicativus prae­sup­­po­­nit in ea­dem poten­tia notitiam incomple­xo­rum quia prae­supponit ac­­­tum
ap­pre­hensivum et actus apprehen­si­vus respectu alicuius com­­plexi praesupponit noti­ti­­am in­­
com­plexorum ter­­­mi­­­no­rum.“ Die notitia intuitiva, die ac­tus ap­prehen­si­vus und actus iudicati-
vus umfasst (z­u­sam­­­men­nimmt), be­­­­zieht oder ge­winnt die termini (conceptus) an­hand der res
in Form der notitia incomplexa. Cf. dazu nach­­drück­­­lich ib. p. 60 lin. 8–19. Die argumentativ
bei­ge­zo­ge­­ne po­ten­tia Dei ab­so­luta (naturaliter loquen­do) folgt wie stets der dis­tinctio realis (cf.
ib. lin. 11–14) und gibt eine per­su­a­­sio, die an die Empirie sich bindet und sie be­stä­tigt. Ar­­gu­men­­
tatio, die wie stets alles stützt, er­gibt per ­per­suasio­nem imaginäre Identitäten und dis­tinc­tio­nes.
Die Um­­­­­­­­wandlung der realen distinkten Größen in hypo­the­tische oder imaginäre (reelle) hält
(an) de­ren Funk­­ti­on fest, in­stru­menta­li­siert sie weiter oder sichert sie über­haupt erst (Cf. bes.
p. 57 lin. 20 – p. 58 lin. 4). Wir ge­lan­gen je­­­­doch nur bis zur persuasio (abstractio). Über die Welt
hin­aus und bis in Gott hinein gehen wir so nicht.
153. Ausdrücklich stellt Ockham (ib. p. 60 lin. 11–14) dies für das Omnipotenz­prin­zip oder
dessen Ge­­brauch fest, indem er die empirische Basis der Operationen betont, die die di­s­tinc­tio
realis beinhal­tet und das Omnipotenzprinzip mit umfasst: „Quidquid autem sit de potentia Dei
ab­soluta, dico quod naturaliter pri­mum actum est separabile a duobus se­quen­ti­bus et secundum
a tertio.“ A parte Dei und ver­­möge der Idee der omni­po­tentia erfolgt also kein Einspruch. Cf.
die Akzentuierung mittels naturali­ter. Da­raus folgt die distinc­tio re­­­­alis. Das bedeutet nicht,
dass in actu ap­pre­hensivo propositionis es irgendeine (ali­qua) notitia distincta ter­mi­no­­­­­rum ge­
ben (können) müsse. Soweit ge­stal­tet sich die naturale Basis des Denkens in ani­ma quasi nicht
aus. Wir verlie­ren die actus terminorum nicht; wir löschen sie nicht. Aber wir apperzipie­ren sie
nicht (mehr). Damit wis­sen wir von etwas Bestimmtem in der ani­ma nichts (mehr) und eru-
ieren es nicht mehr in der substantia ani­mae seu in in­tel­lectu ut potentia. Das nicht Ge­wusste
alias Nichtwahrgenommene leiht sich dann (auch) nicht mehr den Ope­ra­tionen (Argumenten)
und tritt insofern nicht in Ockhams solutiones oder opiniones ein.
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 415

se zu er­­ken­nen­der Wahrheit. So wird die Frage nach seinem eigensten Motiv bereits
materiell schwie­­rig.154
An der Differenz des Scotischen Beweisverfahrens zum Beweisverfahren Ock-
hams lässt sich ablesen, dass die Denkart des ersten notwendig, indem sie ihre Se-
mantik kategorienartig fasst, auf den Gebrauch der materiellen Implikation hinaus-
läuft und gleichsam von ihr her ge­steuert wird. Das muss bedeuten, dass Ockhams
Widerlegungen des Duns Sco­tus, wenn sie nicht auf die instantia, das praktisch-em-
pirische Gegenbeispiel, sich beschränken sollen,155 die Impli­ka­ti­on am Ende selbst

154. Der Begriff ‘Motiv’ wird zudem äquivokativ, wenn er an ganz und gar technische Mo-
mente geknüpft werden (können) soll. Das gilt bereits wenn individua die empirische Basis des
Erkennens und der Erkenntnisbegrün­dung sind, u. a. für die dabei bei Ockham noch zulässige
Relation. Die relatio wird für Ockham durch deren ex­tre­ma de­ter­miniert (Rep. II, q. 2 OT V
p. 38 lin. 4): „Igitur (relatio) nihil est praeter extrema.“ Wenn Gott nie­mals in die geschöpfliche
Ordnung eingreifen kann, so weil er nicht die Relationen aufheben kann, die mit den Fakten
oder Dingen gegeben sind. Cf. ib. p. 48 lin. 23 – p. 49 lin. 4: „pot­est Deus eundem hominem
quem Petrus ge­neret (Konjunktiv!) creare, et tamen ille homo sic creatus non esset filius Petri
quia numquam eum genuit, sed posito (sic!) quod eum generet, tunc sequitur quod semper
stabit ipsa relatio. Die hypothetische creatio kann nie mit der realen Ordnung der Dinge in­
ter­fe­rieren.“ Cf. ib. lin. 4–7: „Tamen bene potest dici quod posi­tis extre­mis na­turaliter (sic!),
necessario oritur relatio, et per hoc excluditur ob­iectio de creatione.“ Die relatio ist auch lo­­
gisch eine abstrakte Größe, die nicht empirisch aufgehoben werden kann und daher auch nicht
von der Stu­fe der Abstraktion aus; von ihr her wird ihre Identität nicht angefochten wer­den
können. Das hat Folgen: Der En­gel, der eine Operation im Sinne einer relatio aus­führt (und
zwar grund­sätz­lich empirisch a parte rei begründet cf. ib. p. 34 lin. 15–17), bezieht sich damit
notwendig (unausweichlich) auf ein empirisches Datum im Sin­­n der Un­­aus­tausch­bar­keit oder
Diszernibilität, die somit ab­strakt besteht (ib. p. 34 lin. 10–13): „nam angelus, qui est sim­­­­­pli­citer
sim­plex, habet relationem diversitatis ad quam­libet partem con­ti­nui. Cum igitur in continuo
sint in­fi­ni­­tae partes, erunt infinitae relationes in angelo.“ Und ebenso ib. lin. 23–26. Das Kon-
tinuum ist keine Re­lati­on. Cf. ib. p. 32 lin. 14f: „in nulla res sunt in­finitae res in actu.“ Die em­pi­
rische Fundierung über individua lässt die Relation bloß als Abstraktion zu. Hiermit wird eine
logische Basis angesprochen, wie vergleichbar (oder kon­­sis­tent) auch sonst bei Ockham: Da
für das (ein) Verhältnis von substantia und accidens nicht ar­gu­men­tiert wer­den kann, ist dies
das Prinzip der Logik, wenn es mit (u. a. logischen) Beweisen übereinstimmt. Das heißt: wenn
die­se Beweise darin zuge­las­sen werden, ohne dass das zur Ermittlung beider, der substantia
und des ac­ci­dens oder der Notwendigkeit ihrer Tren­nung (Scheidung) führt. Beide können
per potentiam divinam ab­so­lu­tum (su­pra­­na­tu­raliter loquendo!) getrennt werden. In dem Sinne
gibt es für sie eine distinctio realis, die die Basis der In­­duk­ti­o­nen ist. Freilich auch die solcher
transempirischer Lösungen mit theologischer Referenz oder Relevanz, die et­was Nichtempiri-
sches betreffen, das doch nicht auszuschließen sei, also keinen Widerspruch bedeute. Die­ser ist
auf der Basis der Induktion ausgeschlossen, und eben diese Basis wird per divinam potentiam
absolutam, auch su­pranaturaliter loquendo, erreicht. Das bedeutet, dass die Induktion de facto
Widerspruchsfreiheit besage.
155. Das ist eben auch tatsächlich nicht der Fall; Ockham hat ja nicht nur die con­sequentia
formalis für einen fikti­ven Beweiszusammenhang bestritten, wie etwa wenn Duns Scotus die
416 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

negativ aufzurollen haben: Ockham wird implizit auch zei­gen müs­­sen, dass die Impli-
kation kein externes Moment einer Aussage oder ihrer de­ter­minatio durch Zu­sät­­ze,
also nicht Teil der determinatio sein kann. Denn wäre die Implikati­on mit ei­nem sol­
chen Zusatz gleich, so wäre dieser absolut und als kategorielle Bestimmung un­an­fecht­­
bar. Da­mit muss Ockham im Grunde zeigen, dass kontingente Bedingungen nicht all­
ge­mein gültig sind; er legt den Schnitt zwischen Notwendigkeit (Allgemeingütigkeit)
und Kon­­­tingenz (Po­stu­lation ad hoc, Emendation); hier liegt ein Scotisches Problem,
das zugleich zeigt, wie sehr Duns Scotus mit einer unzureichenden Deduktionsart in
die Neu­zeit hinein­wirkt, die mangels besserer Kenntnis nolens volens (unwillkürlich)
in seinem Sin­ne hat ver­fah­­ren müssen. Spino­za ist ein Beispiel. Man erledigt analog
die Frage (und sie stellt sich für Spinoza), ob zu­sätz­lich oder im Verlauf der Dedukti-
on definierte Prädikate und Prädikats­er­­weiterungen die De­duk­tion ausmachen und
be­stimmen dürfen und ob, wenn das der Fall ist, nicht der Mangel des Scotischen
Deduzierens ins­gesamt gegeben ist. Ockhams Deduktion, gleichsam das Ab­lei­ten in­
clusive zu reprobierender Beweiszüge des Duns Sco­tus, inte­griert sich in die Abstrak­
ti­on oder wiederholt sie. Darin wird die significatio als Ele­ment (In­halts­e­le­ment) oder
Gleich­wert (Äquivalent) des Beweisens entfallen müssen.156 Alle Strukturen Ockhams

sci­en­tia beatorum auf die scientia ho­mi­nis abtragen oder ein Fehlen von Widerlegungen ad
nunc zum Ausweis der generellen Widerspruchsfreiheit er­hebt, also einen Generalisierung weit
über die Gegenwart und alle zukünftigen Traktationen der Theologie be­treibt und quasi als
mittelalterlicher Insider in die künftigen Epochen hinein extrapo­liert. Zur consequentia for­ma­
lis s. auch Quodlibeta II, q. 4 OT IX p. 125 lin. 64 – p. 126 lin. 66: „sic est consequentia for­malis
quocumque demon­stra­to: hoc non est sapientia, igitur hoc non est sapiens; quia sic concretum
et ab­strac­t­um convertuntur.“ Die con­se­quentia formalis bedeutet nicht Operationsvollzug (ra-
tiocinatio) und nicht de­ren Ersparung, indem man ohne Vollzug einen Zusammenhang an-
nimmt; Ockham setzt einen ‘tatsächlichen’ Beweis voraus: ‘quocum­que de­mon­strato’. Anders
W. Chatton (cf. Kap. 14 Anm. 42). Doch ist bei Ockham der tatsächliche’ Beweis fiktiv; er gilt
als erbracht. Aber er kann zwangsläufig nicht demonstriert werden. Er ist ein synthetisches
Element der con­se­quentia formalis. Denn wäre es anders, so gäbe es in einem bestimmten
(definiten) Sinn die conse­quen­tia for­ma­­­lis gar nicht; sie wäre in diesem anderen ‘konstruktiven’
Beweis erloschen oder mit ihm identisch.
156. Wenn wir in den Kapiteln 9-11 Ontologie und Induktion; Beweis, Satz, Akt; Abstraktion
und scholasti­scher Beweiszweck demonstrieren, wie die res fiktiv als res singularis genom-
men, über die speci­es vermittelt, die damit den Implikationsfaktor übernimmt, nicht die forma
aufnehmen kann, zeigen wir, wie schon in Kap. 7: Formbegriff und reale Wahrheit bei den
naturwissenschaftlichen Fragen, dass (die) forma zur Realwelt zu­rück­­­kehrend, in dieser nicht
gegründet und bestätigt wird; sie ist absolut oder ab­­strakt. Es wird aber in Kap. 9–11 beweisin-
tegral gezeigt und nicht wie in Kapitel 7 nur mehr praktisch-empi­risch, da­mit im Grunde wie-
der an in­stan­­tiae: wenn Ockham zeigt, das ‘instans’ (von instantia zu unterschei­den, näm­­­lich
das augenblick­liche Zeit- oder Bewegungsmoment, analog einer momentanen Wahrnehmung,
nicht die for­ma be­stim­men, ver­än­dern oder aufheben könne. Nach Kap. 9–11 ergibt sich, dass
auch die species nicht ab­stra­hiert, i.e. aus der Empirie geho­ben, allgemeingültig sein kann.
Intensional wird sie von Ockham ver­wandt; sie ist be­weisintern ein Negativ­fak­tor, mit dessen
Kapitel 8.  Glaube und Welt. Im Vorhof der Naturphilosophie 417

prägt es, dass das entweder sorgfältig in der Methode oder in unmittelbarer präventi-
ver Erklärung ausgeschlos­sen wird. Beide erscheinen so gleichförmig und in der Wei-
se gleichsam geplant und überlegt, wie darin Folgerung nicht das medi­um probans
sein kann.157 Alles bettet sich aber in Beweis­ver­hältnisse ein, mit denen die reflexive
Beweiswertigkeit158 schließlich über alle Fak­toren159 mit ent­scheidet und die Beweis-
theorie selbst quasi negativ einen Bezug zur signifi­ca­tio erhält, sc. in der Form ab-
gelehnter (reprobierter) Beweise, Relationsketten, Folgerungen und der Implikation
überhaupt.160

Hilfe Indefinitheit bewiesen werden kann, wie mit der Paarung von for­ma (substantia) und ac­
ci­dens auch. Die ontologischen Begriffe werden von Ockham in dieser Weise appliziert.
157. Es zeigt sich, dass jede Struktur Ockhams nicht nur intensional bestimmt wird, sondern
zusätzlich, was in Be­zug auf sie ausgeschlossen werden soll, so dass sie darin nicht zu gelten
habe, für sie nochmals regelrecht ne­­­giert wird. Es wird als Folgerung ausgeschlossen wird. Die
Struktur ist derart doppelt inten­si­o­nal gesehen und so­wohl auf das Argument bezogen, das sie
synthetisiert, wie über die negierte Kon­se­quenz reflexiv als wahr bestimmt.
158. Darüber soll in den folgenden Kapiteln 9–11 nochmals näher gehandelt werden.
159. U. a. die Universalienlehre. Dass sie wahrscheinlich bei einer Vielzahl von Scho­lastikern
nicht das Zentrum ihrer Ideen bildete, vermutete bereits J. Koch, 1927 p. 2.
160. Bei Ockham versinkt die Logik im Gesamtbegriff der Beweisbarkeit. Der moderne (intui-
tionistische) Lo­­giker denkt anders cf. E. W. Beth, Semantic entailment and formal derivability,
Mededeelingen der Konink­lijke Ne­der­landsche Akademie van Wetenschappen (Amsterdam),
Afd. Letterkunde 1955 n.s. 18, No. 13, 1955, pp. 309–342 p. 326: „We wish to es­ta­blish a logical
the­ory which is adapted to such situations as may present themselves in sci­entific argument“.
kapitel 9

Ontologie und Induktion

Wahrheit kann der Deduktion als gleichnamiger intensionaler Faktor zugeschlagen


werden und be­deu­tet auch deren Apriorität (Definitheit). Heißt die Deduktion dann
wahr im intensionalen Sinn, so ist sie, wenn als unbeweisbar gelten soll, dass es sie
gebe, unwahr und zwar im Sinne dieser Un­be­wie­senheit; sie ist so wi­­der­legt. In dem
Sinn widerlegt Ockham mit besonderer Zielrichtung auf den Gottesbeweis des Duns
Scotus viele von dessen Annahmen. Duns Scotus mag dabei in sei­ner Art seine Be-
weise geführt oder solche in­ten­diert oder impliziert gesehen haben und sei es im Sinn
einer Kooption der Wahrheitsgeltung wie bei Duns Sco­tus üb­lich. Dann muss we­
nigstens die Ver­ein­barkeit der Wahr­heits­geltung mit einer Rest­aus­sa­ge und der dieser
geltenden Deduktion an­ge­nommen werden. Ausdruck der Wahrheits­gel­­tung kann

. Dies ist nach dem Paradox von Löwenheim und Skolem anzunehmen.
. Der Widerspruchssatz (der Widerspruch nach dem Widerspruchssatz) hat keinen unbe-
dingten extensionalen Charak­ter. Cf. P. Lorenzen, Metamathematik, 1962 pp. 130ff zur Differenz
von Gödels Unvollständigkeitssatz und Gödel­s Un­­ab­leit­barkeitssatz, bes. p. 133: danach „ist
der Unableitbarkeitssatz, wie S. Feferman bemerkt hat, nicht extensio­nal: er ist nicht invariant
gegenüber Ersetzungen der in ihm vorkommenden Formeln durch andere Formeln.“ Der Wi­
der­spruch muss daher auch nicht zur Erforschung von Wahrheit in der Form der Verneinung
von Widersprüchen die­nen.
. Für Ockham bedeutet das Omnipotenzprinzip keine Negation von Wahrheits- oder Er-
kenntnisanspruch, wobei mit seiner Hilfe der Erkenntnisanspruch eben dem Wahrheitsan-
spruch übergeordnet wird. Das gilt oberhalb grammatischer und logischer (sic!) Satzerklärun-
gen, die Ockham hier als lediglich evasiv ansieht, in theologischen und ontologi­schen Fragen
cf. Rep. II, q. 2 OT V p. 14 lin. 20 – p. 16 lin. 2 insbes. p. 15 lin. 21ff. Das Omnipotenzprinzip
steht dem in­tel­­lec­tus nahe: „si nullus intel­lec­tus esset, nec aliquis modus grammaticalis vel
logicalis.“ Wenn Ockham gegen Duns Sco­tus (ihn widerlegend) beweist (ib. p. 16 lin. 21 – p. 17
lin. 15), dass (p. 16 lin. 23–25) die Maxime „inhaerentia acci­den­tis non significat ipsum accidens
absolute sed ut est in subiecto“ nicht gelte, nimmt er intermediär (p. 17 lin. 7f) an, „De­us se-
paret accidens a subiecto et utrumque conservaret.“ Ockham will zeigen, dass nicht, wie Duns
Sco­tus mein­t, die determinatio ‘ut est in subiecto’ unbeschadet und verändernd zum Satz oder
seiner Bestimmung hin­zu­treten könne und gar noch einen empirischen Belang besitze. Cf.
p. 17 lin. 10f: „quid addit ‘accidens ut in subiecto’ su­per ac­ci­dens ac­cep­tum absolute? Aut nihil
aut aliquid.“ Das accidens war aber hypothetisch mittels der divina potentia ab­so­lu­ta su­pra­na­
turaliter loquendo vom subiecto getrennt worden; folglich kann es ihm nicht in empirischer
tenue wie­der bei­gefügt wer­den. Eine solche ‘induktive’ Annahme ist ausgeschlossen worden.
Wir argumentieren secundum le­gem commu­nem, i.e. wir bleiben in Gottes aktualer Schöpfung
und transgredieren nicht zu einer anderen; damit gin­ge die Defi­nit­heit verloren und überhaupt
420 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

nicht die Negation der Aktual­un­end­lich­keit sein, ohne dass ein Zirkel vorläge. Wird
dies aber ange­strebt, muss der Restausdruck (ohne Aus­­­druck der di­rek­ten oder indi-
rekten Wahr­heits­­gel­tung, also abstrakt) ei­ne ontologische Qualität haben und in die­­
sem Sinn zirkelförmig ein­ge­setzt sein und zwar mit Hil­fe der Kooption des Aus­drucks
der Wahr­heitsgeltung; es muss dann aber nur der Rest­aus­­druck wi­der­legt werden.
Es wür­de ein ab­strak­ter Ausdruck als Aus­druck oder Inbegriff von Beweis und Be-
weisbarkeit wi­der­legt wer­den. Ockham drückt immer, wo er etwas ermittelt (d. h. ei-
nen Sachverhalt, reflexiv oder in­ten­sional hinsichtlich oder ver­mö­ge der Begriffe und

keine Entscheidung der Fragen wäre mehr möglich. Das alles gilt für alle Er­ör­terun­gen Ock­
hams, auch in der Ethik. Ph. Boehner, Ockham, Phi­lo­­­so­ph­i­cal Writings. A selection, 1957. Intro­
duc­tion p. XLIX bemerkt, Gott könne, per suam potentiam absolutam, dem Menschen, dem
Gott zu lieben und darum seine Gebote zu be­folgen, aufgetragen sei, gebieten ihn zu hassen
und hält das für eine Aporie. Die­ses Gebot wä­re aber ein transzendent die Welt übersteigendes
und könnte vom Menschen nicht erfüllt werden. Der Mensch hätte in einer trans­zendenten
Be­fol­gung eines singulären Gebotes Gottes Gott generell zu hassen; das ist lo­gisch oder theore­
tisch un­mög­lich, nicht bloß sitt­lich und praktisch, wie Boehner glaubt. Cf. Kap. 11 Anm. 128
unter Bezug auf S. Müller, 2000.
. Wenn Ockham behauptet (beweist), dass mit essentialiter geordneten causae noch keine Hi-
nordnung auf eine ober­­­­ste causa, die (noch) nicht Element der Menge (multitudo) der „causae
essentialiter ordinatae” sei, bestehe und dies prin­­­zi­pi­ell vermöge einer reprobatio mittels der
auch hier immer noch möglichen infinitas actualis, dann beweist er (da­mit) aber auch, dass
keine „multitudo cau­sar­um es­sen­­tiali­ter ordinatarum“ bestehen könne, aus der die infinitas ac-
tualis zu folgern wäre. Die infinitas actualis kann nicht gefolgert werden; sie stellt das Nichtsein
oder Nichtseiende (real oder sym­bolisch) dar. Damit ist auch bewiesen, dass so die Implikation
nicht begründet worden ist, und ebenso, dass sie nach den beteiligten Termini (cau­­sae, forma-
liter etc.) nicht begründet werden kann. Das stellt einen allge­mei­­­­­nen As­pekt hinsicht­lich der
Welt dar (Definitheit). Beweis und Behauptung fallen im Sinne der Determinat­heit ineinander.
Von W. Chatton wird Ockhams Argumentation nicht anerkannt, cf. F. Amerini, 2007, pp. 5–
31, p. 25 Anm. 42 mit Ver­weis auf Ockhams Wiedergabe in Quaestiones in libros Physicorum,
OP VI p. 768 lin. 29 – p. 769 lin. 45. Chat­ton kehrt einfach zum Scotischen Wortlaut zurück.
Amerini, der Ockhams Ge­sichts­punkte gegenüber Duns Sco­­tus in der Sache des Gottesbewei-
ses und seine Ana­lysen hinsichtlich des infinitum ac­­tu­ale nicht anerkennt, unter­sucht nicht
Ock­hams Beweisführungen in Ord. d. 2 und 3 gegen Duns Scotus und führt selbst als Grund
an, Ockham unter­schei­de nicht zwischen species und individuum (deren unterschiede­nen
Ebenen). Er wirft also Ockham die mangeln­de Definit­heit vor. Definitheit fehlt in der infinitas
actualis. Für die reprobatio rücken species und individuum zusammen.
. Diese Widerlegung, die den ontologischen Annahmen gilt und mit ontologischem Material
erfolgt, kann nicht mehr lo­­­gisch erfolgen, also nicht mehr logisch sein. Ockham führt ontolo-
gisch auszudrückende abstrakte Sachverhalte, die er ermittelt hat, an und ein. Er muss dazu
rektifizierte ontologische Termini verwenden, i.e. wenigstens solche, deren Be­deutung nicht
im Amalgam von Logik und Ontologie erst eingeführt, gerechtfertigt oder modifiziert werden;
Ockham be­­schränkt sich auf die strenge Disjunktion von substantia und accidens, die für Ter-
mini und deren Verhältnisse in Rich­­­tung auf die Realitätsgeltung in Anschlag gebracht werden;
so entstehen die Widerlegungsbeweise in Ord. d. 2 und d. 3.
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 421

ihrer Ver­bindung, feststellt), etwas All­ge­mei­nes aus, das nicht mehr bestritten wer­den
kann, weil es nicht mehr von einer un­um­schränk­­ten und darin un­be­stimmbaren und
unge­glie­derten Re­alität her aufgefasst werden darf. Eben das wird in der Ar­gu­­­men­
tation negiert, i.e. aufgewiesen, und damit ge­ra­de er­scheinen diese Argu­men­tation
und ihr Er­gebnis (als Ausdruck) einen nur re­duk­tiven Ge­halt zu besitzen. So sehe
man als Beispiel etwa: „quod obiectum non est causa im­me­di­ata delecta­ti­onis, sed
cau­sa imme­di­a­ta delec­ta­tionis est ipse actus voluntatis (also auch nicht volitio oder
voluntas). Et ratio est quia posito ac­tu voluntatis ae­qua­li – sive obiec­tum sit sive non
sit – sequitur aequalis delectatio, et sine ac­tu vo­lun­tatis nullo mo­do potest sequi delec­
ta­tio. Ergo solus actus vo­lun­tatis erit causa imme­dia­ta.“ Es gibt eine ratio (s. o.), mit
der von der Objektbe­schaf­fen­heit und -gegebenheit abgesehen wird. Im Verhältnis
der Be­grif­fe aber ist eine Negation enthalten (mit­ge­ge­ben), wel­che genau der Funkti­
on des Wider­spruchs­­satzes entspräche, könnte die­ser das Ver­hältnis der Begriffe und
secun­dum is­tam conditi­o­nem die Begrif­fe erschließen. Dabei wird für Ockham der

. Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 415 lin. 17–22.


. Ockham demonstriert, dass die volitio bloß eine causa mediata, keine causa immediata der
delec­ta­­tio sei; causa im­me­diata ist der actus voluntatis. Damit ist die volitio (voluntas) selbstre-
dend in abstractis nicht über­flüs­sig, wenn­gleich sie für den Beweiszweck, der der unmittelba-
ren Relation gilt, nicht infrage kommt und hier be­reits dem Ökono­mie­prin­zip widersprechen
kann, das an der Empirie orientiert ist. Man könnte sagen: Ockham erstellt Re­la­­tionen, die
keine logischen mehr sein können und daher (a limine) auch nicht in einen lo­gi­schen Be­weis­
kontext ein­ge­hen können. Wir müs­sen also auch nicht von einer/der Ontologie ausgehen. Sie
entspräche ei­ner primären Logik. Das Ökonomieprinzip steht dort, wo die die fallacia droht:
sie aber bleibt auf die Empirie bezogen, ja fixiert. In der fal­la­cia ist dann die empirische Ebe-
ne gleichsam auf dieser ihrer Stufe selbst noch überstiegen worden. Das muss natür­lich auch
bedeuten, dass wir gewissermaßen grundsätzlich nur sie haben. Ockham hätte ein abso­lu­tes
Recht sie zu be­to­nen, sach­lich sowohl wie beim Bezug auf die Scholastik. Wenn nun ein Beweis
geführt wird, wahrt das Ökono­mie­prin­zip für die­sen die empirische Referenz. Die aber kann
nur hypothetisch sein. Wir tei­len da durch Bezug auf das Öko­­no­­mie­prinzip mit, dass wir nicht
mehr Faktoren beanspruchen und ein­füh­ren wollen, als se­cun­dum probatio­nem = un­ter Ein­
schluss des Beweises erforderlich erscheint. Der Beweis kann danach nur hy­po­thetisch sein.
Das ist et­was an­de­res als mit der Gliederung des elementaren Satzes, der pro­positio contin­gens
(des contingens) unter­stellt und an­ge­nom­men wird, so dass auch deren Struktur ali­quo­modo
in der Annähe­rung an das Bewei­sen zu sehen ist: wir spre­chen von der An­gliederung an die
Abstrakti­on, den actus apprehensi­vus. Diese Angliederung wird auch durch die Supposi­ti­ons­
logik eher gewahrt und ge­stützt als aufgehoben oder durchbrochen. Das Ökonomieprinzip
kann auch noch auf Prin­zi­pien an­gewandt werden cf. A. Goddù, Ockham’s Physics, 1984 p. 98
unter Verweis auf Expositio super oc­to libros Phy­sico­rum fol. 14 r. In Bezug auf die infinite Menge
sind individuum und species nicht unbe­dingt geschie­den.
. Demonstrationes können, wie Ockham sie begründet, quasi nur über-empirisch sein.
Sie dürfen nicht ‘in­dis­cer­­ni­bili­ter’ abstrakt und empirisch sein. D. h. nicht so, dass der Maß-
stab für den Unterschied entfiele oder: nicht mehr zu se­hen wäre, i.e. von uns und überhaupt
nicht zu sehen wäre. Das ist aber formell (intensional) dasselbe. Die förmliche all­gemeine
422 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Begriff der relatio wichtig, bleibt er­kennt­­nis­the­o­re­tisch aber empirisch bezogen. Mit
relatio und ratio wird von Ockham ­ein besonderer Abstrak­ti­onsmodus ins Werk ge-
setzt.10 Seine technischen Vor­aus­set­zun­gen sind sachlich und historisch un­bekannt
ge­blie­ben; so entfiel eine praktische Vermitt­lungs­funk­ti­on.11 Das koinzidiert mit der

Unerkennbarkeit (Unbeweisbarkeit) erscheint als potentielle individuelle. Das gibt den Ort an,
wo die Sup­po­­­sitionslogik als Instrument (und Maßstab) eintritt; sie versichtbart Unerkennbar-
keiten. Sie verschiebt die Uner­kenn­bar­keit (Unbeweisbarkeit) zur relatio, vom Begriff zur res;
bestimmte reprobationes heben da­rauf ab und mün­den da­hin, dass sie für forma und relatio
(pro conceptu) Nichterfüllung in res und suppositionslogisch korrektem Satz ergeben.
. Die Relation wird einer Operation gleichgesetzt Rep. II, q. 2 OT V p. 34 lin. 15, sofern es
um Wahrnehmung geht. Für das continuum gibt es keine solche Wahrnehmung. Es ist kein
finitum, sondern ein infinitum; aber es ist damit kein in­fi­nitum actuale. Es kann laut continu-
um den unendlichen Regress geben. Der unendliche Regress hat keine Be­weis­kraft, stellt aber
keinen Widerspruch dar. Bei seiner Emendation des Scotischen Gottesbeweises mittels des Ter­
mi­nus conserva­tio, den er dem Terminus efficientia gleichsetzt, operiert Ockham persuasiv,
indem er vermöge der ‘con­ser­va­tio’ ei­ne Ak­tualunendlichkeit der Ursachen annimmt, wenn
nicht eine causa prima postuliert werde, die alle conser­va­­tio und da­mit efficientia zusammen-
fasse. Es ist eine Induktion über einem Terminus ‘conservatio mundi’ und dessen De­fi­zi­enz.
Die Induktion erscheint Ockham über dem Terminus efficientia inevident. Ph. Boehner, 1957
pp. XLIII + XLIV bemängelt und bedauert, dass Ockham seinen Gottes­be­weis nicht „in detail“
ausgeführt und in Sonderheit „did not connect the idea of conservation with that of the es­sen­
tial tem­porality in every creature“; das ist aber in Ockham Gottesbeweis gar nicht angelegt.
Das Maß ist Boeh­ner „the proof advanced by Duns Scotus, which in our opini­on is the most
powerful and the most developed proof of this kind elaborated by any scholastic in the Mid-
dle Ages.“ Er be­darf indes der Kritik selbst unter dem Aspekt evtl. korrekt angewandter Logik.
Unter diesem Aspekt hat Ockham seine Kritik daran nicht einmal geübt. Boehner beklagt auch
(ib. p. XLV), dass Ockham im Gefolge der Be­wei­se zu Gottes At­tributen ebenso wenig eine
Ausweitung (‘enlargement’) der Prädikate vornehme wie beim Beweis von Gottes Exis­tenz. Er
hält es für möglich, dass Ockham dies in seiner geplanten, aber ungeschriebenen Auslegung
der aristo­te­li­schen Metaphysik habe unternehmen wollen. Unser Buch beruht darauf, dass es
nicht möglich sein kann.
10. Dabei ist bei Ockham alle Gestaltung der Rationalität Gestaltung einer Materialität, die
nicht als solche wirklich ge­­­ge­ben werden kann. Im Begriff der species gehen wir am ehesten auf
diese Materialität ein; aber argumentativ. Cf. Ord. d. 2 q. 6 und q. 10 OT II. Der grundsätzliche
Gedanke ist, dass wir das Akzidentelle nie in forma überführen kön­nen. Je­­­de Argumentation
be­ruht darauf. Sie hat so ihre Dichotomien und reprobationes. Zur Un­terscheidung von po­ten­
tia ab­­soluta et potentia ordinata s. nochmals Quodlibetum VI, q. 1 OT IX art. 1 pp. 585–586.
11. Das führt dazu, dass etwa Ph. Boehner Ockhams eminente Stellung in der Spät­­­scho­lastik
und seinen kritischen Scharf­sinn hervo­rhob­, aber für beides nie einen Beleg gab. Er trat statt-
dessen als Apologet Ockhams gegen den Vor­wurf des Ketzertums auf. Ockhams Heranziehung
von Gottes Allmacht gilt ihm als Be­leg von Glaubenstreue, wobei etwa der funkti­o­nelle Un­ter­
schied von po­ten­tia divina absoluta supranatura­liter lo­que­n­do und na­­­tu­ra­li­ter loquendo nicht
mehr ge­macht werden kann oder nicht mehr einsichtig ist. cf. Ph. Boeh­ner, 1957 In­tro­duc­ti­on
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 423

Be­­sonderheit, dass für Ockham der Be­griff nur Zei­chen ist und derart nie unbedingt
Er­kennt­nis, auch wenn er als intellectio be­stimmt wird; aber es ist mög­lich in den Satz
und den Be­griff, je nach deren Typus, quasi hineinzu­blicken und damit die­se in actu
secundum potentiam in­tel­­lectionis zu be­schreiben und zu bestimmen. Damit wird
ei­ne Ver­le­gen­heit und Notwendigkeit bzw. ein unwill­kür­liches Verfah­ren der Neuzeit
in den philo­so­phi­schen, theologischen und geistes­wis­sen­­­schaft­li­chen Materien vor­
gebildet. Sie wird dort dann nur anthro­po­logisch vindiziert und re­kla­­miert.12 Da­bei
gelten auch hier für Ockham Re­geln.13 Es sind diejenigen, die bei ihm die Gehalte aus­­
prä­gen, ohne dass eine nominell reale Erkenntnis damit verbunden wäre.14
Ockham beweist auf der Stu­­­fe von Relationen, doch nicht qua In­ten­tion auf die
res singu­la­­ris in se ipsa, die sich on­to­­logisch nicht de­fi­­nit aus­drüc­ken ließe, schon
weil die on­­to­lo­gi­schen Be­grif­­fe so All­ge­mein­heit secundum rem zu be­sa­gen hät­ten.15
Er schließt nur die reale Geltung pro re­­bus in kei­­­ner Weise aus.16 Was hier na­­turaliter

p. XVII ff und p. XXV f. Auch die immer als zentral betonte Suppositionslogik ist nicht als
für Be­weis (re­pro­ba­tio und persuasio) kon­sti­tutiv gezeigt worden. Dabei erreicht hier die Kon­
tingenz eine beweisintegrale Rolle.
12. Das führt dann auch zur Restitution und Fiktion des ontologischen Anspruchs, cf. Hegel.
Wir erhalten eine on­to­lo­gische Qualität qua anthropologischer und verteidigen diese herme-
neutisch mit barockscholastischen Residualformeln.
13. Ockham definiert die Bedingung(en) der Beurteilung von Sätzen, die intensional darauf­
hin ab­ge­schätzt werden, in­wie­weit/ob sie reale (extensionale) Relevanz (‘Erfüllungen’) haben
können. Das ist auch bei der ver­­glei­chend seman­ti­schen Deutung von Termini durch Ockham
das Ziel, wenn er die Termini nach ihrer Zweck­dien­­­lich­keit (Tauglichkeit), respektive Wider-
spruchsfreiheit abschätzt. Ockham de­finiert kei­nen Kal­­kül, und er de­fi­niert nicht ei­ne oder
mehrere ope­­rati­ve Ver­­haltensnormen wie P. Lorenzen, Ein­füh­rung in die ope­ra­­tive Lo­­gik und
Ma­the­matik, 1955, Metamathe­ma­­tik, 1962 u. a. Ockham thematisiert auch kein denkendes Ich
im sonst durchaus reflexiven Erkenntnisaufbau. Er er­war­tet einzig eine Befreiung von nicht
technisch regulierten und legitimierten Ausdrucks- und Be­griffs­nor­­men.
14. Sie müsste die der res im Sinne der Ontologie sein. Die ontologische Nomenklatur reicht
für Ockham nicht bis zu die­­­sem Effekt – via argu­men­ti stoßen wir da auf instantiae, i.e. abwei-
chende casus auf der Basis der Kontingenz (dieser Welt).
15. Anzumerken ist, dass auch na­tur­wissenschaftliche Er­kennt­nis auf der Basis der In­duktion
keine Verbindung von Grund- oder Stamminhal­ten, wenn sol­che denn in Zeichen oder Begri-
ffen an­genommen werden soll, gewährleistet i.e. vollzieht, vielmehr ohne die­se aus­kommt und
auskommen muss. Anders als es bei H. G. Gadamer, 1960 (mit Wendung gegen Helmholtz,
Dil­they u. a.) erscheint, ist im 19. Jahr­hundert die Indukti­on kein reines Dogma, sondern tech-
nisch-met­hodolo­gisch zu le­gi­ti­mie­ren ge­we­sen. Um dessen met­ho­dologische Suffizienz wird
gekämpft. Cf. C. G. Jacobi, Vor­le­sun­­gen über Analyti­sche Mechanik, 1847/1848 ed. von H. Pulte,
1996.
16. Sie wird auch mit der fallacia sowie dem Ökonomieprinzip bekräftigt. Beide betreffen real-
empirische Relationen im Sinn der causa immediata. In dem Sinn werden auch die Beweise
immer gelten, d. h. nicht ungültig sein dürfen. Wer­den sie ungültig sein können? (Es würde sich
424 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

ist, ist auch realiter. Was natura­li­­ter sein kann, kann auch re­­­­­al­i­ter sein. Es ist dann die
Frage, ob wir was wir als natural erkennen oder ‘erfahren’ = voraus­set­­zen, wirk­­lich
in ir­gend­einer Weise (abstrakt) überschreiten können.17 Das Naturale müss­­­te das im
Sinn der (aktualen) Weltschöpfung Unumgängliche sein und so alle Beweisführung
auf der Basis oder in der Kompatibilität mit der Abstraktion ‘in sich’ aufnehmen (kön-
nen).18 Im Ver­hält­nis von Re­lation und Einzelding (res ipsissima singularis) überging
Ockham argumentativ ei­ne Dif­ferenz, die neu­­­­zeitliche Methodologie intentional we-
der gewahren noch aufheben oder mar­kie­ren konnte.
Ockham übertrug sie in den Begriff der species, als welche zunächst das uni-
versale erscheint, dann aber auch attributiv das Verhält­nis der Relation zur Gegen-
standswelt. Im Namen der species de­stru­ier­te Ockham den Scotischen Gottesbeweis,
indem er den allgemeinen, auf ei­ner oberen Stufe liegenden Inhaltsbegriff, der auf
causa (causalitas) lautete, gerade als in Gestalt der species nicht be­ziehbar und über-
tragbar erwies.19 Er trennte so causa und species (oder deren Be­griffe) und zwar alo-
gisch mit Hilfe der ontologischen Begriffe substantia (subiectum) und ac­ci­dens und

fragen, aus welchem Grund und mit welcher Bestimmtheit der Aus­sa­­gen und ihrer Teile? Könn-
te es demnach überhaupt ungültige bzw. der Form nach inexistente Beweise geben? Be­wei­se, die
nicht Beweise wären?) Könnte es in Beweisen eine Vielzahl von Faktoren geben, die das Ökono-
mieprinzip überschrit­ten? Ist auch das nicht schon ein Ungedanke? Woran sollten sie gemessen
werden? Somit hat das Ökonomie­prinzip ei­ne analytische Bestimmensfunktion hinsichtlich des
Beweisens zumindest und eine andere Referenz kann es für es nicht geben. So ist eine aprio-
rische Funktion im Denken oder im Beweisen ersetzt worden. Dass Ockham ana­ly­tisch nicht
beweist und derart auch nicht die Ontologie benutzt haben wir deutlich gemacht. Das Beweisen
bekommt unter­halb oder entgegen apriorischer Erkenntnis einen absoluten Charakter.
17. Wenn wir eine andere Schöpfung denken als diejenige, die wir kennen, könnte sie nicht
nach einem Naturali­täts­­­be­griff, den wir damit festhielten oder ändern könnten, bestimmt wer-
den. Das Omnipotenzprinzip reicht nicht bis zu die­ser Region. Das Omnipotenzprinzip kann
dabei an sich und gegenüber dem Wissen oder der Erfahrung keinen Glau­bensbezug erhalten,
weil dieser bezüglich des Wissens zwiespältig sein müsste; denn es drückt einen solchen Bezug
im­­­merhin aus.
18. Damit muss die Argumentation, wie sie nicht in realibus gründen kann, nicht ihr eigenen
Verhältnis betreffen; es müs­sen Ausschlussformeln ausgeschlossen werden. Es ist ohne weiteres
zu sehen, dass bei Ockham auch die Ethik dem Kodex, wie er ihn formuliert, ange­schmol­zen
wird. Man sehe hier die Suppositionslogik, die er selbst hervorhebt. Sie de­legiert ontologische,
mora­li­sche, theolo­gi­sche und kirchenrechtliche Fragen an den Verstand zurück, der selbst
hierin nicht mehr der Seele ver­ant­wortlich ist. Ent­sprechend muss auch die apologetische Auf-
gabestellung geringer werden, die Duns Sco­tus noch frei in sein the­o­re­ti­sches Gebaren und
‘deduktives’ Traktieren übernommen hat.
19. (Der Begriff) species kann also nicht inhaltlich ausgelegt werden, was so nach Art eines
induktiven Beweises be­haup­tet wer­den kann. Duns Scotus hatte ihn dort fundo inhaltlich
und gestaltlich, wo Ockham ihn funktional in re­probativen Beweisen verwendet und implizit
mindert.
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 425

for­ma.20 Die forma ist nicht zugleich nach deren vollständiger Disjunktion in die bei-
den substantia und accidens übertragbar. Diese erhalten (haben) so kein Verhältnis,
das auch als ontolo­gi­­sches zäh­len könnte.21 Diese Ontologie gibt es nicht; auch nicht
für Ockham. Er aber be­nutz­te sei­­ne dies­bezüglichen Be­wei­se um den Scotischen Got-
tesbeweis22 zu inhibieren. Mit Ockham können wir nicht in die Rea­li­tät in se ingre-
dieren. Das gilt für einen jeglichen Beweis und be­stimmt ihn; ein jeder Beweis in
die­sem Umkreis, die Existenz Gottes u. dgl. betreffend oder aber mit der Wi­der­le­gung
von Vorbe­rei­tungen zu einem solchen Beweis befasst, ist dadurch bestimmt, einmal
dass ein Ap­pendix von Be­stimmungen und Begriffen suspen­diert werden muss,23

20. Species bezeichnet die Determinatheit (von Faktoren wie causa, ordo essentialis usw.) im
Sinn einer negativ zu se­hen­den Beziehung, welche einen akzidentellen Akzent hat und die Im-
plikation ersetzt. Species wird funktionell – im Sinn von reprobatio – Ak­zi­den­­talität, so wie das
Omnipotenzprinzip persuasiv sich auf sie bezieht. Der Topos ‘ratio’ setzt die Ak­zi­den­­talität als
extrasubstantial voraus. Er meint intensionale Identität. Ihretwegen wird die Ak­zi­den­­talität in
sich (oder intensional) negativ. Sie nähert sich der Inexistenz an. Damit bezeichnen wir einen
Hintergrund der Wi­derlegung: fiktionale Inexistenz. Sie bezeichnete auch ein Neben- oder Ge-
genstück innerhalb des zahlreiche Wörter oder Be­grif­fe ontologisch ‘drapierenden’ Skotismus.
21. Anders J. Beckmann, 1977, pp. 1-14. Das von ihm auf Johannes Damascenus als Einflus-
squelle zu­rück­ge­führte Sche­­­ma der extrema in Ockhams Explikation des Elementarsatzes be-
gründet keine Logik und keine Me­taphysik, wie es das nach Beckmann soll, weil es für die
Bestimmung der Satzarten induktiv behandelt, variiert und auf­ge­löst wird. Me­taphysik und
Logik verwendet Ockham reflexiv, um reprobativ opiniones, Sätze, Syllogismen zu halten oder
zu ver­wer­­­fen und so etwa dem Meinungsgegner, Kontrahenten und Rivalen entgegenzutreten.
22. In ihm war die Gewissheit und Selbstgewißheit der menschlichen Leistungskraft konzen-
triert und dokumentiert wor­den. Das geht bei Ockham an die Inhibition des Gottesbeweises
über mit der besonderen Note, dass Gott zum ter­mi­nus exclusivus der Welt (secundum legem
communem) wird und der intellectus mittels der Formel ‘de potentia di­vi­na ab­soluta’ die Reich-
weite menschlich-empirischer Begriffe ausschöpfen und ebenso begrenzen kann. Er kann sie
oder on­­­to­logische Bestimmungen und Formeln funktionell ‘de potentia di­vi­na ab­soluta’ auch
negieren. Aber die potentia di­vi­na absoluta kann nicht selbst negiert oder (über Inzidenzien)
begrenzt werden. Sie lägen nicht auf ihrer Stufe. Das gilt selbst für den Widerspruchssatz (Rep.
II, q. 7 OT V lin. 18–22): „dico quod motus inquantum ad suum significatum to­ta­le non potest
esse in instanti etiam per potentiam divinam, quia Deus non potest facere quod duo contra-
dictoria sint vera in eodem instanti. Nunc autem motus formaliter includit multas contradic-
tiones.“ Cf. geistreich Ph. Boehner, 1957 p. XLVI: ‘Gott sei einzig durch den Widerspruchs­satz
gebun­den, wenn denn das bedeute, gebunden zu sein.’ Da­bei zum Widerspruchssatz durchaus
auch in konventioneller Lesart p. XXVI. Der Satz ‘Deus est omnipotens’ ist nach Ockham eine
propositio im­­mediata und für Ockham nur durch wahrscheinliche (persuasive) Argu­mente
abzustüt­zen. Wir kön­­nen diese nicht eigens als empirische per se angeben. Wir hätten da mehr
Wissen als wir haben (können).
23. Cf. Ph. Boehner, 1957 p. XLVII: „Ockham thinks that the beginning of the world in time
cannot be demonstrated.“ Das ist zunächst grundlegend von der Äquivokation zu befreien,
die der Aus­druck cum de­terminatione (in time) hat. Sie hebt den Sinn von Schöpfung oder
426 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

zum an­de­ren, dass unter der fiktiven Vor­aussetzung, dass eine Deduktion existiere,
deren Beweisbarkeit oder Un­be­weis­bar­keit mit mo­da­len Werten kongruieren muss.
In dem Sinn beweisen wir mit Ockham reflexiv in Bezug auf die Be­mühungen des
Duns Scotus, dass Beweise nicht existieren. Entspre­chend haben on­tologische Be­­
griffe einen wohl begrenz­ten Wert, sind aber keineswegs von vornhe­rein untaug­lich
oder erklär­ter­maßen nicht intellektiv. Wohl sind sie nicht intellektiv im Sinne de­mon­
strier­barer unmittelba­rer Sachnähe oder auch nur Sachbezogenheit. Damit werden
sie gleich­wohl auch nicht ver­worfen.24
Wenn Ockham die Frage erörtert25 „an tale ens primum (= Gott) sit praecise
unum sine talium plu­ralitate“, kommt er zu dem Schluss26 „est tantum unum ens
simpliciter primum, quamvis contra pro­tervientes sit difficile hoc probare.“ Wenn es
gegen den Frechling, der eben traditionell rationa­le Gründe verlangt, verteidigt wer-
den soll, bleibt nur eine persuasio oder eine ratio probabi­lis.27 Bei dieser ratio unter-
scheidet Ockham zur Annahme, es gebe nicht bloß einen Gott, sondern zwei, dass sie
entweder hinsichtlich der species sich unterscheiden mögen oder bloß hin­sicht­lich
der Zahl, also per speciem identisch sein könnten. Dabei wird die Unterscheidun­g
(aut specie aut nu­me­ro) von Ockham nicht wirklich beibehalten; darin besagt die di­s­

Erschaffung auf und macht den Ausdruck bedeutungslos. Insofern kann die Er­schaffung der
Welt bewiesen werden darin, dass de­terminatio (die des Begriffs ‘Erschaffung’) und implicatio
gleich sein müs­sen. Es gäbe keine Welt, wenn sie nicht erschaffen wäre. Sie wird gegen die Zeit
erschaffen. Es kann so­mit ge­gen Aristoteles argu­men­­tiert werden, nur nicht damit, dass die
Schöpfung in der Zeit geschehe. Wenn Aristote­les diese Meinung unterstellt wird, wird er un-
aufhebbar im Sinne einer Äquivokation verstanden; das heißt: seine An­sicht ist in­ten­sional in
sich sinnlos. Man könnte gegen ihn eingestellt sein, ihn aber nie widerlegen. In Wahrheit aber
kann man auch mit Ockham nicht indirekt und unter Annahme und Geltung des tertium non
datur gegen ihn bewie­sen haben.
24. Das ist also gänzlich anders als bei Nikolaus von Autrecourt.
25. Ord. d. 2 q. 10 OT II 337 lin. 18.
26. Ib. p. 356 lin. 14–16.
27. Cf. Ib. p. 356 lin 16 – p. 357 lin. 9, angeblich vollständig nach Duns Sco­­tus, wie Ph. Boeh­ner,
1957 p. XLV betont, wenngleich Ed. ib. p. 356 Anm 5 feststellt: „sed nec verba nec forma ar­gu­
menti sunt Scoti“ (laut Scotus, Ordinatio, I, d. 2, p. 1, q. 3, n. 76 (ed. Vaticana, II, 232). Ockhams
Beweis lautet: „Adduco tamen unam rationem istius Doctoris ad istam conclusionem: quia
quando est aliquod commune habens plura contenta, aut illa contenta distinguuntur specie,
aut solo numero, et ita si essent duo dii sic distinguerentur. Sed non specie, quia tunc esset ve­
risimile quod unus deus es­set perfectior alio, et per consequens ille non esset Deus.“ Das ist ein
Wahrscheinlichkeitsgrund. „Si autem distingue­ren­­­­tur solo numero, hoc non videtur probabile,
quia quando sunt plura individua distincta solo numero non videtur in­clu­­dere contradictionem
quin sint plura quam duo, nec potest dari certus numerus talium individuorum, et per conse-
quens posset esse plu­­­res dii quam sint cum non sint infiniti, et per consequens essent plures
quam sint, quia nihil potest esse Deus quin necessario sit Deus.“ Das reicht aber in den Begriff
der species hin­ein. „/§ Haec ratio videtur probabilis, quamvis non demonstret sufficienter. §/“
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 427

tinctio spe­cie den Be­zug­ vom Be­­griff auf die realitas und die species eine Implikation
im Sinne einer Minderung.28 Denn natür­lich kann die Annahme, dass die Individua
nach der species identisch seien, nur auf die Ar­gu­men­tation bezogen sein, nicht auf
die oder eine Sache. Es bedeutet, dass die Argumentation über­all und an jeder Stelle
widerlegend sei.29 Da hier die Widerlegung nur die zuvor vorausgesetzte Beweiskraft
betrifft und für diese Inadäquatheit (so denn erst und intensional ‘Falschheit’) fest-
stellt, kann nicht mehr die significatio in Rede stehen.30 Dabei zeigt sich das Beweisen
Ockhams, hier aber als halb reflexives31 Inhibieren der Sco­­­­ti­schen Beweisprämissen32
als ein nochmalig anderes, das wiederum über die innere Struktur der Re­­­­pro­bation
selbst bestimmt werden kann.33 Jetzt wird das Inhibieren Sco­­ti­scher Beweisprä­mis­sen

28. Neben der „infinitas in actu“, die eine Impossibilitas bedeuten müsste, nimmt Ockham ib.
p. 357 lin. 15–17 an: „non au­tem si poneretur alius processus in infinitum oporteret ponere infi-
nitatem actualem, quia una species posset esset sine alia.“ Hier besteht eine distinctio realis =
distinctio specie. Cf. auch Rep. II, q. 17 OT V p. 391 lin. 17 – p. 392 lin. 3.
29. Argumentationsbezüglich (innerargumentativ) kann bei Ockham zwischen Notwendigkeit
und Kontingenz nie un­ter­schieden werden, und es ist die Leistung und Eigentümlichkeit, dass
er auf dieser Basis der Unentschiedenheit (‘den­noch’) eine Argumentation zustande bringt, die
von der Differenz zwischen Notwendigkeit und Kontingenz nicht Ar­gu­­­­mente empfängt und
vernichtet wird, sondern sie noch aktiv ausschaltet.
30. Auf diese bezieht man sich gewöhnlich, wenn man die Suppositionslogik in antiontologis-
cher Funktion hervor­he­­ben, cf. M. Kaufmann, 1994, U. Eco, Kant und das Schnabeltier (1997)
dt. 2000 p. 467 u. pp. 477–485 u. v. a. und von ihr her Ockhams Philosophie ordnen und be­­
gründen will. Eben­so Ph. Boehner, 1957 p. XXXIV: „The meaning of the term ‘supposit­io’ is in-
timately connected with the term ‘sig­ni­fi­ca­tion’” Die besondere, eigentlich vorrangige Funktion
der Sup­­positi­ons­logik beim Re­pro­bieren ist nicht ge­se­hen wor­den. Cf. dazu Kap. 4 Fides et
scientia.
31. Halb reflexiv heiße es, weil es die Scotische Terminologie selbst nicht aufnimmt und sie so
nicht etwa in Be­zug auf den angängigen terminologischen Gehalt oder aber die Möglichkeit
sachlicher Erfüllung reflektiert, besser: be­stimmt.
32. Da Duns Scotus prinzipiell oder wenigstens implizit mit den Beweisprämissen (deren ‘ge-
eigneter’ Aufstellung) den Beweis geleistet wähnt, die Beweisleistung also suggeriert, muss,
wenn Ockham sich gegen diese Prämissen wendet und sie widerlegt, eben jene Implikation, die
bei Duns Scotus eingeschlossen ist, auch entfallen oder ‘widerlegt’ sein. Das bedeutet aber, dass
die Implikation suspendiert ist, ja womöglich refutiert erscheinen muss: Ihr Einsatz erscheint
in­­­­definit = mit der Definitheit der Begriffe in den Aussagen und der der Aussagen nicht ver-
einbar. So lässt sich be­haupten, dass das Beweisen, wenigstens dem Thema gemäß im Gottes-
beweis auf einem anderen Wege gesucht müsse. Es ist danach auch wenigstens oder notwendig
das (‘dasjenige’) reflexive Beweisen (alias Reprobieren) gesichert, das Ockham vornimmt und
das, wie hiermit zugleich induktiv sich bestätigt, qua ‘Negation’ der Implikation.
33. Wir hatten hier drei Etappen des ‘Beweisens’ bei Ockham, das in der ersten Etappe Ermit-
teln von Begriffen (der no­­ti­tiae und der Begriffs- und Satzstrukturen) war, wie es in Sonderheit
im Prol. Ord. sich zeigt. Hier ist die repro­ba­tio Ausschaltung der in sich womöglich diffusen
428 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

in re­pro­bativer Form zur Negation eines unbegrenzten (oder unabsehbaren) Verlaufs


in die Re­­a­lität hin­ein und als dessen Sistierung ausgesprochen.34 Dabei ordnen sich
fiktiv Gegenstände (res) nicht mehr als solche, die in einer nicht abbrechenden Reihe
‘angeordnet’ sein könnten. Das drückt Ock­ham unter einem in sich negativen Ge-
brauch der ontologischen Begriffe aus, die er da­­bei nicht mehr als real geschöpfte oder
extensional einlösbare, i.e. wenigstens realiter nicht per se be­streit­ba­re35 ansetzt, son-
dern wesentlich nach der bloßen Dichotomie von substantia und acci­dens für ex­hau­
s­tive Beweise (Refutationen) einsetzt.36 Dabei kann Ockham intensional zurückwei­
sen, was er quasi metaphysisch zugestehen kann, zum Beispiel:37 „esse … naturaliter

oder ungeordnet vielgestaltigen Wirklichkeit zugunsten der ratio der in­ten­­sionalen Grö­ßen
oder antiontologischen Faktoren. Sodann hatte Ockham auf dem Gebiet der Auseinanderset­
zung von fides und scientia die Ontologie an der Empirie revidiert und ihren Bezug zur Ab-
straktion, soweit es um theologi­sche Sätze ging, die die divina essentia betrafen reduziert; so
gesehen konnten Ontologie und ‘Metaphysik’ nicht mehr gleich (äquivalent) sein. Das hatte
Duns Scotus über die Beweismethode zu sichern oder herzustellen versucht; Ock­ham aber
bezog sich hier, in der Auslegung der Sätze zur divina essentia und dem Verhältnis der drei
Personen (Re­lat­i­onen) auf die (weitgehend, inclusive des Begriffs der causa) ontologisch ge-
schöpften Explikationsmodi. Dass das De­duk­tionsverfahren des Duns Scotus nicht Bestand
haben könne, erhellt bereits aus den Erörterungen des Ord. Prol. Nun aber gibt es noch eine
dritte, die Scotische Beweisvorbereitungen betreffende Widerlegungsart.
34. Duns Scotus selbst muss gleichsam unterstellen, dass Ontologie und Logik äquivalent sei-
en. Das steht in Diskrepanz zu seiner methodischen Ausrichtung auf die Metaphysik, bei der
er (die) Logik ‘nur’ in Dienst nehmen will, indes doch wahrscheinlich im gediegenen und aus-
gesucht scharfsinnigen Beweis einen gleichsam auch metaphysischen Ga­ran­ten der Erkenntnis
und/oder der Wahrheit besitzen möchte. Doch zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass seine Aus­
füh­run­­gen beweisintern stark zum vorgreiflichen Kaptivieren des Beweises selbst tendieren.
Dem begegnet Ockham un­beirrbar und eben mit der Ersetzung dessen was bei Duns Scotus
unter multiplen Formen scheinbar als Beweisen gilt.
35. Wobei sie bei Ockham diesbezüglich die Vermittlung von Begriffen nach Inhalten (als In-
halte) an die Realität be­trof­­fen hatten und dabei widerlegend eingesetzt worden waren: es gab
für sie keine Definitheit oder Konstatierung der sig­ni­ficatio, also Realwertigkeit. Die ontologi-
schen Begriffe bleiben dabei unangetastet.
36. Jetzt werden die ontologischen Begriffe wie die Scotische Beweisprämisse als falsum oder
simpliciter falsum heraus­ge­stellt werden soll, negativ. Sie determinieren diese negativ; zugleich
muss danach noch einmal das Verhältnis von sub­­­stan­tia und accidens als im Sinn der Implika-
tion unausdrückbar herausgestellt; das Verhältnis von substantia und ac­ci­dens kann auch nicht
innerhalb der Reprobation als eine sachlich, extensional,. extramental, intensional die Basis der
Re­­probation stiftende angesehen werden. Mit der negativen Bedeutung werden die ontologi-
schen Begriffe nicht als faktisch irreal dargestellt; aber es wird gezeigt, dass die Explikationen
(Prämissen, Regeln) des Duns Scotus es seien, die Ockham kritisieren und aufheben will. Sie
werden dann nicht mehr nur emendiert.
37. Ord. d. 3 q. 8 OT II p. 539 lin. 15 – p. 540 lin. 5.
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 429

at­tin­gibile non praedicaretur primo de illo ente quod est illud obiectum adaequatum
(intellectus)“, wie­­wohl er dem Duns Scotus, gegen den die Feststellung sich richtet,
zugibt: „omne ens est illud ad cu­ius intel­lectionem intellectus naturaliter ordinatur.“38
Die ‘Metaphysik’, sogar „‘wahre Meta­phy­­­sik’“ wür­de ‘logisch’ aufgehoben werden
können, i.e. im Sinne einer Induktion.39 Zwischen der realen Er­schei­­­­nung, von der
der intellectus in Bewegung gesetzt wird40 und dem allgemeinen Be­griff, der der Ge-
genstand des intellectus ist, steht die Abstraktion. Von ihr aus gibt es keinen Weg und
keine Mitkenntnis (alles) dessen, was mit dem abstractum verbunden sein könnte, sei
es dass wir dieses da­­­ran gewonnen hätten, sei es dass wir es nur damit verbinden, so
wie wir sensuali­ter die einzelne Farbe mit dem Begriff Farbe überhaupt ‘verbinden’. So
gesehen macht die Ontolo­gie keinen Sinn und Metaphysik als implizite Wissenschaft
auch nicht. Der Begriff, eben auch der reflexive, ist ein abstractum im Verstande.41

38. Es darf hier nicht verkannt werden, dass der modale Ausdruck, das ‘ens’ betreffend, bezüg-
lich der Gewinnung der Begriffe oder des obiectum adaequatum cognitionis ausgesprochen
wird und hier eine Implikation ausspricht, eben jene, die wir mit der Negation einer Implika-
tion verbinden, nämlich, dass von einer Erkenntnis zu einander anderen, bzw. dem einen was
unter sie gefasst wird zu einem anderen ebenso unter sie gefassten übergangen werden könne;
so eben kann im Sinn der Abstraktion dann nicht gefolgert werden. Cf. ib. p. 539 lin. 22 – p. 540
lin. 2. Für Ockham ist aber auch ens als Begriff dasjenige, was Ord. d. 2 q. 9 OT II p. 306
lin. 15 „quibuscumque exsistentibus quomodo­cum­­que ex­tra animam“ als „aliquid commune
univocum“ zukommt. Dass dieses „aliquid commune univocum“ ein con­cep­tus sein müsse,
wird induktiv beweisen (persuadiert) ib. p. 317 lin. 15 – p. 318 lin. 4; dabei wird auch exhaustiv
darge­tan, dass es ein conceptus simplex communis sein müsse. Dabei ist die ratio, mittels deren
die persuasio durchge­führt wird, (cf. ib. lin. 15–18) diejenige „quae est realiter ratio negantium
univocationem ad differentias ultimas – quia cer­tum est quod differentiae ultimae aliquo modo
cognoscuntur a nobis.“ Ockham bestreitet die Ansicht des Duns Sco­­tus (cf. p. 298 lin. 11–13)
„quod ens aliquibus est commune univocum et non omnibus /§ exsistentibus §/ a parte rei.“
Doch Duns Sco­tus müss­­te ‘über’ diesen eliminierten realia deduktiv operieren, freilich auch in
ihrem Sinn Gel­tung be­an­spru­chen, et­wa wenn er nach Ockham ib. p. 299 lin. 16–18 mit dem
‘conceptus simplex proprius unius obiecti’ das ‘essentielle’ oder virtuelle Enthaltensein des ‘con-
ceptus simplex proprius alterius obiecti’ verbindet. Zu des Duns Scotus eigener An­­sicht s. hier
ib. p. 294 lin. 25 – p. 295 lin. 6. Cf. Kap. 1 Das Verhält­nis der Begriffe bei Ockham.
39. Metaphysik und Logik müssen Widersprüche werden (können). Anders J. Beckmann, 1977.
Die wahre Bestimmung unserer Vermögen (potentia) schließt nicht aus, dass was der falschen
widerspricht, eintrete: cf. Ord. d. 3 q. 8 OT II p. 538 lin. 21 – p. 539 lin. 11. Es kann also aus der
wahren Bestimmung nichts oder nichts ebenso – vollständig – Wahres gefolgert werden. D. h.
es gibt keine vorab relevante Verbindung zwischen Bestimmung und Faktum, welche die In-
duktion gänzlich entbehrlich machen könnte. Erfahrung inclusive ‘Abstraktion’ erbringt nicht
Logik + Ontologie. Cf. auch ib. p. 532 lin. 8–14.
40. Cf. ib. p. 540 lin. 6f: „obiectum motivum intellectus est praecise singulare“.
41. Ockham antwortet auf alle dubia, welche mit einer Gegenvorstellung ex parte rei operie-
ren, allein im Sin­­ne von Ab­strak­tion und Induktion; d. h. er nimmt gar nicht an, dass i n re
die Qualitäten existieren und vor­ge­prägt sein könn­ten, die mit den Akten im Verstande von
430 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Keine Maxime, die implizit eine species erklären soll (müsste), kann vor der Ver-
nunft bestehen; aber jede argumentative Entwicklung (Erörterung) geht explizit auf
eine species, die den negativen Betrag, die Intension des Begriffs, der eine Größe sein
soll, angibt. Darin erlangt diese Determinat­heit.42 In allem wird vor jedem geschicht-
lichem Weitergang in die Neuzeit hinein eine Struktur an­ge­­ge­ben, in der Logik und
Nicht-Logik (Empirie) sich durchdringen. Species ist dabei ein sehr all­ge­­mei­ner Be-
griff;43 er hat eine Funktion und einen Inhalt. Beide verschränken sich beim Bewei­
sen. Ockham kann mit dem Verhältnis von substantia und accidens die Kontingenz
ausdrücken und die Wahrheit negieren, den Wahrheitsbegriff einklammern.44

ihm verbunden werden. So werden genus und species von den universa­lia prä­di­ziert, ohne in
se eine Eigenschaft secundum rem zu besitzen; sie werden also secundum rem und in re nicht
un­ter­schie­den werden können. Umgekehrt kann der habitus bloß actus hervorbringen, keine
Ge­gen­stän­de, cf. Ord. d. 2 q. 8 OT II p. 281 lin. 16–18: „Non sic au­tem (intellectus) mediante
habitu potest facere corpo­ra extra in esse convenienti sibi, quia esse sibi conveni­ens est esse re-
ale.“ Das esse reale kann kein im­ma­nen­­tes Element der Argumentation wer­den. Die Satz- und
Beweiselemente (letztlich Begriffe) haben keine distinkte Bedeu­tung und Exis­tenz. Cf. p. 273
lin. 19–22: „proposi­ti­ones, syllogismi et huiusmodi, de quibus est lo­gi­ca, non ha­bent esse sub-
iectivum, igitur tantum habent esse ob­­­iec­ti­vum, ita quod eorum esse est eorum cognos­ci, igitur
sunt talia entia habentia tantum esse obiectivum.“
42. Es wird also nicht von einer species her, sondern auf eine hin argumentiert; das schließt
ein, dass Ockham empiri­sche Erläuterungsgründe oder wenigstens Vergleichbeispiele benut-
zen muss. Er tut das ja weidlich auch bei den rein theolo­gi­schen Problemen der Vereinigung
von menschlicher und göttlicher Natur in Jesus Christus, bezüglich des Be­griffs der unio, unire,
uniri usw. Hier ist das allgemeine Verfahren dies, dass vom Begriff als Thema ein Prozess zum
Be­griff als species abläuft. Die Logik bedeutet hier, dass alle jeweilig oder insgesamt benutzten
Argumente zusammen den (ei­nen) argumentativen Grund haben können, in dieser Weise eine
species gewonnen wird.
43. Die allgemeinen Begriffe (mit katalogisierender Funktion) ‘begleiten’ immer die Wahrneh-
mung der res singularis: es gibt also keine Sekundärbildung nach dieser ‘primären’ Wahrneh-
mung, auch nicht für die höheren reflexiven Begriffe wie habitus, species, essentia rei praesen-
tis, etc. cf. Ord. d. 3 q. 5 OT II p. 452 lin. 17 – p. 453 lin. 7. NB. Wenn Duns Sco­­tus unter Berufung
auf Aristoteles, Metaphysik cap. VIII erklärt, dass (cf. Ord. d. 2 q. 10 OT II p. 341 lin. 16) „spe­ci­es
se ha­bent sicut numeri“, antwortet Ockham, dass dieses Argument von Duns Scotus nicht so
falsch aufgefasst sei wie an­deres, aber (p. 354 lin. 5–7) „tamen oporteret probare quod omnes
formae se habent sicut numeri, ita scilicet quod sem­per una esset perfectior et alia imperfectior,
quod non est sufficienter probatum.“ Duns Scotus will auch (cf. ib. p. 342 lin. 8–16) den Be­griff
der Abhängigkeit aufgehoben sehen, wenn zwei Götter (necesse esse) die Welt termi­nier­ten.
Von dieser Maxime sagt Ockham (ib. p. 354 lin. 13): „non est universaliter vera.“ Damit ist sie
logisch nicht wahr und illogisch.
44. Duns Scotus vereinigt über den Begriff (als intensionalen Akt) hinaus Begriffe, i.e. in einer
Allgemeinheit und Not­wen­dig­keit, die ihnen dann ex parte rei zukommen soll; diese kann
Ockham vermöge des Begriffsstandpunkt widerle­gen. Damit kommt der Syllogismus jedem
anderen Beweistypus nahe. Wo Ockham für die Begriffe und ‘über’ ihnen beweist, ist immer
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 431

Auch in der Erörterung der Natur alias Bestimmung der Begriffe in mente (ani-
ma) setzt Ockham die Ontologie mit negativer Beweiswertigkeit und daher nicht
selbst legitimierbar ein; die Ontolo­gie kann daher zur Genesis des Begriffs aus der
Natur oder auch Sinnlichkeit nicht dienen. Es gibt so gesehen keine primäre Legiti-
mation der Ontologie wie sie selbst keiner primären Legitimation die­­nen kann.45 In
dem Sinn geht sie in Ockhams Beweistechniken ein.
Nach Ockham46 ist der Begriff als fictum oder obiectivum esse keine quali­tas
oder ein acci­dens in­formans animam: „faciam aliqua argumenta ad probandum quod
est aliquid habens tan­­­tum esse ob­iec­tivum sine esse subiectivo. Hoc primo patet, quia
secundum philosophos ens primaria divisi­o­ne di­­viditur in ens in ani­ma et ens extra
animam, et ens extra animam dividi­tur in decem praedica­men­ta. Tunc quae­ro, quo-
modo hic ens in anima: aut pro illo quod tan­tum habet esse obiectivum, et ha­be­tur
propositum; aut pro il­lo quod habet esse sub­iectivum, et hoc non est possibile, quia il-
lud quod habet esse subiectivum in anima conti­ne­­tur sub ente quod praecise dividitur
in decem praedi­ca­men­ta, quia sub qualitate. Intellectio enim, et uni­ver­sali­ter omne
ac­ci­dens infor­mans animam, est vera qualitas sicut calor vel albedo, et ita non conti-
netur sub illo mem­bro quod dividitur contra ens quod dividitur in decem praedica-
menta.“ Qualitas bezeichnet für Ockham einen abstrakten Ge­halt, das accidens keine
Realität in se, es hat sie nicht. Gott kann substantia und accidens trennen, se­cun­dum
po­­tenti­am suam absolu­tam supranaturaliter loquendo. Qualitas ist bei diesem Indukti­
ons­schluss ne­ga­tiv be­stimmt. Der Eintritt des conceptus in die Seele wird nicht re-
flektiert. Der con­cep­tus wird wahrhaft in anima fingiert (gebil­det). Zum conceptus
als qualitas geht Ockham spä­ter ver­suchs­wei­se über.47 Dabei wird die qualitas nicht
mehr genetisch und negativ begrenzt:48 „Nec ta­lia ar­­gu­menta valent contra istam
opi­ni­onem quod qualitas non praedicatur de substantia, et unum prae­­di­ca­men­tum
re­movetur ab omni contento sub alio praedicamento; nam tales replicae, et multae
aliae quae possent ad­duci veri­ta­­tem habent quando termini sup­po­nunt personaliter,
si­cut haec est ve­­ra ‘substantia non est qualitas’, si termini supponant personaliter; et
tamen si subiectum supponat simpliciter et praedicatum perso­na­liter ipsa est con­ce­
den­­da secundum is­tam opinionem. Et ita mul­ta talia contra opini­o­nem non va­lent.“

auch der Syllogismus eingeschlossen, einmal weil er aus in der Erörterung betroffenen Begriffe
ge­bil­det werden kann und zum anderen, das Denken so betreffend, dass dessen Einschränkun-
gen reflexiv mitbetroffen sind, nämlich so, dass Maior und Minor erst persuasiv gesichert (ge-
wonnen) wurden. Duns Scotus hat den Syllo­gis­­­mus (wenigstens einmal) anders erklärt: durch
die Widerspruchsfreiheit der Begriffe des medium. Es fragt sich, ob er das vor­­her beweisen will
oder einmal hypothetisch und ad hoc unterstellen will.
45. Damit kann die Ontologie nie Definitheit besagen.
46. Ord. d. 1 q. 8 OT II p. 273 lin. 1–14.
47. P. 289 lin. 11 – p. 292 lin. 2.
48. Ib. p. 290 lin. 23 – p. 291 lin. 6.
432 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Danach ist der onto­lo­gi­­sche Grundsatz ‘substantia non est qua­­­litas’ suppositionslogisch
zu halten; Onto­lo­gie und Sup­po­si­ti­ons­lo­gik sind also für Ockham nicht gegensätz-
lich.49 Der ontologische Satz ­wird sup­po­sitionslogisch in Bezug auf diese opi­nio nicht
wi­der­­legt und somit insoweit auch nicht die opinio durch den ontologischen Satz; alles
ist also kompa­ti­bel miteinander, mehr nicht. Eine Konsistenz kann nicht erwiesen
wer­den. Dass die On­­­tologie nicht die Genese der actus ani­­mae aus der Na­tu­ralität
besagen oder fingie­ren kann, wird aus Ockhams ‘Beweisen’ klar und ebenso aus der
Lehre von den notitiae. Auch hier ist aber die On­­tologie nicht ausge­schlos­­­sen.50 Die
Ontologie kann zu Generation und Genesis nichts sagen.51 In derselben Wei­se konn-
te sie für die spätere wissenschaftliche Erkenntnis der Welt nichts tun. Bei Ockham
wird sie mit jener Argumentation und als Suppositionslogik konzipierten ‘Logik’ ver­
bun­den, die nicht mehr die Notwendigkeit eruiert oder voraussetzt, sondern mit der

49. Anders H. Blumenberg, 1966. Es kann logisch nicht einmal behauptet werden, dass die
Sup­po­si­ti­ons­lo­gik die Onto­lo­­­gie ersetzt habe. Ockham filtriert u. a. die Onto­lo­gie sup­po­si­ti­ons­
lo­gisch. Er lehrt sie nicht mehr expli­zit, er verwen­det sie bei der ‘Projektion’ von Termini in
Richtung auf die Realität. Er schöpft die Termini aus Aris­toteles und ver­steht dessen Maximen
als beweistaugliche Worterklärungen zu inkonsistenten oder in­kom­patiblen Zu­sät­zen (oder fal­
schen Annahmen) in nach Ock­ham ele­men­taren Sätzen z. B. der sacra theologia. Er widerlegt
die determinationes.
50. Dass dabei die Genesis des Begriffs aus der Na­tu­ralität ein verstecktes Thema bei Ockham
ist, macht seine Be­­mer­kung deutlich, dass die qualitas (also der Be­griff als qualitas) auch nach
der intellectio angesetzt werden könne. Das veranschlagt er als eigene opinio zur Natur oder
Bestimmung, die er dabei eine Variante der opinio an­­sieht, nach der der conceptus subiectivum
esse sei oder habe (ib. p. 291 lin. 7–15): „Verumtamen ista opinio pos­set diversimode po­­­­ni: uno
modo quod ista qualitas exsistens subiecti­ve in anima esset ipsamet intellec­tio … Aliter posset
poni quod is­ta qua­li­tas esset aliquid aliud ab intellectione et posterius ipsa intellectione. Et tunc
pos­­set responderi ad motiva pro opini­o­ne illa de fictis in esse sicut tactum est alibi, ubi magis ex-
pressi istam opi­ni­­onem de intentione animae seu conceptu, po­nen­do quod sit qualitas mentis.“
Ockham Expositio in librum Perihermeneias Aristotelis § 6 OP I p. 351 nennt ‘actus intel­li­gen­di’
als seine Vor­­zugsdeutung des Be­griffs, wenn er als qualitas ein subiec­ti­vum esse hat. Über die
Na­tur des Be­griffs als sub­iectivum esse Opera Philosophica: „opinio probabilior inter opiniones
ponen­tes con­ceptus esse quali­tates: pas­sio ani­mae est ipse actus intelligendi.“ Die opinio wird
dort dem Duns Scotus mit dem Text­zi­­tat „verbum est ipse actus in­tel­li­gen­di“ zugeschrieben.
51. Dabei ist der Topos informatio animae generalisierbar. Auch die gratia ist nach Rep. IV,
q. 10–11 OT VII p. 213 lin. 8f ei­­ne „qualitas absoluta informans ani­mam“, wobei einmal die
gratia dem Begriff nach und (ib. lin. 12) mit­­tels des Öko­nomie­prinzips von vielen Auslegungen
freigehalten wird, die alle weder durch (ib. lin. 15) „auc­to­­ritas nec ra­tio nec ex­pe­­rientia“, den
Adjuvantien des Ökonomie­prinzips, legitimiert würden. Hier ist es die ei­ne grata, die Ockham
ge­gen Thomas nicht von der caritas unterscheidet, die „cum fide et spe“ „sufficit ad me­ri­­­torie
operan­dum.“ Da­ne­ben steht (ib. p. 215 lin. 14–21) das Sakrament, das den Menschen von Schuld
und Stra­fe be­­freit. Letztere (ib. p. 215 lin. 15f), die „ex pactione divina aliquid efficit“ in ani-
ma,“ beruht auf Got­tes Wil­len, wo­­­rin dem Menschen ke­i­ne caritas se­cundum se erteilt wird.
Ockham lässt jede genuin geschichtliche Di­men­­sion außer Betracht.
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 433

Kon­­­­­tingenz zu tun hat.52 Wenn hier auf die Impossibilität erkannt oder geschlossen
wird, ist immer auch klar, dass zur Kontingenz, wie sie für Weltverhältnisse angesetzt
wird, nichts eruiert werden kann.53 Hier er­for­schen wir nichts, und wo wir nichts
erforschen, stellt sich dieses Bild von der Im­possibilität ein. Man sollte es nicht dog-
matisch machen; es kann nicht logisch sein und begründet wer­den. Hier ist die Lehre
des Nikolaus von Autrecourt ohne Rückhalt.54 Denn die Akte des Den­kens müssen

52. Diese ‘Kontingenz’ ist zum Losungswort einer die Neuzeit exegetisch behandelnden Ge-
schichtsschreibung ge­wor­den. Sie knüpft für den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit häufig
an Ockham an, aber nicht immer. K. Löwith, 1956 unterstellt, dass die Existenz- und Befind-
lichkeitskrise des moder­nen Menschen nicht geschichtlich und nicht po­li­tisch bewirkt wor-
den sei, sondern durch die umwälzenden wis­sen­­schaft­li­chen Entdec­kun­gen am Anfang der
Neu­zeit. Durch sie erschreckt befinde sich der Mensch nun in un­auf­­heb­­barer Wahr­neh­mung
seiner Kon­tin­genz in der Welt. So­mit musste längst gewirkt und sich durchgesetzt ha­ben, was
H. Blu­­men­berg, 1966, 1979, 1986 sukzes­si­v und mit ge­wan­­del­ten Ge­sichtspunkten erst noch zu
be­ar­beiten und uns anzueignen uns empfahl. Ockham zeig­te ante festum, dass die Kontingenz,
wenn sie für die Welt bzw. unser Verhältnis zur lex communis angenom­men werden kann, in
die Sub­jektivität einwandern könne oder müsse. Die Notwendig­keit ge­staltet sich neben der
Kontingenz in der Form der Be­­­wei­­se aus; dabei muss auch die Suppositionslo­gik mit kontin­
gen­ten Fakten arbeiten. Sie hat hier ihre Be­weis­funk­ti­on, cf. Ord. d. 2 q. 10 OT II p.344 lin. 8f:
„sub­iec­tum contin­gen­ter supponit pro illo pro quo sup­ponit.“ Das gilt immer. Cf. Rep. III, q. 1
OT VI p. 30 lin. 23 – p. 31 lin. 7: „Dico tamen quod licet haec est vera in cre­a­tu­ris ‘humanitas est
ho­mo’, tamen non est necessaria, sed contin­gens.“ Für die göttliche Person würde sie nicht gel­
ten. „Et ideo licet nunc de facto sit propositio vera, – quan­do sus­tentifica­tur in persona creata –,
tamen potest esse falsa,“ wenn hu­manitas für Chris­tus sup­po­nit, „et ideo est con­tin­gens.“ Auch
Duns Scotus thematisiert die Kontingenz, baut sie aber nicht beweistheore­tisch ein. Der Ein­
bau be­dingt, dass über Begriffe operiert wird und nicht über deren Ausle­gung secundum rem
und im Zei­chen von Allge­mein­­­heit und Notwendigkeit; sie werden nicht analytisch aus­gelegt.
53. Das wird exemplarisch deutlich, wenn Ockham beim Gottesbeweis, den er für Duns Scotus
verbessern will, vom pro­cessus in infinitum zum infinitum actuale übergeht. Cf. Ord. d. 2 q. 10
OT II p. 355 lin. 23 – p. 356 lin. 1 und p. 356 lin. 9–14: „Et ideo quamvis posset poni processus in
infinitum in producentibus sine infinitate actuali, non tamen potest po­ni processus in infini-
tum in conservantibus sine infinitate actuali.“
54. Sei es bei Ockham sei es überhaupt. Das gilt trotz der generellen Anlage von Ockhams
Denken. Wenngleich er für einen Verstand beweist, der der Naturalität im Einzelnen und für
alles Einzelne fern­steht, bleibt eine Obligation an die Naturalität insgesamt bestehen: beim ha-
bitus z. B., dessen Erwerb für natürli­che und irdi­sche Verhält­nis­se an den Kör­­­per gebunden
ist; denn wir erwerben die Begriffe und alle Akte über­haupt aus der sinnlichen Erfah­rung und
zudem unter Einsatz unserer körperlichen Kraft muss nicht für die anima separata bestehen
bleiben. Hier sagt Ockham, wir können die gegenteilige Ansicht nicht beweisen, weil wir kei­­ne
Er­fahrung haben. Er trennt nicht, wie Ed. OT VII p. 282 Anm. 2 probare und per experientiam;
er sagt viel­mehr ib. = Rep. IV q. 14 OT VII p. 282 lin. 3f: „non potest evi­den­ter proba­ri nisi per
experientiam“, was nahezu das Ge­genteil des von den Ed. Behaupteten ist. Gleichlautend p. 281
lin. 3f. Doch reicht zur gegenteiligen Mei­nung (ib. p. 282 lin. 9): „potest tamen probabiliter
dici“, dass eben der in­tel­lectus (ib. lin. 15) „ponitur causa suf­fi­ciens ge­ne­­ra­tiva tam actus quam
434 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

un­te­r­ein­ander und bezüglich oder vermöge ihres Verhältnisses zueinander bestimmt


werden, nicht ab­so­­­lut und ohne direkten Bezug auf das oder die Vermögen.55 So kann
im Sinn der Absolutheit auch das Omnipotenzprinzip modifizie­rend eintreten oder
ein suppo­si­tionslogischer Vor­­­halt im Sin­ne der kausalgenetischen Begründung sus­
pen­dierend ‘greifen’.56
Das gilt dann auch bei Ockhams Ausführungen zu den „causis essentialiter et ac-
cidentaliter or­di­­na­­tis“ im Rahmen seiner Erörterung des (Scotischen) Gottesbeweises.
Hier muss sich der Begriff ‘causa’ als per se unbegründbar erweisen. Denn wäre er
begründbar, müsste er mit allem gleich sein was logisch begründbar ist und Logik.57

habitus.“ In der Weise würden auch die habi­tus der anima se­pa­rata im reinen Intellekt er­wor­ben
werden. Für uns aber hat Gott die Bindung an „conditiones cor­po­ra­les“ angeord­net (ib. p. 283
lin. 3f) „forte hoc propter pec­catum primum“ So gilt zweierlei (p. 281 lin. 15f): „Sed ha­bi­tus ad­
qui­siti in cor­­­­­pore com­po­sito, habitus dico intellectuales, causantur mediante dispositione, sicut
et actus.“ Die Ähnlich­keit der ir­di­­schen und der postirdischen Verhältnisse bezüglich der rei-
nen Intellektualität des intellectus und somit des habitus und des actus (cf. ib. p. 290 lin. 9–12)
mag Ockham dazu bringen, zuzugestehen (ib. p. 285 lin. 19f): „quod ipsa (= ani­ma separata)
potest uti habitu prius adquisito in corpore et remanente in anima separata.“ Kir­chenvä­ter­­mei­
nun­gen (cf. p. 282 lin. 18–21) stützen diese Auslegung. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass
die notitia ab­strac­tiva und die aus Be­grif­fen gebildeten complexa nicht in dem Sinne erkennbar
sind, d. h. nicht der no­titia intuitiva und der allein auf die­ser fußenden recordatio unterliegen.
Das sagt auch Duns Sco­tus (cf. ib. p. 287 lin. 13 – p. 289 lin. 16).
55. Wenn Ockham (Ord. d. 2. q. 8 OT II Utrum universale univocum sit aliquid reale exsistens
alicubi subiective p. 273 lin. 19–22) bei der Bestimmung der Verstandesakte, nicht nur des Be-
griffs, sondern auch der „propositi­o­nes, syl­logismi et huiusmodi, de quibus est logica“, sagt
„non habent esse subiectivum, igi­tur tantum habent es­se ob­iec­tivum, ita quod eorum esse est
eorum cognosci“, bleibt der auf sie gerichtete actus in­telligendi frei. Ockham schließt noch­mals
und be­kräftigt: „igitur sunt talia entia habentia tantum esse obiec­ti­vum.“
56. Cf. Rep. IV q. 14 OT VII p. 309 lin. 15 – p. 310 lin. 2: „dico quod naturaliter loquendo actus
recordandi necessario prae­sup­­po­nit actum recordantis, licet aliter fieri possit per potentiam
divinam, quia actus recordandi est respectu ac­tus re­cor­dan­tis praeteriti, sicut obiecti partialis.
Et ideo actus recordandi non potest naturaliter esse simpliciter pri­­mus ac­tus.“ Zu den suppo­si­
tionslogischen Vorbehalten s. o. zur natura conceptus.
57. Dass Gott (Rep. II, q. 3–4 OT V p. 72 lin. 18–20) „non agit in qualibet actione secundum
totam potentiam suam“ gilt, weil Gott die causae secundae mitwirken lässt. Es gilt aber ib.
lin. 18f. „Ipse (= Deus) est causa imme­di­a­ta om­nium quan­­do agit cum causis secundis sicut
quando agit sine aliis“ (statt aillis). Und ib. lin. 3–6: „dico quod licet Deus agat me­diantibus
causis secundis vel magis cum eis, non dicitur Deus mediate agere, nec secun­dae cau­­sae frustra,
cum sit agens voluntarium, non necessarium.“ Um mit den secundae causae angeglichen zu
han­deln, müsste Gott mecha­nis­tisch zwangsläufig handeln. Er wäre zugleich nicht Gott. Der
Begriff Gottes als eines überweltlichen Gottes verlangt, dass die Welt nicht Teil Gottes sei und
Gott nicht Teil der Welt; es bedingt, dass von Gott und Welt verschiedene Sätze gel­ten, die nicht
aufeinander übertragbar sind (und daher aliquomodo iden­­tisch wären, wofür es keinen Begriff,
kein Maß und keinen Grund gibt) und wenn nicht die Begriffe verschie­den sind, die in ih­nen
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 435

Es bedeutet zugleich, dass wir Gott weder aus per se (we­­sentlich) noch aus per acci-
dens (beiläufig) geordneten Ursachen beweisen werden können, da bei­de Ordnungen
ebenso wie die causa per se und die causa per accidens in der Welt eine begründ­ba­­re
dependentia nicht hergeben.58 Dabei kann die Suppositionslogik als Ausdruck nicht
an­gän­gi­ger Auslegungen von Sätzen auftreten,59 wo die Begriffe respektive subiec-
tum und praedi­ca­tum in diesen Sätzen selbst nicht als mit ihrer Struktur gleichnamig

gebraucht werden, was nicht an­ders sein kann, müssen gewisse Argumente exi­s­tie­ren, die sie
und die Sätze trennen. Es muss also unbedingt argu­men­tiert wer­­den. Gäbe es eine Differenz
zwischen dem begründbaren Kausalbegriff (oder Verursachungsarten) und an­de­­ren ebenso
begründbaren Begriffen der Welterklärung, so müsste deren Verhältnis definit die Logik sein
(und die cau­­­sa ausschließen/ausschalten) oder diese anderen Begriffe wären nicht vermittelbar
und dann nicht determinat.
58. Duns Scotus gebraucht dependentia als determinatio unius termini sive conceptus vel pro-
positionis, um zu beweisen, dass nur ein Gott sein könne. Ockham zitiert Duns Scotus Ord. d. 2
q. 10 OT II p. 342 lin. 8–16: „nulla duo terminantia possunt terminare totaliter dependentiam
alicuius unius et eiusdem, quia tunc illud terminaret dependentiam quo sub­trac­­to nihil minus
terminaretur illa dependentia, et ita non esset dependentia ad illud. Sed ad efficiens et eminens et
ad fi­­nem dependent alia essentialiter. Igitur nullae duae naturae possunt esse primo terminantia
alia entia secundum istam triplicem dependentiam praecise. Igitur est aliqua una natura termi-
nans entia secundum illam triplicem dependentiam, et ita habens istam triplicem primitatem.“
Duns Scotus führt einen ähnlichen Beweis (cf. ib. p. 341 lin. 20 – p. 342 lin. 6) ohne den terminus
dependentia zu verwenden. Ockham (p. 354 lin. 8–14) fasst sie beide als einander ähnliche (und
ähn­­lich mit weiteren) zusammen, reduziert sie bei­de auf den Terminus dependentia und mehr
noch auf den einen Satz (ib. lin. 12f) „nulla duo possunt esse totaliter terminantia dependentia
alicu­i­us unius“, den er (ib. lin. 11f) „una proposi­tio, quae accipitur in istis duabus rationibus“
nennt (obwohl er nur in dem einen wirklich und wörtlich vorkommt) und lehnt diesen Satz
(und damit die Bewei­se) ab (ib. lin. 13f): „non est universaliter vera, sicut alias ostendetur, et
ideo transeo modo.“ Die­se (ib. lin. 8–11) „du­ae rationes, et similiter aliquae aliae quas in alio
loco (Duns Scotus) facit ad pro­­bandum unita­tem Dei sunt pro­babiles, quamvis pos­set aliquis
contra eas protervire, quas protervias difficile esset im­probare.“ Die proterviae könnten also
der improbatio der Scotischen rationes nahestehen. Die Editoren verweisen hier­zu auf Rep. III,
q. 1 OT VI p. 36 lin. 20 – p. 38 lin. 2. Hier aber, im Bereich der Erörterungen der Trinität, lehnt
Ock­­ham lediglich den terminus dependentia als determinatio der natura ab (p. 37 lin. 25 – p. 38
lin. 2): „Personalitas au­tem ultra naturam ad­dit solam negationem dependentiae. Ideo natura
non plus inclinatur ad propriam personalitatem quam affirmatio incli­na­tur ad negationem.“
Wir haben so in der dependentia keine Beweisqualität. Dependenz impli­ziert di­stinc­tio realis
(cf. ib. p. 31 lin. 8–22). Den Übertrag der dependentia auf die Trinität (Aneig­nung der na­tu­ra hu­
ma­­­na durch den Sohn) hatte freilich schon Duns Scotus betrieben, indem er diese An­eig­nung
unterm Aspekt der cau­sa­li­tas als de­pendentia deutete (cf. ib. p. 17 lin. 18 – p. 14). Hier widerlegt
Ockham ebenso (ib. p. 19 lin. 16 – p. 21 lin. 8): ei­ne Sa­che kann zwei essentiell gleich vollstän-
dige Ursachen haben (causa totalis), bezüglich der causa finalis ebenso wie be­züglich der causa
efficiens. Dependentia kann so nicht die absolute Richtgröße sein.
59. Sie hat so eine Widerlegungsfunktion oder reiht sich in eine solche ein. In diesem letzteren
Sinn trägt sie zur Ab­strak­­­­­­tion der Begriffe bei, die so etwa für die Trinitätslehre tauglich werden
436 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

inhaltlich, sondern inhalt­lich au­ßer­halb einer solchen Struktur angesehen werden


können. Was vermöge der Begriffe oder für sie ‘lo­gisch’ nicht ausgedrückt, expliziert
und angenommen werden kann, wird für ihre Geltungen in der Sup­­po­­si­ti­onslogik
und somit vermöge der Suppositionslogik ausgedrückt; und somit für die Suppo­si­ti­
ons­lo­gik in einer explikativen Gestalt gerade nicht. Derart kann die significatio nicht
als Be­stand­­­­­teil, In­halt oder Mitgegebenes der Suppositionslogik aufgefasst werden
(= gelten). Sie bleibt al­­so noch formal in der Weise wie sie mit abstrakten Begriffsge-
halten zu tun hat, die nicht in sie ein­gehen. Dabei geht es darum, von den Begriffen
determinationes fernzuhalten, die formell als Er­zeugung von fallaciae interpretiert
werden könnten, hier aber mit Hilfe der Suppositionslogik erst in sol­chem Sinn er-
klärt werden können: es tritt dann einfach die determinatio hinzu, die aber als sol­­­­­che
gerade empirisch nicht substantiiert werden kann. So bleibt die Suppositionslogik mit
der Em­­­pirie, die freilich erst argumentativ erschlossen wird, konsistent oder kom-
patibel.60 In der Argu­men­­tation treten neue Begriffe auf wie unio und compositio,
während die ontologischen Termini ge­­­wisse Ab­min­derungen erfahren.61 Regulative
sind hier die distinctio realis und darüber hinaus Ver­fü­gungs­möglichkeiten oder Er-
weiterungen per potentiam divinam absolutam, die das Verhält­nis der onto­lo­gi­­schen
Begriffe als Größen zu bestimmen geben, etwa forma und materia, substantia und
accidens. Die forma (qualitatis) erlaubt für die suppositionslogischen Sätze die An-
nahme einer distinctio rea­lis, die Ockham auch für die göttlichen Personen innerhalb
der Trinität an­nimmt.62 Insgesamt setzt Ockham voraus, dass die Begriffe, die er be-

oder, was intensional gleichwertig ist, taug­­­­­­lich gehalten werden. Die Abstraktion der Begriffe
löst sich in der Suppositionsidentität nicht auf.
60. Was hier als empirisch tituliert wird, wird doch ontologisch expliziert (ib. p. 9 lin. 9 – p. 11
lin. 1): „Tamen ad intelli­gen­dum istam unionem (von göttlicher und menschlicher Natur in
Christo) possumus manuduci per alias uniones, puta ma­teriae et formae, substantiae et acci-
dentis. Nam in unione materiae cum forma, forma et materia remanent distinctae se­cundum
suas entitates sicut prius, et hoc non obstante propter unionem unius ad alteram, materia de-
nominatur a pro­pri­­etatibus formae et e converso. Ita in proposito, natura divina et humana
remanent distinctae post unionem sicut ante, nec faciunt per se unum sicut materia et forma
sed potius unum quasi per accidens sicut substantia et accidens…“
61. Denn Ockham schränkt bezüglich der Vereinigung von substantia und accidens als Bei-
spiel der unio in Christo ein (ib. p. 11 lin. 1f): „licet non ita vere per accidens quia non dicunt res
diversorum generum,“. Dabei soll ein Aus­tausch bei den Eigenschaften beider Naturen möglich
sein wie bei forma und materia. Ockham summiert (ib. p. 11 lin. 5–7): „Sicut ergo unio materiae
et formae, substantiae et accidentis est possibilis, ita ista unio in proposito.“ Es ist dann am
En­de die Suppositionslogik, die die auf der Basis mangelnder real-empirischer Begründung
(Konditionierung) nicht vollständig konklusive (definite) Ontologie übergeht oder abfängt.
62. Ockham sieht hier Glaubenswahrheiten, die unbeweisbar seien (ib. p. 10 lin. 8f): „dico quod
haec unio non potest de­monstrari, sed solum per fidem teneri.“ Es gibt auch keine persuasi­o­
nes, die abstrakte Beziehungen treffen könnten, die empirisch gestützt, über die Empirie hin-
ausgingen. Ockham si­chert nur die Rationalität einer be­reits bestehenden oder technisch etwas
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 437

handelt und mit denen er sein Thema abhandelt, (nur) positive Bedeutung haben und
in dem Sin­ne das von subiectum und praedicatum in re Ge­mein­te deckungsgleich sei.
Im Sinne der distinc­tio realis ist dann eine Differenz mög­lich. Er geht also nicht da-
von aus, dass Begriffe, die irgendwo das Erkennen meinen, hier in der The­o­logie der
Trinität, und damit überhaupt Erkennen besagen, so­­wohl gewonnen wie hinsichtlich
ihrer Kapazität ausgelegt werden können (sollen) und zwar per Po­s­tulat je das eine
im anderen.63 Ock­ham trennt diese beiden Funktionen; aber es sieht so aus, als träte
die Suppositionslo­gik qua­­si hin­ter der Front des Kampfes zwischen Glauben und Wis­
sen apologetisch und nicht mehr an­thro­polo­gisch für die Glau­bensposition ein. Das
stimmt nicht, da Ockhams Supposi­ti­­ons­­logik ja erst kon­sti­tu­iert wer­den musste. Sie ist
nicht anthropolo­gisch gege­ben. Sie kanonisiert die sprachli­chen Mög­lichkeiten, wenn
sie argumentativ gestützt worden sind, also Ermittlungen über Verhält­nis­­se nach
Be­griffen vor­­ausgegangen sind. Ockham greift dabei nicht auf die Vorstellungsseite
zurück und muss eben das auch nicht tun. So werden am Ende auch suppositionslo-
gische Sätze in der Theo­lo­gie als korrekt (concedenda) anerkannt.64

ergänzten Terminologie nach der Beziehung der termi­ni. Sie wird argumentativ erkundet und
da­bei auf die Suppositionslogik um­gelegt. Für Sätze wird nur noch Wahr­heit gesucht, behaup-
tet oder bestritten, nicht Kon­­­sis­tenz. Die Wahrheit der religiösen Sätze oder Gehalte wird nicht
dar­getan; um sie darzule­gen wäre womög­lich Bedarf an neu­en Begrif­fen oder eines anderen
Verstandes, die wir nicht haben. Ob wir sie secun­dum fidem benöti­gen, bleibt offen. Ock­­ham
bringt bei der Rationalisierung der theologischen Aussagen, evtl. unter Einfügung einiger
neu­er Konstituenten Glau­ben und Ratio zum Ein- oder Gleichstand. Es wird hier nicht der
sprachli­che dogmatische Aus­druck wi­der­spruchs­­­­­frei ge­macht, wie dort wo Ockham im Sinne
der con­se­quentia formalis Kon­sistenz zur deter­mi­na­tiven Grund­kom­ponente des Denkens in
der Theologie erhebt und es wird auch nicht die ein­wand­freie philoso­phi­sche Erklärung un­
bestrittener theologischer Sätze verfochten – in der Hauptsa­che gegen Tho­mas von Aquin und
Duns Sco­tus, wie in Kap. 4 Fides et scientia demonstriert. Der Einstand jetzt bleibt ohne vor-
gängige We­senserklä­run­gen für fides und ratio (oder scientia). Aber es ist wieder die Frage, wie
der eigentliche Glaubensgehalt aussehen kann, wenn für ihn neue Be­grif­fe erfunden werden
müssten, ob es ihn pro statu isto gebe. Es ist ferner die Frage, wel­chen Bezug er zum Menschen
nach dessen restlichen Seelenkräften haben könne.
63. Es handelt sich auch nicht um theologisch bestimmte Korrekturen von logischen Gesetzen
oder physikalischen Vorstellungen durch Ockham. Ersteres nimmt z. B. H. Schröcker, 2003
an, letzteres z. B. H. Blumenberg, 1966. Ockham schließt über attributive Strukturen falsche
(= wider­legbare) realdinglich orientierte Geltungspräsumtionen aus.
64. Der Satz wird akzeptiert, soweit er eine empiriewertige Bedeutung oder Deutung aufweist.
Ockhams probabilisti­sche Entscheidung beruht auf einem suppositionslogisch akzeptablen
Satz. Dabei wird die distinc­tio realis der Vertreter der Em­pirie und der Garant der Geltung
des rein theologischen Satzes, der dann nicht mehr not­wen­­dig über- oder au­ßer­­­em­pi­risch er-
scheint. Die distinctio realis wird für den immer ja kontingenten Satz umschrieben so dass
das praedi­ca­tum (ib. p. 29 lin. 4f) „tamquam aliquo distincto realiter ab illo pro quo subiec-
tum supponit“ zu wer­­ten sei. Es folgt die An­wendung und eben auch noch einmal die empiri-
sche Stützung (ib. lin. 5–19): „Sed sic habet tantum unam singula­rem veram, puta in persona
438 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Wenn Ockham (angebliche) Beweise des Duns Scotus als nicht konklusiv (ungül-
tig) erweist, in­dem er die darin benutzten (enthaltenen) – on­to­lo­gischen- Prinzipien
(‘Regeln’) empirisch als nicht unbedingt gültig (‘non est universa­li­ter ve­ra’) vorführt,
kann er, wenn seine Belege für einen min­­de­­­­ren Rang dieser Prinzi­pi­en schlüssig sind
(also nicht bloß induktiv erschlossen oder persuasiv auf­­­­bereitet sich ausnehmen),
behaupten, a for­ti­o­ri seien die Beweise des Duns Scotus auch ungül­tig. Andernfalls
könnten die Begriffe in den on­to­logischen Prinzipien neu definiert werden und für
ab­strakt gefüh­r­te Beweise stehen, die genau an der Stelle der alten stünden = mit
ihnen identisch (un­­­­­unterscheidbar) wären; sie könnten dann auch die Logik erset-
zen.65 Auch dies schlös­se die ma­te­­ri­elle Implikation als Regulativ und Indiz aus.66 In

Christi, quia ibi ly homo supponit pro supposito Filii Dei sustentifican­tis naturam huma­nam, et
humanitas pro natura humana sustentificata, et ista distinguuntur realiter in Christo tamquam
quod et quo. Et ideo pot­est concedi quod ille homo, qui est Christus, est homo humanitate
tamquam aliquo distincto realiter ab eo pro quo sub­iec­tum supponit. Et sub isto sensu, haec est
universaliter vera ‘album est album albedine’, ita quod ly album, quan­do habet suppositionem
personalem, semper supponit pro subiecto sustentifican­te quod est suppositum in genere sub­
stan­tiae. Et albedo supponit pro ipsa forma albedinis inhaerente tali subiecto, et ista universa-
liter distinguuntur rea­li­­ter tam­quam quod et quo.“ Zuvor (ib. lin. 1–5) lehnt Ockham den Satz
‘homo est homo humanitate’, als Träger der re­a­lis­ti­schen Ontologie gegen Thomas von Aquin
ab: „haec (propositio) non est universaliter vera.“ Er ist demge­mäß auch nicht empirisch.
65. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Duns Scotus eine solche Intention hatte. Damit wäre auch
die Abhängigkeit von Ockhams Konzeption der notitia abstractiva in statu beatifico per po-
tentiam divinam absolutam, die nicht auf den vi­ator in der empirischen Bedingtheit seines
Erkennens nach der Bedingung seiner Begriffsbildung übertragen werden kann, denkbar; erst
kraft seiner Argumentationsmethode kann Ockham dagegen einschreiten und die Unterbin-
dung bewirken. Es gäbe dann auf der Stufe ganz unbestimmter Erkenntnismittel keine Relation
für das menschliche Erken­nen und auf es hin, worin zugleich die Relevanz der materiellen Im-
plikation bestritten und die consequentia formalis suspendiert erschei­nen muss. Aber zugleich
wäre der Ausgriff auf eine transempirische Bezugsebene mittels des Om­ni­po­tenzprinzips bei
Ockham immer durch Duns Scotus induziert; Ockham hat angesichts der propositio imme-
diata ei­nen solchen Ausgriff in ein anderes, nicht mehr menschliches begriffliches Medium
auch für Dinge, die wir aus un­se­rer Welt und Erfahrung kennen, aber kau­sal auch nur in dem
Sinne erklären können, dass damit bloß eine Variabili­tät (Verteilung) von causae gegeben ist,
für denkbar gehalten; andererseits haben wir nach Ockham diese Vielheit von cau­­­­sae offenbar
secundum legem communem, wie sie denn auch hier die Einwürfe gegen Duns Scotus liefert.
Mit der neuzeitlichen Wissenschaft verbin­den wir keine solche überempirische Qualität. Cf.
aber immerhin F. Borkenau, op. cit. p. 148–151 und auch Yorck von Wartenburg, Bewusstseins-
stellung und Geschichte, 1956.
66. Sie stünde bei der consequentia formalis und beim Syllogismus, vorausgesetzt, diese kann
intensional bestimmt wer­den, was die Beweismöglichkeiten wieder einschränkt und auf die
Stufe der menschlich-empirischen Konditionen zu­rückbringt. Darüber hat Ockham implizit
im Prol. Ord. gehandelt.
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 439

Ockhams Erklärungen, die sich gegen Duns Sco­­­tus wenden, wird der Begriff ‘causa’67
vielleicht se­­mantisch voraus­ge­setzt, aber durch die Auf­he­bung syntaktisch tangiert.
Das erst wider­legt Duns Sco­­­tus (voll­stän­dig).68
Causalitas im Vorlauf auf den Gottesbeweis wird von Ockham vorab in zwei Quä-
stionen behan­delt: Utrum sit tantum unus Deus69 und Utrum Deus sit prima causa et
immediata omnium.70 Da­bei ist es das Erstaunliche, dass causa und causalitas von
Ockham mit Hilfe terminologisch und praktisch an die Ontologie angelehnter Bewei-
se bestritten, in dem Sinne negiert und widerlegt wer­den, dass eben genauestens die
(semantische) Fundierung des Kausalen in re und rebus, auch für den Kontakt und
die Vermittlung der absoluta untereinander als unmöglich sich ausnimmt, d. h. nach

67. Die moderne Wissenschaft spricht die Kausalität direkt nicht aus. Wie es zwin­gend ge­
schehen könnte, ist offen.
68. Gott als causa prima Bezeichnung einer syntaktischen Figur kann nicht zugleich ganz glatt
(unumwun­den) seman­tisch in den Got­tes­beweis fallen. Die­­ser muss daher eine induktive Basis
haben. Daran scheitert der Scoti­sche Gottes­be­­­weis. Ockham sichert ihn mit der Gleich­­setzung
von efficientia und conservatio; sie wird zur Indukti­ons­basis. Wenn Gott mit einem (seman-
tisch ange­leg­ten) Beweis erst als existent dargestellt (ermittelt) werden muss, kann er nicht
zu­gleich eine syntaktische Funktion in der Welt unter den causae secundae erfüllen, die er
dabei zu ord­nen hätte (um über­haupt unter ihnen anwesend zu sein, zu zählen). So muss der
Gottesbeweis auf einem Zirkel beruhen oder ei­nen solchen darstellen; denn in jedem Fall muss
ja der als existent zu erweisende Gott unter den cause secundae seinen Platz einnehmen; er
wird ja gegen diese be­wiesen, als für sie notwendig ermittelt oder postuliert. NB. Duns Sco­tus
hat nun zuerst die Existenz Gottes beweisen wollen und dann, zusätzlich, dessen Eigenschaften,
i.e. seine Essenz auszu­le­gen versucht. Dies alles aber nach dem ei­nen (semantisch bestimmten)
Beweisverfahren. Dieses müsste in sei­nen spä­te­ren Partien die Existenz voraussetzen und aus
dem erfolgten Existenzbeweis seine Ableitungen vornehmen. Es ist die Frage, ob das möglich
ist, ob die späterhin verwendeten Prinzipien, Regeln und Definitionen gelten können. Oder
ob sie dann wieder – im Hinblick auf die Empi­rie – zweifelhaft (indefinit) sein können. S. ver-
gleichend Ockhams Ein­wen­­­dungen und Rejektionen ge­gen Auslegungen bei Thomas Aquinas
und Duns Scotus be­züg­lich der Sät­ze, die die Be­ziehungen zwischen den göttlichen Personen
angehen, cf. Kap. 4 Fides et scientia. Die Induktion kann übrigens kei­ne (eventuell sogar not-
wendigen) Relationen zwischen Begriffen auf einer rein (primär) empirischen Ebene stiften.
Cf. z. B. Ord. d. 24 q. 2 OT IV p. 98 lin. 14ff: „numquam ex aliquibus resultat forma absoluta
alterius rationis ab aliquo is­to­­rum (die vereinigt werden sollen), nisi unum isto­rum sit actus et
reliquum potentia, sicut patet inductive.“ Hier bleibt die ontologische Sprache erhalten gerade
weil für sie fundo argumentiert werden kann; d. h. genau so wie wenn bei Ock­­ham mittels der
Unterscheidung von substantia und accidens (als vollständiger Disjunktion) widerlegt wird,
wird der Bezug auf die Realität argumentativ erst ausgelegt, nicht aber gestiftet oder vorausge-
setzt. Freilich alles „‘ist’“ ent­we­der ‘substantia’ oder ‘accidens’. Das ist eben kein Widerspruch.
Wäre es einer, müsste (der) Wider­spruch ontolo­gisch definiert werden können. Vorausgesetzt,
es gibt Ontologie, wovon wir nicht ausgehen müssen.
69. Ord. d. 10 q. 10 OT II pp. 337–357.
70. Rep. II, q. 3+4 OT V pp. 50–79.
440 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

der dazu erforderlichen Logik und sei es eine irgendwie für kommun gehaltene Logik
nicht be­­gründet werden kann; es muss also auch eine ‘bestimmte’ Logik für unmög-
lich oder unbegründet gehalten werden. Es ist letztlich die Logik, in der die reproba-
tio über den Takt der Aussagenlogik mit Einschluss des tertium non datur bestimmt
wäre und damit immerzu ein Verband von seman­tisch zu verstehenden Termen und
logisch ausgedrückten Beziehungen und Verkettungen voraus­ge­setzt würde, letztlich
denn eine Annahme, die weiterhin nach der alten Ontologie gewertet und ver­standen
werden könnte.71
Das Problem bezüglich des Kausalitätsbegriffs, der causae, ist, dass sie überall
als ein ab­strak­­­ter Be­­griff ausgelegt werde, aber empirisch und konkret, mit Bezug
auf (die) Kontingenz gehandhabt werden können müsse, so dass allem Dafürhalten
nach eben jene Auslegung er­for­­­derlich wäre, die zugleich die logische wäre und die
Logik beinhaltete. Das kann aber nicht ge­lingen, da dann die Lo­­gik im Sinn der Vor-
formulierung der Auslegung oder des Zusam­men­­hangs der Begriffe auftre­ten kön-
nen müsste. Da aber zeigt Ockham zwangsläufig, dass dieser Gang nicht möglich, i.e.
die Logik nicht zweimal und darin übereinstimmend ange­wandt werden kann.72 In
eben dem Sinne wer­den impossibilia möglich; sie werden bei den re­pro­­bationes mit
technischem und physikali­schem Hintergrund gehandhabt – sc. so dass ‘ab­strak­te’
Begriffe in Bezug auf die Realität dort als unerfüllbar erscheinen müssen, wo eben
ihr wahrer Bezug als Implikation anzusetzen ist. Das ist dort der Fall, wo sie über den
Begriff der ‘species’ als Einheit von Abstraktion und Individualität ge­­dacht werden
können. Dann, so zeigt Ockham, ist ihre ‘Erfüllung’ in der Identität der res nicht
möglich, weil eine Art rela­tio darüber hinausreicht, i.e. mit dem gedachten Ding nicht
deckungs­gleich ist. Das aber be­trifft eine in dem Sinne nicht logische Ableitung.73 Für

71. So hat es auch A. Tarski mit seiner semantischen Wahrheitsdefinition alias aristotelischen
Hypothese von der ad­ae­qua­­tio intellectus ad rem getan, die bei Duns Scotus gilt und bei
Ockham gegenstandslos ist. Ockham beweist nicht mit der reprobatio eine Gegenthese ex ne-
gativo; er beweist gerade einmal die Nichtgeltung einer These, die er somit in­­ten­­­si­onal ver­­neint.
Es ist das Verhältnis der Begriffe oder Größen, das damit bestritten wird, in unbestimmter
inhaltli­cher (de­fin­i­to­rischer) Form ebenso wie eine eventuell denkbare implizite Kausalität an-
gehend. Sie wäre womöglich erst noch zu kon­struieren und dann auch empirisch nicht aufge-
funden worden, wenigstens vorab nicht nach Ockhams Be­weis, der mit­hin diese Möglichkeit
intentional verneint. Zu Tarski cf. mit Resonanz E. Tugend­hat, 1960 pp. 131–159.
72. In dem Sinne tritt beweisend und widerlegend eben die Suppositionslogik ein. Sie wird
gegen das ungefähre Dedu­zie­­ren in Stellung gebracht.
73. Was hier argumentativ als unangängig ermittelt und dargestellt wird, nämlich, dass ein
relationaler Begriff nicht in Be­zug auf eine Gesamtmenge von individua definit sein könne,
also significationes und singularia be­tref­fe, ent­spricht ge­nau der konzeptualistischen Auffas-
sung vom universale, das Ord. d. 2 q. 4 OT II p. 100 lin. 17 – p. 101 lin. 11 von Ock­­ham referiert
wird (nach der Edition (ib. p. 100 Anm. 3 lt. Ockham Duns Sco­tus zu­ge­­schrie­ben): „est una
opi­nio quod quodlibet universale univocum est quaedam res exsistens extra ani­mam reali­ter
in quolibet singulari et de es­sen­tia cuiuslibet singularis, distincta realiter a quolibet singu­la­ri
et a quolibet alio uni­versali, ita quod homo universalis est una vera res extra animam exsistens
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 441

die causa ergibt sich, dass sie weder durch andere Hilfsbegriffe aufgefüllt werden kann
noch selbst zur Auffül­lung die­nen kann. Da­mit dass eines oder beides verlangt wird
erst wird Kausalität zum Schlüsselbegriff des Got­tes­beweises. Doch ist darin wahr-
scheinlich mit Notwendigkeit ein Vorgriff auf die Folgerung (Im­­­­­plikation) enthalten.
Diesen baut Ockham mit seinem Ableitungsverfahren ab. Das Ver­­fahren kann da­her
nicht logisch aufgebaut sein.74 Es muss gegen das Logische oder es unter­tun­­nelnd ge­
han­delt werden.75
Ockham zeigt, dass (der Begriff) causa keinen Bezug auf die/eine res in actu hat,
die er so nicht er­reicht. Damit hat sie/dieser Begriff überhaupt keinen realen abstrak-
ten oder essenti­el­len Wert. Das gilt, gleichgültig ob wir von causa essentialiter oder
causa per accidens spre­chen. Diese wer­den un­ter­schieden, um dann im Effekt keinen
Unterschied zu machen, so dass a parte rei gese­hen keinen Gel­tung oder Egalität von
Begriff und res erreicht werden kann. Mit der causa per acci­dens könn­ten sie viel-
leicht eher möglich scheinen, um dann die Diskus­si­on a fortiori abzuschlie­ßen: die

realiter in quolibet ho­mi­ne, et dis­tin­­­guitur realiter a quolibet homine et ab ani­mali universali


et a substantia universali; et sic de om­ni­bus generibus et speciebus sive subalternis sive non
sub­alternis. Et ita secundum istam opinionem quot sunt uni­ver­salia praedi­ca­­bilia in quid et per
se primo modo de ali­quo singulari per se in genere tot sunt in eo res realiter dis­tinctae qua­rum
quaelibet realiter distinguuntur ab alia et ab il­lo singulari, et om­­­nes illae res in se nullo modo
multiplicatae, quantumcumque singularia multiplicentur, sunt in quo­li­bet individuo ei­us­dem
speciei.“ In diesem Sinne müsste dann auch im Grunde de­duziert werden können, so dass
wir et­wa Erkenntnis über substan­tiae und von substantia und substantia erhiel­ten, etwa im
Sinne ihres kausalen Konnexes, der gleichblei­bend ein inhaltli­cher wäre. So hat Duns Scotus
‘dedu­ziert’ und derart sogar direkt Prinzipien, die seine De­duktion wie­der­gaben bzw. spie­gel­
ten in die­se Deduktion eingeführt, sie damit an einem Ort unterbrochen und wei­ter­geführt, i.e.
durch die Appellation ge­­flickt. Alles Abstrakte müsste semantisch auch immer individuell sein,
und an­ders: die De­duk­­ti­­on würde förm­lich und unausgesprochen immer identisch mit (‘un-
unterschieden von’) ei­ner em­­piri­schen (‘in­tu­i­ti­ven’) Er­kennt­nis (notitia) erscheinen können,
was vor Ockham vielleicht die still­schwei­­gende schola­s­ti­­sche opi­nio com­mu­­­nis ge­wesen ist.
Die universalientheoretischen Lehren von Realisten und Konzeptualisten, die imme­di­at kaum
unterscheid­bar sind, werden es mehr im Be­zug auf die Demonstrationslehre Ockhams. Die
Verzwei­gun­gen und Verkettungen von praedicata, deren Gege­ben­heit für Ockham im Rahmen
der De­mon­stra­tionslehre wich­tig ist, wird im Zitat o. den Un­ter­­schied gegen­ü­­ber ei­nem unge-
ordneten Prädi­ka­ten­hau­fen ver­lie­ren, was gegen Ockhams De­­duk­ti­ons­lehre steht.
74. Prädikate, die die Kausalität meinen (= ‘einschließen’, sie somit zu ihrem Verständnis erfor-
dern und wenigstens nicht aus­drück­lich ausschließen), werden im Gottesbeweis (ebenso wie
die Kausalität dem Begriffe nach selbst) die Ein­­heit­­lich­keit von überweltlichem Faktor (Bezug)
und empirisch irdischem voraussetzen und mit dieser Vor­aus­setzung den ei­gent­lichen Schlus-
scharakter aufheben, womit denn signifikant gar nicht gefolgert und bewiesen werden kann.
75. Abstraktion und Logik werden so dissoziiert. P. Vignaux, der die Scholastik im Grund in
einer variablen Form der Vereinigung von Abstraktion und darin stets eingeschlossener Fol-
gerichtigkeit sah, die Einwän­de quasi aus­schloss, müss­­­te korrigiert werden, obgleich Ockhams
Nähe zu allem scholastischen Operie­ren mit Not­­wen­dig­keit wenig­stens schematisch gewahrt
wäre.
442 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

re­la­tio (implicatio) ist unmöglich, mit der wir auf die res uns be­zögen, die dann for-
mell für uns den em­­pirischen Wahrheitswert abgeben könnte.76 Duns Sco­tus aber,
gegen den Ockhams re­proba­ti­o­nes sich richten, wollte in einer semantischen De­
duktion, in der die abgeschlossene (voll­en­dete) Kau­­salkette (= Gesamtheit von cau-
sae) ein77 Argument lieferte, Gottes Existenz beweisen.78 Ock­ham aber geht, wenn
er hier Duns Sco­tus widerlegt, von kontingenten Sätzen aus und gelangt von die­­­sen
direkt zur Impossibilität.79 Auch Duns Scotus hatte die Unterscheidung causa per se
und cau­­­­­sa per accidens gebraucht.80

76. Wir erreichen weder mit der causa essentialiter noch mit der causa per accidens beweis-
wertig eine abschließ­ba­re (ab­ge­schlossene) Kausalkette und keine intentionaliter außerhalb ih-
rer gelegene (anzusiedelnde, postulierte cau­­sa prima.
77. Und tatsächlich nur eines, so dass es alle anderen einzuschließen gehabt hätte oder darin
eingeschlossen (fol­ger­bar) gewesen wäre. Es wird also von Ockham mehr bewiesen als dass die-
ses eine Argument nicht zu gelten habe. Das Be­­weisverlangen selbst ist unangängig (unsinnig).
78. Duns Scotus glaubte (cf. Ord. d. 2 q. 10 OT II p. 339 lin. 21 – p. 340 lin. 3), dass eine Ge-
samtheit von causae es­sen­ti­a­li­ter ordina­tae niemals unendlich sein könne. Sie müs­se immer
abgeschlossen sein; das besagt eigentlich ei­­ne petitio prin­­ci­pii und bedeutet daneben, dass
abstrak­te Begriffe (etwa ontologische) Schlüsse mit re­a­lem und de­fi­ni­tem Sinn erlauben kön-
nen, also ent­hiel­ten. Das kann nach Ockhams Beweismethode mittels der Suppo­si­­ti­onslogik
und dann in seiner Opposition gegen die causa (als Sache wie Begriff) nicht bewiesen werden.
Es ist klar, dass dann die Sätze, wel­che Kausalität beinhalten oder beschreiben, entweder kon-
tingente sind (bzw. auch als kontingente gewertet werden kön­nen) oder aber mit kontingenten
Sätzen kombiniert (werden können und dann) gewisse (analytische) Schlüsse nicht erlauben.
Deren Ablehnung dient ohnehin die Suppositionslogik, so sehr, dass sogar die implicatio in
ihrem Rahmen nicht anders definiert ist und verstanden werden kann. Das be­deu­tet auch, das
eine operative Begründung sei es der Lo­gik sei es des Operierens nicht sinnvoll erscheint. Es
be­grenzt den eigentlichen Wert (die Geltung) des Zeichenbegriffs im Nominalismus. Er er-
lischt im conceptus, der als ex re abstrahiert zu gelten hat. Er bedeutet da Inhaltlichkeit, die in
Ockhams Kombinationen der Begriffe nicht mehr sichtbar ist, aber soweit besteht, dass ein
Satz als sig­num intensio­nal nach seinem Realbezug ‘potest denotari’. Bzw. kann es eben auch
heißen: ‘non potest denotari’. Cf. Ockham zum Aus­druck ‘propositio dicendi per se’, die er mit
Aristoteles secundum „duos modos“ kennt, et­wa ib. p. 346 lin. 5–24.
79. Er gelangt zu einer Aussage, die dieselben Begriffe enthält oder benutzt wie die kontin-
gente, aber nicht denselben Mo­­dus haben kann, bzw. auch nicht dieselbe Konjunktion zweier
Modi, etwa per se und possibilis, wie der kontingente Satz. Der ist kontingenter Satz, indem
seine empirische Genesis festgehalten werden kann; wird diese verneint oder übergangen, also
quasi stillschweigend fälschlich, im Sinne der Äquivokation oder fallacia in An­spruch genom-
men, so entsteht die unmögliche Aussage. Die Abstraktion hat sich auch hier von der Begriffs-
gewinnung zur Satzbildung verschoben; Nikolaus von Autrecourt hatte sie bei seinen Zweifeln
relativ indistinkt gehalten.
80. Cf. Ockhams Wiedergabe ib. p. 338 lin. 1–6: causa per se „tantum est comparatio unius ad
unum, causae vi­de­licet ad effectum; et est causa per se quae secundum naturam propriam et
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 443

Ockham setzt dafür die Sätze ein:81 „Sed contra praedicta sunt aliqua dubia: Pri-
mum, quod di­ci­tur de causa per se et causa per accidens. Si enim intelligat (!), sicut
communiter intelligi­tur, quod haec sit vera ‘calidum per se calefacit’ et haec non ‘al-
bum per se calefacit’, sed quod haec sit vera ‘al­bum per accidens calefacit’, hoc non est
verum, quia quandocumque aliquod praedicatum inest illi pro quo subiectum sup-
ponit /§ vel pronomini demonstranti praecise illud pro quo subiectum sup­po­nit, §/
et tali modo quod denotatur sibi inesse, illa propositio est sim­pli­citer vera; sed in istis
dua­bus propositionibus ‘album per se calefacit’ et ‘calidum per se ca­lefacit’, si idem
sit album et cali­dum, subiecta supponunt pro eodem; igitur si una sit vera, re­li­qua
erit vera.“ Nämlich auf der Stufe und Ebe­ne kontingenter Aussagen. Von hier aus er-
gibt sich, dass Duns Scotus eigentlich eine falla­cia begeht: er geht von unter anderem
empirisch, kon­kret oder kontingent verwendbaren Be­grif­fen aus und legt sie dann
unversehens auf einer hö­heren Stufe analytisch als sie selbst aus.82 Dabei ge­braucht

non secundum aliquid sibi accidens causat, et cau­sa per accidens e converso; in secundo autem
est comparatio duarum causarum inter se in quantum ab eis est causa­tum.“ Dabei ist die reale
Möglichkeit beider causae neben- und gegeneinander viel­leicht noch of­fen. Es wäre somit zu
fra­gen, wie beide Arten von causa in einem Weltbild neben- und gegen­ein­a­nder exis­tie­ren und
angesetzt werden kön­nen und da­mit aber auch, wie die Argumentation beschaffen sein müsste
oder könnte, die an ihnen ansetzte. Das ist dann von de­ren Existenz oder Frage danach ver-
schiedene Frage. Die Re­levanz die­ser Argumentation könnte als abso­lu­te so be­ste­hen, dass die
Realität der causa oder beider Arten von causa nicht vergleichbar (nicht vergleichbar absolut)
mehr sich stellen ließe; sie könnte induktiv bewiesen werden und dann eben auch in Affinität
zur Widerlegung eines ab­so­lu­ten Begriffs von causa in reali bestehen. Ockham geht die­sen
Weg. S. o. Text nach Ord. d. 2 q. 10 OT II p. 343 lin. 10 – p. 344 lin. 20.
81. Ib. p. 342 lin. 18 – p. 343 lin. 9.
82. In Wahrheit oder in facto tut er es natürlich nicht; er setzt eine solche Auslegung nur als ad
libitum und deter­mi­nate zur Verfügung steht voraus; er sieht so diese Auslegung als gebotene
oder zur Verfügung stehende als Teil des damit in­­des abstrakt verstandenen Begriffs album
oder auch logisch der beiden Begriffe album und cali­dum; er postuliert Fol­ger­barkeit oder
notwendig sogar Nicht-Folgerbarkeit als Anteile der Begriffe oder als im Ver­hältnis zu ihnen
beliebig zur Verfügung stehend und für irgendeinen Zweck, muss man sagen; ja in Wahr­heit
muss er sogar Falschheit und Wahr­­heit als sich deckend setzen. Ockham operiert also nicht mit
einer sub­tilitas superflua. Er deckt eine fallacia als fal­sche, implizite oder ungenaue, je nur ad
hoc und diffuse ver­wand­te Ab­straktion auf. Franciscus Mayronis, dem magister abstractionum,
macht Ockham dagegen SL-III-1 c. 4 OP I p. 367 lin. 35–40 eine fallacia streitig.
444 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham die kontingenten Sät­ze (ebenso wie die Suppositionslogik) in einer kataly­ti­
schen Be­­weisfunktion.83 Eine sol­che ist bei Ockham nicht selten.84
Ockham gibt seine Lösung in einem Vergleich, der insofern probat ist, als wir
obenhin bei em­pi­ri­schen Aussagen sind, bzw. diese formativ einbeziehen:85 „per istam
propositionem ‘al­bum potest es­­se nigrum’ non denotatur nisi quod propositio in qua
praedicatum praedicatur de illo pro quo sub­iec­tum supponit /§ sit possibilis, et non
denotatur86 quod propositio in qua prae­­dicatur hoc praedi­ca­tum de isto subiecto sit

83. Er gelangt damit sogar bis zur aristotelischen Definition und Unterscheidung der beiden
propositiones dicendi per se Cf. ib. p. 346 lin. 20f: „distinguit Philosophus, I Posteriorum duos
modos dicendi per se.“ Ockham über­setzt den Un­terschied letztlich in den des Modusge-
brauchs ‘modo composito’ und ‘modo diviso’, die auf in se gleiche Begriffe sich be­ziehen (ib.
p. 346 lin. 21–24): „/§ Nunc autem ita est quod ista stant simul ‘al­bum per se calefacit’, et haec
est per ac­cidens ‘album calefacit’; ista stant simul ‘album potest esse nigrum’ et haec est impos-
sibilis, et haec est im­pos­sibilis ‘album est nigrum’ … (ib. p. 347 lin. 7) §/. ‘Per se’ ist also wie ‘per
accidens’ und ‘potest’ und ‘impossibilis’ als Modus gebraucht worden; ‘per se’ kann modo diviso
in einem Satz gebraucht werden, ohne modo composito vom selben Satz prädizierbar zu sein
(ib. p. 343 lin.12): „consequen­tia non va­let.“ ‘Per se’ kann modo diviso (ib. lin. 13f) „cum nota
pos­­­sibilitatis“, also im Sinne der faktischen (kontingenten) Möglichkeit, ein praedicatum, ganz
mit dem Sinn von (ib.) „inesse“ dem subiectum propositionis beitreten, so dass subiectum und
paedicatum für dasselbe supponieren, und doch gilt für dieselben Begriffe intensional (i.e. ab-
solut oder für deren eigenes Verhältnis, doch a parte rei gedacht), dass (ib. p. 344 lin. 2–4) „non
denotatur quod propositio in qua praedicatur hoc praedicatum de isto subiecto sit possibilis.“
Wenn hiermit der Aufstieg vom kontingenten Begriffsgebrauch zum allgemeinen mit implizi-
ter Folgerbarkeit, wie Au­trecourt verzweifelt ihn forderte, logisch entfällt, muss damit zugleich
das Logische generell begründet worden sein.
84. Bei dieser katalytischen Beweisanlage reduziert Ockham vorderhand die Beweisanforde-
rung, um alsdann im Sinn ei­­nes ‘a fortiori’ zum Gesamtergebnis zu gelangen. Darin versieht er
den Aspekt der Definitheit mit. Kau­sale analy­ti­sche Beweisbedürfnisse werden in unserem Fall
über die propositio contingens ap­pro­ximiert.
85. Ib. p. 345 lin. 22 – p. 344 lin. 14.
86. Denotatur bezieht sich auf den Satz, supponere auf dessen einzelne Begriffe. U. Eco, Kant
und das Schnabel­tier, 1997, dt. 2000 sieht denotari und supponere in einer strikten Relation,
wobei er p. 478 „die wiederhol­te Ver­wendung des Passivs“ für sinnspezifisch hält. Sie „deutet
an, dass ein Satz einen Sachverhalt nicht deno­tiert: Vielmehr wird mit­tels eines Satzes ein Sach-
verhalt denotiert.“ Dabei soll potentiell nicht ein Sachverhalt in re­a­li oder faktisch denotiert
wer­­den, sondern auch als angenommener. „Durch ei­nen Satz wird etwas denotiert, auch wenn
dieses Etwas nichts sup­po­­niert.“ Bei problematischer Ausdrucksweise muss die Bemer­kung
doch be­deu­ten, dass ein Sachverhalt auch ange­nom­­­men werden könne, wenn er nicht existiert.
Ockham würde den Satz impossib­i­lis nennen s. Zitat im Text. Eco fin­det, „dass der Satz (.)
wahrscheinlich nicht not­­wendig sei­nen Wahr­heits­wert denotiert.“ ‘Wahrscheinlich nicht not­­
wen­dig’ ist unvollziehbar. p. 479: „Mittels des Satzes wird ein sig­nificatum deno­tiert, und dieses
sig­ni­ficatum ist ein re­aler Sachverhalt.“ Die res wäre also ein Sach­verhalt. ‘Sachverhalt’ bezieht
Eco auf Wahrheits­wer­te, nicht Mo­di, da­ne­ben auf die conclusio eines Syllo­gis­mus.“ (Kur­si­­­ves
von Eco). Der Satz als signum denotiert nur nie, dass das Verhält­nis der extrema Wahrheit
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 445

possibilis. Et bene stant simul quod propositio in qua prae­dicatur hoc prae­­­dicatum de
subiecto sit impossibilis, et tamen quod propositio in qua praedicatur idem praedi­ca­
tum de illo pro quo hoc subiectum supponit, /§ vel de pronomi­ne de­monstrante illud,
§/ sit possi­bi­lis. Et ratio est quia in ista propositione ‘album potest esse ni­grum’ subiec-
tum supponit pro Sorte, si Sortes sit albus; si autem fiat niger, tunc hoc subiec­tum non
supponit pro Sorte, quia hoc subiec­tum ‘album’ non supponit /§ in propositione mere
de inesse et mere de praesenti §/ nisi pro illis quae sunt alba, et praecise dum sunt
alba.“87 Es han­­delt sich also um kontingente Sätze und in ih­nen um eine kontingente
Supposition.88 Damit werden aber analytische oder quasi analytische Sät­ze nicht ganz
ausgeschlossen:89 „Et isto mo­do ipsa anima intellectiva per se causat intellectionem et
volitionem, quia non per ali­ud, nisi se­cun­dum quod ly per notat circumstantiam cau-
sae partialis concurrentis.“ Wir wür­den also gewisse naturale Umstände und Gründe
ausschließen müssen oder können, was inso­fern zulässig und mit­ein­ander kompati-
bel ist, als wir den Begriff intellectus seu ani­­ma intel­lec­­tiva aus ih­nen nicht fol­gern
oder produziert bzw. mitgegeben ansehen können.90 Mit die­sem Verstand aber ist die

oder einen Mo­dus besage. Das beweist Ockham aber dann. Doch nur die pro­po­sitio deno­tiert,
nicht die suppositio. Eco zi­tiert Ockham: „Terminus supponit pro illo, de quo vel de pronomine
de­mon­strare ip­sum, per pro­positio­nem de­notatur praedicatum praedicari, si suppones (suppo­
nens) sit subiectum.“ (SL I, 72). Eco: „die Sup­­po­siti­on de­no­­­tiert, dass das Prädikat sein Prädikat
ist.“ Nein, dass das Satzsubjekt im kontingenten Satz dies Prä­dikat hat.
87. Wir kommen von der Kontingenz zur Unmöglichkeit, wenn wir für die propositio contin-
gens ein Verhältnis ihrer Be­grif­fe und zwar als Aussage und Inhalt dieser propositio contingens
annehmen.
88. Aus ihr ergibt sich eine bestimmte consequentia formalis nicht, die womöglich Nikolaus
von Autrecourt pro­gram­ma­tisch gefordert hat. Ockham wendet das gegen Duns Scotus ib.
p. 344 lin. 15– 0: „si haec sit vera ‘calidum per se ca­le­facit’, haec erit etiam vera ‘album per se
calefacit’, si idem sit calidum et album (was nur kon­tingent und für kon­tin­gen­te Sätze der Fall
sein kann, wozu dann auch der Satz ‘calidum per se calefacit’ halb oder ganz gerechnet werden
muss, wie ja auch die propositio dicendi per se primo modo). Et tamen ex hoc non sequitur
consequentia formali quod si haec sit (!) per se (also im Sinne eines modus ‘per se’ modo com-
posito), quod haec erit per se ‘album calefa­cit’.“ Er schließt süffisant an: „Nec credo aliter istum
Doctorem sensisse, propter mag­nam notitiam quam habuit de logica.“ Er lässt es offen, ob
Duns Sco­tus damit Ockhams Prinzip oder Argument nicht gekannt oder nur übersehen habe.
89. Cf. ib. p. 345 lin. 21–24.
90. Dabei ist der Begriff bei Ockham nicht so sehr und ausschließlich Zeichen, wie man gerne
annimmt, z. B. U. Eco, op. cit. p. 211. Mit der notitia intuitiva sensitiva et intellectiva ent­steht
ein Begriff, dessen Relevanz als Zeichen negativ gegenüber der Universalienproblematik auf-
tritt. Für den Be­griff tritt eine Problematik vermöge seiner Kombination in­ner­halb von Sätzen
auf, die nichts mit der „Dia­lek­tik von Allgemeinem und Besonde­rem“ zu tun hat, „wenn man
auf an­­dere Individuen trifft, die man mit demselben Be­griff bezeichnen kann“. Eco em­pfin­­det
Ockhams Lösung „nicht als definitiv überzeugend.“ Nur führt er für Ockham kaum so etwas
wie eine Lösung aus. Für Ockham erweitert oder fes­tigt sich der Begriff, nach­dem er intuitiv
446 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Allge­mein­­heit der ontologischen Begriffe gegeben, sc. der ontologi­schen Begriffe in


dem ihnen eigen­tüm­­lichen Status von Allgemeinheit.
Ockham untersucht das Verhältnis von Zahl und species in der quaestio: Utrum
tri­­ni­tas per­so­na­­rum sit verus numerus.91 Er lehnt die Identität der Zahl mit einer quan-
titas continua ab:92 „Nec pot­est dici quod numerus sit eiusdem ra­tionis cum unitati-
bus, quia tunc ita essent uni­ta­tes per se in ge­ne­re sicut nu­me­rus. Et per conse­quens
ita vere es­set ista ‘unitas est quantitas’, sicut ista ‘nu­me­rus est quanti­tas’. Et certum
est quod unitas non est quantitas dis­cre­ta, igitur est quantitas continua. Et per conse­
quens nume­rus esset quantitas con­­tinua, si sit eiusdem rationis cum unitate quae est
quan­ti­tas.“ Er ver­steht nu­me­rus zwei­fach: quantitativ und qualitativ:93 „potest dici
quod non omnis nu­merus est de genere quanti­tat­is, sed tantum numerus quanto-
rum, prae­ter quos sunt multi alii nume­ri, qualis est nu­merus trium perso­na­rum.“ Zu
Thomas von Aquins These:94 „illud quod ha­bet pas­si­­o­nes et proprietates et acciden­tia
de eo demonstrabiles est aliquid reale. Sed nu­me­rus ha­bet pro­pri­e­tates, pas­­siones et
accidentia, secundum Phi­lo­so­phum, IV Metaphysicae et I Posteriorum, et in diver­sis
locis. Er­go nu­me­rus est aliquid reale“, sagt Ockham:95 „diceretur quod il­lud quod

gebildet worden ist, durch sukzessive ähnliche Akte, Wahrnehmungen und Ur­­­teile. Unter Vor­
ga­be der Universalienproblematik und wenn man Ockham, sei es mittelalterlich sei es für alle
Welt­al­ter, da­­rauf verpflichten will, ist es vielleicht ein Pro­blem. Doch ist der Verstand, den wir ja
anscheinend haben, auch für Ockham nicht auf die Handhabung em­­pi­ri­scher Urteile begrenzt,
und er kann und muss secundum Ockham auf sie nicht einmal immer zurück­grei­fen; doch
damit dürfen sie nicht als inkompatibel ausgeschlos­sen werden. So kann aber das Problem
nun wohl auch nicht aussehen, das Eco behandeln möchte. Die reale em­pi­ri­sche noti­tia ist für
Ockham auch kompatibel mit je­dem abstrakten Akt und Urteil, der nicht darauf zu­rück­greift.
Ein solcher gerade kann induktiv insinuiert wer­den. Im Übrigen geht es für die Akte (Begrif-
fe, Aussagen, Schlüs­­se) nicht da­rum wie sie vollzogen wer­den, ob etwa mit Anschauung oder
nicht, sondern mit welcher Gel­tung. Für diese muss und kann nur ar­gu­mentiert wer­­den, etwa
in­duktiv, z. B. wenn Ockham fragt, ob in der no­ti­tia complexi ei­ne notitia incomplexorum im­
pli­zit oder ex­pli­zit mitgegeben sei: er räumt das Erste ein oder hält es für nicht aus­­­zuschließen,
das Zweite ver­neint er. Das aber in­di­ziert, dass Vollzug nur im Sinne dieser Geltung angenom­
men wird und werden kann, hier und wahr­schein­lich über­all, nicht außerhalb. Sodann fragen
wir uns: was wenn wir die Universalien haben ist mit den ontologi­schen Begriffen, mit denen
zwangsläufig über sie gesprochen wird (forma, species, natura com­mu­nis, quid­ditas, natura,
essentia, acci­dens etc.). Haben wir da zu war­ten, bis Eco ‘sein’ universalien­theo­re­tisches Pro­
blem ge­löst hätte oder dürfen wir uns andere Probleme für die Scho­la­stiker und alle Semiotik
su­chen? Das Zwei­te ist offenbar vorzu­zie­hen, denn Eco hat wo­­mög­lich bloß seine in se nicht
ganz stichhalt­i­gen ‘proble­ma­ta’. Jedenfalls nicht a limine in Ockham gegründete!
91. Ord. d. 24 q. 2 OT IV pp. 90–121.
92. Ib. p. 98 lin. 19 – p. 99 lin. 2.
93. Ib. p. 121 lin. 13ff.
94. Ib. p. 92 lin. 2 – p. 93 lin. 4.
95. Ib. p. 117 lin. 11–17.
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 447

ha­bet ac­­ci­den­­tia for­ma­­liter inhaerentia formaliter est ali­quid reale. Illud tamen quod
habet aliqua prae­di­ca­bilia con­tin­genter et ac­ci­­den­taliter non oportet semper es­­se ali­
quid re­ale, sed poterit esse concep­tus. Est hu­ius­modi est nu­me­rus, quia pro­­pri­etates et
passiones habet de eo de­mon­stra­biles, et forte ali­qua accidentia, non ta­men sequitur
quod sit ali­quid re­ale.“96
Ockham gebraucht forma argumentativ für Relationen und Qualitäten als Leit-
begriff, der im we­sent­­­li­chen je auf reprobationes führt, die Exhaustionsbeweise sind.
Dabei wird die Impossibili­tät mit dem Ge­gen­stand iden­ti­fi­ziert: am Gegenstand kann
die Relation nicht auftreten. Sie tritt in eine Divergenz (Zweiheit) mit der res ein. Das
bezeichnet den Widerspruch („impossibile est“). Damit ist die Relation dann nicht
definit. Sie muss da über­haupt ent­fal­­len. Das gilt u. a. für naturphi­loso­phi­­­sche Be­­grif­
fe wie mo­tus (augmentatio). Ockham führt so­gar Zweiheiten künstlich mittels der
gött­lichen Allmacht ein, um sodann (sogar dann) eine solche Inde­fi­nit­heit zu er­mit­
teln; er gibt also die Definitheit außerlogisch vor. Selbst dann kann sie nicht dauerhaft
be­ste­hen bleiben. Die Ar­­gu­men­­­tation (reprobatio) besitzt also keinen absolu­ten oder
gar hypo­sta­ti­schen Wert. Falls es sich um on­to­lo­gi­­sche Konzepte handelt, besitzen
diese keinen logischen Charakter. Es geht nicht thema­tisch um die Zwei­heit von re-
latio und absolutum, sondern sie ist ein beiläufiges Ergebnis, wo eine Identität oder
Defi­ni­ti­on der Sache durch die Relation angenommen oder behauptet wurde und nun
von Ockham widerlegt wird. Die­ses Ergebnis wird dementsprechend aber zu einem
hauptsächli­chen. Nämlich im Sin­ne der Ontologie aus­schließ­lich, deren Re­­lationen
(Behauptungen) negiert wer­­­­den; zugleich können deren Ter­mini nicht definit sein.
Die forma führt innerhalb dieser Unter­suchungen die ontologischen Begrif­fe.97
Ockham nennt,98 mit Wendung gegen Thomas von Aquin, dessen These oder
conclusio er zu bil­­li­gen vorgibt, einige consequentiae formales: „Quamvis conclu-
sio sit vera, ta­men iste modus po­­nen­di accipit aliqua falsa. Primo enim falsum est
quod ac­ci­pit quod communis ratio generis non est in Deo, quam­vis sit ibi propria
ratio speciei. Cuius ratio est quia im­pos­­sibile est rationem speciei de ali­­­­quo verificari
nisi ratio generis de eodem verificetur. Quia quando termini non supponunt pro se
sed pro suis inferioribus sem­per affirmative pu­re et sine distributione ‘ab inferiori ad

96. Dazu cf. ib. p. 96 lin. 14f: „Et os­tendo quod numerus non est aliqua res una absoluta per
se in ge­ne­re dis­tinc­ta re­a­li­ter a rebus numeratis.“ Wenn Zah­len und speci­es grosso mo­do par-
allelisiert werden (ib. p. 115 lin. 6–15): „pos­set di­­ci quod formae se habent sicut nu­me­ri, hoc
est de­­fi­ni­tiones, quia sicut per additionem et subtracti­o­nem vari­a­tur species nu­meri – lar­ge
accipiendo speci­em – ita est de definitionibus. Et hoc non sequitur quod nu­merus ha­bet sub se
multas spe­ci­es qua­­­rum quae­li­bet sig­nificat res unas realiter distinctas ab aliis, sed sufficit quod
sit spe­ci­es mo­do praedicto“, so gilt doch (p. 103 lin. 18): „numeri non distinguuntur specie.“
Und (p. 102 lin. 4): „omnes numeri sunt eiusdem ratio­nis“. Die for­ma numeri hat keine species
als ihren Gehalt.
97. Auch theolo­gische cf. Ord. d. 19 q. 1 OT IV p. 20 lin. 22f: „spiratio et paternitas non sunt
plures relationes, quam­vis non sunt idem for­ma­li­ter.“
98. Ord. d. 19 q. 1 OT IV p. 5 lin. 4 – p. 6 lin. 7.
448 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

superius est bona conse­quen­­­­tia’. Sicut sequitur for­ma­­liter ‘a est homo, igi­tur a est ani-
mal’, si homo et animal supponant per­­­­sonali­ter et pro rebus. Igitur si spe­cies qualitatis
et quantita­tis verificetur de Deo, cum non possit verificari de Deo nisi stet pro re et
non pro conceptu vel voce, sequitur ne­ces­sario quae genus est et si­militer quanti-
tas, verificabitur de Deo. Et ita erit formalis conse­quen­tia ‘Deus est mag­­nitudo, igi­
tur Deus est quantitas’, si magnitudo in anteceden­te sit species quantitatis; et eo­dem
modo ‘Deus est sapientia, igitur Deus est qualitas’, si sapientia sit species qua­li­tatis.
Unde ponens istam po­si­ti­o­nem, logicam ignoravit.“99 Ockham fährt fort: „Quia om-
nibus sci­entibus logicam istae regulae sunt no­tae: ab inferi­o­ri ad superius af­fir­ma­ti­ve
et sine distributione est formalis conse­quentia; de quo­­cumque praedicatur species de
eo­dem praedi­ca­tur genus; a quocumque negatur genus ab eo­dem negatur quaelibet
eius species; a su­pe­ri­o­ri ad in­fe­­ri­­us cum dis­tri­bu­tione est bona consequentia; et mul­­­­­­
tae aliae tales quae omnes per praedictam po­si­­tionem ne­gan­­­­tur, quae ta­men om­nibus
scientibus logicam sunt manifestae.“100 Ockham widerlegt Thomas ei­gens mit einer
weiteren reprobatio; das steht von seiner Behauptung ab, Thomas’ conclusio sei wahr;
dessen These wird durch Ockhams con­­­sequentiae for­males nicht bewiesen. Seine re­
probatio gegen Tho­mas mündet so:101 „Qui­a sicut ratione unius extremi – quod est
ra­tio (näm­lich ein Begriff als bloßer Begriff) – diffe­runt ra­ti­o­ne (in rein begrifflicher,
nicht realer Unterschieden­heit), ita ea­dem ratione, ratione alterius extremi – quod est
res – de­bent differre realiter.“ Sollen also Begriff und Sa­che (Gott) in rein be­griff­­licher
Unter­schie­­­denheit sich ver­hal­ten, i.e. nach der „Art“ des einen, des Begriffs, so müs­
sen sie doch, in eben derselben Unterschiedenheit, für die „Art“ des anderen, näm­lich
der res, eine rea­le Un­ter­schie­­­­denheit be­deu­ten; denn die ratio rei kann nur ‘res’ sein,
nicht aber ratio ratio­nis. Der Schluss, der in die In­duk­tion mündet, bedeutet auch,
dass aus der ratio ra­ti­o­nis nicht die ra­tio rei de­finit ge­fol­gert werden kann.102 Es kann

99. Die Editoren protestieren zugunsten des hl. Thomas (ib. Anm. 1): Dieser habe die lo­gischen
Regeln durchaus ge­­kannt; sie verweisen auf die Definition der species durch genus und diffe-
rentia spe­ci­a­lis, die Thomas „klar“ gegeben ha­be.
100. Von der zitierten definitio speciei hatte Tho­mas von Aquin (ib. p. 4 lin. 11 – p. 5 lin. 2) sich
distanziert. Das legiti­miert eventuell Ockhams Ein­wen­dun­gen. Ihre wirkliche Anknüpfung an
Thomas’ Wortlaut ist so noch nicht begrün­det.
101. Ib. p. 7 lin. 6–9.
102. NB. Die ratio conceptus ist conceptus; die ratio rei ist res, die ratio subiectum proposi-
tionis ist subiectum etc. Diese Kon­zepte stehen bereits gegen die Ontologie und las­sen Folge-
rungen zwischen ihnen (i.e. zugunsten der Onto­lo­gie) nicht zu. Ockham selbst hat eine ein-
fache, ele­mentare Lösung, die keine Ontologie mehr benutzt: Die Prä­di­kate ‘idem’, ‘aequalis’
und ‘similis’ werden von der divina essentia nicht unterschieden, sie sind nicht sy­­nonym und
werden nur ver­mö­­ge unseres em­pi­ri­schen Ge­brauchs unterschieden. Magnitudo als „species
cuius­cumque praedicamen­ti“ wird von Gott nicht prädi­ziert; sie dient nicht dem Vergleich der
personae untereinan­der. Das impliziert das Problem der An­­­wen­dung on­to­lo­gi­scher Prädikate
auf Gott. Für dieses Problem steht die re­pro­batio ein.
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 449

also nicht aus dem Begriff auf res hin ‘extrapoliert’ (gefolgert) werden, somit auch
nicht auf die Extension (Vielheit) hin; das bestimmt die Induktion.
In Ockhams reprobationes haben die Ele­mente in der Be­weis­co­da keinen Zusam-
menhang. Sie stel­len keinen Sach­verhalt dar. Er müsste anders als in der Argu­men­tati­
on er­kenn­bar hergestellt wer­den; dabei wird die Defi­nit­heit ein innerer intensionaler
Faktor. Sie wird in der re­pro­batio aus­ge­schlos­sen. Den Sachverhalt als ab­strak­­ten gibt
es nicht; das ergibt die reprobatio. Da das ab­so­lu­tum an dieser Stelle nicht durch qua-
litates, relatio­nes etc. erweitert werden kann, gibt es keinen Sach­ver­­­­halt. Es ist das
absolutum an dieser Stelle, in dieser Positi­on, mit diesem negativen Effekt Mo­ment
in Ockhams Welt­sicht. Individualität (Dingidentität) ist in der speci­es inkludiert,
wenn über die­se reflexiv im Sinn on­tologischer Re­­­la­tionsbezeichnungen reprobativ
ermittelt, i.e. Sach­ver­halt­lich­keit qua Überschrei­tung der res per Re­lation bestritten
wird. Das geschieht vorab auf dem Feld der theologia sacra mit formell em­pi­ri­schen
Be­wei­sen (reprobationes), bei denen die on­to­logischen Termini qua Anwendung auf
die Erfahrung als in­definit er­wiesen werden, also als die Erfahrung nicht gänzlich
aufschlie­ßend sich erweisen; damit ergibt die Ontologie kei­ne uni­ver­sel­len Wahrhei­
ten. Das ist ein implikatives Ergebnis der technischen Argumentation Ockhams in
der re­pro­­batio. De­­ren Charakter muss also antiontologischer Na­tur sein. Die Ontolo-
gie wird da­rin mit einem ne­ga­­ti­ven Er­gebnis auf die Empirie bezogen. Die Ontologie
selbst ist auf keinen be­stimm­­­ten Sprach­stand gerichtet; es gibt derart faktisch kein „de
virtute sermonis“. Für die sacra the­ologia macht es noch keinen Sinn, empirisch nach
Er­weis der Indefinitheit nicht mehr.103
Wir haben in der reprobativen Argumentation Ockhams die Reduktion der for-
ma auf die speci­es, welch letz­te­re in dem Sinne negativ ist, dass diese Reduktion selbst
negativ wird und jenseits der significatio statthat: wir sind mit ihr außerhalb der Ge-
genständlichkeit und wiederholen in der Art die Abstraktion der termini und Sätze
(wir haben keine ontologischen Maximen mehr) und ver­dop­peln sie; wir entgegen-
ständlichen sie; sie können for­mell keinen empirischen Bezug mehr ha­ben, der doch
noch in der Argumentation impliziert sein muss. Die spe­­cies ist reprobativ gesehen
das ne­­­­­gative Gegenstück der forma: – species. Die ontologische Grund­la­ge wird for­
mell zunächst aner­kannt.104 Die reprobationes besagen, dass die for­ma auf die species
nicht übertragen werden kön­­­ne. In actu (im Ein­zelfall) nicht und im Grunde über-
haupt nicht; denn die forma hat und meint keine sig­­­nifi­ca­tio. Im Durchlauf durch
Divisionen (fortlaufende divisio casu­um) wird das im Ein­zel­nen je wieder ermittelt.
Im Fall der zitierten Widerlegung des Thomas von Aquin ist die forma in der ratio
(rationis oder rationum) zu se­hen, die species in der ratio rei. Diese ist die res. Die re­
pro­ba­tio ist zu­­­­­en­de, wenn eine relatio mit ei­ner res als nicht dec­kungs­gleich (absurd)
oder als dec­kungsgleich (über­flüssig) sich erweist, also nicht existieren kann oder exi-
stieren muss. Wir sind jenseits der sup­­­­­po­sitions­logi­schen Identität. Zwei Prädikate

103. J. P. Beckmann hat die Rolle dieser Formel überbetont.


104. Cf. Ord. 24 q. 2 OT IV p. 93 lin. 11f: „Nam omnis species habet aliquam formam per quam
est una specifi­ce.“
450 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

sind gleichartig oder aber sie haben kei­ne iden­ti­sche Supposition. Nicht sich dec­kend
verweist auf die Induktion, deckungsgleich auf die per­­suasio, die hier nicht mehr in-
einander überge­hen. Ockham bettet nun seine reprobati­ven Beweise in die On­­tologie
ein, die genau in dem Sinne nicht mehr schließt, wie mit der Indefi­nit­heit der ontologi­
schen termini auch keine Logik mehr gegeben ist; es sei denn man will in der divi-
sio ca­suum einen or­do casuum erkennen, den man aber nicht erweist. Er wird bei
Ockham den Ma­xi­men entnom­men, die er schon hat (sich vorgibt); Ockham kann
aber so Thesen bewei­sen, die er mit niemandem teilt.105 Alle sind nämlich anderer
Ansicht:106 „Contra istas opiniones ar­guo. Pri­mo in generali con­tra conclusionem
communem in qua omnes homines con­cor­dant com­mu­niter. Et ostendo quod nu­me­
rus non est aliqua res una absoluta per se genere distincta realiter a nu­meratis.“ Wir
erhalten hier immer empirische Relevanzen ohne indizierte empirische Qualität. Sei­
ne generel­le These be­weist Ock­­ham zunächst induktiv, indem er zeigt, dass die Zahl
3 bei drei un­ter­schiedenen Quantitäten a, b, c schon besteht, wenn man nur diese
Quantitäten sieht: „Sed non pos­sunt esse tres quantitates si­ne nu­mero ter­na­rio. Igitur
istis, puta a, b, c, positis, omni alio cir­cum­scripto, vere po­ni­tur numerus. Ergo etc.“ Es
kann aber nicht verkannt werden, dass damit die Zahl 3 über die Drei­heit als seiend
und nach Ockhams Meinung mit der Dreiheit von Din­gen gar Quantitäten iden­tisch
bewiesen wor­den ist.107 Daraus darf nun nach Ockham nicht der Schluss ge­zo­gen
werden, dass die die Zahl ‘ali­quid reale’ sei. Die forma ad­di­ta kann auch nicht der
unitas und nicht über sie den Dingen oder Quan­­titäten (‘Mengen’) beigefügt wer-
den. „Igi­­tur mul­to magis duae unitates pot­e­runt esse sine tali forma resultante et sine
numero, quod est impossibile, vi­­delicet quod sint duae si­ne dualitate.“ Es gibt keine
forma dualitatis; aber die dualitas gibt es. Auch hier haben wir ei­nen or­do casuum,
der nur im Beweis (reprobatio) existiert, nicht extra oder praeter pro­bati­o­nem.
Ockham beweist keine Relationen, was ja auch hätte heißen müssen, sie in logi-
scher Form in­halt­­lich auffüllen, d. h. ‘Beweis’ und implizit inhaltliche Kombinatio-
nen108 vereinigen zu können. Da­ge­gen setzt Ockham die Reduktion der Relationen

105. In Ord. d. 24 q. 2 OT IV pp. 90–121 gegen die opi­ni­ones von Tho­mas Aquinas, Heinrich
von Gent und Duns Sco­tus.
106. Ib. p. 96 lin. 12–15. Dann ib. lin. 16–20, dann p. 98 lin. 11–13.
107. Ähnlich wird die Menge der Permutationen von 6 Gegenständen P(6), etwa nummeriert
mit 1, …, 6, errechnet, in­dem man sich denkt, dass jeder Gegenstand (jede Zahl) einmal an
erster Stelle stehe, während die übrigen permutiert wür­­den, damit hat man 6 P(5) usw. Die
Zah­len mögen qualitativ voneinander gebraucht worden sein; sie ergeben doch ein ‘einfa­ches’
quan­ti­ta­­tives Produkt, das seiner Seinsart nach aliquomodo untergeordnet erscheinen mag.
108. Die inhaltliche Kombination müsste immer implizit erfolgen bzw. gelten, während die lo-
gische Form, die beim Voll­­­­­zug der Kombination(en) als deren eigentliche Realisation anstünde
und notwendig wäre, mithin deren Synthesis ab­gä­be, dazu sich noch äu­ßer­lich verhielte. Die
logische Form wäre inhaltlich noch nicht mitgegeben. Sie kann aber so noch nicht a limine
als ‘a priori’ gelten. Ockham kann seinen, womöglich alogischen Beweisen, einen prä-existen-
ten Wahrheitswert natürlich schlecht geben. Was er für geboten hält, ruht im Argument. Es
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 451

auf Identitäten, mit denen er die ratio der­je­nigen ‘Gegenstände’ ausspricht, die in
der Form der mentalen Deputate vorliegen. Diese stehen als solche auf der Seite der
Widerlegungsmomente. Die res selbst ist Äquivalent oder Repräsentant der Im­pos­­­­si­
bilität,109 nicht anders als die propositio contingens, welche keinen Ableitungs­charakter
ha­ben kann. Gelegentlich wird damit eine Ableitung oder Widerlegung ergänzt, ver-
vollkommnet, ab­ge­schlos­sen, aufgefangen oder auch recht eigentlich sistiert.110 Die

‘existiert’ so nicht, was im Ar­gu­ment erst unterbreitet, i.e. negiert oder bestritten wird. ‘Beweise’
existieren so zwangsläufig erst, wie Wittgenstein meinte, wenn sie geführt und in der Weise
realisiert (‘ge­schaf­fen’) wor­den sind. Ockham operiert für den Menschen – u. a. mithilfe des
Omnipotenzprinzips. Eine auf Not­wen­dig­keit festgelegte Logik kann dabei nicht einmal das
Thema sein, wenn es um Ockhams Beweise geht und zwar in­halt­lich und formal, wie alle Bele-
ge in diesem Kapitel erweisen. Eine platonische Existenz (Präexistenz) oder Ide­enschau ma­cht
bei Ockhams Beweisen und für Ockham überhaupt nicht Sinn, da sie Ne­­ga­­tionen darbieten
oder enthalten bzw. Möglichkeiten oder Kompatibilitäten. Ockham würde hier widerlegen
können (müssen). Auch Gott kann nicht der Hort dieser Beweise sein, weil das Be­wei­sen, auf
das Ockham fraglos den Akzent legt, so dass es regulativ ist, in dem Sinne Gott nicht enthalten
und um­fas­sen kann und auch ein Satz, dass Gott etwas notwendig enthalte, was nicht er selbst
sei, für Ockham grundlegend keinen Sinn macht. So gel­ten kontingente Sätze als Satztypen
für Aussagen über Gott und gilt eben das Omnipotenz­prin­­zip nicht in­halt­lich, wie ja noch
hier Ockhams reprobationes zeigen. Ein Beweis, der in Gott notwendig wäre, im Menschen
Ock­ham aber Zü­ge der Kontingenz bis in die Erfindung hineintrüge, wäre ein unicum und
absur­d in einem.
109. Immer im Sinne von Beweisbarkeit, stärker noch Nichtbeweisbarkeit. So ist nicht beweis-
bar, dass wir keine reale Er­­­kenntnis extramentaler res besäßen und nicht beweisbar, dass wir
alle existierenden res extra mentem erkennten. In letz­terem Fall wäre der positive gegenteilige
Glaube, dass wir alles Existierende extra nos erkennen könnten, wobei wir ja wohl die res un-
ter species zu subsumieren oder auch mit ihnen identifizierbare relationes anzusetzen hätten,
notwen­dig schon auf deduktive Erkenntnisverfahren umzulegen, die selbst wieder förmlich
mit empirischen Grunderkenntnis­sen oder Standardaussagen gleichzusetzen oder zu ‘vermi-
schen’ wären. Das kann nach dem Modus von Ockhams Be­­weisführungen, deren Ergebnissen
sowohl wie seinen Grundannahmen nicht unterstellt werden. Für Duns Scotus ist es immer
anzunehmen oder jedenfalls nicht auszuschließen; es ist auch nicht auszuschließen, dass in alle
Interpretationen, bei denen Duns Scotus insbesondere glorios erscheinen soll, solche Verquic-
kung entweder nicht berücksichtigt und be­rei­nigt wurde oder gerade den eigentlichen Grund
der Deutung ausmacht, die damit quasi als petitio principii erschei­nen muss oder als auf einer
solchen aufbauend und beruhend.
110. In der sacra theologia haben wir im Bereich der Personen, ihrer Unterscheidungen oder
Verhältnisse wesentlich kon­­­tingente Aussagen; um sie scharen sich bei Ockham in den entspre-
chenden theologischen Erörterungen ‘Deduk­tio­nen’; zur Deduktion im Sinne der Notwendi-
gkeit gelangen wir nicht. Nur der Sohn schließt sich nach Ockham die na­tu­ra humana an, nicht
die divina essentia in toto. Ockham führt dafür das Ökonomieprinzip an (Rep. III, q. 1 OT VI
p. 17 lin. 7–10): „pluralitas non est ponenda sine ne­ces­sitate; sed omnia possunt aequaliter sal-
vari per solam unionem ad proprietatem sine illa unione essentiae sicut cum illa; igitur super-
fluum est ponere illa.“ Ockham gibt den Beweis (ib. p. 16 lin. 9–21): „Quia sicut una proprietas
452 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Relation gelangt nicht bis zur res. Das ist das Geheimnis des Nominalismus. Nicht ist
es dessen genuine Natur, dass die res nicht ad­ae­quat aufgefasst werden könne. Dass
es im Sinne der Konzeption von Argumentation und Be­weis nicht auszuschließen sei,
sofern res und relatio oder andere ontologische Konzepte als zweite und dop­­pelte Na-
tur der res identifiziert würden, ist nominalistische Quint­es­senz.111 In derselben Wei­se
ist die Kausalität nicht beweisbar112 und dies eben auch nicht im Bereich der Mentali-

est in una persona et non in alia, ita si illa proprietas terminet unionem, per­so­na illa cuius est
proprietas dicitur uni­ta et non alia. Quod autem proprietas sit ratio terminandi istam unionem
et non essentia, probatur: quia quan­do­cumque in aliquo supposito perfecto et independenti est
aliqua ratio terminandi uni­o­nem quae est ad illud sup­po­situm et non ad alterum, si illud sup-
positum sit unitum et non alterum, illa ratio terminabit illam unionem. Si­cut enim ratio agendi
non potest esse in supposito agente actionem sibi propriam nisi suppositum agat per il­lam ra­
tionem, ista ratio terminandi unionem aliquam non potest esse in supposito terminante, – ita
quod non ali­ud ter­mi­net –, nisi per illam rationem suppositum terminet.“ Das wird dann im
Grunde nur begrifflich auf den Sohn über­tra­­gen (cf. ib. p. 16 lin. 21 – p. 17 lin. 6). Der eigentli-
che Grund ist aber, dass die ratio (agendi oder terminan­di) auf ei­ner höheren Stufe angesiedelt
als das suppositum, doch förmlich mit dem suppositum identifiziert wer­den und überein­stim­
men muss; so erscheint die Argumentation als eine induktive. Sie lässt den termini, die wir für
die divina essentia und ihrer personae und eben auch deren proprietates, keinen anderen und
weiteren logi­schen Raum. So wie denn auch die di­­vina potentia absoluta diesen angibt und
definiert. Der Raum von denkba­ren Wi­derlegungen wird hier wie dort ab­­­­ge­schnitten. Ockham
operiert im Sinne von Präventionen.
111. Dies macht ja die Kritik Autrecourts so wesenlos. Er fordert praktisch empirische (empi-
riewertige) Be­weise mit on­tologisch formulierten Ausweisen, wo es interner Inhalt und Gehalt
in Ockhams Beweisen ist, dass dies nicht mög­lich sei. Er forderte diese Erkenntnisse als unum-
wunden evidente; die vermisst er. Ockham hatte (ar­gu­mentativ ge­bunden!) Un­möglichkeiten
oder Zulässigkeiten mangels Gegenbeweis oder Widerlegung oder qua höherer Wahr­schein­
lichkeit und Plausibilität dargetan.
112. Es kann für Ockham (Rep. II, q. 3–4 OT V p. 72 lin. 21 – p. 72 lin. 22) auch nicht bewiesen
werden, dass eine Wir­­kung von einer causa secunda hervorgerufen werde; das wiederum
beweist Ockham. Allgemeinheit der Nicht­beweis­bar­keit oder Nichtbeweisbarkeit, dass etwas
(aliquid) keine causa in Bezug auf etwas anderes (ei­nen ef­fectus) sei, fal­len aber beweistheore-
tisch zusammen, wie sich am Wortlaut zeigt und für den Beweis (per­sua­sio) wohl evident ist,
wenn er aus akzidentel­len Umständen im Sinne der Nichtschließbarkeit in deren Zu­sam­men­­
hang geltend macht, dass die causa prima und die causa secunda, wenn in reali benachbart
hinsicht­lich ihrer Wirkung nicht getrennt oder nicht getrennt aus­­gemacht werden können. „Ex
hoc sequitur (nämlich da­raus, dass die causae secundae nicht überflüs­sig sei­en, weil Gott nicht
immer oder überall – in qualibet actione – gemäß seiner ganzen Macht agiere) quod non pot­est
de­mon­strari quod aliquis effectus producitur a cau­sa se­cun­da.“ Denn wo sich das Feuer etwas
Brennbarem nähert, kann es vorkommen, dass es nach Gottes Willen doch nicht das Feuer
ist, dass das combustibile in Flam­men setze: „cum hoc tamen potest stare quod ignis non sit
causa eius. Quia Deus potuit ordinasse (Vergangen­heit!) quod semper ad prae­sen­ti­am ignis (!)
passo ap­pro­xima­to ipse solus causaret combustionem.“ Das Feuer ist also nahe, entflammt aber
doch nicht. Ebenso kann Gott an­ge­ordnet haben „quod ad prolationem certorum ver­bo­rum
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 453

tät (men­talen Akte) zwischen deren notitiae. Dabei kann bei Ockham auch noch die
Kausalität als Ver­hältnis zwi­­schen Sätzen mit einer unbestimmten Referenz auf eine
causa in Sachen und Indivi­duen ver­bunden werden, die eine Verbindung zwischen
verschiedenen Gegenständen oder Perso­nen (Gott und Mensch) besagen können soll.
Dabei kann der Begriff der causa (ebenso wie der der Empirie) nicht weiter als geklärt
vorausgesetzt werden, als er bis jetzt geklärt wurde.113

causaretur gratia in anima.“ Es ist also offenbar so, dass die Be­din­gungen einer Wirkung ni-
cht ‘in aliqua re’ mit Relationen bestünden, die in rebus vor­find­­­lich, über sie doch auch hin-
ausgegriffen und vermeintlich In­ter­akti­o­nen auslösen könnten. „Ideo non est mirabi­le si non
posset de­mon­strari quod aliquid sit causa.“ Das gilt aber wie und weil Gott „dicitur (!) age-
re mediantibus cau­sis se­cun­dis quia coagit (!) cum illis vel producat illud quod pro­du­cunt
causae secundae, et ita immediate sicut cau­sae se­­cun­­dae.“ Damit gibt es im Grunde eine/die
Un­unterscheidbarkeit von causa prima und causa secunda in actione reali aliqua, welche den
effectus hervor­bringt und die Nichtbeweisbarkeit der Nichtalleinwirksamheit der causae se-
cundae, die ja alle concursu Dei wir­ken und dies im Sinne der Bewahrung der Welt (also nach
der Defi­nit­heit ihrer Ge­set­ze se­cun­dum le­gem com­mu­nem). Eben diese Bewahrung der Welt
legitimiert schließlich die Induktion. Sie aber lie­­fert (un­ter­­hält) damit den Gottesbeweis. So gilt
ib. p. 73 lin. 16–18: „Et se­cun­da depen­det a prima, non tantum quia accipit es­se a prima, sed quia
conservatur ab ea, et non potest secunda producere nisi prima producat (!).“ Das gilt be­griff­lich
nicht bloß von Gott und causae secundae, sondern (ib. lin. 18–21) von allen ‘causae essentialiter
ordi­na­tae’. Gott ist bei seinen ‘Verquickungen’ mit einer causa secunda nicht ei­ne causa totalis.
Cf. ib. p. 63 lin. 19–25: „causa to­ta­lis est il­la qua posita, omni alio circumscripto, ponitur effec­tus
si sit totalis causa de facto, vel potest poni si sit causa to­talis de pos­sibili. Nunc autem quando
Deus con­cur­rit cum causa secunda, licet posset producere effectum sine causa secun­da, et per
consequens potest esse cau­sa tota­lis, tamen de facto non producit sine causa secunda. Et per
consequens de fac­to non sit causa totalis.“
113. Ockham­ setzt von der consequentia formalis die consequentia naturalis ab. L. Baudry,
1958 p. 54 sucht nach der ge­nau­en De­fi­ni­tion oder Be­schrei­bung für sie bei Ockham und schlägt
con­séquence nécessaire vor. Ockham frei­lich sagt Ord. d. 41 q. unica OT IV 4 pp. 597–610,
wo er nach den in der creatura gelegenen Ursachen (cau­sae) für die gött­li­che prae­des­ti­na­tio
oder reproba­tio fragt (p. 605 lin. 17 – p. 606 lin. 6): „Alio modo accipi­tur causa, non pro re
ali­qua (wel­che causa sein könnte, wenn mit ihrer Gegebenheit etwas anderes gegeben sei, das
nicht gegeben wä­re, wenn nicht je­ne gegeben wäre) respectu al­te­rius rei, sed magis denotat
quamdam priori­ta­tem unius propositi­o­nis ad aliam se­cun­dum consequen­ti­­am. Sicut si dica­
mus quod causa quare ignis non cale­fa­cit est quia non habet calorem vel quia non est ap­­pro­
xi­ma­­tus passo.“ Auch die Bei­­spie­le zeigen, dass es wohl nicht um reelle Ursa­chen sich han­d­le,
allenfalls um ‘un­be­kannte’; Ockham fährt fort „Et sic dicitur frequenter quod antecedens est
causa conse­quen­tis, et tamen non est pro­prie nec causa efficiens nec ma­te­rialis nec formalis
nec finalis. Unde quan­do ab una propositione ad aliam est con­se­quen­tia naturalis et non e
conver­so, tunc potest aliquo modo dici quod antecedens est causa consequentis et non e con­­
verso. Ve­­rumtamen hoc vel raro vel nun­quam contingit nisi quia in re aliquid est causa alterius,
vel potest esse vel fu­it.“ Doch soll offenbar nicht die no­ti­tia unius propositi­o­nis oder notitia
an­tece­den­tis für die conse­quen­tia und/= Kau­sal­­verbin­dung relevant sein. Ockham kommt da­
rauf zurück, wenn er in der Schlussantwort auf die quaestio (wie schon p. 598 lin. 12–15) den
454 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham befreit die ‘Rationalität’ oder „Logik“, die seit Aristoteles der Auslegung
der Sprache folg­­­­­ten und lässt Dogmen zu, soweit sie widerspruchsfrei ausgedrückt
werden können, i.e. soweit wie für Beweisführungen das Wider­spruchsmo­ment selbst
grundlegend beseitigt werden kann. Da­zu wird die un­ableitbare propositio con­tin­
gens benötigt. Sie verkörpert das Wider­spruchsfreiheits­mo­­ment inhaltlich und, in
Be­zug auf Gel­­tung unaus­ge­­­legt, Impossibilität. Im suppositionslogisch inakzeptablen
Satz wird die Impossibilität direkt ausgedrückt. Das Dogma verliert je­de Überein­set­
zung mit der Rationalität und ist so unbestimmt. Hier tut Ockham auch den Schritt
über Aristote­les und alle Scholastik hinaus. Ockham bestimmt etwa die causa (i.e. das
‘Verhältnis’ von causa und effectus) vom effectus her114 und über­trägt das auf Gott,
wenn er den Satz ‘Deus est creans’ bzw. ‘Deus est creator’ untersucht. Sie haben ihre
Recht­mä­ßigkeit (Zulässigkeit) aus der empiri­schen Auf­fassung von diesem ‘Verhält-
nis’ von causa und effectus, dem sie lediglich nicht wider­strei­ten können, solange die
grundsätzlichen Begriffsverständnisse festgehalten werden (können). Sollte dies nicht
mehr möglich sein, ergeben sich Widersprüche. Wenn sich Widersprüche ergeben,
wer­den diese dadurch ausgeräumt (beseitigt), dass beweisförmig Nebenbestimmun-
gen im Satz als Be­stimmun­gen (Kategorien) der Elemente dieses Satzes in Bezug auf
die Realität mit dieser (ei­ner res) nicht sich dec­kend erwiesen werden können. Das
ergibt einen Widerspruch und eine Dif­fe­renz zu Aristoteles, die darin beste­hen, dass
Beweis und Realwertigkeit nicht gänzlich und von vorn­her­ein gleichgesetzt werden
können; wir kön­nen die Prinzipien von der Realität trennen und wenn sie auf diese
angewandt werden können, haben wir einen In­duktionsgrund auch für die An­wen­
dung der menschlichen termini und Verständnisse auf Gott, der zugleich lo­gisch gilt.
Wo die Ab­straktion nicht mehr – wie bei der Induktion – empirisch gilt, kann sie

gleich­sam über­welt­­lichen Bezug der ter­mi­ni praedestinatio und reprobatio gegen die darin nur
konno­tier­te cre­atura festhält (cf. ib. p. 610 lin. 7–14): „di­­cen­dum est quod nullum temporale
est causa alterius aeter­ni, et ideo reprobatio non est ali­qua una res aeterna quae habeat cau-
sam in creatura. Sed ista propositio ‘Deus reprobat is­tum’, quae est ab ae­ter­no vera, bene habet
causam, illo modo quo dicitur quod antecedens est causa consequen­tis. Et il­lud antece­dens est
ita aeternum sicut consequens. Quia antecedens est istud ‘iste peccabit finaliter’ et is­ta fuit ab
ae­ter­no vera, sicut ista ‘Deus repro­bat istum’.“ Ockham sieht den Bezug zur Na­turphilosophie
mit analogen Sätzen. Auch da soll „aliquid in re causa alte­ri­us“ sein; auch da bleibt die causa
oder species cau­sae unumschrieben. Die Ur­sa­che wird als bloß denkbare oder ein­mal gewesene
zugelassen. Offen ist, ob res ut causa oder ali­quid in re ad causati­o­nem ne­ces­sa­­ri­um vergli­chen
werden können oder in actu unvergleichbar sein sol­len. Ne­ga­tive (aus­blei­ben­­­de) Faktoren sind
schlecht als causae von effectus auszumachen, die je auch wieder nur ne­ga­tiv um­schrie­­ben wer­
den: dass eine Er­wär­­­mung nicht eintrete oder eine Nicht­er­wählung creaturae a parte Dei. Es
geht offenbar nicht um die empirisch ver­stan­de­nen causa per accidens und causa es­­sentialis.
114. Rep. II, q. 1 OT V p. 25 lin. 11–15: „effectus est fundamentum vel terminus cuiuslibet re-
spectus qui est inter effec­tum et causam, quia est fundamentum effectus ad causam, et est ter-
minus respectus causae ad effectum.“ Dabei gilt der Satz (Prinzip) ib. lin. 8f: „respectus est
posterior suo fundamento et termino.“ Daraus folgt (ib. lin. 19f: „Sed effectus est pri­­or respectu
fundato in eo, igitur est prior respectu fundato in causa.“
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 455

wahr­­­scheinlich wi­der­legt werden.115 Denn die empirischen Termini schließen keine


logische Gliede­rung ein, durch die sie ver­bun­den und befestigt, also im Sinne eines
qui pro quo definiert wären.116
Ockham rationalisiert das christliche Dogma vermittelst des kontingenten Sat-
zes.117 Dieser be­kommt durch eine in­ten­si­o­na­le Deutung fast die Stellung einer pro­­
po­s­itio ne­ces­sa­ria:118 von Gott werden contradictoria ‘verifiziert’, weil er nach der
cre­a­tio creaturae, die zuvor nicht war, creator genannt werden kann. Zwischen Gott
und creatura be­steht eine distinctio re­alis. So gilt:119 „dico quod sic ori­tur illa deno-
minatio ‘Deus est creans’ ex na­tura rei: quod quan­do Deus coexsistit cre­a­tu­rae, tunc
habet istam denomina­ti­o­nem sine omni opera­ti­one intel­lec­tus et omni re­la­tione reali.
Et quando non coexsistit, tunc non oritur.“ Doch lehnt Ockham gegen Duns Sco­­tus
hier eine relatio re­­­­alis ab. Der hatte gesagt:120 „ex na­tura ex­tre­morum sequatur ipsa
ta­lis rela­tio (realis) absque ope­re alterius potentiae, comparantis unum ex­tre­mum
alteri.“ Ockham er­kennt diese – dritte – Sco­ti­­­sche Bedingung für eine re­la­tio realis

115. Ockham verlässt nur nie die Ebene sprachlicher Auslegung von Sätzen, bei der, was diese
im Bezug auf die res be­sa­gen können (sollen), ontologisch soweit ausgedeutet werden können
muss, wie Widersprüche entfallen; sie fallen be­weistheoretisch nach den ontologischen Aus-
drücken zuerst auf. Das bedeu­tet es zugleich, dass Prin­zi­pien eine logi­sche Funktion haben
können und gegen den expliziten semantischen (Wahrheits-)Wert stehen.
116. Eine solche Gliederung alias ‘Identität’ mit gleichzeitiger empirischer Geltung bei Annah-
me ontologischer Maxi­men, die er postulativ kreditieren will, nimmt W. Chatton an, mit jedem
Satz, der ihm vorkommt.
117. Dazu gehört auch noch die propositio immediata mit Sätzen der natürlichen Theologie
bzw. Sät­zen, die zum Heil nö­­tig sind, wie ‘Deus est sapiens’; sie unterhalten das Heilssystem,
begründen den ordo sa­lu­tis etc. Sie kön­­nen nicht per po­tentiam divinam absolutam suspendiert
wer­den. Aber ihre begrifflichen Ele­men­te könnten per po­ten­tiam divinam absolutam ersetzt
werden. Sie können in Syllogismen eingeordnet werden und sind so wie empirische Sätze per
con­se­quen­tiam formalem gehalten oder gerechtfertigt. Wenn nach Ockham die causa in se nach
‘ihren’ empirischen Be­din­gungen nicht erkennbar ist, causalitas an sich nicht aufgeschlüsselt
und erkannt werden kann und so denn auch sub­iec­tum und praedicatum nach ihrem Verhältnis
nicht Gegenstand der Erkenntnis sein können, die Form der Erkenntnis nicht den Satz nach
seinen Teilen aufnimmt, um ihn als den Zusammenhang dieser Elemente zu erkennen (womit,
wie Ockham er­kennt, der Satz redupliziert würde), so ist für Ockham in einem anderen Me-
dium oder bei einem anderen or­do mundi als der den wir kennen, ein solcher Aufschluss, die
Erkenntnis von causae, etwa bei der Bildung des Don­ners, und so­mit wahrscheinlich eine Wahr-
nehmung der causalitas in se sehr wohl denkbar, d. h. wohl nicht ausge­schlos­­­sen und ne­ben den
Vorstellungen (Begriffen, Sätzen) unserer Erkenntnis (und deren Klassifikationen) mög­lich.
118. Rep. II, q. 1 OT V p. 26 lin. 5–14.
119. Ib. lin. 11–14.
120. Ordinatio, I, d. 31 q. unica, n. 6 ed. Vaticana, VI, 204 (laut Ed. ib. p. 3 Anmerkung 1).
456 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

prinzipiell aber nicht an die­ser Stel­le an.121 Sie wird hier nicht eingesehen und kann
hier nicht be­grün­det werden. Hier werden die extrema nicht in ih­rem Ver­­­­­hältnis di-
rekt oder den Satz beglei­tend eingesehen, so wie Ockham es ablehnt, dass dann, wenn
die ratio unius ter­mini be­ste­he und angenommen wird, der terminus auch, gleich­sam
zwangs­läu­fig, sub ratione is­ti­us termini apprehendiert oder eingesehen wer­de.122 Die-
sen unbe­dingten Un­ter­schied kann Duns Scotus gerade auch logisch nicht ma­chen,
we­der hinsichtlich der von ihm on­to­lo­gi­sier­ten Logik noch hinsichtlich der von ihm
praktizierten De­duktionsart, deren Ei­gen­tüm­lich­keit die Ver­­­­­bindung der Prädi­ka­te
im Sin­ne der Vorgabe und des Vollzuges ist. Man kann die Prä­di­kate mit­­­­tels der po-
tentia divina ab­so­lu­ta nach Trennung und Ver­einigung beider an­ord­­nen. Das be­deutet
für subiectum und praedica­tum, forma und mate­ria, sub­stantia und acci­dens und
schließ­lich suppo­si­tum divi­num und na­tura humana in Christo eine distinctio rea-
lis.123 Sie wird nicht Teil des Satzes und nicht Zielpunkt seiner realempirischen Ausle­

121. Ib. p. 26 lin. 15f.


122. Cf. ib. p. 23 lin. 6–16: „Et sicut dictum est de subiecto et praedicato, ita dicendum est de
genere et differentia, quia genus dicit unum conceptum absolutum praedicabilem de pluribus
differentibus specie, ita quod significat illum con­cep­­­­­tum et connotat illa plura de quibus prae-
dicatur. Et licet possim intelligere conceptum illum absolutum, non tamen sub ratione generis.
Tamen non possum intelligere illum conceptum et illa de quibus immediate praedicatur et a
quibus immediate abstrahitur nisi intelligam rationem generis, sive intelligam illa eodem actu
sive distincto actu. Sed propter hoc quod intelligo talia plura, nullum habeo respectum rationis,
igitur etc.“ Wir können nach Ockham nicht ‘in’ Be­grif­fe hineinsehen und danach gemäß der
Bedeutung der Sätze das Verhältnis dieser Begriffe, der extrema dieser Sätze. So werden on-
tologische Begriffe auf Sätze, um sie und ihren Inhalt als Verhältnis der Begriffe zu erkennen,
nicht ange­wandt werden kön­­nen, was übrigens eine doppelte Erkenntnis in einem, nebenei-
nander und mit Bezug aufeinander be­sa­gen müsste. Ock­­ham erwägt (ib. p. 18 lin. 3–10), ob
der „conceptus copulae includat conceptum absolutum subiecti et prae­dicati vel est con­cep­tus
distinctus ab utroque” und bringt für die erste Möglichkeit eine ontologische Anwen­dung des
Begriffs ‘for­ma’ durch Duns Scotus ins Spiel (ib. 5–7): „Si primo modo, tunc conceptus copulae
esset quasi (!) for­ma totius com­­­­­­­plexi, distinctus aliquo modo a partibus coniunctim et divisim,
sicut ponit Ioannes (= Duns Sco­tus) de for­ma in re extra.“ Damit beruht die Anwendung auf
einer Entleihung kraft Beispiel. Ed. zi­tie­rt ib. p. 18 Anm. die Quel­le Sco­­tus, Opus Oxon. III, d. 2,
q. 2, n. 9 und bemerkt am Ende: „Inceptor, ut pla­num est, male intellexit vel in ma­lam par­tem
de­tor­sit dicta Doctoris Subtilis.“ Duns Scotus hatte zwischen forma partis und forma totius
unterschie­den; Ockham hat es m. E. korrekt wiedergegeben. Nach ihm ist die Un­terscheidung
widerlegbar (absurdum): eine for­ma totius kann nicht ne­ben einer forma partis beste­hen.
123. Die potentia divina absoluta supranaturaliter loquendo kommt hier auf eine distinctio
realis zurück und setzt sie in Ap­position zum Satz, während die potentia divina absoluta natu-
raliter loquendo von der distinctio realis ausging. Cf. da­­zu ib. p. 15 lin. 2 – p. 16 lin. 2. Dabei hält
Ockham seine Deutung für grundlegend und jede andere für eine unzu­läs­si­ge Umdeutung (cf.
ib. p. 15 lin. 21 – p. 16 lin. 2): „Nec ista possunt eva­di per modos grammaticales sive logicales, quia
si nullus intellectus esset, nec aliquis modus grammaticalis vel logica­lis, adhuc possent extrema
contradictionis suc­­­­­cessive verificari de aliquibus, ut patet in exemplis iam positis.“ Ockham
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 457

gung und Wahr­heits­deu­­tung. Sie wird zur Fik­tion des in ihr reallo­gisch Ausgeschlos-
senen.124 So ist sie denn auch auf die po­tentia di­­­vina ab­­so­lu­ta be­ziehbar.125 Gott u. a.
kann sie schaffen und sie wird Vor­aus­setzung des ‘Sat­­zes’, in dem sie nicht vor­­­kommt
oder enthal­ten ist und der danach, wiewohl (dem Typus nach) kontin­gent, ab­so­­­lut
gelten kön­ne, i.e. nicht zu be­anstanden, sondern einzuräu­men sei.126 Das wird er-
reicht, in­dem ontolo­gi­sche Bestimmungen, die dem Satz zuerst beigefügt werden, per
argumentum als für ihn und seine Er­klä­rung nicht tauglich dann entfernt werden,
so dass damit die Definitheit der Be­grif­fe (bei Vor­ge­gebenheit der Sätze), indem die
ontologischen Bestimmungen intensional beiseite getan werden, das Ergebnis ist; die
Be­grif­fe können derartig keine Im­pli­ka­tion der Begriffe in­ein­ander (d. d. des ei­nen im
an­deren) ‘besagen’.127 Damit können aber auch keine Ermittlungen (Be­stä­­­ti­gungen)

betrachtet seine ‘exempla’ als gleich­wer­tig. Alles weist darauf, dass Ockham eine grundlegen-
de beweistheoretische oder logische Qualität für seine Ar­gu­men­­­­ta­­­­tion annimmt und mit ihr
zugleich eine Begründung in der Sache ansetzt: Verifikation auch bei ei­nem hypo­the­­ti­schen
Modus und abstrakter Darlegung per potentiam divinam absolutam, ein gewisser Vorgriff auf
den intellectus und dann erst sprechen die grammatische und logische Ordnung. Sie stören
nicht seine abstrakte Begründung.
124. Wir müssen zwischen abstrakter Erörterung (Beweis im Allgemeinen) und der proposi-
tio contingens, die für die Re­a­lität (‘Wahrheit’) nochmal im Besonderen steht, eine Trennlinie
ziehen. So kann die abstrakte na­tu­ra assumpta in ei­ner distinctio realis zur substantia oder zum
suppositum divinum ge­se­hen werden. Hier sagt Ockham (ib. p. 15 lin. 2 – p. 16 lin. 2): „si Deus
dimitteret naturam assumptam et post acciperet eam, tunc non di­ce­retur Filius Dei unitus na­tu­
rae et post diceretur unitus; et similiter de natura as­sump­ta.” In dem Sinne muss sie wie das ac-
cidens im Verhältnis zur sub­­­­stantia gesehen werden, die auch ab­strakt betrachtet werden kann.
Da­nach kann dann auch die inhaerentia be­trach­tet werden; insofern gibt es kei­nen logi­schen
Grund die potentia di­vi­na ab­­soluta supranaturaliter loquendo als Schö­pfe­­rin der distinctio rea-
lis zwi­schen substantia und accidens, essen­tia und natura assumpta nicht zuzulassen (sie aus­zu­
schlie­ßen) oder sie für un­ver­ein­bar mit dem kontingenten Satz zu halten, der ja auch die Sätze
der sacra theologia tra­gen kann und soll (muss) und über jene inhaerentia be­­zeich­net wird,
die nicht als Klammer der Begriffe qua direkter (in­­ten­sionaler, mo­da­­ler) Bestimmung der unio
ex­tre­morum in der propositio contingens auftreten (= in Erscheinung tre­­­­­ten) darf. Ein Satz
darf nie die Prä­di­kation einer realen Bedeutung erhalten, die dann auch von ihm unmittel­bar
in re­a­li, also ‘erfüllt’ zu sein hät­te (sein soll). Der kontingente Satz gilt (steht) ganz strikt für die
Realität extra mentem.
125. Im Sinne der grundlegend und unbedingt als unumgänglich anzusehenden Abstraktion.
126. In der Realwelt ist die distinctio realis per se gegeben, etwa wenn wir das Feuer dem Was-
ser annähern (ib. p. 15 lin. 19): „Igitur necessario approximatio erit respectus realis.“ Cf. aber
auch p. 24 lin. 6. Das kann nicht unbedingt auf den Satz über­tra­gen werden. cf. ib. p. 24 lin. 6.
127. Ockham ermittelt über Sätze; er ermittelt Sätze und zwar nicht für res, von denen sie dann
erwiesenermaßen zu gel­ten hätten, sondern nach einer in se dann nicht mehr zu beanstanden-
den Annäherung an die res. Diese Annäherung ist nötig und wird durch die Sätze geleistet oder
repräsentiert und in dem Sinne treten bei Ockham solche, im Grun­de, d. h. dem Typus nach
kontingenten Sätze, selbst noch nach langwierigen Erörterungen explizit in Funktion. Selbst
458 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

des Satzes per ar­gu­mentum ex negativo erfolgen und keine indirekten Beweise für die
angewand­ten on­­­­tologi­schen Begriffe in ihrem Verhältnis eintreten, so dass dieses Ver­
hält­nis als Ge­samt­mei­nung des complexum bewiesen worden wäre.128 Die zukünftige
neuzeitliche Spekulation hielt diese met­ho­­dische Grenze nur bedingt ein und blieb
dadurch pseudologisch in der Nähe von Theologie und Ontologie, und vor allem
blieb sie vermöge eines beständigen ‘qui pro quo’ Interpretation.129
Ockham nahm re­ale Erkenntnis (Er­kenn­barkeit) der res extra nos an und be­stritt
sie nicht nur nicht; aber er drückt sie nicht nach Elementen der Ontologie im Sinn
ei­ner redu­pli­zier­ten Fak­tur oder Spie­­gelung der res aus, auch nicht im Sinne einer
quasi auto­no­men und ab­so­lu­­ten Be­stim­­mung der Sätze und ihrer Bestandteile) neben
der res und gegen sie. Es gibt derart kei­ne Be­stim­mung der Be­­grif­­fe, mit der sie ihr
Verhältnis im Satz hätten, also die res extra darin aus­drüc­k­­en (abbilden, wie­­­der­­holen)
könnten.130 Wenn mit dem kontingenten Satz qua inter­ner in­­tensi­o­na­ler Bestimmung

ein Be­weis oder eine reprobatio ergeben damit noch nicht den in ihnen denkbar vorliegenden
Sachverhalt; sondern in dessen Sinn kann Ockham sich auf einen suppositionslogisch akzep-
tablen Satz berufen.
128. Wir haben kein intensionales Verhältnis der Begriffe zueinander (ausgedrückt mit dem
Terminus ‘respectus ratio­nis’ medio zwischen subiectum und praedicatum, selbst wenn wir mit
den Begriffen einen Sinn und einen praktische Er­­­­fahrung verbinden können. cf. p. 17 lin. 16 –
p. 18 lin. 2. aber auch p. 24 lin. 6. Dasselbe gilt auch für das Ver­hält­nis von subiectum und ac­
cidens, welche subiectum und praedicatum im Satz beschreiben: p. 17 lin. 1–15.
129. Man sehe Kants Bestimmung des Raumes (Kritik d. r. V., Transz. Anal. II. Buch, II. Haupt-
stück, II. Abschn.), der nicht würde sein können (nicht sein können soll!), wenn er nicht etwas
‘in’ uns wäre. Von dem wir gleichwohl abhängig sind, wenn wir als Erkennende, als Denkende,
als Wahrnehmende „‘sein’“ können sollen. Wir haben eine abstrakte Realität, die sich in uns
neben uns befindet und darin reagiert, agiert oder ‘konsultiert’ wird. Wir haben das zudem erst
„‘ermittelt’“. Es verkörpert einen Negativwert und soll ‘Realität’ sein. Im objektiven Sinn ist hier
‘etwas’ unvollziehbar; denn ein Faktum in der Rivalität mit uns selbst und auch in Parallelität
und Rivalität zum nicht perfekt ‘integrierten’ Cartesischen Protagonisten des Discours de la
méthode, 1637, bedeutet einen Rekurs auf etwas, was Regel und Sache, Form und Wirklichkeit
in einem wird. Ein anthropologisches Selbstverständnis wird angebahnt und reklamiert, bei
dem der Begriff ‘anthropologisch’ filtriert erscheint und über partielle Abwertung naturaler
Vorverständnisse vergewissert mit neuen Interpretamenten die Rolle des Faktums für uns zu
tragen hat.
130. Cf. auch Rep. II, q. 1 OT V pp. 3–26: Utrum creatio actio qua Deus denominatur formaliter
creans dif­fe­­rat ex na­tura rei a creatore. Hier, wo der kontingente Satz zentral betrachtet wird, cf.
p. 17lin. 16 – p. 18 lin. 2: „Sed redeo ad pro­po­si­tum et dico quod illud quod est subiectum potest
absolute intelligi et illud quod est prae­­­dicatum simili­ter. Et ta­men unum non habet rationem
subiecti, nec aliud prae­dicati, sed hoc non est propter defec­tum alicuius respec­tus ra­ti­o­nis, sed
propter defec­tum alicuius conceptus absoluti, puta conceptus importati per copu­lam. Exem-
plum: homo potest in­tel­ligi et animal similiter. Et tamen non oportet quod homo sit subiectum
et animal praedicatum, quia deficit con­cep­tus qui­dam absolutus importatus per hoc verbum
‘est’. Sed habito isto conceptu cum con­ceptu hominis et ani­ma­lis, sive in­tel­ligantur unico actu
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 459

die in­haerentia accidentis in substantia nicht verbunden werden kann, können lo­gisch
und ab­strakt per potentiam di­vinam absolutam supranaturaliter loquendo subiec­tum
und ac­­cidens trennbar sein.131 Gleichwohl sind wir damit in einer höheren Welt oder
einer, die wir nach der lex communis nicht ken­nen. Es ist diese andere höhere Welt,
in die wir in der Neuzeit ide­ell im­­­mer ausgreifen, um un­se­re Methode zu sichern.132
Das geschieht bei Ockham nicht.133

sive distinctis, necesse est homo sit subiectum et animal praedicatum, sine omni respectu ratio­
nis medio.“ Der Satz folge also ohne Widerspruchsmöglichkeit aus subiectum, prae­dicatum und
copula, was nichts an­de­res heißt als dass in ihm nichts anzunehmen sei, was in der Parallele
zur Re­al­welt extra mentem qua Konsti­tu­tion nach der Realwelt extra mentem gedacht werden
müsste, könnte oder soll. Das gilt auch für den respectus ra­tionis in Be­­zug auf den respectus
re­alis. Der Satz ‘homo est animal’ ist natürlich qua realer Ge­gebenheit und Wahr­neh­mung un­
bestreitbar oder zwangsläufig; es ist seine Erklärung, die es nicht ist. Auch wenn wir bezüglich
der ‘inten­ti­ones se­cun­dae’ einen re­­spectus rationis für die Satzbegriffe (extrema) annehmen, ist
er nicht real fundiert. Cf. ib. p. 14 lin. 14–19: „dico uni­ver­­saliter quod nullus respectus rationis
est ponendus in Deo nec in cre­a­tu­ra nisi sit propter istas intentiones secundas: genus, species,
subiectum et praedicatum. Et ideo vel nullibi sunt po­nen­dae vel solum ibi; nec re­la­tiones de
genere rela­ti­onis distinctae ab extremis (Ed. ergänzt nach W 1495 sunt ibi ponen­dae).
131. Nach ib. p. 15 lin. 14f gilt „schlüs­sig“, dass für die zwei Na­turen in Christus, für subiectum
und accidens, für for­ma und mate­ria, wenn sie mittels der potentia absoluta su­pra­na­­tu­ra­liter
loquendo getrennt werden, „per consequens opor­tet necessa­rio po­nere respectum unionis et
in­haerentia dis­tinctum a fun­da­mentis et terminis.“ Das ist verein­bar mit den kontingenten
empirischen Aus­sa­gen. cf. p. 17 lin. 2–9: „aut inhaerentia significat prae­­cise ac­ci­dens ab­­so­lutum
aut signi­fi­cat accidens absolutum con­notando subiectum, aut significat respectum ali­quem.
Non pri­mo mo­do et secundo, quia tunc quandocumque exsis­te­ret accidens absolutum et su-
biectum, praedicaretur in­hae­­rentia de accidente (wie es für em­pirische Sätze nicht möglich
ist), sicut est in aliis de similitudine; quod est ma­ni­fes­te fal­sum, si Deus separet a subiecto
et utrumque con­ser­varet. Igi­tur relinquetur tertium.“ Die potentia di­vina ab­so­lu­ta konzediert
(lanciert), was keiner Wi­der­­legung entsprechen kann; das ist etwas anderes als dass sie vom
Wi­der­spruchsprinzip beschränkt werde. Die Be­haup­­­­­tung der inhaerentia für kontingente Sätze
wie ‘Sors est al­bus’ müsste auf einem Induktionsschluss beruhen, den wir nicht haben.
132. Es ist eben ein kruder Ausgriff, beweistheoretisch wenig geschmeidig.
133. Es sind, anders als H. Blumenberg, 1966 dachte, die ontologischen Mittel und Termini, die
mittels des Allmachts­prinzips gerade gewahrt werden. Trotzdem vermittelt die Ontologie nicht
zwischen mensch­li­chem und göttlichem Ver­stand und nicht zwischen mensch­li­chem Verstand
und extramentaler Sachwelt. Dagegen steht nicht eine heillose, von ei­­nem Willkürgott verfügte
Kontingenz aller Dinge und vor allem noch denkbaren Erscheinun­gen, sondern lediglich der
kontingente Satz, der in Bezug auf die Realität logisch nicht erklärt werden kann und doch und
gerade deshalb von ihr gelten kann. Was als Paradoxie erscheint, beruht methodisch auf deren
Ver­mei­dung. Was be­­züglich der Realwelt nach dem kontingenten Satz nicht erlangt werden
kann, nämlich eine Begründung der ontolo­gi­schen Terminologie, die hier nur vorausgesetzt
werden kann und reprobativ verwandt wird, kann quasi induktiv auf der Ba­sis dieser Unmög­
lich­­­keit (sc. dass sie für den kontingenten Satz und er nach ihr expliziert werden kann) für ihre
jen­seitsweltliche Ret­tung verwandt werden. Cf. die beiden vorausgehenden Anmerkungen.
460 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham, der die Begriffe als In­hal­te oder Vertreter von Inhalten fasst, kann für
deren struk­tu­rel­len Zusammenhang deren Inhalt­lichkeit doch nicht bestehen lassen
(festhalten).134 So tre­ten die Ar­gu­mentationen für die intensi­onalen Wertigkeiten in
Form der Bestimmung der Sätze ein.135 Es liegt da­rin eine Organisation des Denkens
vor, die die Singularität des historischen Phä­no­­mens sei­ner Phi­­losophie, besser seiner
philosophischen Entscheidungen ausmacht.136 Doch be­setzt die­se Sin­gu­­la­rität für den
geschicht­li­chen Strom der Ereignisse und Doktrinen einen nur ima­gi­nären Ort; sie
nimmt keinen distinkten Platz ein­ mit einem derart umrissenen Charakter, dass sie
da­nach hätte wir­­­­ken können.137 Da Ock­hams Denken sich argumentativ bestimmt,

Hier also wird die empirische Basis überstiegen. S. p. 23 lin. 17 – p. 24 lin. 2: „dico quod respec-
tus realis magis in re in effectu quam respectus rati­o­nis in re cognita. Quia primum est neces-
sario ponere, maxime in illis ubi extrema absoluta omnino possunt esse eadem, modo separata
et iam unita, sine aliqua mutatione vel motu ad formam et sine motu locali, sicut in unione
naturae hu­ma­nae ad supposi­tum divinum, formae cum materiae, accidentis cum subiecto. Si
Deus posset separare materiam a for­ma et accidens a sub­iecto et illa in esse conservare et in
eodem loco totaliter et post reunire, tunc oportet necessario in illis ponere actu­a­lem respec-
tum unionis.“ Das aber gilt nicht in empirischen Beispielen (ib. p. 24 lin. 2–4): „Sed nun­quam
ubi manent ea­­­­dem absoluta et est motus localis inter illa, oportet ponere tales respectus, sed
omnia possunt salva­ri per negationes.“ In diesen empirischen Verhältnisse messen wir auch
Geschwindigkeiten, Beschleunigungen etc.
134. Das spricht dagegen Ockhams Behandlung der Begriffe als semantisch zu betrachten.
135. Natürlich werden die Begriffsarten einbezogen oder bilden den Ausgangspunkt. Doch
bestimmen sie nicht schon das Endurteil. Cf. z. B. o. zur propositio contingens im Verhältnis zu
relatio realis und respectus realis. Ebenso zur pro­po­­sitio immediata, zur propositio per se nota
und alle im Verhältnis zum Syllogismus und zur consequentia formalis.
136. Und darin auch theologischer Entscheidungen. Diese theologischen solutiones aber ge-
winnen nur einen qua­­si kon­zep­tualistischen Charakter. Sie stehen nicht für die Theologie (also
Gott und divina essentia usw.) in re, in der Sa­che, und sie stehen nicht für den intellectus in
oder als potentia. So ist es anders als bei Kant, der das Vermögen (die Ver­mö­­gen!) auf die Stufe
der Akte hinabzieht und dort identifiziert (festmacht) und den Akt nur als vermögend­li­chen re­
gu­lie­­ren und konzedieren will. Bei Ockham werden die Leistungen der Vernunft und des Ver-
standes über die noti­ti­ae in­tuitiva und abstractiva, habitus usw. abgecheckt und argumentativ
erstellt und zwar argumentativ sogar soweit, dass die­­­se notitiae usw. damit sogleich auch ihre
Bandbreite (oder Reichweite, Amplitude) zugesprochen erhalten kön­nen. Sie bleiben damit
identisch, wie es im Begriff der ratio unius notitiae, dann aber auch ratio subiecti, ratio praedi-
cati, usw. ausgesprochen wird. Sie haben keine entitas, sondern eine identitas. Sie werden in
keine Ontologie eingeordnet und bestimmen keine. Cf. Kap. 12: Verflechtung und Abgrenzung
der Akte.
137. Ockham hat auch über Verwendung und Interpretation des Aristoteles kein Beispiel in
der scholastischen Mit- und Nachwelt gegeben. Allenfalls war er mit opiniones zitierbar, was
aber nur zu bedeuten hat, dass diese nicht fundo mit ih­rem technischen Charakter Eingang in
ein eben solches Denken anderer, das sie weitergebracht hät­ten, fanden.
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 461

müsste eine ge­nu­ine Kritik, im scholastischen Rahmen wie später, der adaequaten
Anknüpfung halber, am Ende beweisthe­o­r­e­tisch erfol­gen. Das erscheint technisch
schwer mög­lich und danach eben auch nicht in­haltlich; der Begriff des Inhaltlichen
macht da fast keinen Sinn mehr. Es macht keinen Sinn auf ex­ter­ne Be­wer­tungsas­pek­te
auszu­wei­chen und nur solche finden sich an­gesichts Ockhams am Ende.138
Wo das Dogma kraft Ockhams Korrekturen der Rati­o­na­lität und Logik nur noch
künstlich und im Sinn des ‘non li­quet’ anderer Auslegung desselben dogmatischen
Ausdrucks, seiner Ergän­zun­gen durch fal­sche Be­stim­mun­gen und inakzeptable lo-
gische Schlussformen, die also auf fallaci­ae füh­ren, gehalten werden kann, sind
Ockhams korrektive Formen induktiv begründet. Dann gibt es für diese anderen
Auf­fas­sun­gen und die Einwände, die Ockham gegen sich selbst an­führt oder fin-
giert, keine absoluten se­manti­schen Be­grün­dun­gen. Ockham verteidigt und ver­wirft
Aus­drüc­ke (Sätze). Er muss in ihnen wie mit seinen Beweisen, auch re­pro­bationes,
syntak­ti­sche Digni­tät beanspru­chen. Die propositio contingens kann sich solchen Be-
weisen an­schlie­ßen, ja deren in­duk­­­­tive Real-wertigkeit hypothetisch absichern. Das
Mythisch-Dogmatische erscheint lo­gisch nach Maß­­gabe ei­nes künstlichen Satzver­
ständ­nis­ses von ihm, dessen Bezug auf es unspezi­fi­ziert bleibt. Dieser Aus­druck ist
als er selbst ‘non aporetisch’, wenn er per se nicht auf Wahr­heit geht bzw. ke­i­ne sol-
che Ba­­sierung beansprucht (simuliert). Ockham muss, wenn er sich in seinen Be­wei­
sen (In­duk­ti­o­nen, Widerlegungen) on­to­lo­gischer Formeln, Maximen und Begriffe
be­­dient, da­rauf achten, dass die­se nicht realwertig erscheinen. An­dern­falls müsste
er einen Wider­spruchs­frei­heits­beweis für sie füh­ren oder er hätte nichts erklärt. In-
sofern ha­ben wir mit der Onto­lo­­gie (in de­ren hoch­scho­lasti­scher Adaption) keine
Vorhand. Ockham muss, wenn er seine The­sen kreditie­ren will, ver­meint­­­­­l­i­che Re­al­
wertigkeiten ausschließen, i.e. per Beweis universelle Gül­tig­keit für An­­­nah­men oder
Ge­gen­the­sen ver­­nei­nen, entweder durch Beispiel (instantia) oder durch eine förm­li­
che Be­weis­­­führung (u. a. Exhau­s­tions­be­wei­­se). So etwa Einwände gegen Ockhams

138. Es macht z. B. nicht Sinn, Ockham an empiristischen oder modernen physikalischen Kau-
salvorstellungen zu mes­sen (A. Maier, H. Blumenberg, A. Goddù), um festzustellen, dass er sie
alle gleich verfehlte oder nicht ver­stand, oder einen analogen Tadel bezüglich Ockhams Nega-
tion der Ontologie auszuspre­chen (F. Hoff­mann, H. Blu­men­berg), zu­gleich noch die Destruk-
tion der Logik quoad Widerspruchssatz und tertium non datur anzumerken (K. Mi­chal­ski,
F. Hoff­mann). Kritik an Ockhams Logikverständnis (W. & M. Kneale, J. Pinborg) kann zum fait
divers an­ge­­sichts sei­ner Be­weishand­habung werden. Wo M. Kaufmann, Begriffe, Sätze, Dinge:
Referenz und Wahr­heit bei Wi­l­helm von Ock­ham, 1994 diese immer wieder überraschend und
unvorhersehbar, aber auch ‘bodenständig’ fin­det, wird man ih­re Ein­heit und Gleichförmigkeit
qua Negation von Referenz und Wahrheit finden und zwar hin­sicht­lich irgendwel­cher in den
Satz in­tern zu intergrierender Modi ebenso wie für die ebenfalls beweistheoretisch ela­bo­rier­te
Re­duk­tion der Geltung von Sätzen a limine. Ockhams Beweisinventionen ordnen sich metho-
disch als Thematisierungen des ac­tus (der actus) ge­gen die mit einer Konsequenz nicht ge-
gebene ‘significatio’. Von ihr her kann der Einspruch er­fol­gen, der den Be­weis ausmacht. Im
consequens ist die significatio negiert (negativ) enthalten.
462 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

These:139 „di­co uni­versaliter quod omnis forma quae potest produci per potentiam
Dei sine subiec­to simplici­ter cre­atur de Deo de facto.“ Ei­ne These mit ideell überwelt-
lichem Anteil. Er widerlegt als dazu ‘antithetisch’ und in se negativ die Annahme:140
„quod non est in potentia naturali materiae (eine forma aufzunehmen = zu empfan-
gen)“, indem er überlegt,141 welcher Art diese potentia naturalis materiae überhaupt
sein könnte und durch Exhaustionsbeweis die Possibilität ausschließt, dass danach
nicht jede forma geschaffen würde.142 Gott schafft so auch die forma als causa secun­
da, wenn ein schwerer Ge­gen­stand ‘sur­sum mo­ve­a­tur’. Das ‘grave ma­­­te­riae’ ist keine
Eigenschaft, die in sich absolut wäre.
Ockham sepa­riert semantische Kon­­zep­te, die er derart widerlegt.143 Er zeigt, dass
sie be­weis­the­o­re­­­tisch nicht fun­gi­bel seien und so an sich nicht wahr sein kön­nen oder
müssen.144 Sie sind nicht de­­finit ge­genüber Ockhams Thesen. Dabei sind Begriffe
(Kon­zep­te), die Ockham wi­derlegt bzw. für Zu­­sam­men­hän­ge zu­rückweist, auch nicht
insoweit anerkannt, als sie zuvor ‘ab­ge­lei­tet’ würden. Das gilt für Sätze und für andere
Ausdrücke.145 Könn­ten sie aliquomodo ab­ge­­­leitet (nach ir­gend­wel­­­­chen schon bestehen-

139. Rep. II q. 3–4 OT V p. 66 lin. 13ff.


140. Ib. p. 68 lin. 9.
141. Ib. p. 68 lin. 10 – p. 69 lin. 9.
142. Ib. p. 69 lin. 1f.
143. Aber auch hier rekurriert Ockham schließlich auf einen Satz, i.e. eine Satzform, um seine
in sich negativen Vor­stel­lungen von der Kausalität normativ zu erläutern. Es ist die propositio
immediata, auf die wir schon eingegangen sind. Jetzt aber s. Rep. II q. 3–4 OT V p. 79 lin. 4–13:
„Ad illud de passione et demonstratione, di­co quod passio non pot­est demonstrari de subiecto
per causam extrinsecam demonstratione universali, univer­sa­­­li­ta­te temporis et sup­po­si­to­rum,
pu­ta quod omnis luna semper sit eclipsabilis. Sed conclusio quae demonstratur per causam
efficien­tem aliquando est nobis nota per experientiam, aliquando per demonstrationem. Sed
illa de­mon­stratio est particu­la­ris, saltem particu­la­­ri­tate temporis, quod luna modo eclipsatur.
Et ista (conclusio) potest demonstrari per cau­sam efficientem si sit natura­lis.“ Es geht also nur
um einzigen Begriff (eclipsari), nicht um eine Gesamtkon­sti­tu­ti­­on, die den Mond und (alle)
seine himm­­­­lischen Verhältnisse einbegriffe. Da wir nach allen Beweisen Ockhams nicht er-
kennend in die res eindringen und so denn auch eine causa oder causalitas nicht ganz und gar
zwingend erkennen können, müssten wir, wenn wir es an­­ders wünschten, auf einen Gesamt-
komplex (jedenfalls eine größere Menge) von Sätzen zurückgreifen können, mit­tels deren wir
ei­ne effiziente Erkenntnis aktuieren (tätigen, vollziehen) könnten, die wir aber nicht haben,
ebenso wenig wie wir intel­li­gierend in die res extra et secundum causalitatem ‘eindringen’ kön-
nen. Es lässt sich also gleichsam beschrei­ben, „wie“ wir diese Kausalerkenntnis nicht haben.
144. Dazu gehört auch der Begriff der causa oder causalitas. Von Gottes Kausalität zu sprechen
ist daher schon dubios.
145. Darum kann Gott z. B. keine Aktualunend­li­­chkeit schaffen; sie be­schränkt ihn auch nicht;
sie steht ihm fern (cf. Ord. d. 17 q. 5 OT III p. 492 lin. 1–12 und auch in der Frage, ob die crea-
tura ewig sein konnte). Er ist auch nicht selbst aktualunendlich. Gottes Existenz wird da­durch
Kapitel 9.  Ontologie und Induktion 463

den Vor­ga­ben kombiniert) wer­den, so könnten sie auch nur in­nerhalb schon bestehen-
der Satzverhält­nis­se (Zu­­­sam­men­hän­ge) ne­ga­tiv spezifiziert und kritisiert werden. Der
Zu­sam­men­hang wäre als kau­sa­ler denkbar.146 Wie es ent­fällt, werden sie im­pli­zit nur
als kon­tin­gente Aus­sagen reprobiert und rejiziert, d. h. als Aussagen, die als ab­strakte
ver­stan­­den un­­an­gän­gig seien. Entsprechend (konsequent) wird dann auch nicht per
repro­ba­tionem ihr Ge­gen­teil bewie­sen (nach dem tertium non datur postuliert). Ock-
ham bleibt bei rei­­ner Nega­ti­on ste­hen; sie wird zur Negation des Zusammenhangs

be­wie­sen, dass das Ak­tu­alun­end­l­i­­che ‘de facto’ ausgeschlossen wer­den kann, während es de
iure ohnehin nicht gelten soll oder darf. Es darf so auch in keiner Weise aus Gottes Exi­s­tenz
oder Essenz gefolgert werden können; infolgedessen kann es in der Welt, die Gott geschaffen
hat, nicht exi­stie­ren. Wenn es aber ver­wandt wird, um Gottes Existenz zu be­wei­sen, kann es
auch nicht als aus Gott (nach Be­griff, Sein und Wesen) ableit­bar gedacht werden; d. h. dass Got­
tes Existenz argumen­tativ anders be­wie­sen wer­den muss als mit einer analyti­schen Fol­gerung,
etwa in der Form ei­nes indirek­ten Beweises. Gott kann die mit dem Aktualunend­li­­chen iden-
tische Un­­­mög­lich­keit nicht schaffen; er schüfe eine Gegen­welt. Aber es ist natür­lich die Frage,
was mit der Idee des Aktual­unend­li­­chen ist, die Duns Scotus, Ockham, Wodham, Can­tor ja
doch hegen oder ventilieren, ablehnen oder bej­a­hen. Die­­se Idee betrifft Gott nicht wie sie uns
nicht be­trifft, wenn wir secundum Ockham Gott beweisen (den­ken).
146. Da im Spektrum der spätscholastischen Philosophie der Faktor ‘Kausalität’ von dem der
Logik und Beweisführung gemeinhin ungeschieden bleibt, könnte Ockhams Vermögen, eben
dies in Richtung auf die Bestimmung des Be­weis­ver­fahrens zu tun, für seine Zeitgenossen un-
vermittelbar gewesen sein, zumal damit das natürliche Sach­in­te­res­se nur schlecht noch sich
halten ließ. G. Mensching, Hat Nikolaus von Autrecourt Aristoteles widerlegt? in: J. Aert­sen,
M. Pic­ka­vé (Hrs), 2004 pp. 57–71 skizziert für Autrecourt mit allerdings nur weni­gen Ari­s­to­­te­­
li­schen Prinzipien eine ‘sub­jek­ti­­vistische Ontologie’ mit anschließender atomistischer Replik
gegen Aristo­te­­les. Au­tre­court trug seinen skep­ti­zis­ti­schen As­pekt rational nicht durch. Cf. ib.
p. 66: „Nullus intellec­tus, cui est cer­tum et evidens aliquam rem es­­se pro tem­po­re ali­quo, pro
tempore posteriori, potest sub certo dice­re illam rem non esse nisi ha­beat ali­quod me­­dium vir-
tualiter in­fe­rens no­titiam illius negativae propositionis qua dicit rem non esse quae fuit pri­­us.“
(Exigit Or­do (nt. 29) 198) Das heißt, dass eine Aussage, die die Nichtexistenz einer res enthält,
nicht virtualiter in einer an­deren ge­genteili­gen vorheri­gen Aussage anhängig sein könne, die
die Existenz dieser selben res aus­ge­drückt hat­­­te. Ockham be­wie­s, dass die no­ti­tia uni­us rei
nicht die notitia alicuius alterius rei ein­schlie­ßen könne; eine notitia intui­ti­va ent­hält nicht eine
andere. Sie ist ei­ne notitia in­complexa. Bei Autrecourt müsste der Schluss (inferens/in­fe­ren­tia)
mit ei­nem Satz (medi­um) identisch sein; den müss­te man erst einmal generieren können. Das
ist eine petitio prin­ci­­pii: Um Unmög­lichkeit zu beweisen, muss Unmögliches vorausgesetzt
werden. Für Ockham bedarf die no­­­titia in­tu­­­i­ti­­va bezüglich der Nichtprä­senz oder Nichtexi­s­
tenz ei­ner res der supra­na­turalen con­servatio der notitia intuitiva huius rei prae­sen­­­tis per po­­ten­
tiam di­vinam absolutam; das hat zumin­dest zu be­­­deu­ten, dass die Annahme der Folger­bar­­keit
der non-e­xi­s­tentia aus der exis­tentia zu entfallen hat; sie wäre der Wi­­der­­spruch, den Ockham
qua Om­­­­nipotenz­prinzip aus­schei­­det. Der Widerspruch und die Implika­tion entfal­len ge­mein­
sam. Da­­mit wird die Definitheit der Ter­mi­­ni gesichert. Auch Mensching stellt eine Dis­krepanz
von Au­tre­court zu Ockham un­­­­ter Verweis auf R. Paqué, 1970 mit Bezugnahme auf Exigit Ordo
(nt. 23) 179sqq. fest.
464 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

oder Ausdrucks. Das be­deutet auch Verein­bar­­keit mit den kontin­gen­­ten Sät­zen, in die
die demonstratio in der Form des suppositionslogisch erklärten kontingenten Sat­zes
da­bei mündet. Die On­tolo­gie wird da­rin von der reprobatio aufgefangen.147

147. Es ergibt sich dass die Implikation, gleich wie gesehen, vorausgesetzt und überformt, nicht
der Modus der reflexiven Beweisführung hinsichtlich des Beweisens selbst und dem angelagert,
der empirischen Standardisierung der Erkenntnis oder ihrer Relevanz sein kann. Damit ent-
fallen zwei Hauptaspekte der Forderung und der entschiedenen Kritik Autrecourts gegenüber
der scholastischen Philosophie. Die res ist ein Bezugspunkt, aber niemals in se auslegungsfähig
und eben nicht mittels des ontologischen Werkzeugs der Scholastik, mit dessen Einsatz diese
Prätention ebenso dem Bewusstsein nach fiktiv wie unmittelbar verbunden wird. Es entfällt
aber auch die Möglichkeit, Ockhams Philosophie als ‘integriertes Gegenmodell’ „normaler“
Beweistheorie oder Deduktionstheorie zu betrachten. Cf. E. W. Beth, Semantic Entailment and
Formal Derivability, 1955 p. 311 Anm. 2. Abstraktion und empirische Sicherung, den Akten nach
getrennt, gelten parallel (Ord. Prol. q. 4 OT I p. 182 lin. 4–9): „forte numquam scitur propositio
evidenter in qua praedicatur genus subalternativum de genere subalternato nisi cognoscantur
(conj!) omnes species contentae sub genere inferiori. Sicut forte non potest haberi conceptus
per se et simplex nisi cognoscantur (conj!) omnes species; et tunc nulla propositio talis posset
demonstrari.“ Die Empirie ist nicht abschließbar und entsprechend ist auch die Abstraktion
nicht bezeichenbar (nicht definit); danach ist dieser Satz nicht im Syllogismus beweisbar und
der Syllogismus erweist sich nicht als ihn legitimierend. Der in Rede stehende Satz soll nicht
beweisend gebraucht werden; doch wird der Syllogismus kreditierend gebraucht. Vorausgesetzt
wird auch die bekannte Parallelität von empirischer notitia und abstrakter notitia und syllogi-
stischer Beweisbarkeit ein und desselben Satzes als conclusio im Syllogismus. Eine Parallele von
bedingter Beweistauglichkeit als Prämisse und begrenzter Empirie ib. p. 155 lin. 11–15. Dabei
induziert Ockham (ib. p. 156 lin. 1–10) eine vollständigere Empirie, die eine rein gedachte ist und
auf hypothetische, ad hoc inexistente Begriffsbildung verweist (ib. lin. 1–3: „aliquod nomen“,
also noch kein regelrechter, effektiver Begriff, dessen Bildung wir nur insinuieren, aber nicht in
facto = definit vorwegnehmen können), mit deren Idee sein Standpunkt persuadiert wird. Die
Argumentation verlässt so implizit den extensionalen Bezugs- oder Ausgangspunkt.
kapitel 10

Beweis, Satz, Akt

Ockhams Beweisleistungen gehen nicht so weit, dass sie einen Satztypus oder einen
Satz ent­­hielten oder aus sich entließen. Die Satztypen können nicht in die Deduktion
(Argumenta­ti­on) und in die Akte übersetzt werden; indem hier ein Hiatus besteht,
differieren substantia und ac­cidens. Die Klassifikation der Grundentscheidungen
Ockhams (seine Ent­schei­dun­gen sind induktiv gesehen, die Induktion bedingend
und begründend, Grundentschei­dungen) ist je un­vor­­hersehbar; dies ist die Voraus-
setzung ihrer Konsistenz untereinander. Ockham trenn­­te zwei Dinge (Momente), von
denen wahrscheinlich nicht geglaubt worden war, dass sie ge­trennt werden könnten.
Niemand war darauf gekommen. Für diese Tren­­nung be­durfte es des Grundes – eines
Grundes, der mit Ockhams Verfahren nicht iden­­tisch wä­re: er be­sagte, dass nichts was
im Verstande war, in der Natur gespiegelt werden konn­te. Die Natur bildete nicht den
Verstand ab. Die Natur war hier taub; wenigstens konnte sie so ge­dacht wer­den. Bis
hin zu Duns Scotus war undenkbar gewesen, dass Er­kenntnis, die nach ih­ren Akten
je nä­he­rungs­­weise spezifisch bestimmt wurde (was im­mer un­vorgreiflich in hypo­the­
ti­scher Form pas­sier­te), nicht eines Responses nicht be­dürfte. Jetzt wurde ein sol­cher

. Satztypus und Satz müssten hier in abstrakter Form gleich sein; der Satz ist wahr oder
gilt (nur), indem er sei­nem Typus nach beschrieben (angegeben) werden kann. Der Satztypus
beschreibt die Reichweite eines Satzes seiner Art in Richtung auf die significatio (und damit
Signifikanz). Dabei wird was der Satz signifikativ in reali meinen (können) soll, ihm nicht de-
terminat, d. h. abstrakt zugeschrieben; es ist nicht seine intensionale Bestim­mung. Es ist nicht
in ihm enthalten. Es kann also auch nicht, was es sonst eventuell könnte, aus ihm gefolgert
wer­den; er ist kein analytischer Satz. Insofern wahrt er, oder besitzen seine termini die Definit-
heit.
. Ockham kann hier die Kontingenz wahren, indem er sie mit dem Akt als notitia abstrakt
noch einmal verbin­det. Duns Scotus konnte Abstraktion und Kontingenz, significatio und All-
gemeinheit entscheidend, i.e. metho­disch nicht trennen; er konnte es nach seinem Forschungs-
interesse, sofern seine Intention auf Beweisführungen über­ging, überhaupt nicht. Das machte
ihn widerlegbar. Dass der Verstand nicht die Natur abbildete, war da – für Ock­ham – nur noch
eine Konsequenz.
. Diesen Eindruck äußern übereinstimmend M. Kaufmann, Be­gri­ffe, Sätze, Dinge: Referenz
und Wahrheit bei Wi­l­helm von Ock­ham, 1994 und M. Lenz, Himm­lische Sä­tze: Die Beweisbarkeit
von Glaubens­sät­zen nach Wi­l­helm von Ockham, Bochu­mer Phi­­los. Jahrb. f. Antike und Mittel­
alter, 1998, 3 pp. 99–120 p. 116.
466 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Res­pons ver­wei­gert (= be­strit­­ten). Dies wird auch am Verhältnis von conceptus und
res (oder re­a­litas) deutlich.
Zwischen res und conceptus kann im Sinn des letz­te­ren als Akt nicht unterschie-
den werden. Hier ist die Un­terscheidung (distinctio) nicht präzi­se bezeichenbar.
Ockham sagt, sie kön­ne weder als distinctio rationis noch als distinctio re­a­lis be-
zeichnet werden: denn sie ist im Sin­ne der Folgerbarkeit aus dem einen ins andere
nicht darstellbar. Der Akt enthält und ge­währ­lei­stet keine Folgerung. Im ens reale ist
kein ens ra­tionis enthalten. Wie ja die die ab­strakten on­to­logischen Begriffe (species,
genus, forma etc.) gerade hier – induktiv – entsprin­gen. In­dem im ens reale kein
Merkmal enthalten (auf­weis­bar) ist, das auf die species etc. ver­wie­se, wo­nach es die­se
geben müsse, ‘gibt’ es die spe­ci­es, ist homo species. Der Begriff ‘ho­mo’ kann auf eine
Vielzahl von Objek­ten: Socrates, Pla­to, etc. angewandt werden. Es ist also ‘logisch’ so,
dass die Merkmallosigkeit den ontologi­schen Begriff von species hervorbringt, indem
die­ser Begriff an Socrates, Plato etc. unter­schieds­los gewonnen werden kann. Logisch
ist also die mangelnde Differenz oder Unter­scheid­barkeit von distinctio rationis und
distinctio rea­lis, wenn es um die Distinktion zwi­schen res und conceptus geht, der
Grund, dass die spe­ci­es ge­setzt werden kann: denn gä­be es in Socrates einen Grund
dafür, dass der Begriff homo gebil­det werden kann, so gäbe es ihn so, dass er nicht an
Plato (gleichermaßen) gewonnen wer­­den kann. Es ist also der Grund sei­ner Existenz,
dass er an allen Indivi­du­en, auf die er an­ge­wandt werden kann, gleichermaßen ge-
wonnen wer­den kann. Die conceptus können, indem sie Din­ge nicht sind, auch wie

. Die Negation, die auf der Stufe der Argumentation erfolgt oder ausgesprochen wird, setzt
bereits voraus, dass die Abbildung nicht erfolgen könne oder nicht bestehe. Sie (wie die Argu-
mentation auch) entspricht der no­mi­na­li­s­­tischen Erkenntnislehre oder ergibt sie. Es macht also
ganz wenig Sinn, sie für sich zu erörtern (bzw. zu wer­­ten) oder zu verwerfen. Es wird darum
auch in dieser Arbeit nur die Argumentation erörtert und dar­ge­stellt.
. Cf. Ord. d. 2. q. 3 OT II 2 p. 78 lin. 12–19 „Vel distinguitur sicut ens re­ale ab ente rationis vel e
conver­so. Et illa dis­tinctio stricte et proprie nec est realis nec rationis, sicut et ipsa di­stincta nec
sunt entia realia nec en­tia rati­o­nis, sed est quasi media, quia unum extre­mum est ens reale et
aliud ens rationis. Qualiter autem debet vo­ca­ri non cu­ro ad praesens, quia hoc est in volun­tate
loquentium.“ L. Bau­dry, 1958 p. 87 gibt als Stelle des Textes IS d. 2. q. 11 J an und ver­weist ib.
Anm. 1 auf P. Vignaux, M. de Wulf und Ph. Boehner.
. Ockham sagt eindeutig, dass die beiden res, die sich realiter unterscheiden, nicht in einem
aliquid unterschie­den sind, das die eine hätte und die andere nicht; dagegen können sie in
aliquibus zusammenkommen (Ord. d. 2 q. 11 OT II p. 370 lin. 2–13): „respondeo quod proprie
loquendo de convenientibus non debet concedi quod con­ve­­ni­unt in aliquo, sicut nec proprie
dicitur quod distincta distinguuntur in aliquo, sed distinguuntur aliquibus. Un­de sicut omnia
distincta distinguuntur vel se ipsis vel aliquibus sibi intrinsecis, ita omnia convenientia in qui­
bus non est aliquid idem omnibus modis vel conve­ni­unt se ipsis vel aliquibus sibi intrinsecis.
Unde Sortes et Pla­to conve­ni­­­unt se ipsis specie, et se ipsis distinguuntur numero, et non debet
proprie concedi quod conveniunt in aliquo, sed aliqui­bus, quia se ipsis. Ita in proposito, essen-
tia et relatio conveniunt se ipsis, et sunt realiter se ipsis, et se ipsis distinguuntur formaliter.“
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 467

solche be­handelt werden. Das ist gleichsam ein Induktions­schluss. Ein solcher führt
auch zur distinctio formalis und begründet sie.
Ei­ne logische Formel, die die Realität angibt, i.e. nicht ausschließt, begründet
einen Schluss, der mit seinem In­halt übereinstimmt. Danach kann ein bestimmtes
anderes als realitätsgleich (realitätsgleichwertig) nicht zwingend mehr geschlossen
werden; es muss als inhaltlich irrelevant abgewiesen werden. Es ist ei­ne Überset-
zungsformel, die Indukti­on gewährlei­s­tet. Zuoberst aber gilt hier die Maxime, was
naturaliter ‘ist’ (= gilt), ist (gilt) auch realiter; es kann zumindest für den Begriff (für
Begrif­fe) nicht mehr angefochten werden; für diese ist damit eine induktive Begrün-
dung erfolgt. Der Ver­­­­­stand bildet die Natur nicht ab; auf den Verstand bezogen ist
die Annahme unmöglich. Da­­­­­raus, dass Ockham sie fallen ließ, ein erkenntnistheoreti­
sches Dilemma oder gar anthro­po­logisch-moralisches Pro­blem zu ma­chen, heißt je-
der grundlegenden logischen Maßregel wi­­der­­sprechen. Die logische Formel gilt auch,
wenn Ockham die Trinitätslehre mit Hilfe der di­s­tinctio formalis sichert. Sie wird
gleichsam persuadiert. Dabei begründet sich diese Form der non-identitas darauf,
dass falsche Sätze „propter diversitatem mo­do­rum grammatica­li­um vel logicalium“
entstanden sind und diese sprachlich-logischen Aus­legungen wegge­räumt wer­­­den
können. Entsprechend operieren wir nicht mehr strictissime empirisch. Das wird ei­
gens gezeigt insgesamt und insbesondere vermöge ei­nes Widerlegungsbeweises:10
„confir­ma­tur, quia quando aliqua no­mi­na significant idem omnibus modis, ita quod
in signi­fi­ca­to nulla penitus sit dis­tinc­­tio vel non-identi­tas, et habent omnes consimiles
modos signifi­can­di, vere sunt synonyma, quia aliter non posset assignari qualiter ali-
qua nomina sunt syno­ny­ma.“ Das ist gleichsam die Indukti­ons­­­regel für Synony­mität.
Nach der so erstellten Syno­ny­mität nur kann dann widerlegt wer­den; die sich danach
ergebende distinctio formalis ist dann hypo­the­­tisch und gilt nur für den Aus­druck;
sie gilt nicht aliquomodo in reali. „Igitur si ista no­­­mi­na ‘essen­tia’, ‘paternitas’ sig­ni­
ficent (conj.) idem omnibus modis ex natura rei, et habent om­nes consimiles modos
signifi­can­di“, was immer nur hypothetisch sein kann, wie sich un­mit­tel­bar ergibt: „vel
si non habent – quod tamen non pot­est assignari –, volo quod habeant om­­nes mo-
dos consig­ni­ficandi con­si­miles, et per conse­quens vere erunt sy­no­nyma. Tunc ar­guo:

. Ord. d. 2 OT II p. 370 lin. 18 – p. 371 lin. 3: „dico quod aliqua est distinctio quae stricte nec
est realis nec ratio­nis, sicut quan­­do res distinguitur a ratione. Tamen quantum ad propositum
dico quod distinctio realis est duplex: una quae est distinctio rerum; alia est distinctio qua
unum, puta b, non est formaliter a, et dicitur realis quia est ex na­tu­ra rei, sed primo modo non
est realis. Ideo nego istam consequentiam: omnis res est ens reale vel ens rati­o­nis, igi­tur omnis
distinctio vel est realis vel rationis. Est enim distinctio media, quamvis inter ens reale et ens
ra­tionis non sit medium.“ Die distinctio formalis kann also nicht empirisch generiert werden
und in eben dem Sin­ne zwi­schen essentia divina und persona ‘vermitteln’.
. Cf. Ord. d. 2 q. 11 OT II p. 364 lin. 7–22.
. Ib. p. 365 lin. 1 – p. 366 lin. 4.
10. Ib. p. 365 lin. 18 – p. 366 lin. 4.
468 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

quan­­do­cumque aliqua nomina sunt synonyma, quidquid verificatur de uno sumpto


signi­fi­­ca­tive et persona­li­ter, verificatur de reliquo sumpto eodem modo; igitur si haec
sit vera ‘es­sen­­tia est Filius’, haec erit vera ‘Pater­ni­tas est Filius’, quod est manifeste
falsum.“ Es ist für die In­nenwelt Gottes ebenso falsch wie für die menschliche Empi-
rie: denn paternitas ist ein ab­strac­tum, das nicht für einen konkreten ter­mi­nus sub-
stituiert wer­den kann, wobei nicht einmal sup­positionslogisch und em­­pirisch sicher
eine Kausalfolge anzu­neh­men wä­re. Denn die Kausa­li­tät in actu kann nicht distinkt
unterstellt oder wahrgenommen werden; wo der kausa­le Über­trag mit irgendeinem
signifikanten Elemente oder Teilelement erfolgen möge, ist ein solches nicht nur nicht
sicher wahrnehmbar; es ist auch nicht abstrakt beweisintegral. Es würden uns da ein
praedicatum und eine Beweismaxime immer fehlen. Letztere wäre folgerungsgleich
und widerlegbar. Ebenso gilt von einem Satz wie11 ‘homo ne­ces­sa­rio non est asi­nus’,
dass er eine ‘ge­wis­se Notwendigkeit’ enthält, aber nicht als „vera realitas“.12
Die Klassifikati­on der Sät­­­ze bei Ockham folgt vielfach di­rekt dem förm­li­chen und
pri­mä­ren Erschei­nungs­­­bild der Sätze: et­wa bei der pro­po­si­tio negativa, in der die Ver-
bindung und Zu­­sammen­ge­hörigkeit der sogenann­ten extrema13 des Satzes, also s und

11. Ib. p. 375 lin. 23ff.


12. ‘Formaliter’ ist ein Modus, der als solcher nicht in Realität übersetzt werden kann und
eben dort dann dis­tink­tiv ausgemacht werden könnte. Cf. ib. p. 375 lin. 3–13: Ebenso dann auch
ib. p. 375 lin. 17 – p. 376 lin. 1 „respon­deo quod haec (propositio) non debet concedi proprie
loquendo ‘omnis formalitas est realitas’. Cuius ratio est quia formalitas, secundum quod modo
loquimur, est quasi condicio totius propositionis quae non est ens reale, et ideo formalitas con-
sequens quasi propositionem non est realis. Unde simile est de formalitate respectu reali­ta­­tis et
de necessitate respectu realitatis; et hoc de necessitate quae correspondet ‘necessario’, quando
sic dicitur ‘ho­mo ne­­ces­sa­rio non est asinus’. Hic enim est quaedam necessitas, et tamen nulla
est hic necessitas quae sit ve­ra re­ali­tas, quia tunc esset aliqua necessitas realis alia a Deo, et ita
aliqua res alia a Deo esset necessaria vel ne­ces­se es­se, sed ista necessitas est totius propositio-
nis.“ Die distinctio formalis wäre nach Ockham auch in rea­li­bus und materia­li­bus möglich;
aber sie würde damit noch nicht realiter und real gesetzt, cf. ib. p. 371 lin. 10–13: „Un­de si in
materia esset aliquid contrahens et aliquid contractum quae non distinguerentur realiter, sicut
aliqui po­nunt, tunc ista non distinguerentur materialiter sed tantum formaliter, et tamen nihil
hic esset forma sed tantum ma­­teria.“ Der darin angesprochene Robert Cowton (s. ib. Anm. 2
der Ed.) strebte die Rechtfertigung des er­kennt­­nis­the­o­re­tischen Rea­lis­mus an, die Ockham in
Referat und Replik verbal und sachlich nicht aufnimmt. Sie hat Ock­­ham Ord. d. 2 q. 6 OT II
pp. 160–224 Utrum universale sit realiter extra animam, non distinctum re­aliter ab individuo
unter Einbezug der distinctio formalis mit Stellungnahme gegen Duns Scotus behandelt.
13. Der Ausdruck wird mehr in SL gebraucht, im SK wird gemein­hin von subiectum und passio
gespro­chen. Ock­ham muss sich, wie gezeigt, be­mü­hen darzustellen, wie die Sät­ze mit ihren Be­
griffs­typen Erkennt­nis­se er­geben kön­nen, ohne dass die identitas der Begriffe se­­cundum rem
(i.e. signi­fi­ca­tive) angenom­men, die Supposi­ti­­ons­­i­­dentität aber aus­geschlossen werden soll. Der­
art sollen sie dann als erkenntnis­ar­tig darge­stellt bes­ser: als er­kennt­­­­nisaffin ge­­­sichert werden.
Denn sie stellen nicht die Erkenntnis in sich dar. Wenn sie deren Mög­lich­­keit be­sa­gen, dann ist
immer nur deren falsche Deutung oder ein falscher (bzw. absurder) Satz ausge­schlos­sen.
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 469

P, negiert wird. Wenn dann von essentia, die vom sub­­iec­tum the­ma­ti­siert wird, von
passio, cau­­sa subiecti, cau­­sa pas­­sionis, con­­tinere, contine­ri, per se primo modo und
per se secundo mo­do gesprochen wird, ha­ben wir den Bezug der (für uns) begriff-
lich ver­fass­­ten Aus­sage auf das Er­kennen, aus des­sen Glie­de­­rung be­züglich der Mittel
(Teile) die Gel­­­tung von Schlüs­sen, Aus­sagen, ja auch sprach­li­­chen und grammati­ka­
lischen Ausdruckfor­men14 zu entnehmen.15 Von der pro­­po­si­tio ne­ga­tiva gilt:16 „pro­
positio ne­ga­tiva est per se primo mo­do, et tamen nec prae­di­ca­tum di­cit es­sen­­ti­am
sub­­­­­iecti, nec est cau­sa sub­iec­ti; si­cut haec est per se: nullus homo est asi­nus.“17 Die
dif­­­fe­ren­­ti­el­len in­ten­­siona­len Be­stimmt­hei­ten und Bestim­mun­­gen wer­den, wenn ihre
Ele­men­­te un­ter­schie­­­den wer­den können (und darin konsistent und konsequent sich
aus­neh­men), zu all­ge­­mei­­­­­nen und all­ge­mein­gül­tigen. Das erhellt aus den Argumenta­
ti­o­­nen. Die Ar­gumen­ta­tio­nen neh­men die Dif­ferenzierungen der Ele­­mente vor,
setzen sie mithin ge­gen­ein­­an­der ab. Die Ar­gu­­­men­­­tatio­nen definieren also – in

14. Es gilt dabei, dass sprachliche Aus­drucksweisen, die durchaus in Gebrauch waren, von
Ockham abgelehnt (= verworfen) wer­den. Solche „reiectio“ gilt dann Ausdrucksweisen, die im
Sin­­ne einer realistischen Universali­en­­the­­­orie ontologisch gedeutet werden können und etwa
der inhaerentia eine präsumtiv faktische Bedeutung in exi­s­tentia rei geben können, in dem Sin­­
ne damit essentialistisch gedeutet sein müssen. Existentia und essen­tia werden von Ockham
entsprechend folgerichtig gleichgesetzt.
15. Dabei sind, anders als Pinborg, 1972 meinte, nicht semantische Sprachformen oder Be­griffs­
geltun­gen pri­mär. Erkenntnisbestimmung erfolgt bei Ockham nicht semantisch wie sie auch
nicht universalientheoretisch orien­tiert, gar zentriert ist. Ockham be­schreibt und be­stimmt
‘Er­kenntnis’ unter Benutzung ontologischer Ter­mi­ni. Wich­tig ist die Ne­gation des Schlusses in
Äquivalenz mit doch noch angenommenen (ausgespar­ten) Schluss­­­gel­tun­gen. Das gilt so bei der
Behandlung der notitiae wie bei der der Satz- und Begriffsqualitäten. Geltung und Er­weiterung
ihrer Bedeutung wird dann induktiv ange­geben. Mit der In­duktion als Ermitt­lungs- oder Be­
grün­­dungs­­kom­po­­nente sind wir nur noch be­dingt ‘bei der Re­alität’. Die fal­lacia wird aus­ge­­
schlossen. Für de­ren Kenn­zeich­­nung und Auflösung können on­to­­lo­gische Be­­grif­­fe (sub­stan­­tia
und accidens) gebraucht wer­den. Be­weis­bar­keit als Wahr­heit oder Wahr­­heitsbe­haup­tung ent­
fällt. Die bona et valida consequentia besagt nicht sie. Die Kon­tin­genz tritt unbedingt an die
Stelle von Wah­r­heit (auch vermöge der Erörterung über die notitiae). ‘Wahr­­heit’ ist nur noch
Kon­tingenz. Die Schluss­fol­gerung ist überall nicht mehr sinn­tragend. Der actus assen­ti­en­di, so­
fern er der Folge­rung (Syllo­gis­mus) über­tra­gen wird, be­wahrheitet eine logische Ordnung, bei
der der Wi­der­spruch als Problem auftritt, nicht als In­gredi­ens der Lö­sung. Die fällt nicht mit
den Widerlegungen zusam­men. Sie gelten oftmals der Abwehr von Einreden, zum Schein mit
falscher Ontologie begründet, so denn auch deren Abwehr.
16. Prol. Ord. q. 6 OT I p. 181 lin. 5.
17. Subiectum und passio hängen also in diesem Fall nicht zusammen. Es ist die Frage, ob
dann nicht die Be­griffs­­e­bene schon notwendig per Abstraktion, der notitia abstractiva secunda,
über­­­­­­­schrit­ten werden müsse, so dass wir, um diesen Satz bilden zu können, vom actus appre­hen­­­
sivus auszugehen haben oder ob hier irgendein Pa­ra­dox droht.
470 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ab­strakt­­­heit – mit­ein­an­der die Kon­­­­sis­tenz. Pseu­do­lo­gi­sche Be­­griffsset­zungen wie in


der Skotistenschule entfallen.
Es war gezeigt worden, dass ein Begriff, wie er durch die notitia intuitiva erst
ge­wonnen, in ihr gewissermaßen konzipiert, dann fortgesetzt angewandt und verifi-
zierend gebraucht wird, von jedem ande­ren Begriff und dem unter diesen (und folge-
richtig nur unter diesen fallenden) Gegenstand ge­schieden ist. In der Mentalsphäre
gilt die distinctio ratione wie in der Sphäre der extra­men­­ta­len Realität die distinc­
tio realis. Sie ist zwangsläufig besser gegrün­det.18 Die di­s­­­­­tinctio realis kann nicht die
distinctio ratione präjudizieren, wenn beide Distinktions­ar­ten ter­minologisch und
sachlich denn sollen getrennt werden können.19 „Et ita si esse con­cep­tum ali­­cu­ius est
repraesentare vel significare aliquid et non aliud, conce­do quod est aliquis con­cep­­tus
personae qui non est de essentia qui praecise competit uni per­so­­­nae et non alteri et
per con­­­­­­­­se­quens non est conceptus essentiae ex quo non vere competit om­­­ni illi de

18. Cf. Rep. II q. 1 OT V p. 23 lin. 16f „dico quod respectus realis magis fundatur in re in effectu
quam respectus ratio­nis in re cognita“. Cf. hierzu schon im 3. Kap.
19. Der respectus realis ist besser gegründet (fundatur!). Rep. II q. 1 OT V p. 23 lin. 18 – 21:
„quia primum est ne­­cessa­ri­um ponere ma­­xime in illis ubi extrema absoluta omnino possunt
esse eodem modo separata et postea uni­­­ta sine aliqua mutatione vel motu ad for­­mam vel sine
motu locali.“ Diese Unterschieden­heit in re begründet die Mög­lich­keit Gottes einzugreifen, zu
trennen und wieder zusammenzu­set­zen. (ib.) „oportet igitur in illos ne­ces­­sario ponere respec-
tum unionis acci­den­­talem.“ Sie sind also nur kontingent zusammengefügt. Das bedeutet aber
nicht, dass sie auch faktisch ge­trennt erschienen: „Sed nunquam ubi manent eadem absoluta et
est motus lo­ca­lis, opor­tet po­ne­­re inter illa tales res­pectus: sed omnia possunt salvari per nega-
tiones.“ Wir bleiben hier in der empiri­schen Sphäre und ‘messen’ durch einen Bezug, der über
die Messung entscheidet. Es gibt aber Bedin­gun­gen, wo sie und alles Empirische nicht mehr
gilt; dort vermag Gott per divinam potentiam absolutum (jetzt: su­pra­natura­l­iter loquendo und
auf der Ebene der unbe­dingten persuasio) einzugreifen und eine Modifikation zu be­wirken,
die förmlich bloß die Be­grif­fe tan­giert und die distinctio ratione salviert: Das accidens wahrt
den Sta­tus eines ab­solu­tum, also ei­ner anderen Sache. „Non magis dependet accidens ab acci-
dente nec substantia ab ac­ci­dente quam accidens a sub­stan­tia. Sed De­us potest facere accidens
sine substantia media in ratione ef­­fectus, er­go potest fa­ce­re quodcumque accidens si­ne alio et
substantia sine ac­ci­den­te in rati­one effectus et sic de om­nibus ali­is absolu­tis.” Das accidens hat
gegen­ü­ber der sub­stantia ei­ne Qualität als relatio. Eine Feststellung, die für Ock­­­­ham auch hin­
sicht­lich der Wirk­­ver­hältnisse (Wirkung des Lichts etwa) gilt und natürlich grundsätz­lich. „Si
di­ci­tur quod acci­dens dependet es­sen­tialiter ad subiectum, et ideo non potest diffiniri sine sub­
iec­to et propter hoc dif­­­finitio sua data per genus et dif­ferentiam non est completa, contra: non
ma­­­­gis essentia­li­ter depen­det ac­ci­dens ad suum subiectum quam sub­stan­tia composita ad suas
cau­sas essen­ti­ales, et maxime ad primam cau­sam sim­pli­ci­­ter.“ Mit der Trennung von substan­tia
und accidens werden zugleich im Verhältnis zueinander kontin­gen­te Ob­jekte gesetzt oder zu­
gelassen. Damit wird aber auch die Kausalität als eine bereits zwischen oder mit den Objek­ten
zu setzende oder zu fingie­ren­­de Notwendigkeit oder Relation suspendiert. Die causa prima
macht hier keinen Unterschied! Daher gilt das Allmachtsprinzip (supranaturaliter loquendo)
argumentativ (formaliter) nicht real.
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 471

quo dicitur es­sen­­­tia.“20 Damit wird auf der Ebene der Begriffe, in der Mental­sphä­re,
wo die distinctio ra­ti­­o­­­ne greift, der In­halt des begrifflich mit der persona von Gott
Aus­­gesagten nicht auf das von der divina essen­tia, in der die personae zusammenfal-
len, an­ge­wandt, obwohl die Begriffe hier nicht mehr em­pirisch sind und die Wahr-
nehmung der divina essentia und ih­­rer Re­la­­­tionen uns ver­wehrt ist. Das accidens,
in der kategoriellen Bedeutung genommen, tritt nicht in den Be­weis ein. Es gibt für
die In­duk­tion und gerade für sie nur substanzielle Beziehungen. Wo, wie oben im
Beispiel an­­­­geführt, eine akzidentelle bestünde oder hypothetisch be­ste­­­hen soll, wird
der Um­stand nur als nicht auszu­schlie­ßender pro statu isto anerkannt. Es wird also
auch nicht die Akzidentalität als inhaltliche Begründung der Geltung oder der res
ex­­­tra anerkannt. Fol­g­­­lich kann man überhaupt nicht über einen Beweis Existenz und
Re­al­geltung dartun wol­len.21
Der Syllogismus kann aber, wie schon gezeigt wurde, der Widerlegung dienen
und damit ge­ra­de auch im Sinne des Ausschlusses sowohl der Behauptung der Re-
alexistenz wie ihrer strik­ten und direkten Verneinung. Hier scheint der Terminus res
eine Grundbedeutung (Grund­funk­­­­­ti­on) zu haben.22 Der Syllogismus wird daher das

20. Ord. d. 1 OT I p. 458 lin. 18–23.


21. SL I c. 37 OP I p. 105 lin. 34–37: „passio non potest vere per propositionem negativam re-
moveri a suo subiec­to, maxi­me si esse existere praedicetur de illo subiecto. Unde ista propositio
est im­­possibilis: ‘Deus non est cre­a­ti­vus’, et ta­men Deus potest esse et fuit, quando paedicatum
non erat in rerum natura.“ Natürlich ist es klar, dass wir von dem existere Gottes und seiner in
Prä­dikaten ausgedrückten Bewandtnissen und Be­zie­hungen ex visu nichts wis­sen. Unmög­lich
ist dabei und daher, was einem Subjekt, wenn wir es verstehen, vermöge seines Be­griffs nicht
(= nicht de­finit) zukommen kann. Andernfalls hätten wir keine Möglichkeit, das ‘possi­bi­le es­se’
oder ‘possibiliter esse’ logisch oder besser ‘argumentativ’ überhaupt zu begründen. Es macht
kei­nen Sinn, Absurdität ex statu re­rum zu fixieren oder ‘begründen’ zu wollen. (Wie Ni­ko­laus
von Autrecourt wollte). Cf. ib. lin. 27–29 „Pas­sio non est ni­si quod­dam praedicabile secundo
modo di­cen­di per se de suo subiecto et ideo omnis passio pot­­­est esse pars propositi­o­nis et per
conse­quens non est talis res extra.“ In diesem „De passione“ über­schriebenen Ka­pi­tel lautet die
Kon­klu­si­on (lin. 29–32): „Ex quo sequitur quod non est impossibile subiectum esse in rerum
na­­tura sine sua pas­si­one,“ mit­hin eine, die ihm we­sentlich zugehört, „nec est impossibile pas-
sionem es­se in re­rum na­tura sine suo subiec­to.“ Bei der propositio ‘impossibilis’ muss es nicht
das esse in reali von s und P sein.
22. Ockham gebraucht ausgehend von der divina essentia auch von den einzelnen personae
divinae den terminus res. Cf. Ord. d. 2 q. 6 OT II p. 175 lin. 1–10: „est singulare in Deo quod tres
res sunt una numero, et ideo illa una res nu­me­ro est quaelibet illarum trium rerum, et tamen
una illarum trium rerum non est reliqua, ita est sin­gulare et ex­ce­dens omnem intellectum quod
non sequitur: essentia una numero est Filius, Pater non est Filius, igi­tur Pa­­­ter non est es­sentia.
Et ideo illud singulare non debet poni nisi ubi auctoritas Sacrae Scripturae compel­lit. Et ideo
ta­lis con­­­se­quentia nunquam debet negari in creaturis, quia ibi nulla auctoritas Scripturae com-
pellit /§ cum in cre­a­­tu­ris nul­­la una res sunt plures res et quaelibet earum. §/“ Es gilt für Ockham
grundsätzlich (ib. p. 174 lin. 16f): „for­ma syllogistica aequaliter tenet in omni materia.“ Eben
auch für die ontologischen Terminolo­gie (ib. lin. 21–23): „si omnis differentia individualis est
472 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Verhältnis von substantia und accidens nicht selbst grundlegend ermitteln können.
Doch kann für oder gegen die Ausle­gung von kon­­­­­­tin­genten oder auch als kontingent
aufzufassenden Sätzen per syllogismum ent­schie­den wer­­den. Darin muss aber die
Implikation so zugestanden werden, wie für den Satz und Be­­weis bei Ockham Wahr-
heit, Geltung, oder Kausalität zugestanden werden, nämlich als nicht aus­geschlossen,
aber unbeweisbar.23 Aber damit musste die Argumentation grundle­gend in dem Sinn
werden, dass sie noch einmal oder überhaupt erstmals die wissenschaft­li­chen Mög­­­
lich­keiten des Erkennens umfasst; indem man dies Ockham zuschreibt und darin
*Fol­ge­­rung und +Empirie in ein Verhältnis mutueller Auslöschung bringt, hat man
meta­phy­si­­­sche All­ge­mein­heit zur significatio (und Signifikativität) herabgebogen, In-
duktion zum Ana­l­o­gon der Wirklichheitserfahrung gemacht und die Bezeichnung
der Erkenntnismittel von der Adäquati­ons­hypothese und allen ihren Abwandlungen,
Vermittlungen und Minderungen ent­­fernt. Der No­minalismus mag hier exempla-
risch oder als Modell ‘Operation’ „angeben“. Auch für die Neuzeit. Mathematik, Phy-
sik oder Chemie definieren nach der Gestalt (Erscheinung, Zeich­nung) von Operati-
onsverläufen vielleicht kein Erkennen.24
Der actus oder die notitia, in welcher wir mit Ockham das Erkennen angeben,
kann in Be­zug auf die Inhalte nicht entwickelt und bestimmt werden. Damit flachen
sich die Akte gegen die Natur und verschiedene weitere Elemente nach Sätzen in
dem Maße ab, wie nach der Ana­­lyse der Sätze und ihrer Elemente, die Akte (noti-
tiae) nicht als deren Wesensmerkmale, wohl aber als Bezugsmomente hinsichtlich
der Realität erscheinen können.25 Das Verhältnis von in sich kompaktem In­halt (De-
terminatheit) und Konsequenz (Kontingenz, wandelbare Konse­quenz) steht außer-
halb der Logik. Das begreift die Kau­sation ein, dasjenige was einer Wirkmöglich­keit
entspräche wie wir sie beim Licht fin­den. Diesbezügli­che Annah­men können nicht
in die Logik aufgelöst werden. Das be­deutet, dass im Sinne der bloß kon­tin­gen­ten

de se propria individuo alicui et natura non est de se pro­pria ali­cui, se­qui­tur quod natura non
est differentia individualis, et hoc realiter.“ Es gilt und gibt ein Vorver­ständ­nis der Be­grif­­fe,
auch für die Theologie, dessen Realwertigkeit beim Syllogismus weder ein- noch ausge­schlos­­
sen wird. Das macht dessen Überzeugungswert aus.
23. D. h. die Implikation wird modal (intensional) aufgefasst (und) mit dem Satz vereinigt ge-
sehen. Die Implikati­on wird nicht mit der Realität vereint oder vereinigt gesehen.
24. Dabei wird sich die Zweiheit von Ableitung und Widerlegung, die Aristoteles angegeben
hat, erhalten. Man kann dann auch sagen, dass zwischen beiden nicht vermittelt werden könne,
i.e. dass aus dem einen nicht ins an­de­­re übertragen werden kann, so dass damit Erkenntnis und
Gegenständlichkeit nicht ‘definit’ gegeben sind.
25. Gehen wir davon aus, dass wir im Christentum primär eine mythologische Konstitution
haben, wenn der Got­tes­sohn (Nietzsche betonte den genuinen Ausdruck der jüdischen Apo-
kalypse: der Menschensohn!) den Men­schen oder die Welt erlösen soll, so hätte Ockham in
das grundlegend mythische Weltbild, zu dem auch der Schö­pfer­gott gehört, seine Aktlehre als
erkenntnistheoretische Determinante eingefügt.
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 473

Fak­to­ren­annah­me Erkenntnis als Erkenntnis der Sachen in sich ent­fällt und Logik als
abstraktes Moment oder Feld der Erkenntnis einen äqui­voka­ti­ven Sinn er­hält.26 Die
Logik hat weniger Be­deutung als den sachlichen Themen ent­spricht: al­­­len­falls kann
sie die Er­­­­­­kennt­nis begren­zen, ohne sie auch zu erschließen. So sagt denn Ockham
zur Theo­lo­gie einmal:27 „Quae tamen istarum proposi­ti­­­­o­num sit magis secundum
pro­pri­eta­tem sermo­nis ma­­gis perti­net ad lo­gi­cum discutere quam ad theologum.“
Ockham wechselt ins Feld der Fall­unter­schei­­­­­­­dun­gen und -entscheidungen hin­­­ü­ber,
wenn er ‘be­weist’.28 Der sprach­li­che Aus­druck si­chert noch nicht die Er­kennt­nis; er
führt nicht zum Erkenntniszweck: zur Ein­­deu­tigkeit der Sät­­­ze usw.29 Sie wird vorab
für die The­­­o­lo­gie be­­nö­tigt. Denn diese darf nicht im Sinne der ver­e­i­tel­ten Ab­strak­tion
ihrer Begriffe oder Begriffsinhalte direkt verhindert werden, womög­lich so, dass von
Seiten der Empirie ent­­­stehende Widersprüche und Ungereimtheiten, unein­heit­licher
Sprach­ge­­­brauch unbereinigt bleiben. Daneben steht die De­ter­mi­nat­heit als mit den
Satzinhal­ten inhi­bier­te Folge­rung von unan­ge­messenen prakti­schen Verhältnissen.
Hier ist die Folge­rung aus­ge­schaltet, die auf die Em­pirie zu führen hätte.30 Damit
können Sätze auf der ei­ge­­­­nen Stufe der Abstraktion mit Mo­di, die modo composito
gebraucht wer­den, wie ‘distinctum for­ma­li­ter’, ‘per omnipotentiam di­­­vinam suprana-
turaliter loquendo’ u. ä. reguliert werden.31

26. Die Dimension der Auffassung von Nominalismus, die Quine ver­tritt, scheint auf.
27. Ord. d. 30 q. 1 OT IV p. 314 lin. 19–21. Die Logik kann also nicht über die Theologie regie-
ren. Sie etabliert nicht eigens (‘ei­ge­ne’) Erkenntnis. Die Logik, die Erkenntnis begrenzt, aber
nicht ausdrückt und lediglich der Ar­­gumen­ta­tion partikular, etwa mit der Widerlegung der
Ontologie, aber nicht in ei­nem for­ma­len Gesamtsinn dient, hängt darin bereits von der Schöp-
fung intensionaler Konzepte ab. Die Suppositionslogik enthält sie.
28. Der Logiker kann nur an Argumentationsrichtlinien, partikular, anhängig machen, was
ei­ner Zer­trümmerung ontologisch geprägter Auffassungen entspricht und Logik in einem ka­­
noni­schen Gesamtsinn nicht erreicht, Lo­gik als Instrument des Gegenausdrucks zur Onto­lo­gie
und zu deren Ausmerzung aber ermöglicht. Logik bleibt bei Ockham partikularistisch. Sein
Erkenntnisinteresse ist methodisch nicht logisch definiert.
29. In diesen Sätzen wird nicht der Vollzug äquivalent der Erkenntnis sein, gleichgültig was
man mit Ockham in­termediär oder discutando von dem Status der Begriffe anführen will,
wenn man sie etwa intellectio oder sub­iec­tivum esse nennt. Cf. zum bewahrheitenden discursus
scientificus, der den actus assentiendi fundiert, Kap. 3.
30. Cf. G. Leff, 1975 p. 138 zur suppositio determinata (im Satz mit Einzelfallbedeutung) u. Ph.
Boehner, 1952.
31. Hier kann Duns Scotus gleichsam nur im Sinne der Deduktion eines Prädikats als accidens
(im kategorialen Sinn) verfahren, um dann durch die Beweisführung zur Notwendigkeit und
Es­sentialität aufzuschließen. Ockham beseitigt das Problem, indem er auf die Stufe der Ab­
straktion sich begibt und dort regulierend handelt.
474 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Da bei Ockham die Abstraktion auf den naturalen Verhältnissen, sei es der Seele,
sei es des sen­sus nur aufruht, muss nicht Argumentation von ihm erwartet werden,
worin mit einer ak­zidentellen Option zu einem essentiellen, durch das subiectum als
Begriff anzuge­ben­den As­pekt der Ausgriff auf die psychische oder physische Kompo-
nente selbst themati­siert würde, so dass so das Verständnis des Hauptbegriffs oder der
Abstraktionsmethode selbst erläutert würde. Die Abstraktion trägt sich durch die Ar-
gumentation und die von ihr ermittelten regel­ar­tigen Prinzipien oder Devisen, auf die
Ockham in der Argumentation dann auch zurück­greift.32 Es gibt so den Bereich der
Naturalität, der nicht express erörtert werden muss, und, weil er Um­­­­­­­stand bleibt, auch
nur Vergleiche liefert bzw. zu ‘Argumentationen a fortiori’ (bei­spiels­wei­­se) und somit
Plau­­­sibilitäten und Wahrscheinlichkeiten führt.33 „dico quod sicut non est in­conve­ni­­
ens ad ali­quam transmutationem corporalem, puta infirmatatem vel somnum, ces­­sa­­re
omnem actum intellectus – im Schwächezustand oder im Schlaf lässt der Verstand von
je­­dem Verstandes­akt ab –, ita non est inconveniens ad cessationem alicuius sensatio-
nis sensus ex­­­teri­o­ris ces­­­sa­re no­­­­­­­titiam intuitivam intellectivam eiusdem.“ Die notitia
intuitiva intellectiva re­giert über und oberhalb der sinnlichen Sphäre, worin es eine
notitia intuiti­va sensualis gibt.
Ockham muss aber nun, wo er den kritischen Gedanken über die Felder ver-
gleichbarer Er­kennt­nisse alias Gegenstände, die eben nicht streng seinem Aufbau
entsprechen, ausweitete, die Bereiche, in die die Erkenntnis dieser Gegenstände zu
fallen hätte, erst noch einmal nach dem Modell von autonomer Erkenntnis eigenstän-
dig denken, so dass sie zunächst dann nicht die menschliche Er­kenntnis sein kann,
und mithin auch an­dere Medien besitze oder be­sit­zen kön­ne als den menschlichen
Begriff34 etc. und diese dann wie­­der nach den Aufbau­prin­zipien der menschen-
förmigen Erkenntnis, also nach notitia intui­tiva und notitia abstracti­va und deren
Verhältnis reflektieren. Diese müssen dann nicht nach dem menschli­chen Me­dium
des Be­griffs oder actus apprehensivus sich orientieren, vielmehr entfalten sie ihr Ver­
hältnis in der Ana­logie dazu. Damit wird die Nebenmöglichkeit oder Nochmöglich-
keit des Ge­dan­kens schließ­lich gesichert.35 Dabei bleibt die Erwägung hypo­thetisch,

32. Damit werden – zwischen Analyse und Synthese – grundsätzliche Fundierungen (z. B. di-
stinctio realis) zitiert.
33. Prol. Ord. q. 1 OT I p. 27 lin. 22 – p. 28 lin. 3.
34. Wollte Ockham das menschliche Medium bereits unmittelbar annehmen, so hätte er eine
me­­­ta­­physische Auf­ga­be der Erkenntnisbegründung vor sich und müsste daran scheitern, we­
nig­stens nach seinem eigenen kritischen Ur­teil. Insofern verfährt er konsequent und konsistent
und hat keine Wahl.
35. Ockham geht aber von der Bestimmung des menschlichen Begriffs als subiectivum esse
oder intellectio aus und bezeichnet damit eine Negativität, von der ausgehend er seine An­ders­­­­
mög­lichkeit er­reicht. Er stipuliert sie als abstrakte noch mögliche Erscheinung neben den uns
bekannten, die als solche der inneren Wahrnehmung der anima entstammen, nicht der im
extramentalen Sin­ne em­pirischen Erfahrung. Ginge Ockham ganz in Analo­gie zu einer der
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 475

und hypo­the­ti­sche Bestim­mun­gen der Begriffsnatur treten expreß in die Diskus­sion


ein: /§„Si autem te­ne­a­­­tur opinio quae ponit quod praedicabilia sunt intellectiones
ani­mae quae sunt realiter ip­sae cog­­­­­­­nitiones in­­tellectus,36 tunc Deus nec in theologia
beatorum nec in theo­logia nos­tra erit sub­­­­­­iectum tam­quam illud quod supponit, sed
in theologia beato­rum res­pectu ali­qua­rum veri­ta­tum erit cogni­tio simplex propria
Deo subiectum et respectu ali­quarum cogni­tio non simplex, sed commune vel com-
posita ex communibus tamen propria Deo.“§/37 Die Se­ligen haben nicht unbedingt
ei­­­­ne Theologie, in der Gott zugleich Gegenstand und Mittel wä­re, son­dern eine Theo­
logie oder Got­teserkenntnis, worin Gott entweder intuitive in sei­ner Essenz nach ei­
ner cog­nitio sim­­­plex (analog einem Begriff) erkannt wird oder abstractive (sic) in
ei­nem zu­sam­mengesetz­ten Aus­druck, der aber einzig Gott zukommt: proprie Deo.38

beiden hypothetischen Bestimmungen, wie er sie dem menschlichen conceptus hauptsächlich


ge­ge­ben hat, hier von dem praedicabile, als fictum esse oder obiectivum esse aus, könn­­­­­te die
Ausweitung auf eine an­dere denn unsere Theologie (theologia nostra), nicht stattfinden: so ope-
riert Ockham induktiv, aber natür­lich wie­der mit einer negativen Aussage als Ergebnis.
36. Ockham zeigt Liberalität hinsichtlich des Charakters des Mittels, zu welchem man er­kennt:
der Begriff (con­­cep­tus) kann als terminus alternativ im weitesten Sinn auch nach einem nicht
mehr be­griff­lichen Zeichen­cha­rak­ter gedacht werden (Prol. Ord. q. 9 OT I p. 266 lin. 5–16): „in
ista pro­po­­­­sitione ‘omnis ho­mo est risibilis’ illud quod supponit est ali­quod commune ad omnes
homines, sive sit conceptus sive non; sed illud pro quo supponitur est ali­quod singula­re, quia
per istam de­no­tatur nisi quod om­­­­­­ne singu­la­re contentum sub homine potest ridere. Simili­ter
in ista ‘omne ens est creatum vel increa­tum’ illud quod supponit est aliquid commune Deo
et creaturae, sive in vo­­ce sive in con­ceptu, non curo modo.“ Das dem Begriff entsprechende
Lautzeichen kann al­s Zeichen äqui­va­lent oder alter­na­tiv zum Begriff in mente gedacht werden.
„Et tamen illud non supponit nisi pro ali­quo ente sin­gu­la­ri. Tamen sciendum quod aliquando
idem est quod supponit et pro quo supponitur, sicut in ista ‘ens est univocum Deo et creaturae’
idem est.“ Hier handelt es sich um den Fall der von Ockham so definier­ten sup­po­si­tio simplex
Hier ist etwa ein Beispiel ‘homo est spe­ci­es’. In der sup­­positio simplex steht der Be­griff (species)
für den Be­griff. Als universale kann der Begriff ‘homo’, wie aus obi­ger Stelle ersichtlich, für die
Ge­samt­heit (die spe­­cies) der Men­schen sup­po­­nieren. Entsprechend: ‘animal est genus’ etc. Cf.
SL I cc. 63–77 OP I pp. 193–238.
37. Prol. Ord. q. 9 OT I p. 270 lin. 8–15. Die praedicabilia, i.e. termini, in einem allgemeinen
Sinn, die der beatus ha­­­ben kann, wären also nicht die conceptus des menschlichen intellectus.
Gott kann auch nicht nach einer com­po­­si­tio, in welcher er zugleich was er selbst wäre und nicht
er selbst Ge­genstand oder Mittel der Erkenntnis sein.
38. „Tertio dico quod theologia beatorum, si sit respectu eorundem complexorum respectu quo­
rum est theologia no­s­tra: sic dico proportionaliter eodem modo de subiecto illius theologiae et
de subiecto theologiae nostrae; sed il­la theologia eorum quae est respectu aliquarum verita­tum
in quibus ipse Deus in se subicitur, quia in se intel­li­gi­­tur et non tantum in aliquo concep­tu, in
il­lis potest Deus sub ratione deitatis esse subiectum utroque modo, quia et supponet et pro se
ipso supponet; respectu autem aliarum ve­ri­ta­tum ipse Pater in se erit subiectum et sic de aliis.
Et eodem modo dico de intellectu ab­strac­tive cognoscente divinam essentiam et per­so­nas in
se.“ (ib. p. 269 lin. 23 – p. 270 lin. 7).
476 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Es wird grund­sätz­lich erläutert:39 „dis­­tinguo de theologia nostra nobis pro statu isto et
de the­o­logia /§ possi­bi­li per divinam po­ten­­­tiam §/ in intellectu viatoris.“ Es wird also
‘unterschie­den’ zwi­schen ei­ner Theologie, die uns ge­genwärtig (pro statu isto) mög-
lich sei und einer Theo­­logie, die (in ge­ne­re) dem intel­lec­­­tus viatoris („per potentiam
divinam“) möglich sei. In diese fallen al­le Er­kennt­­nisse, wel­che nach dem Begriff oder
außerhalb des Begriffs wider­spruchs­frei mög­­lich sind. „Et ista (Ed. illa) potest accipi
dupliciter: vel quod sit to­ta­li­ter respectu eorundem respectu quo­­rum est theo­logia
nos­tra, vel quod sit res­pec­tu verita­tum in quibus ipse Deus in se subici­tur vel Pater
etc. /§ vel cog­­­­nitio simplex pro­pria Deo §/.“ Die ‘potentia dei absoluta’ indiziert also
die Ge­samtmög­lichkeit der – für den via­tor – mög­li­chen theologischen Erkenntnis-
se zunächst unab­hän­gig von der compositio der Be­­grif­fe. Gott kann, vermö­ge sei­ner
potentia dei ab­soluta un­ab­hän­gig von einer causa partia­lis, welche der von ihm ge­
schaf­­­fenen Welt (nach der potentia ordi­na­ta bezeich­net) an­ge­­hört, bewirken, was se­
cun­dum le­gem communem na­türlich nicht oh­ne diese causa zu ge­sche­hen pflegt. Die
causae par­­tiales ge­­hören der kontingenten Welt an, von der aber auch die Er­he­­bung
in die poten­tia divi­nam absolutam aus­geht. Gott kann nur kon­­­tingente Bezie­hun­­­­gen
hy­po­thetisch auf­he­ben. Soll­te er notwen­dig­e abändern, ergäbe sich ein Wider­spruch.
Ockham bewahrt das Kon­­­­zept ei­­ner in sich kon­tin­gen­ten Welt, in der die cau­sa nicht
den ihr entsprechen­den effectus ‘ent­hält’.40 Ohne dieses Basiskonzept kann es kei­­­­ne
Argu­men­ta­ti­­­on in seinem Sinn geben.41 Auf die­­se Argu­men­ta­ti­­­on kommt es vor­ran­
gig an. Die mensch­­li­chen Be­griffsmittel sind cau­sa par­ti­a­lis aus der ge­schaf­fe­nen Welt,
die uns se­­cun­dum le­gem com­mu­nem sive potenti­am dei or­­di­na­­tam zu­kom­­­men. Not­
wen­dige Wahr­­­­­hei­ten sind in der Theo­lo­gie nicht ausge­schlos­sen.42

39. Ib. p. 268 lin. 12–17.


40. Ein Begriff (effectus meinend oder als passio fungierend) kann auch nicht virtualiter in
ei­nem anderen (causa meinend oder als subiectum fungierend) enthalten sein, wie Duns Sco­
tus ver­meinte. Die Kontingenz der Welt hin­dert, dass aus einem Begriff, einen bestimmten
Ge­gen­stand be­deutend, mit einem anderen Begriff, einen wei­teren Gegenstand betreffend, eine
Aus­­­sa­ge gebildet oder eine Folgerung gezogen werden könne, die einen not­wen­­digen oder aus­
schließlichen Bezug be­sagen könnte. Cf. Ord. d. 1 q. 6 OT I p. 497 lin. 13–19: „dico quod ne­ces­­
sa­ri­um non pot­est de­pen­dere a non necessario. Sed isto modo nulla creatura est necessaria,
nec aliquis ef­fec­tus sic necessario dependet a quacumque causa. Non est tamen inconveniens
aliquem ef­fectum necessario elici ab aliqua causa ita quod non sit pro tunc simpliciter in sua
potestate nisi mediante alio non necessario, quod sci­li­cet est in sua po­tes­ta­te.“
41. Der Begriffsstandard, den wir natürlich festhalten müssen, wird nicht von der divina poten­
tia absoluta, doch im Wunder sabotiert. Insofern müssen sie unterschieden werden können.
42. Cf. Prol. Ord. q. 9 OT I p. 270 lin. 16–22. Der Unterschied ist einfach, ob das praedicatum im
Verhältnis zum sub­­iectum „sit pri­mo notum de illo“ (dann ist der Satz not­wen­dig) „sive de alio“
(dann ist der Satz nicht notwen­dig). Der Satz ist al­so auch dann kontin­gent, wenn er im Syl-
logismus gefol­gert wer­den kann. Man kann hiernach annehmen, dass die Kontingenz so weit
reicht wie die Re­zep­tion und Bildung der Begriffe nach der notitia intui­ti­­­va möglich (= nicht
ausgeschlos­sen) ist. Der Begriff Kontingenz wird intensional so weit ge­fasst, wie er exten­si­­onal
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 477

Die notitiae ha­ben den Stellenwert des Kriteri­ums:43 Was mit ihnen (mit der
notitia abstracti­va vor allem) zusammenfällt, ist zu sa­gen er­­­laubt, wird zugestanden
(ist zulässig). Was nicht mehr mit ihr vereinigt werden kann, muss ausgeschie­den
werden.44 Damit erscheint auch die Induktion (nebst der persu­a­sio) als eigen­tüm­
liche und ad­äquate Belegmethode.45 Der Ge­samt­typus des Schlie­­ßens bei Ockham
be­steht schließ­lich in der Vereinigung von ab­­­­strac­tio, determinatio und Folgern (Im­­­­
plikation) oder nä­­hert sich ihm an. Dabei kann das Fol­gern über das Zerle­gen der

nicht aus­ge­­schlos­sen werden kann. Damit ist er abstrakt so weit er­streckt, wie er nicht ‘a parte
alicuius con­­­­sequentiae’ we­gen der Inkompatibilität akziden­teller Bestandteile negiert werden
muss. Zur Konsequenz in diesem Sinne cf. auch die Kapitel 11–12.
43. Die Abstraktion erscheint noch nicht, wo wir die notitia intuitiva ansetzen (Rep. II q. 9 OP
V p. 176 lin. 15ff): „Ex hoc quod cog­nos­co sic esse in re, ex hoc cognosco quod actus intellectus
per quem rei as­sen­ti­mus est ve­rus.“ Aber sie erscheint not­wendig, wenn wir die actus mentales
in se den­ken wollen. Doch auch der ac­tus ap­prehensi­vus ist unspezifisch wie der actus iudica­ti­
vus ex. gr., der als Teil der notitia intuitiva gedacht werden kann.
44. Dazu zählt auch die Erkenntnis Gottes durch die res, die die divina essentia selbst wäre.
45. Man könnte einen Widerspruch darin sehen wollen, dass Ockham scheinbar angestammt
onto­­­lo­gi­sche Aus­drüc­ke und Formeln gebraucht, ohne sie in dem bekannten Sinn realistisch,
bzw. wenn man es so sehen will, ge­nu­in ontologisch aufzufassen. Sie treten jedoch in seinen Ar­
gu­men­­ten funktional mit einer ‘ab­glei­­­tenden’ Ten­denz auf. Ontologie kann selbst nicht ge­­­nu­in
oder in Übereinstimmung mit diesem Gebrauch begründet werden. Ontologie kann nicht be­
deu­ten, was mit der Abstraktion an­ge­nommen und bezweckt wird. Sie kann nicht (die) Ab­strak­
tion ab- und angeben, sie kann auch nicht (mit) Beweisen gleich­­wertig sein, die im Na­men der
Ontologie zu führen wären. Es gibt somit nicht zwangs­läufige Einsicht, weil und wie es Onto-
logie gibt. Es gibt da­nach auch kei­­ne Veranlas­sung sie und andere scho­las­ti­sche Kon­zep­te und
Lehren we­gen genereller Im­plau­si­bi­­lität an­zu­greifen, wie es Autrecourt getan hat. Er unterstellt
Absurdität mangels di­rekter empiri­scher Nach­weis­mög­­lich­keit. Ockham be­wer­­tet Sät­ze. Dabei
können der Ontologie angehörende Sätze nach bestimmten Auslegungen oder absolut sinnlos
bzw. falsch sein. Sie können mit bestimmten Auslegungen, auch künstli­chen, wieder gehal­ten
werden, d. h. so dass sie generell erst einmal falsch anmuten und abge­lehnt werden müssen.
Dann aber lässt sich vorab nicht einmal sagen, ob sie unbedingt gelten. Bei der Paradoxienver-
meidung, die Ockham betreibt, kann das keine Frage mehr sein. In dem Sinn aber gilt seine
Argumentationspraxis überhaupt und erscheint abso­lut. Negation, Be­schneidung, Begrenzung
der Ontologie bedeutet hier auch die Ausscheidung des Topos der ewi­gen Wahrheit – unab-
hängig von jemandem gedacht, der sie denke oder besitze. Sachfeststellungen und faktische Er­
weise sind solche unter dem Schutzmantel der Abstraktion; deren Standard ist nicht der einer
Wahrheit in se und so re­gulativer Erkenntnis. Die Ontologie drückt für Ockham diese so wenig
aus wie die Ab­strak­tion sie er­­gibt bzw. kraft und mit­samt einer damit ent­hal­­­te­nen Folgerung
einschließt. Sie können nicht abstrakt nach im­pli­­ziter Folge­rungs­­form als mit­ge­geben gel­ten.
Tatsachen wer­den für Indukti­on oder persuasio vor­aus­ge­setzt, um qua Re­­dukti­on (partieller
Nega­ti­on) eine weitere Behauptung zuzulassen. Die­se ist dann eben nicht Analogie.
478 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Fälle oder ‘Zerle­gen in Fälle’ aus­ge­drückt werden und hat darin sein Ä­qui­­va­lent.46 Die
Konsistenz, die dann für den oder ei­nen Hauptbegriff ausge­drückt o­der ermittelt wird,
eine relatio als es­sen­­tia qua­si, be­steht darin, dass über eine Anzahl von Fäl­­­len, die
alle akzi­den­tell gegenüber dem Haupt­be­griff sind, eine Min­derung bezeichnet wird,
die als in der Rol­­le eines Prädikats an­gesetzt und anzusehen, doch den Hauptbegriff
nicht aufhebt. Sie steht in diesem Sinn nicht im Wider­spruch zu ihm. Im Grunde ist
damit eine Rei­he von Folgerun­gen aus­geschaltet wor­den, bei der, über die Em­pi­rie
gehend und gelten sol­lend, die Reichwei­te eines Hauptbegriffs vermit­telst der für die-
sen zu definierenden Prädi­ka­­te ausgedrückt und dann ‘analytisch’ be­wie­­­­­sen wur­­den.
Die­­­s schei­det damit aus. Ockham hat danach nicht nur die The­sen des Duns Sco­tus
immer nach ihrer All­gemeinheit angegriffen, sondern auch tech­nisch ei­nen Ge­gen­
typus der Be­weis­füh­rung und Erörterung prak­­tiziert. Er hat jene Beweisart ausge­
schlos­sen, welche bei Scotus allgemeinen Aussagen, schließlich auch sol­chen, die das
Be­wei­sen einschlossen, ja viel­leicht immer ein­schlie­ßen muss­­ten, entsprach; er hat
jene ‘in­ten­sio­na­le All­gemeinheit’ aus­­ge­schlos­sen, wel­che die Geltung oder Defi­nitheit
durch die for­mel­le analytische Be­weis­form vor­weg­nahm.47 Die­se andere Beweisart

46. Im Beweis, dass ‘Schöpfung’ notwendig sei (Quaestiones variae q. 3 OT VIII pp. 59–97)
werden determinatio und im­plicatio di­rekt gleichgesetzt. Hier kann dann der Realbezug un­
mittelbar als ausgeschlossen gel­ten. In die­sem Beweis, dass die Welt erschaffen wer­den konn­te
(wur­de), i.e. erschaffen werden musste, weil wie die Be­grif­­fe gegeben sind, aus ihnen kei­ne
Ewig­keit der Welt gefolgert werden kann, muss Ockham induktiv auf den Wert des Be­griffes
ge­hen, aus dem/für den gefolgert wurde. Aus dem Begriff folgt die Notwendigkeit, weil eine
ande­re Folgerung ef­fektiv aus­ge­schlossen ist. Sie würde media extrinseca benötigen, eine ande-
re Kennt­nis der Be­­­grif­fe, i.e. andere Be­griffe etc. Ockham führt den Beweis nicht sachbezo­gen:
er führt ihn nicht außerhalb der Re­­fle­xion auf die Begriffe, Intensionen, welche vielmehr (vor­
ab!) ‘selbst’ betrachtet werden. Ockham hat die The­­­­matisierung der Schö­pfung oh­ne jeglichen
Reflex oder Akzent ge­las­sen, der einen Realbezug außerhalb der Be­griffe (und ih­rer men­ta­len
Sphäre) hätte meinen kön­nen. Er kann über den ‘negativen’ Begriffswert in­­du­zie­ren und so
wieder zur Ab­strak­tion gelangen. Wir reden über die Schöpfung nur inhalt­lich, nur begriffsbe­
zo­gen, so denn wenn man will, ana­ly­tisch. Wir ge­lan­gen zur persuasio. Für sie ist die implicatio
Teil oder signum der de­ter­­mi­na­­tio. Auch die persu­a­sio gilt den Begriffen. Sie stellt Begriffe auf,
die förmlich als sie selbst gelten. Sie könn­ten nach ande­rer Kennt­nis ersetzt werden. Das lässt
sich immerhin denken. Insofern sind die Begriffe, die für sie empi­risch aus­­­gerichtet ge­braucht
werden, in­duk­tiv negativ bestimmt. Die Erkenntnis ist irgendwie un­be­kannt. Sie ist in Sonder­
heit nicht mit den Begrif­fen, den Einzelteilen (Bausteinen) der Aussagen ge­geben.
47. Im Versuch, Scotische Argumentationsweise gegen Ockhams Kritik abzusichern, schreibt
R. Wood, 1990 in: W. Vos­sen­kuhl und R. Schönberger (eds): 1990 pp. 25–50, p. 28: „This criti-
cism (gegen die Scotische Auf­fas­sung von es­sentialiter ordi­natae cau­­­sae) is mistaken because
Scotus is not committed to a single exposition of perfection.“ Ebenso p. 41. Ockham führte
in seiner Widerlegungsart gewohnheitsmäßig und mit technischem Be­lang instantiae gegen
Ge­­ne­ra­li­sierungen des Duns Scotus und ande­rer an; zu sagen, Duns Scotus habe hier dif­fe­
ren­ziert, bezeichnet nur das Un­angängige bei dessen Argumenta­ti­ons­form, sc. das Allgemei-
ne auf abgespal­te­ne und ausgeschie­de­ne (de­kla­rier­te) Sonder­­fäl­le zu gründen oder ad hoc zu
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 479

ist ins­­gesamt syn­the­tisch zu deu­ten. Der Haupt­begriff wird determi­nat verstanden,


in­dem man eine An­zahl akzi­den­­tel­ler Be­­züge als in sich je ge­minderte, nicht aber
min­der­nde, an­­führt und in dem Sinn die ab­strac­tio stärkt bzw. voll­endet. Die akzi­den­
tellen Be­züge sind dabei nur äuße­re, sie mei­nen streng ein Ver­hält­nis nach außen:
sie gehen strictis­sime nicht in die Prädikats­defi­ni­tion ein, um dann, wie es bei Duns
Scotus der Fall ist,48 „über“ Kontin­genz und Not­wendigkeit zu­gleich zu ope­­rie­ren:
sprich inhaltlich oder thema­tisch über Kon­­­tingenz, die jedoch ‘de jure’, vermöge des
Beweis­ver­­­fah­rens, notwendig „schei­­­nen“ soll. Wenn sie aber in dieser Weise im sub-
iectum enthalten sind, d. h. reflexive sein können sollen, wie Duns Scotus nach seiner
Er­klä­­rung der Erkenntnis in Sät­­zen vorgibt, dann müssen sie den Inhalt definieren in
der Weise, wie er aus dem Subjekt de­­duk­­tiv entwic­kelt werden können soll. Das heißt,
genau wie Ock­­ham sagt,49 dass es Ele­­mente geben kön­nen muss, die dem subiectum
unterstellt, doch für die passio zu gelten hät­­­­­­­ten, ohne dass die Einheit und Gleichheit
der Begriffe s und P unter­stellt wer­den könnte. Wird hier eine Dif­ferenz der Begriffe
unterstellt, muss das Verhältnis der Be­griffe auf ihrer Dif­­­­­fe­renz beruhen, bzw. mit

stüt­zen. Denn Duns Scotus müsste hier im­mer die Lo­gik all­ge­­mein vor­ausset­zen und sie dann
mit seinen speziellen Differenzierungen überschrei­ten. Ock­ham be­strei­­­tet die Thesen und Kon-
zepte des Duns Scotus zu den essentialiter ordinatae causae in Be­zug auf ihre integra­le Be­
weis­funktion. Für Ockham ist es damit die Frage, ob Duns Scotus schlüssig operiert. Dessen
The­­sen und Mit­tel müssen daher ih­ren in­halt­lichen Sinn als ‘logischen’ zeigen: sie dürfen nicht
widerleg­bar sein. Sie sind es nach Ockham. Als zur re­pro­batio affine und ihr integrale Thesen
können die Scotischen An­schauun­gen kei­­ne haupt­säch­li­chen sein, so dass sie etwa inhaltlich
zur Wahl stünden und ein sachli­ches Inter­es­se hätten. Woods Re­kurs auf eine bloße, unbegrün-
dete (unbegründbare) Abneigung Ockhams ist ver­fehlt.
48. Wahrscheinlich ganz gleich auch bei Spinoza. Man mag bei Spinoza von ‘natürlicher
Theologie’ sprechen. An deren Rationalität glaubt R. Wiehl, Metaphysik und Erfahrung, 1996
pp. 234–332 Nach Ockham ist der Satz ‘Deus est immortalis vel primum ens’ dem natürlichen
Erkennen zugänglich, Sätze zur Trinität wie ‘persona divina est primum ens’ dagegen nicht (cf.
Ord. d. 1 q. 5 OT I 460 lin. 3–7). Für ersteren gilt und genügt die Erfahrung (ib. lin. 4): „suffici-
unt creaturae“. Er gehört zur natürlichen Theologie. Beide Sätze sind für Ockham dem Typus
nach kontingente Sätze. Scotus verleiht ihnen in Form der Auslegung, wenn er ihre Rationali-
tät dartun will, den Status ontologischer Notwendigkeit. Diese ontologische Explikation kann
Ockham dann widerlegen und zwar wesentlich über die Reduktion auf die Differenz von sub-
stantia und accidens. Darin geht zugleich die logische Form des Schließens unter. Sie kann also
für die Ontologie nicht erzeugend und rechtfertigend sein. Die Ontologie hat dieses Schließen
nicht definit zur Verfügung. Damit entfällt die significatio: die res wird nicht erreicht. Spinozas
Relationen antizipiert Duns Scotus.
49. Cf. Kap. 3: Zum Verhältnis der Satzformen.
480 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

dieser kompatibel sein. Damit aber kann es nicht einmal mehr not­­­wen­dig sein.50 So
gesehen gibt es keine Deduktion.51
Abstraktion bei Ockham bleibt immer auf empirische Konnotation be­zo­­gen,
in der aber sie sich nicht erfüllt, so dass ‘Folgerungen’ darin bestehen und die Dif­
ferenzierungen da­raus her­vor­gehen, dass sie es nicht tue. Die opinio richtet sich
gleichsam ge­gen einen in sich un­er­füll­ba­ren, daher eigentlich sinn­lo­sen ‘Be­­standteil’.
Er ist als akzidentel­ler nicht real, son­dern ima­gi­­när. Mit der Aufhebung der Inten-
sionalität wird auch schon der Realitätsstandpunkt aufgegeben. Man sehe folgendes
Beispiel, bei dem die forma perfectior ange­li gleichwohl kei­ne Wir­­kung nach außen
besagt, sondern eben darin bestimmt, determiniert ist, dass sie es nicht tue (oder
tut):52 „dico, quod illa propositio ‘quanto forma est perfectior tanto est ac­­tivior’ uni­
ver­sa­­liter ac­­cepta est falsa. Quia angelus est perfectior qua­cum­que forma cor­po­ra­li
et ta­men an­ge­­lus non est activior forma corporali. Non enim potest angelus causare
for­mam sub­stan­tia­lem quam­­­­­cumque, sicut potest natura corporea, sed solum – si sit
activus – pot­est cau­sare acci­den­­tia. Et ratio est: quia tales actiones non conveniunt
na­tu­rae suae. Et eodem mo­­­do est in pro­­po­si­­­to.“ Auch die Schwächung bedeutet nicht,
dass die Hand­lungskraft dem Ran­ge nach zu­­­neh­me: „licet intellectus sit imperfectior
forma quacum­que for­ma elementari, non tamen ac­­­ti­­vior, quia non convenit naturae
suae, maxime ad causan­dum tales operationes in seipso.“ Der Intel­lekt vermag nicht
in sich ‘Bewerk­stelligungen’ von Gegen­ständen, die von ihm ver­schie­den sind, zu

50. Das nimmt Ockham auch an. Cf. L.-M. de Rijk, Ock­­ham’s Theory of Demonstration: His Use
of Aristotle’s kath’ holou and kath’ hau­to Re­qui­re­ments, in: W. Vos­­­sen­kuhl und R. Schönberger
(eds): Die Ge­gen­wart Ock­hams, 1990 pp. 232–240. De Rijk sieht Ockhams Adaption der Demon­
stra­ti­onslehre des Aristo­te­les bestimmt durch die doppelte Tendenz seine zwei „ontologischen“
Grundannahmen zu sichern: die absolute Individualität und die ab­so­lute Kontingenz von al-
lem was ist. Das bedinge ‘Manipula­tio­nen’ (sic!). Sie müss­ten ‘pseudo-argu­mentativ’ Ockhams
tatsächlichen Argumenten und Erörterungen voraus­liegen. Doch Ockhams Argu­mente ha­ben
ih­re Stel­lung im Text, in Sonderheit der Ord. Prol. Darin spielt thematisch die Dichtigkeit/Nä­
he der pas­si­o­nes zu­­­­ein­ander eine Rolle nebst der Einheit der scientia qua lückenloser Abfolge
der Syllogismen, oder deren ein­deu­­­tige Zu­ge­hö­rig­keit zu einer ‘scientia’ (Metaphysik, Natur-
philosophie etc.) Die multiple Verwendung der Prin­­zi­pi­en und der Beweise über die Grenze
der einzelnen scientiae hinaus, die Mög­lich­keit einen bestimmten Satz (con­­clu­sio) mit unter-
schiedlichen Prämissen zu beweisen (cf. SL III-2 c. 1 lin. 34–46 – OT I p. 506) steht der Bin­dung
und Verschmelzung von Inhalten und Logik entgegen und so auch der voraussetzungslosen
Über­nahme Aristotelischer Meinungen, die hier undifferenziert erscheinen. Zur propositio ne-
cessaria s. auch SL II cap. 24 lin. 46–48 OT I, p. 328f (lin. 46ff): „Phi­losophus in libro Priorum
(Anal. Priora, I, c. 3 (25a 27–36) non loquitur de con­ver­­si­o­­­ne propositionum de ne­­ces­sa­rio nisi
quando sumuntur in sensu compositionis vel aequiva­len­ter.“
51. Aber es gibt die Argumentation oder Beweisführung, die semantische Voraussetzungen
oder Aufffassungen an­­­greifen und aufheben kann. Cf. Kap. 9 Ontologie und Induktion.
52. Quaestiones variae q. V OT VIII p. 164 lin. 165–174.
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 481

verursachen.53 Der Intel­lekt selbst ist als Ob­jekt seiner We­sen­­­heit nach vom ihm äu­
ßer­­lichen (anderen) Objekt ge­schieden. Er nimmt es nicht in sich auf. Zum Argument
lässt sich sagen: Es kann von der forma her auf den intel­lectus in­du­ziert wer­den. Die
forma kann mit dem in­tel­lectus zusammenfallen. Was über sie ge­­­sagt wird, gilt dann
erst recht von ihm, so dass nicht von daher eine instantia zu gewärtigen ist. Der an-
gelus ist bloß intellectus. Das be­­deutet aber auch, dass intellectus (auch der des Men­
schen), angelus und forma alle­ von jen­seits des empirischen Verhältnisses determi­
niert werden, in wel­chem sie, mit Objekten, ein ih­­­nen Äußerliches hätten. Hat so die
Argu­men­­­­­­­­ta­ti­on ihre ganze Wei­te, be­­­zeichnet sie damit auch intensional den Bezug
in empi­ri­schen oder äußeren Ob­jek­ten, die in se nicht erreicht, nicht eingeholt, nicht
inte­griert wer­den. Be­stimmungen der actus und des Be­­grif­fs (universa­le) usw. sind
nicht vom äußeren Objekt her zu ge­ben.54
Das fol­­gende Textbeispiel Ockhams zeigt sogar, dass sowohl Wahrheit wie Wider­
spruchs­­­­­frei­­­heit (oder der Widerspruchssatz als Regel von Wahrheit oder Unwahrheit)
außer­halb der in­ten­­­­sio­na­len Regulation des Sinnes von Texten liegen können:55 „(Pro-
babile per po­ten­­­tiam di­­vi­­­­nam) potest persuaderi: quia de nullo absoluto realiter di-
stincto ab alio absoluto pot­­est ne­ga­­ri quin possit fieri sine eo per divinam potentiam
absolutam nisi appareat evidens contra­dic­tio.“ Ock­ham hat so tatsächlich, wobei er
die res als unter dem Relationsbegriff ‘ab­solutum’ ver­­zeich­­net, die distinctio realis zwi-
schen absoluta zum rationellen Grund eines fiktiven Ein­griffs se­cun­dum potentiam
divinam absolutam gemacht, wobei dieses intensionale Moment nicht wei­­­­ter reicht als

53. Ockhams Argument endet an der Stelle seiner Bedingung. An dieser bricht es gleich­sam
sich. Es hat wie er­­sicht­lich keinen versteckten Anteil, der im Widerspruchsprinzip oder von
ihm dann not­gedrungen intensional zu identifizierenden empirischen Momenten bestünde.
54. Daneben kann forma auf jeden quidditativen Begriff angewandt werden. Das geschieht
beispielsweise bei der ‘Ableitung’ der demonstratio potissima in Ord. Prol. So gebraucht
Ockham den Ausdruck forma auch in SL II, c. 7 – OP I p. 271 lin. 49): „praedicatum appellat
suam formam“, wozu die Ed. auf Wilhelm von Shy­res­wood, Introductiones in logicam cap. 5 ver-
weist, wo es heißt, dass es die „forma substantiae subiecti“ sei und „praedi­ca­tum solam formam
dicit.“ Ockham un­ter­scheidet SL I cap. 63 lin. 4–10 technisch ap­pellatio nicht ge­gen sup­po­sitio.
Das impliziert auch, dass forma in den kettenförmigen Re­­­pro­ba­tionen der Kap. 9–11 via Begriff
sehr wohl auf die res angewandt werden kann, wäh­­­­rend die Bestimmungen, die sie erhielt, es
nach dem Wi­der­le­gungs­­be­weis nicht können (sollen); es handelt sich also um eine negative
prädikative Bestim­mung zu for­­ma, die rejiziert wird. Dabei kann zuletzt ein suppositi­ons­lo­
gisch akzeptierter (kontingenter) Satz die res identifi­zie­ren. Nicht gün­stig be­­urteilt L.-M. de
Rijk, 1990 p. 236 Ockhams Gebrauch der forma bezüglich einfacher Satz­sub­­jek­te, für Ockham
gleich­na­mig mit der substantia: „Of all people ist is Ockham who sets apart a thing’s forma
and gives it logical priority to the concretum it inhe­res in.“ Er weicht nicht von dem des Wil-
helm von Shy­res­wood ab. Für de Rijk ist er zudem er­staun­lich (ib.) „from the standpoint of his
(Ockhams) own onto­lo­gy.“ Er sieht sie in zwei Prinzipien: (a) die Din­ge sind kontingent, (b) sie
sind schlechthin singu­lär.
55. Prol. Ord. q. 1 OT I p. 59 lin. 3–5.
482 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

bis zu der Grenze eines Widerspruchs, dessen Erweis aber rein hypothe­tisch bleibt,
also nur apostrophiert wird. Der Omnipotenz wird förmlich nur ein Bei­trag zum ‘pro­
ba­­bile est’ zugesprochen. Der eigentliche Beweis wird nicht ausge­führt, viel­mehr auf
eine Ein­­­­­­sicht in die Struktur begrenzt. Wahrscheinlichkeit und persuasio als Beweis­
form erschei­nen dabei gleichwertig oder gleichnamig. Wir können eine Wahr­schein­­­
lichkeit an­­­­­nehmen, weil eine persuasio möglich ist; diese wird vermöge der potenti-
am divinam abso­lu­tam ange­nom­­men und angesetzt. Diese kann damit auch keinen
‘realen’ Wert oder Grund be­­­anspru­chen, mithin nicht als in facto angesetzt gelten.56
Ockham hat nicht wi­­­­­­­derlegend verfahren, son­­­dern überredend.57 Er hat eine Annah-
me laut Wahr­schein­­lich­keit statuiert, eine qualitative Wahr­scheinlich­keit also.58
Gott (vermittelt und „vertreten“ durch das Omnipotenzprinzip) und das
Widerspruchs­prin­zip stehen an ‘entgegengesetzten’ Positionen der Skala, analog per-
suasio und reprobatio (indirek­ter Beweis). Ockham hat also lediglich die mechanisti-
sche Vorstellung bezüglich solcher Grö­­ßen aufgehoben, die einer irdisch empirischen
Welt ohnehin fern stehen. Für sie gilt die per­su­­­­asio. Dass sie im Spätmittelalter für die
geltende nominalistische Lehre prävalent war, ist op­i­­nio communis. Eine Zwangsläu-
figkeit der Verbindung von gratia und beatitu­do etwa muss ver­neint werden, weil sie
als res absolutae ‘real unterschieden’ sind. Da­her kann zwangsläufig per divinam po-
tentiam absoluta über sie getrennt verfügt wer­­­den.59 Es kann also ‘bewiesen’ wer­­­den,

56. Damit bleibt der realwertige Gott in se als cau­sa remota gesetzt. K. Jaspers, 1968 p. 134
sieht da­rin neu­zeit­li­ches Denken. Er macht es zuerst bei Marsilius von Pa­dua (gest. 1347) aus.
Dieser lebte als Schutz­be­foh­lener Kai­­ser Ludwigs des Bayern zur gleichen Zeit in Mün­chen wie
Ockham, der dort seit 1329 weilte. Bei Ockham ist der Weg von der sub­stan­tia zum accidens
so weit wie der von Gott zu seiner Schöpfung, und man kann, weil bei­des einander entspricht,
fragen, wo das Motiv Ockhams für das jeweils andere lie­ge. Aber eben auch das Mo­tiv für den
Gebrauch des Omnipotenzprinzips, der beides zusam­men­fasst und um­­­klammert. Doch da­­­mit
ist man bei einem wesentlichen Argumentationsver­fah­ren. Dieses kann sich auf das Wider-
spruchsprinzip nicht mehr stüt­­­zen. Denn dazu müsste das ac­cidens in der substantia inhä-
rieren. Das wird für die propositio con­tin­gens nicht mehr angenommen. Aus ihr dependieren
andere Satztypen.
57. Der Widerspruch verbleibt immer außerhalb der intensionalen Bedeutung des Satzes, res­
pek­tive eines Be­griffs, der im Satz genannt und implizit ausgelegt wird.
58. Ockham hat deutlich gemacht, dass die distinctio realis empirischen Gegebenheiten ver-
bunden ist und bleibt, auch dann wenn die Begriffe, längst abstrakt verstanden und als gegeben
betrachtet, zur Bestimmung der Gel­tung der Aussagen für res und relationes stehen sollen.
59. Es ist unschwer zu erkennen, dass dafür induktiv argumentiert werden kann. Das Om­ni­
po­tenz­prinzip hebt bei Ockham keine mechanistische Kausalwer­tig­­keit auf und sprengt sie
al­so nicht. Eine Negation ‘mechanisti­scher’ Kau­salwertigkeit durch das Om­ni­po­tenz­prinzip
wä­re inhaltlich unbeweisbar und könnte also auch nicht de­finit als eine These bei Ockham be­
wiesen werden. Ockham, der die Grenzen der Beweisbarkeit so be­tont, könnte nicht ein­mal ein
Interesse daran haben. Das beweist ‘a fortiori’ (!) = induktiv sein notwendiges In­te­resse an der
Induktion als Beweismittel oder -form. Das Omnipo­tenz­prinzip integriert sich in es. Es wird
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 483

dass Gott über sie getrennt disponieren kann. Es lä­ge sonst ge­­­­­ra­de ein Widerspruch
vor. In Wahrheit hat Ockham bestritten, dass be­grif­flich eine be­stimm­te Relation
zwingend oder notwendig bestehe. Generell gilt: die Omnipo­tenz (das Om­ni­po­tenz­­
prinzip) wird be­grenzt, nicht durch das Wi­der­spruchsmoment (auch nicht durch es
er­mög­licht), sondern da­durch dass die Kon­sis­tenz kein Problem ist. Das aber aus
Gründen der Kontingenz.60
Schon Duns Scotus hatte geäußert:61 „Nihil scientifice concluditur de ali­quo, nisi
in se sim­pli­­­­ci­ter prae­concep­to, ideo in scientia nostra quando scimus per causam,

da­rin von ke­iner es­­sentia Got­­­­tes geredet, weder an sich, wenn das Prin­zip ein­ge­setzt wird, noch
wird in diesem selbst da­­von die Re­de sein. Gott, der genötigt wä­­re, etwas zu tun, ent­sprä­che
übrigens nicht dem Gott, der gehin­dert ist, etwas zu tun, i.e. vermöge eines drohenden Wi­der­­­
spruchs. Es ist klar, dass der induk­tive intensio­na­le Cha­rak­ter von Ock­hams Ar­gu­­menta­ti­ons­
praxis und damit auch der Verwendung des Om­­ni­­potenzprinzips, die ihr Be­stand­teil ist, d. h.
formell manchmal eingesetzt werden kann, um die fixierte Schö­pfungsord­nung oder empiri­
sche Basis zu ver­las­­sen, nicht auf dem Prinzip eines mechanisti­schen Nötigung Gottes noch auf
dem einer ir­gend­­wie mechani­s­tisch begrün­de­­­ten Behinde­rung und Begrenzung Gottes beru-
hen kann noch gar auf der Verei­ni­gung oder Gleich­set­zung beider Regeln, immer quasi unter
der Einmengung des Wi­derspruchsprinzips, wo­mit wir auch da noch ein qui pro quo hätten.
Wir haben jedoch bei Ockham schon kei­ne beweistaugliche mecha­ni­s­tische Auffassung von
em­pirischen Kausalverhältnissen, in denen für ihn die Kon­tingenz vorherrscht, welche ihm bis
in die Wahr­neh­­mung, Bildung der Er­kennt­nisse und eben der behaupte­ten Kausalrelationen
hin­einreicht. Vielleicht muss (kann) sie bei ihm nur wegen der Interaktion oder Inter­fe­renz von
Subjekt und Objekt be­ste­hen.
60. Die empirischen Verhältnisse sind kontingente. Sie werden von Kontingenz regelrecht
be­stimmt, so dass nicht eine Notwendigkeit geschöpft werden kann, die als „über­empiri­
sche“, über­weltlich ‘gedacht’, gleichermaßen mensch­­li­cher Er­kennt­nisfähigkeit offen stünde.
W. Vossenkuhl, Vernünftige Kontingenz. Ockhams Verständnis der Schöpfung, in: W. Vos­sen­
kuhl und R. Schön­­ber­ger (eds), 1990 pp. 77–91 p. 80 sieht Got­tes Allmacht durch das Kon­sis­
tenzprinzip gebunden (eingeschränkt) und interpretiert des­sen In­halt als Aus­druck des Absur-
den: „Er kann also alles tun, was nicht gleichzeitig das Ge­gen­teil dessen ist, was er tut.“ Zwar
identifiziert auch Ockham Wi­der­spruch und Unmög­lich­keit, wie es Aristoteles beim indirek-
ten Beweis tut, aber diese In­kon­sis­tenz müsste bei Vossenkuhls Bestimmung aus dem Omnipo-
tenzprinzip zunächst folgen (kön­nen), also selber mit ihm konsi­stent sein oder erscheinen, und
danach ihm wider­sprechen; dann gäbe es wo­mög­lich die All­macht nicht. Das In­kon­­sistente
steht au­­ßer­­halb Got­tes Allmacht und ist keine denkbare Welt­rea­li­tät. Gott kann aber die Welt
schaf­fen, und er ist insofern auslegbar, als wir das Konsistenzprinzip beiseite brin­gen können.
61. Cf. W. Kluxen (ed.), 1974, p. 92 lin. 72ff. Ob die Scotische Be­weisart einer sol­chen Maxime
entspreche, mit ihr kompatibel oder konsistent sei, ist eine an­de­re Frage. Ockham legt einen
Schnitt zwi­schen den actus ap­pre­he­nsivus und die Empirie außerhalb des Verstandes. Über
diese in sich er­fah­ren wir nichts Gediegenes. Gegen den Ge­danken, dass Ockhams Vorgangs-
art aus dem Scotischen Verfahren ab­ge­leitet sei (sein könne), spricht, dass es ge­genüber dem
Sco­­tischen Kriterien entfaltet. Diese könnten z. B. nicht selbst aus dem Scotischen Ver­fah­ren
(mit den „ad hoc Postulationen“ als Modi einer zu­sätz­lichen oder nach­träg­li­chen Abstraktion
484 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

cau­sa non facit notiti­­am causati simpli­cem, qualem ipsum causatum natum esset gi-
gnere, se­cun­dum Augusti­num 9° Trin. Ca­pi­tulo ultimo.“ Das hieß eigentlich auch,
dass nicht aus der Kontingenz Bestim­mun­­­gen entnommen werden könnten, die per
Widerspruchssatz zu gültigen Erkenntnissen zu füh­ren hätten. Mit dieser zitierten
Scotischen Stel­lung­­nah­me gleichwertig ist die folgende Ock­­­hams:62 „notitia unius
rei ex­tra non ducit sufficienter, cum intellectu, in noti­ti­am primam in­­comple­xam
alterius rei in se.“ Ebenso in größerem Zu­sam­menhang:63 „no­ti­tia unius sin­gu­­­la­­ris
numquam est causa sufficiens – cum intellectu – notitiae alterius rei sin­gu­laris quae
non est com­munis sibi.“64 In der gesamten Passage, in der die Kenntnis eines Ob­
jekts nach der Kennt­­­nis eines anderen ‘vorhergehenden’ für möglich erklärt, wird,
be­deu­tet ‘obiectum’ be­­­reits Ob­jekt im Verstand und im Satz gewusster Inhalt. Von
der Be­griffs­bil­dung aus muss zur Stufe der Bildung (und Begründung) von Aussagen
und dann Argumen­ta­tio­nen (auch mit dem Be­zug zu Sät­zen) fortgeschritten werden,
wenn Folgerichtigkeit soll begründet werden kön­­nen.65 In die oben zitierte Scotische
Äußerung könnte eingeschlossen sein, dass es eine ex­pe­ri­mentelle Verfikation neben
dem Deduktionsakt zu geben hätte (zumindest geben kön­ne). Dann aber müsste die
deduktive Logik auch empirisch begründbar sein, was einen ge­wis­sen Wi­derspruch
besagen muss bzw. zu bedeuten hat, dass Duns Scotus mit seiner Intention zu de-
duzieren, was für uns nicht vor Augen liege, nämlich Gottes essentia und existentia,
qua­si ein absurdes (paradoxes) Unterfangen einginge. Das gilt auch dann, wenn man
unterstellt, dass Duns Scotus seine ‘Deduktionen’ im Gottesbeweis mit einem titu-
lar-empirischen Begriff oder putativ-empirischen abstrakten Konzept, nämlich dem
‘Möglichen (an sich)’ „be­ginnt“.
Nun hat aber Ockham nach dem Verhältnis von Begriff, Satz, Sache (res), actus
apprehen­si­vus und actus iudicativus, notitia incomplexa und notitia complexa etc.
gleich auf der inten­si­o­na­len Ebene dieser reflexiv aufeinander bezogenen Elemente

gegenüber der em­pi­rischen Gel­tung, die einge­grenzt oder gelöscht wer­den soll) abge­lei­tet sein.
So muss bei Ockhams Vor­gehen die Frage nach seiner Motivation unbe­dingt sich anders stel­
len: Ockham muss, selbst wenn er an Duns Scotus ‘anknüpfte’, dessen Intention gerade nicht
teilen. Er ver­bes­sert ihn auch nicht.
62. Prol. Ord. q. 9 OT I p. 254 lin. 20–22.
63. Ib. p. 253 lin. 24 – p. 254 lin. 9.
64. Methodologische Meinungen des Duns Scotus erscheinen oft nicht einhellig und daher
nicht stringent. Ock­ham merkt die Differenzen, uneinheitliche Stellungnahmen u. ä. gelegent-
lich an.
65. Es ist die Frage, ob eine pauschal erkenntnistheoretische Skepsis, wie sie Nikolaus von Au­
trecourt ausgespro­chen hat, vermöge oder bezüglich des Fol­gerungsgedankens legitim sei. Da­
bei setzt er abstrakte Folgerbarkeit und konkrete ‘Erfüllbarkeit’ noch gleich. Konsistenz soll
als reale sig­nificatio beweisbar sein. Das Omnipotenz­prin­­­zip kupiert ein solches Verhältnis im
Sinn von Folgerung. Cf. Kap. 7. Es gibt das Dilemma, variabel von uns akzentuiert, zwi­­­­schen
Autrecourts skeptizisti­scher Kri­tik und Ockhams Met­­­­hode bzw. Konzeption.
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 485

gefragt und mit der distinctio re­­a­lis als kat­e­goriellem Begriff66 gearbeitet:67 „Quomo-
do se habent ad invicem notitia incom­ple­­­xa terminorum et apprehensio complexi et
iudicium sequens an omnia ista distinguantur re­­­­­­a­liter et an quodli­bet istorum indiffe-
renter possit fi­eri sine alio?“ Es kann keine Rede davon sein, dass eine solche Fra­ge nicht
entscheidbar wäre. Sie ist es mit Hilfe des terminus techni­cus ‘di­s­tinc­tio realis’. Wo eine
solche angenommen wird, entfallen Widerspruch und Anders­mög­­lich­­­­keit bezüglich
Folge und Fol­ge­rung, nicht je­doch bezüglich der Vorgabe oder Prämis­se. Sie ist im
Sinne der persuasio, der distinctio for­ma­­lis als Modus modallogisch modo com­po­si­to,
des mit beidem verbindbaren Gebrauchs des Prinzips der poten­tia Dei absoluta, nach
den bei­den Auslegungen supranaturaliter lo­quen­do und naturaliter lo­quen­­do abwan-
delbar und er­­­­­gibt dann immer für sich spezifisch verschiede­ne Folgen oder Fol­ge­run­
gen.68 Für beide gel­ten different die modallogischen Spe­zifikationen der Verwendung
des Modus modo com­po­si­to und modo diviso. Letztere spricht direkt das empiri­sche
Verhältnis an, in dem und für das auch, definit und die Definitheit be­gründend, die
dis­tinc­­­tio realis gilt:69 „Posset dici quod ali­­quis potest apprehendere aliquod com­
plexum et tamen non habere notiti­am incomplexam ter­­mi­­norum quantumcumque
habeat unam notitiam com­ple­­­xam qua cognos­ci­tur et comple­xum et etiam termini
illius. Si dicatur quod tunc simul et se­mel de facto termini complexi cog­nos­ce­rentur
duabus notitiis, istud pos­sit concedi.“70 Dabei kön­­­­nen der actus assenti­en­di und der
ac­­tus apprehensivus – fallweise – so­wohl zu­­sammen­fal­len wie realiter distinkt sein:71
„Non est con­­tradictio quod aliquis intellectus as­sen­­ti­ret alicui pro­­positioni et tamen
non ap­pre­hen­dat eam una apprehensione distincta re­ali­ter ab illo assen­su. Tamen
quod assen­tiret et nullo ap­­­pre­­henderet, includeret contradictio­nem.“ Es wird damit
nicht behauptet, dass eine Zu­stim­mung – zu einem actus apprehensi­vus – vor­­lie­­gen

66. Sie muss besagen, dass was wir in der realen empirischen Welt distinkt (distinktiv) an-
nehmen können, in glei­chem Maße in­nerhalb der Mentalsphäre für die Akte. Und vermöge
der Akte bezüglich der Realität. Damit kön­nen Schlüsse für das Erkennen und Folgern nicht
gezogen werden, bei denen das consequens und die darin recte oder reflexiv gemeinte Realwer-
tigkeit selbst Insignifikanz, Inexistenz zu besagen hätten.
67. Prol. Ord. q. 1 OT I p. 52 lin. 10–13.
68. Dabei können u. U. differierende Annahme persuasiv begründet werden, nicht nur zwei
kon­­­träre oder kontra­dik­torische, sondern gelegentlich auch drei von einander ‘ab­wei­­chen­de’.
69. Ib. p. 59 lin. 20 – p. 60 lin. 1.
70. Mit der Ergänzung ib. p. 60 lin. 1–7: „quia certum est quod praeter notitiam complexam qua
cognoscuntur ter­mi­ni est una notitia incomplexa cuiuslibet termini, et ista notitia incomplexa
non videtur habere repugnantiam ad notitiam complexam. Et ita, cum non habetur evidens ex-
perientia quod corrumpatur per adventum notitiae com­ple­xae, non debet negari quin maneat
adveniente notitia complexa. Et eodem modo, proportionaliter, posset dici de apprehensione et
iudicio sequente.“
71. Ib. p. 59 lin. 14–17.
486 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

könne, oh­ne dass der actus ap­pre­hen­si­vus be­­­­stehe:72 „Sed non apparet evidens quod
iu­­­dicium sequens ap­prehensi­o­nem sit et ta­men quod apprehensio non sit; nec quod
apprehen­sio com­ple­xi sit, et ta­men quod no­ti­tia in­com­plexa ter­mi­­­norum non sit.“
‘Non apparet evi­dens’ be­zieht sich auf ein empirisches Ver­hältnis. Der Wi­­derspruch
und das empirisch nicht Gege­be­ne sind gleichnamig.73 Ockham hat für die noti­tia
in­­tuitiva ei­nen actus apprehensivus und ei­nen actus assentiendi als ge­trennte an­ge­
nommen, daneben für die notitia abstractiva sie zu­sam­menge­nom­men. Dann gibt es
noch die noti­tia abstrac­tiva in einer etwas anderen Be­deutung: da bezieht sie sich bloß
auf den ac­tus appre­hen­sivus, wenn der actus apprehensivus sich, der notitia intuitiva
ent­stam­­mend, ein­mal gebil­det hat. Je­ne notitia abstractiva ist eine no­­­titia complexa,
diese eine no­ti­­tia incom­ple­xa. Der Ter­­­­­minus no­titia abstractiva wird also aus­­drück­
lich in zwei Bedeutun­gen gebraucht.74
Ockhams Äußerung, dass eine notitia intuitiva, mittels deren ja laut ihrer Defini-
tion fest­ge­­stellt wird, dass ein empirischer und kontingenter Satz ‘wahr’ sei, weil den
in ihm ge­brauch­­­­ten ex­trema (i.e. Subjekt und Prädikat), ein präsenter Gegenstand,
ein äußeres Objekt also, ent­­­­­­­­­spre­­che (es also vorhanden sei), sehr wohl, man darf sa-
gen logisch, ohne die Exis­tenz und Ge­gebenheit dieser res extra mentem vorkommen
könne, hat zu vielen Erörterungen, Deutun­gen und Etikettierungen Anlass gegeben.
Indes kaum zwingenden: Ockham ist da­von aus­ge­gan­gen, dass eine notitia intuitiva
in dem Sinne auf den intellectus bezogen ist wie der in­tel­lec­­tus ‘differt a re extra’,
also als Akt gemäß distinctio realis von dem Ge­gen­­stand ver­schie­­den sei. Das bedeu-
tet nicht nur, dass er nicht zwangsläufig, i.e. me­chanisch, über eine no­­­­titia intuitiva
sensitiva, die dem intellektualen Akt vorausgehe und vor­aus­liege, er­zeugt wer­­­de. Es
bedeutet auch, dass er wenigstens theoretisch, trotz der Definition der no­ti­tia intui­ti­­­
va selbst, rein intensional, so dass diese nicht extensional gebunden ist, ohne die res
ex­tra prae­sens et exi­stens vorkommen könne. Das scheint formell gegen die Defini­
tion zu stehen. Es ist die di­s­tinctio realis, die den Widerspruch ausschließt. Müsste die
notitia in­tu­­i­tiva in me­­chanisti­scher Bindung an die res extra fungieren, also zwangs-
läufig sein, wäre sie als ac­tus nicht distinkt.75 In­tel­lec­tus und actus intelligendi, actus
iudicandi, actus apprehensivus etc. sind aber notwen­dig von der subjektexternen Re-
alwelt distant und distinkt, also verschieden. Inso­fern ist Ock­hams Bemerkung nicht
mit einem Wider­spruch behaftet, im Ge­gen­teil: sie ist von einem sol­chen be­­­freit und
bewahrt die Definitheit des terminus notitia intu­i­ti­va, wobei, no­ta bene, ja De­finit­heit
nie eingeholt, wirklich er­langt oder tangiert werden kann oder muss. Sie ist ein To­
pos der Abzielung, der als terminus ex­clusi­vus fungiert. Die notitia intuitiva schließt

72. Ib. lin. 6–9.


73. So wenn Ockham einen Einwand zitiert oder fingiert (ib. lin. 10–13): „evidens contradictio
est quod ali­quis as­sen­­­tiat alicui proposi­ti­oni et tamen non apprehendat eam, et quod aliquis
apprehendat aliquod com­plexum et ta­­men non appre­hen­dat terminos illius complexi.“
74. Cf. auch L. Baudry, 1958. p. 173.
75. Es müsste dann für sie die – analytische – Ableitung besorgt werden.
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 487

ge­ra­de logisch die Existenz und Präsenz der res extra nicht ein.76 Sie kann sie, kon­form
der De­­finitheits­for­de­rung, nicht aus­schlie­­­ßen; das ist selbst­ver­ständ­lich. Da aber die
di­s­tinc­­tio re­a­lis, die al­lein em­­pirisch gilt, al­so pro rebus huius mun­di, zwischen actus
und res ex­­tra als Ge­gen­stän­den, be­­steht, kann Gott, ver­möge seiner Om­ni­po­­tenz,
aber diese natural­iter loquen­do verstan­den, beide getrennt vor­kommen lassen. Das
be­­­deu­tet nicht Skep­tizis­mus. Es bedeu­tet ebenso keine Täuschung durch Gott in der
Rolle des bösen Dämons oder des deus ma­­lig­nus, wie ihn Des­car­­tes als ‘Möglichkeit’
sug­ge­rierte. Es besagt auch nicht die An­nah­­me ei­nes Wun­­­­ders. Es gibt ja keine Unter-
stellung von Re­alität. Es ist eine hy­po­­­­­theti­sche Mög­lich­­keit in Überein­stim­­­mung mit
der Definit­heit ei­nes de­­fi­nier­ten Termi­nus.77 Das ist al­les.78

76. Wie schon P. Vignaux bemerkt hat.


77. Ockham ist deutlich (ib. p. 58 lin. 23 – p. 59 lin. 5): „potest dici probabiliter quod notitia
incom­ple­­xa termino­rum et apprehensio complexi et iudicium sequens distinguuntur realiter et
quodlibet istorum per po­­­ten­­tiam divi­nam est a quolibet separabile. Primum patet per praedicta
(p. 58 lin. 5–23: Es kann ein habitus as­sen­tien­di noch aus einem habitus dubitandi erworben
werden, mit dem wir uns auf den Satz im actus appre­hen­si­­vus bezogen ha­ben; also sind habitus
as­sen­tiendi oder actus as­sen­tiendi und apprehensio verschieden). Secun­dum pot­­est persua­de­ri:
quia de nullo absoluto realiter distincto ab alio absoluto debet negari quin possit fieri sine eo
per divinam potentiam absolutam nisi appareat (!) contradictio“, sc. ‘Inexistentes’ außerhalb
Allmacht und persuasio.
78. Cf. H. Blu­men­berg, 1966 p. 155 (im Kautelenstil hermeneutischen Vorwissens und betreff-
los): „Ockham mag aus­­­­drück­­­lich sagen, er be­­haup­­te nur supranatura­li­ter loquendo die Mög-
lichkeit des Wun­­­ders der Er­zeu­gung von Vorstel­lun­­gen oh­ne Gegenstände… So kommt es
doch auf die­­sen Aus­nahme­cha­rakter nicht an, ohne den die christ­liche Scho­lastik gar nicht
mit ihren the­­olo­gi­schen Voraus­set­zungen zu­recht­gekommen wä­re, son­dern auf die systema­ti­­
sche Pe­ne­tranz sol­cher The­sen und Erwägun­gen.“ Das ist eine petitio principi. Nä­her­hin hat
Ock­ham naturaliter lo­quen­do (!) ar­­gu­men­­­­tiert: denn die ‘Er­wä­gung’ („Konzession“) erfolgt als
logisch konse­quen­te oder nicht aus­­zu­schlie­ßen­­de, al­so kom­pa­­­tib­le, auf der Ba­sis der distinc­
tio realis. Mit der divi­na po­­tentia ab­so­lu­ta supranaturali­ter lo­quen­­do wä­­­re die­se empirische
Ebene und die Festle­gung über die dis­­tinctio realis ver­las­sen wor­den: wir ver­­l­as­sen so von
vorn­­he­rein die Empirie, der ge­genüber wir das Wunder und die Täu­schung oder was auch
im­mer ja erst zu ver­ste­hen hätten. Wird das Omni­po­tenzprinzip ‘supranatu­ra­l­iter lo­quen­do’
ver­wandt, so wird der empiri­sche Bezug hypo­the­­tisch über­haupt auf­ge­geben. Blu­men­berg in-
des weiß aus­nahmslos mehr: ‘Der quasi in je­dem Au­gen­­blick dro­­­­hende Eingriff Got­tes’ mittels
des „Wun­ders“ soll eine „para­­dig­mati­sche Re­duk­­­tion der Ver­­bind­lich­keit der Na­tur“ bedeu­ten.
Ockham ­schal­­tet Em­pi­­rie nicht aus­; sie ist Ausgangs­punkt von In­­­­duk­­­tio­nen und ver­­träg­­­lich
mit persuasio­nes, die dann nicht mehr strikt empirisch gel­ten. Ja, die bis zum Über­welt­li­chen,
Jen­­­seits­weltlichen oder Andersweltlichen in einer anderen ‘Schöpfung’ trans­­gredieren können.
Blu­men­berg identifiziert überdies (ib. Anm. 90) fehlerhaft ‘notitia intuitiva unius obiecti inexi-
stentis ut existens’ mit der ‘notitia intuitiva de obiecto non-existente ut non praesens’. Zugleich
soll nach Blumenberg (ib.) „eine allen Kri­­terien genügende Wahrnehmung secundum omnem
conditionem” vorliegen. Werden die ‘Kriteri­en’ miter­zeugt? Oder geht es bloß um die Identität
der notitia? Sie selbst ist ein Kriterium.
488 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Die Entstehung des Begriffs aber ist für Ockham so zwangsläufig wie die Entste-
hung der sinn­­lichen Wahrnehmung eines außer­halb des menschlichen Subjekts sich
findenden Gegen­stands:79 „idem totaliter sub eadem ra­tione a parte obiecti est pri-
mum obiectum sensus ex­te­ri­o­ris et intellectus primitate genera­ti­o­nis, et hoc pro statu
isto; et ita obiectum intellectus in il­la intellectione prima non est magis ab­stractum
quam obiectum sensus.“ Es ist also denkbar, dass die generatio conceptus für den Ver-
stand, so dunkel sie für Ockham auch erscheint,80 doch zwangsläufig in ihrem sinn­­li­
chen Vorlauf sei. Der intellectus (Verstand) selbst besteht in realer Distinktion vom
sen­sus. Deshalb kann der Verstand an und mit dem was ihm als Be­griff’ entstanden
ist, abstra­hie­­rend weiter arbeiten:81 „Potest tamen intellectus postea abstra­he­re multa:
et conceptus com­mu­­nes, et in­telligendo unum coniunctorum in re non intelligendo
reliquum. Et hoc non pot­est com­petere sen­sui. Si autem illa abstractio intelligatur
universa­li­ter, intelligenda est a parte in­­­­tel­lectionis, quia illa est simpliciter immateria-
lis; non autem sic de cognitione sensitiva.“82 Die Be­stimm­bar­keit des Gegenstands,
der res extra in se, wird ne­giert oder implizit ausge­schlos­sen:83 „Ideo dicendum est
quod entitas et existentia non sunt duae res.“ Die existentia ge­winnt also auch keine
Verschiedenheit von oder Qualität neben es­sen­tia, quidditas usw., wenn wir den Ge-
genstand denken. Auch ‘res’ und ‘esse’ werden dann gleich­wertig.84 „Talia argu­men­­­ta
‘es­sen­tia potest esse et non esse, igitur esse distinguitur ab es­sentia et essentia differt
ab esse’ … non valent.“ Da es sich um einen Trugschluss, einen äqui­­vo­kativen Wortge­
brauch, han­­­­deln würde, kann diejenige Annahme, die Ockham als ‘gül­ti­­ge’ anerken-
nen will, bloß in­­tensi­o­nal gelten. Sie gilt reflexiv und wird implikativ definit sein. Sie
inkludiert jeden Fall.

79. Prol. Ord. q. 1 OT I p. 64 lin. 22 – p. 65 lin. 4.


80. Cf. Ord. d. 2 q 7 OT II p. 261 lin. 13–20 (Zum Text s. Einleitung Anm. 17).
81. Prol. Ord. q. 1 OT I p. 65 lin. 4–9.
82. Es handelt sich wieder um eine Induktion und insofern um eine empirische Wahrneh-
mung. G. White, Ockham and Wittgenstein, in: W. Vos­sen­kuhl und R. Schönberger (eds) op.
cit. 1990 pp. 165–188 p. 180 sieht bei Ock­ham durchgängig und grundlegend eine naturphiloso-
phische Methode am Werk. Beleg ist ei­ne einzelne Beru­fung Ockhams auf experientia. Erfah-
rung gilt gewiss für Ockham auch bei den mentalia, betrifft indes au fond deren Abtrennung
von anderen Elementen oder Akten in den Standardsätzen. Hier werden die (ontologischen /
erkenntnistheoretischen) Maximen korrigiert, wenn sie deren Verhältnis ‘falsch’ proklamier-
ten. Das bezeichnet in Bezug auf einen supponierten empirischen Gegenstand leere (in se eine
negative) ‘Erfahrung’. Um eine leere oder negative Erfahrung handelt es sich, wenn man an
Gegenstand (res) denkt, den der primäre sprachliche Ausdruck zu repräsentieren hat.
83. Cf. SL III-2 c. 27 OP I p. 554 lin. 1.
84. Ib. lin. 36–39.
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 489

Die angesprochene Differenzierung zwischen verschiedenen Akten und eben da-


bei auch Er­kenntnisarten hinsichtlich der Erkenntnis Gottes durch den viator wird
von Ockham wie­der­holt und ausgeweitet: Gott kann in sich erkannt werden; aber
daraus könne nicht zu ei­ner Er­kenntnisart übergeleitet werden, welche der Mensch
pro statu isto habe, und wie sie im mensch­lichen Begriff erfolgen müsse.85 Daneben
gibt es die Grade und verschiedenen Um­fän­­­­ge des menschlichen Erkennens in der
Theologie: der Theologe versteht davon mehr als die vetula oder der rusticus, die je-
doch gute Christen bleiben.86 Ockham gibt Differenzie­run­gen der Akte untereinan-
der, die, im Sinne ei­ner Zentralspiegelung am actus ap­pre­hensivus, den Akt immer in
seiner (oder einer) Bedeu­tung so betreffen, dass er mit ihr identisch wird; er schließt
in dem Sinn negativ Folgerungen ein, die für ihn, in actu, nach seiner spe­ziellen Funk­­­­­
ti­on und Bedeutung gerade gekappt, also aus­geschlossen werden. Er hat die Funk­tion
und da­mit kei­ne Relevanz im Sinne eines ande­ren, von ihm verschiedenen Aktes oder
derjeni­gen Ak­­te, die von ihm verschieden sind. Er be­deu­tet in diesem Sinn keine
Wahr­heit. Die Un­ter­­­­schei­dun­gen erhalten eine neue Qua­li­­­tät. Ihre subtile Distinktion
ruht den Ak­ten auf und be­­­­trifft sie der­art, dass sie da­­­­­­­von nicht inhaltlich au­ßerhalb
der damit für sie konstruk­ti­ven Argumen­ta­ti­on er­scheinen können, damit auch nicht
im Sinne ei­ner einheitlichen analytischen Be­weisfüh­rung, die auf eine ‘Gemein­schaft’
aller Eigenschaf­ten, Prädikate, accidentia und Be­stimmun­gen aus­­ginge. Die Verbin-
dung der Eigenschaften, mit der auch deren Kontinuität, unver­brüch­­­­­­­liche und ein­deu­
tige Ab­folge, bzw. Konsistenz un­terstellt wird, ist so zugleich nicht mehr be­weis­­bar,
i.e. nachweislich unbe­weis­bar, und muss daher quasi metaphy­sisch gel­ten. Ockham

85. Auch die Erkenntnis eines anderen kann nicht begründend für eine ihrer Art nach verschie­
de­­nen und von kei­ner Erfahrung legitimierte Erkenntnis des Menschen geltend gemacht wer­
den. Das bedeutet, dass eine conse­quen­­­tia zwischen ihnen nicht zugestan­den werden kann,
eben­so wenig wie eine solche zwischen einem cre­di­bi­le als antecedens und einem daraus ab­zu­
leitenden eigenen Erkenntnisakt für uns zu ei­ner Gewissheit führe: es ist für uns nicht si­cher,
dass sie nicht (ein) impossibile, also absurd, d. h. simpliciter falsum sei. (Für Autrecourt ha­ben
schon substantia, accidens usw. termini zu sein, die nur per fi­dem akzeptiert wurden.)
86. Der Satz, der als Erkenntnis und spezifisch als actus apprehensivus gekennzeichnet, de-
terminat erscheint und damit eine Folgerung auf einen anderen, der auxiliär Erkenntnis zu
sein hätte, nicht zulässt, lässt doch diesen anderen Satz als Ausdruck, quasi im Sinne der con-
sequentia, selbst zu. Dafür kann induktiv eingetreten werden. Ein Glaubenssatz erscheint als
antecedens wie eine holophrastische Figur und er kann so gewertet werden wie er als determi-
nat gelten kann; die auf Definitheit zielende consequentia in Gestalt eines anderen Satzes, einer
Regel o. ä. ist agglutinierende Partikel, ein Index, der sich über die Gesamtheit von Ockhams
Analysen erstreckt = fortsetzt. Definitheit beinhaltet etwa auch die Feststellung Ockhams, dass
in einem Syllogismus ein Satz bestätigt werde, der uns vorher schon bekannt war, nun aber,
in Gestalt der Schlussfolgerung bewiesen, einen actus iudicativus empfange und nur diesen
und dadurch bekannter geworden sei, weil er als allein Gott zukommend erkannt (= bestätigt)
werde. Man „erkennt“ (indes aliquomodo unqualifizierbar): der Begriff ist proprius Deo solo.
490 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

be­schränkt sich auf die Bewertung von Akten; de­ren vorgege­bene in­halt­li­che Be­deu­
tung ist (für Be­­griffe, Aussagen und Schlüsse) zu über­prüfen, u. U. zu korri­gie­ren.87
Dabei können actus assentiendi und actus apprehensivus in actu, d. h. für die
Reflexion unun­ter­­scheidbar, auch zusammenfallen:88 „(A primam probationem) dico
in fine discursus statur ad unum complexum quod fit notum per discursum et prius
erat ignotum, cuius tamen omnes termini prius noti notitia incomplexa. Unde cum
discursus sit praecise inter complexa et nullo modo inter incomplexa, per discur­sum
nullo modo adquiritur notitia incomplexa, cuiuscum­que ter­mini, quia quaelibet ta-
lis prae­supponitur ante finem discursus. Nec etiam notitia appre­hen­­­siva complexi
adquiritur, quia illa potest praehaberi; sed praecise per discursum adquiritur no­ti­tia
iudicativa. Verbi gratia, qui vult discurrere a creaturis ad Deum – secundum eorum
mo­­­­dum loquendi – praesupponit noti­ti­am incomplexam et Dei et creaturae, puta:
quid signifi­catur per utrumque terminum. Potest tamen quaelibet complexio formari
ante discursum; et ita omnis notitia incomplexi et etiam om­­nis actus apprehensivus
potest praecedere, et non ad­qui­­ri­tur. Sed adquiritur notitia qua assenti­tur huic com-
plexo ‘Deus est ens infinitum’, vel ‘ali­quid est ens summum’, vel alicui tali.“ Damit fragt
sich, was vermöge des actus iudica­ti­vus in der Deduktion über das bereits beste­hen­
de Wissens hinaus erreicht werden könne: Ockham ant­­­wor­tet, dass der abstrakte Be­
treff des Satzes als Ausdruck (notitia complexa oder concep­tus compositus) in seinem
Ge­genstand, nämlich Gott, zusätzlich erkannt werde:89 „Et si quae­ra­tur quare tunc
De­­­­us plus in­tel­li­gitur quam ante,90 ex quo (intellectus) non habet ni­si unum concep-
tum compositum qui non est realiter De­us, re­s­pondeo quod tunc Deus intel­li­gi­tur,
quia ha­betur unus conceptus pro­pri­us, natus ali­ter cog­nos­ci a nobis in via ex puris
na­tu­ra­li­bus, et De­­­­us non terminat im­mediate ac­tum intelli­gen­di nostrum pro statu
isto, sed tan­tum il­le con­cep­­tus immediate ter­mi­nat“. Da­­­bei bezieht Ockham sich auf
die Bestimmung des Be­griffs als fictum per ac­tum intelli­gen­­di.91 Dann erörtert er die

87. Diese Prüfung bleibt aber nach gewissen Regeln konsistent. Es sind Regeln, die die reelle
empirische Bedeu­tung nicht auf den Satz zu dessen intensionaler Bestimmung übertragen und
verwenden. Entsprechend ist die In­duk­tion mitenthalten oder definiert.
88. Prol. Ord. q. 7 OT I p. 202 lin. 15 – p. 203 lin. 8.
89. Ib. p. 203 lin. 16–22.
90. Das Logische im formellen Sinn kann nicht die unbedingte Motiva­ti­on Ockhams abgege­
ben haben, es sei denn man verschränkt das Logische mit dessen Gel­tung, was schließlich nur
besagen kann, dass die Definitheit zum eigentlichen Gesichtspunkt wird. Die Begriffe oder zu­­­
sammengesetzten Aus­drüc­ke müssen formell alle ihre oder ver­schie­­­­­­de­ne Objekte treffen und
betreffen können.
91. Ib. p. 204 lin. 1–3: „Et istud est dicendum si teneatur quod conceptus non est intellectio vel
cognitio sed aliquid fictum per actum intelligendi habens tale esse obiectivum quale habet res
in esse subiectivo.“
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 491

intellectio-Hypothese für den Be­griff in den theo­lo­gi­schen Er­kenntnissen.92 Er ge-


langt zum Schluss, dass die Erkennt­nis, auch in­tel­­lec­­­tio genannt, bei Un­ter­­stellung
des Begriffs als intellectio „non sufficit ad ve­ri­ta­tes theo­lo­­­gicas habendas“.93 Das be-
darf der Erläuterung.94
Wenn der Begriff intellectio genannt wird, bedeutet und ‘erkennt’ er praktisch zu-
nächst etwas von Gott Verschiedenes (aliud a Deo) und nicht Gott selbst (ipse Deus).
Erst bei com­­­­po­­si­­­tio sol­cher Begriffe, die Gott nicht ausschließlich meinen, kann Gott
dann – aus­schließ­­lich – in­ten­diert sein:95 „Et de tali intellectione composita ex multis,
quarum quaelibet est communis Deo et aliis, non est inconveniens quin solus Deus
intelligatur ea.“ Das ist ein Induktions­schluss: in jedem Einzelbegriff ist eine Ein-
schränkung (Negation) enthalten, dass er nicht Gott allein treffe. Als Einzelbegriff bei
sich kann er denn auch nicht darüber hinaus­ge­­hen. Die com­­­­­­­­­­­po­sitio mag aber doch
allein Gott treffen und betreffen. Sie ist dann aber nicht auf Gott so be­zogen, dass
dieser schon erkennbar ausschließlich – auch nur – thematisiert sei. Doch das ver­lan­­­­­
gen die theologischen Wahrheiten. Sie müssen von Gott und aus­schließ­­lich von Gott
sprechen. Andernfalls hätte man im Grunde sogar eine andere Weltan­schau­ung.96
Die In­­­­­­duk­ti­on erlaubt es hier zu sagen, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass Gott
gemeint und be­­­trof­fen sei, i.e. förmlich wahr intendiert, was aber natürlich noch nicht
bedeutet, dass es be­wie­sen sei. Infolge wechselt Ockham die Bestimmung der Natur
des Be­griffs aus und ge­winnt zu­mindest die Intention auf Gott derart, dass sie ihm

92. Ib. p. 204 lin. 4–16.


93. Ib. lin. 15f.
94. Das Problem lässt sich so bezeichnen, dass bei der Verschiedenartigkeit der Natur (‘Be-
stimmung’) des Be­griffs im Verstand des Menschen, sich eine unterschiedliche Intentionalität
ad extra ergebe. Die Induktion erlaubt es hier zu sagen, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass
Gott gemeint und betroffen sei, i.e. förmlich wahr intendiert, was aber na­tür­lich noch nicht be-
deutet, dass es bewiesen sei. Folglich wechselt Ockham die Bestimmung der Natur des Begriffs
aus und gewinnt dann zumindest die Intention auf Gott derart, dass sie ihm allein zukom-
men könne: denn nun scheidet die Beziehung auf viele und Einbeziehung von vielen von Gott
verschie­de­­nen Objekten aus, weil man nicht bei der Etappe der Einzelbegriffe stehen bleibt und
stehen bleiben muss.
95. Ib. p. 204 lin. 13–15.
96. Ockham definiert, was scholastisches Ziel war: Das Spre­chen von Gott auf der Basis der für
den mensch­li­chen Verstand erst zu sichernden Definition. Das stimmt zur ihm von De Gan­­­dil­
lac, 1953 p. 52 attestierten Nei­gung, „den Ur­sprung aller Häresien darin zu se­hen, dass man die
Theorie der suppositio nicht kann­te.“ Dort (p. 53) wer­­den auch „sub­ti­le Beweisgänge Ockhams
im Dienste des Armuts­streits“ festgestellt. Die ‘Be­weis­gänge’ und die ‘Theorie der suppositio’
können aber nur eine radierende Funkti­on und Bedeutung ha­ben. Letzt­lich muss die Funkti-
on der Suppositi­ons­logik widerlegend er­scheinen, darin sogar be­grenzt sein; sie be­streitet Aus­
legungen und auch Begriffsverwen­dun­gen. Diese können in der Chris­­to­logie auftreten, eventu­
ell so­gar unver­meid­­­lich sein.
492 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

allein zukommen kön­ne: so schei­det die not­wendige Beziehung und Einbeziehung


von vielen auch von Gott ver­schiede­nen Ob­jekten aus: man bleibt nicht bei der Etap-
pe der Einzelbegriffe stehen und muss es nicht.
Was aber die wissenschaftliche Theologie in genere vermag, wird ebenfalls be-
nannt:97 Frage: „quid faciunt rationes probabiles adductae pro credibilibus?“ Ant-
wort: „(potest dici) quod aug­­­­­­­mentant fidem adquisitam, quamvis non augmentant
fidem infusam; unde etiam tales rati­o­­nes aliquando generant ipsam.“ Es fällt auf, dass
Ockham dabei nur auf ra­tiones probabi­les (wahrscheinliche Beweisgründe) rekurriert,
wie es nach dem viel­fa­chen Ge­brauch der In­duk­tion für die Behauptung und Erstel-
lung von Thesen bei Ockham schon na­­­he­liegt: da die empi­rischen oder pro-empiri-
schen Bezugsbasen und Legitimierungsgründe in sich formell ne­ga­tiv sein können,
kann die zu gewinnende Prämisse oder das principium in­ten­sional nicht weit rei­
chen.98 Dabei hält Ockham die rationale Komponente für die wissenschaftli­che The­o­
lo­­gie von vornherein fest:99 „primo ostendam quod omnem habitum, prae­ter fi­dem,
quem adquirit the­olo­gus fi­de­lis potest adquirere etiam infidelis; secundo est viden­
dum qua­lis habitus adqu­i­ri­tur in the­o­lo­go prae­ter fidem.“ Beide Mal ist erkennbar
der (Topos des) actus apprehensivus zentral. Auf ihn bezieht sich der habitus, nicht
zuletzt als cau­sa ac­tus apprehensivi seu notitiae ab­strac­­tivae se­cundae. Darin wird der
actus iudicati­vus per dis­cur­­sum (demonstrationem) in syl­­­­­­logismo ausgeführt;100 wo

97. Prol. Ord. q. 7 OT I p. 206 lin. 15–19.


98. Ockham greift wie Berkeley in den Raum Gottes aus. Wie dieser macht er eine empiri­
sche Grundlage für Ur­tei­­le geltend. Wie dieser geht er über die Forde­rung der Existenz als
Gel­tungsgrundlage nicht hinaus: er spe­zi­fi­ziert nicht die Natur in sich, wie sie Erkenntnissen
zugrunde liege. Er verhält sich hier sogar agnostisch. Wie Ber­­keley ge­staltet Ockham die­sen
„Raum Gottes“ dann nicht weiter aus. Wie Berkeley benötigt er ihn oder ein Analogon für
einfache empirische Erkenntnisse. Bei Ockham siehe hier die Rolle der conservatio (‘quae est
su­pra­naturalis’) für die notitia intuitiva.
99. Ib. p. 193 lin. 12–15.
100. Der actus iudicativus ist in dieser Form der notitia abstractiva beim discursus mit dem
actus apprehensivus zu­sam­mengefallen; er war in der ersten Art von notitia abstractiva gegen-
über der notitia intuitiva weggefallen, wo­bei letztere sie enthielt oder umfasste. Ockham sieht
iudicium und notitia intuitiva als realiter unterschieden an. Cf. hierzu die Erörterung Kap.
12 Verflechtung und Abgrenzung der Akte. s. da auch Anm. 132 und Kap. 13 Anm. 103 sowie
Kap. 14 Anm. 117. Natürlich kann auch die notitia abstractiva eine notitia incomplexa sein, da-
neben aber auch eine notitia complexa. Sie ist in dem Sinne actus apprehensivus. L. Baudry,
1958 p. 135 sieht im Fehlen einer genealogischen Erkärung des Irrtums (error) bei Ockham ein
Problem. Das ist eine petitio principii zumal angesichts der rein intensionalen Methode Ock-
hams; genetische Explikationen, die es bei Ockham gibt, werden die intensionale Aufklärung
logischer Fehler nur in dem Sinne überhaupt stützen können, wie die Fehler durch assoziierte
ontologische Maximen bedingt waren. Sie können dann erkenntnnistheoretisch – qua Aktlehre
oder ihr attachiert – rejiziert werden; danach wird der Fehler zum logischen qua consequentia
falsa, und die Aufklärung und Zurückweisung des Irrtums spielt nur noch hier (auf dieser
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 493

eine Verbin­dung oder Ver­­­­knü­pfung negiert werden soll, fun­giert die dabei bestrittene
oder reduzierte con­se­quentia for­ma­lis.101
Grundsätzlich aber gilt:102 „cognitio supernaturalis dupliciter accipitur. Uno
modo, quia non pot­­­est naturaliter adquiri; et isto modo nulla cognitio supernaturalis
de communi lege, praeter fi­­dem infusam, est nobis necessaria.“ Es wird also wiederum
von der (empirischen) Basis der geschaffenen Welt ausgegangen. Die auf der Basis un-
serer Welterfahrung identifizierte höhe­re und jenseitsweltlich Erkenntnis müsste un-
serer Erkenntnis pro statu isto widersprechen in dem Maße wie sie sie de facto über-
stiege; sie wäre in der Tat für uns nicht notwendig. Wir kön­­nen nicht wissen wie und
ob sie sein könne. „Alio modo dicitur cognitio supernaturalis quia est de ve­rita­tibus
quae non ex puris naturalibus sed supernaturaliter possunt evidenter cog­nosci; et is­to
mo­­­­do cognitio supernaturalis est necessaria nobis praeter fidem.“ Damit be­stünde
Not­wen­dig­keit in dem Sinne für den Menschen, wie der Inhalt in se als notwendig er­
kannt und erklärt oder damit auch begründet werden könnte: das wäre pro statu isto
nur hypo­the­tisch zu leisten und da­­rum nicht auf den Glauben bezüglich. Hier könnte
der Verstand eine Funkti­on als Schieds­richter erhalten, oder wir hätten ein Paradox:
es gäbe determinate Heils­ge­­wiss­­hei­ten, welche, wo­mög­­­­­­lich noch unausgedacht oder
unerdacht, doch für uns necessa­ri­ae ad sa­lu­tem seien. Das muss indes wieder auf den
Verstand in der Schiedsrichterrolle zu­rück­­füh­ren. Es ent­kräf­tet indes den Glauben,
selbst als Folie gegenüber dem Ver­stand. Wir müs­­sen so in allen Glaubenstatbestän-
den oder Glaubensinhalten eine Implika­ti­on erblicken, wel­­che dann durch die Trak-
tation der Glaubensinhalte durch den Verstand, der sie der scientia zu­­­führt, kupiert,
i.e. aufgehoben wird. Andernfalls hätten wir auch keinerlei de­ter­minate Aus­sagen in
materiis fidei.103 Das Paradox löst sich hier auf um die Implikation. Sie wird modal

Ebene). Baudry könnte auch bemängeln, dass theologische Sätze als supranaturale Erkennt-
nisse von Ockham und anderen genetisch nicht aufgewiesen und gerechtfertigt worden seien.
Ockham aber muss und kann nur Sätze (oder Ausdrücke) bewerten, nicht sie genealogisch
kreditieren. Dafür würde er nicht leicht eine logische Methode haben können und man kann
nicht Definitheit eruieren. Dessen bedürfte es bei genealogischer Legitimation. Sie müsste ‘De-
finitheit’ einschließen. Die Begriffe und Sätze müssten stets mit ihrem primärgenetischen Sinn
übereinstimmen. Was ist das? Wie sollte sie nach welchem Nachweis kontinuierlich beibehal-
ten worden sein?
101. Die consequentia formalis entfällt auch, wenn verschiedene Erkenntnisarten (Er­kenntnis­
grade) un­mit­telbar mit­einander verbunden werden können sollen. Ockham be­zeich­net es als
lächerlich, dass wir eine Er­kenntnis, die in actu im Menschen begrenzt ist, als legi­tim ansehen,
nur weil ein anderes Wesen, etwa Gott, von demsel­ben Ge­­genstand ei­ne vollkommene, voll-
kommenere oder überhaupt eine Erkenntnis habe. Die drei Bestimmun­gen voll­kommen, etc.
könnten dann vielleicht oder wahrscheinlich nicht ein­mal unterschieden werden.
102. Ib. p. 197 lin. 25 – p. 198 lin. 4.
103. Es wären dann zugleich Wahrheiten, die der Mensch de fac­to noch nicht erdacht und be-
gründet hätte und wäh­rend seiner Lebenszeit auch nicht erden­ken oder zuende bringen könn­
te. Wieso benötigt er sie? Diese Wahr­hei­ten können nur unent­behr­lich sein, indem sie sich ins
494 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

er­­­­setzt. Ebenso aber gibt es a parte fidei keine ewige Wahrheit.104 Jede Wahrheit ist
nach Ock­­­­hams Meinung kon­tin­­gent gesetzt. Der kontingente Satz ersetzt die Onto-
logie und die Lo­gik.105 Erkenntnis­mit­tel sol­­len nicht aporetisch sich selbst oder ihr
eigenen Fundament ent­hal­­­­ten oder vorausset­zen müs­sen. Sich nicht selbst umfassen
(müssen). Da­bei gilt, dass für die The­­o­lo­gie, wenn sie denn vorab eine spe­ku­lative
Wissenschaft ist, wenn­gleich nicht aus­schließ­­­­­­­lich, wie Ockham ge­gen Duns Scotus
festhält, eine praktische und da­rin auch psy­chi­­sche Relevanz nicht gegeben ist: das
kann eben ge­schlossen werden. Es kann aus­ge­­schlos­sen werden, dass sie un­bedingt
(aus­schließ­lich, defi­nit) eine praktische sei.106 Es ist hier, was nicht ausgeschlos­sen (ge­­
schlossen) werden kann, zu­gleich was induziert wer­den kann. Wie­der wird eine redu­
zier­te ‘Allgemein­heit’ gewonnen. Implizit wird eine neue Rol­­le der The­o­lo­gie avi­siert,
wie sie denn Ockhams Phi­loso­phie ent­spricht. Die The­o­lo­gie wird aber bei Ock­­­­­ham
ge­stif­tet, in­dem die Ontolo­gie entfällt.107 Die Ver­wand­lung der akziden­tel­len Be­gleit­­­
um­stände in das ac­cidens entspricht dessen Stellung zur forma, mit wel­cher das Inhä­
renz­­mo­ment aufge­ge­ben ist (ge­nau in dem Sin­n übrigens, wie die Differenz zweier
Stu­fen, der der abstrak­ten Re­la­ti­ons­begriffe und der der empirischen Be­griffsgewin­
nung in­stal­liert oder ein­ge­halten wird); ent­­sprechend wird auch die über Modali­sie­
rung erfol­gende Nega­ti­on der ele­men­taren Sätze als nicht mehr ver­pflich­­tende Stufe

Erkennen nach einem Medium gleichsam erheben, das aber eigens noch definiert oder kon-
struiert werden müsste. Das er­scheint mehrfach para­dox: be­züg­­lich des Er­ken­nens, das dann
nicht mehr das kommune oder grundlegende wäre oder dies jeden­falls nicht mehr notwendig.
Bezüglich der Seele und des Lebens, schließlich be­­züglich ei­nes all­fäl­ligen Verbunds zwischen
Denken und Le­ben oder Seele. Wieso dann über­haupt notwen­dig? Wir hätten eine Frei­heit des
Denkens an dieser Stelle des No­mi­­nalis­mus, die überhaupt die Freiheit des Menschen wäre; das
kann gut Ockhams Geist gewesen sein.
104. Das gilt auch für Wodhams Frage, ob es eine ewige Wahrheit geben könne, wenn sie nicht
genannt i.e. un­be­kannt sei. cf. Kap. 6.
105. In der sacra theologia führen die ontologischen Zusatz­be­stimmungen für das Verhältnis
von s und P im Ele­men­­tarsatz zu intensionalen (u. a. suppositionslogischen) Widerlegungen.
Die on­to­logische Auslegung ist da ei­ne Satzverdopplung und eine explizit-implizite Implikati-
on alias Modalisierung und Wahrheitspräsumtion. Sie wird widerlegt.
106. Cf. grundsätzlich Prol. Ord. q. 12: Utrum habitus theologicus ist speculativus vel practicus
OT I pp. 324–370.
107. Ockham widerlegt u. a. mittels ontologischer Vorstellungen in empirischer Hinsicht. Er
kann Duns Scotus a parte conten­tus (men­ta­lis­tisch vom in­ten­sionalen Stand­­punkt der Begriffe
her) und für die Begriffe als sol­che so­­­wohl inten­si­o­nal wie extensio­nal per In­duk­­tion wi­der­
spre­­chen. On­to­logie ist vorgreifend exten­si­o­­na­l ausge­rich­­­tet bei W. Chat­ton. Er operiert mit
Pos­tulationen ad hoc. Sie besagen se­man­­tische Konnexi­o­nen und sollen un­­­mit­telbar Widerle­
gun­gen Ockhams besagen.
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 495

desa­vou­iert.108 Alle Lo­gik ist so an­schei­­nend denkbar als Ab­­­­wicklung akzi­den­­teller


Inhalte gegenü­ber der Sub­stanz, die als nur ge­­dach­­te auch ir­re­ell sein mag.109 So gese­
hen war auch die In­duk­tion aliquomodo un­mög­lich und muss­te dann ge­­gen das Kon­­
zept der Deduktion ge­wählt oder durchgesetzt werden.110
Bei Ockham ist die Erkenntnis im strengeren Sinn auf den actus apprehensivus
begrenzt. Zu­gleich gilt auch hier:111 „ad omnes actus, praeter credere, suf­ficiunt ha-
bitus appre­hen­­­­­­sivi cum notitia con­se­quentiarum, sicut per experientiam patet.“ Das
bedeutet, dass auch in der The­olo­gie Aussa­gen, die, wenn sie reine Glaubenslehren
sind, dem Bezug auf die Er­fah­rung sich ent­­zie­hen, wegen absurder Schluss­folgerung
abgelehnt werden können:112 „di­co quod il­lud scitur evi­denter de qua scitur evidenter
quod ipsum non sequitur impossibile.“ Die Absur­di­tät kann aber gelegentlich bloß
durch ein credibile gewusst werden.113 Aber wo die Prin­­zipien der The­o­logie nicht
gewusst werden können, dort auch nicht die conclusio­nes:114 „Et ideo si­cut sine de­
rogatione principia non sciuntur evidenter, ita nec conclusiones“. Es gilt in­des:115 „non
scitur evidenter quod cre­dibile non est an­tecedens in consequentia in qua in­fer­tur
im­pos­si­bile.“ Das kann nicht die absolute Superiorität der Glaubenslehre oder der
fi­des, nicht ge­gen­­über der Phi­­losophie, und schon nicht generell in der Dogmatik
bedeuten, viel­­mehr nur ei­ne relative, da die Autonomie eine bedingte ist, wie sie mit
Begrenzung der Phi­lo­so­­phie und der Gewiss­hei­ten der Philosophie und ihrer Quel-
len begründet wird. Dass man manch­­­mal nur aus Glau­­benskenntnis wissen kann,
dass für einen Schluss gilt: „peccat in ma­te­­­ria“ oder „pec­cat in for­ma“,116 bedeutet

108. Cf. als nur ein Beispiel die fallacia accidentis, die Ockham Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 407 lin. 13 –
p. 408 lin. bei P. Aureoli auf­deckt und durch propositio modalis modo diviso korrigiert.
109. Das macht Autrecourts Vorbringen zugleich sinnvoll und wi­der­sinnig. Er ficht als Idee an,
was praktisch be­reits im Sin­n der Voraussetzung (Bedin­gung) zu dieser Idee nicht sinnvoll war:
also hier mit der Ge­stalt der fal­la­cia zusam­menfällt. Es mag aber die Verlegenheit der Scholastik
aus­ge­macht ha­ben, dass sie so gegen das Un­mög­liche sich ins Werk setzte. Das besagt wieder,
dass Autrecourt als Kritiker in der Fluchtlinie der Scho­las­tik stehend was er angreift zu­gleich
auch fortsetzt und bestätigt. Autrecourt führt kei­ne re­­duc­tio ad absurdum aus.
110. Ockham hatte mit seiner Auffassung der con­se­quen­tia ma­te­ri­alis das streng Lo­gi­sche von
der Inhaltlichkeit getrennt. Es ist dann die Frage, wie es einge­setzt wer­den könne. Im Grund
nur negativ. Cf. Kap. 3.
111. Cf. Prol. Ord. q. 7 OT I p. 201 lin. 7–9.
112. Ib. p. 201 lin. 18f.
113. Ib. p. 201 lin. 20: „non scitur nisi aliqua propositione credibili.“
114. Ib. p. 199 lin. 22f.
115. Ib. p. 201 lin. 21f.
116. Cf. p. 201 lin. 22–24: „Et quando dicitur quod omne argumentum peccat in materia vel
in for­ma, concedo, quam­vis hoc non possit sciri evidenter.“ Das bedeutet: im Sinne einer
496 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

schlussendlich wieder, dass die Erkenntnis, wie sie im actus appre­hen­si­vus an­zusetzen
ist und vorzuliegen hat, empirisch womöglich nicht be­­grün­­­­det und nicht ver­neint wer­
den kann, womöglich aber auch bestritten: wenn nämlich die conse­quen­­­tia for­ma­lis
ein simpliciter falsum er­gibt, das den Sinn des antece­dens anficht.117
Wo eine consequentia formalis nicht besteht, ist das oder ein consequens eine
propositio falsa. Oder eine propositio simpliciter falsa. Das betrifft auch und zwar
inhaltlich die conse­quen­tia for­ma­­lis selbst. Sie wird damit technisch und se­man­­tisch
reduziert und negiert sein; die conse­quentia for­ma­­lis verbindet da nicht die inhaltli­
chen Aspekte nach dem Verhältnis von sub­stan­­­­tia und accidens, diese kategoriell ver­
stan­­­den. Damit reicht man zwangsläufig weit in die empirische Basis des Denkens, an
die­ser selbst, hin­ein und zwar so, dass die Begründung der consequentia, der inferen-
tia, der im­pli­ca­tio selbst ein Problem wird. Das wird nicht nur von Ock­­ham für die
Wissen­schafts­leh­re und Be­gründung der Erkenntnis in der Theologie, die Rechtferti-
gung theologischer Aussa­gen als Er­­­kenntnis, in Sonderheit, wenn sie dabei Folge­run­
gen (Folgesätze) bedeuten müssen, be­han­delt, sondern auch in der Suppositionslehre,
wo elementare Momente der Begründung der In­halt­lichkeit von Sätzen auftreten. Die
Begrün­dung der In­halt­lichkeit ist jetzt der Be­grün­­dung der Schluss­­­­leh­re mit ihren
Unterscheidungen in consequentia ma­te­ri­alis, conse­quen­tia for­ma­lis und al­le an­de­­
ren Schlussformen, die Ock­ham als ‘conse­quentiae’ spe­zi­fi­ziert, z. B. die con­se­quen­tia
naturalis118 gleich. Die Schluss­leh­­re nimmt die scho­las­ti­schen In­teressen noch einmal
auf. Sie spannt sie zwi­schen Naturali­tät (alias Realität) und Ab­strak­­ti­on.119

Konse­quenz, die unbekannt ist. Der Glau­bens­satz kann rational nicht verarbeitet werden. Er
objekti­viert sich nicht im Sinne unserer Einsicht oder Evi­denz. Wenn die Folgerung nicht ge-
zogen wer­­den kann, wird die significatio nicht erkannt oder: präsent sein. Den­noch wird die
Deter­mi­­natheit des Satzes gewährleistet. Es gibt eben nicht die genuin logische Bestimm­bar­keit
des Satzes, wiewohl noch die Suppositionslogik scheinbar sich darum bemüht. Auch sie kann
nicht die Im­pli­kation als Regulativ installieren.
117. Die consequentia formalis setzt syllogistisch Major und Minor als schon begründete vor-
aus. Das galt ja auch, wenn der Syllogismus lautet: ‘Was in eine species fällt, fällt auch in ein
genus; Socrates etc.’ Wir wissen aus Er­fahr­ung und nach der Begriffsbildung, dass Socrates
unter die species ‘homo’ und das genus ‘animal’ fällt.
118. Die consequentia naturalis setzt an der Kontingenz an, indem die Folge (Folgerung), die
nicht be­griff­lich aus intensionalen Gründen (= analytisch) entwickelt werden kann, de fac­to
mit der nicht ausgeschlossenen Notwen­dig­­keit gegeben sein kann muss. Sie kann auch für die
Theologie gelten, d. h. Gottes Handeln – wie es in die Welt hinaus ge­rich­tet ist.
119. Dass die scientia exklusiv mit der notitia abstractiva zu tun hat, zeigt Ockham impli­zit,
wenn er Rep. IV, q. 14 OT VII p. 286 lin. 2–5 feststellt: „anima separata potest habere notitiam
in­tuitivam rerum et mediantibus illis no­ti­ti­am abstractivam quae est generativa habitus. Igitur
potest noti­ti­am talem habitualem mediantibus actibus il­lis adquirere“ und dann sagt (ib. p. 287
lin. 13 – p. 288 lin. 10): „Ne autem ista opinio (nämlich dass anima sepa­ra­ta und anima con­iunc­
ta eine notitia intuitiva haben können) nova videatur, adduco verba Doctoris Subtilis (Opus
Oxon., IV, d. 45 q. 3, n. 17 Wadding X, X, 207 s.) …: ‘Dico quod in intellectu est me­­moria et actus
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 497

Der außerempirische Bezug des Begriffs auf Gott und alle überempirischen Exi-
stenzen und Ver­­­hältnisse (Wirkmechanismen usw.) gilt (abstrakt), wo er ganz im Sin-
ne des unempi­risch nicht mehr geltenden (= ausgeschlossenen) Widerspruchs erfolgt.
Dies etwa wie folgt:120 „quando agens conser­vans effectum est fortius in conservan­do
quam agens effectum con­tra­ri­um in causando non pot­est secundum agens causare
effectum contrarium ef­fec­tui con­servato a primo agen­­te. Sed De­us est agens fortis-
simum, conservans actum beati­fi­cum. Igitur quamdiu agens con­servat is­tum actum
non potest voluntas creata elicere actum con­tra­rium.“121 Es ist klar, dass hier eine on­
tologische Aufschlüsselung und Erklärung nicht stattfinden kann. Eine solche wird
bei Ockham vielmehr im Sinne der schon genannten Regel gefiltert.122 Es er­ge­ben sich

re­cor­dandi proprie dictus. Supposito enim quod intellectus non tantum cog­nos­cat universa-
lia – quod quidem ve­rum est de in­tellectione abstractiva de qua loquitur Philo­so­phus, quia
sola est scientifica – sed etiam intuitive cog­noscit illa quae sensus cognoscit, quia perfectior et
superior cognitiva in eodem cognoscit illud quod inferior, et et­i­am quod cog­nos­­cit sensationes.
Et utrumque probatur per hoc quod cognoscit propositiones contingenter veras et ex eis sy­­l­lo­gi­
zat. Formare autem propositiones et syllogizare proprium est intellectui. Illa­rum autem veritas
est de obiectis in­tuitive cognitis sub ratione scilicet existentiae sub qua cog­nos­cuntur a sensu.
Sequitur quod in intel­lec­tu pos­sunt inveniri omnes condiciones pertinentes ad recordari. Po-
test enim percipere tempus und habere ac­tum post tem­pus et sic de ceteris.’“ Ockham kann sich
direkt auf Duns Scotus, indirekt auf Aristoteles stützen.
120. Rep. II q. 15 OT V p. 346 lin. 5–9 Die empirische Bestimmung, die der Satz und zwar in
Bezug auf die Re­a­li­tät (Empirie) er­hält, ist hier schon in se ‘negativ’. Cf. dazu schon Kap. 1.
121. So ist der angelus bonus untadelig ‘ex sola voluntate Dei’, der ihn im actus beatificus er-
hält. Ib. lin. 10ff.
122. Dabei werden Gott und Mensch weder argumentativ noch real diskrepant. Anders H.
Blumen­berg, 1966 p. 345: „Gott hat zwar die Welt nach Maß, Zahl und Ge­wicht ge­­ord­net, aber
das muss jetzt mit dem Possessivpro­no­men gelesen werden (sic!): nach sei­nem Maß, nach den
ihm vor­be­halte­nen und al­lein auf seinen In­tel­lekt be­zieh­baren Grö­ßen.“ Bezüg­lich Gottes Intel-
lekt gibt es für Ockham die Ab­strak­ti­onen der Ak­te (no­ti­tiae) und die fort­ge­setzten persuasio-
nes und inducti­o­nes, mit de­nen er ‘Gott’ „er­reicht“, aber nicht su­am essentiam. Sie gel­ten auch
für den Deus ‘creator’, der kontin­gent die Welt, die zuvor nicht war, geschaffen hat. Ob sie nach
Got­tes In­tel­lekt notwendig war, liegt nicht in den Au­s­sa­gen, die struk­­­tur­be­­stimmt zu er­örtern
sind. Wir denken ja nicht Aus­­sagen für und von Gott in Gott. Blumen­berg kehrt die Induk­ti­­­on
um (p. 110): „Die Gra­­tui­tät der Schö­­p­fung schließt aus, dass sich zu ihrer Struk­­­­­tur der An­spruch
der An­­ge­mes­­­­sen­heit an die Be­dürf­­­­nisse der Ver­nunft stel­len lässt.“ Ockham hat sie in Bewei­s
und Widerlegung kon­struktiv gegeben. Auch in Got­tesbe­weis und Kri­tik der Gottesbeweise, die
Blu­men­berg pau­schal an­spricht p. 451: „Das der­art Be­­­weis­bare ge­­hört dem Welt­zu­sam­men­­hang
an, dem es doch, wenn der Be­­weis seine System­funk­ti­on er­füllen soll, nicht an­ge­hören darf.“ Es
ist an­ders: Gott ist für Ockham ‘Teil’ der Welt, wenn er (se­cun­dum argu­men­tum!) an sie grenzt,
nicht an sich. In der con­­servatio (auf Ak­te und habitus des Men­schen bezogen und auf die gan-
ze Welt) wech­seln wir argumen­ta­tiv zu diesem terminus ex­clusi­vus der Welt. Conservatio wird
von Ockham, wenn er mit ihrer Hilfe Gottes Exis­tenz be­weist, mit der effici­en­tia gleich­ge­setzt
und so em­pi­risch und induktiv veran­kert. Das Wesen der causa ef­­fi­­­ci­ens, die der beglei­ten­den
498 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

hier aber zwei Konsequenzen, die mit der Feststellung, dass eine ontologische An­nah­
me für Ockham nur gelten kann, sonst aber als widersprüchlich (widerlegbar) ausge­
schie­den wer­­den kann, wenn sie in der Weise gefiltert wird, dass die oben definierte
Regel gilt: (a) Es kann ke­i­ne Zer­­­le­gung der Begriffe ‘über die bloße Satzstruktur hin-
aus’ (inhaltlich im extensionalen Sin­ne: un­ter sie hinab) geben, so dass diese subor-
dinierten Elemente kom­po­sit den Begriff, i.e. sub­iec­tum (quidditativum) oder passio
(im allgemeinen connotativum) er­gäben. (b) Es gibt nicht Mo­­dali­sierungen, die un-
terhalb des Satzsinnes diesen zu be­zeich­nen vermöchten. Das Wi­­­derspruchsprinzip
bleibt regulativ für die theologischen Aussa­gen, liegt aber mit dem was es sagen und
besagen kann, außerhalb der Sätze, die danach nicht bestimmt werden, also nicht als
determinat erscheinen können, und es erfasst (konstituiert) keine Wirk­­lich­keit. Dabei
er­­weist sich der Übertrag des Begriffsinhalts in die Realität je als unmög­lich.123
Ockham ließ eine ganz und gar wissenschaftliche Theologie hypothetisch zu.124
Aber Glau­ben und Wissen bleiben grundsätzlich geschieden.125 Ockham hatte auch
die hypothe­ti­­sche An­nahme gemacht, dass Gott per potentiam su­­am absolutam uns
theologische Wahr­hei­­­­ten zu­gänglich mache (die damit als solche noch nicht a limi-
ne hu­man konstituiert sein müs­­­­sen, was wieder anzeigt, wie die göttliche Omnipo-
tenz anzusetzen und an­­zusehen ist) und da noch zu­sätz­lich gefragt, ob sie dann nach
unseren (strukturell exponier­ten und kreditierten) Maßstä­ben126 wissenschaftliche

con­ser­vatio be­darf, die an Gott fällt, ken­nen wir nicht. Aus ihm und mit ihm, was wohl hieße:
für es, kön­nen wir nichts be­wei­sen. Dass dies und zwar zu­gleich ununter­scheid­bar in einem
gesche­he oder (wieder un­un­ter­scheid­bar) ge­sche­­hen könne, unterhält Ockham nicht.
123. Ockham betont es gegen Duns Scotus in besonderer Form cf. Kap. 1. S. a. Quaestiones
va­ri­ae q. 2 OPh VIII p. 35 lin. 169–182: „secundum principia istius Doctoris (Duns Scotus),
numquam unum dicit in cog­nitio­nem al­te­ri­us nisi secundum continetur virtualiter vel essen-
tialiter in primo. Sed multae sunt passiones re­spectivae – vel con­­no­tativae secundum alium
modum loquendi – quae dicunt respectum vel connotant aliquod ens perfec­ti­­us sub­­iec­to istius
passionis. Sicut ‘esse creabile’, ‘esse producibile a principio perfecto’ sunt passio­nes creatu­rae.
Et is­tae nec continentur virtualiter nec essentialiter in creatura quia, secundum eum (Duns
Sco­tus), imper­fec­­tius nul­­­lo modo continet virtualiter nec essentialiter perfectius. Similiter ‘esse
informabile per for­mam sub­stan­ti­a­lem’ est pas­sio materiae, et tamen quia forma ((nach Ed.))
est perfectior ipsa materia non con­ti­netur vir­tu­­a­liter in ip­sa ma­­teria nec essentialiter. Igitur
cognitio talium subiectorum non ducit in notitiam illarum passio­num.“ Ähnliche Fragen ver-
binden sich mit der forma qualitatis und ihrem ‘Äquivalent’ hinsichtlich der Quantitäten.
124. Cf. Prol. Ord. q. 7 OT I p. 193 lin. 7–9.
125. Cf. Ib. p. 193 lin. 5–7 u. lin. 11.
126. Dabei ist daran zu erinnern, dass schon die Avigneser Zensoren gesagt hatten, dass was
Ockham unter Ge­brauch des Omnipotenzprinzips begründen wolle, auch ohne es zu begrün-
den sei, so dass es überflüssig sei.
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 499

Er­kennt­­nisse sein könn(t)en.127 Er ver­neint das, außer im Sinn der wie­der im Sinn
der Hypothese nicht ganz ausgeschlossenen (Den­noch-)Mög­lich­­keit. Auch das ge-
schieht im Rahmen der Folge kompatibler Abstraktionen. Da­bei ge­hen selbst hier die
Er­­örterungen Ockhams noch weiter; sie bewegen sich im Raum der mensch­lichen
Sub­jek­­ti­­vi­tät fort, wobei unter den vielen Induktionen auch der To­pos der Evi­denz
eventuell in Mit­­lei­den­schaft gezogen wird, schrumpft oder geschmälert er­scheint.128
Dabei zeigt er ei­nen ge­wis­sen monolithischen Charakter: die denkende Person,

127. Cf. Prol. Ord.q. 2 OT I p. 75 lin. 9–12: „Supposito quod … per potentiam divinam multae
veritates pure the­o­logi­cae possint evi­den­ter cognosci, quaero utrum notitia evidens illarum
veritatum theologicarum sit scientia pro­­prie dicta.“
128. Notwendigkeit wird nach Ockham im Sinne dessen was aus ihr folgte und im Bewusst-
sein, dass es folgt, mit­ge­­­wusst. Cf. Prol. Ord. q. 7 OT I p. 190 lin. 9–11: „quicumque scit eviden-
ter aliquam conclusionem propter prin­­­cipia, scit eviden­ter eam sequi ex necessariis; igitur scit
evidenter illa principia esse necessaria; ergo eviden­ter scit illa principia.“ Das kann für induziert
gelten: es gibt ein Moment des Nichtwissens an der conclusio, die per inferentiam dann ge­wusst
wird. So ist die Notwendigkeit jedoch nur eine hypothetische: sie kann nicht als streng un­wan­
delbare an­­gesehen werden. Das bedeutet, dass die Evidenz in Zweifel gerät. Be­stimmun­gen
sind im­­­­mer nur hy­­pothetische, die den abso­lu­ten Sta­tus der Zeichen als Begriffe (und umge-
kehrt) als Er­kennt­nismittel auch im ab­straktiven Sinn tan­gieren, nicht nur in dem der Be­grün­
dung der Begriffe als uni­ver­salia mit einem fun­­­­da­men­tum in re(bus), wie es der on­to­logische
Realis­mus will. Auch in einem zweiten Sin­ne sind die Begriffe als Zei­chen also nur ‘gesetzt’.
Impositio ist – sit venia ver­bo! – multipliciter wörtlich zu neh­men. Hy­pothetische Set­zung und
Geltung und Evidenz geraten dabei s. o. in eine Art Überlappung oder Interfe­renz. Da­für, dass
un­be­­gründete Evidenz gel­te, gibt es keine Argumente cf. Wittgenstein, Tractatus, Satz 5.5571.
Induktion nach dem bisher indizierten Induktionsschema auch die Argu­men­tation Ockhams
ib. p. 192 lin. 1–10 (zit. lin. 4–6): „si ali­quis habet amorem intensum et delectationem in­ten­sam,
bene pot­est dubitare an amor distinguatur realiter a de­lec­tatione, tamen certus est quod amat
et delecta­tur.” Es gibt zwei Ak­­te. Ihre ver­­meint­­liche ‘Identität’ hängt übri­gens von der intensio
ab, i.e. davon, dass beide Empfin­dungen star­­ke sind (cf. su­­pra lin. 3: „si ille actus est in­ten­sus!“).
Die Argumentation zeigt, dass Ockham die in der ob­iec­tio p. 191 lin. 21–24, die er beantwortet,
mit­ge­­ge­bene Unterschei­dung von Bewusstsein und Verstan­des­akt in­so­­weit nicht akzeptiert.
Denn die Ar­gu­men­ta­ti­on, die er durchführt, bezeugt den Akt wie un­trennbar von seiner Be­stim­
mung; sie geht auf diese Un­trenn­bar­keit. Sie erhellt induktiv. Ein Bewusstsein oder (nach der
obiectio zu urtei­len) einen Vor­be­halt gegen die Identi­tät oder An­nahme des Aktes nach dem
Dafürge­hal­ten­wer­den, in wel­chem er ja wahr­ge­­­nom­­men wird, gibt es nicht. Danach wird das
Argument auf credere und scire aus­ge­dehnt. Man soll die credibilia wissen können (und da­bei
wissen, dass man sie wisse). Das bedeutet im­mer nur ein potest esse, kein ‘est’. cf. Ockham ib.
lin. 11–20: Der Theologe kann vom actus credendi bezüglich und ver­­­mö­ge des darin Ge­mein­ten
ohne Vernunftgründe zwei­felnd Abstand nehmen. Denn er hat kei­ne dafür. Er hängt da­mit auch
nicht wie der Denkende von stärkeren Ar­gu­menten (oder verminderter Erinne­rung) ab, wenn
er am Ge­wuss­ten oder Ge­meinten zweifelt, oder wie Ock­ham auch sagt: ‘dissentit’. Ockham
hat also gegen ei­ne ob­iec­tio ei­ne In­duk­tion angeführt. Diese In­duk­­t­ion ist nicht bindend und
endgül­tig. Denn credere und scire sind wei­terhin ver­schiedene Akte, da dubitatio und Dissens
gegen sie verschieden an­ge­führt werden können und un­ter­schied­lich begründet sind.
500 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

vorbildartig die Ockhams, muss noch nicht, im Organ des Denkens, jene Allgemein-
heit besitzen, in der sie neben sich und in sich die al­­ler Menschen insgesamt vertreten
könnte (wäre),129 weshalb ihr eine Ver­ant­wort­lich­­­­keit zu­käme, bei der das Individuum
mit seinem Urteilsvermögen, dem des Ver­standes, ei­ne In­stanz darstellen darf, weil
es insgesamt die gesellschaftliche Gesamtheit zu verkörpern und alle weitere Instan-
zen: Gefühl, Affekt, Gewissen zu integrieren und zu be­auf­sich­tigen hat.130 Man kann
fragen, wie Gott in der Ein­heit von Schö­pfung und Erlösung ‘realiter’ dem Ablauf
der menschheit­lichen Be­wusst­­­seins­prozesse entspro­chen haben mag. Sie wurden nie
in einem Verstandesakt vereint ge­­dacht.131 Ockham vereinigt Gott und Welt, indem

129. Ockham hat bedingt in der SL eine ‘Denkschule’ verfasst, und auch sonst, etwa in den
Aristoteles-Kommen­ta­ren Hinweise zum richtigen Denken geben wollen; aber man ist damit
nicht auf der Stufe seiner eigenen Argu­men­tation, sprich Erörterung. I. Boh, 1990 in: W. Vos­sen­
kuhl und R. Schön­berger (eds) pp. 241–255 ver­sucht nach Ockhams Syllogistik eine pragmati-
sche Formalisie­rung des Wis­sens­be­griffs. Aber schon in Ord. Prol. er­scheint der Wissensbegriff
äquivoka­tiv, wenn der Syllo­gis­mus nur ei­nen assensus für die conclusio bewirken soll und sie
für die demonstratio potis­si­ma nicht ab­solut, sondern nur hy­pothetisch be­zwei­­felt wird. Ock-
ham geht da­von aus, dass die conclusio vor dem Vollzug des Syllogismus be­kannt gewesen sein
kann. Ord. Pro­l. selbst hat keine Ableitungsstruktur. Die fall­­weise der SL zu ent­neh­­men­den
technischen Be­weis­for­­men ha­ben in­hi­bierende Wirkung bezüglich fal­scher (zu widerlegender)
An­­­sich­ten und eine indizierende, wenn Ockhams The­­sen auf erdachte oder ihm gemachte
Vor­be­­halte, Zwei­fel, Einwände zu verteidigen sind. Die Lo­gik nimmt hier keine In­hal­te auf;
sie or­­gani­siert Fol­ge oder An­ord­­nung der Begriffe und Satz­ty­pen. In SL III-2, cc. 1–44 OP I
pp. 505–584 erörtert Ockham die Bedin­gun­gen des Syllogis­mus, dessen De­fi­nition ‘fa­ci­ens
scire’ nach Ockham eine definitio quid nominis ist, als solche, die au­ßerhalb sei­ner Struktur
lie­gen. Deutlich c. 1 lin. 34–46: „Omnes enim recte lo­quentes de de­mon­stratione per de­mon­stra­­­
ti­o­nem intelli­gunt syllogismum composi­tum ex duabus prae­missis ne­cessariis notis, per quas
scitur conclusio quae ali­ter foret ig­nota, nisi forte in eodem tempo­re simul concurrant cum illis
praemis­sis aliae prae­mis­sae suffi­ci­en­tes ad cau­san­­dum notitiam eiusdem con­clu­si­o­nis. Quam­
vis igitur probari non possit quod de­mon­stratio est syl­logismus fa­ciens scire, modo praeexposi­to,
sicut nec significatum vo­­cabuli nec defini­tio expri­mens quid no­mi­­­­nis probari pot­est nisi per
usum loquenti­um, con­sti­tu­en­dum est tamen pro fundamento quod de­monstratio est syl­lo­gis­
mus faciens scire, super quo omnia di­cen­da in se­quen­tibus fundabun­tur, et per ipsum proba­
bun­­tur quando ne­ces­­se erit pro­bationem adducere.“ Für einen Syllogismus können Regeln
hinzukommen, die die Termini und Sätze dann sichern = definit oder determinat machen.
130. Es ist zu sehen, dass die Urteilskapazität eines Scholastikers gegenüber ‘Vorgängern’ indes
nur markiert sein kann, wenn sie deren Beweismodi selbst negativ darzustellen imstande sind;
wenigstens implizit muss damit zu­min­dest eine halb-formale Komponente sichtbar sein, wie es
bei Ockham gegenüber Duns Scotus der Fall ist, gar nicht aber bei Wodham gegenüber Duns
Scotus, wenig bei diesem gegenüber Thomas von Aquin.
131. Ockham beruft sich auf Gregor den Großen, der für uns die Erkennbarkeit Gottes in
se bestritt. Ockhams ei­gene Beweiserörterungen zeigen, dass der Verstand in sich an einem
Begriff oder Begriffsakt arbeiten muss, der ein Äquivalent des Gottes in se wäre, ohne doch
mit dem Gott in vermeintlicher oder reeller Berüh­rung zu sein: Gott darf nicht dem Begriff
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 501

er Aristote­les’ On­­­­­tologie in Rich­tung auf in­ak­tu­a­lisierte Widersprüche hin neutra-


lisiert.132 Unbeleg­bar ist, dass er Aristoteles, Scotus und Tho­mas und ihren Intentio­
nen nicht ge­­nüge133 oder, in­dem er nicht zur Real­wis­sen­schaft der Neuzeit gelangte,
der gebo­te­nen Ratio­na­­­­lität ent­­beh­­re.134 Sei­ne traditionalistische Integration in die
Philosophiege­schich­te ist meist leer hin­sichtlich der her­­­­angezogenen Vergleichsau-

gleich sein und nicht von ihm unerreichbar. Was Ockham (Prol. Ord. q. 7 OT I p. 203 lin. 23–25)
Gregorius Magnus Super Ezechielem entnimmt, nämlich „Quantumcumque mens nostra in con­
tem­pla­tione Dei profecerit, non ad illud quod ipse est, sed ad aliquid quod sub ipso est at­tin­get“,
löst er qua Di­s­tink­tion und Entscheidung zwischen Bestimmungen der für Gott ge­brauch­­ten
Bezeichnun­gen und ihrer Kom­po­sition ein. Entsprechend tritt Ockham dann, wenn er argu-
mentativ Gottes potestas heran­zieht, nicht in Got­­tes in­se­itas ein. Damit muss er dem mythi-
schen Religionsgehalt nur noch insoweit korrespon­dier­en, wie die Ar­­gu­men­­te (und deren For-
men) gehalten und gerechtfertigt werden können. Insofern rechtfertigt er den Religi­ons­­gehalt;
d. h. er hält ihn, der keinen nachweislichen realen Fundus hat, in der Schwebe. Es gilt aber auch
für Ar­gu­mentation und Erkenntnis, dass sie nur bedingt empirisch Kredit haben und darin
Ockhams Beweismet­hoden le­gitimieren. Bei allem entfällt der Widerspruchssatz als Regulativ
und Kreditiv. Doch dem pro­­tervus, der in Re­li­gionsdingen On­to­logie sei es in Dienst nehmen
sei es deavouieren will, hält Ockham ein ‘non liquet’ ent­­­­gegen.
132. Beispiel: potentia (im Aristoteli­schen Bezug zu actus) bedeutet für die divi­si­bilia des con-
tinuum reine Ge­dachtheit. Sie begrenzt darin die Ak­tualität und suspendiert die Aktual­un­end­
lich­keit. Cf. Quaestiones variae, q. 3 OT VIII p. 78 lin. 321–328. Danach liegt der Wi­der­spruch,
auch für Gott, außer­halb der Welt. Das Unmög­li­che ist ein solches per se, indem es im Sinne
der actus nicht möglich ist, i.e. förmlich nicht realisiert werden kann. Es wird per argumentum
die Definitheit gesichert und die Indefinitheit quasi ‘negativ’ erreicht.
133. Nach S. Moser, 1932 ist Ockham hinter Aristoteles zurückgeblieben, während er zugleich
nichtssagend blei­be, indem er lediglich mit dem Wortlaut des Thomas von Aquin übereinstim-
me.
134. Hier s. die Arbeiten von A. Maier und A. Goddu.
502 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

toren und deplaziert für Ockham.135 In­ge­­­niöse Argumen­ta­ti­on al­lein trägt hier die
spezifische Be­deutung aller Äuße­run­gen.136
Zwei Dinge gelten da bei Ockham: Erkenntnis, alias Sätze, soll nicht Erkenntnis
‘umfas­sen’ müssen. D. h. es soll nicht etwas derart Erkenntnis oder Akt sein müssen,
dass es eine an­de­­re, von ihm verschiedene Erkenntnis (einen anderen Akt) de facto
enthalten, umfassen oder per Fol­gerung aus sich entlassen können müsste.137 Zum
anderen ist Erkenntnis so geregelt, dass was im Sinne eines Verhältnisses von forma
und materia für (das von) subiectum und praedi­ca­­tum im Satz gilt (gelten soll) auch
die Verhältnisse der Sätze untereinander, also die gesam­te Logik in sich enthält und
regelt. Dies bezeugt die SL. Sie ersetzt also nicht die On­tologie und sie enthält nicht

135. Duns Scotus sichert dem Denken ontische Vorverständnisse bei L. Honne­fel­der, in:
W. Vos­sen­kuhl und R. Schön­ber­ger (eds), 1990 pp. 369–382. Der Aufsatz ist kein Beitrag zu
Ockham. Hon­nefelders Mei­nungen zu Ock­­ham trägt vor G. Lei­bold ib. pp. 123–127 Ockham
soll praktisch indiscernibel den Scotischen Begriff ‘ens’ als zen­tra­les Lehrstück festgehalten
haben. Nur: Ockham sichert den Be­griff ‘ens’ erst vermöge ei­ner per­­su­a­sio inklusive ei­ner In-
duktion (cf. SL I c. 38 OP I p. 106f lin. 11–32), wobei er noch nicht zur sach­lichen Ein­deu­tig­keit
die­ses Be­griffs ge­langt (cf. ib. lin. 33–36 und dies weiter aus­geführt: ib. lin. 38–69). Die Qualität
des ‘nur’ per per­suasio­nem „gesetzten“ ens besagt weder Realität noch an der Re­a­li­tät abge­le­
sene ab­strak­te (ab­stra­hierte) ‘fe­ste’ Be­griff­lichkeit. Das entspricht au fond der per­suasio. Durch
den Fil­­ter on­to­­­­­lo­gi­scher Be­grif­fe (per se, ac­ci­­dens, po­tentia, ac­tus) hindurchgeführt, wird ens
in­tentio­nell ge­braucht und ist primum ob­­­iectum prae­di­ca­ti­onis, nicht pri­­­mum ob­iectum co-
gnitionis. Dass es das sei, be­stritt Ockham entschieden ge­gen Sco­tus.
136. Duns Scotus sagt, wenn wir nicht die notitia intuitiva hätten, könnten wir innere Daten
und die Seele nicht er­ken­nen. Cf. S. Day, 1947 p. 124 Das ist eine petitio principii; wir wis­sen
(noch) nicht, ob wir die notitia intuitiva haben. Ockham dagegen po­s­tuliert: wir ha­ben die no-
titia in­tuitiva. Denn wir können intra­men­tale Akte erken­nen. Die notitia in­tu­i­tiva be­grün­det
sich noch nicht an und mit der Wahrneh­mung äu­ße­rer Ge­genstände qua Ge­wissheit und Ge­
wissheit ihrer selbst. Sie ‘gibt’ es nicht; sie ist nicht begründ­bar. Ockham be­kräf­ti­gt die notitia
in­tuitiva induktiv anhand der intelligibilia. Er begrün­det sie mittels argumentativer Aus­­wei­tung
ihres Gebrauchs. Cf. Ord. Prol. q. 1 OT I p. lin 17 – p. 47 lin. 16. Ins­bes. p. 44 lin. 2–5: „inter
omnes verita­tes contingentes istae de mere intelligibilis sunt evi­dentiores, et per con­­se­quens
non praesup­po­nunt aliquas alias ex quibus cognoscantur.“ Cf. auch p. 43 lin. 11–13. Er spricht
im Bezug auf seine These mit Zitierung des Duns Scotus über diesen ib. ab p. 44 lin. 7. Cf. auch
Rep. IV q. OT VII p. 287 lin. 13 – p. 288 lin. 10 (Anm. 112).
137. Wir kehren so zu einer immediaten unverzweigten Erkenntnis zurück, wie sie vielleicht
Quine vertrat und als Nominalismus ausgab. Cf. dazu auch M. McCord Adams, 1990 pp. 3–24
insbes. p. 20 Anm. 8.
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 503

mit der forma einen Fremdkörper.138 Zugleich bezeichnet for­ma den Maß­­­­­stab der
Erkenntnis.139 Darin erkennt der Begriff bedingt nicht.140
Der Nominalis­mus behauptet nicht Erkenntnis der res in se und keine An­er­kennt­­
nis der spe­­­­ci­es als Aus­druck apriorisch ver­standener All­gemein­heit. Die on­to­logischen
Begriffe wurden um­­­­­gekehrt in­duk­tiv em­pirisch korri­giert, um theolo­gisch fun­­gi­bel zu
sein. Species wie forma konnten in Widerlegungen (im Widerlegungs­sinn) als Erwei-
terungen von Sub­jekt­ter­men in ein­­­­fachen Sätzen gebraucht werden, also als Aus­druck
der relatio einer es­sen­tia; so werden sie von Ockham reprobiert, wenn nicht refutiert,
oder salviert.141 Es ge­schieht in Be­zug auf kon­­tin­gente (elementare) Sätze, ja un­ter de-

138. Das eine glaubte H. Blumenberg, 1966, das zweite L.-M. de Rijk. Cf. Anm. 55 o.
139. Für Ockham treten zwischen den Dingen und dies auch für die abstrakten reflexiven Be-
griffe, die dadurch de­fi­­niert und legitimiert werden, keine Verhältnisse ein oder auf, die dann
auf die Begriffe zurückwirken könn­ten; indem dies gerade nicht der Fall ist, werden innerhalb
der Abstraktion Modifikationen möglich, mit denen die pri­mären Weltverhältnisse verlassen
werden können und die einfach nur mit der Erfahrung kompatibel sind und ihr weder wider-
sprechen noch im Sinne eines Gemeinsamen, aus dem sie folgen könnten, konsequent sind; so
wird denn von Ockham bezüglich und vermittelst seiner Lösungen keine Weltanschauung aus-
gedrückt, kei­ne Mo­di­fi­ka­tion, die als Alteration oder Aberration in der Weltansicht verstanden,
verteidigt oder angegriffen wer­­den könnte. Will man das, kommt man zu Statuierungen wie
denen von einer Ontologie Ockhams, seiner Re­la­ti­o­­­nen­theorie usw. (G. White, Ockham and
Wittgenstein, in: W. Vos­sen­kuhl und R. Schön­berger (eds), 1990 pp. 165–188, insbes. auch die
Notes ab p. 180). So wird etwa die causa nicht ohne den effectus erkannt, den sie her­vor­bringt,
also auch der ef­fec­tus nicht als Folge oder ihr Derivat, obwohl man sagen können müsste, dass
wenn die causa als causa unius ef­fectus mit diesem zusammen erkannt wird (und nur so er-
kannt werden kann), auch die­ses innere Verhältnis, die Relation darin erkannt und mitenthal-
ten sein können (als mitenthalten erkannt wer­den können) müsste. Da sie aber nicht erkannt
wird, ist sie nicht. Und sie ist als nicht enthalten nicht als acci­dens wahrnehmbar. Kausalität
sieht man induktiv über die approximatio (praesentia) agentis ge­gen­über dem ef­fec­tus als ab­
so­lu­tus in passo herbeigeführt. Nicht mittels eines respectus. Cf. Ord. d. 30 q. 2 OT IV p. 322
lin. 4–19. Eben­so tre­ten forma und materia aneinander – sie haben keinen Zwischenraum und
kön­nen als vonein­an­­der ge­trennt am sel­­ben Ort seiend gedacht werden. Wie die albedo über
den ganzen Körper verteilt im Sinn ei­ner ex­ten­­sio ihre Teile nebeneinander habe, gelte: ‘non
est inconveniens duo corpora esse si­mul’ (nach Expositio Phy­si­co­rum IV c. 9, t. 47 (212b 22–27),
OP V, p. 106) Die Verschiebungen, die wir in ei­­­­nen abstrakten und ima­gi­när-transzendenten
Raum hinein vornehmen können, koinzidieren mit einem eigent­lich il­lu­si­onären Cha­rakter
der menschlichen Be­grif­fe. Die Abstraktion nimmt in der Physik die Begriffe hinweg; an der
empiri­schen Reali­tät hält sie fest. Sie kann ihr aber keine Relationen entnehmen. Noch für den
transzendenten Be­­­reich Gottes fasst sie sie neu, indem sie empirische Widersprüche – u. a.
suppositionslogisch – beseitigt.
140. Es gibt ihn nicht unbedingt. Suppositio simplex verdrängt suppositio forma­lis (ältere
Suppositionslogik).
141. Der Widerspruchssatz selbst verliert bei Ockham immer auch seine signifikative Be-
deutung oder Funktion, wenn er die distinctio realis nicht wahrgenommen werden kann, was
504 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

ren suppositionslogischer Erklärung. Auf sie kön­­nen Om­ni­po­tenzprinzip und Öko-


nomieprinzip gleicher­ma­ßen an­ge­wandt werden.142 Lo­gi­sie­rung hat nominalistisch
nur noch ein hohes Negationspotential und wirkt hierin indirekt. Die con­se­­quen­­­­tiae
rüc­­ken nach dem geschilderten Gebrauch in die Stellung eines me­­dium extrinse­cum,
das sie ersetzen, denn dieses gehört der von Ockham zurückgedrängten consequentia
ma­­te­r­i­a­lis an. Das medi­um ex­trin­­­­­secum muss einen für eine Beziehung angenomme-
nen realen Im­pakt un­terstellen und zwar für etwas was nur ‘accidens’ sein kann.143
Damit durch­bräche es die ge­nau­e­re Intention und Welt­­auf­fassung Ockhams: realiter
possibile = als Denken dar­stell­bar.144 Wir ‘haben’ die Welt in den sen­si­bi­lia in ani­ma
und mehr noch in den intelligibi­lia in anima. Letzteres gründet in dem schwer kenn-
zeichenbaren Begriff. Er erscheint in allen Be­stim­mungen von ihm nur ganz bedingt
als ens und kann in Bezug auf Satztypen aus sich nicht entwickelt werden. Insofern
ist er für sich ein isoliertes Phänomen. Dies bedingt auch den re­la­tiven Vorzug der
fictum-Hypothese und sogleich wird ihr Nachteil intensional sichtbar.145

beweist, dass er durch sie ersetzt worden ist. cf. die Beispiele in Kap. 12: Verflechtung und
Abgrenzung der Akte.
142. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 309 lin. 14–21: „dico quod anima est quodammodo omnia per
cognitionem omni­um. Nam per cognitionem sensitivam est omnia sensibilia et per cognitio-
nem intellectivam omnia intelligibilia. Et utra­que cognitio est ita perfecta similitudo obiecti et
perfectior quam species. Sed differentia est in hoc quod sen­sus non est omnia sensibilia nisi
per cognitionem actualem, sed intellectus est omnia intelligibilia per cogniti­o­nem actualem et
habitualem. Unde habitus ita perfecte est similitudo rei sicut species vel actus.“
143. Etwa wenn um aus einem kontingenten Satz ‘haec herba sanat’ einen syllogistisch bewei-
stauglichen zu ma­chen, ein Prinzip eingeführt werden muss, das auf der Basis strikt singulärer
Einsichten, sc. dass das Kraut ein­mal und öfter oder immer wieder wirksam gewesen sei, die
Generalisierung und Abstraktion ausdrückt, nämlich dass dieses Kraut specie specialissima
verstanden (‘gedacht’) immer, i.e. definit, solche Wirkung hervorzubrin­gen vermöge. Cf. Prol.
Ord. q. 2 OT I p. 90 lin. 20 – p. 91 lin. 4.
144. Die Induktion, die dann bei Ockham mittels der akzentuierten und eben auch bestritte-
nen oder negierten, vermöge der Dif­ fe­renzierung von consequentiae statthat, bezieht sich auf
keinen umrissenen Sachverhalt, wohl aber auf einen un­be­stimmt für real gehaltenen; hier, in
diesem Bezug, muss das Motiv Ockhams gesehen werden, nicht in der Lo­­gik, bzw. der Handha-
bung der conse­quen­ti­ae. Wir erreichen keine Identifizierung des Inhalts oder des implizit Ma-
teriellen nach der Intention auf einen Gegenstand extra mentem, wir schließen ihn gewöhnlich
bei Ockham met­hodisch aus. Auch die modale Qualität einer propositio wird so gese­hen.
145. Wir haben mit forma ein Komplement zum nicht mit Inhalt deckungsgleichen Begriff, zu­
gleich aber einen Be­zug auf die Aktlehre. Diese lässt Be­stim­mun­gen und Bezüge qua forma zu
und kann so di­rekt em­pi­ri­schen und kausalen Relevanzen (Genesen) per abstractionem oder
persuasiv entwunden werden. cf. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 61 lin. 3–17: für notitia intuitiva und no-
titia abstractiva gilt „quod seipsis distinguuntur formali­ter, cau­­saliter ta­men distinguun­tur a suis
cau­sis essen­ti­alibus a quibus habent esse.“ Darüber erhebt sich ein ab­strak­ter Begriffs­aspekt,
der per per­su­asionem un­ter Berufung auf Gottes Allmacht über ein modifiziertes Kau­sal­­­prin­zip
Kapitel 10.  Beweis, Satz, Akt 505

(„ab ea­dem cau­sa simplici­ter possunt fie­ri plura“) ‘bestätigt’ wird, ohne dass realempirisch be­
grün­­det ein Wi­derspruch be­stünde: „Non est inconveniens quod idem agens totaliter illimitatum
simpliciter vel se­­cun­dum quid producat in eodem passo ef­fec­tus specifice (= begrifflich) distinc-
tos.“ Nach Ockham ‘schließt’ das rein empirische „kausale“ Ar­gu­ment nicht – quoad ‘causam’.
Die für die empirische Kausalität relevante Induktion besteht ‘logice’ fort.
kapitel 11

Abstraktion und scholastischer Beweiszweck

Wenn der Scholastiker sich auf die Empirie bezieht, kann er nicht hoffen, dass er
damit schon logisch im Sinne einer mittels und in der Logik begründbaren oder mit
ihr, wie immer fundiert und ausgedrückt, sich ergebenden Ord­­nung über eine allge-
meine Einsicht ver­fü­ge. Er muss sie so beanspruchen oder suchen, dass er für theo-
logische Ein­­sichten ‘Allge­mein­heit’ und ‘Notwendigkeit’ nicht ausschließen darf, weil
sonst die theo­lo­­gische Wahrheit a limine widernatürlich sich ausneh­men (können)
müsste. Dabei ist die Ontologie früh heran­gezogen und abgelehnt worden, z. B. von
Abailard. Doch wenn er sagt: „Si quis autem ad subiec­tum con­­struc­ti­o­­nis respiciat,
secun­dum ip­sum nec universa­les nec par­ticulares nec inde­finitas nec sin­­gu­la­res hu­­
iusmodi enuntia­ti­o­nes iudicabit, quippe sub­iec­tum constructionis nec univer­sa­­li­ter
nec par­­ticulariter enuntiatur. Sed nec indefinitam fa­cit pro­po­sitionem quae parti­cu­la­
rem non ha­bet aequipollentem, nec sin­­gu­la­rem facit cum ip­sum vox singularis non
sit“, ist das Ver­hält­nis von Begriffsin­halt und Logik (Fol­ge­rung) noch nicht ausge-
drückt worden. Es dürf­te für ihn nur nicht nach der realistischen Universalienlehre

. Damit wird alles direkt theologische Beweisen oder Erörtern problematisch. Anselms Be-
weismethode (sein Be­weisverständnis) ist dabei unklar, also strittig. K. Barth, Fides quaerens in­
tel­­le­ctum, ³1966 p. 13 betont, An­selm sei es mehr um das intelligere denn das probare gegangen,
Beweisen viel­mehr ein mit dem abgeschlossenen in­telligere (Verstehen, Einsehen) zugleich
auftretender Effekt. Das hätte aber zu bedeuten, dass zwei sachliche oder begriffliche Posten
logisch (deduktiv) sich mit­ein­­ander verknü­p­fen lie­ßen, und dass damit die Einsicht ver­bun­­den
wäre. Sie müsste also im Beweisen selbst lie­gen (bestehen). Wir müss­ten dann immer noch
fragen, wie die Begriffe abstrakt und auf Gott zutreffend ihre em­pir­i­sche Proveni­enz haben
(wah­­ren) könnten. Hier sieht man, was Ockhams Konzept wahr­haft geleis­tet hat und dass es
auf laten­te Fra­gen geantwortet haben mag. Zur Logik, deren Exzellenz (Leis­tung) und früh­­­
scho­las­tische Gemein­re­ferenz zu je­der sozietär empirischen Tech­nik, die De Rijk hervorhebt,
kommt die Be­grün­dung des Lo­gi­schen selbst und über­­haupt. Sie gilt pragma­tisch und nicht
semantisch. Soll sie bloß seman­tisch gelten, so wird sie an jedes andere Begründungsproblem
zu­rück­ge­spielt, z. B. die Ontologie, even­­tu­ell an alle denkbaren und sie bunt gemixt. Die po­­­­
lemische und apologe­ti­sche No­te, die Barth bei Anselm sieht, ver­weist freilich eher auf ein
‘Überreden’. Es fragt sich, wie darin der Inhalt präsent und konstitutiv ist.
. Glossae super Peri Hermeneias, ed. K. Jacobi u. C. Strub Corpus christianorum, Continuatio
Mediaevalis 206, 2010, cap. 12 Nr. 13 p. 397 lin. 168 – p. 398 lin. 174.
508 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

interpretiert wer­­den. Doch müs­­sen und können wir scholastisch wahrscheinlich mit
Begriffen handeln. Nur wissen wir dann noch nicht, was der Begriffsgehalt in Ver-
schiedenheit vom Begriff ist und was der Be­griff bei einer solchen Distinktion sein
kann; was für ihn bleibt, wenn es sie gibt.
Ockham hat, wenn er die Synthesis (der Be­grif­fe in Bezug auf einen Zusammen-
hang, den sie ge­meinschaftlich ausdrücken und ausspre­chen sollen) argumentativ
anstrebt und erreicht, den Zu­sammenhang nicht in einen der Be­stand­teile, etwa das
subiectum, legen können. Es gibt viel­mehr die Negation dieses Elements, seiner ratio,
mit der Ockham den Zusammen­hang dann pro forma, auf der reflexiven Ebe­ne, er-
reicht. Das besagt das induktive Verfahren, das Ab­straktion und Empirie ‘vereinigt’.
Es wird dabei klar, dass bei Ockham die persuasi­ven Ar­gu­­men­te oder Beweisführun-
gen ana­lytische ‘ersetzen’ und selbst „synthetisch“ fungie­ren. Ockham hat sogar in
diesem Sinn theologi­sche Wahrheiten, die per se zum Heil not­wen­di­ge sein sollten,
angenommen; d. h. er formuliert sie neu und denkt sie damit unab­hän­gig von der
Frömmigkeit, die somit auch nicht heilsnotwendig diese Wahrheiten an­nimmt, die
sie ja ohne ra­­tionale Anstrengung gar nicht kennt. In bestimmtem Sinn werden die

. Damit scheint bereits Abailards Nominalismus festgeschrieben zu sein. cf. W. & M. Kneale,
1966 p. 200: „Es­se au­tem hominem non est homo nec res aliqua.“ Die „sin­­guli homines“ kom-
men darin überein, dass sie Men­schen sind, aber nicht in einer ontolo­gi­schen Qualität.
. Nehmen wir einmal an, Ockham habe diese Frage aufgegriffen und im Rahmen seiner
Möglichkeiten, d. h. qua Beschränkung auf die Argumentation, in der er einzig dargeboten, be-
wahrt und diskutiert werden kann, in forma the­o­retisch behandelt, wird die Frage nach seinem
persönlichem und geschichtlichen Motiv unbeantwortbar sein.
. Die ‘Logik’ erreicht damit nicht mehr ‘Inhalte’ und drückt Wahrheit für sie nicht mehr aus.
Cf. u. Anm. 43.
. Die Synthesis muss dabei im Sinne der einzelnen Wahrheiten, die korrigierte Heilslehren
(Dog­men) sind, re­duk­tiv den abstrakten Teil gegen den empirischen absetzen, i.e. einen Schnitt
lancieren. Mit diesem werden (die) Folgerungen abgeschnitten, die, gleichsam auch im Sinn
des medium extrinsecum, das Dogma nicht ausmachen und abgeben können sollen, sondern
eine ungereinigte empirische Auffassung darzustellen hätten. Der Schnitt kappt also Folgerun-
gen, die im Sinne damit nur fälschlich verbindbarer Inhalte entfallen können müssen. Die Fol­­­­
gerung wird Teil der fallacia bzw. des denkbarerweise widerlegbaren consequens. Bis in die
Struktur und Auf­­l­ösung der fallaciae hinein wird der Unterschied von sub­stan­tia und ac­cidens
wirksam. Dessen grundlegende Bedeutung für Ockham be­tonte E. A. Moody, 1935. Er sah da
Ockhams entschiedenen Aristo­telis­mus ge­ge­­ben. Die Unter­schei­dung gilt für die Er­ör­te­run­gen
in der Naturphilosophie und in der Theologie. Hier bedeutet die Duplizität von forma und
ak­zidentell be­stimm­ter Ver­än­der­lich­keit und eben Unbestimmtheit bei physischen Vor­gän­­gen
und führt da­rin zur Be­weis­form der persuasio, um den Be­griffsgehalt festzustellen und eben
bezüg­lich ei­ner gewis­sen Ein­heit­lichkeit zu klären, was dann entsprechend der Abstrak­ti­on
gleich­kommt.
. Es gibt somit eine Diffe­renz zu Luther, der jedoch den Glauben als eine Art funktionel-
les Vermögen an die Stel­­­­­le der rational be­stimm­ten Erkenntnis von dogmati­schen Wahrheiten
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 509

Dog­men somit neu oder erst geschaffen und können damit gar nicht ohne Paradoxie
als Dog­men ange­se­hen wer­den. Das hat aber vor allem eine Konsequenz: Der Aus-
druck, der sie ent­hält, muss ober­halb ei­ner Linie der Grundrationalität angesiedelt
sein, wobei er deren Ober­li­nie verkör­pert und im Rahmen der Beweisführungen,
also Argumentationen Ockhams, die­se direkt de­finiert; es kann infolgedessen eine
logische Vermittlung und Vereinbarung zwi­schen diesen beiden Lini­en nicht geben,
was wiederum zu bedeuten hat, dass es die Induktion ist, die alle Po­sitionen, so­wohl
inhaltlich wie formal zu schaffen, sie zu bedingen hat. Dabei geht es oft nur um Wort-
oder Begriffserklärungen, ohne dass doch die Struktur des Argumentie­rens, die alles
unterhält und trägt, geändert würde. Indessen wird dort, wo es um die Aussagen der
Kir­chenlehre und der Hl. Schrift im strengsten Sinne geht, oft die reprobatio eintre-
ten, um deren Ausdruck oder Auslegung von prekären ontologischen Beimengungen
und Zusätzen zu be­frei­en, die einmal selbst nicht begründet werden können, zum
anderen aber den Gehalt der the­ologischen Aussa­gen per determinationem zu ent-
stellen hätten.
Hier haben natürlich Zweinaturenlehre und Trinitätslehre einen ähnlichen An-
schein, bei dem sie in etwa ineinander überzugehen haben. Innerhalb der Behand-
lung der zweiten sagt Ock­ham: „Sed pos­sibile est primo naturam non es­­­­se unitam
et postea unitam vel e converso si­ne omni motu lo­cali, ergo oportet quod sit pro-
ductio alicuius novi vel destructio, cum transitio tem­­poris non suf­ficit, sed manife-
stum est, quod nullum absolutum oportet produci nec cor­rum­­­­­­pi.“ Damit ge­­­hen wir
aber zu einer übernatürlichen Erklärung über, für die wir das Wider­spruchs­mo­ment
‘ausschalten’. Der ‘Widerspruch’ soll ent­fal­len, nachdem das Wider­spruchs­mo­ment
‘ersetzt’ wurde; wir müss­ten, um mit ihm operie­ren zu können, legitime Realitätsmo­
men­­te ha­ben. Diese gibt es aber nicht; so wird ein Argu­ment de possibili möglich,
das aber kei­­ne de facto Reali­tät mei­nen kann; denn für diese müss­ten wir ei­nen von
vornherein unan­gän­gigen Argumentationsmodus aufrechterhal­ten kön­­­nen. Ockham
geht von mensch­lichen Be­­dingungen aus. Z. B. bei der spiratio, wobei der Begriff mit
seiner abstrakten Verwendung dann zu klä­ren ist. Das ist offenbar nicht immer

gesetzt hat. Wo Ockham „ratio“ ‘sagt’, sagt Luther „fides“. Lu­ther sagt zu Gal. 4,6: „Atque haec
est ra­tio, cur nostra Theologia certa sit: Quia ra­pit nos a nobis et po­nit nos extra nos, ut non
nita­mur viribus, conscientia, sensu, persona, ope­ribus nos­tris, sed eo ni­ta­mur, quod est extra
nos, hoc est, promissione et veritate Dei, quae fallere non pot­est.“ Cf. Vor­l. über den Ga­la­­ter­
brief (Druck 1535), WA 40/I, 589, 25–28, nach G. Sauter, Ein­führung in die Eschato­logie, 1995.
p. 173 Anm. 14. Gott täuscht für Luther wie für Descartes nicht hinsichtlich der Wahrheit, die
wir also erkennen.
. K. Bannach, 1975 p. 211 stellt fest, die Zweinaturenlehre mache für Ockham ähn­li­che
Unterschei­dun­­gen nö­tig oder möglich bzw. anneh­mens­wert wie die Trinitätslehre. Die Bewei-
se haben in der Trinitätslehre mit Wort­erklärungen zu tun; die Zweinaturenleh­re aber muss
kausal­em­pi­ri­sche Implikationen haben.
. Bannach, ib. Anm. 546.
510 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

leicht:10 „ad investigandum dis­tin­ctionem in­ter generati­o­nem et spi­­rationem, et quare


spi­ratio non sit generatio, scio me totaliter insuffi­ci­en­­­tem.“ Ockham räumt ein, dass
bessere Be­­weisgründe a limine nicht ausge­schlos­sen wer­den könn­ten; das ist konse-
quent. Denn die Be­grif­­fe wer­den im Sinn der Gel­tung de fac­­to zu­nächst als ‘em­pi­ri­­
sche’ verwandt. Um Grün­de für die andere trans­­­empiri­sche Dis­po­­sition zu ge­win­nen,
muss man die verwendeten Begriffe, um die fiktive Kon­­se­quenz (au fond De­­ter­mi­­­­nat­
heit) zu sichern und Widersprüche auszuschlie­ßen, von der Em­pi­rie frei­­­hal­ten; die
Be­griffe an sich kön­nen em­pirisch bleiben; so dienen sie weiter Sach­er­klärun­gen, die
quasi em­piri­sch ver­an­­­schau­li­chend blei­­ben. Sie fun­­­gieren auch ‘ausschließend’ und
sind so wi­der­le­gend.
Gewisse Sätze wie ‘de­us est immor­ta­lis’, ‘deus est primum ens’ kön­nen wir nach
na­tür­lichem Be­griffs­ver­ständ­nis einsehen; alles was die Tri­ni­tät be­trifft we­niger.11
Dabei soll gelten:12 „ex illis quae sunt in men­­te nost­ra pos­su­­mus ali­quomodo as­sur­­
ge­re ad con­cipiendum illa quae sunt in Deo, quam­vis magis sit si­mi­­li­tudo quam dissi­
mi­­li­tudo.“ Wir kön­nen im the­o­logischen Be­reich transem­pi­risch operieren, weil die
regula­ti­ve Bedeutung des Wi­der­­spruchs­­sat­­zes aus­ge­­schal­tet wor­den ist. Ihn darin
doch noch für gültig zu halten, käme einer Äquivokation gleich; denn er ist er­setzt
worden. Da­nach, im Sinne em­pi­rischer Äquivalente, gilt er nicht (mehr) und entspre­
chend werden die Ab­strakti­o­nen einge­führt und: fortgeführt. Der Wi­der­spruchs­sat­­z
kann so auch nicht der Phan­ta­­sie des Men­schen in der an­geb­lichen Angst vor Gottes
schran­ken­loser Wil­lkür Gren­zen setzen, Einhalt ge­bie­­­ten. Das Wi­der­spruchs­­­prin­zip
ist in der Er­setzungsform integraler Be­stand­­teil des Sat­zes, dessen Determi­nat­heit
mit ab­strakt gebrauchten Begriffen ge­­sichert wurde.13 Ockham umgeht Wi­der­­spruchs­
fiktionen, sie widersprächen der Ab­strak­ti­on. Qua Ersetzung des Widerspruchs­prin­
zips wird Un­an­gängigkeit im em­pi­ri­schen Be­reich in­diziert! Wie die Er­set­zung und
Ein­klam­merung des Widerspruchs­prinzips schon von der Ab­­­­strak­­­­tion abhängen
kann, zeigt:14 „Si esset (!) possibile ani­mam intel­lec­tivam informare imme­di­ate mate-
riam primam vel for­mam cor­po­re­itatis sine anima sensiti­va, – sicut potest esse sepa-
rata sine anima sen­si­tiva (was zu den Glaubens­leh­ren zählt) –, non es­set contradic-
tio quod aliquid esset com­po­situm et rationale, et ta­men quod non esset sensibi­le.“

10. Ord. q. 13 TO III p. 422 lin. 1–3.


11. Ord. d. 1, q. 5, OT I pp. 458–460. Entscheidend sind hier propositio per se nota und conse­
quentia formalis.
12. Ord. d. 13 q. unica OT III p. 418 lin. 13–16.
13. Spinoza strebt sie am Anfang der Ethik für den Begriff der substantia an oder setzt sie
auch nur voraus. Es müss­­te dann die Frage sein, wieweit die weitere Deduktion sie wahrt oder
(eventuell identisch) herstellt. Denn wir müssten von der significatio ausgehen und sie als defi-
nit in die Deduktion integrierbar betrachten. Das aber hätte zu bedeuten, dass Definitheit und
significatio identisch seien.
14. Ord. d. 8 q. 6 OT III p. 257 lin. 9–16.
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 511

Das wird zwar se­cun­dum legem communem nicht ange­nom­men: „quamvis (W 1495
besser als Ed. quod) na­­tu­raliter non posset esse“, doch muss es dem abstrakten Ge-
brauch des Omnipotenzprin­zips, den man auch hier er­sieht, nicht widerstreiten: non
re­pugnaret (sic!) = es ist nicht inkompa­ti­bel; es wür­de nicht inkompatibel sein. Folg-
lich: „non tamen non repugna­ret di­vi­nae potentiae ali­ter fa­ce­re.“ Es ist mit der schon
be­stehenden Abstraktion ei­ne Er­wei­te­rung nicht unver­ein­­bar.
Ockham dis­kre­ditiert scholasti­sche Mittel und definiert an der Stel­le salvieren­
de For­­­­men. Nach der Meinung seiner Zeitgenossen konnte er damit wahr­scheinlich
nichts für die Theolo­gie tun. Er griff in der Folge philo­sophi­sche Lehren an, z. B.
Aristoteles: Gott kann die Mate­rie nur „zer­stören“, indem er ihr eine for­ma nimmt
oder gibt; eine Zerstörung durch die Ma­te­rie selbst sei falsch ge­dacht de virtute sermo-
nis sagt Ockham;15 sie kann über­haupt nur „se­cun­dum quid“ ge­dacht werden, „quia
per potentiam divinam potest ista mate­ria pati ab alia for­­ma inducenda (die Gott
ihr gäbe) et haec forma potest cor­rum­pi sim­pli­citer.“ Die for­ma steht der potentia
divina absoluta nahe und war so immer im Rang der Ab­straktion mit der gött­lichen
Omnipotenz ver­bun­den worden. Die Zerstörung der Materie in ihr selbst ist eine ak­­­
zidentelle Kon­se­quenz des Zerstörungsakts, bei dem ihr die for­ma genom­men oder
aus­ge­tauscht wird. Sie wird nicht in sich selbst dabei gedacht und enthält kein For­ma­
tiv, das dem Widerspruch widerstünde (ihn aus­schlösse).16 Wir sind so auch auf der
Stufe elemen­ta­­rer (kon­tin­genter) Sätze, für die das ‘falsum de virtute ser­mo­nis’ oder
das ‘secundum quid’ ein­sich­tig wird. Für nicht kontingente Sätze könnte das Problem
gar nicht ent­ste­­hen oder defi­niert wer­den; wir müssen also mit Ockham eine kontin-
gente Welt haben: eine, die in kon­tin­­gen­­­ten elementaren Sätzen ausgesprochen und
wiedergege­ben wird. In dieser können wir in­du­zieren um zu Be­deutungen für Relati-
onstermini zu gelangen, die die kontin­genten Sät­ze und was in ihnen behauptet wird,
für ih­re Begriffe, überfassen. Es sind die Be­griffe der kon­tin­­gen­ten Sät­ze, in denen die
empirische Gegenstandswelt the­matisiert wird, der wir die Be­grif­­­fe der kon­tin­­gen­­ten
Sät­ze verdanken, die darin als nomina auftreten. Ockham setzt17 das ‘non inclu­de­­­ret

15. Rep. II, q. 18 OT V p. 406 lin. 16 – p. 407 lin. 8.


16. Das hat Bedeutung auch für Anm. 17. Der Widerspruch, der aus der Welt oder ihrer Abän-
derung entstehen könnte, wäre für Ockhams Argumentation ein Störfaktor und darf daher in
ihr keine Stellung haben; er muss ausgeschlossen sein und bleiben.
17. W 1495 q. 22 D. Ed. Rep. II, q. 18 OT V p. 403 lin. 22: non includit contradictionem. Ohne
Nennung der Va­ri­an­te W 1495. Ockham behauptet aber nicht die Identität eines Begriffs oder
(erweitert): einer Größe (und setzt sie auch nicht voraus), sondern er induziert deren Möglich-
keit. Cf. hier auch p. 403 lin. 11–16: „Sed materia caeli est in potentia ad formas multas quarum
nulla per agens naturale potest produci nec induci in illa materia, sed so­lum a Deo possunt ista
fieri. Et hoc dico de communi lege, quia posito certo casu possibili (sic!) posset materia cae­li
recipere aliam formam a agente creato sicut increato.“ Wenn also die Welt anders geschaffen
(beschaffen) wäre, könnte de communi lege, sei es von jetzt oder von dann aus gesehen, die ma-
teria eine andere Forminduk­ti­on er­fahren. Da die gegenwärtige Welt widerspruchsfrei ist, kann
die Abänderung, etwa dass (ib. lin. 21f) „Deus in ma­te­riam includeret formam ignis, sicut est
512 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

con­tra­­dic­­tionem’ als in­­termediären ‘Beweis­grund’ inner­halb ei­ner Induktion: agens


cre­a­tum und agens increatum könn­ten gleichartig nach einer zu­vor von Gott einge­
führ­ten forma ge­gen die materia handeln. Abschließend tritt das Ökono­mie­prin­zip
als letzt­e Be­ru­fungs­in­stanz für eine Be­streitung und schließlich negati­ve Behaup­tung
ein. Es ist kein indi­rek­­­ter ana­ly­tischer Beweis er­bracht worden, sondern eine Über-
redung vollzogen, ein ‘non li­quet’ ausge­spro­chen wor­­­den:18 „Sic ergo videtur mi­­hi
quod in cae­lo sit materia eiusdem ratio­nis cum istis inferioribus, et hoc quia plu­ra­
litas numquam est ponen­da si­ne neces­si­ta­te.“19 Ce­lestische und ir­di­sche Materie sind
danach nicht verschieden; sie können dieselben formae an­neh­­men. Der Be­weis wird
förmlich mit oder in Richtung auf Relationen und über sie ent­wic­­kelt: das Ver­hält­­­­nis
von forma und materia vertritt eine Rela­ti­on oder meh­rere.20 Auch hier gilt das Öko­
no­mie­­prinzip und auch hier gelten die on­­­tolo­gi­schen Be­grif­fe (forma, mate­ria); es
wird damit Na­­­­­turphilosophie betrieben.21
Die Rationalität, die so gewonnen wird, kann in den seelischen Fundus des
Denkens nicht eingehen und über einen psychischen Belang nicht definiert sein.
Die Induktion kann was sie als fiktive analytische Komponente (Gebundenheit) des
Denkens und der Auslegung übernimmt nicht bruchlos gestalten. Sie sichert aber
dessen Konsistenz. Die Rationalität, die so von Ockham geschaffen oder entdeckt,
i.e. formiert wird, hat schon die Qualität des Glaubens (fides) bei Luther und der

possibile“, nur in dem Sinne hypothetisch gelten, dass sie auch dann die Gleichheit (Identität)
göttlicher und menschlicher Einwirkung auf die materia einschlösse. Eine In­dukti­on. Aus der
Widerspruchsfreiheit der Welt könnte auf die Widerspruchsfreiheit einer anderen, i.e. weiteren
oder Fol­ge­welt im­mer nur induktiv geschlossen werden, sonst hätten wir für unsere Welt und
von ihr keine Begriffe.
18. Rep. II, q. 18 OT V p. 404 lin. 4–6.
19. Ockham kehrt danach zur Einheit des Begriffs der materia zurück, die er induktiv herge-
stellt hat. Praktisch-em­pirisch setzt er sie nicht (cf. p. 404 lin. 6–9): „Nunc autem non apparet
necessitas ponendi materiam alterius ra­­tionis hic et ibi, quia omnis quae possunt salvari per
diversitatem materiae secundum rationem possunt aeque bene vel melius salvari secundum
identitatem rationis.“
20. Ockham hält Aristoteles’ These der materia informata anima intellectiva (mit einer ande-
ren materia!) für na­­turaliter beweisbar, i.e. beweisbar qua Omnipotenzprinzip (sic!) und so
contra Aristote­lem (!), nimmt aber nach den Kirchenvätern und dem Ökonomieprinzip von der
These Abstand (p. 404 lin. 13 – p. 405 lin. 3).
21. Nach W. Pan­nen­berg, 1954 p. 136 stand die „Unterscheidung zwi­schen potentia absoluta
und ordinata für die Auflösung des aristo­te­li­­­schen Sy­stems der Hochscholastik mit seiner not­
wendigen Zuord­nung von Materie und Form.“ Ockham kor­ri­­giert die­se Zuordnung nur und
sucht un­­­ter Anwendung des Omnipotenz­prin­zips Na­tur­­er­kennt­­­nis, die einen hypothetischen
und aporetischen Cha­rak­ter erhält. Das hat mit den relationa­len oder on­tolo­gi­schen Begrif­fen
zu tun, die, wenn sie im Verhältnis zu­ein­an­der stehen, nicht ineinander aufge­hen kön­nen. Die-
ses Dilemma be­gründet sowohl den Nominalismus wie al­­le Wissenschaft.
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 513

Verstandeserkenntnis bei Leibniz und Descartes, welche alle der Neuzeit angehören22
und die faktisch empirische Abstützung für sich selbst nicht verlangen. Bzw. auch
Faktum und Empirie gerade aus sich entlassen, wie es der neuzeitlichen Methoden-
auffassung dann ja entspricht.23 Darauf aber, dass diese Rationalität des Dogmas oft
erst per persuasionem hergestellt werden kann, ja nach einer strengeren Form der
Rationalität, wenn man sie denn annehmen will, gar nicht bestehen könnte und exi-
stieren darf, ist hinzuweisen; in eben diesem Sinn muss die persuasio ihrer Formation
und Geltung nach, also so wie sie eingesetzt wird, als jene Argumentationsart erschei-
nen, die das gerade geschilderte Dilemma heilt.24 Der Begriff fides freilich wird bei
Ockham sehr allgemein gebraucht:25 „sicut potest haberi fides de rebus supranatura-
libus: ita potest fides haberi de rebus particularibus prius sensatis et postea remotis:
et tunc rerum et particularium absentium, quae prius a sensu videbantur, est fides:
ergo illa tunc tantum cognoscuntur abstractive, et fides intuitive.“ Dass ‘ich’ eine fides
habe, weiß ich „intuitive“, was sie enthält oder ausmacht, „tantum abstractive“; ich
weiß also nicht etwas inhaltlich in se, von dem ich auch wüsste, dass es ist. Gleich-
wohl weiß ich, dass ich es weiß. Ich habe also über beide notitiae oder actus hinweg
die Definitheit abstrakt gesichert, d. i. unwidersprechbar, aber nicht als sol­che in sich
erreichbar oder auskultierbar. Sie wird nicht inhaltlich erforscht.26
Dasselbe Problem kann auch noch anders angesehen werden: Es können nicht
notwendig ei­ner­­­lei Ter­mini für die beiden Bereiche der Welt und der über­weltlichen
Gottheit gebraucht wer­­­­den, und genau in diesem Sinn wäre ja die Synthesis der
Ter­mini nicht geglückt. Anders: an der Stelle einer Ar­gumentation müsste es die

22. Nach H. Blumenberg, 1965 und 1966 sind Luther und Descartes nicht neuzeitlich Moderne;
ihnen werden re­gres­­siv mittelalterliche Haltun­gen zuge­ord­net. Menschenwürde und Persona-
lität folgten da einem ranking.
23. Descartes gesteht zu, dass auch bei seiner Deduktion nach seiner Methode der im einzelnen
evidenten Schrit­te, die die Erkenntnis sichern und legitimieren und vor der Phantasiespekula­
tion bewahren soll, am empirischen ‘Fak­­­­­tum’ sichtbar werdende Fehler enthalten könne. S.
seine Regulae ad directionem ingenii, gedruckt 1704.
24. Sie muss danach als analytisch und synthetisch zugleich gewertet werden.
25. Cf. Prol. Ord. q. 1 OT I p. 41 lin. 20–23.
26. Hier wird die intellectio in se nie bestimmt werden können. Wenn Ockham (Ord. d. 2. q. 8
OT II Utrum uni­­ver­sale univocum sit aliquid reale exsistens alicubi subiective p. 273 lin. 19–22)
bei der Bestimmung der Ver­stan­­­desakte, nicht nur des Begriffs, sondern auch der „propositi­o­
nes, syllogismi et huiusmodi, de quibus est lo­gi­ca“, sagt „non habent esse subiectivum, igi­tur
tantum habent es­se ob­iec­tivum, ita quod eorum esse est eorum cog­­­nosci“, bleibt der auf sie
gerichtete actus in­telligendi frei. Ockham schließt nochmals und bekräftigt: „igi­tur sunt talia
entia habentia tantum esse obiec­ti­vum.“ Wir lernen die intellectio weder als einzelnen konzen­
trier­ten Akt noch ‘in’ einem solchen und schließlich auch nicht für das Vermögen kennen.
514 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Synthesis der Termini geben;27 folg­lich über­nimmt die Argu­men­­tation die Synthesis,
was dann generell für Ockham gilt und von uns zu be­weisen war.28 Es „gibt“ letztlich

27. Wir müssen, wie Ockham deutlich sagt, diejenigen termini, auch conceptus, nehmen, die
wir de facto pro sta­tu is­to haben, also von ihnen ausgehen. Wir müssten andernfalls Annah­
men machen, die widerlegbar wären. Da­raus folgt, dass wir de facto induzieren können oder
müssen. Wir haben quasi fiktive Erfahrungen zum Grun­de. Sie betreffen mentale oder inten­
si­onale Fakten, die in sich nicht völlig qualifizierbar sind. Damit stehen sie an der Stelle von
Widerspruch oder Widerspruchsprinzip. Diese würden in Ableitungen wirksam, die wir eben
nicht ausführen. Wir können termini im supramundanen Gebrauch weder ein­schränken noch
erweitern, wenn wir sie konsistent, ohne Gegenbeispiele, unwiderlegt sehen wollen. Wenn wir
eine Widerlegung haben, sind wir an der Im­plikation (consequentia) gescheitert, die wir ja den
Begriffen vorab nicht zuteilen wollten. Denn wir hatten ja im supramundanen Bereich in der
theologischen Verwendung der conceptus oder termini den Begriff unbe­schränkt sinnvoll ange­
setzt; denn wollten wir den terminus vorab begrenzen, müssten wir es im Sinn einer Implika­ti­
on tun, nach der er als besonders oder kommun sinnvoll gebraucht erschiene. Also können wir
ihn auch nicht ei­gens supramundan erweitern oder begrenzen wollen.
28. Dabei zeigen sich Weiterungen bezüglich des Begriffs als bloße Folgeanordnungen, mit de­
nen eine relatio auf di­verse Fälle bezogen wird, indes nicht mit einer inhaltlichen Bestimmung
über diese Fälle, wodurch sie ja denn auch festgelegt wären. Das bedeutet (= setzt voraus), dass
Ockham mit der relatio den in sich negativen akzi­den­tel­len Gehalt verbindet, der in­fol­­­­gedessen
auch nicht auf empirische Kausalität zurückgeführt werden kann und nicht sach­lich er­füllt sein
muss; zum Beleg siehe etwa (Rep. II q. 4–5 OT V p. 75 lin. 18–22): „si dicas, quod con­­­­ser­­va­re et
crea­re dif­fe­­runt, dico quod quantum ad nomen po­sitivum non differunt: sed quan­tum ad ne­ga­
ti­o­nes con­­­no­ta­tas, quia ‘cre­a­re’ connotat negati­o­nem immediate praecedentem esse, ‘con­ser­va­
re’ con­no­­tat negationem in­ter­rup­­tionis esse.“ Und (ib. q. 12–13 p. 260 lin. 22–25): „et sic potest
aliquo modo con­cedi quod per cog­ni­ti­o­nem na­­turalem intuitivam iudico rem esse quando est,
et non esse quando non est: quia per cognitionem naturali­ter cau­satam: licet su­pernaturaliter
conserva­tam.“ Der na­türliche Welt­gehalt wird mit der übernatürlichen Be­wah­­­­­rung der notitia
intuitiva überschrit­ten (ib. p. 259 lin. 21 – p. 260 lin. 1): „nec con­servatur naturaliter nisi ob­iec­to
praesente et existente. Ideo ista cognitio in­tu­i­ti­va cor­rumpitur per absen­tiam obiecti. Et posito
quod maneat post cor­ruptionem obiecti, (W 1495: opor­­tet quod) tunc est supernaturalis quan­­
tum ad co­nservationem licet non quan­­tum ad cau­sa­ti­­onem.“ Ockham analysiert Bedingungs-
verhältnisse – als fakti­sche. Dabei werden Stel­len­wer­­te an­ge­geben und somit denn auch Grö-
ßen bewahrt, etwa die notitia in­tu­i­ti­­va für die Engel und von psy­chi­schen Re­­alitäten (ib. q. 16
p. 376 lin. 24 – p. 377 lin. 4): „ex istis patet quod angelus bonus et malus, si De­us se­cum co­a­gat,
potest intui­ti­ve videre cogitationes et affectiones nostras et omnes actus in­teri­o­res et exterio­res,
quia non mi­­­nus sunt interiores proportionati vel non proportionati in­tellectui angelico quam
exteriores.“ Und (ib. p. 377 lin. 7–10): „Sed po­tentiae intellectivae angelorum (sunt eiusdem ra-
tionis) inter se et intellectiva nostra quan­­­­tum ad modum cognos­cen­di est eiusdem ratio­nis cum
intellectiva angelorum.“ So denn auch die Erkenntnis der fides intra nos (Prol. Ord. q. 1 OT I
p. 41 lin. 24 – p. 42 lin. 7): „Item (W 1495 Idem = Augustinus) probat pri­­­mo quod fides non per­­
ti­net ad aliquem sen­­sum cor­po­­­ris: et post sequi­tur: ‘cordis est res illa. non corporis nec fo­ris est
a no­bis: sed in intimis nobis (W 1495 intra nos); nec eam quisque (W 1495: unus­quis­que) videt
in alio: sed unusquisque in semetipso’ Et se­qui­tur: ‘Suam igitur quisque fidem apud seipsum
videt, in altero autem credit eam esse, non vi­det.’ (W 1495: Et sequitur sen­ten­­­tia­li­ter quis­quam
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 515

kei­ne Termini außerhalb der Einführung über die Argu­men­­­­­­­­­­­ta­­ti­on; das gilt für die
Begriffe der zweiten Stufe ohnehin.29 Es gilt aber für die der er­­sten eben­so, wenn denn
über Begriffsar­ten, Funktionen, Kombina­ti­o­nen zu Erkenntnis- resp. Satz­­­ar­­ten soll ge­
spro­chen werden kön­nen. Es werden verlässliche Termini ge­sucht: alle müs­sen in die­
sem Sinn, auch wenn sie der ersten Stufe in Funktion der kontingen­ten oder ver­wand­­­
ter Er­­­­­kennt­­nis­se, Aussa­gen etc. angehören (sollen) in diesem Sinn ‘be­stimmt’ sein,
dass sie mit der Be­stimmtheit, nach der sie im Sinne der gegeben Beweise, be­­trach­tet
werden, denn auch de fac­­­to bestimmt seien. Sie müssen mit ihrer Bestimmung so
angesehen werden kön­nen, dass sie es seien. Eben wenn sie der empiri­schen Sphäre,
kontin­gen­ten Aus­­sagen, der pro­­po­si­tio per se nota etc. an­ge­hören.30 Sie werden alle
nicht mehr a par­te sig­ni­­fi­cationis31 be­stimmt. Dann und daneben schei­det das qui pro
quo zwi­schen mun­dan und supra­mundan nach der Ein­­­­­­­­­­­­­­­­heit oder Gleichheit der für
beide angeblich oder reell ver­wandten Ter­mi­ni aus.
Wenn Ockham nun die Akte in ihrer Verschiedenheit, Komposition oder Tren-
nung bzw. kasualenTrennbarkeit bestimmen will, muss er sich seiner Argumentati-
onsmethoden bedienen, also für direkte Bestimmungen (Identitäten) probatio und
persuasio32 verwenden.33

ergo videt fi­dem in seipso, in alio au­tem tan­­­tum credit eam es­se, non videt.) Ex quo patet quod
aliam (W 1495: ali­quam) no­ti­­tiam (W 1495: intuiti­vam) habet de fide pro­pria, per quam evi­
den­­ter scit eam es­se, et aliam (ali­quam) no­titiam (abstracti­vam) de fi­de ali­ena, per quam non
scit utrum sit vel non sit.“ W 1495 erg. (Ed. om.): „fidem alterius nunc videre non possu­mus,
nec eam in­telligere, ni­si con­cep­tu com­muni.“ (Ed. notiert als Va­ri­anten einzig intuitivam und
abstracti­vam.)
29. Ockham kann die Intension seiner Begriffe oder Aktdefinitionen durch die Argumentati­on
stüt­zen. Da diese strukturell ist, entfallen formell unbegrenzte „inhaltliche“ Fragestellun­gen.
Sie werden ausgeschlossen, genau in dem Sinne wie eine Synthesis nicht sein kann. Gleich­­sam
dialektisch wird deren Er­forderlichkeit bekräftigt.
30. Dabei hat, wie sichtbar wurde, die propositio per se nota eine Ausscheidungs- und Widerle­
gungs­­funktion: in­dem sie angesetzt wird, ist eine andere Erkenntnis- oder Satzqualität noch
nicht erreicht, oder, wie hier gelegent­lich gesagt wird, für Termini (conceptus) noch nicht de­fi­
nit gegeben.
31. Significatio ist die res extra mentem, also die res strictissime singularis, in der für Ockham
kein universale an­ge­nommen werden kann. Die Annahme würde, wie Ockham auch in der
SL reprobativ zeigt, zu Absurdi­tä­­ten füh­­­ren. Unbestimmt hier E. Hoch­­stet­ter, 1927 p. 118: „in
der natürlichen Signifika­ti­on je­der intentio kul­mi­niert Ock­­hams Er­kennt­nisleh­re … Die Sup­­­
positionstheorie ist eine se­kun­däre logische Hy­po­­the­se, die Ock­­ham auf­­griff in Konse­quenz
des Sig­nifi­ka­­ti­ons­­gedan­kens, mit dem die traditionelle In­­hae­renz- oder Identitätstheorie des
Urteils unvereinbar wa­ren.“
32. Die Induktion steht bei der persuasio.
33. Ockham bestimmt nicht die Inhalte der Sätze in sich; er hat Aussagen, die er nach Wort-
und Sacherklärun­gen und Folgerungen behauptet und bestreitet. Wie gezeigt bestreitet er sie
516 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Das Verhältnis von probare und persuadere wurde bisher nur kurz einmal ange-
sprochen.34 Da­­­bei wurde angedeutet, dass die Termini probare und per­suadere von
Ockham ne­ben­ein­an­der gebraucht werden konnten. Ihre Diffe­renz und ihre Ge­mein­
sam­keit soll an weite­ren Bei­­­spielen aufgezeigt werden. Beide ­stützen sich für ihre Ge­
danken­fol­gen auf eine em­pi­ri­­sche Grund­­lage: Man hat dabei eine in­duk­tive Basis für
beide Be­weisar­ten. Antecedens und con­se­quens kehren ihr Verhältnis praktisch um.
Denn das in­halt­lich im Be­­weis Anhängige, d. h. im Prä­­dikat abhängig Auftreten­de,
ist nicht in dessen Sub­jekt anhän­gig. Es wird ja nie mit einem Übergang aus dem
sub­iectum in das Prädikat be­wie­sen und nie die passio als actus oder con­ten­tus als
aus dem subiec­tum folgend. Hier sol­len eini­ge con­clu­si­ones (= Sät­ze, Lehr- oder
Be­­­­weissätze) interpretiert werden.35 „Ter­tia con­clu­sio est quod ali­quis pot­est nolle
be­ati­­tudi­nem in particulari creditam es­se possibilem, ita quod potest nolle ha­­be­re
beatitu­di­nem. Haec conclusio persuadetur, quia quid­quid potest esse dictatum a recta
ratione potest ca­dere sub ac­­­tu voluntatis; sed recta ratio potest dictare quod is­te care-
bit sem­per beati­tu­dine; er­go pot­est vel­­le carere semper beatitudi­ne, ergo potest nolle
eam sibi.“ Der Satz wird in der persu­a­sio der­art bewiesen, dass man vom Verstand
zum Willen übergeht; beide sind nach Ockhams An­schauung ebenso wohl identisch
wie voneinander verschie­den, so dass zwischen ih­­nen ein Ne­­­ga­­­­­ti­onsmo­ment als Teil
des Inhalts vorliegt. Die identi­sche Bestimmung des Grun­­­­des bleibt nicht im­­mer in
demselben Ab­stand zu diesem Wortlaut der con­clusio; so sind die ver­schie­­denen Aus­
le­gun­gen, Begründun­gen oder Folge­sät­­ze mög­lich. Anders gesagt: der Grund bleibt
nicht gleich gegenüber dem Ausdruck der con­­­clusio. Also kann er auch nicht aus die-
ser gefolgert wer­den, wie evident ist. Deshalb auch muss es wohl eine persuasio oder
es kann meh­­­­­­­rere per­sua­siones geben, bzw. persuasio und pro­­batio neben­ein­ander.
Die conclusio wird zur ratio, die nicht praktisch in dem was sie defi­nit zu begründen
hat, eingelöst werden kann. Als diese ratio wird sie be­grün­det, d. h. potentiell ex falso.
Im fol­­genden Beweis für die­sel­be conclusio tertia will der Mensch nicht den Zweck,
weil er nicht das Mittel will, das zu des­­­­sen Erlan­gung führen muss.36 Der Zweck ist
aber das ewige Le­ben: ein nicht in sich als re­al aus­ge­­wie­senes, sondern bloß geglaub-
tes Gegeben­sein:37 „Prae­­te­r­ea, quicumque vult ef­fi­ca­ci­­ter ali­­­quid, vult omne illud sine
quo cre­dit se nullo modo posse consequi illud volitum; sed aliquis fidelis credit se
nullo modo posse consequi beatitudinem si­ne bo­­na vita, et tamen non vult bonam

auch nach Folgerungen, die er also nicht anerkennt, i.e. vermöge des consequens für unange-
messen oder ungültig erklärt.
34. Cf. Kap. 1 Das Verhältnis der Begriffe bei Ockham Anm. 121.
35. Dazu werden die ‘Beweissätze’ aus Ord. d. 1 qu. VI gewählt: Utrum voluntas contingenter et
libere fruatur fi­ne ultimo (pp. 486–507). Dort handelt es sich um die conclusiones auf den Seiten
503–507.
36. Das ist Maxime auch bei Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1785, Akademie-
Ausgabe. p. 417.
37. Ib. p. 505 lin. 5–10.
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 517

vitam et sanctam serva­re; ergo non vult efficaciter be­ati­tu­di­nem, et per consequens
eadem ratione pot­est non velle eam.“38 Ein weite­rer ‘Beweis’ erkennt fiktiv auf die
Beistimmung zum Verdammungsurteil Gottes:39 „dam­natus, tam poe­na sensus quam
poena damni, pos­­­­set, si sibi re­linque­retur, con­for­ma­re se divinae volunta­ti, tam sci­tae
quam credi­tae, in vo­li­to; sed vo­­luntas di­vi­na vult is­tum semper carere beatudi­ne“.
Ockham schließt persuadierend: „er­go potest hoc esse volitum a voluntati tali, et“
(quia potest hoc es­se vo­li­tum a voluntati ta­li) „per conse­quens eadem ratione a vo-
luntate viato­ris.“ Der Ent­­schluss ist also seins­möglich. Probare und persu­a­dere wer-
den auch qua­­­­­si gleich­­wertig ge­braucht:40 „Haec probatur sic vel persuadetur“. Der
„Be­weis“ lautet ins­gesamt:41 „omne in­com­modum potest esse obiectum nolitionis,
sive sit ve­­re in­commodum si­ve aesti­ma­­tum, sicut omne com­modum – sive verum
sive aestimatum – pot­­est esse obiectum volitio­nis; sed Deus pot­est tali es­­se incom-
modum, saltem aestima­tum; igitur De­­us potest esse ob­­iec­tum nolitio­nis.“ Auch hier
ergibt sich dass antecedens und con­se­quens vertauscht wer­den:42 „Assump­tum patet,
quia talis posset puniri a Deo tam poe­na damni quam poena sen­­­­­­sus.“ Denn das an­­te­
cedens er­gibt als ratio das consequens, ob­­­wohl beide sach­­­lich nicht identisch sind.43

38. Dass man das ewige Leben nicht wollen kann, wie auch das Leben und Sein oder Fort­dau­
ern über­­haupt, ist für Ockham nach der Beweisdarlegung ib. p. 504 lin. 1–9 als zuge­standene
Mei­nung anzuneh­men.
39. Ib. p. 504 lin. 25 – p. 505 lin. 4.
40. Ord. d. 1 q. 6 OT I p. 505 lin. 23f.
41. Ib. p. 505 lin. 24 – p. 506 lin. 3.
42. Ib p. 506 lin. 3–5.
43. Die Parallelität von persuasio und probatio hat wohl mit der Differenz zu tun, dass die per­
su­­a­sio bloßen Wort­ge­brauch und dessen gewissermaßen bei der Kon­tin­genz stehen bleibende
Be­grenzt­heit meint, während probatio Verallgemeinerung be­sagt, die dann eigens eben bewie­
sen wird, wiewohl die Sachverhalte förmlich gleich lau­ten. Ockham sagt (Ord. Prol. q. 5 OT I
p. 170 lin. 15–19), dass (die) „definitiones, datae per alias causas“ die au­ßer­halb der Sache lie­gen,
„definitiones ma­teriales“ seien. „dantur tales definitiones per materiam, exten­den­do ma­­­teriam
ad omne recep­ti­­vum.“ Dann soll nur eine definitio quid nominis, kei­­ne defi­ni­tio quid rei vor-
liegen. Die persuasio mündet zu der Feststellung (p. 171 lin. 1–3: „Et ita semper quando de­fi­nitio
datur per aliquam causam ex­trinsecam, illa definitio est expri­mens quid nominis tan­tum.“ Das
wird dann bewiesen (ib. lin. 4–17): der Be­weis ist eine Wi­derlegung, bei der die potentia divina
absoluta als Mittel der Abtrennung der causa ex­­trin­se­­ca eingesetzt wird, denn die res („quae
est alia ab illa causa“) und die causa extrinseca sind realiter distinkt. Das be­wirkt dann eine
Induktion. Wir haben einen negativen Betrag, über dem eine Verallgemei­ne­rung möglich ist,
sie ist das Beweisziel, das durch die persuasio nicht erlangt werden kann. Die omnipotentia
sprengt nicht die Welt­­ord­nung, die wir secun­dum le­gem communem haben; sie kappt bloß
jene Verbindungen, die wir als schein­bar de­­duk­ti­ve be­­züglich und vermöge zu­gleich empiri-
scher Verhältnisse anzunehmen hätten oder ge­neigt sein könn­­­­ten anzunehmen. Aus solchen
An­nahmen stammen die Einwände, denen Ockham ent­ge­­gen­­tritt. Sie alle müs­sen, wenn sie
518 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Hier liegt er­kenn­­bar ein sehr allgemeines Problem vor, bzw. es ist hier ver­bor­gen:
Da ei­ne Folge, so­­fern sie über Substantive identifiziert wird, wo­mög­lich immer eine
we­nigstens verdeckte Kau­sal­beziehung ‘ist’, die nicht abgeleitet werden kann, müs­sen
wir uns ei­ner Indukti­on be­die­­­nen. Sie kann abstrakt auch einen Vergleich auf­neh­men
und damit diesen als Kausal­an­ord­nung um­münzen. Dabei werden finaliter antece-
dens und conse­quens ver­tauscht. Aber Ockham kann damit weder den Sachanspruch
noch den ab­soluten be­griffli­chen Geltungs­an­spruch er­heben. So operierend wahrt
er die Determinat­heit von Aus­sagen (oder setzt sie auch nur vor­aus­) und zielt auf
die Definitheit der dabei ver­wand­­ten Be­griffe, die er aber beide nicht aus­ein­ander
herleitet oder miteinander be­kräf­tigt. Er ist auf die­ses Verfahren angewie­sen. So nur
können die Begriffe leidlich gewahrt wer­den.44

‘ge­lten’ wollen, eine Dependenz eines folgenden Be­griffs aus einem anderen antezedenten an­
neh­men, definit un­ter­stellen und die Definitheit vor­weg­­neh­mend. Es wird dann von Ockham
bewiesen, dass sie im Sinne die­ser Verkettung nicht gel­ten können. Sie sind derart noch nicht
signifikant. Ockham syntheti­siert sie erst. D. h. in­ner­­halb der Argumentation oder ‘de­ductio’,
die er betreibt und welche die Deduktions­vor­stel­­lun­gen, die es scho­­­las­tisch schon gibt, aufgrei-
fen und intensional reflektieren.
44. Cf. als weiteres Beispiel Rep. II q. 15 OT V p. 340 lin. 11–13: „quod Deus totaliter et im-
mediate causat aliquem actum in voluntate angeli mali. Quod probatur, quia omnem actum
causatum in voluntate a voluntate libera potest voluntas impedire. Actum causatum a solo Deo
non potest voluntas impedire.“ Und ebenso ib. p. 339 lin. 3–10: „Voluntas damnati non potest
esse sine poena. Tunc sic: poena non est sine actu voluntatis. Igitur si angelus posset facere se
sine omni actu, posset facere se sine omni poena. Assumptum patet, quia poena voluntatis est
tristitia. Sed tristitia est in actu volendi aliquid secundum Philosophum. Igitur poena voluntatis
est in actu volendi. Cum igitur voluntas non possit privare se omni poena, sequitur quod non
posset privare se omni actu.“ Dabei gilt, dass die Relationsbegriffe, etwa in der Moral vermöge
der Setzung nach dem Willen Gottes nicht unabänderlich erscheinen, eben in dem Sinne nicht
absolut (ib. p. 352 lin. 3–13): furtum, adulterium, odium etc. sind in keinem absoluten Sinne Sün-
den. Zum Begriff odium s. dabei einschränkend J. Klein, 1960 col. 1560. Entsprächen die Sünden
Geboten Gottes hießen sie anders. Sie könnten nicht geboten und verboten sein (ib. lin. 13–17).
Die Bedingung, dass das peccatum ex institutione Dei bestehe, bestimmt uns, nicht Gott (ib.
p. 353 lin. 11–18). Das odium Dei schadet Gott nicht. Auch wenn Gott diesen Hass seiner selbst
verursacht hätte, wäre die daraus resultierende böse Tat dem Menschen zuzurechnen, da die
praktische Absicht in ihm wurzelte (ib. p. 353 lin. 19 – p. 354 lin. 2). Die wird nicht aus dem
peccatum originale deriviert. Gott als Verursacher dringt bei Ockham nicht in die Welt ein, wie
ja selbst die empirische Ursache schon nicht in der Wirkung sich spiegelt. Gott als causa ist kein
weltlicher Begriff oder nur ein weltlicher, der nicht zugleich in einem transzendenten Bereich
gelten und angestammt empirisch bleiben könnte. Die beweisintegrale Logik (in syllogistischer
Form) gibt es nicht, die in Gott gründend für die Schöpfung mit gälte; ob mangelndem Funda-
ment für die Logik schon in der Welt wird die Induktion reguläre Beweismethode. Beim Satz
(ib. p. 353 lin. 19f): „si odium Dei causatur a solo Deo, semper erit propter bonum finem“, weil
(sic!) Gott von diesem Hass nicht tangiert und beeinflusst (geschädigt) werde, ruhen (anders
als bei Leibniz) gerade die logische und die dazu parallele metaphysische Intention.
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 519

Darin öffnen wir uns mit Ockham auch auf einen transkonzeptualen Raum hin.
In ihm müs­­­sen die transempirischen Dis­po­sitionen Gottes mit Bezug auf unsere em-
pirischen Ver­ständ­­nisse grei­­­fen, auf die wir an­ge­wie­sen sind, die wir aber rational
auch hinter uns lassen.45 Wir spre­chen nicht mehr von wirk­­li­chen Ursachen (causae),
wenn wir unsere rationes ange­ben; wir um­runden sie nur. Wir ver­lieren die wirkli-
chen Ursachen und die wahren Begriffe und be­wah­­­­ren für unsere Rationa­li­­tät allein
die Operationen, die in Bezug auf diese Rationali­tät un­ser wahrer Gegenstand sind.
Deren Elemen­te sind nominell die Themen.46 Haben wir da­bei nur un­vor­greif­li­che
Argu­men­te, haben wir zu­letzt vielleicht gar keine Ar­gu­mente.47
Wollte man einwenden, dass Ockham mit Hilfe seiner Überre­dungs­beweise
niemals ei­­­­­­­­­nen faktischen und damit auch niemals einen definiten Zusam­men­hang
präsentieren kön­­ne, so lässt sich dagegen setzen: im Sinne der Beweise (deckungs-
gleich damit) könn­ten die Be­griffe niemals anders rekrutiert (gewon­nen) werden: Der

45. Es ist davon auszugehen, dass Argumentation, die den Begriff sichert, den Begriffsgehalt
sei es tilgt sei es als Spielmasse behandelt. Die Argumentationen zeigen, dass der Begriffsgehalt,
wenn er mit dem Begriff im Sinn der inhaltlichen Identität pro forma vereinigt werden soll,
nicht nach Bezügen verstanden werden kann, vielmehr von ihnen zu ­trennen ist. Das zeigen
die reprobationes. Cf. auch. Kap. 12 Ver­flech­tung und Ab­grenzung der Ak­­­te. Hier hat der re-
flexive Begriff der ‘ratio’ seine Funktion. Er geht auf die Iden­tität der Akte (z. B. ratio sub­iec­­ti)
und hebt sie heraus; er siedelt sie nicht in akzidentellen Umständen an, die ja das Problem zu
bedeuten hät­ten und nach Ockham reprobationes und instantiae auch tatsächlich bedeuten.
Dabei kann die identische Grö­ße als Begriff nichts mehr (begrifflich) implizieren, so dass von
hier aus eine ganze – ana­lytische – Beweis- und Ar­gu­mentationsweise entfallen und ersetzt
werden muss. In ihr darf was accidens heißt keine Rolle spielen; eben der akzidentelle Verweis
muss ausgemerzt werden, der ja auch die fallacia kon­di­ti­o­­niert. In ihm gründet auch der em-
pirische Bezug, so dass es um das reine Begriffsverständnis und eben die Ab­straktion geht. Die
Ar­gu­menta­ti­on kehrt, wenn wir von Glaubenslehre und Moral handeln und Gott ein­be­greifen,
das reelle Ver­hält­nis von con­se­­quens und antecedens um. Es gibt dann keine ratio mehr, außer
als argumentum.
46. Dazu s. in Bezug auf Argumentation, Operation, consequentia formalis und Widerspruch-
sprinzip bereits Kap. 9: Ontologie und Induktion und Kap. 10: Beweis, Satz, Akt.
47. Diese Verlegenheit ist vielleicht bei Ockham öfter zu vermuten. Ockham zitiert den Satz
in Quaestiones va­ri­ae q. 3 OT VIII p. 93 lin. 432f: „dico quod positi­vum quod convenit alicui
natura­li­ter, convenit sibi realiter“ und p. 67 lin. 137ff: „quod con­ve­nit ali­cui natura­li­ter, convenit
sibi re­a­li­ter. Patet inductive. Si ergo non-es­se con­ve­nit cre­atu­rae ex na­­tura sua, convenit sibi
realiter. Et non quando est, igi­tur pri­us.“ Da das ‘non-esse’ der creatura, wenn sie existiert, nicht
zugeschrieben werden kann, sondern bloß wenn sie nicht existiert, lässt sich in­duktiv sa­gen,
dass es ihr nur zukommen kann, wenn sie nicht existiert. Zu sagen, dass dann die creatura nicht
ewig ge­we­sen sein kann, ergibt einen ‘Beweis’, der an Anselms Gottesbeweis erinnert. Ockham
erklärt (ib. lin. 140f) u. a. mit vor­­an­gegangenen Argumenten „meli­o­res rationes, ut credo, ad
probandum quod re­pug­nat cre­aturae fu­isse ab ae­ter­no“ gegeben zu haben, und sagt doch (ib.
lin. 144ff): „Sed istis ra­ti­o­ni­bus non obstan­ti­­bus, vide­tur quod nul­­­la sit mani­fe­sta contradictio
cre­a­turam fuisse ab aeterno nec repugnantia, nec ex par­te Dei nec ex par­te creatu­rae.“
520 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Be­weis stimmt al­so mit deren Syn­thesis überein und stellt deren einzi­ge Möglichkeit
dar.48 Die theologische Verwicklung besteht nun auch so, dass ein Beispiel, das bloß
per­­suasiv fun­gieren kann, in ei­ne Funktion des conse­quens geraten muss, wiewohl
es prak­tisch ana­lytischer Hauptsatz zu sein hätte und selbst ausgelegt werden müs-
ste:49 „Confirmatur, quia Chris­tus, non obstante quod fuerit bea­tus, fuit punitus et
sustinuit poe­nas cor­­porales; sed om­ne pu­nitivum vel afflicti­vum alicuius pot­­est esse
incommodum illi, vel verum vel aes­timatum; ergo potest Deus habe­re rationem in­
com­modi, veri vel aes­ti­mati, res­pectu talis.“ Nämlich be­züg­lich des Gott und Se­­­­­lig­keit
nicht wol­lenden viator. Dafür ist der Grund, dass Gott Chri­stus, obwohl er gottselig
und sündenlos war, Stra­­fen auferlegt hat.
Gott könnte na­türlich auch ein widersprüchliches Handeln zugeschrieben wer-
den; es wä­re aber damit iden­tisch, dass die Begriffe überhaupt noch nicht geklärt wä-
ren, wenn es denn in der sa­cra the­­o­lo­gia um Begriffe sich soll handeln können. Sie
müssen also frag­los, a fortiori lässt es sich behaupten, synthetisiert werden. Es gilt
aber auch hier, dass, auf der Ebene der Ab­­­straktion, Gott50„per potentiam divinam
absolutam“ bewirken kann, „quod talis videns di­vi­­nam es­sentiam carens … dilectio-
ne Dei … potest nolle Deum.“ Das ist der Inhalt des V. Sat­­­­­zes. Der Mensch, der in
patria, wenn er Gott in der vi­sio beatifica sieht, müsste nach dem em­­pirischen Begriff
der notitia intuitiva Gott lieben und genießen wol­­len. Es ist aber nicht zwin­gend,
weil in Ersetzung der Konsequenz quasi (von Kon­sequenz im sach­­lich-praktisch und
technisch-logischen Sinn), die (zwischen subiectum und passio und deren notitiae
usw.) – wie oben gesagt – nicht existiert, Gott intervenieren kann: die Akte der vo­­
litio und der Wahr­neh­mung sind nicht identisch; eine secundum legem communem
‘ge­dach­­te’ Zwangsläu­figkeit ist nicht mehr gegeben. Was wir für Gott über­weltlich
annehmen, stimmt mit empiri­schen Er­kenntnissen wohl denkbar überein, setzt aber
nicht eine faktische Ge­­­brauchsqualität der Be­grif­­­­­­fe voraus. Ebenso müssen nicht visio
divinae essentiae und fruitio divinae essen­ti­ae mit­ein­­­­­ander einhergehen.51
Es ist aber natürlich vollkommen bemerkbar, dass Ockham dort, wo Duns Scotus
noch das Prin­­zip oder die Regel einsetzt, bereits den Beweis hat. Das heißt: eine aus
sich autonome Be­grün­dung, die nicht durch die Postulation oder die petitio principii
o. dgl. zu gewährleisten sein wird. Diese Be­grün­dung, wie man sieht, gleicht auch
die Abstraktion ab. Die omnipoten­tia muss hier supranaturaliter loquendo eintreten;

48. Ockham selbst stellt fest (Ord. d. 1 q. 6 OT I p. 506 lin. 11f): „Contra praedicta sunt mul­ta
dubia, de qui­­­bus patebit in quar­to libro in materia de beatitudine, ideo transeo pro nunc.“ Cf.
Rep. IV, q. 16 OT VII pp. 340–361: „Quaero utrum voluntas beata necessario fruatur Deo.“
49. Ord. d. 1 q. 6 OT I p. 506 lin. 6–10 aus conclusio V (ib. pp. 505 lin. 21 – p. 506 lin. 12).
50. Ord. d. 1 q. 6 OT I p. 505 lin. 21–23.
51. Cf. Quarta con­clu­sio ib.p. 505 lin. 11–15: „Quarta conclusio est quod videns divinam essenti­
am et carens fru­i­ti­­o­ne beatifica potest nolle illam fruitionem. Haec probatur, quia, sicut prius
dic­tum est, quaelibet voluntas potest con­­formari voluntati divinae in volito; sed Deus pot­est
vel­le ipsum pro semper carere fruitione beatifica; ergo etc.“
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 521

denn die empirischen Be­grif­fe werden hier nicht negiert, aber nicht mehr nach ihrem
Verhältnis se­cundum legem com­munem vor­aus­­ge­setzt. Es macht danach keinen Sinn
zu fragen, ob Ockham eine überweltliche Dimen­si­on bei al­len Dezisionen oktroyiert
habe oder mit Hilfe des Omnipo­tenz­prinzips bloß habe dis­­ku­tie­ren wollen. Die Stufe
der Abstraktion, auf der die omnipoten­tia divina intervenieren kann, ist jene, wo die
logische Folgerichtigkeit (und Folgemäßigkeit) nicht definit bestehen kann und eben
auch nicht die Definitheit im Sinne der Begriffe unbe­dingt gegeben ist.52 Sie müs­­sen
in­fol­gedessen argumentativ konzipiert und rekonzipiert werden. Der Inhalt wird von
Ockham im­plizit gegen jeden möglichen Sinn und damit Sinn über­haupt argumen-
tativ erst geöffnet oder: eröffnet.53 Es tritt auch die Be­son­­der­heit auf, dass Ockham mit

52. Die Divergenz von Abstraktion und empirisch gebrochener Qualität und Viel­­fältigkeit gilt
ge­nerell und kann von einem minimalen Ausgangspunkt aus induktiv gefasst und be­gründet
wer­den. Beispiel (Ord. Prol. q. 2 OT I p. 94 lin. 18 – p. 95 lin. 8): Ockham erklärt zunächst,
wie empirisch eine Verallgemeinerung möglich ist, wo­bei er zugleich da­rauf hinweist, wie hier
antecedens und consequens eigentümlich sich vertau­schen (cf. auch o. Text): „haec est con-
sequentia bona ‘haec est herba sanativa, igitur om­­nis talis herba est sanativa’, quamvis con­se­
quens hic il­la­tum esset conclusio et non princi­pi­um, quia talis consequentia te­net per illud
medium neces­sa­rium et evidenter no­­­tum: quid­quid absolutum vel proprietas con­se­quens ab-
solutum competit alicui individuo, cuilibet individuo eius­­dem rationis potest ali­quid consimile
competere. Et id­eo ex hoc ipso quod haec herba ha­bet talem qualitatem quae est princi­pium
sanandi talem in­fir­mitatem, quae­libet talis herba po­terit hoc habere.” Dann er­folgt ein empi­ri­
scher Einwand: „Et quando dicitur quod aliqua talis herba non est sa­na­tiva sed magis inductiva
infirmitatis, di­co quod stant simul quod sit inducti­va talis in­firmi­tatis et ta­men sana­tiva talis
infirmitatis.“ Auch hier wird offen­bar auf die Ebene der Ab­strak­ti­on ange­spielt und nicht die
der Empirie stricte. „Et hoc quia non est in­con­­veniens quod ali­quid sit in po­tentia ad utrumque
contrario­rum quae sunt principia con­­trari­orum.“ Sie wird bekräf­tigt durch die Weiterführung
des Ge­dan­kens (ib. p. 95 lin. 9–11): „Istud de ista ulti­ma conse­quen­­tia est ve­rum se­cun­dum
theolo­giam et veritatem, quamvis Philo­so­phus et erran­tes hoc ne­ga­­rent.“
53. Weitere Fälle einer in­ten­­tionalen Re­alitäts­hal­tung ohne strikte intentionale Er­fül­lung geben
et­­wa die proposi­tio per se nota und das acci­dens ab. Ebenso erweisen sich die for­­ma sub­stan­
tia­lis und forma materia­lis, sogar der angelus, als nicht zergliederbar und kön­nen so Anhalts­
punk­­­te ei­ner Induktion oder eines Schlus­ses a for­­ti­ori ab­ge­ben usw. (Ord. d. 8 q. 3 OT III p. 209
lin. 2–7): „Unde nec de­pendentia accidentis ad substantiam, nec imper­fec­­tio accidentis, nec
ali­quid ta­le est cau­sa qua­­­­­re accidens non potest definiri proprie, sed sola simplicitas prop­ter
quam ca­ret diffe­ren­­­­ti­a essentiali. Et propter eandem rationem, forma substantialis et angelus et
ma­te­ria sub­stan­ti­a­­­lis et cetera simplicia – quaecumque sint illa – non possunt definiri defini­ti­­
o­ne pro­prie dic­­ta.“ Der Begriff der for­­ma, der einen Be­zug zum accidens darstellt oder an­gibt,
ist wie die­ses in sich ‘gegenstandslos’. Es ist also er­kenn­bar, dass die forma, wenn sie ab­­­strakt auf
die Re­alität (Empirie extra nos) bezo­gen wird, im Sinne der Ab­strak­tion nicht den Realgehalt
ex se geben könne. Nicht anders als etwa die notitia intuitiva kann der Be­griff der ‘forma’ mit­
hin re­fe­ren­tiell und funktional ge­braucht werden. Das bedeutet u. a., dass eine cau­sa­tio ex statu
ob­iec­­ti nicht existieren oder we­nigstens nicht bestimmt werden kann.
522 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

der In­­duk­ti­on54 nicht die Kon­­­tinuität und die Konsistenz al­­ler Operationen und An-
sichten sichern kann. Das ist im Sinn der Defi­nit­­­­heit weder erforder­lich noch mög-
lich. Wir sehen wie Ockham ei­­­nen Komplex von be­weis­­­­baren + empi­ri­schen Aus-
sagen in einer scientia sich den­ken kann,55 müs­sen aber aus­­­schlie­­ßen, dass wir den
Abstand oder die Dichte im Verhält­nis der Sät­­ze an­ge­ben könn­ten; wä­­­re das möglich,
so müss­ten die Begriffe geordnet sein und/oder per me­di­um extrinsecum bzw. einer
consequentia formalis bewiesen wer­den kön­nen, und wo­mög­­lich im kau­sa­len Sin­n.
Eine ontologische Prämisse darf dabei aber nicht eintreten, weil sonst auch eine
Stiftung der Er­­­kenntnis aus der Erfahrung anstünde.56 Sodann denkt Ockham die
ontologischen Begrif­fe als in keiner Weise empirisch einzulösende. Er sieht forma
und quidditas in der Nähe zu ma­­­te­ria und acci­dens oder quantitas:57 „concedo quod
magis deberet dici quod accidentia s u n t quaedam quid­ditates quam quod accidentia

54. Induktion soll eine Philo­sophie und zugleich die Welt erschließen, wenn W. Wie­­land, 1962
mit­tels Er­ör­terun­gen über die „recht ver­stan­dene Induktion“ und die Grund­struk­tu­ren der
natürli­chen Welt Aristo­teles und des­sen Prin­zipienforschung, sein ei­gen­tümliches Ver­­­fahren
dabei, in­ter­pre­tie­ren will. Aris­to­te­les wird fun­da­men­­tal eine Sprachanalyse zu­­geschrieben.
Wahrheit soll gesucht und gefunden werden kön­nen. T. Kuhn, dt. 1967 p. 224 (mit Ver­­­weis auf
Karl Pop­per p. 194) be­zwei­felt, dass hier ein vernünftiges Ziel liegen könne. Nach Wieland sol­
len a-­the­oretische Funktio­nen anthropologische Prävalenzen haben.
55. Ockham stellt hier fest (Ord. Prol. q. 2 OT I p. 96 lin. 13–17): /§ Praedicta opinio de unitate
scientiae ad­qui­si­tae per experien­ti­am et demonstrationem maxi­me probabilitatem habet si sci-
entia conclusionis distin­guatur rea­liter et totaliter a notitia prin­ci­piorum. Si autem non distin-
gueretur realiter et totaliter a notitia principio­rum, non haberet pro­ba­bi­li­tatem. §/ Insofern gilt
die These nur ein­ge­schränkt und muss als lediglich persuadiert gelten.
56. Eine empirische Wahrnehmung führt nicht zwangsläufig zu einer Abstraktion im Allge­
mein­­heits­­sinn, cf. Ord. Prol. q. 2 OT I pp. 92 lin. 7 – p. 93 lin. 23 und für den intensionalen oder
men­ta­­len Bereich besonders (ebd. p. 93 lin. 3 ff): „ad sciendum evidenter quod omnis actus
est ge­nera­ti­vus habitus, requiritur experimentum quod actus principii est generativus habitus,
quod actus conclusionis est generativus habitus, et sic de aliis speciebus. Et hoc est verum quan­­
do tale prin­­cipium accipitur per ex­perientiam praecise, quia si acciperetur per rationem, non
opor­te­­ret. Et tunc talis deductio non tenebit per istam propositionem quod ‘causae eius­dem
generis sunt effectivae ef­fec­tuum eiusdem generis vel eiusdem rationis’, vel per aliquod medium
con­si­mile, puta per tale medium ‘quid­quid com­­­petit alicui alicuius generis, com­pete­re potest
alte­ri eiusdem generis’, vel consimile; sed tene­bit per il­lud medium ‘quando aliquid competit
cui­libet contento sub aliquo genere, compe­tit uni­versaliter illi generi’. Et ita tale prin­­­­ci­pium de
ge­­nere vel de aliquo communi ad plura al­te­rius et al­terius rationis aecipietur per experienti­am
et aliquo modo per inductionem, scilicet in­­ferendo unam universalem de genere ex omnibus
universalibus, de omnibus speciebus con­tentis sub genere. Sicut si arguerem sic: omnis homo
est augmentabilis, omnis asinus est aug­mentabilis, omnis leo, et sic de singulis, igi­­­tur omne
ani­mal est augmentabile. /§ Et propter hoc dicit Philo­so­phuS quod aliquando prin­ci­pia prima
accipiuntur per inductionem. §/ Der Ver­weis gilt Aristot. Ethica Nicom., I, c. 7 (1098b 3–4).
57. Cf. Ord. d. 8 q. 3 OT III p. 219 lin. 21 – p. 220 lin. 2.
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 523

h a b e n t quidditates.“ Und auch:58 „nec est in­­con­veniens quod materia sit immedia-
tum subiectum extensionis, sicut nec quod forma sit sub­iectum quantitatis est incon­
ve­ni­ens.“ Die quantitas soll nicht verschie­den von der forma qua­li­tatis sein, also kein
eigenes distinktes Sein haben können: qualitas und quan­­­­titas werden von Ockham
kategoriell oder onto­logisch identifiziert. Ockham widerlegt die ent­­­gegen­ge­setzte
Ansicht durch reductio ad absurdum, unter Einbe­ziehung des Omnipo­tenz­­prin­zips:
Nicht einmal Gott könnte die bestimmte Quantität bilden, wo­­bei die Quantität ja im­
mer nur als solche bestimmte und da­her geminderte und begrenzte auftreten kann,
ohne je­de andere Be­sonderung der Quan­tität mitzubilden, was auch bedeuten müs-
ste, dass Quantität selbst an die Stelle des Wider­spruchs­­mo­­ments getreten wäre und
zum anderen bedeutet, dass das Om­ni­potenzprinzip hier den ana­lytischen Faktor der
Widerlegung mit bedeutet oder trägt; es gä­be kein Moment der Widerle­gung neben
oder vor dem Moment des Omnipo­tenz­prin­zips. Anders gesagt quan­ti­tas kann nicht
als solche und für sich abstrahiert wer­den. Das Om­nipotenzprinzip re­kurriert inten-
tionell auf empirische Ver­hält­nisse. Es lässt sich auch so sagen, dass das Quan­titative
nicht aus dem Qualitati­ven ‘gefol­gert’ werden kön­ne, weil es mit diesem kom­pa­ti­bel
sei. Wir haben damit kei­ne inhaltliche Qualität im Quantita­ti­ven. Eben das ist aus-
gespart und folglich muss es auch so mit dem Qualitativen zu­sam­­­men­fal­len. Auch
so ist der Ausschluss ana­­lytisch und per Widerlegung aus­zudrücken. Da­mit wird
übrigens wieder die Kontingenz bekräftigt. Sie ord­net die Welt bis in die Abstrak­ti­
on hinein.59 Da­her kann das Analytische auf der Stufe der Abstraktion nur mit­­­tels
des Omni­po­tenz­prinzips ausgedrückt werden, und ohne dass damit ein eigentlicher
tau­­to­logischer Cha­rak­ter aufträte. Der bloß reflexive Charakter hat zudem ja die Be­
ziehung zur pri­märer Aus­drüc­ke und Begriffe (quid­di­ta­tes) ver­loren. Beim Ge­­­­­brauch
des Omnipo­tenz­prin­­zips müssen wir nicht auf die praktische empirische Ebene der
Inzidenzien zu­rück­greifen und zurückge­hen.60

58. Rep. II, q.22 OT V p. 408 lin. 3–5.


59. Wollten wir die Geltung eines Beweises oder einer Maxime für eine beliebige Anzahl ‘wei-
terer’ casus anneh­men, so müssten sie alle formell darin eingeschlossen sein und (induktiv)
einen ‘einzigen’ bilden. Soll das nicht der Fall sein, müssen die Maximen für oder gegeneinan-
der reprobativ eintreten und eben so die Implikation der casus und Maximen untereinander
aufheben und anfechten helfen. Das bedeutet auch, dass wir immer eine In­duk­tion einflechten
können.
60. Wenn die potentia divina absoluta von Ockham argumentativ eingesetzt wird, wird der
Rückgriff auf eine in sich auslegbare Realität suspendiert. Cf. Ord. Prol q. 1 OT I p. 67 lin. 18–20:
„Tamen si es­set possibile quod es­set amor in volun­ta­te sine omni cognitione praevia, notitia
intuitiva il­lius amoris nullam aliam praesupponeret. Sed hoc non est possibile pro statu isto.“
Man hat also ei­­ne notitia amoris und eine notitia intuitiva obiecti perdu­cens ad amorem zu
trennen. Letz­tere ist natürliche causa von ersterer, aber die notitia intuitiva wird nicht dem
Be­­griff nach von dem wahrgenommenen Objekt bestimmt, ebenso wie nicht sein darauf ge-
richteter Affekt oder ‘Begriff ’. Damit greift die potentia divina absoluta auf die Negation einer
Bedin­gung zurück, die für die Deduk­ti­on, Argumenta­ti­on, Beweislehre von Ockham weder
524 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Von der res extra animam gilt:61 „a parte obiecti est primum obiectum sensus
ex­terioris et in­tellectus primitate generationis, et hoc pro statu isto; et ita obiectum
in­tellectus in il­la intel­lec­tione prima non est magis abstractum quam obiectum sen-
sus. Potest tamen pos­tea intel­lec­tus ab­strahere multa: et conceptus communes, et in-
telligendo unum coniunctorum in re non in­tel­ligendo reliquum. Et hoc non potest
competere sensui. Si autem illa abstractio in­tel­ligatur uni­ver­­saliter, intelligenda est
a parte intellectionis, quia illa est simpliciter immate­ri­a­lis; non au­tem sic cognitio
sensitiva.“ Aber abstractio oder universale und sensus verblei­ben innerhalb der einen
Natur:62 „dico: quod natura occulte operatur in uni­ver­sa­libus: non quod producat
ip­­sa universalia extra animam tamquam aliqua realia, sed quia pro­ducendo cognitio­
nem suam in ani­ma: quasi occulte saltem immediate vel mediate producit illo modo
quo nata sunt produ­ci. et ideo omnis communitas isto modo est naturalis, et a singu­la­­
ritate proce­dit. nec oportet il­lud quod isto modo fit a natura, esse extra animam: sed
potest es­se in anima.“ Der Verstand steht also zwischen Natur und Immaterialität;
seine Opera­ti­­onen realisieren einen Spielraum zwischen Definitionen. Schon diese
müssen den Hiat zwi­schen Natur und Realität extra ani­­­­mam und anima überbrücken
oder überspielen. Das leistet der Induktion als Methode der Ar­gumentation Vors-
chub:63 „la notitia abstractiva n’est pas naturellement apte à décider de l’existence ou
de la non-existence; cela est vraie de la chose ou du concept simple qui lui est pro-
pre.“ Diese Doppelheit auch bei der no­titia intuitiva. In der Form der no­titia intuitiva
(= in­nerhalb der no­titia in­tu­i­ti­va) ste­hen das obiectum primum der Erkennt­nis und
der conceptus ne­­­beneinander: „(Ockham) pose que la connaissance première d’une
chose, en elle-même ou dans le concept sim­ple qui lui est propre, c’est la connaissance
intuitive de cette chose; en voi­ci la raison: Nous ne con­sta­tons pas par l’expérience
que nous connaissions en elle-même ni dans le concept simple qui lui est propre une
chose dont nous n’ayons pas eu la connais­san­ce intui­ti­ve.“ Wenn aber die Indukti­
on den Hiat zwischen der Immaterialität des Mentalen und sei­ner genetischen Na­tu­
ralität überbrückt und überspielt, muss sie alle ‘ihre’ Ter­mini ab­strakt gegenüber der
Natur fi­xie­ren. Zugleich aber muss man ihrethalben alles Natura­le für kon­tin­gent,
wandelbar, und aus­­­­tauschbar halten können; es ist gleichsam im Sinn der Sinnbe­stim­
mungen, das heißt der Be­­griffe, austauschbar und abwandelbar. So gibt es außer­halb
der In­duk­tion keine notwen­di­gen Erkenntnisse und mit dieser nur halb oder schein-
bar. Im Sinn der Sinnbestimmungen wer­­den auch die mentalen Erkenntnisträger und
Elemente nicht zwin­gend für sie sel­ber gehalten werden können. Ockham, der seine

ge­braucht noch im­plizit auch nur offengelassen wird. Sie wird de facto ne­­giert und bestimmt
in die­sem Sinn Ar­gumentation und Abstraktion. Dabei muss eine me­cha­ni­stisch zu den­ken­­de
Kausation nicht an­ge­nommen werden.
61. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 65 lin. 1–9.
62. Ord. d. 2, q. 7 OT II p. 261 lin. 13–20.
63. P. Duhem, Le système du monde, 1913ff t. VI p. 638; cf. Verweise: Ord. d. 2 q 6 Q und qu. 9
Q und R.
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 525

Gegenstände, in diesem Sin­­ne men­ta­­lia, zerlegt hat, kann zuletzt eine integrale Mei-
nung nicht mehr hegen.64
Die Ansicht, dass Ockham ohne ein Vor­verständnis vom ‘Gehalt’ der Theologie
(am Ende oh­ne Vorver­ständ­nis von Ge­­­­­­halt überhaupt, etwa ontologisch), gear­bei­tet
habe, bezeichnet sei­­­­ne An­stren­gung noch ein­mal als syn­thetisch an­­gelegte. Ein Beleg
dafür ist hier auch, dass Ockham theolo­gi­sche Ver­leumder (calum­niantes) ‘fürchte-
te’. Nicht die zu überzeugen­den Phi­­losophen. Wenn Ockham die Theologie ‘wissen-
schaftlich’ fasst, ist es nicht mehr die The­o­logie,65 die er damit zum Ausdruck bringt,
folglich oder anders: sie ist überhaupt nicht wis­sen­schaftlich auszudrücken.66 Da sie
entweder von Teilen in Ockhams Denken depen­dent sein (mit ih­nen übereinstim-
men) oder ihnen widersprechen müsste, kann sie als sie selbst nicht wissen­schaft­lich
sein. Was Ockham äußert und korrigierend vor­bringt, geht folglich For­­­mu­lierungen
oder ‘Sachverhalte’ an, die in keiner gemeinsamen (be­griff­­lichen) Di­men­sion mehr
aus­­ge­drückt werden können: auch von Ockham nicht.67 Ockham induziert über einer

64. Das gilt um so mehr als Ockham über den Ab­straktionen weiter induziert oder induzieren
muss und so zu Negationen kommt, in denen Begriffe, Strukturen, Satztypen, Definitionen in
Richtung auf die Anwendung revi­diert und undeutlich werden können; i.e. nachträglich Indi-
stinktheiten ergeben, die gewissermaßen genetische Kausalaspekte, die consequentia naturalis
etc. zulassen, den quasi gegen-abstrakten (naturalen) Realbezug.
65. Cf. Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 484 lin. 5f. Ockhams moderne Ankläger wie F. Hoffmann u.
E. Iser­loh gehen von Vor­­ver­­ständ­­nis­­sen nach an­ge­­stamm­­ter Kir­chenlehre aus, die er dann ver-
fehlte. An der Idee einer christ­lich-dog­ma­­ti­schen In­spi­ration/Moti­va­ti­on für alle Scho­lastik
hält auch Paul Vignaux, 1938 u. 1948 fest. Er geht nur da­­von aus, dass sie immer hin­­­reichend
‘philosophisch’ umgesetzt, kreditiert und ‘post fes­tum’ im „ope­ra­re“ des Scho­­­las­­­ti­kers legi-
timiert sei. Vignaux will dann den Effekt (die Gel­tung) der met­ho­di­schen Ab­strak­tion beim
einzel­nen Scholastiker wie­der am Dog­ma ab­neh­men.
66. Immer auch gibt es Annahmen oder Äußerungen Ockhams, an denen grundsätzlich er­
kennbar wird, dass fi­des und scientia nicht ineinander überführbar sein können, zwischen ih­
nen also ein Schnitt liegen muss (Ord. Prol. q. 7 OT I p. 199 lin. 19–23): „Ad aliud dico quod
non derogat dig­ni­tati theologi­ae nostrae quod conclusio­nes non sciuntur evi­den­ter, sicut nec
derogat dignitati notitiae prin­ci­­pi­orum theologiae quod ipsa non sciuntur evi­denter. Et ideo si-
cut sine derogati­o­ne principia non sciuntur evidenter, ita nec conclusio­nes.“ Das lässt sich aber
auch so verste­hen, dass die Ge­staltung der Begriffe und Sätze der menschlichen Begriffe nicht
bis zur Er­kenntnis aller theo­logi­schen Aussagen führen kann. Es lässt sich so verstehen, dass
eine Syn­thesis von ‘Be­grif­fen’ hier nicht möglich oder nachweisbar ist. Wir haben bei diesem
Glau­ben dann kein wissenschaftliches Äqui­va­lent oder Komple­ment; wir wissen nicht, wie die
ent­spre­chende Glaubensaussage, wenn sie denn Begriffe ent­halten sollte, nach die­­­sen Begriffe
empi­risch begründet wäre. Wir könnten da allein sagen, dass keine Erkenntnis gemäß einer
em­pi­ri­schen und definiten Begriffsgewinnung angenommen werden könne.
67. Damit gewinnt Ockham noch einmal als Subjekt eine anthropologische Bedeutung. Sie
trä­­­te an die Stelle der Me­taphysik und wäre in diesem Sinne vergleichbar neuzeitlich und mit
idealistischen Positionen ähnlich. Da­von zu trennen ist die praktische Frömmigkeitshaltung,
526 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

‘Un­mög­­lich­keit’. Alle Aussa­gen, die er als ge­nu­­in „the­­o­logi­sche“ macht, betreffen eine
relatio, für die nach festem be­griff­lichem Inhalt nicht ope­­riert werden kann. ‘Verhält-
nisse’, für die die In­hal­te erst festge­setzt werden müssen, so dass sie die Verhältnisse
be­deuten, treten an die Stel­­le der Be­grif­fe. Damit hört die The­­­o­­­lo­gie auf em­pi­ri­sche
Bedeutung zu haben.68 Aber die Theologie ist auch nach ihrem dog­­­­­­ma­ti­­schen Gehalt
primär aufgelöst oder in Frage ge­stellt wor­den. Der Be­­zug auf die Em­pi­­rie ist für sie
ostenta­tiv desavouiert worden.69
Wo Ockham den Willen als Wirkursache oder zu bewertenden Faktor unterstellt,
mithin auch als Faktum, und zwar in Erkenntnislehre und Glaubenslehre, dort wird
der ha­bitus nur als in diesem Verhältnis akzidentell betrachtet und entsprechend
beiseite gelassen.70 Folg­lich treten hier Induktionen auf. Auch die Gnade als sta­tus
formalis ist akzidentell zu al­lem was Gott tut und muss ihn daher nicht zur accepta­
tio der menschlichen Person und ihrer Akte füh­ren oder nö­tigen.71 In absolut an-
tidogmatischer Haltung hat etwa Ockham die gra­tia als Be­dingung der acceptatio
einmal und daneben auch des actus meritorius angese­hen; in bei­den Fällen wären
so­­wohl die gratia wie der habitus caritatis eine zusätzliche Größe, die von Ockham

wie sie spätmittelalterlich greifbar ist. Von ihr gibt es wenig­stens Spuren bei Ockham: sei­ne
Haltung im Armutsstreit, zur christlichen Freiheit von mosaischer Ge­set­zes­strenge. Darin wer-
den antipapistische Optionen geltend gemacht.
68. Aber die dabei von Ockham zu gebenden Worterklärungen enthalten einen empirischen
und logischen Kern, z. B. Rep.II, q. 6 OT V p. 98 p. 1–8: „accip­ien­do adnihilationem ut commu-
niter homines accipiunt, oppo­ni­­tur cre­a­tioni, sic creatura non pot­­est ad­­nihilare, quia sicut so-
lum illud dicitur creare quod pro­ducit aliquid de ni­­hi­lo, non coexigendo neecessario materiam,
ita aliquid dicitur adnihilare quod reducit aliquid in nihil, nul­lam ma­te­­ri­am prae­sup­ponendo.
Et quia creatura in omni ac­ti­one sua necessario praesup­po­nit materiam, ideo non pot­est ad­
ni­hilare aut creare.“ Der Be­griff der Vernichtung in die­sem Sinn geht bis an die Grenze einer
Inexistenz, die ma­te­riell und nach weltlichen Begriffe (de communi lege) nicht ausgedrückt
und nicht aufgefasst wer­den kann. Wir müss­en al­so von einer indefiniten Begriffsauffassung
oder Wortverwendung sprechen. Wir treten mit Ockham so in einen Bereich der Regulation
des Sprach­­lich-Be­griffli­chen ein; es bleibt logisch kraft der Kap­pung unge­mä­ßer Folgerungen
(consequentiae). Vernichtung ist ‘a priori’ Vernichtung (Austausch) der forma.
69. Danach wird Luthers pastorales Interesse verständlich. cf. L. Feuerbach, Grundsätze der
Philosophie der Zu­kunft, 1843/6 § 2. Dass es mittelalterlich vor­be­reitet ist: s. P. Vig­naux, 1938 u.
1948 (zu Autrecourt).
70. Duns Scotus muss, wenn er die Mitwirkung des Menschen im Heilsprozess lehrt, acciden­
tia für seine Argu­men­te berücksichtigen, die wie unter der Hand in die essentia einge­schleust,
die determinatio seiner Meinungen und Begründungen erst zu bewirken hätten. Das ist logisch
nicht möglich: das acci­dens würde zweimal be- und gewertet werden. Dagegen ließ ‘ratio’ bei
Ockham das Moment des ac­ci­dens (Bezug) nur zu wie es pro­p­ri­um zu bedeuten hatte. Sonst
war es technisch auszuschließen oder ‘beiseitezurücken’ (einzuklammern).
71. G. Leff, Bradwardine and the Pelagians, A Study of his ‘De Causa Dei’ and its Oppo­nents,
1957, p. 197.
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 527

aus der Fol­­ge der (not­wendigen) Bedingungen gestrichen wird. Er ne­giert al­so, dass
die Lie­­be zu Gott eine notwendige Bedingung für die Ausführung ei­nes ac­tus me­ri­
torius sei, sie wird als eine über­flüssige Größe ausgeschlossen, da induktiv mit der
Ne­­­gation der Not­wen­­digkeit dieser Grö­ße ad actum demeritorium, der ja, wie klar
erkenn­bar, nur im Wi­­der­spruch zur cari­tas ste­hen kann, folgen muss, dass wenn der
actus demerito­ri­us nicht ge­wollt wird, der actus merito­ri­us möglich zu sein hat, da er
sonst neben jenem gar nicht beste­hen könn­te, i.e. nicht zu exi­stieren vermöchte. Gott
kann daher, de potentia sua ab­so­­luta, das me­ri­tum unmit­tel­­bar hervor­brin­gen, weil
dies keinen Widerspruch – mehr – ent­hält. Kei­nen Wi­der­spruch ent­hal­­ten, be­deu­tet
also auch, keinen Widerspruch ‘mehr’ enthal­ten, et vice ver­sa. Die Omni­po­tenz tritt
in Funktion, weil es kei­nen Wi­der­spruch – mehr – gibt, der dabei mit förmlicher
empiri­scher Ten­­denz oder Geltung festgestellt wird. Kein Wi­der­spruch besteht da­­rin,
dass „adae­quat enim quantum ad rationem me­ri­ti no­bis in prae­senti vita possibi­lis,
opus fac­­­tum si­ne cari­ta­te operi facto cum c­ari­ta­­te“.72 Denn der Be­griff ‘meri­tum’ ent­
hält als factum oder qua­litas nicht die qua­­litas cari­tas; er schließt sie auch nicht aus.
Ockhams Deduktion hat man daher nicht richtig im Blick wenn man sagen wollte:
„Et per to­tam deduc­tionem ap­pa­ret quod ipse (sc. Ockham) et in­tendit quod nullus
est ha­bitus carita­tis aut, si est, frustra est, quia nihil pe­ni­tus facit ad me­ri­tum, quod
est expresse con­tra dictum Apo­s­toli prima ad Co­rin­thi­os 13“ Die caritas müss­te also
einem habitus ange­hö­ren, der den actus me­ritorius aus sich her­vor­bräch­te; dies lässt
sich in­duk­tiv nicht beweisen. Der habi­tus hat ab­strakt mit einer hö­heren Stu­fe zu tun
als der actus meritorius, der ‘per se’ em­pirisch ist. Ähn­lich gilt ja für Gott: „As the
cause of eve­ry­thing in ge­­neral, it is too vast to be applied to par­ti­cu­lars.“73
Leff sagt richtig und eindeutig:74 „Ockham’s method never passes beyond what
logically is te­­nable; thus what Bradwardine asserts as irrefutable, as for example God’s
exis­ten­ce, Ock­ham rejects as unproved.“ Dass für Ockham nur der Glaube über Gott
auszusagen ver­mö­ge, ist übertrieben und steht etwas im Widerspruch zu der Feststel-
lung: „Ock­­ham … tends to con­fine God to the mar­gins of the argument.“ Gottes Ein­
fluss aber soll „inde­ter­minate“ sein, was dann wohl real zu gelten hätte – jedoch nach
welcher Argumentation? Wäre es das Ergeb­nis von Ar­­­gu­men­­tation(en), von der/denen
sich sagen ließe:75 „that the ve­ry omnipresence of God’s will renders it be­yond precise
deline­ati­on.“? Dabei soll Gott nach seinem absoluten frei­­­en Wil­len so weit ein­greifen
können, dass der Mensch danach alle (seine) „restrictions“ überstei­gen kön­­­ne. Das ist
richtig und falsch, weil man zwar wieder im Reich und Bereich des Ar­gu­ments wä­re,
doch noch nicht logisch, wie Leff zuvor be­tont hat, oder nachhaltig und ef­fek­­tiv, i.e.
nicht auf ir­gend­­welche „instances“ führend. Leffs Rekurs auf Ockhams „scepti­cism“
als Ba­sis von dessen ‘Überzeugungen’ (Äu­ßerungen) erscheint daher unbestimmt:

72. So die Avigneser Zensoren. S. G. Leff, 1957 p. 190, Anm. 1.


73. Leff, 1957 p. 188.
74. 73 ebd. p. 188.
75. ebd.
528 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Sein Skep­ti­zismus bezieht sich auf die Möglichkeiten des Beweisens und wird von ih­
nen begrenzt; er kann also auch nicht unabhängig von einer „Delineation“ des Be­wei­
sens über­haupt unter­stellt werden.76 Wir sehen ja bei ihm auch gerade sehr fakultative
Beweisvorschläge, die er z. T. halb oder ganz sogar revoziert. Der Beweis tritt über-
haupt sogar unvordenklich auf.77 Gott und das Omnipotenzprinzip können nicht auf
dem Widerspruchssatz fußen. Doch der Wi­­der­spruchs­­satz reguliert so das Omnipo-
tenzprinzip. Ockham sagt express:78 „Om­ni­po­tens idem est quod potens facere omnia
factibilia.“ Ockham gibt damit zu­­­nächst ei­ne es­sen­ti­­alistische in­­haltlich Bestimmung
oder inauguriert sie wenigstens: idem est. Die fac­­tibi­lia aber müssen formell in der
Welt vorfindlich sein. Das Konsistenzprinzip müsste hier noch ein­­mal das Mo­ment
der Wahrheit, der Wirklichkeit und der Kontingenz an­ge­ben kön­nen. Das enthielte
einen Widerspruch: Gottes Allmacht würde sich auf Rea­li­­tät, Kon­tin­genz, Mach­­bar­
keit, Gegeben­heit o. ä. nicht beziehen können. Das hätte zu bedeu­ten: nir­­gend­wo auf
irgend­wie konstituier­te Dinge, also die Realität usw. Das Widerspruchs­prinzip wä­re
an deren Stelle getreten. Es wä­­ren also auch diejenigen Dinge (bzw. Kompositio­nen
von Gegenständen, Re­la­­ti­o­nen usw.) ausgeschlossen, die Gott anstelle der gegebenen
nach der – fal­schen – Ausle­gung einer unum­schränkten Allmacht, die ubiquitär und
immediat in die Welt soll eintreten können, zu bewir­ken hätte. Es lässt sich somit wie
durch Induktion aus­schlie­ßen, dass die­se Aus­­le­gung richtig sei. Wenn also Ockham
außerdem tatsächlich sagt, Gott könne al­les, was dem Widerspruchs­prin­zip nicht wi-
derspreche, muss dieses erst noch in­ter­pretiert wer­den, was wie gezeigt wur­de, durch
die distinctio realis geschieht. Die Kon­sis­tenz, die hierbei in allem von Ockham (und

76. Diese wird mit den Gleichförmigkeiten in den Antworten Ockhams zusam­men­­­fallen. Da­
zu gehört die Ein­wir­kung Gottes. Die Wirkung Gottes bedeutet oder gewährleistet dabei nicht
„determinate“ Ver­bindungen von Be­griffen oder Inhalten, sondern unterbindet sie viel­mehr.
Das Omnipotenzprinzip bedeutet nicht einen Hinü­ber­tritt aus einem Inhalt in einen an­de­ren,
deren Verschmelzung oder Aufhebung gegeneinander, son­dern meistens bloß deren Tren­nung;
mit einer Verschmelzung würde man den Bereich und die Basis der uns bekannten Welt- oder
Schöpfungsordnung verlassen haben und nicht mehr von einer hypothetisch einzu­setzenden
potentia divina abso­lu­ta naturaliter loquendo sprechen kön­­nen, deren empirische Ba­sis die di-
stinctio realis bezeichnet, sondern nur noch von einer po­tentia divina absoluta su­pra­naturaliter
loquendo, die durchaus mit einer distinctio formalis ver­einigt sein kann, wobei der Ausdruck
als Modus einer modalen Aussage modo composito zu verstehen ist, al­so kei­nes­wegs empirisch.
Damit ist der Bezugspunkt immer die Kontin­genz, welche indirekt erhal­ten bleibt, auch wenn
man, innerhalb der Abstraktion, zu den nicht mehr unmittelbar an ihr mess­baren Inhalten,
Gehalten oder Behauptungen übergeht; sie wer­den, auch indem persua­si­o­nes (noch) möglich
sind, per Abstraktion und mit­­­tels der Induktion ge­stützt werden können. (Dabei können ver-
schiedene persuasiones gegenteilige Aussagen be­tref­­fen oder sogar drei un­ter­schiedliche Aus-
sagen.) Die Induktion kann we­sent­lich über ne­ga­ti­ven empirischen Ge­hal­ten oder Feststellun-
gen stattfinden.
77. Beweis(teil)e können als Teile anderer Beweise immer nur reprobativ sein/mitwirken.
78. Ord. d. 20 q. unica, OT IV p. 36 lin. 17f.
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 529

der hiesigen Interpretation) zu fordern wäre, hätte zu be­sagen, dass Ab­strak­­ti­­­on nicht
im Widerspruchssatz basiert sei, was ja eben ei­nem Vor­­­griff mit­tels Wider­spruchs­­­sat­z
zu ent­spre­chen hätte. Die Abstraktion selbst stellt den oder ei­­nen Vor­griff dar und
zwar ei­­nen unbe­ding­ten, und das muss dann auch für die Prin­zipien, For­­meln etc.
an­erkannt wer­den, die mit ihr im strengeren Sinne vereint auftreten: das Om­­­ni­po­tenz­
prinzip, das Öko­­­nomieprinzip, Formeln wie ‘non est magis ratio quod (non)’, ‘non est
inconveniens quod (non)’ etc. Sie fungieren wie die distinctio formalis und die identi­
tas for­ma­­lis, die modal und dabei modo com­posito gebraucht werden, auf der Stufe
der Ab­strak­tion und sind mit ihr ver­schmol­zen, wie ebenso jeder modo composito
gebrauchte Modus überhaupt. Dieser Modus kann nicht mehr zur Kontingenz nie-
dergebracht werden. Identität be­zeichnet einen nach der ra­­­­­­tio, wie sie ein sub­iec­tum
trifft, also einen in einem subiectum an­ge­geben ‘Gegenstand’ ganz in der Weise wie
dieser accidentia, also empirische Details, die der qualitas unter­ste­hen, haben kann.
‘Ratio’ besagt, dass ein Terminus in Bezug auf einen an­dern in sachlicher Hinsicht, wo­
bei der zweite Begriff diese sachliche Hinsicht „definiert“, ‘ab­geschätzt’ werden kann
und dann auf kei­ne unbedingte Implikation verweist. Die Ab­schät­zung enthält den
em­pi­ri­schen As­­pekt. Der ‘Ratio-Begriff ’ ersetzt die Implikation und fasst die acciden-
tia ein. In­so­fern, in­dem er den Haupt­­begriff (subiectum) auf sie bezieht, nä­hert er sich
der Abstraktion, in der er erlischt. Da­bei werden die accidentia (auch!) Merkmale
dessen, was beim indirek­ten Be­weis (reproba­tio) das Widerspruchsmoment vertritt
oder be­deu­tet.79 Das kann z. B. „species“ sein.
Die intensionale Bewertung von Schlüssen, die wir mit Ockham betreiben, be-
deutet, dass die­­se, wie sie in Inhalten anhängig sind, akzeptiert (zugelassen) oder
abgelehnt (refutiert) wer­­­­­­den. In dem Sinne können sie (mitsamt ihren Inhalten) als
definit betrachtet werden. Sie be­zie­­hen sich a limine auf jeden Zusammenhang, in Be-
zug auf den man hypo­the­­tisch sie veranschlagen will: sie gelten abstrakt.80 Da­bei ist bei
oder für Ockham wich­­­tig, dass consequentiae nicht ermittelnd, eben auch nicht ablei­
tend, verwandt wer­den, son­­dern quasi sanktionierend: indem ein Ausdruck nicht ge­­
bil­ligt wird (oder nur mit ei­nem ein­geschränkten Gehalt zugelassen), erscheint eine
conse­quentia, bzw. wird eine solche ge­wis­­se abgesprochen, werden auch andere aus-
geschlossen, wo­­mit eine Differenzierung ein­tritt. Das betrifft auch die ontologischen
Gehalte, sc. onto­logische Haupt- und Nebenbegriffe. Das Mit­­tel der Austarie­rung von

79. Wie die Naturphilosophie beweist, können Widerspruch alias accidens, i.e. der Wider­
spruch am accidens oder als dessen Merkmal oder Erscheinungsweise, nicht wahrgenommen
werden. Indem ratio mit der Abstrak­ti­on ei­nes wird, gibt es kein Spannungs- oder Bezie­hungs­­­
mo­ment zwischen Sub­­­­jekt und Objekt mehr: es ent­fällt je­­de Auf­fassung, die impli­zit noch (als
der res aufgeprägt ununterscheidbar) ontologisch zu interpretieren wä­­re. Es fehlt ana­log auch
die strikt logische Auffassung oder Struktur.
80. Sie befinden sich außerhalb der aristotelischen Logik, indes nicht außerhalb aristo­telischer
Philoso­phie. Wie­weit die aristotelische Schlusslehre für begründet zu halten ist, ist offen. Cf.
P. Mittelstedt, 31968 p. 163. Im Übrigen s. Lukasiewicz, 11951. G. Patzig, 1959 erörtert die Syllogi-
stik über eine unausgewiesene Folgerung.
530 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Aussagen und Mit­teln, die reflexiv be­­trachtet werden, durch con­­se­­quen­tiae, im Prin­­­­zip
also deren Akzentuie­rung durch Negation und Bestreitung, ist grund­le­gend und am
Ende strukturell un­verzichtbar. Ockham zitiert eine opinio:81 „Dicit ta­­­men is­ta opinio
quod ali­quid potest concludi de Deo a priori tamen non erit sci­en­tia proprie dicta
quia non est per cau­­sam realem.“ Was hier mit einer consequentia identi­fi­ziert wer-
den kann, dazu noch negativ ausgedrückt, wird von Ockham bestritten und zwar im
Sinne eines Wider­spruchs zwischen primum und secundum der Gesamtaus­sage.82
Ockham hat die Re­li­gi­­on durch Beweisbewusstsein ersetzt, wel­ches aus ei­nem
notgedrun­gen offenen Ver­hältnis von Reli­gi­­on und Welt geschöpft ist.83 Gott wird dar-
in zu einem ter­minus exclusivus der Welt. Was in dieser empirisch dem Be­weisge­halt
entspricht, kann in der Form einer in­tensionalen Beweisbestimmung ausgedrückt
werden; sie entspricht im weit­ge­hend schon Be­weisen. Nur wenn Relationen mit res
überein­ge­setzt wer­den sollen, führen wir Re­pro­bations­beweise, die keiner intensio-
nalen Bestimmung von Be­wei­sen mehr folgen oder ent­spre­chen.84 Wo eine/die inten-
sionale Bestimmung eines Be­wei­ses, i.e. die Bestim­mung ei­nes Satzes hin­sichtlich sei-
ner Beweisfähigkeit, die der Defi­nit­heit entspricht und sie ein­schließt, also hier ei­nen
weiteren analytischen Beweis ausschließt und er­übrigt, dort gibt es keine Schlie­­ßung
zwi­schen subiectum und passio (praedicatum), die ja den Satz faktisch er­set­zen könn-
te und in­ten­sional erübrigte. In dem Sinne gibt es auch kei­ne re­pro­batio; sie wäre dem
inexistenten medi­um zwischen subiectum und passio gleichwertig oder ‘gleich’.85
Die forma nähert sich dem accidens an, nimmt es aber nicht in sich auf:86 „mo­
tus li­­­cet signi­fi­cet principaliter formam acquisitam partibiliter, tamen connotat su-
biectum. Quia si deus cre­a­ret successive aliquam formam sine subiecto, non esset
motus, quia nihil tunc move­re­­tur.“ Gott könnte, hypothetisch betrachtet, eine forma

81. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 97 lin. 20–23. Die unidentifizierte opinio enthält fast Autrecourts
Kritik.
82. Ib. p. 98 lin. 2f: „videtur quod primum et secundum repugnant inter se.” Denn wenn eine
conclusio ‘a priori’, gefolgert wird, d. h. a priore ad posterius, fällt sie unter den habitus ‘sci-
entia’. Sie ist dann ib. 16f: „scientia pro­prie dic­ta, et tamen non erit per causam realem.“ Nach
Ockham sollen sich Beispiele für irdische Ver­hält­nis­­se (cf. ib. lin. 11–13, hier nennt Ockham kei-
ne) wie für theo­logische Belange (ib. lin. 18–21) finden lassen. Hier sind die Bei­spiele (ib.): „per
infinitatem Dei potest ostendi indivisibilitas Dei, ita per intellectualitatem animae intel­lec­ti­vae
potest ostendi incorruptibilitas animae intel­lec­ti­vae, vel simplicitas vel aliquid huiusmodi.“
83. Für irdische und transzendente Verhältnisse gelten dieselben Beweisbedingungen und
-formen. Das ist allein in dem Sinne nicht der Fall, dass irdische Kausalverhältnisse auf Gott,
Trinität usw. übertragen wer­den. Dann können nicht mehr gleichförmige Begriffe angenom-
men werden.
84. Dazu s. Kap. 9: Ontologie und Induktion.
85. Derart bezieht sich die reprobatio auf etwas in facto Inexistentes; es ist etwas intensional
indefinit und realiter un­möglich.
86. Rep. II, q. 9 OT V p. 148 lin. 14–17.
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 531

successive ‘aufbau­en’, ohne dass die­se oder darin eine Bewegung (sukzessive Verände-
rung) existierte, weil kein subiectum vor­­­handen wä­re, an dem der motus stattfände.
Der induktive oder persuasive Be­weis führt auf ei­ne ab­strac­tio, die wir schon kennen:
der motus wird nicht per accidens tangiert. Damit ist das ter­ti­um non datur suspen-
diert oder negiert.87 Es tut sich damit die Ab­son­der­­­­lich­keit auf, dass mit der On­­tologie
zusammen auch gleich die Logik negiert werden muss. Der akzidentelle Gehalt kann
auf das accidens im ontologischen Sinn nicht abgewälzt und über­­tragen werden. Die
for­ma übernimmt ihn ohne damit eine logisch beweisbare Struktur zu erhalten. Eine
ontologi­sche Identität der forma in intellectu wird von Ockham nicht angesetzt:88
„dico quod nulla for­­­­ma est intra intellectum quae sit prin­ci­­pi­­­um quo intellectus intel-
ligat.“ Das wird dort ge­sagt, wo Ockham sagt:89 „quod non requiritur ante actum in­­tel­
ligendi ali­qua as­si­milatio prae­via quae sit per speciem sed sufficit assimilatio quae sit
per actum intelli­gen­di quae est si­mi­li­tu­do rei cog­­nitae.“ Dabei gilt, wie bezüglich der
Naturphilo­so­phie im­mer, dass wir es stets auch mit per notitia intuitiva geschöpften

87. Und zwar innerhalb der Abstraktion der forma, des Begriffs (Rep. II, q. 9 OT V p. 121
lin. 17–26): „Sed su­per­na­tu­raliter loquendo potest Deus facere idem corpus in multis locis. Et
tunc mobile habens primum ‘ubi’ pos­set ad­quirere secundum et tertium et deinceps, et non
perdere primum. Et tunc esset ille motus tantum adquisi­ti­vus et non deperditivus respectu
affirmationes. Sed respectu negationes esset deperditivus, quia licet ‘ubi’ vel lo­ca suc­ces­sive
adquisita maneant, tamen negationes non manent, sed potius suo modo corrumpuntur. Et si
sic po­na­tur per po­tentiam divinam, tunc est continuitas in motu locali accipienda sicut in alte­ra­
tione et augmentatione.“ Die Supranaturale und naturale ‘Möglichkeit’ des motus entsprechen
sich begrifflich. Die ‘ratio motus praecise’ (ib. p. 122 lin. 23) und ‘naturaliter’ verstanden (ib.
lin. 1) ist secundum quid nominis und secundum quid rei (ib. lin. 24) aufzufassen. Letztere (ib.
lin. 25 – p. lin. 5) „includit par­tem formae acquisitae per motum, et hoc quan­tum ad affir­ma­
tiones connotando re­spec­tus partium acquisitarum et negationes in­ter­­cep­tionis quietis, quia
omnia ista sunt de intraneitate motus. et ipsis positis ponitur motus, et des­truc­tis destruitur
mo­­tus.“ Zur ersten (ib. p. 123 lin. 20 – p. 124 lin. 8): „dico quod hoc no­men ‘motus’ vel con­­cep­tus
eius non tantum signifi­cat praedicta quae sunt de essentia motus, sed cum hoc con­no­tat nega­
ti­onem coe­xi­s­tendi cum du­o­bus contradic­to­­riis ex­trin­se­cis, quae­cum­que sint illa, dummodo
sint con­ti­nue succedentia. Et hoc diversimo­de in mo­tu locali et aliis motibus ad for­mam …
et sic mo­tus non tantum connotat unam negatio­nem ex­trin­­secam motui sed infinitas qua­si
affirmati­o­­nes et negationes extrinse­cas motui. Quia con­no­tat unam nega­ti­o­­nem coexistendi
istis contra­dic­to­­riis extrinse­cis ‘ rex se­­det’, ‘rex non se­det’, et sic de omnibus aliis quae infini­tae
sunt. Et per consequens connotat ipsa extre­ma con­tra­­dic­ti­o­nis cuiuscumque extrinsecae cui-
us unum ex­tre­mum potest alteri continue succedere. Sic ergo pa­tet quo mo­tus est continuus
et quomodo non.“ Ockham schließt für Sätze und Beweise das tertium non datur aus oder
ne­­giert es. Realempirische Drei­wer­tigkeit liegt bei den contin­gen­­tia futura unterhalb intensio­
nalen Ent­scheidungsebene Ockhams. Anders sahen es z. B. K. Mi­chals­ki, Ph. Boeh­ner, auch
K. Ban­nach, 1975 p. 217f.
88. Rep. II q. 12–13 OT V p. 296 lin. 17f. In der Ed. ungenannte Var. sit (W 1495) einsichtiger als
deren est.
89. Ib. p. 295 lin. 13 – p. 296 lin. 1.
532 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Begriffen in kontin­genten Aus­­­sa­gen zu tun ha­ben, die aber ei­­­­nen Allgemeinheits-


rang haben können müssen. Nur kann die­se Allge­mein­heit nicht ei­ner Not­­­wen­dig­­
keit entnommen werden, die aus den Begrif­fen stamm­te. Die Polarisie­rung zwi­­­schen
The­o­logie und Philosophie gilt für Ockham nicht streng. Wenn man einen ‘gewiss
be­rech­­­tigten Pro­­test ge­gen die aus­­­schließlich phi­lo­so­phische Be­­­trach­tung Ockhams
sehen woll­­te, daneben aber dafür plä­­dierte, die ‘je­wei­ligen phi­­loso­phi­­schen Kon­texte
seiner Theolo­gie nicht zu igno­rie­­ren’,90 so ver­schwindet sol­che Di­ver­genz angesichts
Ockhams Met­ho­de ge­rade. Darin verschmel­zen und erlöschen Ten­­denz, Ge­sinnung
und Aus­druck mitsamt. Wie­weit da geistiger (und rationaler), moralischer und reli-
giöser Aspekt ge­gen­einander differie­ren, ist schwer zu sehen. Die neuzeitliche Diver­
genz der Le­bens­er­schei­­nungen ist noch fern.
Ockham bestritt die universalientheoretische Grundlage und Abstützung des Be­­
griffs und kün­­digte ent­­­spre­chen­de Postulate auf. Doch er arbeitet auch mit einer über
dessen schrift­bild­liche Erscheinung im Sprachzeichen hinaus nicht greifbaren ‘Identi­
tät’. Sie wäre in der notitia con­­cep­tus zu suchen und kann doch darin naturgemäß
nicht ge­fun­den wer­den: Die noti­tia uni­us conceptus müss­­te in die notitia unius alte-
rius conceptus übergeleitet werden können und da­­­zu womög­lich noch in die notitia
propositionis, in welcher sich beide zu finden hätten.91 Na­türlich kann man fragen,
ob dies theoretisch oder in besonderer Weise logisch überhaupt mög­lich wäre, ob

90. K. Bannach, 1975 p. 217 Anm. 564 und p. 218.


91. Wo aus einem Satz etwas Bestimmtes nicht oder überhaupt nichts gefolgert werden darf,
gibt es für diesen Satz keinen Beweiszusammenhang; er kann weder als conclusio sich ergeben
noch eignet er sich als Prämisse. D. h. es darf aus diesem Satz nach dessen Bestimmung nichts
gefolgert werden können, was ihn als (einen be­stimm­ten) Begriff erscheinen ließe, für den wir
dann ebenso nicht mehr beweisend eintreten könnten. Wir könn­ten die­sen Satz u. U. in einen
formalen Begriff übersetzen, der den Gehalt des Satzes wiedergibt. Dieser formale (schon onto-
logische) Begriff ist dann in Be­­zug auf die extrema des Satzes widerlegbar. Die Widerlegung des
Be­griffs ebenso wie des­sen gelegentliche Ret­tung und Neudefinition erfolgt zuletzt in einem
suppositions­lo­gisch ge­regel­ten Satz, so dass dieser Satz qua For­ma­ti­on und Gel­tung die für ihn
und gleichwertige Sätze entfal­len­de Beweis­wer­tigkeit ergibt und ersetzt. Damit ge­ben wir die
eigentliche Grund­lage der Induktion in den sprach­lich gefass­ten Materien bei Ockham an. Der
Beweis für oder gegen den formalen ontologischen Begriff muss et­was von dem Satz wiederge-
ben und enthalten, der nicht beweiswertig ist. Man sollte hier sehen, dass es eine tief­lie­gende,
quasi tief begründbare Abweichung von und Spaltung gegen den normalen Modus des analyti­
schen oder prä­di­ka­tenlogischen Beweisens gibt, den Ockham einlöst, befolgt und implizit aus-
einandersetzt. Eine Fol­­­ge die­ser Disposition ist, dass Ockham die kontingenten Sätze, die die
Zweinaturenlehre oder die Dreifal­­tig­keitslehre auf­­nehmen oder fixieren, die sie praktisch, wie
sie abstrakte (= nicht empirische Sachverhalte oder Beziehungen zu fassen haben) ohne Inkon-
sistenz abgeändert, emendiert werden können. Dabei ist bezeichnen­der­­weise ein Rück­­griff auf
die Aktlehre in dem Sinne möglich und leitend, dass die Konsistenz empirisch-men­ta­­li­­stisch
präju­di­ziert werden kann. Dies bedeutet nichts anderes als dass eine erkenntnistheoretische
Induktion wenigstens an­ge­deutet wird, wenn nicht sogar eine Delineation erfährt, womit denn
Suggestion und exakte Aus­führung norma­tiv gleich und gleichwertig geworden sind. Sie sind
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 533

die Logik diese Form, um die es sich dann zu han­deln hätte ge­ben könne. Selbst am
Beispiel der propositio per se nota lässt sich das erläutern: wenn in die­ser Satzform
der ei­ne Begriff im Zusammenwirken mit dem anderen unmittelbar die selbste­vi­
dente und un­be­streit­bare Er­kennt­­­nis ergeben können soll, wird dennoch die noti­tia
(intuitiva oder abstracti­va) der Begrif­fe diese Erkenntnis nicht gewährleisten. Denn
wie soll der actus ap­prehensivus des Begriffs oder dann des Satzes per se als intel-
lektiv erklärt wer­den können? Ockham hat des­­halb kon­sequent erklärt, die notitia
der Begriffe könne hier wie beliebig er­­fol­gen, konfus, di­s­tinkt usw. sein; er lässt die
notitia oder deren Bestimmung al­so in se of­fen. Er gibt seine Be­­schrei­bung oder De-
finition gleich in diesem Sinn.92 So bleibt denn das Ver­­hält­nis der Be­grif­­fe im Satz
grundsätzlich offen; es ist zum Beispiel unent­schie­den, ob sub­iec­tum oder prae­di­­ca­­
tum die disziplinäre Thematisierung bestimmen, angeben oder enthal­ten. Am Ende
müs­sen subiec­tum und praedicatum nicht einmal bündig in Bezug auf die pro­po­sitio
un­terschie­den wer­­den (können), was zu bedeuten hat, dass diese weder de­ter­miniert

in ein und demselben Sinn unwidersprechlich. Doch hier blei­­­­ben Akt und Satz bzw. Akt und
Begriff geschieden, wie es bei Duns Scotus nicht angenom­men wer­­­den kann.
92. In der propositio immediata stoßen zwei Begriffe aufeinander, die nach Ockham ausein-
ander nicht her­ge­lei­tet werden können, während sie im Begriffssinn unmittelbar zueinander
zu gehören scheinen; ihre Verbindung be­­ruht und besteht im Kausalfaktor, der indessen nicht
versichtbart werden kann und unbekannt bleibt. Dass die Wär­­me sich mitteilt, ‘calor calefacit’,
verweist auf einen nach Ockham unbekannten kausalen Übertrag; er muss in der Tat ungegen-
ständlich sein, wenn er auch beobachtet und gar gemessen werden kann. Die erwärmten Um­
ge­bungen der Wärmequelle werden nicht nur zu dieser sich akzidentell, sie werden auch ge-
genüber ca­lor als for­ma qualitatis sich insignifikant ver­hal­ten; so gesehen gibt es keine Integra-
tion des ‘Faktischen’ in die for­ma. In dem Satz ‘Deus est omnipotens’, als propositio immediata
klassifiziert, wie schon aus der Stellung zum Syllo­gis­mus einsichtig, ist die Zu­sammen­fas­sung
aller Kausation als Befähigung Gottes nach dem Prädikat omnipo­tens zu unterstellen. cf. Ord.
Prol. q. 2 OT I p. 124 lin. 23f: „est propositio immediata praedicando de es­sen­­tia di­vi­na omni­po­­­
ten­ti­am.“ Der Satz gehört nach Ockham der natür­li­chen Theologie und Got­teserkenntnis an,
wenn man sie, die mit den Begriffen ‘Deus’ und ‘omnipotens’ anscheinend schon gegeben ist,
zulassen will. Bei beiden Sät­zen ist die Erfahrung der Kausalität nicht gegeben, weshalb von
ihrer Wahrheit gilt: pa­tet tantum per ex­peri­men­­tum. Sie könnte nicht syllogistisch einsichtig
gemacht werden. Der Syllogis­mus beweist keine Kau­­­­sa­li­tät. Ockham hat da im Gebrauch der
causa extrinseca eine depra­vier­te Beweis­art gesehen. Sie würde un­zu­läs­­si­ge media lie­fern. Cf.
dazu auch ib. lin. 2–7 und bes. ib. q. 4 p 155 lin. 7–16. Wir können aber lt. Ockham mit einer
Änderung der ‘Begrifflichkeit’ zu einer Beweiswertigkeit aufsteigen cf. ib. p. 156 lin. 1–5: „Sed
si po­ne­­retur aliquod nomen quod importaret illuminationem lunae et connotaret determinate
solem, ita quod si lumen causaretur in luna ab alio planeta et non a sole quod tunc denomi-
naretur luna tali nomine, tale prae­­­­dicabile bene pos­set de luna demonstrari.“ Aber auch diese
hypothetische (abstrakte) Möglichkeit bliebe mit der Erfah­rung kom­patibel (cf. ib. lin. 5–10),
die unterstellt wird (ib. lin. 9) „quamvis hoc numquam esset visum.“ Wir in­du­zie­ren also aus
einem inexistenten Faktum, das abstrakt nicht ausgeschlossen werden kann. Die Om­nipotenz
teilt sich weder qua causa noch qua Inhalt mit: cf. Ord. d. 20 q. unica OT IV p. 37 lin. 1–6.
534 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

in die Lo­gik inte­griert werden kann noch von einer ihr vorgeordneten Logik abhän­
gen kann, die ihr Aris­toteles etwa hätte ver­schreiben können. An der Stelle beginnen
wir mit einer Theori­en­­bil­dung, in wel­­­­cher ‘Er­kenntnis’ in se nicht mehr als gegeben
vorausgesetzt wer­den kann. Dass dann Ari­s­to­­­te­les für Ockham als Muster bestehen
bleibt, hat nichts an­de­res zu bedeu­ten als dass die De­­­­­­­ter­mi­nation der Akte, wie sie zu
deren Ordnung Aristoteles vornimmt, al­lein wenn sie nicht wi­der­legbar ist, besser:
die reprobatio ausschließt, gelten kann.93 Es ist die Frage, wie­­­weit sie für die Schola-
stik bei der Lösung ihrer Probleme taug­lich ist. Hier geht es wieder um das unlös­ba­re
Problem der Vermittlung und/oder auch inneren Kohärenz der Be­grif­fe; über die­­se
inne­re Kohärenz aber wissen wir bezüglich oder vermöge der inneren Natur der Be­­­­­
grif­fe oder Ak­te in mente gar nichts. In ihr müsste die Er­kennt­nis automatisch oder a
pri­ori sein und so et­wa auch die geoffenbarte Wahrheit der Kir­che oder des Dogmas,
wenn man denn die­­ses in dem Sinn ansetzen kann, enthalten oder ihr parallel ver-
laufen können, so dass wir die eine Wahr­heit einmal in dieser Weise doppelt hät­ten.
Die veritas theologica als eine sol­­­che die vorzugs­wei­se posset haberi naturaliter hat
Ockham unterstrichen. Das wi­der­­spricht dem Ver­­­dikt, er habe die natürliche Theolo-
gie desa­voui­ert oder destruiert. Eher ist ‘na­tür­liche The­o­logie’ sein Flaggzeichen. Nur
sind es die Emen­dation der Vernunft oder der prin­­­­­­­zipiellen Mög­­lichkeit des potenti-
ell intellektiven Aus­drucks und die Emendationen des the­­­ologischen Aus­drucks, der
von ontologischen Erweite­rungen und Explikationen befreit wer­­­den soll, die bei ihm
aufeinandertreffen; doch ist es die besondere Form von Ockhams Darlegungen mit
ihrem theorieexpliziten Gehalt, die uns hindert, hier von christlicher Apologetik oder
auch nur Dog­menrettung zu sprechen.94

93. Ockham kann Aristoteles zitieren (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 9 lin. 9–4: „Sic accipitur scientia
I Physicorum, quando dicitur quod ad nullam scientiam, pertinet arguere contra negantem sua
principia; et I Posteriorum, ubi dicitur quod nullius scientiae est probare sua principia; et III
Metaphysicae: ‘Posteriorum investigatio priorum est solutio dubitorum’.“ Danach unterstreicht
Ockham (ib. lin. 14f), dass Aristoteles so auch die Einheit der Wis­senschaft angenommen habe:
„Sic etiam accipitur scientia quando dicitur liber Metaphysicae vel liber Physi­co­rum esse una
scientia.“ Dagegen argumentiert Ockham dann entschieden ib. lin. 16 – p. 10 lin. – p. 15 lin. 3.
94. Ockham be­handelt Sät­ze und in dem Sinn nicht Be­griffe. Er kennt Begrif­fe, die in ihrer
Kombina­ti­on nur von Gott gelten, aber als einzelne dem Aus­gangs­­punkt un­serer Er­­kennt­nis in
der notitia intu­i­­ti­va entsprechen, so­mit von Gott und creatura gebraucht werden können und
der Empirie nicht widerstehen und wi­der­spre­chen. Da­mit ist die Widerspruchsfreiheit aber ei-
gens und vor­greif­lich definiert worden. In der­­sel­ben Weise müssen die Be­­griffe, die für ‘demon-
strationes de Deo’ verwandt werden können sollen, über Gott hin­aus­gehen. Ord. Prol. q. 2 OT I
p. 127 lin. 6–9: „dico quod aliquid potest de Deo demonstrari. Et ideo concedo quod ali­quid est
pri­­us Deo pri­o­ritate praedicationis, et tale prius debet esse me­di­um in demon­stran­do aliquid
de Deo.“ Die priori­tas prae­di­ca­­ti­o­nis bedeutet keinerlei priori­tas essendi; inso­fern geht es um
die Begriffe, über die wir pro statu isto ver­fü­gen, nicht um Erkenntnis, die wir nicht haben.
Cf. ib. p. 118 lin. 1–15. Die Beweislehre bleibt begrifflich. Dem schmiegen sich die verwende­ten
ontologischen Erklä­rungs­be­griffe an; sie blei­ben da ste­hen, wo die Be­grif­fe als solche mit ihrer
Intention ge­meint sind. Ockham kennt nicht die Le­gi­­ti­ma­tion mensch­li­cher Er­­­­kennt­nis durch
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 535

An der Stelle aber gleichsam, an der die notitia unius subiecti in Richtung der
Satzbildung und auf den Zusammenhang mit der notitia praedicati hin nicht exakt
nach dem Satzsinn be­stimmt werden kann, tritt für die Gehalte der Sätze wie für die
Bezeichnung der Intellektion samt Abschätzung der Beweismöglichkeit von Sätzen
nach Form und Gehalt der Begriff ‘for­ma’ ein, wie bereits die Ableitung der demon-
stratio potissima zeigte:95 hier werden im Grun­­de akzidentelle Faktoren der Bestim-
mung von Sätzen mit und nach ihren Satzprädikaten aus­ge­­schie­den, um jene letzte
in sich abgeschlossene Satzform der für diesen intensionalen syl­lo­gi­s­tischen Typus
erforderlichen Nähe von s und P und Geltung und der mitgehenden Be­zie­hung des
medi­um syllogisticum als definitio formalis subiecti zu ergeben, bei der solche Klas­si­
fika­ti­onen wie causa extrinseca für das medium, der passiones, die einer empirischen
Be­stä­ti­gung bedürfen etc. auszuschließen. Der Formbegriff selbst indiziert generell
eine Viel­heit von Inzi­den­zien, die für die Vollgeltung der forma, i.e. ihre Deter­mi­
nat­heit in Be­zug auf die In­ziden­zi­en, nicht angeführt werden können. Es gibt also
keine Gleich­heit von In­zi­denz oder Ak­zidenz und Argumentation (Beweis); in genau
dem Sinn kann die forma nie de­finit be­­­­­­­grün­det werden. In genau diesem Sinn kann
eine allgemeine Lo­gik im inhaltlichen (prädi­ka­­­tenlo­gi­schen) Sinn nicht – mehr – an-
genommen werden. Das hat Ockham somit – we­nig­stens im­plizit – auch bewiesen.
Da­bei ist der Folge­rungs­­begriff selbst gleichgültig. Er kann in dem Sinn nicht im Sinn
einer Be­grün­­dung der for­ma oder substantia von außerhalb ihrer in Ak­­­­zidenzien –
definit – ge­braucht wer­den oder ge­braucht worden sein.96 Es wird nicht für die

ei­ne höhere uns ver­wehr­­­­­­­­­te Erkenntnis an­­de­rer Trä­­ger (an­geli, be­ati,) mit der Behauptung
(Duns Sco­­tus, Tho­mas von Aquin), beide Er­kennt­nis­­in­­halte seien analog und in der Form unse­
rer Sät­ze (al­so jener, die wir de facto ha­ben) adäquat wie­der­­gegeben und de jure ge­recht­fer­­tigt.
Er setzt in seinen In­duk­ti­o­nen mit der ent­spre­chenden For­­­mel wie ‘non est incon­ve­niens’, ‘non
est ma­ior ra­tio’ etc. keine Impli­ka­ti­o­nen zwischen den Be­griffen an; er müsste sonst an­de­re Sät-
ze (Satzklassifikationen) ha­ben. Er bestreitet den ‘re­gu­lativen’ Wert uner­wiesener Inkon­sistenz
als Äquivalent (Garant) von Wi­der­­spruchsfrei­heit, den Duns Scotus proklamiert (po­stu­liert).
95. Ockham sagt zur demonstratio potissima p. 169 lin. 25f: „ista definitio (die definitio for-
malis subiec­ti, die hier me­di­um demonstrationis wird) non includit praecise formam rei, sed
dicitur formalis quia includit prin­­cipia es­sen­­ti­a­lia rei.“ In dem Sinne hier auch der Begriff der
causa. Cf. p. 171 lin. 22 – p. 172 lin. 6.
96. Das geht schon aus dem allgemeinen Aufbau von Ockhams Erkenntnislehre hervor:
Ockham zeigt induktiv (Prol. Ord. q. 1 OT I p. 38 lin. 15 – p. 39 lin. 3): „sequitur quod notitia
intuitiva, tam sensitiva quam intellectiva, potest esse de re non exsistente. Et hanc conclusio-
nem probo … sic: omnis res absoluta, distincta loco et subiecto ab alia re absoluta, potest per
divinam potentiam absolutam exsistere sine illa, quia non videtur verisimile quod si Deus vult
destruere unam rem absolutam exsistentem in caelo quod necessitetur destruere unam aliam
rem exsistentem in terra. Sed visio intuitiva, tam sensitiva quam intellectiva, est res absoluta di-
stincta loco et subiecto ab obiecto.“ Ockham induziert ib. lin. 7f auch: „Patet etiam ex praedictis
quomodo (besser W 1495: quod) Deus habet notitiam intuitivam omnium, sive sint sive non
sint.“ Und dass es eine notitia intuitiva intellectionis geben müsse, die auf keine res extra gehe.
536 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Implikation direkt be­wie­sen, wenn es um die Bewertung von Beweisen geht, bei wel-
chen die forma eine Rolle spielt.97
Bei Ockham geht es darin um die logische Modalität von Aussagen, nicht um die
Bestim­mung von Fakten und Gegenständen, also gerade nicht um deren ontologische
Qualität, die von den Argumenta­ti­ons­strukturen, etwa mittels der distinc­tio realis
übernommen und kon­ter­ka­riert wird. Bei Ockham ist ein ar­gu­­men­­­­­tum intensional
negativ, wo es vorab extensional ver­­stan­­­den wird. Die Notwendig­keit, die Aristoteles
mit allem verbindet was ist, sofern es ist, kann vorab mit der Struktur des Argumen-
tierens nicht verbunden werden, das ja erst ermitteln können sollte, ob etwas not-
wendig sei. Das Argumentieren aber muss, da es notwendig die In­duk­­tion als den
Rückhalt der Verbin­dung zur Existenz erfordert und zulässt, die sachliche Not­­­­­­wen­
dig­keit ausschließen. Das Faktum und die Relation sind jedoch bei Ockham nur kon­­
tingent, insofern oder übereinstimmend damit, dass eine Aussage nur be­dingt, also
nicht im­mer gelten könne. Der Gebrauch des Begriffs kontingent für Sachen (res) ist
beschränkt.98
Ni­­kolaus von Autrecourt wollte mit sei­ner Atomlehre in den res eine Kon­­­tingenz
ansetzen i.e. sie realisieren, für die Sätze nicht mehr unbedingt gelten (können) sol­
len. Ockham hat die Kon­­­tin­genz der res übereinstimmend mit den Sätzen an, nach
denen sie als Verhältnisse zwi­­schen s und P erscheint. Es sind die kontingenten Sätze,

Das beweist er express ib. lin. 18 – p. 41 lin. 3. Der Begriff der notitia muss per argumentum
gegen akzidentelle Umstände gesichert werden, aus denen er nicht geschöpft werden kann.
Vorbehaltlich schöpft die ratio probabilis aus ihnen cf. Quaestiones variae q. 5 OT VIII p. 191
lin. 736: „Rationes probabiles … licet non concludant necessario“? Der induktive Beweis erfolgt
aus Kontingentem und beinhaltet Notwendigkeit. Aber nicht die analytische der Begriffe. Doch
kann bei Sätzen, die unmittelbar Erkenntnis ‘besagen’ (beinhalten) dem Status des Begriffs als
universale nachgefragt werden. Hier kann der conceptus als universale für alle res stehen, die
unter ihn fallen, i.e. auch für jede res einzeln. Er steht Einzeldingen gegenüber und zwar induk-
tiv: „In ista (propositione) ‘omnis homo est risibilis’ non potest praedicari res singularis, quia
non est maior ratio de una quam de alia et per consequens quaelibet ibi praedicaretur.“ Und:
„Sed res singularis nulla praedicatur in tali propositione.“ Das enthält keine ‘Quantifizierbarkeit’
(SL I, c. 18 lin. 89f): „potest dici quod hoc commune ‘universale’ est genus, et ideo praedicatur de
specie, non pro se, sed pro specie.“ Über die ‘species’ wird induktiv und intensional die numeri-
sche Quantifikation ausgeschlossen.
97. Die in die forma nicht integrierbare akzidentelle Existenz der Gegenstände schließt aus,
dass wir beweistaug­li­che Sätze (praemissae und conclusio) erhalten und besitzen könnten, die
eben dieses Verhältnis zu besagen hät­ten. So­mit beweist der Syllogismus nicht dieses Verhält-
nis, was er in einem gleichermaßen und intensional aus den Prämissen (cum aliquo medio) und
für die conclusio zu tun hätte.
98. G. Leff, 1961 p. 110 zi­tiert „Ockham’s argument that contin­­gen­­cy applies on­ly to the fu­tu­re“.
Die reale Eigen­schaft ‘Kontingenz’ in den res nimmt Ockham nicht an; da­rin unterscheidet er
sich cf. Leff, ib. p. 111): „Con­tin­gency for Gregory is thus inherent in the nature of all that is not
God, it is synony­mous with possible being, in­­de­pendent of all tem­­­po­ral considerations belong-
ing to the present and the past as to the fu­tu­re.“
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 537

mit denen al­le Skeletierung und Re­duk­­­tion der Weltverhältnisse erst definit möglich
ist.99 Die Fol­gerbarkeit, die Nikolaus von Autrecourt idealiter zum Maßstab machte
und realiter als inexistent (als unerfüllbare For­de­­rung) bestritt, entfällt als unange-
bracht. Für Ockham gibt es Unverständigkeit,100 die doch im Sin­ne der reellen Erfül­
lung der Argu­men­tationsregeln, wie er sie dann elizitiert, ver­mie­den wer­den kann.
Sie betrifft die Deutung von mentalen Faktoren, etwa des Prädikats in theologi­schen
Sätzen. Sie ist Folge einer fal­schen Folgerung, bzw. Mo­ment der Konsequenz im Sinne
der Inakzeptabilität der Rol­­­le eines Prädikats oder seiner Deu­tung. So wenn Ockham
die An­­­sicht des Aegidius Ro­ma­nus101 zu­­­rück­weist, dass Gegen­stand der Theologie
die Prädikate Gottes seien. Dabei müs­sen solche Prädikate förmlich em­pi­risch-prak-
tisch gleich gel­tend er­schei­nen:102 „Deus est glo­­ri­ficator, De­­us est redemptor, De­us est

99. Ockham fi­xiert weder die Idee der Ablei­tung für das Beweisen noch anerkennt er das Ad­­
ä­­­quat­heits­pos­tu­lat, das er auch nicht zu­grun­de legt. Er akzeptiert die ontologischen Be­­­grif­fe,
die Autrecourt angreift, neutrali­siert sie aber zugleich mit der Scheidung von substantia und
ac­ci­dens. Die diese Scheidung stützende Argumen­ta­tion be­deutet eine Synthesis der Be­grif­fe
für den abstrakten Gebrauch in empirischen Fällen (Na­tur­­philoso­phie). Dabei gilt das terti­
um non datur nicht vorab. Gegen­be­wei­se (Widerlegungen) werden beibehalten, im Prin­zip
scheidet Ockham Aporien aus. Das gilt auch in den moralphilosophischen Erörterungen. Die
syn­thetische Qualität des Er­mit­telns wird von der Im­­­plikati­on ge­trennt. Autrecourt hatte sie
forderungsweise vorgegeben und dann für prin­zipi­ell oder faktisch nicht gegeben gehalten (er-
klärt).
100. Ord. Prol. q. 9 OT I p. 273 lin. 3–5: „(videtur) omnino irrationa­lis“.
101. Ib. p. 273 Anm. 1.
102. Ib. p. 273 lin.6–8. Abstraktion und Empirie fallen zusammen, sind jedenfalls formell un­un­
ter­scheid­bar, wenn al­le incomplexa in die Theologie fallen (ib. lin. 18f): „dico quod theo­lo­­gia est
de omni­bus in­complexis sed non de omnibus complexis.“ Denn ib. lin. 20 – p. 24 lin. 5: „non
est ali­quod incomple­xum de quo non prae­di­ce­tur ali­­qua passio theologica; sed de omni illo de
quo prae­dicatur pas­sio theologica potest theologia suam pas­si­o­nem probare.“ Abstraktion gilt
hier auch in dem Sin­ne, dass die passio von dem incomplexum, von dem sie prä­­di­ziert wird,
be­wie­sen werden kann. Die incomplexa aber betreffen die res huius mundi, von denen wir sie
als Be­griffe per no­titiam intuitivam gewinnen und abziehen. Also kann die theologia alle die­se
incomplexa und ihre passi­o­nes betrachten oder behandeln: „ergo de omni tali potest consi­de­
rare.“ Die Annahme wird begrifflich ein­ge­­löst durch die Beispiele: „As­sump­­tum patet quia
istae passiones: creabile, annihilabile, perpetuabile et separa­bi­­le ab omni alio absoluto, facti­bi­le
sine omni causa secunda extrinseca, sunt passiones theologicae, et mul­tae ali­­ae. Et istae pas­­­si­o­
nes, vel omnes et multae de omni incomplexo praedicantur, et in nulla alia scientia os­ten­­­dun­­­tur
nec con­siderantur sed tantum in theologia considerantur.“ Ockham zieht einen Ver­gleich zwi-
schen The­ologie und Metaphysik (ib. p. 274 lin. 5–10): Wie jene Gott mit allen sei­nen Prädikaten
betrachtet und eben als ihm zuge­hö­ri­ge behandelt so diese alle Prä­­­­dikate von ens (p. 274 lin. 7:
„de quolibet contento“ i.e. in jedem in­halt­lichen Be­trach­te, also ab­strakt). In der obigen Liste
der Prädikate, die der Theologie angehören, erscheinen mit ‘sepa­ra­bile ab om­ni alio absoluto’
und ‘factibi­le sine omni causa secunda extrinseca’ dieje­ni­gen, die die omni­po­ten­tia divina um-
schreiben und zugleich mit der distinctio realis kongru­ie­ren, wo­mit auch darin Empirie und
538 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

re­pa­rator, et sic de aliis.“ Gott ist Gegenstand der The­ologie (als subiectum in Sät­zen).
Nicht die Prä­­di­kate, die Gott zu­ge­teilt werden. Der Grund ist: „et ita ta­lia (sc. praedi­
ca­ta) non sunt ratio subiecti sed prae­di­ca­ta attributa ipsi sub­iec­to“, welches Gott ist.
Die Schluss­fol­ge­rung geht al­so von der in­tensio­na­­­­len Qualität der Aus­­­­­sagen aus. Der
re­gu­­lative Weltbezug für die theologische Er­kenntnis bzw. deren Dekla­ra­tion bleibt
er­hal­ten.103 Der extensionale Bezug oder Wert über­setzt sich als intensional negati-
ves Argument der Satzbestimmung (Erklärung von Satztypen). Wahrheit als To­pos
oder ‘Sache’ wird vom kontingenten Satz übernommen; die Kontingenz setzt sich in
den mentalen Bereich hinein selbst fort; hier gibt es keine Kausalität, die etwa noch

ab­strak­­ter theo­lo­gi­scher (= jenseitsweltlicher) Begriff zu­sam­men­fallen. Unter den complexa


gibt es selbstverständ­lich viele, die nicht in die Theologie fallen, z. B. die geometrischen Aussa-
gen, aber auch das ist nach Ockham letztlich ad li­bi­­tum. cf. p. 274 lin. 16–20. Nur sind sie quasi
nebensächlich. Sie sind nicht heilsnot­wen­­dig.
103. G. Leff, 1957 p. 133f will eine „scrutiny“ der Spätscholastiker zum Zwecke der Un­ter­
scheidung von himm­li­schen und irdischen Belangen, fides und experientia usw. feststellen und
be­stimmt ih­re Funktion und Mo­ti­­vation wie folgt: „It was used to delimit the intangible from
the tangible. This was its pa­ra­dox: the sceptics em­ploy­ed a standard immune from rea­son in or-
der to assert the place of reason…. It dis­played more than a me­­re exercise in God’s omnipotence
and his creatures contin­gen­cy; it was primarily the re­duc­­­tio ad ab­surdum of reason in faith,
sho­w­ing how impossible it was to discuss what was beyond discussion; it allowed spe­culation
and uncertainty to reign where knowledge and proof were lacking.“„Al­though scepticism was
possi­b­le without God’s potentia ab­so­luta, as the case of Pierre Aureoli shows, it lacked its po­wer
and auda­ci­ty.“ Ockham dis­po­­niert anders, sc. ab­strakt (auch in theologischen Belangen) mit
empirischem Support und einem Vor­ausgriff auf denk­ba­re und nicht ausgeführte empirische
Referenzen oder Fälle (Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 428 lin. 19–21): „concedunt aliqui (sc. Sco­tus) quod
Deus de po­ten­tia ab­so­­­luta potest facere fruitio­nem sine de­­lec­­tati­o­ne con­sequen­te. Et quando
ulteri­us in­­fer­tur ‘ergo potest esse cum tris­titia’, patet su­pe­ri­us quid potest dici ad hoc.“ Cf. ib.
p. 407f. Sc. dass der Satz möglich sei. Cf. auch Rep. IV, q. 3 OT VII p. 48 lin. 15–19 „respon­deo
quod Deus potest facere de po­tentia sua ab­soluta caritatem sine fide et spe. Ratio est, quia quan-
do unum ab­so­lu­tum non de­pen­det neces­sa­rio ab alio absoluto, pot­est fieri sine eo sine con-
tradictione. Sed caritas est quid ab­solu­tum et non de­ pen­det a fide et spe, ut manifestum est.“
Wieder ist klar, dass die distinctio realis das Wi­der­­spruchs­­­prin­zip er­setzt, resp. dass dort wo die
distinctio realis gegeben ist, Wi­der­spruchs­­frei­heit für die Aussage gesi­chert ist, in der behaup-
tet wird, dass die bei­­den res ab­so­lu­tae, die re­a­li­­ter distinctae sind, ohneeinander vor­kom­­men
können und sich nicht be­dingen müs­­sen, we­nig­­stens abstrakt gesehen nicht, also secundum
potentiam divi­nam absolu­tam. In der Reali­tät können sei dann immer gepaart vorkommen.
Diese poten­tia divina absoluta kann dann auch vor­ab sogar eine Mo­difikation definieren, die
die Termini betrifft. Die Termini, wie etwa hier caritas, bleiben nicht in sich diesel­ben oder: sie
wer­­den in sich verändert. So be­­­treffen sie die empirische Rea­lität, die sie doch nicht in sich besa­
gen, aber gleich­­­wohl noch in einem hö­he­ren Sinn analytisch auslegen. Die ‘empiri­sche’ caritas
mag mit spes und fides ein­herge­hen, von ihnen förmlich nicht zu trennen sein: ubi caritas, ibi
spes et fides (et e­con­­verso). Sie sind ja auch nicht sichtbar.
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 539

von der Implikation adaptiert oder mitversehen, überdeckt resp. vorgetäuscht werden
könnte.104
So lässt sich denn auch der terminus ‘verificari’ gebrauchen im Sinne einer mit
den ab­strak­ten Auslegungen per Schluss verbundenen Beziehung auf significata:105
„per prae­dicta possunt ali­quo modo verificari fere omnes opiniones de subiecto the­
ologiae, licet forte non ad intenti­o­­nem ponentium eas.“ Wir müssen immer ei­nen
Schluss haben, der significata in dem Sinne quasi intermediär nicht auslässt, als damit
der falsche Schluss bezüglich einer Meinung und zu ihrer Stützung finaliter nicht ge-
halten werden kann. Nie aber ist die passio eine res:106 „Quod autem passio praedi-
cabilis secundo modo sit quidam conceptus pa­tet, quia res extra ani­­­mam esse non
potest, cum non sit ex­tra nisi tantum res singularis.“ Die res singularis in se wird
nicht erkannt. Es wird keine res singularis im Verstand als Be­griff prädiziert: „nihil
prae­dicatur in propositione nisi quod est cog­­nitum ab habente propositi­o­nem.“ Es
gibt nichts Mitt­­­le­res zwischen Begriff bzw. Verstand und Sache, die in ihrer Weise
allgemein, notwendig etc. sein könnte: weder per Postulat noch qua Sein.107
Dass der intellectus subiectum des actus intelligendi ist (und dann auch nicht
causa effi­ci­ens et immediata des actus intelligendi) bedeutet, dass kein Satz im Sinne
des actus in­telligendi und des accidens zum subiectum intellectus aus diesem, gleich-
sam im Sinne der substantialen Bestimmung des intellectus entwickelt werden kann.
Die Scholastik hat­te hier förmlich immer ei­ne Identität gedacht und über diese Iden-
tität prak­tisch alle ihre ontologischen Annahmen ge­lenkt und dementsprechend auch
ihre Konzepte als de­pen­dent ontologische entwickelt. Es konn­te aus der Potenz des
Verstandes keine Ableitung der Erkenntnis geben, derart, dass die­se mit den Sätzen

104. Ockham beginnt mit in der notitia intuitiva empirisch gewonnenen Begriffen und kon­tin­
gen­ten Sätzen. Er hält solche oder analoge Sätze aus keinem anderen Grund für über­em­pi­risch
oder außerempirisch wahr als dem, dass die notitia intuitiva oder aber die notitia ab­strac­tiva
in verschiedenen weiteren Versionen oder Begründun­gen als kom­patibel mit der anfängli­chen
no­­­titia in­tu­itiva erscheinen können. In diesen Fällen kommen auch an­de­re Me­di­­­en als der
menschliche Begriff in Betracht, etwa die divina essentia, die als Ge­gen­stand in der visio be­
a­­ti­­fi­ca auch deren Erkenntnismittel ist. Es gibt eine notitia abstractiva = es kann eine no­ti­tia
ab­stractiva bei sol­cher trans­­­empirischer Erkenntnis von der divina essentia und den mit ihr
ver­bun­denen bzw. ihr zugeordneten cog­­ni­ti­o­nes geben, die ohne antezedente notitia intui­ti­
va mög­­lich sei. Dieser Fall kann induktiv als kompatibel mit un­se­­­ren empirisch fundierten
Er­kenntnismöglichkeiten pro statu isto gedacht werden. Wo Ockham die Er­­kennt­nis­faktizität
bestreitet, ­liegt solche Kompatibilität nicht vor.
105. Ord. Prol. q. 9 OT I p. 271 lin. 7–9 (und später).
106. Ord. Prol. q. 3 OT I, p. 134 lin. 5–7.
107. Cf. M. de Gandillac in: A. Forest et. al, 1956, p. 456: „Dans aucu­ne con­­naissance intuitive,
ni sen­­­sitive ni in­tellective, la cho­se n’est con­­­­sti­tu­ée dans une exis­ten­ce quelconque (in quocum­
que esse) qui soit un quel­conque in­­­ter­mé­­­­­diaire entre la cho­se et l’ac­te de con­naître … c’est la
cho­se même qui, immé­di­atement sans au­cun in­ter­mé­­di­aire … en­tre el­le-même et l’acte, est vue
et appré­hen­­dée.“ Verweis auf I Sent. XXVII, 3,1.
540 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

manifest geworden wäre, wie ja auch die Beschreibung der intensionalen Qua­­lität
der Sätze oder des actus apprehensivus nicht sich so ergeben konnte, dass dieser mit
seiner Reichweite oder Struktur das Vermögen hätte erklärbar machen können. Na-
türlich sind wir auch fern von jeder Erklärung der Christlichkeit als Moment oder
Kapazität des Denkens, Ur­teilens und Erkennens. Es gibt nur die Feststellung, dass
sich scientia und fides nicht wider­strei­­ten. Mit ihren Bestimmungen gehen sie nicht
mutuell ineinander auf. Dies leistet Ock­ham. Autre­court hätte mit sei­nen präsum-
tiv kritischen Thesen nach dieser Voraussetzung die Ableitbar­keit eines acci­dens
aus einem subiectum re­spektiv der substantia annehmen und im Sin­­­­ne der von ihm
be­zwei­felten Adäquatheit negie­ren müssen. Das hieße: er hätte seinen The­sen oder
de­­­ren Vor­aus­setzungen (conditiones), wenn es sie denn geben konnte, eine syn­the­
ti­sche Qua­li­­tät zu­spre­chen müssen, obwohl er Ableitbarkeit oder Adäquatheit gera-
de wegen des Fehlens einer sol­chen Synthesis ablehnten wollte. Er hätte somit die
Definitheit unter­stellt, die er be­zwei­feln wollte. Das war ir­ra­tional. Es konnte in der
Vor­aussetzung der opini­o­nes, die Autrecourt angreifen wollte, die Ableitung (Implika­
ti­on) nicht geben. Ockham lässt in­des bei Bestreitung scholastischer Sätze und ihrer
Ableitung gleich­wohl Ansichten fi­na­li­­ter zu, die mit der Bestreitung der Im­pli­­kation
möglich werden. Autre­court empfiehlt am Ende die strikte Beschränkung auf Fröm-
migkeit, während Ockham die Bearbeitung (con­si­de­rare und in­vestigare) der theolo-
gischen Glaubenslehren partiell für mög­lich und em­pfeh­lens­wert hält. Da­bei können
die theologischen Aussagen im weitesten Sinne, also alle, die ei­ne theolo­gi­sche passio
aufzuweisen hätten, mit oder ohne Anstrengung des Ver­­standes, nicht in Be­tracht
kom­men:108 „Quia enim tempus vix sufficit ad illa quae sunt ne­ces­saria ad salu­tem,
ideo talia non de­bet homo pro statu isto investigare, /§ vel non oportet, §/ maxime
in par­ti­culari.“ Das heißt: nicht im Besonderen und nicht eingehend. Sie haben auch
den inhaltli­chen Charakter nicht. Sie müssen nicht geglaubt und nicht nach theolo-
gischem Ge­halt ver­stan­­den werden. Der müss­­­­­­­­­­­te dann aber a parte intellectus sich
definieren lassen. Indes: Verste­hen und Glauben wer­­­­den nach ihrem Verhältnis mit
Ockham nicht definit aufgelöst wer­den können. Der Be­griff der sci­e­ntia erlaubt es
nicht und die glaubende Seele in sich wird nicht Ge­gen­stand. Die psy­chi­schen oder
psychologischen Haltungen werden es sehr wohl; sie kön­nen er­prob­­terma­ßen in der
Form, wie Erkenntnistheorie und Beweishandlung (In­duk­tion, per­su­a­sio, re­pro­­­­ba­
tio, instantia usw.) ihren Verbund bilden, eruiert werden.109 Die Kausalität, die von
Ock­ham zwischen den Akten der Seele sowenig wie in der Realität extra animam
nicht be­strit­ten wird, wird doch nicht regulativ für die Sätze und die darin gesuchten

108. Ord. Prol. q. 9 OT I p. 274 lin. 22–25.


109. Bei Ockham ist die Begründung der scientia (und jeder Erkenntnis oder notitia) fern
da­von, das zu sein oder be­deu­ten zu müssen, was sie meint (enthalten können soll). Eben das
ist ausgeschlossen und bedingt den kon­struk­­­tiven Charakter seiner Argumentationen mittels
In­duk­tion, persuasio und reprobatio. Wo Ockham ar­gu­­men­tiert, konstruiert er Formen nach
ihrem Erkenntnis­wert. Das ist nie nicht der Fall. Die­ser Erkenntnis­wert wird for­mal (formal
und bestimmt) im in­halt­li­chen Sinn angege­ben.
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 541

Erkennntisakte übernommen und nicht maßstäblich in ihnen abgebildet gesehen.110


Nicht unerheblich ist aber, dass Induk­ti­on und persuasio eine solche Kausalität gar
nicht benötigen und die repro­ba­tio, wo sie einge­setzt wird, auf kausale Bezüge nicht
rekurriert.111

110. Nichtkausalität, Nichtinklusion, Nicht-Folgerbarkeit sind tief begründet und intensional


zu deuten. Zwischen den notitia praemissarum und der notitia conclusionis besteht im Syllo-
gismus das Kausalverhältnis als kontingentes, so wie Ockham immer Kausalität ansetzt. Causa
und effectus umfassen und enthalten sich nicht. Sie schließen sich nicht inhaltlich ein. Cf. Ord.
Prol. q. 8 OT I p. 222 lin. 14–16. Dort u. a.: „notitia conclusionis est contingens quia est causata“.
Die conclusio können wir ohne die praemissae kennen; gleichwohl ist auch die conclusio eine
propositio necessaria, wenn die Prämissen propositiones necessariae sind; also ist das obiec-
tum (= conclusio), das in dem Syllogismus behandelt wird, notwendig. Das heißt nicht, dass die
„notitia conclusionis est evidentior notitia praemissarum“. Cf. p. 221 lin. 15f. Das Umgekehrte
gilt (ib): Eine notitia darf (kann) dem actus (Begriff oder Satz), auf den wir uns mit ihr bezie-
hen, nichts hinzutun; wir hätten dann nämlich den actus zweimal. Auch diese Wahrheit besteht
per argumentum und im Argument, nicht an sich außerhalb, so dass sie durch Argumentation
wie für eine Realität in se oder ex se entdeckt werden könnte; wir haben also nicht zwei paral-
lele Wahrheiten, die des Satzes und daneben eine Wahrheit in der Realität; wir könnten beide
so nicht wirklich definieren. Für den Satz geschieht es im suppositionslogischen Wahrheitsprä-
skript oder im Satzmodus. Beide sind erkennbar Korrelate. Der Modus ist notwendig entwe-
der dem suppositionslogischen Wahrheitspräskript untergeordnet (modo diviso) oder modo
composito dem Satz attachiert und kann oberhalb der Empirie oder ihr entgegen gelten, weil
es für die Begriffe rationes gibt, die sie oder die Aussagen gegen die Empirie abgrenzen. Dann
gibt es kein Adäquatheitsprinzip und keine Folgerbarkeit, mit der die Wahrheit festzustellen
wäre. Das Widerspruchsmoment entfällt. Im Sinne der Identität können Adäquatheitsprinzip,
Wahrheit, Folgerbarkeit, Kausalität, Ableitung oder Erkenntnis (Kenntnis, notitia) für einen
weiteren Faktor (Begriff, Sache, Beziehung) aus einer schon gegebenen Wahrheit, Kenntnis
usw nicht bestehen. Darüber gehen alle Beweise Ockhams; sie gehen a limine so, dass es er-
wiesen wird. Jede Verbindung von Akten (Begriffen, Sätzen) im Sinne von Eigenschaftlichkeit
wird darin negiert, so dass diese Geltungsaspekte entfallen. Das bedeutet Modalisierung der
Sätze oder Erkenntnisse. Ein relevantes Beispiel (Ord. Prol. q. 9 OT I p. 234 lin. 19–23): „Et ita
cum notitia imperfectioris non contineat virtualiter notitiam perfectioris, secundum istos (sc.
Duns Scotus), sequitur quod subiectum non continet virtualiter notitiam illius importati per
passionem, nec per consequens notitiam passionis.“ Res und passio koinzidieren ‘so gesehen’
für Ockham.
111. Persuasio muss nicht Identität aus Verschiedenem voraussetzen, wie das für Akte gar
nicht möglich ist, son­dern eine Identität, die das Verschiedene als nichtvereinigt voraussetzt.
Cf. z. B. Ord. Prol. q. 8 OT I p. 222 lin. 18 – p. 223 lin. 3. Hier geht es darum, dass der habitus sa-
pientia, der Prämissen und conclusio im Syllogismus zusammenfasst und ge­mein­sam vollzieht
„qui est unus respectu praemissarum et respectu conclusionis“ nicht nur „respectu alicuius
unius veri“ aufzufassen sein muss, „sed respectu multorum“, und hierzu die distinkten habitus
intellectus, der den Prämissen gilt und den habitus scientia, der sich auf die conclusio bezieht,
betrifft. Das kann sein, weil beide habitus not­wendigen, den einzigen notwendigen Sätzen, die
es gibt, gelten. „Hoc potest persuaderi, quia omnis proposi­tio necessaria aut principium est aut
542 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Indem nun Ockham vom empirisch zu gewinnenden Begriff zwar ausgeht, ihn
aber in kei­ner Weise für derartig überformbar hält, dass aus ihm gefolgert werden
könnte (konnte), mit­hin eine jede logische Gestalt des Denkens als die prinzipielle,
die ermitteln könnte und den Ver­stand, sei es theoretisch begründete, sei es exempla-
risch ins Werk setzte, wird der Be­zug der Folgerung auf die divina essentia und ihr
Verhältnis zum Menschen und zur Welt fak­tisch kei­­­ne Leitfunktion mehr haben.112
Es kann keinerlei theologisch taugliche Folgerung mehr ge­­ben. Mit der Aktlehre ist
der Bezug auf die divina essentia aber noch möglich.113 Der Be­griff und Gott sind

conclusio … Ergo si sapientia esset respectu alicuius unius, sicut est intel­lec­tus et scientia, sa-
pientia non distingueretur ab intellectus et scientia.“ Ein intramentaler Fakti­zi­täts­­beweis wird
nicht geführt, vielmehr geht es um die Beleihung eines nomen mit einer denkbaren Aktidentität
oder: Iden­­tität eines habitus, mit der dieser formell distinkt wäre. Ockham folgt terminologisch
und sachlich Aristo­te­les, auf den er dazu verweist (p. 223 lin. 4–13), wenngleich genau in dem
Sinne seiner eigenen eigens formulier­ten The­­­se; für sie wurde der Beweis (persuasio) geführt
(lin. 13–16): „Sed (sapientia ut habitus) non est realiter et for­­maliter scientia et intellectus, quia
tunc non esset habitus distinctus ab eis: ‘also muss er sie beide gleich (ae­­qui­valenter) umfas-
sen’.“ Der Typus der betroffenen demonstratio ist die ‘propter quid’ cf. p. 224 lin. 9f. Ana­lo­ges
wird Ord. Prol. q. 1 OT I p. 57 lin. 20 – p. 59 lin. 23 für die Identität und Abtrenn­bar­keit von iudi-
cium, as­sen­­sus, notitia (ap­prehen­sio) com­plexi, notitia incomplexi, ac­tus apprehensivus (und
ac­tus dubitandi und actus dis­sen­ti­en­­di) vonein­an­der er­mittelt, d. h. postuliert (per­suadiert):
Sie können, ob­wohl sie natürli­cher­weise nicht ge­trennt vor­kä­­­men, aber für distinkt gehal­ten
werden können, „per po­testatem divinam“ als von­ein­an­der ge­trennt auftre­ten­de ‘vor­ge­stellt’
wer­­­den, „quia non apparet evi­dens contradictio“ (u. ähn­liche For­mu­lierun­gen), was auf der
Ba­sis der dis­­tinc­tio re­a­lis ja auch gar nicht sein kann, da sie das Kontradiktions­prinzip er­setzt.
Zur Komposi­ti­on der oben genannten Akte ‘iudicium’ etc. etc. Cf. schon dieselbe q. 1 p. 16
lin. 6 – p. 17 lin. 12.
112. Das Verständnis (die grundsätzliche Vorstellung) von Folgerung muss bei Ockham über-
dies frei sein (= ver­schiedene Mo­­difikationen des Folgerungsbegriffs zulassen), weil er einen
Übergang (eine Verbindung) zwi­schen Begriffs­ge­hal­ten nicht kennt. Es kann besondere Fol-
gerungsaggregate geben, weil die Verbindung von Be­griffen gleich­na­mig mit der Folgerung
nicht möglich ist. Z. B. die demonstratio potissima. Alle Argumentati­on Ock­hams aber steigt
zuletzt aus der Na­tu­­ralität auf, von der sie sich absetzt. Das macht ineins seinen Ge­gen­satz ge­
gen jede andere Phi­lo­sophie aus, die damit als abzulehnender Naturalismus erscheint. Er frei-
lich ließ den Natura­lis­mus als Grundlage, Ausgangspunkt und eventuell Fluchtpunkt bestehen.
Jedes Metho­den­konzept, das Ockham kri­tisch entge­gen­gestellt werden könnte, wäre als natura­
lis­­­ti­sch zu klassifizieren. Ockham, der auf Ab­lei­tung und Folgerung als independen­te oder
implikative Darstellungsmittel bei seinen Ansich­ten verzichtet, kann nicht Ein­wän­­den un­ter­
liegen, bei de­nen Folgerung und Ableitung (a) verwandt, (b) un­ter­stellt (c) nicht be­grün­det
worden wären. Ockhams Ope­rationen und die darin ermittelten Strukturen ha­ben so einen
for­malen Cha­rak­ter.
113. Fides dagegen wird von Ockham in einem natürlichen Sinn und nicht nach einer beson-
deren theologi­schen oder re­ligiösen Aus­rich­tung gebraucht. Fides ist ein habitus. So wird fides
gegen andere actus und habitus wie sci­en­tia oder opinio abgegrenzt. Wo ich nicht ‘weiß’, kann
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 543

gleich unerforschbar. Der Be­griff ist bereits in der Antike, wenn er in sich au­tonom
betrachtet Erkenntnis sein können soll, ein rein Unmögliches.114 Wäre er christlich
und mittelalterlich vorübergehend gerettet worden, soweit nämlich wie er benötigt
wurde,115 so hat doch schon Ockham die mittelalterliche Be­­strebung, den­kend das
Den­­ken zu sank­­ti­o­nie­ren, verän­dert: das sich legitimierende Denken kennt struktu­
rell nicht län­­ger In­hal­­­­te, die über das Deter­mi­nie­ren von Sätzen hinausgingen.116
Das wirkt tra­di­ti­­onell im Rahmen des Mit­­­­­tel­alters. Es ist revo­lu­­tio­när wo mit sei­
ner Met­hode sein ar­tifi­zi­­eller Charak­ter der Begrün­dung von Spie­ge­lun­­gen erkannt
wird; dann aber er­scheint im­mer noch, dass es nicht eigent­lich inhaltlicher Na­tur
sein kann.117 Die­ser ar­ti­­fizi­elle Cha­rakter al­lein be­gründet die bedingte Ab­­solutheit
seiner Ein­­­sichten; aber für diese in die Methode ver­schlun­­ge­ne Ab­so­lut­heit kann es

ich doch meinen (opinari), schließlich auch glau­­ben (cre­de­re). Von der fides eines anderen
Menschen kann ich ebenso wenig eine Evidenz (notitia intuitiva) ha­ben, wie von dem mir qua
Glaubenslehre Bekannten. Hier habe ich nur eine notitia abstractiva. Ich kann es nur für wahr
halten. Ich muss keine weitere religiöse An­eignung betreiben, die dann noch eine besondere
see­li­sche wäre und umgekehrt. Aber die theologischen Aussagen können inhaltlich secun­dum
statum naturalem con­ceptu­um et pro­positionum vorab oder hypothetisch strukturiert werden.
So lassen sich für sie sogar aus der Em­pi­rie entlehn­te ‘Widersprüche’ beseitigen. L. Kolakowski,
Die Philosophie des Positivismus, dt. 1971 p. 23 meint, dass Ock­hams „Doktrin die Existenz der
natürlichen Theologie unmöglich machte.“ Doch die empiri­sche Gel­­tung oder Vergleichbarkeit
kann zwangsläufig keine un­be­dingte sein. Dass „die religiö­sen Offenba­rungs­wahr­heiten un­ab­
hän­gig von der Offenbarung mit Hilfe sachlicher Argumente“ nicht mehr „zu beweisen“ seien,
gründet zu­tiefst da­rin, dass nominalistisch die Empirie ihrerseits schon mit der Folgerung nicht
belast­bar ist. Die Trennlinie ver­läuft bei Ockham dort, wo er sich dem göttlichen Verstan-
de zwar approximiert, sich sei­­­­ner aber nicht be­mäch­­tigt, und dies eben auch nicht secundum
formam demonstrandi, die er ja durch sein Ent­schei­dungs­verfahren er­setzt hat, bei dem Sinn
(Inhalt) und Operation (Folgerung) getrennt sein müssen und so auch nicht Kriterien für­ein­
ander abgeben (können).
114. Bei den Vorsokratikern erscheint er als etwas Schwankendes, tastend Gewähltes. Platon
verdächtigt ihn der Unzuverlässigkeit und misstraut ihm allgemein. Aristoteles greift ihn in
‘dieser’ Allgemeinheit, womit er eine Antwort, ja theoretisch gesehen mehrere, schuldig bleibt.
Vielleicht dann auch inhaltlich alias methodisch.
115. Nach F. Borkenau, Anfang und Ende, 1984 gibt es keine rein christliche Verarbeitungsqua-
lität.
116. Es wird aber damit nicht als es selbst erkannt. In diesem Sinn fällt Ockham hinter die
aristotelischen Vor­ha­ben zurück. Es steht bei ihm zwischen Schein und Sein, In­halt und Be­
zeichnung, Ausdruck und Geltungswert.
117. Nur be­dingt wahrt Ockham mit seiner Rationalität den Status des Be­griffs­. O. Leffler,
Wilhelm von Ockham: Die sprachphilosophi­schen Grundlagen seines Denkens, 1995 bezieht
Ockham, in Sonderheit die SL, auch gleich auf Priscian. Es müßte scholastisch eine Rückkehr
bedeuten; denn aus der Grammatiktheorie hatte man sich einst erhoben. Zu Leffler siehe noch
das Nachwort.
544 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

kein per­sönlich-na­turales Motiv, kei­n ge­schichtliches Er­for­der­nis ge­­ben.118 Doch lei-


tet Ock­ham tatsächlich eine mittelalterli­che Re­volution ein, in der die onto­lo­gi­sche
Fassade und Basis des Denkens auf­gehoben, i.e. z. T. in re­probationes recte in­­volviert,
z. T. da­rin re­­du­ziert bzw. verneint wird. Er hat die au­to­­ma­ti­sche Übertragbarkeit un­
serer immerhin em­piri­schen Begriffe und ih­rer vermeint­li­chen Ord­nun­gen, für die
sich auch nicht ordo re­rum und or­do conceptuum ent­spre­chen sollen,119 auf Gott
ausgeschlossen. Da­nach werden auch ‘in­tellectus, actus intelligen­di, habitus etc.’ als
be­weis­ba­re Prädikate Gottes aus­geschlossen.120 Der Satz ‘Deus = divina essen­tia est
om­nipotens’ erweist sich als propo­si­tio immediata.121 Ock­ham muss den mit Hilfe

118. Motivfeststellungen sind von der Idee abhängig, dass der Verstand für etwas ar­bei­­te was
nicht er selbst ist, be­s­tenfalls die Vernunft. Oder Triebbefriedigung. Das bedeutet ei­ne prekäre
Vorbedingung, weil darin ein Ver­mögen von Scheinvoraussetzungen (unbegründbaren Zwec­
ken) aus­­­­gehend für diese in se unzulängliche Gründe sucht, die von einem strengeren und
leistungs­fä­hi­gen Ver­mö­gen, dem Verstand, geliefert werden sollen, das so an sich entkräftet
und desavouiert erscheinen muss. Das ist auch für Ockham darin relevant, dass er himmli­
sche Referenzen unserer Existenz an das Ver­mö­­­gen des Ver­stan­des derart einzig bindet, dass
es seinen hypothe­ti­schen Befund formal genauestens über die Funk­ti­on der Ar­gu­­mentation
(Beweisführung) einbekennt und die po­ten­tiell definite Begriffsverwen­dung doch nicht als
empi­risch eingelöst ansieht. Das gilt auch für die ethischen Konzepte, die in der christ­li­chen
Ter­­minolo­gie bei Ockham über die irdische Bindung hinaus korreliert, vergli­chen und abge-
grenzt (diffe­ren­ziert) werden. So ist z. B. der amor Dei bei Ockham präsent. S. Utrum vi­rtutes
sint connexae (Quaestiones va­ri­ae, q. 7 OT VIII pp. 323–407, dort z. B. p. 335 lin. 137 – p. 336
lin. 2; p. 358 lin. 413 – p. 359 lin. 422; p. 390 lin. 332–343 u. pp. 391–395 pas­sim). Die von O. Suk,
The Connection of Virtues accor­ding to Ock­ham, Fr. St. 10, 1950 pp. 9–32, 91–113 un­ter­stellte
connexio virtutum ist realiter secundum ar­gu­­men­tum eher ei­ne Zerteilung, bei der induktiv
Ein­zelvor­aus­­set­zungen für Distinktionen und Differen­zie­run­gen ge­sucht wer­den, worin die
Indukti­on naturge­mäß die Ein­zel­behauptung plus Negation einer abstrak­ten Ver­bin­­dung zwi­
schen be­stimmten Eigen­schaf­ten, Handlungen und Nei­gungen (in der intensio auch Tugen­
den) be­sagt, nicht aber de­ren be­dingungslosen und un­ver­büchlichen Kon­text. Zur Darstellung
s. schon K. Werner, 1881–1882, 1964.
119. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 125 lin. 7f: „de facto non est consimilis ordo rerum et conceptuum
correspondentium.“
120. Ib. lin. 7: „non omnis actus intelligendi est essentia divina.“ Ockham merkt die evidente
Scotische Refe­renz an ib. p. 98–102, pp. 103–109 und pp. 119–127.
121. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 124 lin. 13–24: „quantumcumque natura divina, intellectus et vo-
luntas distin­guerentur re­ali­ter, … tunc posset omnipotentia demonstrari de divina esentia per
intellectum et voluntatem tam­quam per me­­­­dium, ta­­men modo non est talis ordo istorum con-
ceptuum quod unum possit esse medium demon­stran­di om­nipotentiam de reliquo. Quia tunc
omnipotentia non competeret primo divinae essentiae sed intellectui vel vo­lun­ta­ti, nunc au­
tem primo competit praecise divinae essentiae, quia praedicatum quod competit primo uni rei
non pot­est compe­te­re primo nisi illi rei. Et ideo omnipotentia modo primo competiti divinae
essentiae, et est pro­po­si­tio imeddiata praedicando de essentia divina omnipotentiam.“ Dass
andere Beweismittel als die menschli­chen Be­griffe mit wo­­­­möglich höherem Erkenntniswert
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 545

on­­­to­lo­gi­scher Vorstellungen oder Maximen schein­bar geführten Beweis ausschlie-


ßen. Hier ent­­fällt der direkte neuzeitliche Ver­gleich.122 Aber Ockham hat über den
ent­ontologisierten Satz und Begriff eine rein be­griff­liche, von Wahrheit und Empirie
getrenn­te Beweisart zuge­stan­den. Sie wird nicht wie bei Duns Scotus über das En-
haltensein im Be­griff und damit im Grun­de über das ‘Enthalten­sein’ der Implika­tion
selbst im Begriff und ei­nem ordo deduktiv ent­nehm­barer conceptus an­ge­nom­men,123
sondern nach der syllo­gi­s­ti­schen An­ord­nung der Be­grif­fe.124 Ockham nennt als

existieren, ist induktiv zwangsläufig zuzulassen: Da die pro­po­si­­tio immedi­a­ta, um erkannt wer-
den zu können, der Erfahrung be­darf, muss dort, wo solche Erfahrung di­rekt nicht gegeben ist,
aber gleichwohl eine propositio im­me­­di­ata denkbar ist (dafür dass die Erfahrung auszuschlie­
ßen sei, liegt kein Beweis vor), ein Über­stieg in eine andere Qualität der Erkennt­nismit­tel an-
genommen (zu­­gelas­sen) wer­den. ‘Omni­po­­­tens’ können wir begriffstypologisch und intensional
als von ‘essentia divina’ ver­schieden anneh­men. Der Begriff ist unempirisch, indes vor­han­den:
er entspricht dem natürlichen Gottesverständ­nis. Die­ses müs­sen wir zulassen, da und sobald
es vorhan­den ist. Die ontologische Strukturierung der Begriffe, die mit die­sen gleichziehen
könnte, wird von Ockham ausgeschieden.
122. Ockham lösch­t generell alles hyperbolisch Ausdruckshafte aus den Verstandesmitteln; die
Brüc­ke zu Gott wird technisch und formal. Cf. die Verwndung des Om­nipotenzprinzips.
123. Cf. Ockhams Wiedergabe ib. p. 102 lin. 17–24. Duns Scotus verstand was er als interne
sinntragende Werte der Deduk­ti­on annahm: Kau­salität, Komposition, Definition und Unter-
schiedenheit der Begriffe nicht als mo­­vens die­­ser De­duk­ti­on selbst, die er über die Dignität des
Anfangsbegriffs und den daraus dependenten ordo con­cep­­tu­um au­to­nom sah. Hierin wollte er
so etwas wie ein ‘A priori’ bewerkstelligen: unter Gebrauch (Einschluss) der Lo­gik. So lässt sich
im Scotischen Beweis, der mit der Koinzi­denz von Met­ho­de und Konstrukt wirklich, wie oft
betont, die Neuzeit antizipierte, keine Struktur sehen (wie W. Kluxen, L. Honnefelder). Dazu
müs­s­ten In­halts- und Operationsteil getrennt werden können, wie es in Ockhams reflexiver
Struktur der Fall ist.
124. Für den Begriff ‘omnipotens’ in inhaltlicher Hinsicht argu­men­tiert Ockham – mit einer
persuasio, also auf die Abstraktion zielend (oder sie einbegreifend bzw. von ihr einbegriffen,
wenn sie vorausginge), in der er zeigt, dass der Begriff ‘unableitbar’ ist äqivalent damit, dass er
keine inhaltlichen Einschlüsse haben kann. Cf. Ord. d. 20 q. unica OT IV 4 p. 37 lin. 3–6: Wir
können diesen Begriff anwenden „nec secundum perfectionem, quia si essent duo dii omni-
potentes, de utroque diceretur quod esset omnipotens, et tamen neutrius potentia contineret
poten­ti­am alterius per talem superaequivalentiam perfectionalem.“ Zuvor hatte Ockham ge-
sagt, dass dieser Be­griff (ib. lin. 1f) „nec universalis (est) secundum praedicationem nec se-
cundum causalitatem.“ Der Begriff ist kom­plex (komposit) und kann in toto nicht empirisch
erworben werden. Der Satz ‘Deus est omnipotens’ ist syllogis­tisch un­­­beweisbar nach Regeln,
die Empirie und Syllogistik nicht in Gegensatz bringen. Auch die definitio (des­crip­tio) der
consequentia formalis sieht beides zusammen. Ein Satz, der nur durch iterierte notitia in­tu­itiva
als all­ge­mei­ner in einem Beweis Platz haben kann, wird allerdings von einem unterschieden,
der schon als abstrakter als Prä­mis­se im Beweis ­taug­t. Doch ist das eine Differenz in den Be-
stimmungen: hie die abstrakte Beweisaktu­a­ti­­on per ac­tus apprehensivus, dort tritt die notitia
546 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Be­­­din­­gun­gen dafür,125 dass „de ali­quo simplici non habente defintionem potest esse
scientia proprie dicta, quia potest esse sub­iec­tum ac­ci­­den­tis quod potest es­se me­di­­um
de­mon­strandi aliquid de illo simplici. Similiter, forte si il­­lud sim­plex constituatur ex
di­s­tinctis for­maliter“, wie es bei der Trinität der Fall ist, „aliquid potest demonstrari
de illo per alterum constituentium tamquam per medium.“ So die Schö­pfer­kraft der
divina essentia über die des ‘Vaters’. „Similiter, de sim­pli­­ci pot­est aliquid de­mon­­stra­ri
per ali­quod commune sibi et aliis tamquam per medi­um.“ Nur „per definitionem tam­
quam per me­­di­um nihil potest de eo de­monstrari.“126 Die On­to­logie, die bestimmend
oder er­­läu­ternd in die Sätze einträte, bzw. die Begriffe in Bezug auf­ein­ander derart
zu determinie­ren hat, besagte da­­mit deren logischen Zusammenhang oder schlös­se
ihn ein, bzw. käme der lo­­gi­schen Be­weis­­­for­mel gleich, mit der der Satz bewiesen wer-
den könnte; eventuell müsste die Be­weisfor­mel bewiesen werden. Das alles geht, wie
Ockham zeigt, nicht an.127 Hier be­deu­­tete aber mit Ockham auch die mo­ra­lische For­
de­rung an den Men­schen kei­nen epo­cha­len Aus­weg, keine wirk­liche Weg­wei­sung.
Er behandelt sie ganz in der­sel­­ben Wei­se wie er die dog­matisch-reli­gi­ö­sen Elemen-
te von menschlicher Sün­de, Sünd­lo­sig­keit (der virgo beata), der Zweina­tu­­ren­leh­­re,
der Einwoh­nung Christi im Sa­krament, der Tri­ni­tät be­­handelt;128 stets re­gelt er das

intuitiva hinzu. Die Intellektion bestimmt Ockham nicht. Sei­ne Er­ör­te­run­gen als ein Modell
verstanden können dessen offenbar auch in puncto Konsistenz entraten.
125. Cf. Ord. Prol. OT I p. 125 lin. 13–23.
126. Über dem kontingenten Satz als Grundtypus wird der Syllogismus begründet zum reinen
Anordnungsschema.
127. Der Beweis der ontologischen Formel aber hätte diese empirisch zu verstehen; dies hätte
eine Ausweitung bzw. einen induktiven Beweis für sie zu erfordern. Den wird Ockham nicht
geben. Stattdessen widerlegt er die on­­­tologische Generalmaxime (nach jedem oben im Text
gegebenen Verständnis) empirienah. Dazu insbesondere Kapitel 9: Ontologie und Induktion.
128. Eine moralisch einwandfreie Haltung ge­­gen­ü­ber Gott und die weitgehend wertfreie irdi-
sche Tathand­lung, die wir aufeinander beziehen, gehören ver­schie­denen Stufen an und können
nicht aufeinander abgebildet und in lo­gi­schem Sinn un­mit­telbar verknüpft sein. Sie können nie
gleichgesetzt werden. Ockhams Falllö­sun­gen richten sich gegen die Gleichsetzung beider und
beseitigen so das Problem. Er be­treibt die Negati­on der Pro­ble­ma­tik, in­­dem er sie in die Form
von Aporien bringt und daran ihre Abwe­gig­­keit er­kennen lässt. S. Mül­ler, 2000 mit kon­zi­ser
Dar­stellung der casus vor­nehm­­lich im Summary (engl.), pp. 232–249 sieht in den Sophismen
und ihrer Lö­sung die Darbietung von do­xa und p. 248 „a circular line of rea­so­ning“. Doch
Ockham legt nur den min­de­­ren Ra­ti­o­na­litätgrad (scheinbare Mächtigkeit) der Prob­le­me dar
und be­freit den Menschen höchstens mittelbar von Über­for­derung, zunächst von der cogitatio
inutilis. Er geht nicht von der tiefen Sündhaftigkeit oder Sünden­schuld des Menschen aus und
gelangt nicht zu ihr. Er wahrt seinen modus arguendi: er räumt Ein­sprü­che aus, in­dem er auf
konditio­na­le ‘kontin­gen­te’ Sach­­ver­hal­te zu­rück­greift und durch Ein­zelinduktionen zeigt, dass
die ab­strak­­ten und reflexiven Be­grif­fe in schon defi­nier­ten Rela­ti­o­nen da­von nicht tan­giert,
dass die­se Relationen und ihre De­fi­ni­ti­o­nen da­von vor allem nicht auf­geho­ben wer­den. In der
Folge wird damit ein ab­strak­ter Be­­griffswert, eine Größe, überhaupt gesichert (Quaestiones
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 547

Den­­ken über zuletzt doketisch anmu­ten­de Denkmit­tel. So schon beim Be­griff.129 Man
mag da magisch oder gleichsam prähistorisch an­mu­ten­de Momente auch für Gott
sehen und ihn schließlich auch im Konzept nicht weiter als bis zum Symbol entwic-
kelt finden,130 dieser Begriff von Gott im Wettstreit mit den Begriffen überhaupt und
in der Gestalt der Sät­ze, in die er einzugehen hat, erhält und behält bei Ockham eine

variae, q. 4 OT VIII p. 140 lin. 864–868): „Potest intel­lec­­tus ap­pre­­­­hen­de­re et dic­­ta­re ante om­­
nem ac­tum vo­luntatis quod pec­­ca­tum sit de­te­s­tan­­dum prop­ter deum, et vo­­lun­­tas tunc potest
con­for­­mi­­­­­ter velle is­tud osten­sum. Ergo talis ac­tus no­len­­di non ne­ces­­sa­rio prae­sup­ponit velle.“
Der ac­tus nolendi ist hier un­ab­hängig von dem actus vo­len­di. Er ist nicht not­wen­dig auf einen
Zwi­schenakt des Wol­lens oder Nicht­wol­lens sündi­gen Tuns verwiesen. Em­pirisch soll­­te man
mei­nen, dass das nol­le aus dem vel­­le fol­ge: ich will et­was, daher will ich et­was anderes, sein
Gegen­teil bzw. Fehlen, nicht. Ich will die sani­tas, also nicht den mor­bus. Die­­­­se Reihenfolge
gilt hier nicht, die Be­grif­fe ha­­ben bei gleich­zei­ti­ger Gel­­tung für die Em­­­pi­rie von der Argu­men­­­­­­­
ta­ti­on ab­hängig intensi­o­nale Re­la­t­i­o­nen. Den­noch gäbe es oh­ne em­piri­sche Re­­le­vanz kei­ne Er­
kennt­­­nis! Es ist diese Relevanz, die nicht ausgeschlossen wird. Sie wird nicht per Ab­­­straktion
getilgt. Sie wird eingeklam­mert. Das ist eine abstrac­tio sui ge­neris. Abstraktion und Em­pi­rie
er­scheinen getrennt. Dass etwas Sün­­de ist, de­pen­diert akzidentell aus Gottes Gebot; keine Tat
ist nach ihrer naturalen Erscheinung per se Sün­de.
129. Die Supposition betrifft keinen Begriff in sich, wie sich schon daran zeigt, dass sie ihm
bloß im Satz eig­net. Ein Satz wie ‘homo est species’ zudem, worin homo mit der suppositio sim-
plex steht, besagt nicht, dass species Ei­gen­schaft des Begriffs, per se oder akzidentell, sei. Denn
wenn in der suppositio per­so­­­­nalis ein Terminus auch für einen Begriff stehen kann (obgleich
‘uneigentlich’ wie Ockham betont), kann ‘der­sel­be’, wenn denn die Sup­­­­positionsarten distinkt
sein sollen, keine species als Qualität irgendwie annehmen: sie bezeichnet aber die Ex­­­­tension
des Begriffs, die daher für den Begriff nicht entscheidend sein kann, wenn er definit gebraucht
werden soll. Species und suppositio personalis entfalten ihre Differenz und (‘gemeinsame’)
Funktion reprobativ. Species ist per se ein (intensional) negativer Begriff, wie in der Oppositi-
on zu forma in Reprobationen sich zeigt, wenn dort ein sup­positionslogisch probater Satz am
Ende die Lösung besagen soll. Item: wenn in der suppositio sim­­plex kei­ne significatio (in Bezug
auf den Begriff) entfaltet und gemeint ist, ist dort, wo eine Extension (= spe­ci­es) ge­nannt, ge-
meint oder ‘konnotiert’ wird, die significatio für den Begriff (dieser als sig­ni­­fi­catio) exkludiert.
Der ontologische Realismus wird getilgt als Aporienvermeidung. Da der Begriff (mental) nicht
identifi­ziert wird, au­ßer am Ende durch sich selbst (als Name), wissen wir nicht, was conceptus
in se, qualitativ usw. ist.
130. J. Hui­zin­ga, 1919 verweist ver­glei­chen­­d oft auf den archai­schen Cha­rak­ter des mittelal­ter­­
lichen Den­kens und Han­delns. Er sieht hier eine dem Märchen verpflich­te­te Ver­spon­nen­heit
tagtäg­lich am Werk. Das birgt eine Ten­denz, dem Mit­­tel­­al­ter eine prälogische Selbst­deu­tung
und Selbst­­ge­wissheit zu un­ter­stel­len, in der es traumartig in sich ab­ge­schlos­­sen gewesen wäre.
So wurde es von der Kunst be­handelt (Ri­chard Wag­ner). F. Tönnies, Brief­wechsel mit F. Paulsen,
(Brief vom 30.10.1879) findet die romantische Be­trach­tung des Mittel­al­ters legitim; in Ge­mein­
schaft und Ge­sell­schaft, 1887, 81935 macht er er­stere zum Inbegriff für das Mittelalter, letz­te­re zu
dem der Neu­zeit.
548 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

theoretische Dignität, die ei­nen methodischen Eintrag bedeutet.131 Darin blieb die Be-
ziehung auf eine im Sinne des Jüngsten Gerichtes abgeschlossene Geschichte offen.132
Der Scholastiker fasste sach­li­che Bezie­hung auf die Welt (nach vereinzelten Realitäts-
punkten) und Bezug auf Gott (nach der Kir­chen­­­leh­re) im Sinn ‘einer’ mit dem Signal
der Konsistenz ver­sehenen Auslegung zusam­men; dabei hatten die ‘abstrakten’ Fak­to­
ren eine reale Bedeutung, die quasi als automatische un­ter­stellt wurde. Gleichsam in

131. Es kann bei Ockham keine Bestimmung des Satzwertes in Identität mit dem Begriffs-
inhalt geben. Darüber muss­­te die Deduktion des Duns Scotus und Spinozas hinweggehen;
sie müssen je einen minimalen Satzinhalt an­neh­men, der den Bezug zur Realität, die Iden-
tität mit dieser besagen soll, und so schon das consequens und die con­se­quentia in einem
Schluss selbst besagt. Eine solche Voraussetzung muss und kann aber nicht gemacht wer­den;
Ockhams ganze Theorie und Erörterung weist das zurück. So wird von Ockham etwas inten-
sional ‘Unmög­li­ches’ ermittelt, das struktural der Beweisform des Duns Scotus entspricht und
direkt und beinahe ausschließlich seine Denkweise ausmacht. Darin ist immer, was der Rea-
lität in se (fiktiv) zugesprochen werden kann, auch für das Verhältnis von s und P, dem Satz
selbst, als deren Verhältnis bestimmend, nicht beweisbar, eher widerlegbar. Dazu gehört auch
die Kausalität, die ebenfalls als dem Verhältnis von s und P in Absehung auf die Realität zu­ge­
spro­­chen wird (cf. Ord. Prol. q. 3 OT I p. 143 lin. 4–6): „subiectum vel aliquid importatum per
subiectum est cau­sa alicuius importati per praedicatum“, was (ib.) für die propositio affirmata-
tiva und praedicatio propria und per se secundo modo gelten soll, für die Begriffe als Größen
oder Faktoren aber nicht aus­gelegt (expli­ziert) werden kann. Die Kombination der Begriffe
kann dabei nicht einmal nach ihrer begrifflich-sprachlichen Typologie er­klärt werden: Forma
praedicationis subiecti und forma praedicationis passionis können nullomodo als not­wen­­dig
bestimmt und begründet werden. Dafür ist zuletzt der Grund, dass in Form des kontingenten
Sat­zes ei­ne Wahr­heits­­­definition gegen die Deduktion auftreten kann. Der kontingente Satz ist
Wahrheitsäquiva­lent. Kau­sa­­li­­tät und On­­tologie thematisiert Ockham projektiv für die Reali-
tät, aber nicht als in­ten­ti­o­nell daraus ‘her­vor­ge­holt’. Da treten Beweisunmöglichkeit und Wi­
derlegbarkeit widrig auf. Sprachwis­sen­schaft­lich könn­te, wie es be­züg­lich der agglutinierenden
Sprachen ge­schehen ist (cf. T. Kaneko, 1969/1971), von Topikalisie­rung der Lo­­gik und der scho-
lastischen Denkformen im Wahrheitsaspekt des kontin­gen­ten Satzes ge­spro­chen wer­den.
132. Hier siehe zur Selbstdeutung im Frühmittelalter auch A. Funkenstein, 1965.
Kapitel 11.  Abstraktion und scholastischer Beweiszweck 549

der Ausführung mitging. Das hat Ockham unterbunden.133 Er ope­riert in jedem Sinn
für die instrumentelle Identität des apprehensiven Begriffs.134

133. Ockham ver­bin­det etwa mit den Prädikamenten keine per se reale Auslegung secundum
rem, sondern bloß ei­ne intensionale intentionelle Auslegung in Richtung auf die res per argu-
mentum. Cf. explizit Tractatus de quan­­titate, q. 3 art. 3 OT X p. 67 lin. 54 – p. 68 lin. 82. Dabei
ist die Beziehung von der sub­stan­tia oder quali­tas zur quantitas (was die Satztypenbestimmung
angeht) eine per accidens: cf. ib. p. 77 lin. 291–301. Ockham ana­ly­siert die scholasti­sche (on-
tologische) Nomenklatur wie die Termini Reales ‘bedeuten’ können, nicht aber sind. Da­bei
er­lischt im Argument die fiktiv (auch logisch) reale Be­din­gung von Erkenntnis, während eine
induk­ti­ve laut di­stinc­tio realis und identitas realis, nach der propositio contingens und daraus
abzulei­ten­­den Satz­ty­pen wie propo­si­tio per se primo modo angenommen oder ermittelt wird.
Quali­tas und quantitas sind intensional realiter iden­tisch oder geschieden, nicht aber wie prä-
sumtiv von der Sache her erfasst.
134. Nicht für eine Identität darunter, etwa eine sensuelle oder ontologische. Cf. instruktiv
auch o. Anm. 129.
kapitel 12

Verflechtung und Abgrenzung der Akte

Das Omnipotenzprinzip und natürliche oder Weltverhältnisse stehen bei Ockham


kompati­bel ne­­­­beneinander; sie bedingen heterogene casus. Beide heben einander
nicht auf und sie fol­gen nicht auseinander. Sie definieren miteinander den einhelligen
Begriffsgebrauch, der Wi­­­­der­­sprüche nicht zulassen oder enthalten soll und also auch
nicht diesen „casus“ zufolge In­kon­sis­­tenz be­­deu­­ten soll. Innerhalb der casus erst, in-
sofern diese sprachlich sich ausdrücken las­sen, ste­hen und bestehen die Begriffe, die
dann je einen separaten Sachverhalt betreffen und so nicht me­cha­nistische Notwen-
digkeit, sondern ‘nur’ Kontingenz besagen. Sie drückt sich in der va­ri­a­­blen Wir­kungs­
wei­se der einzelnen Größen aus, sc. in der veränderbaren An­ord­nung der Fak­­­­to­­ren
wie etwa der notitia intuitiva, des iudicium, des habitus, der actus usw. Da­bei konnte
‘logisch’ der Weltbereich auch überschritten werden: Gottes Wirkungsweise und der
habitus, den wir, anders als den zugehörigen actus, naturaliter nicht wahrnehmen
kön­­­­nen, er­scheinen par­allelisierbar. Es gilt also für jemanden: „posset inclinari po-
tentia per De­um agen­­tem sicut per habitum inclinantem. Et ideo illa inclinatio quam
quilibet experitur in se non potest evi­den­­­ter ex notitia intuitiva habitus inclinantis,
sed potest tantum cognosci illo mo­­­do quo potest co­g­nosci per rationem et discur-
sum.“ Wir ermitteln den habitus und sei­ne Wirksamkeit per ra­­tio­nem und per discur-
sum. Gottes Wirkungswei­se steht also nicht au­ßer­halb der rationalen Argu­mente und
Beweise. Damit sind wir noch im natürlichen Erkennt­nis­rah­men. Uns fehlt die Er­
kennt­nis der fides oder des amor als habitus, während wir die ac­tus wahr­neh­men
kön­nen: cre­de­re und amare.: „Ex is­to patet quod nullus pot­est intuitive vi­de­re fidem

. Ockham kennt die ‘Formel’ (Ord. Prol. q 2 OT I p. 107 lin. 18f): „Sed hoc est impossibile,
quia probatum est quod …“ Bewiesen worden soll sein, (ib. lin. 19f) „quod om­ne ta­le ae­qua­­­­­
liter in­clu­dit in­tel­lectum sicut essen­ti­am et e con­ver­so.“ Die Annahme, die Duns Scotus mittels
der distinctio forma­lis für das Verhältnis zweier Be­griffe (es­sen­­tia, intellectus) gemacht hat,
der eine sei ‘quid­di­ta­­tiv’ und der an­dere „pro parte rei“ ‘denominativ’, gel­te nicht. Auch von
Gott gelte (ib. p. 108 lin. 1f): „essentia divina et intellectus faciunt per se unum.“ Das im­pli­
ziert, dass etwas allgemein (in je­­dem Sin­n, run­d­um) be­wie­sen wurde: Da ‘realiter distinc­ta’
(p. 107 lin. 25 – p. 108 lin. 1) „propter tamen compositionem faciunt per se unum … multo ma-
gis (= a for­tiori!) illa quae distin­guun­­tur for­maliter propter tamen identitatem realem.“ Da­mit
muss der Beweis faktisch induktiv für die Begriffe von Grund auf (i.e. empirisch) gelten und
zwar nach dem Begriffsverhältnis als Struktur contra-analytisch.
. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 69 lin. 10–15.
. Ib. lin. 15–18.
552 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

et carita­tem quae sunt habitus in nobis, quam­­­vis possit intuitive videre actus qui elici­
un­tur ex is­tis ha­bi­ti­bus qui sunt credere et ama­re.“ Der habitus ist also qua­si schon
eine Grö­ße, eine qua­li­tas na­­türlich, mit der man begriffs­wer­tig aus der geschaffe­nen
Welt heraus­tritt. Ockhams Sum­me lautet: „dico quod notitia intuitiva pro statu is­
to non est respectu omnium intel­li­gi­bilium, et­iam aequaliter praesentium in­tellectui,
quia est respectu ac­tuum et non res­pec­tu ha­bitu­um.“ Der habitus wird bloß diskursiv
erschlossen. Mit dem discursus, wie er den habitus erschließt, bezeichnen wir den
habitus zugleich auch umgekehrt als de fac­to nicht für die no­­titia intuitiva gegeben.
Andernfalls müssten habitus und no­titia intuitiva in­ein­ander über­­ge­hen können: i.e.
der habitus die notitia intuitiva sichern, etwa wenn die notitia intuitiva die Feststel-
lung nicht existenter Gegenstände erlauben soll, ein Sonderfall, bei dem oder mit dem
Ockham in die supranaturale Sphäre (conservatio per deum) überwechselt. Den­­­noch
nimmt Ockham an, dass aus der notitia intuitiva aliquomodo, i.e. unbestimmt, ein
habi­tus ent­stehen könne, der aber in die Regelstruktur der Akte des Denkens und
ihrer Bezüge nicht be­merk­bar (evident) und konstitutiv Eingang findet. Der habitus
soll kein Präjudiz der no­­titia in­tu­­itiva sein. Denn die notitia intuitiva wird spontan
vom Gegenstand als einer causa partialis her­vorgebracht und nicht aus der Natur des
Verstandes ableitbar sein, wie er das subiectum die­­ses actus oder die­ser notitia ist.

. Wir hatten ähn­li­ches bei den notitia (intu­i­ti­va und abstractiva) ge­se­hen. Hier hatten wir mit
der notitia ab­strac­ti­va per potentiam divinam absolutam die empirische Bindung des Denkens,
wie sie bei Ockham grundlegend und bindend ist, auch überschreiten können. Es war eine no­­
titia abstractiva in der Erkenntnis der divina essentia per­suasiv ‘möglich’, die nicht durch die
notitia intuitiva gehalten und vorbereitet wäre.
. Ib. lin. 5–8.
. Der habitus wird also naturaliter erkannt: per discursum. In diesem Sinn muss er als er­
schlos­­sen gelten. Er wird für Akte vorausgesetzt und ist diesbezüglich durch Erfahrung er­kenn­
bar. Inductive patet. Der habitus kennt in­ten­­­­­­­­sio und remissio: er wird durch Häufigkeit der
Akte gestärkt und durch deren Nachlassen geschwächt.
. Es ist, wie man erkennt, der habitus causa lediglich der notitia abstractiva, nicht der notitia
in­tuitiva. Beide no­ti­tiae sollen ja nach ihrer ratio hinsichtlich ihrer Leistung inclusive ihrer cau­­
sae real unterschieden werden kön­nen. Die heterogenen causae indizieren eine Fixierung der
Geltung, i.e. der Erkenntnis. Zunächst gilt, dass beide notitiae als solche distinkt sind, wenn sie
als noti­tiae incomplexae gesehen werden. Dann aber ist die notitia intu­i­ti­va mental als cognitio
pure intelligibilium möglich, cf. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 28 lin. 5–14: „Omne intelligi­bi­­le, quod
est a so­lo intellectu apprehen­sibile et nul­lo modo sensi­bi­­le, cuius ali­qua notitia incomplexa
sufficit ad noti­ti­am evi­den­­tem alicuius veritatis con­tingen­tis de eo et aliqua notitia incomplexa
eiusdem non sufficit, potest cog­nos­ci ab in­tel­lectu dua­bus cog­ni­tioni­bus specie distinctis; sed
in­tellectiones, affectiones, de­lectati­o­nes, tristi­ti­ae et hu­­­­ius­­­mo­­di sunt intelligibiles et nullo mo­
do sensibiles et aliqua notitia incom­ple­xa earum suf­ficit ad notiti­am evidentem, utrum sit vel
non sit, et u­trum sint in tali subiecto vel non et ali­qua no­ti­­tia earun­dem non sufficit; igi­tur etc.“
Wir erkennen die res extra animam vollständig und deutlich durch die notitia intuitiva (Ord.
d. 3 q. 5 OT II p. 478 lin. 19f): „noti­tia rei intui­ti­ve potest esse distincta.“, dann erkennen wir
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 553

Dass die notitia intuitiva aus dem habitus nicht entwickelt werden kann (und
es müsste im Sinn eines dabei für allgemein zu haltenden Begriffs logisch, i.e. ana-
lytisch geschehen), wenngleich der habitus ihr doch noch entspräche, bedeutet
dass er nicht sichtbar wird (= sicht­bar gemacht werden kann). Weder entlässt die

sie vollständig durch bei­de noti­ti­ae (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 31 lin. 8f): „sed idem totaliter et sub
ea­dem ratione cognosci­tur per utramque no­ti­ti­am.“ Zu­letzt ha­ben wir in der notitia abstrac-
tiva einen über die noti­tia intuitiva hinausgehenden Er­kenntnis­stand, etwa in der Definition
(Ord. d. 3 q. 5 OT II p. 480 lin. 1–7): „aliquando autem facit dif­fini­tio ad noti­ti­am alicuius rei,
quia investigata dif­fi­nitione et aliqua re singulari oblata, cognoscit intel­lec­tus illam rem ha­­­be­re
tales partes vel ta­les, quod non faceret si ignoraret illam diffiniti­o­nem. Et ita istis mo­dis fa­cit
diffini­tio ad noti­ti­am rei, et quod­libet istorum modorum sufficit ad salvan­dum auc­torita­tem
phi­losophi et alio­rum.“ Die no­titia intuitiva di­s­tinc­ta rei kann früher sein (ib. p. 478 lin. 18ff):
„quod aliquando ante omnem diffinitionem habetur cognitio rei dis­tincta. Hoc pa­­­tet, quia no-
titia rei intuitive potest esse distincta.“ Wir haben ‘Fälle’, die die ampli­tu­do der ratio der actus
anzeigen und, wie sie nebeneinander möglich sind, ein Kausalverhältnis besagen (kön­nen), das
der Lo­gik sich entgegensetzt: indem die Fälle und der darin identische Akt nach seiner ratio
den Zu­sammenhang zu­lässt, besagt er ihn genetisch in umgekehrter Richtung zur Implikation.
Die Kausalität wird ein Modus. ‘for­ma­­­li­ter causatur’, ‘formaliter possibilis’ etc. Wir erreichen
die Determinatheit für den knappen Satz, der das Ver­hält­nis ausdrückt: i.e. den actus in hete-
rogenen Beziehungen (mit anderen Akten usw.) sich erstrec­kend aufzeigt.
. Eine solche Argumentation alias Grundvoraussetzung spielt aber in der Textur Ockhams
keine Rolle.
. Er kann ihr potentiell zugeordnet werden, das heißt: es ist nicht ausgeschlossen, dass die
no­ti­­tia intuitiva einen ha­bitus habe, dieser also aus ihr doch noch entstünde, wenngleich wir ihn
im Sinne der immer induktiv bestimm­ten Ermittlungen und Erkundungen à la Ockham nicht
präsentieren können und er eben auch nach der Kausal­struk­tur der Elemente und Größen des
Erkennens nirgendwo vorkommt. Denn die notitia intuitiva bewirkt die no­­­­­­ti­tia abstractiva,
wie beide den actus apprehensivus enthalten, und der habitus bezieht sich als causa (partialis)
bloß auf die notitia abstractiva oder den actus apprehensivus. Die causae partiales der noti-
tia in­tuitiva aber sind die res extra mentem und der intellectus. Der intellectus ist subiectum
actus in­tellectionis; er enthält also den Er­kenntnisakt auch nicht inhaltlich und als nach der
logi­schen (analytischen) Folgerungen daraus hervorzuholen. Ein entsprechendes Modell von
Kunstsprache à la Carnap und Tarski liegt nicht zugrunde, und es gilt nicht, weil die ana­ly­
tische Folgerungs­art, wenn sie der scholastischen Sprache sich bemächtigen oder bedienen
würde, zu den Wi­der­­­sprüchen und Widerlegungen führen würde, die Ockham anführt. Dass
es einen analyti­schen Modus der Ex­plikation zugunsten der aristotelisch-scholastischen Spra-
che oder Er­kennt­­nis­welt nicht gebe, behauptet dann auch Nikolaus von Autrecourt. Dass ein
kunstsprach­li­ches Konglomerat von definierten Inhalten (Begrif­fen) und logischen Ableitungs-
regeln, wie es am prominentesten Tarski untersuchte, nach Gödel am Ende, spezi­fisch laut ei­­
nem Wider­spruchs­freiheitsbegriff (Widerspruchsbe­griff) nicht mehr als konsistent und (nach
dem Wi­der­­­spruchs­begriff), nicht mehr als wahr er­wie­sen werden könne und zwar laut Gödel
notwen­dig nicht, macht das Be­weisen aporetisch, zu­­mal die Prämissen des kunstsprachlichen
Sy­s­tems als wahr und nach der Deutung der da­­bei gebrauchten Logik sogar als a priori wahr
vor­­ausgesetzt werden sollen. Wir gehen aber mit Ockham für das scholastische ‘System’ von
554 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

notitia intuitiva den habitus im Sinne lo­gisch folgerbaren Enthaltenseins aus sich10
noch kann der habitus im Sinne zwangsläufiger (au­­tomatischer) Kausation für die
notitia intuitiva in Anschlag gebracht werden.11 Wir müs­sen aber kausale Relevanz,
weil sie bloß akzidentell bestimmt sein kann, i.e. nicht aus der Be­­­­­griffs­analyse gewon-
nen werden kann,12 immer auf Fälle beziehen, die aber, da sie nicht aus den Begriffen
gewonnen werden können, auch nicht Aussagen entstammen könne, in de­nen die
Begriffe vorkommen; es wären ja sonst die Begriffe mit dem Gebrauch in den Aussa­
gen allgemeingültig verwendet worden. Wenn also die Fälle, auf die man auch noch
im Sinne der Kausalität sich beziehen will, außerhalb der Aussagen liegen, die man
so verwendet und be­­­zieht, muss die Beziehung, da sie nicht mehr induktiv begrün-
det werden kann, auf einer Ver­än­­de­rung (oder Umkehrung) des Verständnisses der

der Abstraktion aus und sehen sie für Ockham im Wesentlichen mit der Induk­ti­on verbun­den,
nicht mit einer analytischen Folgerungsweise.
10. Derart gibt es keine inhaltliche Entsprechung oder Zusammengehörigkeit (wie im­mer) der
Begriffe un­ter­ein­ander. Es kann so kein Sachverhalt nach den Begriffen be­wiesen oder analog
überhaupt behaup­tet werden.
11. Hier kann der habitus nur den actus apprehensivus, i.e. einen Bestandteil der notitia intuiti­
va hervorbringen, eben die notitia abstractiva, die allein aus diesem besteht. Das ist mithin
in­duktiv beweisen. Wir könnten die no­ti­tia intuiti­va, deren causae partiales die res extra men-
tem und der intellectus sind, nie allgemeingültig aus dem ha­­bitus herleiten, weil wir dann eine
in­stan­tia hätten: die notitia intuiti­va kann als cognitio ex parte rei entstehen und sie muss es
grund­sätz­lich. Fälle, dass sie ohne praesentia sive existentia rei extramentalis fungiere oder be­­
ste­­he, sind dann induktiv nicht ausgeschlossen
12. Ockham setzt die scholastische Terminologie voraus, damit auch Begriffe, die direkt kau­sa­le
Referenzen ha­ben (enthalten), bezieht sie aber schon auf casus (des Vorkommens). Lo­gisch geht
es dann nur noch um den Grad ihrer Allgemeinheit, also Maximen, in denen ihre Be­­deutung
mitsamt ihren realen Auslegungen in der em­pi­rischen Welt angesetzt werden kann. Diese sind
selten oder nie allgemeiner Natur, es sei denn man hat die Be­grif­­fe in mehre­re Bedeutungen
spalten (‘zerlegen’) können, wobei dann womöglich eine allgemein sich aus­nimmt, i.e. unbe-
streitbar ist, damit leicht auch trivial und ziemlich inhaltsleer. Sie er­schließt dann gerade nicht
so viel, wie mit der zurückgewiesenen allgemeinen Maxime ge­glaubt wer­den musste und inten-
diert war. Eine an­­­dere (weitere) Auslegung im Sinne dieser Zerfällung in mehrere Bedeutungen
(oder auch mehrere Auslegun­gen) wird dann nur eingeschränkt gültig sein. So eher legitime
Auslegungen betreffen; sie geben partiale Vor­kom­­­men in reali und sind zu bestreiten, wenn
man sie auch allge­meingültig und durchgängig anwendbar sehen will. Der Begriff geht von
sich aus nicht zum anderen Begriff oder einem Sachverhalt über. Wäre ein Be­griff gleichwertig
mit einem anderen, so wären sie nach Ockham ein und derselbe Begriff (eine Feststellung, die
bei Ockham einem Prinzip gleichkommt, indes von ihm noch argumentativ erhärtet und ad
hoc gewonnen wer­­den kann) oder stellten eine bloße ter­minologische Mannigfaltigkeit dar.
Das Vorkommen der Begriffe (mehr noch: ihre Richtig­keit) kann ohne empirische Ab­stützung
nicht ermessen werden.
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 555

Relation zwischen den Aussagen beruhen oder auf eine solche hinauslaufen.13 Dies
wird im Laufe dieses Kapitels gezeigt werden.
Die propositio per se nota besteht (mittels eines iudicium) bereits vermöge der
notitia intuiti­va: Diese ist eine notitia incomplexa. Das iudicium bezieht sich auf das
complexum (Satz). So sind notitia intuiti­va und iudicium praktisch realiter geschie-
den:14 „dico quod notitia illa in­tu­i­­­­ti­va et illud iudicium distinguuntur realiter, quia illa
notitia intuitiva est re­spec­tu incom­ple­xi, il­lud autem iudicium est respectu complexi.“
Gleichwohl stehen sie natu­ra­li­ter in ei­nem zwangs­­­läufigen Verhältnis:15 „Et quando
quaeritur a quo cau­sa­bitur illud iudicium, potest cau­­­­sa­ri a notitia intuiti­va rei.“ Die-
ses zwangsläufige Verhältnis gilt cum generali influentia Dei. So bei der propositio
per se nota:16 „propositio per se nota ad cuius evidentem notitiam suffi­ci­­unt termini
cum generali influentia Dei; potest ta­men hoc impedire.“ Normalerweise gilt:17 „Ita
notitia intuiti­va sufficit ad noti­ti­am evidentem quod res sit nisi sit impedimentum vel
nisi activitas illius notitiae impediatur.“ Und:18 „Et hoc sufficit ad notitiam intuitivam
quod quan­tum est ex se sit suf­fi­­ci­ens ad faciendum rectum iudicium de exsistenstia
rei vel non-exsisten­tia rei.“ Ebenso:19 „dico quod per notitiam intuitivam rei potest
evidenter cog­nos­­­ci res non es­­se quando non est vel si non sit.“ Gott kann aber die

13. Da wir hierbei wieder kontingente Verhältnisse haben, i.e. nicht von unwandelbaren ausge­
hen müssen, auch wenn die Feststellung der beiden Sachverhalte im Verhältnis oder Zusam­
men­hang nicht strittig sein kann, also all­gemeingültig ist, selbst wenn sie dabei nur modal
formuliert wer­den kann, doch darin eine Prävention gegen Ausschließungen besagt oder ent­
hält, kommen wir wieder dem kontingenten Satz der Suppositionslogik nahe, der einmal an
der Stelle der Realität und ihrer primären Wahrnehmung im menschlichen Geist (Verstand)
steht und zum anderen niemals als auf analytisch auslegbaren Begriffen beruhend verstanden
und verteidigt werden kann. Sollen die reflexiven oder ontologischen Begriffe, wel­che wir den
extrema propositionis (sub­iec­tum und passio) zuteilen, analytisch als nach Inhä­renz (des acci-
dens alias passio) im subiectum (in der substan­tia) bzw. analytisch als Notwen­dig­keit des Zu-
sammentreffens beider im Gegenstand extra animam bzw. in einer Bewe­gung oder sonstigen
Relation gedeutet werden, greifen bei Ockham reprobationes, die damit als indi­rek­te Be­wie­se
(seit Aristoteles auch reductio ad absurdum) schlechthinnige Unmöglichkeiten bedeuten. In
realempiri­schen (physikalischen, naturphilosophischen) Erör­terungen greift Ockham hier auf
den Begriff der forma zu­rück. Sie kann dann nach seinen Beweisen und Erschließungen der
Realität, wo motus, augmentatio, du­ratio usw. eine Rolle spielen, nicht im Bereich der akziden-
tellen Minimalität, Veränderung, infinitesimalen Mo­­difi­ka­ti­on wie­der­gefunden werden. Zur
reprobatio der Filation ontologischer Begriffe s. die vorhergehenden Kapitel.
14. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 69 lin. 19–21.
15. Ib. p. 70 lin. 23 f.
16. Ib. lin. 11–13.
17. Ib. lin. 13–15.
18. Ib. lin. 18–20.
19. Ib. lin. 21–23.
556 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Erkenntnis der existentia rei aufheben oder verhindern, wiewohl eine klare Evidenz
von ihrer Gegebenheit bestand:20 „for­te non est inconveniens quod res intuitive videa-
tur et tamen quod intellectus ille credat rem non esse, quam­­­­vis naturaliter non possit
hoc fieri.“21 Dieser kann Fall kann nicht mit dem an­deren über­ein­stim­men, dass et-
was was nicht existiere, gleichwohl per potentiam divinam ver­­­­ur­sacht dem viator er-
scheine,22 den man zum Kardinalfall nomi­na­lis­tischer Ver­un­si­­che­­rung menschlicher
Erkenntnisfähigkeit hat machen wollen, ja zur Bruch­stelle, an der die Ent­­wick­lung
der Neu­zeit begonnen habe. Aber auch hier jetzt, wie man dem Wortlaut ent­nimmt,
wird diese Verun­si­che­­rung menschlicher Erkenntnisgewissheit ausdrück­lich von
Ockham aus­­­geschlossen.23 Da der Mensch bezüglich des iudicium nicht mehr auf ein
in­com­­­plexum sich bezöge wie mit­tels der vom iudicium real unterschiedenen no­­titia
intuiti­va, ist die natür­lich verlaufende Kau­sa­tion leicht zu unterbrechen, wie sie es an

20. Ib. lin. 16–20.


21. Hier tritt ‘for­te’ der bekannten Formel ‘non est in­con­veniens’ bei. Derjenige, der den Ge­
genstand wahrnahm und al­so als seiend erkannte, soll der Wahrnehmung (Evidenz) doch nicht
glauben (müssen). Der Akt des cre­de­­re wird als von der Er­kennt­­­nis unabhängig (real distinkt)
angesehen. Was hier als na­tu­ra­liter un­wahrschein­lich er­scheint, muss den Er­kenntnisaufbau
nach Natur- oder Schö­pfungswelt verlas­sen haben. Das ‘forte’ er­wei­tert ­ so die Formel
(= schwächt sie modaliter ab). Cf. auch ‘forte’ im Text p. 572. Dort wird quasi der ac­tus ap­pre­­
hen­sivus aus der natürlichen Welt herausgerückt. Die Formel ‘(for­te) non est incon­ve­ni­ens’ und
das Om­­­­ni­po­tenz­prinzip wer­den Ord. Prol. q. 1 OT I p. 70 parallel nebeneinander gebraucht. Sie
kön­nen nicht voneinan­der abhängen oder ein­an­­der begrün­den. Wäre das der Fall, gäbe es keine
Induktion und keine Kompatibilität von Gott und Welt. Sie könn­­­­ten sich also auch widerspre-
chen. Das ist ausgeschlossen, weil wir mit aus der Welt genommenen Be­­grif­fen, die, auf Gott
angewandt (zugunsten Gottes gebraucht), der Welt zu wi­der­sprechen hätten, es zu tun hätten.
Es kann entsprechend auch nicht den Widerspruchssatz geben. Er muss anders fundiert sein.
22. Quodl. VI, q. 6 Utrum cognitio intuitiva posset esse de obiecto non existen­te (OT IX p. 605
lin. 21–24): „om­nem ef­fec­­tum quem Deus mediate causat cum causa secunda potest im­mediate
per se cau­sa­re. Sed in notitiam in­tu­iti­vam cor­poralem potest mediante obiecto; ergo pot­est in
eam im­me­dia­te per se.” Ord. Prol. q. 1 OT I p. 36 lin. 8–10: „notitia intuitiva, se­cundum se et
necessario, non plus est exsistentis quam non-exsisten­tis.“ Indu­ziert aus der negativen Aussage,
dass obiectum extra animam keine causa essentialis notitiae intuitivae sei: lin. 4–8.
23. Gegenteilig H. Blumenberg, 1966 und später. Tatsächlich muss an­hand Ockhams (und für
ihn) das Ver­hält­nis der potentia divina ab­so­lu­ta zu empirischen Fak­ten und Er­war­tun­gen nach
dem Verhältnis der Begrif­fe zur Em­pi­­rie er­örtert werden, wo­bei an letzterer fest­gehalten und
die Begriffe auch aufgehoben, i.e. auch einen il­luso­ri­schen Charakter be­kom­­men kön­nen. Das
war zu persuasio und Indukti­on bereits angedeutet worden und gilt als Ten­denz bei Ockham
allgemein, z. B. in der Ord. d. 1 q. 2 OT I p. 394 lin. 2 ge­nannten quaestio „Utrum frui sit ac­tus
solius vo­lunta­tis“, dann ib. p. 395 lin. 8–10: „probari suf­­­fici­en­­ter non potest, cum vo­ces sint ad
pla­­ci­­­­tum et ideo uten­dum est eis sicut utuntur auc­to­res, sed auc­tores volunt quod frui est ac­tus
so­­­li­us vo­lunta­tis.“ Zu der für die quae­stio aufge­stell­ten conclusio secunda wird denn auch ge­
sagt ib. p. 398 lin. 13: „potest per­suaderi“. Es wer­­­den dann verschiedene ar­gu­men­ta vorge­führt:
ib. p. 398 lin. 21 – p. 400 lin. 2.
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 557

der Stelle der dis­tinc­tio realis immer ist. Wenn Ockham insgesamt den Fall erörtert,24
dass per notitiam in­tu­­iti­vam rei pot­­­est evidenter cognosci res non esse quando non
est vel si non sit (s. o.), so be­trach­tet er ihn na­­turaliter als den Fall, dass25 „non est
inconveniens quod aliqua cau­­sa (sc. die notitia intuiti­va) cum alia causa partiali (hier
die res extra) causet aliquem effec­tum et tamen quod illa sola sine alia cau­sa par-
tiali causet oppositum effectum.“ Das ist ein Über­re­dungs­ar­gu­­ment. Aber Ock­­ham
geht hier gar nicht auf die dazu ja auch nötige con­ser­vatio no­titiae in­­­tuiti­vae ein, die
überna­tür­lich erfolgen muss.26 Ockham sagt hier ledig­lich:27 „Et ideo con­­­cedo quod
non est ea­dem cau­sa illorum iudici­o­­rum, quia uni­us causa est notitia sine re, al­te­ri­us
causa est no­ti­tia cum re tamquam causa par­ti­a­li.“28

24. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 70 lin. 21 – p. 71 lin. 9.


25. Ib. p. 71 lin. 2–4.
26. Die conservatio ist abstrakt außerhalb der geschaffenen Welt anzusetzen; denn die conser­va­­­­
tio wahrt den ef­fec­­tus. Wollte man die conser­va­tio ei­ne (quasi) innerweltliche Wir­kungs­­­kom­­po­­
nen­­te nennen, so könnte sie nicht (einmal) in­ner­welt­lich wirken. Sie muss daher außer­halb der
Widerspruchsbedingun­gen stehen: i.e. Gott zu­­kom­­men, wie er der Welt gegen­über­steht. Wäre
die conservatio mit den Wirkkräften der Welt, die causatio und de­struc­tio be­wir­­ken (können),
verbunden, so könnte sie nicht diesen entgegenwirken. Sie wäre nicht, wenn die­se sind. Rep. II,
q. 11 OT V p. 243 lin. 6–11 argu­men­tiert Ockham gegen die These, dass dem Engel aus sich eine
ewige Dauer zu kom­me: „Si di­cas quod angeli ex se sem­per ma­­­nent, sed corruptibiles substan-
tiae non, quia cor­rum­­­puntur per cau­sas in­trinsecas, contra: il­lud est con­­tra fi­dem, quia quod
esse alicu­ius ef­fec­tus desinat, hoc est per substractionem ali­cuius cau­sae con­ser­­­vantis. Nunc
autem tam an­geli quam sub­stan­­tiae corruptibiles depen­dent a Deo si­cut a cau­sa con­­servan­te.“
Schließlich wird eine Induktion angeschlossen (ib. p. 243 lin. 18 – p. 244 lin. 3): „an­geli possunt
cre­ari et an­ni­hilari si­­ve cor­rum­pi a so­lo Deo, et non ab agen­te cre­a­to. Sed sub­stan­ti­ae cor­rup­
tibiles pos­­­­­­­sunt cau­sa­­ri et cor­rumpi ab agente cre­ato sal­tem par­tialiter. Ex his tunc arguo: sub-
stantia ge­ne­ra­bi­lis non men­­suratur ae­vo, quia est ge­ne­rabilis et corrup­ti­bilis, igitur nec substan-
tia an­ge­li, quia est cre­a­bilis et ad­ni­hi­bi­lis.“ Die con­servatio ist einer Überre­dung zuge­ord­net:
die em­­­­­­­­­piri­sche Be­dingung (causatio und cor­rup­tio) kann deren Negation (Nicht­in­fra­­gekom­
men) gleich wer­­den. Also kann auch der Engel nach der persuasio kon­ser­viert werden; er er­hält
sich nicht selbst. Der Engel untersteht da­nach den Be­din­­­gungen der Schöpfung, nicht aber in
Sonderheit denen der uns zugänglichen empiri­schen Welt. Ob der En­gel tatsäch­lich exis­tiert
oder in der Schö­p­fung reale Bedingungen habe, ist mit­­­­­hin kei­ne Frage. Inso­fern ist die fides mit
den Bedingun­gen des Wi­der­­spruchssatzes (hier) in Über­­ein­stim­­mung. Die conserva­tio muss
(qua per­suasio) wie ei­ne Neubenennung ge­­wer­­tet wer­den oder jedenfalls nicht gegen sie abge­
grenzt und ver­schlos­sen. Wir müssten mit der Ab­sicht ei­ner realen Er­kennt­nis gleich­wer­tig
diese Neubenennung vornehmen. Hier auch wie­der lässt die schar­fe Dis­­­­­so­nanz oder Dif­ferenz
zwischen substantia und accidens lo­gisch die Kom­pa­ti­bi­­li­tät von fi­des und scientia zu.
27. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 70 lin. 7–9.
28. Dass der Gebrauch oder hypothetische Einsatz der divina potentia absoluta und das Wun-
der gleich wären ist nicht einmal gesagt, wo Ockham (Rep. II, q. 7 OT V p. 128 – p. 129 lin. 1)
die Formulierung „non po­nen­do mi­ra­cu­lum per potentiam divi­nam“ gebraucht. Hiernach
558 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Bei allen Fällen und ihrer Gliederung liegt der Schwer­punkt in der Empirie. Die
Fälle las­sen sich danach von­ein­­ander deta­chie­­­ren. Aber sie werden gegen­ein­ander
nicht in se anschau­lich, mag Ockham auch da­bei29 auf ein „scimus per experienti­am“
verweisen, oder30 auf ein „qui­­­libet expe­ri­tur“. Wir er­schlie­­ßen die Empirie nicht in
sich im Gegenstand der Erfahrung, so dass Erfahrung gleichsam sie selbst mit ihrer
mentalen Erscheinung nach deren absolutem Wert werden könnte. Wir ver­wei­­­­sen
nur auf sie. Die Ontologie bedeutet hier eine Präjudikati­on. Gliederung und Unter-
scheidungen der Fälle er­geben sich a posteriori. Sie dependieren nicht aus der Präju-
dikation und diese kann nicht förmlich in Begriffe ausgelagert und übertra­gen, dort
festgemacht werden. Das duldet der Nominalismus Ockhams nicht, der so a pos­te­ri­ori
seine Konsistenz sukzessiv in den Argumentationen und Verteidigungen der Begriffe
über und für die Fälle, in die deren Gebrauch und Kombination zerfällt, einholt. Das
Fak­tum (das mit einem Begriff, mit allen Begriffen vereinigt sein soll) wird nicht über
Begriffe, in die es gleichsam übersetzt zu sein hätte, erschlossen. Die Faktoren, bzw.
Größen oder Begriffe, wie no­­­titia intuiti­va, iudicium, habitus usw. usw. können einen
inhaltlichen Sinn virtute relati­o­num nicht haben. Die Fälle er­weitern nicht den Ge­dan­
ken­raum, sie stellen nur die Begriffs­wer­­­tig­kei­ten in­frage. Dieser Ge­dan­ken­raum war
vor Ockham und wahr­schein­lich auch nach des­­sen ei­ge­ner Meinung zu un­be­stimmt.31
So wird er re­­duziert; er wird der unbedingt ge­glaub­­­ten oder verlegenheits­weise zu glau­
ben­den Begriffs­wer­tig­keit entklei­det: es tritt eine hy­­po­­the­ti­sche auf, die methodolo-
gisch und im Verfolg der Konklusivität insgesamt Defi­nit­heit ‘ein­schlie­ßen’ muss. Das
bezeichnet eine synthetische Verfahrenskomponente oder Wer­tig­­keit. Derart können
wir die verschiedenen Vorkom­mens­fälle auf­ein­ander be­ziehen und müs­­­­­sen nicht in

befände sich das Objekt, das im Bewegungsablauf an einer Stel­le sich aufhält, zu­gleich an einer
anderen. Das geschähe per Wunder. Die nova creatio der Welt wäre nicht ein Wun­der, sondern
Überschreitung der Be­din­­gungen der gegenwär­ti­gen Schöpfung (cf. ib. q. 10 p. 185 lin. 9–16).
Wun­der als Medium der Theo­lo­gie oder des Denkens werden von Ockham aus­drücklich abge­
lehnt: es rei­ch­ten die, die die Bi­bel berichtet. Neue müssen wir nicht erfin­den. Also ist es nicht
anzuneh­men, dass er sie mit­tels des hypo­the­tischen argumen­tum der potentia divina absoluta
ein­streu­en möchte. Das hieße: Wunder so zahlreich wie die Ver­wen­dung des Omnipotenzprin­
zips bei ihm ist, die keine schrankenlose Willkür von sei­ten Got­tes meint, wie sie nach Ockham
der bona theologia ebenso wie der bona logica wider­steht. Der doppelte Aufenthalt ei­nes Ge­­­­
genstandes, hier negativ und lächerlicherweise von einem sich bewegenden Gegen­stand an­ge­
nommen, wäre zugleich ein dem Modell nach authentisches Wunder.
29. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 69 lin 8.
30. Ib. p. 69 lin. 8f.
31. Dass die beiden termini notitia intuitiva und notitia abstractiva sehr allgemein in Gebrauch
seien, wird von Ockham implizit zugestanden. Er differenziert indes (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 40
lin. 12–13): „talis cognitio (sc. noti­tia abstractiva) secundum omnes ab­strahat ab hic et nunc,
per talem non pos­set sciri veritas contingens quae con­cer­nit certam dif­ferentiam tem­­po­ris.“
Nach ib. p. 41 lin. 9 – p. 44 lin. 6 ge­braucht Ockham beide termini auch in der Verbindung mit
Augustinus, wo sie sich ebenfalls per inductio­nem dif­ferenzieren.
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 559

verschie­de­nen casus die termini ändern; das scheint aber immanent zu dro­hen, wenn
Ockham mit der Refutation gegnerischer Vorhalte einsetzt.32 Die Divergenz scheint
hier Inkonsistenz der Termini oder bestimmter vorgängiger opiniones zu bedeuten
und Unver­bindbarkeit der Fälle. Er erreicht (eine Art) Ver­allgemei­ne­rung: sie betrifft
die Faktoren der Er­­kenntnistheorie im Verhältnis der Fäl­le, die ein­an­der nicht aus­
lö­schen, wenn sie sich ge­­­gen­seitig präzisieren und von­einander getrennt oder trenn­
bar er­schei­nen, ja in dem Zweck ge­­nannt und erhoben wer­den, um das zu tun. Die
schein­bar ‘strikte’ Deduktion à la Duns Sco­­tus ist aufgekündigt. Die im einzelnen
anderen Fall scheinbar drohende ‘Widerlegung’, soll ar­­gu­mentativ aus­geräumt wer-
den: dabei verweisen die For­meln des Omnipotenz­prin­zips, des Öko­no­mie­prinzips,33
des ‘non est magis ratio quod (non)’, des ‘non est in­con­ve­ni­ens quod (non)’ etc. auf In­­
duk­­ti­on und persuasio So hat das Omnipotenzprinzip eine technisch-argu­men­tative
Funk­­ti­on, kei­­ne reale doxologische Komponente.34 Danach überlappen sich die Fäl­le

32. Ockham kann die Terminologie beibehalten und den casus (die casus) modulieren: die
ver­schiedenen casus entstehen (und sie bestehen intensional danach), indem die termini, die er
gebraucht (und definiert), eben dabei nicht zu Inkonsistenzen führen, sondern argumenta­tiv
vor ihnen bewahrt werden können. Ockham kann nach der Basis ver­schiedener Fälle induk-
tiv Geltungen von opiniones (im Einzelnen und Einzelnes betreffend) behaupten, die einander
nicht widersprechen (müssen). Die intensionale Auslegung kongruiert mit der „ex­ten­siona­len“,
der re­alen. Da z. B. die eine notitia in verschiedenen casus vorkommen kann, ‘gibt’ es auch (die)
eine notitia; an­ders: es gibt eine intensionale Existenz, die auch für die oder eine extensionale
gelten kann. Die Kompatibilität der un­terschiedlichen Fälle wird durch die oft ge­nannten For-
mel wie ‘non est inconveniens’ usw. mit ‘gewahrt’. Sie ste­­­hen im Rah­men der Induktion und der
persuasio. Beide aber bedienen die Abstraktion: eine Abstraktion, die nicht die casus stört, also
deren Determinatheit nicht auflöst.
33. M. de Gandillac in A. Forest et al. 1956 p. 452 Anm. 1 sieht Omnipotenzprinzip und Öko­
nomieprinzip in einer gemeinsamen kritischen Funtion: „La loi d’économie renforce à plus
d’un titre l’usage criti­que de la po­ten­tia ab­so­lu­ta, non seule­ment pour justifier le miracle (ac-
tion directe de Dieu), mais pour discréditer de pré­ten­dues cau­ses secondes qui ne sont que
de fictions inutiles (formalitates, species).“ Die wahren causae se­­­cundae werden in Kausalver-
hältnissen empi­risch variiert. Die Zahl der möglichen causae bleibt (Öko­no­mie­prin­zip). Die
cau­sa pri­ma (om­nium) bewirkt keine Wunder, die mit der Tilgung oder Lö­schung von causae
se­cundae einher­gin­gen. Sie müsste da die Schöpfung einreißen und ver­nich­­ten. Die hier nötige
re­pro­­ba­tio setzt Ockham ab­gewandelt und rein innerweltlich gegen Thomas’ und Scotus’ fikti-
ve Determinationen (Erweiterungen) scholastischer Begriffe.
34. Auch gibt es hier ein Argument ‘a fortiori’: Wenn Ockham nicht will, (Ord. Prol. q. 2 OT I
p. 155 lin. 14–16) „omnia demon­stra­­ri per Deum tamquam per me­di­­um“, wobei Gott als „causa
extrinseca tam ef­ficiens quam fina­lis“ gebraucht wird, kann er auch nicht wollen, dass Gott
wahllos als cau­­sa gegen alle Realverhältnisse ver­mö­­­­ge seiner divina po­tentia absoluta eintrete
und wirke (= sich selbst als causa prima an die Stelle der causae se­cun­da­ri­ae setze, die er bei der
Schöpfung aus sich entlassen habe). Beim angeführten Beispiel sagt Ockham (ib. lin. 16): „Sed
hoc est inconveniens“. Gott kann sich nach dem Omnipotenzprinzip als causa prima an die
Stel­­le der cau­sa secunda setzen, indem und weil er damit in­ner­halb der einen Schöpfung bleibt,
560 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

unbe­stimmt.35 Das nur un­be­stimmte ‘Sich Überlappen’ ist auch so zu deuten, dass die
cau­sa (cau­sa­­litas), wie sie mit den einzelnen Größen gegeben sei, i.e. (inner-)kasu-
al nicht aus­geschlos­sen werden kann, den Begriff (die Größe, den Faktor) bewahrt,
aber ihre Reich­wei­te nicht de­fi­niert ent­häl­t36 und eben auch so, wie noch Umstände
beitreten können, und Umstände, Ab­wand­­lungen für die Um­­stän­de, nicht zu jenen
Induktionen führt, mit denen die Größen (Be­grif­­fe) kasual ihre Re­le­vanz (Verbin-
dung) haben. Andernfalls wären wir wieder bei der ana­ly­ti­schen Folgerungsart und
ihrer gewissen Weise, Voraussetzungen zu machen, am Ende onto­lo­­gische und in der
Form der petitio principii.37
Dass aber kein empirisches Material, wie es ja mit den erkenntnistheoretischen
Begriffen indi­ziert wird, förmlich aus sich erschlossen wird, lässt sich be­­weisen: Der
Begriff oder die Größe iu­­dicium ist noch, wie für sie die distinctio realis zur no­titia
intui­ti­­va gilt, in keiner prak­ti­schen Hinsicht inhaltlich gefasst:38 „Et si quae­­ra­tur de iu­
di­cio con­se­quente praecise no­ti­tiam intuiti­vam sensitivam an distin­gua­tur ab il­la, pot­
est dici quod non distinguitur ab illa, si­cut nec iudi­ci­­­um intellectus quod ­stat praeci­se

also nicht diese aufhebt. Die Auf­he­bung dessen, was eine nicht akzeptierte Beweis­struk­tur dar­
zu­stel­len hatte, wäre unlo­gisch in deren Sinn und damit (se­mantisch) paradox. Es gäbe keine
Grundlage für die Annahme, dass Gott die Weltord­nung sig­nifikant und signifika­tiv aufhöbe.
Die Paradoxie läge in der Welt und nicht in den Begrif­fen oder im Ver­­stand (wie bei Kants
An­­­­tinomien der reinen Vernunft). Ockham kann sich sogar persu­a­siv eine über­em­pi­ri­sche Aus­
wechs­lung der Begriffe denken, mit der eine Umwandlung und Er­set­zung der Sach­ver­hal­te
einher­gin­ge, wie er ib. q. 5 p. 170f kundtut. Schon das genann­te se­man­ti­sche Paradox muss
be­sagen, dass sich Be­­weis­qua­­lität min­de­stens per Ne­ga­tion der real­em­pi­ri­schen Begriffs- und
Sachverhältnis­se er­gä­­­be – eben jener real­em­piri­schen Be­griffs- und Sach­ver­hältnis­se, die wir
Ockham oben mit dem syllogisti­schen Ge­brauch Got­tes als cau­­sa ex­trin­se­ca und causa efficiens
und finalis als beweisinaffin ver­nei­nen und be­strei­ten sa­hen, wenn wir denn glauben wol­­len
und sollen, dass die Deutung der divina essentia und ihrer ab­so­­luten Eingriffs­möglich­kei­­ten
ir­gend­­wie re­al und logisch fundiert seien. Ockham, der angeblich die menschliche Erkennt­nis­
si­cherheit diskreditieren wollte, hätte dies außerhalb seines syllogistischen fundamentum in-
concussum getan, in das er das Omnipotenzpri­n­zip zu­dem problemlos integriert; es wird durch
einen ungültigen Syllogismus dann ebenfalls ungültig.
35. So gibt es das (scharf umrissene) Faktum weder in anima für die mentalen Größen (no-
titiae, habitus, usw.) noch extra animam. Es besäße weder terminus exclusivus noch terminus
inclu­si­vus.
36. Cf. schon Anm. 7.
37. Hier haben wir dann den Modus des Aufwerfens von instantiae gegen Ockham, auf die er
mit seinen Re­fu­ta­ti­o­nen, Ausweichungen, mit der persuasio, der Induktion, dem Hinweis der
Nochmöglichkeit nach den For­meln ‘non est inconveniens’, ‘non est magis ratio quod (quod
non)’, ‘potest esse secundum potentiam divinam ab­so­lu­tam (naturaliter loquendo), sed non se­
cundum experientiam’ u. ä. antwortet.
38. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 69 lin. 22 – p. 70 lin. 2. Es geht hier um Realempirie. Cf. daher
Anm. 39.
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 561

in notitia in­com­­plexa; et ideo non est iudici­um sequens nec est proprie iudicium,
quia non est re­spectu alicuius complexi, sed tantum est iudicium aequi­va­­­­­­lenter, sicut
alias dicetur.“ Wenn die noti­tia intuitiva über die Existenz (oder Nichtexistenz) von
res entscheidet, enthält sie ein Urteils­mo­ment: den actus iudicandi oder iu­di­­cativus.
Die Un­­­­­­terscheidung zwischen iu­dicium und no­titia intuitiva (distinctio realis) be­
ruht also induktiv auf dem Unterschied von com­ple­xum und notitia incomplexa.39
Die Unter­schei­dung zwi­schen iudici­um und notitia intuiti­va (dis­tinc­tio realis) be-
ruht nur auf menta­len oder mentalisti­schen Fak­ten bzw. Fak­toren.40 Die re­a­le Be­
dingung (etwa der Unabhängigkeit) eines Faktors in reali von einem anderen kann
nicht not­­­wendig auf die mentalia übertragen wer­­den:41 „Et quan­­­do dici­tur quod prius
na­turaliter alio potest ­esse sine eo absque contradic­ti­one, de ista pro­­­­­­­­positione di­­co
quod est vera de rebus ex­tra animam. Sed sive sit vera sive fal­sa de en­tibus in ani-
ma, non est ad pro­po­si­tum.“ Ockham spricht von en­tia in anima, aber ei­ne Ordnung
oder mutuelle bzw. einseitige Abhängig­keit der verschiedenen entia ist damit nicht
einge­schlos­­­­­sen. Die extrema des Satzes ha­ben für Ockham of­fenbar nicht vorderhand
einsehbar untereinander Ordnung und Ab­hän­gig­keit:42 „Sive au­tem subiec­tum pos­
sit esse si­ne praedi­ca­to vel e con­ver­so sive non, nihil est ad pro­po­­si­tum.“43 Ockhams

39. Ed. verweist dazu auf Ord. Prol. q. 3 OT I p. p. 139 lin. 15 – p. 140 lin. 1 an. Dort er­ör­tert
Ockham aber (bis p. 140 lin. 15) le­dig­lich das Ver­­hältnis des konkreten Be­­­griffs (ri­si­bilis) zum
entspre­chen­den abstrak­ten (ri­sib­i­l­i­tas): beim zwei­ten könne nur nach dem quid nominis ge­
fragt wer­den. Von iudicium ist gar nicht die Rede.
40. Die Unterscheidbarkeit der Akte oder notitiae mag dabei sogar schwierig werden. Cf. Ord.
d. 1q. 1 OT I p. 385 lin. 8–13: „intellectus uno actu scit conclusionem, et per consequens non
tan­tum intelligit conclu­si­­o­nem illo actu, sed etiam terminos illius conclusionis, et tamen illo
ac­­­tu scit conclusionem et illo actu non scit aliquod incomple­xum illius conclusi­onis. Et ita
idem actus respectu conclu­si­o­nis dicitur scientia et respectu termini non dicitur sci­­­entia sed
potest ali­ter denominari.“ Da­­­mit ist der alte Gesichtspunkt, dass per notitiam intuitivam bloß
eine no­­­ti­tia incomplexa vor­­lie­ge, nicht fallen gelassen worden. Aber die beiden notitiae ter­
minorum, die hier unter­schie­­­­den werden, dürften doch schwerlich etwas anderes sein als no-
titia abstractiva incomple­xa und notitia intui­ti­va incomple­xa. Die noti­tia abstractiva comple­xa
und die notitia abstracti­va incomple­xa wären dann schwer zu un­terscheiden, aber doch vermö-
ge der denomina­tio, und das meint Ockham, wenn er mit der zitierten Ausfüh­rung auf einen
Ver­gleich zielt (ib. lin. 14–17): „Igitur non est inconveniens eundem actum numero voluntatis
sor­ti­ri diversas denominationes prop­ter di­ver­sitatem obiectorum, ut illo actu dicatur frui uno
obiecto et uti alio ob­iec­to.“ Der Vergleich dürfte umge­kehrt werden können, denn Ockham
sagt: „Similiter est actus utendi sine om­ni actu fruendi.“ Das stützt obige Aus­führungen zu
notitia abstractiva comple­xa und no­titia abstractiva in­com­ple­xa bzw. zu notitia abstractiva in­
com­ple­­xa und notitia intuitiva in­com­­ple­xa.
41. Cf. Ord. Prol. q. 3 OT I p. 138 lin. 5–8.
42. Ib. lin. 11–13.
43. Nach Maimon kann das subiectum ohne das Prä­di­kat sein, nicht aber umgekehrt. Ockham
gibt die distinctio pas­sionum wie folgt (Ord. Prol. q. 4 OT I p. 114 lin. 5–11): „Ad istam
562 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Andeutungen be­sagen da­mit, dass das Kon­­­tra­dik­ti­ons­­prin­­zip nach ei­nem bloß


ab­strakt oder gesehenen Sach­verhalt oder Zusam­men­hang nicht an­­wend­bar ist.
Ockham hält allgemein neben der strikten Sach­e­be­ne die mentali­s­ti­sche fest: Ein Satz
kann als Satz notwendig sein, wenn er ist; wenn er nicht ist, ist er weder wahr noch
notwendig.44 So in der SL.45 Als Bei­spiel wird hier der Satz ‘Deus est’ genannt. Er ist,
nach Ockham, wenn er als Satz exi­s­tiert, wahr und not­wendig, sonst nicht.46 Werden
bei Ock­ham der ordo rerum und der ordo con­cep­tu­um nicht (d. i. nicht not­wendig)
aufeinander übertragen, so können doch res und con­cep­tus oder actus und res sive
obiectum extra mentem im Sinne der distinctio realis und daran an­schlie­ßend der
In­duk­tion von­einander getrennt und aufeinander bezogen werden.
Wir kommen von empirischen Bedingungen zu partiell geltenden (bedingt
allgemei­nen) Ma­xi­­men oder Feststellungen. Das Geflecht der induktiv ermittelten
casus betrachten wir als ei­nes, in dem der Terminus (der Begriff) einer notitia nach
ihrer ratio einheitlich (konsis­tent) er­scheint, ohne dass entsprechende reale oder kau-
sale Bezüge über alle Fälle sich er­strec­­ken und entsprechend logisch oder analytisch
abgeleitet (entwickelt) werden könnten und in dem Sinne konsistent wären. Das gilt
für Begriffe der ersten und der zweiten Stufe ge­mein­­sam: Wir können, wenn wir den
Begriff nicht aus der strengsten oder unmittelbaren em­pi­rischen Kor­­relation ‘befrei-
en’, keine „logische“ (an der Konsistenz orientierte Struk­tur) an­setzen.

quaestionem distin­guo primo de passioni­bus quia quaedam sunt quae important aliquas res
absolutas rea­li­ter dis­tinctas a suis subiectis et eisdem formali­ter inhaerentes, sicut se ha­­bent
susceptibile dis­ci­pli­nae, calefactibile, et huiusmodi. Aliquae autem important mo­tum vel mu-
tationem, si­cut ri­sibi­le, mobile, alterabile, et sic de aliis. Aliquae autem sunt con­no­tativae et
aliquae ne­gativae vel privati­vae.“
44. Hierzu eine vergleichbare Frage bei Wod­ham SK lb. II Fol. 67 col. Cf. Kap. 6 Anm. 149.
45. SL II c. 9 OP I p. 275 lin. 72–79. In Ord. Prol. q. 3 OT I p. 138 Text lin. 8–11 wird die syllo­
gistische conclusio ebenso im Sinn von Not­­wen­dig­keit (und Wahr­­heit) ange­spro­che­n; für die
Be­weislehre wird aber nicht mit ei­nem Zu­sam­­men­hang der Begriffe (subiectum und passio)
gerechnet (cf. ib. lin. 11–13): die termini erhalten zwi­­schen oder außerhalb notitia ab­strac­­ti­va
com­plexi und notitia incomplexa oder termi­no­rum, wie sie in Anm. 40 schwer entwirrbar (in-
definit) erschienen, kein eigenes Verhältnis. Die Induktion gilt den intensionalen Bestimmungs­
merk­­­ma­len, die wir dabei gegeneinander ansetzen und verschieben können, nicht der Erbrin-
gung von termini und Satzarten. ‘Notwendigkeit’ kann einen Satztyp in der Negation von (ob-
ligater) Realwertigkeit exzedieren.
46. Der Satz, nach seiner mentalen Existenz, wird also in die Reihe der Gegebenheiten einbezo­
gen, über deren Ver­­­hältnis die reflexiven Aussagen gelten.
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 563

Hier gibt es denn auch den Übergang von empirischen Begriffen, mit denen wir
empirische Wahrnehmungen tätigen und anderen, ebenso empirisch natürlich in in-
nersubjektiver Hin­sicht: Wir müssen bereits den Terminus ‘sehen’ von der strengen,
mit der notitia in­tu­i­ti­va ge­ge­benen Empirie lösen (Ockham führt einen Beweis). Das-
selbe müssen wir bei cre­de­re tun. Wir betreiben mit Ockham Satzanalysen, bei der
alle Aussagen ihre Relat­i­on als eine auf den kontingenten Satz haben. Er gibt etwa die
causa (finalis) u. a. Bezüge an und klei­det sie ein. Die kontingenten Aussagen geben
pro forma die (empirische) Wahrheit an. Ab­strak­­­ti­on be­zeich­­net den Inhalt (ist der
Inhalt) außerhalb der mit Hilfe des Wahr­heits­wertes ‘vorge­nom­menen’ Regulationen
von Aussagen. Auch der actus ap­pre­hen­si­vus löst sich von der strengen empirischen
Welt. Dabei ersetzt er in gewisser Weise Gott, der nicht mehr als quasi unver­hüll­­­­­te
Gegenständlichkeit erscheint, respektive gedacht werden kann. Er wird auch nicht
mehr in diesem Sinne erschlossen.
Die menschliche Erkenntnisfähigkeit wird auch unter dem Aspekt gedachter
göttlicher Ein­griffs­­mög­lichkeit, die nur eine modale Qualität für unsere Akte hat,
gewahrt. Sie bleibt strikt bei sich selbst, kann aber induktiv und persuasiv im Sinn
von Kompatibilität zur trans­zenden­ten Auch-noch-Möglichkeit hin überschritten
werden kann, die dann Gott betrifft oder die vi­sio beatifica respektive die cognitio
angelorum. Bei dieser Entge­gen­setzung wurde die mensch­­­­­­liche Erkenntnisfähigkeit
weder eingeschränkt noch vernichtet. Aber in Gottes Erken­nen dringt man damit
noch nicht ein. Die göttliche Ein­griffs­­mög­lichkeit beschreibt oder indi­ziert, was die
Relevanz menschlicher Begriffe (und eventuell Aussagen, die reflektiert und be­wertet
werden sollen) anbetrifft, deren Ambitus. Gott ist dabei auch kei­­­­ne mit einem ande-
ren oder überlegenden Erkenntniswesen für den Menschen negativ ins Spiel gebrach-
te Instanz oder auch nur Folie. Ockham hat Gott ausschließlich die notitia in­tu­iti­va
als Erkenntniswei­se zugeschrieben47 und auf den Übertrag des göttlichen Erkennens

47. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 39 lin. 7–10: „Deus habet notitiam intuitivam omnium, sive sint sive
non sint, quia ita evi­den­ter cognoscit creaturas non esse quando non sunt sicut cognoscit eas
esse quando sunt.“ Gott denkt und er­kennt nicht diskursiv. Gott erkennt also wesentlich das
esse oder die existentia und ebenso das non-esse bzw. die non-existentia, wenn sie nicht sind,
so dass er sie daraus noch nicht nach ei­nem Wesen erkennt, welches ja auch in der menschli­
chen Erkenntnis aus der notitia intuitiva nicht hervorgeht. Wenn Gott nur ver­mö­ge der noti­
tia in­tu­itiva erkennt, erkennt er somit auch nicht das Wesen. So lässt sich Gott von der Welt
ge­trennt halten, theo­logi­sche An­sich­­ten können eine induktive Bestätigung oder Bestreitung
er­hal­ten. Wenn Gott aus­schließ­­­­lich die no­ti­tia in­tuitiva zugeschrieben werden kann, wird diese
als mit dem sub­iec­tum oder der sub­stantia Gottes zu­sam­men­­­fallend erscheinen, wie dies bei
allen Eigenschaften und At­tri­buten Gottes der Fall ist (Ord. d. 2 q. 1 OT II p. 17 lin. 9: „Sapientia
divina om­ni­bus modis est ea­dem essentiae divinae qui­bus essentia divina est eadem essenti­ae
divinae, et sic de bonitate di­vina et iustitia; nec est ibi pe­ni­tus aliqua distinctio ex natura rei vel
non-iden­titas.“ Generell (ib. p. 25 lin. 13–15): „perfectiones attributales nullo mo­­do ex na­tu­ra rei
distinguuntur ab essentia divi­na.“ So kann es eben nur die­­se notitia für Gott geben. Eine an­de­re
müsste aus dieser ‘einen’ hergelei­tet wer­den (können), was einen Wi­derspruch bedeutete: eine
Erkenntnis, die nicht notwendig aus Gott stammend ihn auch über­schrit­te, also nicht notwendig
564 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

auf das mensch­­liche, das we­­sentlich im actus apprehensivus, in der notitia abstractiva
gründet und zen­triert ist, über­haupt verzichtet.48 Damit scheint indes das Emblem
des verborgenen Gottes (deus abscon­di­tus), bzw. eines toten bzw. eines abwesenden
Gottes, noch nicht begrün­det. Da­­­für wäre das me­­­di­um eines persönlichen Gottes
erforderlich, das seiner­seits histo­risch nicht völlig begrün­det ist oder durchgehend
nicht gedacht worden ist.49
Vom toten, vom gleichgültigen, vom abwesenden Gott ist historisch schon für
ganz verschie­de­­ne his­torische Zeitpunkte gespro­chen worden.50 Natürlich ist Gott

die seine wäre. Die res sind damit auch noch nicht, nach dem Schema oder der Ge­­meinsamkeit
von substan­tia und ac­ci­dens ge­dacht, in Gott und gar noch im Plan Gottes für die Schaf­fung
der Dinge mit Folgen für die Welt anhängig. Das be­deutet die nominalistische Kom­po­nente
noch in der Spe­kulation des Ni­­­kolaus von Kues, cf. H. G. Gadamer, Philo­so­­phisches Lese­buch
I, 1965 p. 326 S. und id. 1960, pp. 413 -415. Vie­le Ele­men­te unsere Denkens: Wi­der­spruchssatz,
das on­to­lo­gi­sche Schema mit sub­­­­stan­tia und acci­dens, Zu­verläs­sig­­keit der Schö­pfung können
ge­l­ten, wie Niko­laus von Autrecourt in Kritik und Postulat voraussetzte.
48. Auch in den Ideen erkennt Gott nicht Gegenstände, die dabei in besonderer Weise ausgefal­
tet oder verbunden wären (Ord. d. 35 q. 5 OT IV p. 502 lin. 4): „Ipsaemet creaturae sunt ideae,
sicut ipsae sunt in­­tel­lectae a Deo.“ (ib. p. 493 lin. 8f): „omnium rerum fac­­tibilium sunt di-
stinctae ideae, sicut ipsae res inter se sunt distinctae.“ Gott erkennt in Ideen. Diese gelten der
ein­­zelnen Sache. Dabei kann Gott nach diesen Ideen die res hervorbrin­gen (ib. p. 493 lin. 5–7):
„Ideae non sunt in Deo subiective et realiter, sed tan­tum sint in ipso obiecti­ve, tan­quam quae­
dam cog­­nita ab ipso, quia (W 1495: quin) ipsae ideae sunt ipsaemet res a Deo producibi­les.“
Die Ideen haben eine ob­­­jek­tive, kei­ne subjektive Existenz in Gott, sie sind damit ficta. Mit der
Entfal­tung oder Aus­ge­stal­­tung der Din­ge nach genus und differentia würde dieser Charakter
der bloßen objekti­ven Existenz der ideae verlassen werden (ib. p. 493 lin. 14–17): „Generis et
differentiae et ali­orum uni­versalium non sunt ideae, nisi po­ne­retur quod uni­ver­sa­lia essent
quaedam res subiective exi­stentes in anima, et solum communia rebus extra per praedicatio-
nem.“ Solche Prädikation gilt im menschlichen Geist. Die Über­tra­­gung des menschlichen Er-
kennens auf den göttlichen Geist steht unter dem Vorbehalt, dass er damit nicht Be­din­­gun­gen
zugewiesen erhält, die ihn im Sinn von Wi­der­spruch, Entmächtigung oder Untrennbarkeit von
der Welt diskreditieren könnten. Das wür­de die Übertragung zu­­nichte machen, die von der
Seite der Begrif­fe her ne­giert werden könnte. So gibt es bei Ockham eine Ohn­macht und eine
Autonomie der concep­tus und das Denken und Erkennen betreffenden Be­­­stim­mun­­gen, die
ihm in diesem Sinne auch fak­tisch zu­kom­men, we­nigs­tens per Konstrukt oder Argument. Also
hy­po­thetisch mit einem ge­­wissen Spielcharakter. Da­bei müs­sen für das Mittelalter (wie auch
für die Neuzeit) nicht Motive un­ter­stellt wer­den, die im Sinn (notgedrungen fal­scher) Kom­­­pen­
sa­ti­on ih­re jeweiligen Reaktionen ausgelöst haben sol­len: ve­xiert erleb­te Ohnmacht im Vorlauf
auf dann eintre­ten­de Au­to­no­mie. Ockhams um den actus appre­hen­sivus zentrierte Met­hode
lässt die­sen Schluss nicht zu.
49. Kabbala, Gnosis und Neuplatonismus bezeugen nach G. Scholem nicht notwendig einen
persönlichen Gott.
50. Cf. U. Schrei­ber, Opernführer für Fortge­schrit­te­ne, Bd. II, ³2002, p. 521: „Bei Gott­fried
(von Straß­burg) geht Isolde heil aus einem wegen Meineid und Ehebruch angestrengten
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 565

immer wie­­der den Men­schen fremd und un­­verständ­lich vorgekommen, und es mag
inmitten des Mit­tel­al­ters die völli­ge Hinwendung Got­­tes zum Men­­­­­schen gar nicht
möglich gewesen sein: in der Weise dass sie ideell konzipiert wäre für wahr und see-
lisch zuträglich gehalten wor­den.51 C. F. v. Weiz­säc­ker mein­te, in der Neuzeit würden
sukzessiv Gottes Eigen­schaf­­­ten vom Menschen über­nom­­men (oder imaginativ auf
ihn über­tra­gen). Dabei müsste gese­hen werden, dass im Mittelal­ter Got­tes Eigen-
schaften gleichsam ungegenständlich blieben. Wenn Gott von Ockham et­was zu­ge­­
schrie­­­ben wurde, z. B. im Menschen die visio bea­ti­fica zu be­wir­ken, so blieb Gott
doch im­mer nach seinem begleitenden Erkenntnisvermögen blass, al­so auf einem
Fel­de wo er die Qua­­­li­tä­ten hauptsächlich hätte haben sollen, die der Mensch sich
her­nach selbst im­plizit zu­sprach, bzw. hypothetisch aneignete. Gott und mensch­li­che
Aktivi­tät (u. a. in­tel­lec­tio, die Gott und Mensch als Aktivität zu teilen hätten) erschei-
nen sogar ge­gen­­­sätz­lich:52 „cum igitur respectu ac­tus beatifici, puta tam visionis di-
vinae quam fru­i­ti­onis, De­us sit causa totalis, et in­tel­­lectus et voluntas se habent pure
passive re­spec­tu il­lo­rum actuum, sicut su­pra dictum est de obstina­ti­o­ne angelorum,
sequitur quod re­spectu illius vi­sio­nis intel­lec­tus agens non ha­bet ali­quam ac­ti­­vi­­tatem.
Et hoc est propter nobi­li­ta­tem actus, non quia idem non potest esse activum et passi­
vum respectu eiusdem.“ Der Nominalismus Ockhams be­treibt keine Sinnerhellung,
auch nicht über die Erkennt­nis (Erkenntnistheorie) – so besitzt er kei­­nen neuzeitli-
chen Ver­gleichs­punkt. Er sucht nicht in den Be­griffen, ihre Natur betref­fend, ei­nen

Gottesgericht mit glü­hen­den Ei­sen her­vor. Da vermischen sich erotische Li­be­ra­li­tät und anar­
chi­sche Impulse: Gott ist völlig kor­rum­piert, vielleicht so­gar tot.“ Ockham (Ord. Prol. q. 7 OT
I p. 203 lin. 24f) zitiert Gregor d. G. Super Ezechielem, II, hom. 2, n. 14 annä­hernd wortgenau:
„mens nos­­tra … non ad illud quod ipse (Deus) est, sed ad aliquid quod sub ipso est attinget.“
(PL 76, 956 D). Cf. P. Vig­­naux, 1938/1948 p. 20 zu Hugo von St. Viktor: „le Dieu qui apparaît
en toutes cho­ses de­meu­­re en soi absolument inaccessible. On ne peut imaginer, dans l’ordre
de la connaissance, distinction plus ra­­di­­ca­le … Hugues denie la position commune du Moyen
Age selon laquelle la montée de l’esprit ne s’arrête qu’à la vi­si­­on même de l’essence divine.“ Eine
solche „‘Vision’“ wird bei Ockham dem ‘Begriff ’ adjungiert. Cf. zum to­ten Gott auch O. Pluta,
Atheismus im Mittelalter, 2001, dazu Kap. 8 Anm. 142.
51. Gott­fried von Straßburg starb 100 Jahre vor Ockhams Wir­­kungs­zeit. Später ist im spani­
schen Ba­rock Gon­go­ra Nihilist. Vom verborgenen Gott hatte mit Hin­blick auf Pascal und Ra-
cine L. Goldmann, Le Dieu caché, 1956 ge­sprochen. A. Koy­­­ré, From the Closed World to the Infi-
nite Universe, 1957 nimmt mit Bezug auf die Über­gangs­phase zwi­­schen Mit­­tel­al­ter und Neuzeit
einen praktischen Nihilis­mus der Em­pfin­dung an. Wenn Gott in dem Au­gen­blick noch einmal
pointiert Person wird, da er in menschli­chen Qua­li­tä­ten und in je beschränkten mensch­lichen
Vermögen abgelöst wird, be­­zeich­net es ihn eher nach sei­nem bi­blisch-jüdi­schen An­fang, nicht
wie die Traditi­on, die ihn, an diesen An­fang vielleicht an­knüp­fend, sich angele­gen sein ließ.
52. Rep. II, q. 20 OT V p. 443 lin. 10–17.
566 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Anhaltpunkt für un­se­re Erkennt­nis­­kapazität. Er führt daher auch nicht, zu sol­chem


Zweck, die Trias Gott, Welt, Mensch zu­sam­­­men.53
Entscheidend bleibt für Ockham die Tren­nung von patria und via, die er dann im
Sinn des Ver­gleichs und der Terminologie, nicht der Kon­struk­te und Kon­zep­tionen,
überspielt:54 „Deus au­tem est nobis ignotior omni crea­tu­ra, igitur non potest nobis in
via esse mensura om­­nium.“ Diese Unterscheidung ist radikal genug; jedenfalls ist sie
so radikal, dass sie die Über­for­mung der menschlich-empirischen Erkenntnisweise
im Sinn eines sie verändernden oder durch­kreu­zenden göttlichen Eingriffs de facto
(= definit) nicht zulässt. Gerade bezüglich sei­ner Er­kennt­nistheorie mit Erstreckung
auf die Wissenschaftstheorie und das Konzept der wis­sen­­schaft­­lichen Theologie ist
Ockham mit Befremden gesehen worden. De Gan­­dil­lac be­merkt,55 dass Ockhams
Prolog zum Sentenzenkommentar zunächst glauben las­se, dass er die Scotische Un­
ter­­scheidung von theologia in se („qui serait proprement scienti­fique“) und eine the­
ologia via­to­­ris („qui se réduit ef­fectivement à un habitus quasi scientificus“) sich aneig­
ne. Das ist indes nicht zu sehen. „Mais on s’aperçoit vi­te que la criti­que qu’Ock­­ham
institue de l’„ab­strac­tion“ scotiste (telle du moins qu’il entend, non peut-être sans
quelque mauvaise foi) – Prol q. I, AA – le conduit à des positions plus radi­cales. Si nous
sup­po­sons, en effet, comme Duns Scot lui-même, l’‘hypothèse’ (prise naturel­le­­ment
de po­ten­tia absoluta) d’une saisie ab­strac­tive de Dieu, saisie ‘dis­tincte’ et ‘particuliè­re’
qui ne se­rait ni ad­­­­hésion de foi ni vision ‘in­tuitive’ à la façon des bienheureux, il ne
fau­dra point ré­dui­­re cette notitia abstractiva (‘thé­ori­quement’ pos­sible in via par le
pouvoir sou­ve­raine de Dieu) à une sim­ple ‘image dimi­nu­ée’ de Déité, mais bien la
prendre comme une connaissance de la res ip­­­­sa, c’est-à-dire cette mê­me perfecta ratio
Dei que les scotistes pour­tant prétendaient ré­server à la theologia in se.“ De Gan­dillac
zu­folge müsste Ockham so den Ge­danken von Gottes Ein­griffs­­­­­möglichkeit Duns
Sco­tus zu­lie­be ebenso wohl rein hypothetisch überneh­men wie zu­gleich für illuso­
risch halten, was er ja schließ­lich tut. Aber er leitet keine Geltung aus der the­o­­­lo­gia in
se ab, die wir nicht ha­ben und dann mit Duns Scotus für real gel­tend und doch eben
illusorisch pro statu isto zu den­ken hät­ten. Das mag man für „mauvaise foi“ halten.
Die Über­nah­me einer notitia abstrac­ti­va, die wir in via ja haben, erst durch die Omni-
potenz aber er­scheint als ein sich widerspre­chen­der und sinn­loser Gedanke. Allenfalls
bezüglich der Scoti­schen Deduktionsweise, die sich darauf zu stützen hätte, erschiene
sie sinn­­voll. Dieser Deduk­ti­­­ons­art folgt Ockham nicht. Sie hätte zu be­deuten, dass
die Lo­gik – mit oder ohne In­halt (Se­mantik) – dem Deduktionsakt in einem rei­nen
„a priori“ vor­aus­ginge und dann vom De­­­duk­­­­tionsakt eingeholt und realisiert werden

53. Cf. K. Löwith, 1967. Wie bei Ockham der actus appre­hen­si­vus menschli­ches Denken in sich
beschloss, ver­zich­­tete er darauf, Gott, Welt und Mensch miteinander zu verrech­nen. Das liegt
weit vor jedem Inte­res­se, aus ih­rer Diskre­panz pro­blembehaftete Gemengelagen zu verfertigen
und Phantome mit Scheinleben ­zu­ begaben.
54. Rep. II, q. 9 OT V p. 173 lin. 7f.
55. M. de Gandillac in A. Forest et al. 1956 p. 477.
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 567

könn­­­te. Haben wir die­se Theologie dann nun oder ha­ben wir sie nicht? Ockham sup­
po­niert nicht diese Dedukti­ons­weise und begrün­det für sie keine theologische Wis-
senschaft, über­haupt keine Wissen­schaft.56 De Gandillac spricht von den „étranges
formules d’Ock­ham, qui sont dia­lec­tiques et ne concer­nent aucunement la vision fa­ce
à face.“ Auf diese visio, die pro sta­tu isto un­möglich sei, zielt Ockham de facto nicht
ab. Sie trüge die noti­tia Gottes, wie sie die beati haben und wie sie Ockham für die
Kon­stitu­ti­on sei es von Wissenschaft sei es von Erkennt­nis Gottes überhaupt nicht
heranziehen will. Für Ockham kann es abstrakt und per­su­a­siv ei­ne notitia abstractiva
in patria ohne antezedente no­­titia in­tuiti­va (al­so vi­sio bea­ti­fi­ca der di­vi­na essentia) ge-
ben. Sie gilt nicht in via. Auch nicht vergleichsweise.57 Hier hat Ock­ham menschliches
Er­kennen, sei es wissenschaftlich, sei es empirisch über seine Analy­sen des for­ma­len
Status der Begriffe und Sätze in intensio­na­ler Hinsicht anders strukturiert. Nur für
den kontingenten Satz aber gilt:58 „Si­mi­liter, per no­­titiam abstractivam nulla ve­ri­tas
contingens, maxime de prae­sen­ti, pot­­est evi­den­ter cog­nos­ci.“ Die Dif­fe­ren­­zierungen
ver­schie­­de­ner casus, die wider­spruchs­frei, wie Ockham sich zu zeigen be­müht, ein
und dersel­ben ra­tio entspre­chen, und so unter die­sel­­ben Bestimmungsbe­grif­fe wie
no­­­ti­tia intuitiva, no­­ti­tia abstrac­ti­va etc. fallen, wer­den gern ‘di­a­lektisch’ genannt.59
Ockham hat aber da nur ein ei­ge­nes Ab­strak­tions­ver­­fahren an­ge­setzt, das nicht mehr
von ‘Lo­gik’ abhängt. Er stellt das Ver­­fah­ren und die Mei­nun­­­­gen und Ein­stel­lun­gen des
Duns Sco­tus jeweils partikular in Frage und das den­noch durch­­aus im Ton von De­sa­­
vou­ie­rung. Es in­hä­­riert demgemäß ein Allgemeinheits­sta­tus: indem eine partikulare
An­nahme oder Behaup­tung (opinio) nicht aufgestellt werden kann oder mög­lich ist,
ist sie dies im Sinn der Konse­quenz nicht, in die alle Verwendungen dersel­ben notitia
o. ä. einge­schlos­sen sind. So ergibt sich psychologisch und mentalistisch ein Kon­text,

56. Die Gesamtheit der Beweise, die für die Scotische ‘Me­ta­­physik als Wis­sen­schaft von Gott’
(W. Kluxen, 1966) ge­for­dert werden muss (müsste), wenn auch nur ein einziger Beweis (und
Beweise werden wohl kon­stitutiv und quasi die Behältnisse seines Gedankens sein müssen),
kann es nicht geben, da diese Gesamtheit (in dem Beweis- und Ge­­samtbeweissinn unerläss­
lich) nicht geordnet sein kann; damit kann aber auch kein einziger unabdingba­rer for­maler
Bestandteil in diesen Beweisen verlässlich (relevant) sein. Das ist ein analytisches Ergebnis,
bei dem die De­tails selbst nicht als fixierte vorausgesetzt werden (müssen). Dieses Ergebnis
entspricht Lö­wen­heim und Sko­­lems Paradox für die Mengenlehre (cf. S.C. Kleene, 1967, §53
pp. 321–330) und besagt die zwingende Not­wen­­dig­keit reflexiv gegen Duns Sco­tus Beweisen
und laut einem beweistechni­schen Konzept refutativ aufzutre­ten, wie Ockham es getan hat.
Denn Duns Scotus operiert ja wohl analog aussagenlogisch.
57. M. Lenz, 1998 macht nicht klar, ob Ockham hier mehr als einen Vergleich „ausgeschöpft“
(wie?) haben soll, wenn er für Ockham aus einer notitia abstrac­ti­­va di­vinae es­sen­tiae in pa-
tria jene Legitimation „folgen“ lassen will, die ‘wir’ durch die notitia abstrac­ti­va, die wir in
via haben, vollziehen könnten. Keine ‘Folgerung’, wie bei Duns Scotus wohl impliziert, kennt
Ockham da.
58. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 32 lin. 10–11.
59. Von M. de Gandillac, P. Vignaux, E. Iserloh.
568 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

eventu­ell eine kau­sale Struktur, wenngleich sie nicht offensichtlich, sondern nur la-
tent ist und mit der Ar­gu­mentation erst und allein zum Vor­schein kommen kann.60
Damit kommt fall­weise und fallgebunden eine eigene mächtige, doch allgemeingül-
tige Struktur zustande.61 Die Ver­wendung des Terminus ‘Nominalismus’ für diese
Struktur und Ockhams Lehre ist oft zurück­ge­wie­sen worden.62 Letztere enthält argu-
mentative logische Anteile, ist aber nicht a priori durch Logik bestimmt. Sie kommt
im Endeffekt mit logisch haltbaren Ergebnissen über­­ein, in­dem die Beweisführungen
in ihrer sukzessiven Anordnung und Bemühung eine nicht de fac­­to ermittelte Konsi-
stenz entscheidend (also erweislich) nicht ausschließt. Konsis­tenz ist eingeschlossen,
aber nicht abschlie­ßend bewiesen.63 Den Nominalismus bei Ockham und von ihm

60. Determinat können erst die mit der notitia ab­strac­ti­va formierten Sätze sein. Dass der ac-
tus apprehensivus aus der notitia abstractiva her­vor­­geht, ist nach Ockham ein­deu­tig (Rep. II.
q. 12–13 OT V p. 258 lin. 6ff): „sed res­pectu cognitionis appre­hensivae, per quam formo com­
ple­xum, non est cognitio intuitiva nec sensitiva nec intel­lec­­­tiva causa partia­lis.“ Die notitia
in­tu­itiva ist immer ein wenig unterbestimmt. Sie dient gerade ein­mal der Er­kenntnis der fakti­
schen Gegebenheit und Existenz, der Verifikation (cf. ib. q. 9 p. 176 lin. 15ff): „ex hoc quod cog­­
nos­co sic esse in re, ex hoc cognosco quod actus per quem assenti­o rei est verus“. Alles andere
was zu ihr ge­fol­gert (postuliert) wird, ist mit ihr kompatibel: es ist nicht ausge­schlos­­sen, ohne als
notwendig oder faktisch ab­ge­leitet werden zu kön­nen. Erst so auch ist die notitia intuitiva ihrer
Definition nach determiniert. Ockham nennt natürliche Gründe für eine Minderung oder Ver-
hinderung der notitia intuiti­va, selbst wenn deren Bedin­gun­gen fak­­tisch erfüllt sind (Ord. Prol.
q. 1 OT I p. 33 lin. 8–12): „est tamen advertendum quod ali­quando prop­ter imper­fec­tionem no­
ti­tiae intuitivae, quia est val­de imperfecta et ob­scu­ra, vel prop­ter alia impedimenta ex parte ob­
iec­ti, vel propter alia impedi­men­ta (W 1495 erg. potentiae cognitivae) pot­est contingere quod
nullae vel pau­cae veri­ta­tes con­tin­gen­tes de re sic intuitive cognita possunt (W 1495: possint)
cognosci“; Ockham spricht nicht von ei­nem Willkür­ein­griff Gottes.
61. J. Mari­tain, True Humanism, 1946 p. 141 at­tes­tiert der Spätscholastik: „a high­­ly re­mar­ka­ble
and ex­tra­or­di­na­ri­ly vi­go­rous ef­­fort … to­wards a high and per­­­fect uni­fi­ca­­ti­on of the intel­lec­­tu­al
and po­tential struc­tu­­res“.
62. M. de Gandillac in A. Forest et al. 1956 p. 451: zieht ‘Ockhamis­mus’ vor „car la théorie de
l’universel y joue un rô­le dérivé et l’on défigure peut-être l’iniateur de la vie mo­der­­ne en faisant
de lui un simple maillon entre Ros­­­­celin et Berkeley.“ Cf. auch P. Vig­naux, 1938 und 1948, p. 170:
„Pour définir la pensée de Guillaume d’Oc­cam, l’his­toi­re doc­tri­na­le a reçu de la tradition sco-
lastique le terme nominalisme. Nous lui cherchons un sens pré­­­­­­­cis sans croire que le problème
des uni­versaux ait fourni à l’occamisme sa tâche cen­tra­­le.“
63. Eine Sinnstruktur kann logisch nicht ausgedrückt werden. SL I c. 17 OP I p. 52 lin. 18–21
sagt Ockham: „Item 100 Metaphysicae: In omni ge­nere est unum primum, quod est men­su­ra
omnium aliorum, quae sunt in illo gene­re. Sed nul­­­lum singulare est mensura omnium aliorum,
quia non om­ni­um individuorum eiusdem spe­cie; igi­tur est aliquid praeter individuum.“ Die
Metaphysik des Duns Scotus be­ruhte, wie auch Got­tesbe­weis, auf einer „Ab­­strakti­on“, die im-
mer zugleich auch eine reale Be­deu­tung benannte: in dem Sinn und darum konnte keine Lo­­­gik
überhaupt begründet sein. cf. Anm. 56 o. Ockhams Konzept der notitia in­tu­i­ti­va bezeichnet die
Ge­gen­po­si­tion unter Einbezug alles Logischen (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 31 lin. 17–23) „Si­mi­liter
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 569

ausgehend in seiner Epo­che in freier hermeneutischer Reflexion bestim­men zu wol­­


len, stößt auf materiale und formale Hindernisse.64 Die nominalistische Erklärung
des Be­griffs als uni­versale, welche ihn platterdings auf seine Funktion festlegt und
danach be­schreibt, lässt be­reits den Verzicht auf Sinnstiftung und Sinn­er­hellung als

notitia in­­tu­i­ti­va est talis quod quando aliquae res cognoscuntur quarum una in­hae­ret al­teri
vel una dis­­­tat loco ab altera vel alio modo se ha­­­bet ad alteram, sta­tim virtu­te illius notitiae in­
comple­xae illarum rerum scitur si res inhaeret vel non inhaeret, si distat vel non distat, et sic
de aliis ve­ri­ta­tibus contin­gen­tibus, §nisi illa notitia sit nimis remissa, vel sit aliquod ali­­­ud im­pe­
dimen­tum§.“ Die Suppositonslogik kann ei­ne Gegenposition zur Ontologie nicht innehaben.
64. H. Blumenberg, 1966, p. 351 be­haup­­­tet für Äu­­ße­­run­­gen im spät­scho­las­ti­schen No­­­minalis­
mus ei­nen Ge­gen­satz von Na­­tur­­ge­setz­lich­­­keit und frei­em Verfü­gungswi­l­len Got­­­tes. Kann dieser
Gegensatz überhaupt – sc. für das Bewusstsein bestehen?: Ockham bestimmt für ele­­men­tare
physische Wahrnehmungen lediglich ein Verhältnis der forma (mehrerer formae) zum acci-
dens und zum Widerspruch, an denen sie in der Invisibilität zu versinken hätten, so dass beide
ausgeschlossen werden müs­­­­­sen, i.e. das accidens nicht in die substantia (forma) eintreten darf,
damit mit der forma Bestimmbarkeit (De­­­terminat­heit) gegeben bleibt. Ockham be­ton­te die
Nicht­­er­kenn­bar­keit der Ma­­te­­rie in sich. In­dem die for­ma auf sie, also auf die in sich uner­kann­­­­­­
te ma­te­ria zu­ge­­führt wird, wird (die) all­ge­mei­ne Un­­begründ­bar­keit sicht­­bar: es gibt kei­nen
Wahr­­heits­wert, mit dem ein per se wahrer Satz be­gründet wer­den könn­­te, der kon­tin­gen­te
näm­lich, der aus sich nicht allge­mein und not­­wen­dig wer­den kann (Ord. d. 37 q. un. OT IV
p. 568 lin. 3–6): „ubi­cum­­que est ma­te­ria vel pars ma­te­riae ibi est forma. Non sic est loca­tum in
loco, quia locatum non est ubi­cum­que est lo­cus vel pars lo­ci.” Von ihr gilt (ib. lin. 2f): „di­­citur
es­se in materia per es­sen­ti­am.“ Wo die for­­ma die materia zu um­­­­­­­­­fassen hät­­te, müss­­te Er­kennt­­
nis all­ge­mein wer­den. Ockham zeigte vor Au­tre­court, dass das nicht mög­­­lich sei (Definit­heit);
Gott ist kein Maß­stab oder Analogon der Welt­­­er­kennt­nis; er er­­scheint welt­ex­­tern. Ockham (cf.
Anm. 54): „De­us autem est no­bis ignoti­or omni cre­atura, igitur non pot­est no­­bis in via es­se
men­su­ra omni­um.“ Der Wider­spruch in sich und die res (in se singularis) einer­seits und Gott
ande­rer­seits sind termini ex­clu­­si­vi der Weltbe­trach­­­tung. Die ge­rin­ge Di­men­sion zu­lässiger Er­­
kenntnis (Weltauslegung, sinn­­­vol­ler Aussagen) läuft auf den ‘Wi­­­­­der­­spruch’ zu, sofern er fak-
tisch im Sinne von Folgerun­g(en) zu vermeiden ist. Für Ockham ist der Wi­der­­spruch zu­gleich
irre­le­vant qua res extra mentem und wird nicht für die res ip­sa in se in den actus men­ta­lis
trans­­por­tiert, um ihn zu konstituieren. Die distinctio realis er­setzt ihn.
570 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Charakterzug un­mit­­­­telbar erken­nen.65 Hier ist in jedem Fall die Stellung des actus
apprehensivus domi­nant.66
Der ac­tus apprehensivus ist neutral ge­gen­­über dem Bezugsgegenstand und damit
auch dem Be­­­lang der Erkenntnis. Wenn Gott oder Engel beispielsweise als Gegen-
stände des menschli­chen Er­ken­nens auftreten, was bei Ockham bedeutet, dass wir
diesbezügli­che Aussagen hin­­­sicht­lich ihrer Zulässigkeit und in dem Sinne erkennt-
nisförmigen Korrekt­heit bewerten und be­urteilen müssen, wird derjenige Vor­griff
suspendiert, der in der gemeinen Objek­ti­­vi­tät der Begriffe zu liegen hätte. Es wer-
den bei solchen Weiterungen von Ockham Kom­pa­ti­bi­li­tät, das potest persuaderi, an
der Stelle der auf Vorgriff beruhenden Allgemeinheit und ‘Ob­jek­ti­­vi­­tät’ festgestellt
und hervorgehoben. Der Vorgriff wird kas­siert. Die in ihm gemut­maß­te Ob­jektivität

65. Gabriel Byel hat in einer Beschreibung der Begriffsnatur die Bestimmungen zusammenge­
fasst, die nach der no­minalistischen Anschau­ung Ockhams anfallen können (Coll. I d. 2 q. 8 L):
„Universale est conceptus men­tis, i.e. actus cog­nos­cendi qui est vera qualitas in anima, et res sin-
gularis, sig­­­nificans univoce plura singularia aeque pri­­mo negati­vo naturaliter proprie: quorum
sin­gula­rium est naturalis similitudo, non in existen­do, sed in re­prae­sen­tando: prop­ter quod dici
potest fic­tum, similitudo, imago vel pictura rei, et­­­i­am obiectum cognitum, sed non in se ipso,
sed alio conceptu reflexo.“ Diese primär negativ leeren Bestim­mungs­momente kombiniert
Byel in Rich­tung auf die Synthesis, die Ockham als Ergebnis seiner Ar­­­­­gumentationsmethode
er­reicht hat, bzw. ein­zeln argu­men­­ta­tiv ver­­­­­tei­digt: er nennt den in sich leeren oder negativen
Be­griff, das heißt den Begriff, der als ac­tus, aber eben auch actus cog­nos­­cen­di auftritt, quasi
nur durch ei­nen conceptus reflexus be­stimm­bar. Die damit im ac­tus oder conceptus reflexus
gegebene Be­stimmung oder Auffas­sung des Begriffs, der seiner Na­­­­tur nach ge­gen­stands­­­­ähn­
lich (unterscheidbar davon gegen­stands­­­gleich), aber nicht eine res extra ani­mam ist, bleibt we­
sent­lich, weil nur so die significa­tio er­reicht wer­­­den kann, auf Argumen­tation angewiesen. Der
Begriff ist negativ und all­ge­­mein an­ge­sichts und in unmittelbarer Nach­­bar­­schaft mit der res
singularis extra animam. Er hat keine Ei­­­­gen­schaf­ten und setzt keine voraus. Was von ihm gilt,
entspricht der Integration des con­cep­tus in den intel­lec­tus (ani­­ma), wo­bei die aristo­telischen
Leitbe­grif­­fe wie qualitas, habitus usw. leitend bleiben. Ockham sagt da (Rep. II, q. 12–13 OT V
p. 282 lin. 7–9): „intel­lectio per quam in­tel­­li­go unum est simi­li­tudo unius, et om­ni­­um alio­rum
simillo­rum, ex quo sunt simillimae.“ Das be­dingt, dass die Argumenta­ti­on selbst sig­ni­­fica­tio
fak­tisch nicht aus­drüc­ken kann. Die Byel-Stelle s. auch A. Stöckl, Gesch. d. Philosophie d. Mit-
telalters, 1865 p. 1033.
66. Für Ockham ist die Abstraktionsebene bezüglich und neben der empirischen Basis pro­
blematisch; der Über­gang von der einen zur anderen ist nicht unmittelbar, als intensionale
Abstraktion, im Sinne eines Konzeptes wie bei Duns Scotus möglich, wobei denn für Duns
Scotus die empirische Basis ganz ungezwungen mitgemeint ist, im Sinn der Geltung der Ab­
straktion. Eben das ist bei Ockham ausgeschlossen und darin gründet seine Metho­de. Für
Ockham, scheint es, ging etwas nicht, was Duns Scotus zu geläufig ‘gelang’ und als scholasti­
sches Ver­fah­ren gesteigert, massiert und heraldisch verfestigt wurde. Ockham de­fi­niert so auch
nicht die Pro­ble­me des Duns Scotus, den er widerlegt und kritisiert, noch kann er an dessen
Ansichten oder angeblichen Lei­s­tungen ge­mes­sen wer­den. Indem er partikulare Kri­tik übt
oder mit seiner Kritik partikular ansetzt, kommt er zu allge­mei­nen Er­geb­­­nissen, in de­nen die
Ansichten oder Konstrukte des Duns Scotus endgültig ausgeschlossen sind.
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 571

wird annulliert. Die der Verallge­meinerung dienen­de ontologische Präklu­s­ion wird


negiert. Die Allgemeinheit wird durch die Abstraktion aufge­wo­gen und hergestellt.
Sie nimmt sukzessiv zu. Die Induktion reguliert den terminologisch konsisten-
ten Begriffsge­brauch, der sich über einzelnen (allen) casus er­hebt bzw. weitere ca-
sus zulassen und inte­grie­ren muss. Durch das Nicht-Ausgeschlos­sen­sein, das den
intensiona­len Bestand der reflexi­ven er­kennt­nis­theoretischen Begriffe nicht antastet,
sondern implizit verstärkt und bekräftigt, wird die Zu­lässigkeit mar­kiert und zwar
soweit wie die Empirie, der nicht direkt widerspro­chen wer­­den darf, indirekt überstie-
gen wird. Hinsicht­lich solcher Be­grif­fen (und der aus ihnen ge­form­ten Sätze), die als
primäre zunächst noch em­pirische oder quasi empirische sind, dann aber auch auf
Gott und Über­weltliches über­tra­gen wer­den können sollen, werden für Struktur­merk­
ma­­le der Sät­­­ze, in denen sie vorkommen, Kon­­­sequenzen verneint und ausgeschlos-
sen, die ex empiricis Wi­der­sprüche besagen könnten: unter diese Strukturmerkmale
zählen auch mo­­dale Be­stim­mun­­gen in den Sät­zen (modo diviso) und zu den Sätzen
(modo composito). Da­bei wer­den je­doch Folge­run­gen zugelassen, die, wenn sie auch
nicht empirisch sind, doch gel­­­­ten sol­len, weil sie be­­züg­lich der Empirie unan­stö­­ßig
sind, da sie auf diese nicht eingehen, d. h. for­mell nicht in diese hinein­rei­chen.67
Doch gibt es darüber hinaus Sätze prak­tisch-empi­ri­scher, dabei psychologischer oder
ethi­scher Be­deu­tung, die, darin mit religi­ös-dog­ma­ti­schen As­pek­ten behaftet, sich
an die er­kenntnistheore­ti­schen Kernaus­sa­gen Ockhams und damit auch de­ren Grö-
ßenbegriffe, nur pro­blematisie­rend anschließen. Sie verlangen Beweise, In­duk­­ti­onen,
persuasiones, erlauben Wi­derlegungen und instantiae, die nun sachhaft und nicht
mehr inten­si­onal dem Satztypus und über ihn den da­rin verwandten Begriffen gel-
ten. Für sie werden, al­lerdings nicht un­ge­­­bro­­chen, die onto­lo­gi­schen Begriffe oder
Vorstellungen wie cau­­­­sa fina­lis, aber auch ob­iec­­­tum, res, praxis, opus, operatio usw.
herangezogen. Mit ihnen ge­langen wir neu und noch ein­mal spezi­fisch zur ‘Em­pi­­rie’.
Sie ist genuin erfahrbar, aber in keiner Weise aus sich und in sich weiter gegenständ­
lich aufzuschließen. Denn in der Form ab­strak­ter onto­lo­gischer Begrif­fe soll dies bei
Ockham ja nicht geschehen. Für sie würden die Ar­gumen­tati­o­nen oder Be­weise sich
als unzu­läng­­lich herausstellen müssen. In diesen kön­nen nur äußere Re­lationen er­
mittelt werden. Da­bei negiert Ockham in seiner Antwort auf Ein­wän­­de und The­sen
an­de­­rer Scholastiker wie Duns Scotus, Heinrich von Gent, Ro­bert Cow­­­ton, Petrus
Aureoli tech­nisch Kon­se­quen­zen. Da­­mit beseitigt er die Exklusion, die da­von ausgeht
oder aus­­ge­hen könn­­te.68 Darin ge­winnt die Exklu­si­on der Exklusion einen ge­wis­sen
Folge­cha­rakter. Auch hier werden Akte von­ein­an­der abge­grenzt. Dies gilt insbeson­de­
re für die spe­ku­lative Wissen­schaft, der Ockham weit­ge­hend die Theologie zuzählt,
und die pra­xis, em­pirisch-gegenständ­li­­cher Na­tur zu­­nächst, wie es die Begriffe opus

67. Sie müssen negativ sein und – a parte ontologischer Konzepte – auf Negationen bezüglich
der (Erreichbarkeit der) res ipsa in se führen. Die significatio in se wird so auch per reprobatio-
nem nicht ‘allgemein’ ausgewiesen.
68. Darüber in diesem Kapitel u.
572 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

und ope­ra­tio na­he­le­gen, dann aber auch die menschli­chen Hand­lun­gen, die unter die
Ethik rubriziert werden.
Der actus apprehensivus, der in der notitia intuitiva sich findet wie in der notitia
abstractiva, ist gleichwohl von allen Akten, mit denen er im Verbunde auftritt, nach
Ockhams Meinung ge­­schieden (realiter distinctus). Das heißt: er muss induktiv von
ihnen getrennt erscheinen, al­so in einem einzelnen Fall auftreten können, der so eine
Verallgemeinerung auslöscht, bei der die actus intensional kontami­niert er­schei­nen
könnten. Wir könnten einen actus appre­hen­sivus haben, der ohne actus assen­tiendi,
bzw. actus dis­sen­tiendi oder actus dubitandi auf­tritt, ‘ob­wohl das vielleicht natürlicher­
weise nie gesche­hen kann’. Das ist plausibel, da keiner der drei genannten actus den
actus ap­prehensivus hervorbringen und hervorbringend mit sich führen kann, wie
etwa die notitia in­tu­itiva die notitia abstractiva mit sich führt und mit hervor­bringt,
aber weder in dem ihr eige­nen actus apprehensivus noch in dem ihr eigenen actus
iudi­ca­tivus bereits die notitia abstracti­va (actus apprehensivus) enthält:69 „actus appre­
hen­si­vus dis­tin­gui­tur realiter ab actu as­sen­tiendi et dissentiendi et dubitandi et est
compossibilis cuilibet eorum, quamvis forte natu­ra­liter non posset fieri sine quolibet
eorum. Et ideo stat si­mul quod qui­cum­que apprehendit ali­quam pro­po­sitionem as-
sentit illi vel dissentit vel dubitat de ea, et ta­­men quod actus appre­hensivus distingua-
tur realiter a quolibet eorum.“ Jeder der drei ge­nann­­ten ac­tus ist ein actus iu­dicativus
und daher in dem Sinne negativ als der actus iu­di­cati­vus hinzutre­ten muss und selbst
im Sinne des Inhalts oder des actus apprehensivus nicht be­stimmt sein kann. Der
actus apprehensivus enthält in nichts einen actus iudicativus.70 Ockham antwor­tet
auf einen Einwand:71 Bei diesem kann nach dem be­stän­di­gen Zusammenauftreten
von ac­tus, das aber in dem Sinn unbestimmt und wandelbar ist, nur im Sinn einer
falschen Antwort ei­ne Abstraktion angenommen werden, bzw. im Sin­n einer falschen
Abstraktion eine Ant­wort: der zweite actus müsste da die significatio re­prä­sentieren.
Dass empirisch oder formell ein actus (ac­tus apprehensivus oder notitia abstracti-
va immer mit einem actus iudicativus auf­tre­te, be­deu­­tet für Ockham eben nicht,
dass der actus apprehensivus inhaltlich den actus iu­di­cativus ‘einschließe’. In der von
Ockham akzeptierten Ab­straktion (alias richtigen ‘Ant­wort’) ist zu­­­­­­­­gleich die Im­
plikation als Form der Verbindung mit verabschiedet worden.72 In der­selben Wei­se
treten auch schon notitia abstractiva oder actus apprehensivus und notitia in­tuitiva
sen­si­tiva zusam­men, wenn Ockham erklärt, dass durch jene keine Erkenntnis von

69. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 57 lin. 20 – p. 58 lin. 4.


70. Cf. Anm. 21: Der Glaube, dass ein Gegenstand (nicht) existiere, muss nicht auf der notitia
intuitiva gründen.
71. Er zitiert ihn Ord. Prol. q. 1 OT I p. 52 lin. 3–9.
72. Bereits E. A. Moody, 1935, pp. 185–209 sieht Ockhams ‘Logikaufbau’ oder Diskurs ohne die
Implikation.
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 573

Exi­stenz vor­­­kommen kön­­ne, die durch letztere aber gegeben sei.73 Auch hier reicht
die noti­tia in­tuitiva sen­sitiva zur Erkenntnis nicht aus, weil wie bereits der Commen-
tator gesagt habe „for­­matio pro­­­­positionis praesupponit in intel­lectu notitiam incom-
plexam terminorum.“ Die no­­­ti­tia intui­ti­va sensitiva reicht weder zur for­ma­tio der
Sätze noch zu der der termini des Sat­zes. Daneben gibt es dann noch die verschie­de­­
nen actus, die sich auf die complexa richten kön­­­­­nen:74 „de eo­­­­­dem complexo possunt
esse distincti actus secundum spe­ci­em, quia se­cun­dum Phi­lo­so­phum I Posteriorum,
de eodem potest esse scientia et opinio, si­mi­liter error et sci­en­­­tia, et ac­tus er­ran­­­­di et
sciendi eti­am circa eandem conclusionem, quae ta­men dis­tin­guuntur spe­­­cie.“ Hier
ist erkennbar, dass Ockham das Schema von substantia und accidens, i.e. die species
im Zen­trum der formell auf empirische Erkenntnis mit res extra mentem bezoge-
nen pri­mären kontin­genten Aussagen, durch die notitia abstractiva (actus apprehen-
sivus) ersetzt. Die speci­es ent­fal­­tet sich nirgendwo als compositum von substantia
und accidens. Wir kön­­nen tech­nisch auf die speci­es für Ockham erst bei den reflexiv
bewerteten Aussagen zurück­grei­­­­fen und ha­ben da­bei und daher in ihr einen negati-
ven Gehalt, der mit ihrem inten­sionalen Wert über­ein­stimmt, nämlich dann, wenn
für die ‘Erscheinungen’, die specie bewertet werden sol­len, de­ren ra­tio angeführt
werden kann.
Was dann zur ratio einer mentalen Gege­ben­heit be­merkt wird, i.e. wie diese
aus­gedeutet und be­­­­­­zogen wird, bedeutet eine ‘gebroche­ne’ Folge­rung: es gibt Fol-
gerungen, die zum ein­en nicht mehr begründet werden müssen oder kön­­nen und
zum an­de­­ren an der Stelle von negier­ten oder ausgesparten individua und indivi­du­
alia stehen. Die Fol­­­gerungen, die an eine ratio an­­­­schlie­ßen, werden untereinander
nicht mehr klassifi­ziert wer­den können (bzw. müssen). Des­­­halb lässt sich in Bezug
auf ratio und Folgerung in deren Verhältnis von ‘gebroche­ner’ Fol­­­­gerung sprechen.
Es fallen mit der ratio falsche Folge­run­­gen aus. Zugelassene sind dieje­ni­­­­gen, die ohne
Einwand bleiben. Dabei spielt denn auch das Om­ni­­potenzprinzip wieder seine Rol­le:
es dient der Argumentation und wo es ein­tritt, gibt es kei­ne empirischen Einwände,
selbst wenn Ockham hinzufügt, dass was es zu­lässt, per naturam communiter nicht
sei oder so­gar unmöglich sei: tamen per Deum sed non per naturam lautet die For-
mel. Das Om­ni­po­tenz­­prinzip integriert sich in der Tat der Argumentation. So denn
im fol­genden Text:75 „ideo te­neo opi­nionem quam prius tenui, quam is­te (sc. Scotus)
tenet, li­cet eam impro­bat, quod sunt due re­alitates eiusdem rationis facientes per se
unum quarum una pot­­­­­­est esse et intelligi sine al­­­te­ra et econverso. Si dicas quod ista
distinctio non intelligitur nisi per argumentati­o­nem, di­co quod licet de fac­to non
potest percipi nec discerni distinctio illarum realitatum nisi per ar­gu­men­tationem,

73. Cf. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 24 lin. 15ff, p. 25. lin. 1ff und schließlich überhaupt pp. 25–28.
74. Ib. p. 63 lin. 7–11.
75. Rep. III, q. 8 OT VI p. 242 lin. 9–17.
574 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

ta­men Deus potest facere quod una realitas intuitive videatur sine alia.“76 Ock­­­ham
geht über die empirische Realität hinaus, ohne sie im Sinn eines gegenständ­lich de­­­fi­
nierten Wi­der­­spruchs zur Schöpfung (der für uns erfahrbaren Welt) aufzuheben.
Das Konzept des Duns Scotus fußte auf der inhaerentia der Eigenschaft in der
substan­tia oder im Sub­jekt. An­ders: des accidens im Subjekt oder der passio im Sub-
jekt bzw. in der substan­tia.77 Der kontingente Satz, i.e. der Satz, der als kontingent
bezeichnet wird, muss autonom wer­den.78 Wenn hier die Ontologie vermöge der In-
härenzhypothese einen Wert haben kön­nen sollte, müsste sie immer gleich mit der
tautologischen Aussagenlogik zusammenfallen (kön­­nen). Das erscheint als Problem
oder Widerspruch: denn die Klassenlogik kann kein „A priori“ bezeichnen. Da die
Inhärenz abhängig von einer abstrakten Form, in der Weise einer Wi­derlegung auf
die­ser Stufe, bzw. an sie anknüpfend und sie inhaltlich nie verlassend, abge­lehnt
und ausgeschie­den wird,79 kann die Inhärenz als solche keine Identität verkörpern.
Ock­ham bewies, dass die Inhärenz, weil sie auf der Ebene des primären Satzes nicht
be­grün­­det und für sie nicht be­gründ­ba­r war, nicht bestand.80 Damit war er, wie er
operierte, auf einer an­deren (höheren) Stu­­fe. Diese konn­­­te immer nur inhaltlich

76. Dabei sind wir naturgemäß bereits auf der Stufe der Abstraktion, auf der wieder die persua­
sio ihre Rolle hat, wie ja denn hier das Omnipotenzprinzip seine synthetische Funktion inso­
weit hat als ein Widerspruch oder ein Ein­wand ex parte rei ausgeschlossen ist (Ord. Prol. q. 1
OT I p. 59 lin. 3–5): „(per potentiam divinam) potest per­suaderi: quia de nullo absoluto reali­ter
distincto ab alio absoluto potest ne­ga­ri quin possit fieri sine eo per di­vi­nam potentiam abso-
lutam, nisi appareat evi­dens contradictio.“ Per potentiam divinam absolutam kann gesche­hen,
was nicht ex parte rei extra bestritten wer­den kann, und entsprechend auch nicht durch einen
Widerspruch; denn dieser besagt, dass et­was in der Rea­li­tät nicht seine Identität habe oder
bewahre. Darauf beruht ja auch die reduc­tio ad absurdum: sie meint eine fikti­ve Nichtidentität
in reali und danach Realunmöglichkeit. Sol­che Wi­der­­spruchsbeweise finden sich bei Ockham
öfter. Cf. z. B. SL I c 37 OP I p. 105 lin. 24–26: „de Deo prae­di­can­tur passiones propriae sibi;
sed Deo non in­hae­rent aliquae aliae res; igitur passio non est talis res inhaerens suo subiecto.“
Gottes Identität kann nicht über eine Relation (und auch nicht Relation Gottes nach außen)
be­stimmt werden. Das Ganze mutet auch wie ein Über­re­dungsbeweis an. Dann aber für die
passio als keine res. Die passio auch in ihrer menta­len Gestalt oder Exi­stenz kann keine res sein.
Die inhaerentia, so ergibt sich, kann nicht er­klärt werden. Ockham hat denn die inhaeren­tia
auch nur als von Ausdrücken prädizierbar an­gesehen und sie so er­klärt, dass sie die praedicatio
mei­ne und betreffe.
77. Damit gelten der primäre Satz als regulative Aussage und das Verhältnis (die Parallelität)
von Aussage und Sa­­che oder Sachverhalt.
78. S. die beiden Anm. 76 erwähnten und analysierten Argumente. Auch das aus der SL hat
eine reflexive Struk­tur: „…de Deo praedicantur passiones propriae sibi“!
79. Das gilt so auch für die Aussagen über Gott. Cf. Anm. 76 und 78. Damit ist ausge­schlos­sen,
dass auf einer ab­strak­ten Ebene die Inhärenz bestehen oder angenommen werden könnte.
80. Alle Aussagen sind modaler Natur, wenn von ihnen Modi prädiziert werden können. Das
ist – bei Ockham – un­­ter Einschluss der Bewertung von consequentiae der Fall.
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 575

begründet sein oder werden. Für den primären Satz wird mit dem In­hä­renz­­prinzip
die ‘Geschlossenheit’ des Sachverhalts be­an­sprucht, die im Sin­n bloßer Kontingenz
noch nicht eigentlich gegeben ist. Mit der Wider­le­gung der on­to­lo­gisch verstandenen
Formel ‘secundum inhaerentiam passionis seu acciden­tis in subiecto’ wird diese ‘Ge-
schlossenheit’ und Absolutheit, in­ten­sionale Eigenschaft gese­hen, „bestritten“. Die ab­
strak­te reflexive Aussa­ge, die sich auf solche primären Sät­ze in allen ih­ren Modifikati­
o­­nen und Ableitungen bezieht, kann diese Geschlossenheit bzw. das Inhä­renz­­­prinzip
auch nicht statuieren, nicht voraussetzen und nicht beibehalten. Die Induktion, die
bei Ockham der Er­­stel­lung al­ler Meinungen (solutiones) den primären Satz und seine
Mo­di­­fi­ka­ti­on betref­fend dient und oft ne­gativ lautet, bzw. die Geltung von Behaup-
tungen auch nur durch par­tielle Ne­ga­ti­o­nen auf­hebt und anficht, muss nicht einmal
einen eigentlichen Be­griffscha­rak­­ter ent­hal­­ten oder festhalten; sie kann ihn in dem
Sinn aus­schließen. Sie kommt da­mit der Realität wie­­der na­he, die weder logisch noch
ontologisch fixiert oder prätendiert wird. In dem Sinne gilt auch eine Minderung des
Be­griffs­gehaltes für den primären Satz, für welchen oder mit wel­­chem er ei­gent­­lich
an­ge­nommen werden sollte. Der Ausschluss der In­hä­renz hatte frei­lich hier auch zu
be­deu­ten, dass alle Mittel, die eine ‘abstrakte’ (oder pseu­do-abstrakte) on­to­logisch fun­
dier­­­te Er­kennt­­nis zu besagen hatten, hinfällig waren. Auch das Wi­derspruchs­prin­zip
musste es sein, wenn­gleich es für die reprobatio (reductio ad absur­dum) ja benötigt
wur­de. Das Sup­po­­­­si­ti­ons­präskript trat an die Stelle des Widerspruchsprin­zips.81
In den letzten drei Quästionen des Prologus Ordinationis SK mit den Titeln (9)
„Utrum sola ope­­ratio potentiae sensitivae sit praxis“,82 (11) „Utrum notitia practica et
speculati­va dis­tin­guan­tur per fines vel per obiecta“,83 (12) „Utrum habitus theologicus
sit speculativus vel prac­­­­­­­ticus“84 befleißigt sich Ockham einer Argumentation, die den
Bereich der mensch­­­li­­chen sensibilitas, i.e. des actus sensitivus oder der operatio sensi-
tiva, also der Natu­ra­li­tät im huma­nen und dabei implizit im außermenschlichen Sinn,
aufzunehmen hat.85 Solche Ar­gu­­menta­ti­on hat zu besagen (resp. zu ermitteln), wie

81. Auch der Begriff ist am Ende bei Ockham bloß eine Hypothese, wobei die Hypo­the­senbil­
dung mit der in sich variablen Bestimmung der mentalen Natur des Begriffs fortge­setzt werden
kann: fictum seu obiectivum es­se, bzw. intellectio sive subiectivum esse des Be­griffs.
82. Ord. Prol. q. 10 OT I p. 276 lin. 6 – p. 303 lin. 8.
83. Ib. q 11 p. 302 lin. 9 – p. 323 lin. 16.
84. Ib. q. 12 p. 324 lin. 1 – p. 370 lin. 18.
85. Dabei ist festzuhalten, dass die Naturalität oder Natur extra animam, die in die Naturalität
in ani­­­­ma (bloß) über­geht oder hineinreicht, auch immer den Unterschied beinhaltet, der zwi­
schen dem menschlichen Subjekt und der Objektwelt liegt. Die außermenschliche Naturalität
reicht zumindest weiter. Ob sie dann damit auch bereits kategoriale oder kategorielle Diffe­ren­­­­
zen (rationes) setzt, ist zu sehen. Das muss die subjektive Argu­men­­ta­tion aufnehmen, wie und
weil es sie hindern könnte, definite und schlüssige Ergebnisse zu ha­ben. Es wird am Ende ohne
die rationes und gegen sie argumentiert werden müssen. Das macht die jetzt darzustel­len­­­­den
operationes Ockhams und ihre Auslegung wichtig.
576 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

(die) Akte in ihrem Verhältnis (nach ei­nem Ver­hält­­­nis) eine Verbindung (Synthesis)
oder Trennung (Abgrenzung, letztlich sogar Un­­­ter­schei­dung) besagen müssen oder
ergeben können.
Hier muss Argumentation, soll sie ergiebig und bündig sein (können), dasjenige,
was sie dar­bie­­­ten will, je gegen den (gegen einen) Einwand absichern, der besagen
(reklamieren) könn­­­te, dass was getrennt wäre, Exklusion zu meinen hätte oder im-
stande wäre sie zu meinen. Die Ex­­­­klusion erfasst die Abstraktion an der Stelle, wo
die Inhalte (die, wenn das Abstrakte klas­si­fi­ziert sein soll, nach ‘ra­ti­o­nes’ auf­zufassen
sind, so dass der Akt also einen typi­sier­ten Ge­halt hat) imaginäre werden.86 Für
Ockham folglich muss al­le sei­ne Argumentation darauf hin­aus­lau­­fen, die consequen-
tia naturalis zu­­zulassen: den un­beding­ten empirischen Fall betref­fend. Will man den
Einwand ausschließen, dass die ratio als Term87 für einen actus, einen ha­bi­tus oder
ei­ne operatio nicht verwendbar er­­schei­ne oder dies jeden­falls nicht unbedingt tue,
was be­­deu­tet hät­te, dass eine Induktion ge­gen Ockham mög­lich wäre, so muss die
Widerle­gung eines solchen Einwands besagen, dass ei­ne (bestimmte) ne­gierte Impli-
kation eben nicht von ei­ner anderen vorgängigen abhän­ge, i.e. ab­­hängen kön­ne.88

86. Die Exklusion als Faktor schließt die Realgeltung der rationes aus, für einen bestimmten
Fall. Das bedeutet dann einen besonderen casus der Modalisierung. Die Exklusion ist ein Mo­
dus modo composito angewandt. Das Negierte wird jetzt mit der Realität äquivalent. Bisher
war die (empirische) Realität bei der Prädizierung des Mo­dus modo composito ausgeklam­
mert. Jetzt ist es ein negierter Inhalt.
87. Der Begriff ratio wird dann nach seinem allgemeinsten Sinn ausgeschlossen und angefoch­
ten, so als könne er über dem Akt nicht sein und angewandt werden. Das ist eine Annahme,
die zeigt, dass die ganze Annahme des Op­ponen­ten falsch oder unangemessen sei. Der Begriff
ratio zeigt oder enthält eine Grenze, an der (= jenseits de­ren) we­der er selbst noch irgendeine
in­halt­liche Annahme noch länger sinnvoll (definit) zu sein vermag.
88. Wenn man eine Implikation voranstellt (vorgibt), sie also (explizit oder implizit) fordert,
die­­se aber nicht be­ste­hen können soll (was man ‘beweist’), dann ist Ni­ko­laus von Autrecourt so­
wohl recht gegeben wie wider­spro­chen worden. Die Charakterisierung oder Begründung und
Rechtfertigung der Implikation ist dabei dann kein Pro­­­blem. Ni­ko­laus von Autrecourt hat die
Fol­gerbarkeit zwischen scholastischen Begriffen oder Konzepten be­zwei­felt. Er bezwei­fel­te was
er gleichwohl vorgab. Er bezweifelt die Ableitbarkeit. Da­mit ist er nicht gründlich: Die Cha-
rakterisierung, Begründung und Recht­fer­tigung der Im­plikation sind außer Acht. Ockhams
fiktive Geg­­ner wider­le­gen Autrecourt: indem sie selbst widerlegt wer­den. Darin ist auch gleich
der Begründung schola­s­­ti­scher Ansichten nach deren Möglichkeit von Ockham weit­gehend
negativ beschieden worden. Nur soweit wie Ock­ham die Abstraktion ge­gen die Logik sichert,
ver­bleiben wir im Spektrum scholastischer Frage­stel­lun­gen, Ansichten, Ter­minologien und
bedingt des scholas­ti­schen In­stru­­men­­ta­ri­ums ins­ge­samt. Letzteres überschei­ten wir mit Ock-
ham durch dessen Methode. Sie über­schreitet die Scholastik. Nicht die Themen, die Ockham
bear­bei­­tet. Er definiert aber implizit methodisch die In­halte und de­formiert sie in bestimmtem
Sinne, sc. soweit darin projektiv oder wirklich (realiter) ein Wahr­heitsaspekt betroffen ist. Der
geht in der Argumentation und der darin quasi definiert enthaltenen Rationa­li­tät auf. Sie frei-
lich geht nicht über die Abstraktion, die ratio no­­titiarum und schließlich die Formeln ‘non est
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 577

Damit operieren wir auf der ab­­strak­ten Ebe­ne gänzlich empirisch. Das be­zeich­net
die con­se­quentia naturalis.89 Es ist am En­de alles die Frage, ob wir mit den in Rede
stehenden Ak­ten, die wir binden und bezie­hen wol­len, aber nach der Meinung des
Op­po­nen­ten nur trennen und ausschließen können, wenn wir nicht die consequentia
naturalis un­terstel­len wollten, in sich abgeschlossene Entitä­ten ha­­ben könn­­ten. Das
erst sichert die Abstraktion und zwar im Sinne einer consequentia, die sie inten­si­­onal
auffasst und zu­gleich deren reelle Basis zu­lässt.90 Zum Gebrauch der ratio im Ver­­­hält­
nis zur mittels der Abstraktion ausge­schlos­senen Akzidentalität gibt es also einen Un­
ter­­schied.91 Man er­kennt, dass eine Gesamtkonsistenz bezüglich aller Operati­onen,
Er­klä­run­gen solutiones und opi­ni­ones bei Ockham immer nur bis zur Gel­tung einer
ein­zel­nen und ein­­­zi­­gen Operation, De­fi­nition usw. führen kann. Diese erscheint dann
jeweils zu­läs­sig. Sie wird nicht in die an­de­ren inhaltlich überführt, sondern ‘an sie’
bloß über die Er­klärung der Struk­­­tur der anderen ver­mittelt werden können.92

in­con­veniens’ etc. etc. hinaus. Ockhams Rationalisie­run­­gen per methodum ver­las­sen nicht sei-
nen Mentalismus, der die empirische Wahrheit (ex­tra­­mentale Gegenstände) nicht ausschließt,
den Wahr­heits­begriff aber nicht ein­schließt. Die ‘re­lationes inter actus’ werden durch die (in­
duk­tive) Argumen­ta­ti­ons­methode erschlossen, die die Ab­straktion begrün­det, sichert und
(weitgehend persuasiv) weiterführt. Da­bei ent­stehen be­dingte Verallgemeine­rungen bzw. par-
tiell gültige Maximen.
89. Es gilt dann: was (dem Begriff nach =) naturaliter wahr ist, ist auch realiter wahr. Ab-
straktes muss nicht re­a­li­ter ‘wahr’ sein. Ihm lassen sich Modi modo composito verbinden, die
eben das ausschlie­ßen = noch nicht ent­hal­ten. Zu ih­nen gehören die ‘potentia divina absoluta
supranaturali­ter loquen­do’ und die ‘distinctio formalis’.
90. Die Induktion, die zur Abstraktion führt, muss reelle Entitäten voraussetzen. Sie bestimmt
diese aber reduktiv und in dem Sinne aliquomodo negativ. Es kann nie die Rede davon sein,
dass das Reale oder die res (diese in sich), in ganzer Extension (oder mit einem strukturel-
len Ge­gen­wert zur Erkenntnis) erkannt würde. Es ist dann ja sogar so, dass nominalistisch in
Ockhams Theorie und Denkweise die Struktur, die für die Akte entfaltet wird und deren Klas­si­fi­
ka­tionen und danach deren Verhältnisse intensional einschließt, überhaupt nur eine äqui­valen­
te Struk­tur in rebus zuließe. Wir sprechen da von Sätzen, von consequentiae, bei den Sätzen
aber nie von inneren Be­griffsverhältnissen, die noch anders für sich auslegbar in den Sätzen
vorhanden wären oder äquivalent andere Sät­ze über diese Sätze reflexiv zuließen. Eben damit
erreicht Ockham ja gerade, was er dann als reflexive Be­stim­­­mungen von Ak­ten, für Sätze, deren
Verhältnisse usw. gibt. Darin haben sie dann ihren Erkenntniswert, aber erst so, nämlich refle-
xiv. Sie haben ihn nicht wie bei Duns Scotus in sich, so dass für sie (apo­logetisch) ange­nom­­­­­men
wer­den könnte, dass sie per se Erkenntnis, Bewusstsein usw. seien.
91. Von dieser war die Rede, wenn in den actus (etwa notitia intuitiva oder notitia abstractiva)
nicht die Gegen­stän­de einbezogen sein sollten, auf die er sich bezog. Anders: wenn die Inten­si­­
on nicht die Extension maßgeblich oder äquivalent enthalten sollte.
92. Und eben im Sinne der Ockhamschen Erläuterungen, Beweise, Widerlegungen, Ent­geg­nun­
gen auf Ein­wän­de von ihr unterschieden werden könne.
578 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Wenn von einer einzigen Aussage (solutio oder opinio) Ockhams direkt eine
unmittelbare oder ab­solute im Sinne einer Operation gültige oder vermöge ihrer er-
langte Rechtfertigung oder Begründung möglich sein sollte, so wäre sie analytisch:
sie würde einen indirekten Be­weis darstellen und erfordern.93 Sie würde also einer
Widerlegung entsprechen müssen bzw. ei­ne solche in sich (wenig­stens partiell) ent-
halten oder umfassen. Infolgedessen müssen wir, wenn wir Ockhams Argumentatio-
nen sezieren, jeweils immer das Inhaltliche neu definie­ren und damit zur Ab­strak­­ti­on
zurückkehren. Die Operation, die Ockham begründend ge­braucht oder die sich bei
der ‘Begründung’ auch nur „ergibt“, muss an der Stelle von Widerle­gung stehen, also
sie sig­ni­­fi­ka­tiv meinen bzw. mitenthalten.94 Die Aussage, die die Exklusi­on be­deu­tet
und je­ne, die sie er­­setzt, werden casus bloß in einem imaginären Sinn sein und so
nicht mehr einem kon­tin­gen­­ten Satz entsprechen, für den das Suppositionspräskript
gilt und Modi bloß modo di­viso gel­­ten.95 Es gibt dann keine Aussage, die einen Mo-
dus bedeuten kann und kei­nen Mo­dus, der ei­ne Aus­­­sa­ge besagen kann. Es gibt kei-
ne Übersetzung eines Modus­ge­­­­brauchs modo compo­si­to in einen Modusgebrauch
modo diviso und ebenso keine Überset­zung eines Modus­ge­­brauchs mo­­­do divi­so in
einen Modusgebrauch modo composito, was völ­lig klar ist. Was hier sich bestätigt,
beschreibt die Konsistenz für Ockhams Erörte­run­gen.96
In der zweiten der hier genannten quaestiones muss Ockham den Aspekt des
finis97 mit dem ob­iectum zunächst dadurch als verwickelt ansehen und betrachten,
dass obiectum der sci­en­tia und notitia prinzipiell den bzw. ‘einen’ Satz meint oder

93. Wenn eine operatio bzw. auch eine solutio oder opinio aus einer anderen (‘antezedenten’)
her­geleitet werden könn­te, so würde sie mit denselben Materialanteilen arbeiten. Also wären
beide inhaltlich gleich. Die Unterstel­lung der Verschiedenheit würde für den Konsistenz­be­weis
eine Hineinnahme neuer ’Inhalte’ besagen, welche als­­dann neu klassifiziert und be­stimmt wer-
den müssten.
94. Die Modalität und der Modus ‘de potentia divina absoluta supranaturaliter loquendo’, der
modo composito gebraucht (= von einem Satz prädiziert) werden kann, können keine Gesamt­
formation des Ockhamschen Den­kens oder argumentativen Vorgehens enthalten. Sonst müss­
ten sie der Abstraktion entsprechen bzw. diese inner­lich völlig in sich übernehmen und durch­­
setzen. Folglich kann bei diesem Modus auch nicht die Quintes­senz von Ockhams ‘Denkens’
gesucht werden.
95. Die imaginären casus können nicht in Sätzen mit ‘Exklusion’oder ‘Negation der Exklusi­on’
als Modi modo com­posito ausgesprochen werden. Sonst müssten sie Abstraktionen sein.
96. Natürlich kann bei allen scholastischen Erörterungen auch einmal nach deren Lückenlo-
sigkeit gefragt werden. Mutmaßlich gibt Lückenlosigkeit sogar ein besonderes, quasi implizites,
beweisführungsim­ma­nen­tes Interesse bei Duns Scotus ab. Mit der Determinatheit wird es bei
Ockham gleichsam überkompensiert.
97. Finis ist für Ockham causa finalis. Cf. Quaestiones variae, O T VIII q. 4: Utrum ex hoc quod
aliquid move­at ut finis sequatur ipsum habere aliquod esse reale extra animam. Cf. auch Ord.
Prol. q. 11 O T I etwa ib. p. 307 lin. 6: „finis quae est causa finalis“. Die causa finalis steht im
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 579

wenigstens mitmeint.98 Wenn die no­ti­­tia oder sci­en­tia practica in der Form einer
conclusio in einem Syllogismus, der wie wir ge­se­hen haben und hier wieder sehen
werden, das Muster der wissenschaftlichen Erkennt­nis (sc. des discur­sus scientificus)
abgibt, ist diese conclusio, ein Satz also, obiectum der noti­tia. Der fi­nis, der dann mit
der notitia practica verbunden sein muss, weil diese auf das opus zielt und eine ope-
ratio zulassen, angeben oder beschreiben muss, lässt die Erkenntnis (notitia) eines
sin­­­­gulare mehr oder weniger nur fiktiv zu. Gleichwohl muss dieses auch obiectum
ge­nannt werden und ist nach Auffassung und Erörterungen Ockhams mit der Betrach­
tung des uni­ver­sa­le als Begriff und im Satz bloß in vermengter Weise möglich.99 Wir
gehen al­­­so tat­säch­­­­lich fortschreitend nach den Ockhamschen Erörterungen von der
mentalisti­schen (ab­­strak­ten) Ebe­­ne der Akte zu den Sachen in reali (singularia, res
extra), über, wenn­gleich wir mit der In­ten­tion bloß die fiktive Qualität100 der Er­fül­­
lung ‘verbinden’ können.
Für Ockham kann zwischen notitia (oder scientia) speculativa und notitia (oder
scientia) prac­­ti­ca und notitia (oder scientia) practica nicht unbedingt unterschieden
werden. Es heißt auch hier, dass zwischen Empirie und Abstraktion kein völliger

aristotelischen Schema in der Quadri­ga der vier cau­sae, zu de­nen noch causa for­ma­­lis, causa
materialis, causa efficiens ge­­hören.
98. Ist der Satz eine conclusio im Syllogismus, so versteht sich dies von selbst. Nach der dritten
unserer hier be­han­­delten quaestiones wird ein universale auch dann noch ‘mit’ Gegenstand
der Erkenntnis bleiben, wenn förm­lich angenommen werden kann, dass es in der notitia prac­
tica – und dies auch nach der Meinung des Aristoteles – sich um ein obiectum handeln könne,
das singulare sei. Cf. auch unten Anm. 99.
99. Es ist klar, dass danach eine Erkenntnis und Erklärung (auch praktisch im kausalen Sinn)
von Sachverhalten, die Qualifikation der Erkenntnis selbst betreffend, ihrer Gegenstände und
Bezüge, nur induktiv möglich ist und damit notwendig induktiv geschehen muss: wir hätten oh­
ne Induktion überhaupt keine Trennung der Fälle, wel­che mithin aus gleichsam tatsächli­chen
und festumrissenen empirischen Befunden oder Annahmen hervorgeht.
100. Zweifellos kann die Stufe der abstracta und universalia nach Ockham für die Operatio­nen
des erkennenden Ver­standes und seine Bewertung nicht wirklich unterschritten werden (Ord.
Prol. q. 12 OT I p. 351 lin. 3–12): „Si dicatur quod Phi­lo­sophus dicit quod obiec­tum intellectus
practici est singu­la­re et ali­quid contingens aliter se ha­be­re, hoc non va­let, quia philosophus ibi
accipit par­ti­cu­lare et con­tin­gens aliter se habere non in sua generali­ta­te, quia talia sunt mul­ta
naturalia quae non respi­cit intellectus prac­ticus, sed accipit ibi contingens aliter se ha­be­re pro
aliquo quod est in po­tes­tate nostra, et dicit quod intellectus consiliativus est respectu talium.
Unde VI Ethico­rum, cap. 2, non loquitur de intellectu practico in communi sed de intellectu
consiliati­vo quem vo­cat ratio­ci­nati­vum. Unde dicit: ‘Consiliari et ratiocinari idem’.“ Ockham
nimmt (ib. lin. 13–24) einen einigen Ver­stand für verschie­de­ne habitus (speculativus und prac-
ticus) an, die ‘gemeinsam’ in ihn fallen. Danach gelte: „de virtute sermonis potest concedi quod
habitus practicus est in intellectu speculativo (und umgekehrt)“. Die Floskel ‘de vir­­­­tute ser-
monis’ hat danach logisch und sprachlich nicht die Prävalenz, die J. Beckmann und O. Leffler
sehen.
580 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Unterschied gelten kann, dass aber vielmehr, wenn damit differierende Funktionen
sich bezeichnen lassen (sollen), das Ver­hält­nis das der (oder eben einer) Folgerung
bzw. deren Negation (das heißt wohl auch Ein­schrän­­kung) ist. So wird denn wieder
die Modalisierung entfallen, wenn sie die Geltung der ei­nen no­titia vor der ande­ren
de­fi­­nit sollte bezeichnen müssen. Hier muss die Menge der An­wen­dun­gen, die aus
der ‘Ein­­­­­heit’ und Einfachheit einer Aussage folgen, tatsächlich gefolgert wer­­den (in-
ferri, eli­ci), was bedeu­ten muss, dass die Grenze zwischen den notitiae nicht sig­ni­
fikativ oder signifikant erschei­nen kann. In diesem Zusammenhang und nach diesem
Ver­hält­nis der notitiae specula­ti­­va und practica, die nicht scharf getrennt werden
können, kann auch der Begriff, der in die ein­­­zelnen Sät­ze eingeht und ihr Bestandteil
ist, die dann der no­ti­tia oder scientia specula­ti­va und prac­­­ti­ca zugeteilt sein müssen,
der Qualität nach nicht un­­be­dingt be­stimmt werden: er ist so em­pirisch wie abstrakt.
Er ist nicht folgerungsbezogen.101
Dass von bestimmten oder allen Begriffen eine notitia speculativa et notitia prac-
tica sein kön­ne,102 ist zunächst eine Folge oder wenn man will, eine Voraussetzung der
obigen zusammen­fas­sen­den Deutung: „Igitur penes subiecta tamquam per aliqua sibi
propria non distinguun­tur.“103 Es ist klar, dass man hier, wo man eine solche Folgerung
zieht, zugleich bei dem Grund und Anfang der Ockhamschen Philosophie ist: dass sie
die termini oder con­cep­tus hat, über sie aber noch nichts sie Bestimmendes gesagt
hat. Auf dem Feld der notitiae spe­cu­la­ti­va und practica ergibt sich:104 „Si dicatur quod
conclusiones practicae non resolvuntur in princi­pia speculativa, ergo de eo­dem non
possunt esse istae duae notitiae, respondeo quod non est in­­con­­­­veniens conclusio­nes
practicas saltem mediate vel partialiter deduci ex principiis spe­cu­la­­bi­li­bus.“ Im Sinne
der Unterscheidung gilt:105 „in illa conclusione quae scitur notitia spe­cu­la­ti­va nihil
ponitur operabile a nobis /§ nec aliquid importans operabile a nobis§/, cum no­­ti­tia
spe­­­culativa non sit de operibus nostris.“ Die Folgerungen, die aus spekulativen Grund­
sät­­zen ge­zogen werden können, sind aliquomodo wandelbar:106 „Potest tamen dici
quod illa prin­­ci­pia sunt aliquo modo vir­tualiter practica, tamen secundum mo­dum
communem loquendi sunt sim­pliciter speculabilia, quia aliter nullum principium es-
set pure spe­cu­lativum, quia nul­lum pe­ni­tus est principium quin aliquo modo possit

101. Entsprechend wird nicht Realität in se abgebildet, aufgeschlossen, ausgeschöpft.


102. Cf. Ord. Prol. q. 11 OT I p. 313 lin. 23 – p. 314 lin. 1.
103. Ib. p. 314 lin. 1f.
104. Ib. p. 314 lin. 3–7.
105. Ib. p. 315 lin. 6–9 Und entspre­chend die notitia practica ib. lin. 9–12. Mit der Konsequenz
(ib. lin. 12f.): „Igi­tur alia est conclusio scita una scientia et alia.“ und folgerichtig auch (ib.
lin. 16–19), dass über die Zugehörigkeit vermöge und bezüglich der com­plexa (Sätze) und nicht
der incomplexa (Be­griffe) entschieden wer­den müsse.
106. Ib. p.314 lin. 19 – p. 315 lin. 2 Eben­so: ib. p. 314 lin. 16–18: „ideo ex principiis pure specula-
bilibus con­tingit inferre multas con­clusiones simpliciter practi­cas.“
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 581

se habere ad praxim. Unde ex isto ‘omnis tri­angu­lus habet tres’ in artibus mechani-
cis possunt haberi diversae notitiae practicae. Unde et­­­­­i­am in­venitur aliquando quod
scientia practica subalternatur scientiae speculativae, sicut mu­­­­sica arith­­meticae, et sic
de multis; quod non esset verum nisi contingeret resolvere conclu­si­­­o­nes in princi­pia
speculativa.“ Da zu diesen Sätzen, die durch eine notitia speculativa aufge­nom­­­men
werden, auch gehört:107 „terra est dura“, ergibt sich, dass in Wahrheit hier bloß die
Ab­­straktion förmlich wiederholt wird und eine Induktion für die Urteile Ockhams
unter­stellt werden kann:108 „universaliter … in potestate nostra est habere operatio-
nes circa entia pu­­­re speculabilia et secundum rectam rationem secundum variatio-
nem ipsorum entium et con­di­­ti­onum suarum sunt operationes nostrae diversimode
eliciendae.“ Das sind dann die ope­ra­­ti­­o­nes, auf die wir uns mit einer notitia practica
beziehen. Am Ende muss die Unterschei­dung zwischen den noti­tiae speculativa und
practica induktiv erfolgen. Das ergibt sich auch dann, wenn wir anneh­men, dass wir
hier mit den Elementen der Philosophie Ockhams gleich­sam wie­der vorbe­halt­­los be-
gonnen hätten: wir hätten sie damit nach dem Anfang in die­sen Ele­men­­ten von je­der
Konsequenz freigehalten und nicht über eine solche bestimmt oder prä­ven­tiv gegen
eine abgesichert. Umso mehr gilt am Ende die Konsequenz: Die Be­kräf­ti­gung von
Ar­­gumenten und solutiones oder opiniones in Sonderheit ist Ockhams Tendenz und
immer wie­­­der als Stilelement oder seine geistige Haltung wiedergebend zu beobach-
ten. Am Ende ist auch die Ver­­­wiesenheit auf die Induktion eo fortiter zu erkennen.
Wenn Ockham auch am Ende die beiden scientiae vel notitiae sich nicht durch
die Begriffe un­­terscheiden lässt, sondern nur durch die conclusiones scitae, die auch
obiecta109 genannt wer­­­­­­­­den, wie schon zuvor innerhalb der Demonstrationslehre,110
gibt er eine bei den Begriffen ansetzende Bestimmung nicht mehr für sie:111 Die an
der causa finalis ansetzende Bestim­mung oder Unterscheidung greift an der Empirie
und am accidens112 an und bedient sich der In­dukti­on:113 „Ex his respondeo ad quae-
stionem quod istae scientiae se ipsis distinguuntur in­trin­­sece et formaliter, sed per
fines vel per finem distinguuntur causaliter, sicut causaliter dis­tin­­­guuntur per causam
efficientem. Sed per subiecta scientiae nullo praedictorum modo­rum distinguuntur
necessario, quia nec formaliter et intrinsece, nec causaliter necessario, nec tam­quam

107. Ib. p. 314 lin. 7f.


108. Ib. p. 314 lin. 12 – lin. 16.
109. Nach einer somit mentalistischen Auffassung.
110. S. zur demonstratio potissima Kap. 3: Zum Verhältnis der Satzformen.
111. Ord. Prol. q. 11 OT I p. 310 lin. 16–23.
112. Ib. nach Hin­weis p. 311 lin. 1f.
113. Ib. p. 310 lin. 16–23 Dabei enthält auch hier das subiectum begrifflich nicht den realen
oder re­­el­len Cha­rak­ter des­sen, dem es förmlich angehört (dem Satz) oder des­sen worauf es sich
be­zieht, sc. die res extra.
582 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

per ali­qua sibi propria. Sed isto ultimo modo distinguuntur per obiecta, hoc est per
con­clu­­siones sci­tas.“ Ockham ist mit vielfach sehr simplen scholasti­schen Konzeptio-
nen, Auf­fas­sun­gen und Lösungen konfrontiert, denen er seine als in­duk­­­­tiv und empi-
risch gebunde­nen eben auch in Bezug auf den Mentalismus114 (i.e. in Be­­zug auf rein
im Subjekt existierende res) ent­­gegenstellt.115 Die Konsistenz in Ockhams Phi­losophie
im Sinn von Folgerung tritt dann auf­­, wenn (dadurch) gegeben ist, dass er ei­ne Basis
für Induktionen durch ‘Minde­run­g’ legen kann. Er hebt so die Folge­rung selbst auf.
Dabei können natürlich die Begriffe und die ande­ren Elemente, der Satz über der
Empirie gleichsam schweben und doch deren Verhältnis noch sehen lassen, i.e. ihren
Unterschied, der Vereinigungen (Gleichheit) erlaubt und so enthält.116

114. Cf. auch ib. q. 12 p. 355 lin. 4–11: „Et si dicatur: hoc dicit Philosophus quod intellectus
practicus est contin­gen­tium ali­ter se ha­be­re, dico quod de virtute sermonis debet concedi quod
intellectus practicus est neces­sari­o­rum et pure spe­culabilium et intellectus speculativus opera-
bilium, quia idem est intel­lec­tus et pro eo­dem suppo­nunt ista sub­iec­ta. Tamen intentio Philo-
sophi est quod quando est intellectus prac­ticus ita quod immediate diri­gat aliquod operabile,
tunc est sin­­gularis et alicuius contin­gen­tis aliter se habere. Et ratio est quia tunc illud ope­ra­bile
debet cognosci si debet dirigi per intellectum. Et per consequens tunc intellectus practicus est
re­spec­­­tu ali­cu­ius singula­ris sed non praecise respectu singularis, sed frequenter et ut in pluri-
bus est tune etiam respectu uni­ver­salis. Sic autem non est de intellectu speculativo, quia potest
es­se simpliciter in actu suo ultimo sine intellecti­one alicuius singularis. Sed proprie et per se
in­tellectus practicus est res­pec­tu operabilis a nobis sive in universali sive in par­ticulari, non
sic autem intellectus specula­ti­vus mediante illo habitu ratione cuius denominatur intellec­tus
spe­cu­­lativus.“ Und dort zuvor knapper lin. 1–3: „Et quando dicitur quod obiectum intellectus
prac­­tici est sin­gu­­lare, di­co quod obiectum intellectus practici aliquod est sin­gulare et aliquod
universale.“ Zu Aristotelesstelle Verweis auf p. 324 in dieser Quaestio und Aristoteles, Ethica
Nicom., VI, c. 2 (1139a 3–15).
115. In ihr werden Regeln neu definiert, z. B. ib. q. 11 p. 310 lin. 1f: „eadem causa finalis potest
esse cau­­sa finalis plurium sci­entiarum et plurium ef­fec­tu­um specie distinctorum.“ Es werden
Ab­straktions- und Induktionsbasen an­gegeben und neu festgestellt. Z. B. p. 309 lin. 11–16: „Ad
omnes auctoritates respondeo quod proce­dunt de fi­ne qui se­cun­­dum rectam rationem – saltem
ut in pluri­bus – deberet intendi si omnia essent conve­ni­­enter or­dinata, et ideo qua­si ex natura
sua habet quod sit ordinabilis ad talem finem. Si tamen non actualiter intendatur non est ve­re
et pro­prie causa finalis.“ Der generelle abstrakte Bezug auf die causa finalis gilt nicht. Die cau­­­
sa finalis kann infol­ge­dessen nicht ex se erforsch­bar sein. Denn die Abstraktionen zu Wis­sen­
schaften und Sätzen mögen der causa fi­nalis fol­gen, sie geht nicht in sie ein; Ockham hält das
‘causaliter’ ausdrücklich von den Erschei­nun­­gen ge­schie­den, für die die causa oder die causae
als Bedingung infrage kommen, nicht aber als We­sensbe­stand­teile. Das gilt auch für die Sätze
als intensionale Er­schei­­­nungen in anima.
116. In der Gesamtheit von Ockhams Argu­men­tationen kann der Diskurs die Empirie dabei
nur approximieren Wenn Ockham in den bis­her analysierten vorwiegend Widerlegungen und
instantiae gegen präsumtiv allge­mei­nen (re­flexive) Aussagen vorgebracht hat, so geht er in den
jetzt zu behandelnden Quaestiones den Weg einer nochmaligen Umwandlung seiner eigenen
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 583

In der dritten der genannten quaestiones bezieht Ockham die Theologie auf den
Unter­schied von speculatio und praxis, indes auf der Stufe des Begriffs ‘habitus’. Der
habitus ent­steht aus den Akten und ist der Erkenntnis übergeordnet im Sinne einer
im Vermögen oder in der ani­ma nicht gestalthaft greifbaren ‘Existenz’. Eine solche
‘Existenz’ überragt er abstrakt. Der ha­bitus muss danach induktiv aus den Umstän-
den der Erfahrung bestimmt werden.117 Es ist da­mit die Frage, ob die fides oder die
notitia theologica im Sinn der Empirie und nach der mensch­­­lichen Bedingung der
Erkenntnis (und Begriffsbildung) in der Empi­rie ihren Platz ha­ben kann. Sie muss
praktisch und spekulativ im Sinne einer Unterschieden­heit sein, bei der die notitia
theologica, wenn sie nicht zu Handlungen (operationes) führt, spe­kulativ heißt, aber
so noch nicht legitimiert und gegenständlich, menschengerecht erscheint.118 Dabei

Grundsätze. Diese werden nochmals konditioniert. Die Argu­menta­ti­o­­nen synthetisieren im


Gesamtkonzept die Teile.
117. Der zur praktischen Erkenntnis gehörige habitus müsste insbesondere nachvollziehbar
der Er­fahrung und das be­deutet nach Ockham formell der notitia intuitiva entstammen. Aber
auch hier zeigt sich, dass die strikte Rück­lei­tung im Sinn der Identität der res singularis nicht
mög­lich ist. Cf. dazu p. 356 lin. 1–14: „Et certe tales ha­bitus multi sunt universales, /§ quia mul­­­
ti universales accipiuntur mediante a notitia intuitiva, secun­dum quod docet Phi­­losophus I
Metaphysicae 1 et II Poste­riorum 2, et isto modo aliqui experimentales sunt universales. Sed sic
non loquitur ibidem, quia ibidem non vocat talem habitum habitum experimentalem, quam­­­­vis
dicat eum ge­ne­rari ex notitia intuitiva mediante experimento. Aliter accipitur habitus experi­
mentalis pro habitu qui immediate acci­pi­tur a notitia intuitiva, et ille est respectu singu­la­ris
contingentis. Verumtamen sive accipiatur habitus expe­ri­men­talis uno modo sive alio, haec est
falsa ‘omnis habitus exsistens in intellectu practico est experimentalis’, §/ quia prae­ter istos pos-
sunt esse aliqui habitus deducti ex principiis per se notis qui erunt in intellectu prac­ti­co ex hoc
ipso quod sunt practici.“ Auch der Bezug auf Aristoteles begründet für Ockham nicht die An-
nahme, dass ei­ne ‘Dingerfahrung’ mit der empirischen oder allgemeinen praktischen Kenntnis
und Erkenntnis verbun­den sein müsse. (Die Aristoteles-Stellen: Meta­physik I, cap. 1 (981a 5–7)
und Anal. Poster., II, c. 19, t. 104 (100a 3–9)).
118. Schon ‘allgemein’ gilt (Ord. Prol. q. 10 OT I p. 283 lin. 4–7): „Non sic quilibet habitus in-
tellectualis extendi­tur ad ac­­­­tum, quia non qui­libet habet actum pro obiecto, sed habet aliquis
habitus actum pro aliquo eli­­cito ab illo ha­bi­tu.“ Der actus, der unmittelbar aus dem habitus ‘fol-
gen’ können müsste und in diesem Sinne dessen Gegen­stand hieße, wäre der ac­tus, der empi-
risch dem habitus zugrun­de läge. Damit wäre der actus noch nicht bindend oder spezifisch auf
Em­pi­rie festgelegt (das sollte eben nicht ausgeschlossen sein; denn sonst hätten wir womög­lich
keine ‘Inhalte’) und der habitus wäre nicht genauestens in der Abhängigkeit von der Empirie zu
sehen. Der ha­­bitus muss aber dane­ben unabhängig von den empirischen bedingten Akten sein.
Duns Sco­tus ver­­trat eine all­ge­meine praktische Be­deu­tung der Theologie. Diese Meinung teilt
Ockham nicht. Er müsste damit die Be­weg­­lichkeit seiner termini und Größen in(nerhalb) der
Argu­men­­­­­ta­ti­on verlieren, mit der die Begriffe und Größe ih­ren Sinn haben, das heißt empirisch
und definit sind. Dieser muss sich mit der Abstraktion decken. Dabei hatte Ock­ham Ord. Prol.
q. 8 OT I p. 216 lin. 1 – p. 225 lin. 25 „Utrum habitus theologiae sit realiter unus secun­dum nume-
rum“ die Frage verneint (cf. p. 217 lin. 8–17). Ockham zeigt, dass die theologischen Sätze bzw.
584 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

gilt, dass der habitus unmittelbar oder ausschließlich nicht mit der Empirie korreliert
sein kann:119 „Si dicatur quod habitus practicus immediate dirigit circa opus, ergo si
ha­bitus uni­versalis non immediate est directivus non erit simpliciter practicus, dic0
quod habitus uni­versalis immedia­te dirigit, non tamen totaliter sed partialiter tan-
tum, quia praeter habitus uni­ver­sales requiritur notitia rei singularis quae debet diri-
gi, vel circa quod debet aliqua po­ten­­tia operari. Et ideo ae­que immediate dirigit habi-
tus universalis sicut habitus experimentalis qui est respectu singula­ris. Patet in arte,
quod aliquis frequenter faciens domum, ibi derelinquun­tur quidam habitus ge­­­­­­nerati
ex actibus respectu singularium.“ Wenn es aber darum geht, ob die Theologie wegen
ihrer moralischen Anweisungen praktisch sei, so antwortet Ockham: sie ist praktisch,
weil sie operationes lehrt, die zur Annäherung des Menschen an Gott führen; aber sie
ist nicht da­rum praktisch, weil Gott ihr opus wäre. Er ist es nicht. Gott wird durch
un­se­re operationes er­reicht, aber nicht hergestellt oder affiziert:120 „concedo quod illa
pars theolo­giae quae docet De­­um at­tingi operationibus et negotiatur circa opera no-
stra est practica; sed aliqua pars theo­lo­­gi­ae non est talis, ideo illa pars non est practi­ca.
Tamen quod accipitur quod Deus est ope­ra­bi­lis, non est verum, quia Deus non est
opus, sed attingitur a nobis mediante ope­re nostro.“ Da­­­mit er­reichen wir auch, wie
Ockham ausgeführt hat, noch kein empirisches Ob­­­­jekt in sich. Wollten wir etwa ei-
nem Kranken oder Bedürftigen eine potio sanativa reichen, so wüss­ten wir doch noch
nicht notwendig, wie (warum) diese hilfreich sei: wir wüssten aus Er­fah­rung, dass
sie helfen könne, so wie Ockham es nach Aristoteles oder auf ihn sich stüt­zend und
verwei­send auf­fasst, wo­bei er sogar noch von diesem übernimmt, dass wir wo­mög­lich
unter unseren Hand­lun­gen bloß consiliative verfahren könnten. Wir wüssten nicht,
ob dieses oder jenes re­me­dium besser sei. Wir könnten es nicht in sich aufschließen
und wir könn­ten durch kein Ver­­­mögen uns ihm an­schließen. Das hatte Duns Scotus

Er­­kennt­nis­se (no­ti­tiae) verschiedenen Kategorien oder Klas­­sen an­ge­hören: notwendige Sätze


stehen neben kon­tin­­gen­ten, evidente Aussagen neben un­eviden­ten. Daraus ‘schließt’ er, dass
sie nicht ‘einen’ habitus bilden oder ei­nem an­ge­hören kön­nen. Das ist ein induktiver Schluss,
der keine inhaltliche Ableitung besagt oder einschließt, an­de­rer­seits aber auf die mentalistische
Erscheinung der propositiones in mente rekurriert. Auf die­se verschiede­nen Qua­lifika­tio­nen
hin wird postulativ geschlossen und für sie die Einheit ne­giert, die dann die des habitus ist. Die­
ser wieder ist damit abstrakt ge­fasst und natürlich nicht „im“ Satz selbst. Der habitus kann nicht
intensional er­klärt wer­den; er ‘überschreitet’ die Ebene der Empirie und praktisch auch die des
Verstandes, der ani­ma. Seine De­finition müsste ex negativo und postulativ erfolgen. Das aber
„schlösse“ ein, dass die Beziehung auf die Em­pi­rie für den habitus äquivok werden kann. Es
gäbe ihn gar nicht. De facto aber kann oder muss er postuliert wer­­­­den. Hier gilt allge­mein (ib.
p. 219 lin. 7f): „habitus non respicit ob­iec­­tum nec in ratione obiecti nec in ratio­ne causae nisi
median­te ac­tu.“ Der habitus bezieht sich in nichts auf das obiectum, auch eben nicht kausal,
und nicht intenti­o­nal, wenn nicht ver­mit­telst des actus mentalis.
119. Ord. Prol. q. 12 OT I p. 356 lin. 15–24.
120. Ib. p. 368 lin. 17–21.
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 585

mutmaßlich angenommen wenn er sagte:121 „praxis est actus alterius potentiae quam
intellectus, naturaliter pos­terior intellec­ti­o­ne, natus eli­­ci confor­mi­ter rationi rectae ad
hoc quod sit rectus.“ Ockham aber beschränkt die praxis und die ope­ratio, bei der wir
eine Kenntnis (notitia) vom Ob­jekt haben, auf den Ver­­­stand122 „omnis ope­ratio de
qua sicut de obiecto est notitia practica est praxis.“123 Zuvor hat­te Ock­ham allge­mei­
ner gesagt124: „intellectio potest esse praxis.“125 Vom Ver­stand han­d­eln wir dem­­­nach
in die­sen Quästionen. Damit sind wir aber auf einer Stufe der Ver­allgemei­ne­­rung und
der Abstrak­ti­on. Es ist dann nur noch die Frage, wie wir diese in ihrer We­senheit mit
Be­stim­mungen mei­nen und hervorheben können.
Der modale Satz („intellectio potest esse praxis.“) bedeutet aber auch hier (in Be-
zug auf den anderen): „omnis operatio de qua sicut de obiecto est notitia practica est
praxis.“), dass die Re­­­­­­­­a­lität, die sich logisch in der Folge (oder bezüglich der gesamten
Ockhamschen Er­ör­te­­rung ‘Abfolge’) der Sätze und für diese mit deren Bestimmung
(in der ‘abstractio’126) er­gibt, Rea­li­tät oder die res in se nicht meinen (und aufschlie-
ßen) kann. Wir haben mit der Aus­sa­ge, die re­flexiv eine notitia practica im Gefolge
der notitia speculativa ergibt (ergeben kön­ne), ei­ne Aus­­­sage, die in der anderen, dass
die notitia practica überhaupt als intellectio oder ac­­tus in­­tel­li­gendi (bezüglich einer
‘operatio’!) in mente aufgefasst werden kann, keine Prä­mis­­se hat. Wo man Ockhams
Motiv in der Individualität der res extra singula­ris in Über­ein­­stimmung mit der In-
dividualität des Menschen – je des einen im anderen – sieht, ist zu ent­­geg­nen, dass

121. Ord. Prol. q. 10 OT I p. 280 lin. 2–4 im Zitat Ockhams. Die Stelle wird belegt ib. p. 280
Anm. 1: Sco­tus, Or­di­natio. I, Prol. p. 5, qq. 1–2, nn. 228–269 (ed. Vaticana, I, 155–183).
122. Ib. p. 281 lin. 10–16.
123. Ib. lin. 10f.
124. Ib. p. 281 lin. 9.
125. Diese Aussage ist ‘allgemeiner’ insofern sie, syllogistisch begründet nach ib. p. 279 lin. 4–
11, sich auf opera­ti­o­nes als innere Leistungen des Subjekts bezieht, die demnach auch als ab­
strak­te schon erkannt werden. Das ist aber nur induktiv feststellbar. Es ist nicht so ganz erkenn-
bar, wie Major und Minor in dem Syllogismus vonein­an­­der unabhängig wären (ib.): „omnis
operatio quae est obiectum notitiae practicae est praxis; sed operationes in­­terio­res sunt obiecta
notitiae practicae; ergo etc.“ Die Begründungen aber, die für Major und Minor gegeben wer-
den, sind schlechthin und wesentlich nur persuasiv. Es muss also eine Abstraktion geben, die
außerhalb die­ser Be­grün­­­dun­gen liegt und somit für die Sätze gilt. Da es aber zwei Sätze sind,
die zudem in einem Verhältnis mitein­an­der stehen, muss es etwas Einheitliches geben, was sie
beide be­gründet und hält. Weil dies nicht die Em­­­­pirie ist, muss es die über sie hinausgreifende
Ab­strak­­­ti­on sein. Sie begründet auch das Verhältnis. So wie hier im Sinn der persuasio kann
man im Grunde alles begründen, es sei denn man hat den einigenden Gesichts­punkt schon
voraus­ge­schickt. Das ist aber – wie – eine metaphysische Position. Nach ib. lin. 15f ist die „scien­
tia“ „operationum interiorum“, deren „principium est in nobis“ eine scientia „practica“.
126. Innerhalb der ‘abstractio’ gibt es NB verschiedene Klassifikationen und Charakterisie­run­
gen des Mentalen als Inhalt, des actus apprehensivus als ‘Intension’.
586 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

er die Uni­versalität des Denkens nach dessen Mit­­teln auf ei­ne Sub­jektivität be­zieht,
die ganz und gar abstrakt ist. So­lu­­ti­o­­nes oder opiniones macht die Methode.127 Wenn
aber alle Sät­ze nach der Ockhamschen Methode modal erscheinen: d. h. nicht vor­
der­hand über Wider­spruchs­frei­­heit reguliert erscheinen können, obwohl darin der
Wider­spruch ver­mie­­den oder aus­­­­ge­schal­tet werden soll, dann muss eine Folge oder
Folgerung, wenn sie prak­ti­scher Natur sein können soll, also auf eine empirische
Bedeutung oder Weite­rung in Hand­lun­­gen bzw. nach den mo­­­ra­lischen Gesinnun-
gen (Einstellungen) zu führen hat, die ebenso wie die Begriffe bei den spe­ku­­­lativen
Prämissen die ‘Identifikation der Begriffe’ (inhaltlicher Art) verlangen, Ex­klusi­on der
Folgemäßigkeit besagen. Denn die Begriffe kön­nen nicht dieselben sein, weil sonst
die Ka­tegorien der Sätze und ihrer Disziplinen auch iden­tisch wären. Die Be­grif­fe
müs­sen nach bei­den Kategorien in den Sätzen beider Disziplinen al­so notwendig ver­
schie­­dene sein.128 In­fol­­gedessen muss die Vermittlung zwischen ihnen au­ßer­logisch
sein. Wird die eine Fol­ge (als Folgerung) durch Exklusion an eine vorgängige an­ge­
schlossen, so sind zwei Moda­li­sie­run­gen aufeinander gefolgt, bzw. kombiniert wor-
den. Es ist eine falsche Folgerung ausge­schlossen wor­­den. Die Inhalte sind modal
geworden.129 Da­mit ist die Impli­ka­­tion als Zei­chen der De­ter­­minatheit fixiert. Denn
für sie tritt die Exklusion nur ersatz­weise auf. Die (Be­­grün­dung der) Determinatheit
fußt darauf (fällt damit zusam­men), dass die Im­pli­ka­ti­on entfällt = nicht ausge­drückt
und in dem Sinne auch nicht voll­zogen wer­den kön­­ne.
Den­­noch muss sich Ockham grundsätzlich mit einer Allgemeinheit des Den-
kens präsentie­ren. Eine solche Forderung betrifft das Verhältnis von Ra­­­­­tionalität und

127. Wird letztere gesehen, so entfallen die solutiones als Motive = vorgefasste und eingewur­
zel­te Meinungen. Au­ßerdem kann von solcherart gedachten Moti­ven aus die Met­hode selbst
nicht begründet oder gefunden wer­den. Ein plan oder kru­­d Inhalt­li­ches au­ßer­­halb der Metho­
de, die es ergibt, muss negiert werden. Es könnte wie die Met­hode selbst nicht explizit gefasst
werden. Dabei ergibt sich auch: alle Mit­tel (bzw. de­ren Teile), welche im Sinne der Met­ho­de
eingefügt und be­nutzt werden (können), müssen ei­ne reduk­ti­ve Form in Bezug auf das nicht
wirklich erreichte Extensi­o­na­le oder in Bezug auf die in ih­rer gan­zen Extension oder Gestalt ge­
dachte Rea­li­tät des Den­kens annehmen. Das Denken kann für sich formativ nicht eine Ge­stalt
der Re­a­lität, aus der extra­men­­ta­len Objekt­welt ge­schöpft, aufnehmen. Das ergibt Reduktionen
für ‘Implika­ti­on’ und con­­se­quen­­tia(e) etc.
128. Mithin erscheinen bei Ockham verschiedene Disziplinen. Ethik und Theologie müssen
nicht identisch sein. Logik und Wissenschaft auch nicht. Bei Duns Sco­tus werden notitia (sci­
en­tia) speculativa und notitia (scientia) prac­­tica als un­un­ter­scheid­­­­bar ausgegeben. Ockham
betrachtet Diskussionen über den Begriff ‘praxis’ im Grunde als wesenlos, cf. Ord. Prol. q. 10
OT I p. 285 f, ib. lin. 23f: „difficultas magis consistit in nomine quam in re.“
129. Dass Erkenntnis für Ockham Klassifikation und Bestimmung der Satzart und ihrer
Elemente, mithin auch ei­nes aus dem anderen, sei, wurde gesagt. Anders: Klas­sifika­ti­on und
Bestimmung der Satzart und ihrer Elemen­te’ tritt an die Stelle von Erkenntnis, sofern die­se
hypothetisch als unmittelbar im Satz ent­hal­ten ge­dacht werden soll. Kritik am Satz bzw. einer
Folgerung daraus impliziert für Ockham den Anspruch auf die Ver­­nunft.
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 587

Af­fekt. Eine Lehre kann ei­nen Inhalt bloß haben, wenn af­fek­­­tiver Frageimpuls und ra-
tionale Ant­­wort einander ‘entspre­chen’, das ist aber: sich mit einer Ver­­schiebung ent-
sprechen. Die rationale Antwort muss et­was enthalten, was in der af­fek­ti­ven Basis, die
notwendig Befangen­heit bedeutet, nicht vorge­ge­ben und da­her auch noch nicht vor-
und ausgeprägt gewesen ist. Gibt es eine ge­­gen die Af­fek­tba­sis ver­scho­be­ne ratio­na­le
Ant­wort nicht, so wäre mit kei­­nem Interesse ‘ge­fragt’ wor­­­den. In die spät­­mit­telalter­
li­che Geisteshaltung wird gern der per ratio schwer zu über­win­den­de Af­fekt hinein-
gelegt.130 Ockham kann ge­fragt ha­ben, was nach einer kon­tin­gen­ten (un­er­forsch­ten)
Grundordnung der Din­ge (Un­er­schließ­bar­­keit der Din­ge in sich) als rationale Form
mög­lich sei. Damit über­steigt die ratio­na­le Struktur zwangsläufig die Grundord­nung
der Din­ge.131
Ockham trieb seine Erörterungen voran zwischen Gott, den wir in se mit unseren
von der Em­­pi­rie stammen­den und immer auch abhängigen Mitteln nicht einsehen
können, und res sin­­gu­­la­ris ex­tra ani­mam, die wir in se auch nicht einsehen können,
weil unsere immer abstrak­ten Begrif­fe bis dort hinein nicht gelangen und reichen
können und an der Schwelle zur ab­so­lu­ten In­dividualität in se widersprüchlich wer-
den müssten bzw. unsere Aussagen wi­der­­leg­­bar mach­­ten, inclusive der hier gebrauch-
ten ontologischen substantia, forma, natura, ac­ci­­dens usw. Diese beiden termini ex-
clusivi des (seines) Denkens werden aber nie­mals inhalt­lich be­stimmend ge­macht
und so nicht regelrecht infiltriert. Sie bleiben Pole und man kann sich fra­­­­gen, ob diese
ange­schlagen werden oder nicht; man kann es ad libitum entscheiden. Ock­ham ver-
mittelt nur ‘zwischen’ ih­nen und erhält an ihrer Stelle Abstraktion und empi­ri­sche
Fundierung des Denkens in der no­ti­tia intuitiva; er vermittelt also recht eigentlich nur
zwi­schen Abstraktion und empiri­schem Fundament des Denkens in et pro anima. Er
tut es ar­gu­men­ta­tiv; er hat jedoch nie­ Widerspruchssatz und Om­­nipotenzprinzip als

130. In Autrecourts Gebrauch der Atomtheorie wird Erkenntnis desavouiert, aber im Sinne
von Em­pi­­­­rizität, wel­che die Atome selbst noch erst zu repräsentieren haben. Die Er­­kennt­nis
schei­te­re an der Identität und Gegeben­heit der Ato­me, die selbst nicht wahrnehmbar seien. Sie
be­sa­gen eine Gegen­vor­stellung zum Erkennen nach b­e­griffli­chen Mitteln, dessen Realitätshaltig­
keit (Re­alwertigkeit) wir nicht kennten. Es ist eine fiktive Widerle­gung. Am En­de müs­sen so die
Ato­me das Nichtsein besagen, weil der Widerlegungsbeweis, wenn er denn reell wäre, durch sie
hindurchginge und sie definitermaßen als definite aufhöbe, d. h. sie indefinit machen hätte. Zur
antiken Atom­le­hre cf. in diesem Zusammenhang E. Schrödinger, Nature and the Greeks, 1954.
131. Das mittelalterliche Schema, die Disposition, mit Abstraktion und Empirie als Richt-
größen oder inneren bzw. auch äußeren termini (Bezugspunkten) der Reflexion oder Arbeit,
kann im psychischen Meinen Ockhams und damit für ihn eine landläufige gewe­sen sein, die
als ei­ne grund­sätzliche, gerade indem sie zum Spätmittelalter hin extensiver wird, ent­schie­­de­
ner be­­­­stim­mend wurde. Damit könnte sie dann bereits besagen was er letztend­lich the­oretisch
aus­­gedrückt und methodisch vollzogen hat. Es machte seine Arbeit unerlässlich und sie kann
(darf) nicht anthropologisch revoziert oder gefiltert werden.
588 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Mit­tel zur Gewin­nung von Definitionen eingesetzt. 132 So statuiert er danach auch kei-
ne Lehren. Er hat opinio­nes und gibt solutio­nes. Sie folgen den seine Argu­men­tati­onen
stützenden Struk­tu­ren so wie die Argumentationen die Strukturen und deren Partikel
ermitteln und dann auch be­grenzen.133
Er ermittelt nicht Faktizität; er geht nicht vom Topos der Notwendigkeit aus, um
Faktizität zu er­rei­chen. Er beschränkt sich auf die Exposition von Möglichkeit, der
Möglichkeit. Sie ist von Faktizität und Notwendigkeit ‘gleichermaßen’ entfernt.134 Man

132. Dass mittels des Omnipotenzprinzips eine empirische Grundlage, wie sie mit der distinc-
tio realis indiziert wird, nur theoretisch (also a parte abstractionis) über­schrit­ten wird, belegt
quasi noch a for­ti­o­ri die Stelle (Ord. Prol. q. 1 OT I p. 58 lin. 24 – p. 59 lin. 2) „Potest dici pro­
babi­li­ter quod notitia incomplexa terminorum et appre­hen­sio complexi et iu­di­cium se­quens
distinguuntur rea­li­ter et quod quodlibet istorum per potentiam divinam est a quolibet separa­
bi­le”, so dass es ohne dieses vorkom­men kann. Denn offenbar ist hier die empirisch gar nicht
wahr­­nehmbare dis­tinc­tio realis, die somit auch noch nicht ein­mal in­duktiv per argumentum
belegt worden ist, im­mer noch die Basis des Ak­tes und Ein­greifens, des ‘Über­schreitens’ der
em­­pi­ri­schen Welt durch die göttliche Om­nipotenz, so dass wir zu den Be­griffen oder Grö­­ßen
überhaupt erst durch diese Omnipotenz im Sinne oder Zuge, quasi in Gleich­­heit mit der Ab­­­
straktion ge­lan­gen. Jedenfalls ist kein Widerspruch zwischen einer Ex­ak­tion durch Gott und
der Realwelt er­kenn­bar; zumin­dest das nicht. In der ani­ma oder im intellectus sind die Grö­­ßen
gar nicht als getrennte (getrennt vor­kommende) sichtbar. Wieweit dabei die notitia incomplexa
termino­rum, die hier keine no­ti­tia intuitiva rei ex­tra ist, eine notitia in­tu­itiva sein kann, ebenso
eine notitia abstractiva und wieweit (ob) beide hier ge­trennt wer­den können, haben wir proble-
matisiert. Es ist eben damit bereits die em­pi­rische Nicht­wahrnehm­bar­­keit des Intramentalen
schon ‘gegeben’. Es wird nur in Analogie zur Em­pirie er­ör­tert! Wir be­­fin­den also uns auf einer
Stufe, auf der be­wie­sen werden muss, da die Introspection und empirische Wahrneh­mung, die
auch von intellektuellen Gegebenheiten nach Ockham mög­lich ist, fehlt. Somit erscheint kei­­ne
empirische Wahr­neh­­­mung als Stüt­ze der Erkenntnis. Für den strengen Be­weis­begriff in seiner
Art et in ab­strac­tis schließt Ockham das wieder aus. Beweis, notitia ab­strac­tiva, notitia in­tuitiva
und res sind somit wieder streng getrennt. Auf der Ba­sis ist aber dennoch möglich was wir hier
be­schrei­­ben: die Überredung, welche Be­grif­fe oder Größen in ei­­­­­nem transempirischen (und
abstrakten) Sinn sich (wie­der)finden lässt. Dass die no­titia in­com­plexa terminorum in der no-
titia complexa (also der Sätze) nicht ex­press distinkt auftrete, hatte Ockham ei­gens bewiesen
oder per­suadiert. Er kann natürlich auch da schon kei­ne genuin empirische Qualität und Stüt­
zung zugrundelegen.
133. Dazu gehört etwa auch die distinctio realis; sie hat keinen absoluten gegenständlichen
Sinn. Derart wird sie bedingt in Argumentationen gebraucht und ist von diesen abhängig. Ob
die distinctio realis gilt oder anzuneh­men sei, kann also ggf. erörtert werden. Die distinctio
realis war ein potentiell leerer empirischer Index.
134. Diese Möglichkeit wird in isolierten Größen realisiert. Sie erscheinen dann inhaltlich de-
terminat. Für sie erge­ben sich keine Folgerungen, welche implizit den Sinn stützen und so die
Definitheit sichern könnten.
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 589

muss sich hüten, den Begriff der Allmacht (Gottes) essentialistisch zu verste­hen,135
insgleichen eine Dogmatik an­zustreben (oder bei Ockham für möglich zu halten),
bei der empirische oder Weltbegriffe der Theolo­gie as­similiert werden könnten (oder
worden wä­ren).136 Gott ist im christlichen Rahmen ganz stark der ver­­bor­ge­ne Gott,
auch wenn er sich offenbart.137 So ist er der geglaubte Gott.
Wenn wir uns aber dem christlichen Gehalt vom Menschen her nähern – was wir
für den Sün­den­begriff tun müssen -, sehen wir Ockham theologisch eher auf der Stufe
des ha­bitus denn des actus operieren; denn der actus kann von­seiten der akzidentellen
Beimengungen her nicht substantiell und qualitativ bestimmt wer­­den. Beim habitus
sind wir darüber hinaus. Er ist die au­­­tonom sich bestimmende (be­stimm­te) Qualität,
die nicht in feste Kausalverhältnisse ein­tre­ten muss, sondern aus diesen ka­su­al im

135. Eine solche Gleichsetzung nimmt H. Jonas, 1992, 1994 vor, um dann (einzig) sie zu kriti-
sieren. Er urteilt p. 41, „dass Allmacht ein sich selbst widersprechender, selbstauf­he­­ben­der, ja
sinnloser Be­griff ist.“ Das soll aus dem bloßen Begriff der Macht folgen. (ib.) ‘Allmacht’ sei ein
Re­­­la­­tions­begriff (ib.). Jonas sieht einen wei­te­ren Wi­­derspruch: ei­ne es­­sen­tia soll nicht Relation
werden kön­nen dür­fen. Damit wäre es sinnlos, den Begriff ‘All­macht’ qua Relationalität über-
haupt anzuwenden; Jonas benennt für seine Kri­tik also eine ‘widersprüchli­che’ Basis (Indefi-
nitheit), mit er dann ‘widerspruchshaft’ falschen Sprachgebrauch und die vom Wider­spruch
be­droh­te Gottes­pro­jek­ti­on intendiert. Bei Ockham gibt es kein Dilemma zwi­schen Gott und
Welt. Om­ni­po­tens ist ein propri­um wie crea­tor, de­­­­ren Ver­hält­nis zur substantia erst noch ge­
klärt werden kön­nen muss, be­weisthe­o­re­tisch, bei der Trans­sub­stan­­tia­ti­on usw. Zu­dem würde
Macht von den crea­tu­rae, All­macht von Gott prä­diziert wer­­den. Der Be­griff der Macht müsste
beim Über­gang zu Gott seman­tisch re­vi­­diert wer­den, wie es Ock­hams Met­­­ho­de ver­langt. Kri-
tisch dazu E. Iserloh, 1956 p. 282. Ock­ham verwirft Wort- oder Be­­­griffs­­be­deu­tun­­­­­gen und recht­­­
fer­tigt die Wahl über den Vor­­teil, der aus­schließ­­lich in­ten­sional sich aus­nimmt. Ontologische
Re­pro­ba­ti­o­nen machen dann nochmals Sinn, weil auch sie ex­tensio­na­l Sinnwidriges für die
Abstraktion tilgen. Bei­de ha­­ben ei­­nen negativen Bezug auf die significatio (res); sie korrespon-
dieren qua Determinatheit und a-logisch.
136. Ockham kann als In­dika­ti­ons­­­punkt dienen, dass die onto­lo­gisch-dogmatische Ver­
arbeitung nicht weiter ge­hen kann. Eine per se dogmatische Legitimati­on kann nicht mehr
vor­ge­täuscht wer­den. Er in­si­nu­­­­iert ein Be­wusst­­sein, auf das neu­­­­­zeit­li­ch eine unbewusste me-
thodologische, unweigerlich kau­sa­listische Kompensation ant­wor­tet. Die weitere Ver­ar­bei­tung
folgt darin dem Ge­­samt­­s­chema der Lö­sun­gen Ockhams, dass Form und In­halt aneinander­rüc­­
ken, ja je identisch oder einander analog erscheinen. Entweder übernimmt die Theologie ein
ra­tionalistisches Sche­ma oder die Phi­lo­­sophie hat ein theologisches Su­pre­mum, mit dem sie
argumentativ be­ginnt oder woran sie methodisch nicht vorbei­kommt.
137. Cf. Nietzsche, 1886, Aph. 121: „Es ist eine Feinheit, dass Gott Griechisch lern­te, als er
Schriftsteller wer­den woll­­­te – und dass er es nicht besser lernte.“ Das gemahnt an F. Th.
Vi­­scher­s Witz und schleift etwas Mit­tel­­­al­ter­li­­ches mit: Der nahe Gott ist da auch im­mer men­
schen­fern. Erst die Neu­zeit will Rake­ten bis zu Gott schic­­ken dür­­­fen (W. H. Auden, Friday’s
Child, Coll. Poems, 1976, p. 509): „All proofs or dis­proofs that we tender/ of His exis­tence are
returned/ Unopened to the sen­der.“ Gott wird nun Klar­­­­heit ab­ver­l­angt und untertänige Prä-
senz, die beide der Mensch sich ge­bot.
590 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Sinne der ratio sufficiens gelöst werden kann. Ent­spre­­­­chend kann die Sünde (pecca­
tum) als sündiger Akt nur schwer auf die Stufe der qualita­ti­­ven Habitualität gehoben
werden, auf der sich die anderen, man muss sagen die Größen sc. Fak­­toren des ordo
salutis finden: sie gehört dementsprechend nicht zu ihnen, was auch so zu verstehen
ist, dass die Sünde, die selbst ja ohnehin akzidentell im Menschen sich findet und ihm
nur so zu geordnet ist, nicht den wesentlichen Momenten der Heilsordnung zugeord­
net sein kann, die ihrerseits nicht akzidentell oder kontingent bestimmt sein könnten,
i.e. ratio­ne ‘ac­­­ci­dentis’.138 Schon der Begriff der ratio steht dagegen. Er bezieht sich auf
Erscheinun­gen, wie ja et­wa (im Verstande) subiectum, ac­tus etc. Sie alle werden im
Sinne ihrer Identität so sehr von den akzidentellen (wandelbaren) Um­stän­den ge-
trennt, dass sie darin kein quid rei mehr erlan­gen können. Eben das soll und kann
nicht sein; dementsprechend macht Ockham kei­­­­ne Re­alwissenschaft. Realerkenntnis
in­dessen wird secundum definitionem nicht ausge­schlos­­sen. Der actus als klassifizier-
tes pec­ca­tum hängt von Umständen ab; er wird darin von Konnotati­o­nen bestimmt,
i.e. er ist von ih­nen nicht unabhängig. Die wichtigste ist: Gott ver­bot es (bzw. Gott
gebot es). Der actus wird oder hinterlässt keine forma, mit der in uns ver­blie­­­be und
wir­ken könnte. Er hinterlässt natür­lich einen habitus, der aber keine forma ober­halb
der phy­si­schen (leiblichen) oder psy­chi­schen Realität abgibt und nicht auf die Sünde
als klassifizierten Akte, wonach er erst peccatum heißt, bezogen werden kann. Die
mit dem Sit­ten­­­gesetz eventuell an­ge­streb­te soziale Ordnung (wenn denn nicht nur
deren Sicherung im Sin­n der Herrschaft da­durch erlangt werden soll) kann nicht auf
akzidentellen Umständen oder deren leiblich-psy­chi­­scher Verankerung ruhen. Daher
kann es so niemals begründet wer­den; Ockham strebt das auch nicht an. Wir müs­­sen
hier sehen, dass wir empirische Begriffe und ih­nen formell äqui­­valente haben, wie wir
empirische Begriffe wie potens haben und den em­­­piri­schen gleichwertige wie omni-
potens. So trennen wir Religion und Pseudo-Em­­pirie.139

138. Hier hat Hobbes zwischen Notwendigkeit und Empirie oder Deduktion und Induktion
nicht klar getrennt.
139. Eine Frage wie Rep. III, q. 6 OT VI p. 182 „(utrum) beata virgo vere esset mater Dei “ zeigt
den objektivisti­schen Geist des Mit­tel­al­ters gegenüber allen theologisch behandelten Materien,
bei Ockham ein­ge­leitet durch die For­mel (ib.) „sed tunc est dubium utrum posset salvari quod
etc. Die Frage selbst kann wieder nur so behan­delt wer­­den, dass Ockham feststellt, die ma­te­ria
in sich komme hinsichtlich des Be­stim­mungswertes, welcher die Got­­­tessohnschaft fasst, nicht
in Be­tracht: sie und was ihr im­plan­tiert gedacht werden soll (muss), stellt eine Nicht­­identität
secundum for­mam etc. dar. Die Mit­wirkung der virgo beata secundum naturam bleibt unange­
foch­ten; sie wirkt nicht auf die Be­stim­mung des Got­­tessohnes, auch nicht im Sinn der Zweina-
turenlehre. Im mensch­lichen Sinn (und Christus ist Mensch) ist die von der Mutter stammen-
de forma substantialis „prin­ci­pa­lior“. Das ist nach Ockham bei je­der generatio der Fall. Hier
begegnen sich wieder Natur­phi­losophie und Theologie und je­ne schafft keine in­stan­tiae für
oder gegen diese. Ähnlich ja auch die Frage, ob die virgo beata aus eigenem Ent­schluss gut und
sündenfrei ge­­we­sen sei: sie hatte die pronitas ad bonum und keine ad malum. Gott unterhielt
ih­ren Wil­len zum Guten und wenn sie in die­sem nach­­gelassen haben würde oder konnte, so
Kapitel 12.  Verflechtung und Abgrenzung der Akte 591

kam ihr Gott zu Hilfe und hob diese omissio auf; er verhinderte quasi sie! cf. Rep. III, q. 2 OT
VI p. 153 lin. 1 – p. 156 lin. 12 Die Ver­­dienst­lich­keit der virgo be­ata wird (p. 156 lin. 12) auf das
„potuit me­re­ri“ be­schränkt. Die essentialistisch-realen Komponenten entfallen. Logisch wer-
den die relationalen behandelt. Zur Jungfrauenge­burt auch Kap. 13 Anm. 6.
kapitel 13

Naturgrund und Realerkenntnis

Wenn je bei Ockham Naturalität und Mentalität (Subjektivität) einen Gegensatz bil-
den, bei dem die Bedeutung des realen Sachverhalts extra animam (intellectum) als
eine in den Begrif­fen nicht mehr denkbare erscheint, so ist es dort, wo das Akziden-
telle das sein muss, was die Form besagt, das Naturale das Geistige. Die subjektive
Natur des Denkens in der anima (in­tel­­­lectus) schließt das zunächst aus. Die res extra
animam in se wird im Bewusstsein nicht ge­­spiegelt und unter keinem das Denken de-
finierenden Gesichtspunkt in es übertragen. Auch die Logik enthält kein Gran einer
diesbezüglichen Korrespondenz und muss ersetzt wer­den. Da­­­bei kommt das Argu-
mentieren nicht weiter als bis zu der Grenze der Nichtübertragbarkeit der Verstan-
desakte in die Realität extra animam, also zur Feststellung der Nichtumkehrbarkeit
einer solchen Korrespondenz oder Adäquatheitshypothese, welche nun gleichsam a
parte sub­iec­­ti statuiert zu werden hätte. Sie zu behaupten wird immer eine Verlegen-
heit sein. Dem stand der Empirismus entgegen.

. Dies war auch die Stelle, wie man weiß, wo die allegorische Deutung aufzutreten hatte.
Sie kann dem stren­ger ra­ti­onalen Bedürfnis der Scholastik nicht ganz entsprechen; die Spät-
scholastik musste an Ockhams Philo­so­phie vorbei zu religiös-morali­stischen Vorstellungen
zurückkehren. Cf. J. Huizinga, Herbst des Mi­­­­t­tel­a­l­ters, 1919 (Ausg. letzter Hand 1941) dt. 1943
und 1975 zu Ger­son. H. Blumenberg, 1966, pp. 350–352 sah in Gerson einen nominalistischen
Prota­go­nis­ten des Wi­derstands gegen philosophischen Er­kenntniswillen im qui pro quo auch
gleich gegen jeden wissen­schaft­lichen; p. 350 Anm. 258 verweist er auf J. Hui­zin­ga, pp. 161–163
und 185 (in Frage käme 188). Doch Hui­zinga re­feriert dort wie Gerson gegen den Ro­man de
la rose Stel­lung bezieht. Nicht gegen Erkennt­nishochmut und phi­lo­sophische Neugierde. Die
pastorale Einstellung Gersons teilten indes schon Autre­court und Durandus. Cf. I. Iribarren,
Durandus after the censures. Theolo­gy as a Vocation, 2012.
. Die subjektive Natur des Denkens im Verstande äußert sich zunächst in actus, den notitiae,
die wir von den men­­­talia (incomplexa und complexa, Begriffen und Sätzen) haben. Daneben
aber gibt es eine notitia, die die ani­ma von sich selbst hat, eine notitia substantiae animae. Noti-
tia ist Kenntnis, Erkenntnis, Knowledge, connais­san­ce. Diese notitia ist inhaltlich nicht gefüllt;
sie gibt keine Erkenntnis vom Verstande, so wie uns auch nicht die Ver­­mögen (potentiae),
intellectio, volitio gegenständlich werden können.
. Z. B. bei Spinoza, Ethica oder Wittgenstein, Tractatus logico-philoso­ph­icus, 1921.
. Bereits historisch mit Locke und Hume, dann im 20. Jahrhundert der logische Empiris-
mus.
594 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham beginnt in der Naturalität (oder lässt sie jedenfalls zu): er denkt sie als
Komponen­te bei den Akten unter genetischen Bedingungen/Aspekten mit, so dass
sie deren Sinn (mit) be­­sagen aber womöglich auch verunklären können, was bedeu-
ten muss, dass die Akte erst auf ei­ner eigenen Ebene, die damit herausgestellt wird
und zwangsläufig sich ergibt, Sinn und In­tel­lektion vorstellen können; er hebt sie also
nicht ganz in den mentalen Ausdruck. Bei der Jungfrauengeburt erkennen wir, dass
Ockham an der Kontingenz (propositio contin­gens) vor­­bei (er passiert sie nur, um-
geht oder übergeht sie quasi) nicht bis zur Abstraktion gelangen will, wenn er sie
erklärt. Er eröffnet ihr damit einen Raum, innerhalb dessen sie sein kann, ganz wie

. Das gilt so bereits für den Begriff und entsprechend in der Universalienlehre, sofern sie bei
Ockham den Be­griff letztlich ausschließlich als mentales Datum anzugeben, zu verteidigen,
zu sichern hat: Ockham nennt (Ord. d. 3, q. 6 OT II 495 lin. 13f) das uni­ver­sa­­le „simpliciter
imperfectius et pos­terius ip­so sin­gu­lari“. Es gilt dann auch für alle actus und notitiae. „La seule
cho­se, dont nous assure la connaissance intuitive“, so P. Duhem, 1913ff t. V p. 644, „c’est que
nous avons cette connais­san­ce.“ Das hätte allerdings zu bedeuten, dass wir sie re­flexiv in diesem
Sinn er­kenn­ten, was un­se­­re Gewissheit sinnlos zu ma­chen hätte, die reflexive wie eventuell den
Ge­gen­­stand dieses ac­tus re­fle­xus, sc. die ge­meinte notitia intui­ti­va als ac­tus rec­tus, dass wir
diese Erkenntnis wirk­lich hätten. Aber nach Ockham kön­­nen wir gerade abstrakt auch da­ran
zweifeln, dass wir eine notitia intu­­ti­va hat­ten/hätten. Duhem at­tes­tiert „subjecti­vis­­­me radical“,
dessen Konstitution zu er­örtern ist. Das be­in­­hal­tet zwang­s­läu­fig einen ge­wis­sen Blick in die
Zukunft, was wiederum die Feststellung auf­hebt oder an­ficht. Wenn Ockham (Ord. d. 3 q. 8 OT
II p. 528 lin. 8ff) feststellt, dass „nulla res nec notitia alicuius rei in­com­­ple­xae est causa noti­ti­ae
in­complexae alterius rei extra ani­mam“, hat er noch nicht den abstrakten Fall b­e­nannt oder
impliziert, dass es per potentiam divinam absolutam ver­hindert sein könne, dass wir mit der
Wahr­neh­mung ei­ner res (unius obiecti) auch ein anderes (weiteres) Ob­jekt extra nos wahrnäh­
men (cf. Ord. d. 2 q. 5 OT II p. 156 lin. 7–9). Dieser ab­strak­­te Fall, der sich postulie­ren lässt,
weil ihm nichts wi­der­streitet (repugnat), beruht auf der distinctio realis zwi­schen den Objekten
oder Akten. Der erste aber auf der De­finition der res se­cun­dum notitiam huius rei und der De-
finition dieser noti­tia selbst, bei der was nicht in ihr impliziert sein kann, sich induktiv feststel-
len lässt. Im zwei­ten Fall wird diese Fol­gerung, sofern sie einen Wi­­derspruch besagen könnte,
ihrerseits schon als aus­ge­schlos­sen betrachtet. Insofern ist die abstrakte Feststel­lung möglich.
Sie könnte nie bewiesen, nur persuadiert wer­den. Hier weist Ockham denn auch selbst auf den
nicht bestehenden Wider­spruch als Element der Abstrak­ti­on hin (ib.): „non est inconveniens,
quin – saltem per po­­ten­­tiam divinam – quae­li­bet res absoluta (was die dis­tinc­­tio realis bedeu-
tet) intuitive videatur absque visione alte­ri­us rei absolutae.“
. Man fragt sich, ob bei der Zeugung des Gottessohnes die Vereinigung der menschlichen
Mutter mit dem göttli­chen Geist von Ockham als eine mythische Begebenheit rational auf­ge­
schlüsselt werde. Doch Christus als die Ver­­ei­ni­gung (Einheit) zweier Naturen liegt oberhalb der
generatio filii in ma­tre humana. Das ist als logisches Fak­­tum zu begreifen, in welchem die Logik
sich als Faktum setzt. Es gibt so keine Wi­dersprüche. Sol­che auszu­schlie­­ßen ist Ockhams Ziel;
ebenso: den Sätzen einen Sinn zu ge­­ben, in dem der Widerspruch nicht aufzu­fin­den sei, was
et­­was anderes ist als dass er ausgeschlossen wurde. Ockham hat bei­de Interessen, wahrschein­
lich aber das zwei­­­te zuerst und zuoberst. Darin ist sein Interesse an den Aussagen selbst mit
deren angestrebtem sta­tus nichts an­de­res als mythenähnlich geblieben. Es ist (wie) ein Re­flex
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 595

causalitas sich zwischen den obiecta (welche causa und effectus verkörpern) nicht

des My­thos dort wo er sichtbar nicht ge­wollt wird. Ock­ham arbeitet a limine anders als Duns
Scotus. Denn Duns Scotus sucht den Wider­spruch bzw. den Er­weis der Nichtwi­der­sprüch­lich­
keit (‘Widerspruchsfrei­heit’) als integralem Bestandteil der An­sich­ten, die er ver­tei­digt bzw.
ermit­telt. Er hat da­mit aber die Wahrheit eigentlich vermehrt und erweitert, also bei der im­pli­­­­
ziten Absicht, Determi­nat­heit zu ge­win­nen, eine fallacia er­reicht, aber vermittelst der Logik.
Ockham lässt (Rep. III q. 6 OT VI pp. 162–191: Utrum Beata Virgo debeat dici parens Christi se-
cundum naturam humanam) die Got­tes­­mut­ter vor­ab die Ma­terie verkörpern und behandelt die
forma (ihr se­men) als mit seiner Be­deu­tung extra re­gionem ter­re­nam, als praeter suppo­si­tum
hu­ma­­num liegend. Das se­men bleibt im Stan­de oder Rahmen der wi­der­­spruchs­­frei­en Mög­lich­­
keit, keiner realempirischen Zeugung entsprechend. Die na­tu­ra­le Zeu­­gung ist der Ver­gleichs­
fall, der der Relegation störender Aus­legungen dient. Mit ihm werden unge­mä­ße Ra­­tiona­li­sie­
run­gen aus­ge­schieden. Auch hier kann das semen formae seu patris nur hin­­zu­tre­ten. Nicht
von vorn­her­ein eingemengt oder verschmol­zen sein. Es wird ein Fehlen der Induktionsbasis
auf­ge­­wie­­sen. Es gibt den em­pi­­­­ri­schen Bezugs­grund nicht. Doch das Vater-Sohn-Verhältnis gibt
Ockham in bloßer Ver­bal­erklärung (Ord. d. 9 q. 3 OT III p. 294 lin. 10–13): „ve­re et realiter Pa­ter
est prior origine ipso Filio, quia hoc non est ali­ud quam dicere quod a Patre est Fi­li­us vel quod
Pater producit Fi­lium, nec aliquid ali­ud per hoc intelligo.“ Das Wunder wird ein ad libitum. Cf.
Ord. d. 26, q. uni­ca OT IV p. 157 lin. 21–23 „Nec sunt ponenda plura mi­racula quae videntur ra-
tioni naturali re­pug­na­re si­ne auc­toritate Scrip­­­­­turae vel Sanctorum.“ Die multiplicatio miracul-
orum würde gegen das Ökonomie­prin­zip sein, so­mit natürlich die auch ‘Wundervermehrung’,
die H. Blumenberg, 1966 mit der Gleichsetzung von Omni­po­­tenz­­prin­zip und Wunderstiftung
propagierte. Ockham geht von der naturalen Erzeugung aus, um die su­pra­na­tu­ra­le zu er­klären.
Das ist nicht unangemes­sen. Denn er fragt, ob Maria die Mutter Christi secundum na­tu­ram hu­
ma­nam habe sein oder heißen können und schließt die Mög­lich­keit der generatio supranatu-
ralis als mit dem Ver­hält­nis von forma und materia gegeben an. Sie erscheint nicht unzulässig.
Sie wird nicht als mögliches Fak­tum ge­­schlos­sen oder zu­gelassen (induziert). Ockham fragt,
ob, von der menschlichen Natur her gedacht, die ge­ne­ra­tio supranatura­lis statuiert werden
könne; er bemüht kei­ne Analogie. Duns Scotus hatte sich die Sache mit dem überre­den­den
Syllogismus einfach gemacht: Deus po­tu­it, voluit, ergo fecit. Für Ockham ist nicht ein­mal die
po­­ten­tia di­vina absoluta (supranatura­li­ter loquendo) Ur­­sache der Jungfrauen­ge­burt. Er lässt die
Sache in der über­na­tür­li­chen Welt, die er nicht erforscht. Von einer in Christi zwei­facher Natur
begründeten Notwendig­keit sagt er nichts. Das Verhältnis von forma und materia be­grün­­det
(enthält) keinen Schluss. Es entspricht nie ei­nem Schluss in einem kontingenten Satz und be-
dingt derart den kontingenten Satz. Die Welt war so von ih­rem Grun­de her nicht erschlossen
(erschließbar). Der Wi­­derspruch und die Wi­derlegung schwinden im Maße wie die Phy­si­zität
des Lebens dargestellt und der Mythos darin gelöscht werden kann. Er wird mithin auch im
Leben aus­­ge­löscht, aus dem er kam und für das er symbolisch stand. Es ist klar, das hier das 14.
Jahrhundert auf seinen Pol stößt: die Ersetzung der Physis durch Glauben und Anbetung.
. Bei Ockham steht die causa nur als causa immediata im realen Wirkungsverhältnis. Doch
haben causa und ef­­­fec­tus keinerlei Relation zwischen sich (Rep. II, q. 2 OT V p. 35 10f): „cau-
sa potest vere dici causa, effectus pot­est vere dici effectus si­ne aliqua relatione media.“ (Die
Formulierung klingt vorsichtig und hypothetisch ge­nug und behandelt die termini quasi als
reine nomina. Indes wäre die relatio media für Ockham nur continuum und zwar als Ak­tu­al­
un­endliches (ib. p. 32 lin. 14–16): „in nulla re (als unum finitum) sunt infinitae partes in actu;
596 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

re­gel­recht oder sichtbar entfalten kann, i.e. wenigstens insoweit nicht, wie eine causa-
litas, die als naturale ausgedrückt (aufgefasst) werden könnte, den mentalen Akt und
Bestimmungen der Ak­te, die intellectio bedeuten können sollen, nur aufheben oder
auslöschen müsste. In ei­ner gewissen Weise ist damit die Erschließung der Welt nur

sed si relatio differt reali­ter a fundamento, hoc sequitur.“ Da dieses (Aktualunendliche) nicht
sein kann, gibt es die re­­­la­tio media nicht. Sie stellt ei­nen Widerspruch dar. Danach ist das Be-
griffsverständnis von cau­sa, ef­fectus und Auswir­kung nur mög­­­lich, wenn die­ser Widerspruch
(absurdum) beiseitegelassen wird = als über­wun­den ge­setzt wird. Es ge­schieht, wo die po­ten­
tia divina absoluta, die hier selbstredend su­pra­natural wir­­kend gedacht werden muss, nicht
bloß natural an­ge­setzt werden muss, für die Anordnung der causa ver­wandt wird (ib. p. 35
lin. 26 – p. 36 lin. 1f: „sed facta appro­xi­matio­ne pot­est causa durare per tempus antequam agat,
quia deus potest suspen­de­re ac­tionem causae sic appro­xi­ma­tae.“ Diese Feststellung erscheint
als Folgerung; in ihr hat der Mo­dus den Platz des Folgerungs­aus­drucks. So ist der Satz ‘causa
est causa unius effectus’ determi­nat. Die Be­grif­fe können we­nig­­stens formell ge­braucht wer­den
(s. Ockhams Formulierung ein­gangs). Ockham ver­weist auf das conti­nu­um, das nicht
Aktualunendli­ches wäre, ausdrücklich (ib. p. 34 lin. 8f): „continuum … est in­finitum in po­
ten­tia (also nicht in ac­tu!) propter in­fi­ni­tas par­tes.“ Ockham kann sich also mit den Begriffen
causa und ef­fec­tus be­gnügen. Mit den Termini relatio und medium reichen wir indes auch
in die Be­weislehre, die vorab theolo­gisch relevant ist. Cf. Prol. Ord. q. 2 OT I p. 111 lin. 17–21:
„omne quod demonstratur de aliquo, per prius prae­di­­catur de alio per quod de­mon­stratur. Sed
ni­hil realiter idem cum Deo potest praedicari de aliquo quam de divi­na es­sen­tia, quia ni­hil tale
est … nisi persona vel aliqua relatio.“ Cf. auch Ord. d. 3 q. 4 OT II p. 441 lin. 1–7. In ihr müssen
wir be­­reits vorausset­zen, dass (die) Sätze konstituiert seien. Das bedeutet, dass ‘potest syllo-
gizari tantum’, wenn die­se Satzkon­sti­tu­ti­on gesichert oder ab­geschlossen ist. Sonst gelangen
wir nur zu modalen Prä­di­ka­ten (von Sät­zen) wie (p. 112 lin. 18) „forte de­mon­stra­bilis.“ Dass
die Sätze konstituiert seien ist äquivalent dem, dass Sätze kon­sti­tuiert sei­en. So können diese
ver­schie­denen Trägern wie dem beatus und dem viator an­ge­­hören, wodurch sie ganz ver­schie­­
dene werden. Die Verschiedenheit wird nicht über die Akte (notitiae) skan­diert. Die notitia (ab­
strac­tiva) ist nicht der Satz(-inhalt). Andernfalls könnte Gott nicht hypothetisch, wie Ockham
be­tont, über sie ver­­­fügen. Na­tural ge­wer­tet müsste sie mit der fides infu­sa zusammenfallen.
Damit aber würde man gegen das Öko­no­mie­prin­zip ver­sto­ßen. (cf. Prol. Ord. q. 1 OT I p. 74
lin. 11 – p. 75 lin. 5) Wir hätten nicht ‘mit (den) Sät­zen identische’ Inhalte, sondern etwas mehr
als die Satzinhalte. Es ist aber so, dass Ockham eher die Sätze (hy­po­­­the­tisch Satzarten) vermehrt
als die Ak­te. Er denkt an Sätze, die nur der be­a­tus haben kann. Cf. Ord. d. 3 q. 4 OT II 2 p. 440
lin. 4–11. Da­mit hat aber auch der bea­tus nicht mehr Ak­te als der viator, sondern ge­ra­de nur
die­sel­ben, no­ti­tia intuitiva und no­titia ab­strac­ti­va (cf. ib. lin. 223f). Beim be­­a­tus ist in der vi­sio
be­a­ti­fica, die sei­nen status aus­­macht, es Gott ‘qui terminat su­um actum cog­nitionis’. Diese cog­
nitio ist eine no­titia in­tuiti­va. Schließ­lich er­kennt man zuletzt auch hier, dass das Begriffswesen
im Nomina­lis­mus mit Dilem­ma­ta be­haf­tet bleibt, nicht bloß Dilemmata der ver­schie­de­nen
Bestimmung des uni­ver­­sa­le, und dem schein­ba­ren, dass auch der No­mi­na­­lis­mus vermöge der
Ab­leh­nung des ontologischen Re­alis­mus mit der Bestimmung der Er­kenntnis in Sät­zen nicht
zurechtkomme, dass er keine Kausalität er­klä­ren könne usw. Die Stelle Prol. Ord. q. 2 OT I p. 111
lin. 17–21 wird nicht recht durch die Passage ib. pp. 116 lin. 6 – 117 lin. 13 erläutert. (p. 111 Anm. 1
be­haup­ten Ed. es).
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 597

möglich, wenn wir nicht deduzie­ren. Der formale (= mentale) Akt erhebt sich genau
in dem Sinne aus der Materialität wie er (ge­­gen diese) mit Widerlegungsargumenten

. Da Duns Scotus bei seinen Nachjustierungen im Beweis, wenn er diesen, wie er angeblich
bereits vollzogen ist, ver­­teidigt und darin auslegt, immer eine akzidentell oder besser sogar ak­
zidental erklärte Komponente zurück­weist, kann er seine Prädikate kategoriell nicht legitimiert
haben; er muss auf einer reflexiven Stufe argumentiert ha­ben, die ohne Prädikate ist, bzw. die
unausgewiesenen Prädikate der darunterliegenden Stufe, indem sie sie aus­weist (oder aufweist)
zu Prädikaten macht: denen ihrer eigenen Stufe oder der darunterliegenden, auf die sie be­­zöge
und doch nicht bloß. Hier ist etwas unentschieden. Das aber geht über eine in sich undurch-
schaubare Ket­te von Beweisen, die aussagenlogisch ‘geordnet’ sein sollen, so nämlich wie sie
anfallen, i.e. in ihrer Rei­hen­­folge, die wiederum unabsehbar ist, d. h. die Notwendigkeit ihrer
selbst mit sich dartäte, was entweder un­mög­lich ist oder nicht sichtbar. Am Ende sind wir bei
einer Ordnung der Begriffe, die sich nicht legitimieren lässt. Die Aussagenlogik kann sie nicht
ordnen und ohne die er Schlüssel liegt also beim Verhältnis (bei der Ord­nung) der Begriffe. Die
Ordnung der Beweise, wel­che das Demonstrieren in seiner Folge zu bedeuten hatte, wird für
und mit Ockham ausdrücklich zur Folge (oder Ordnung) der Begriffe selbst. Dabei spezifiziert
Ockham nicht un­we­sent­lich zwi­schen definitio formalis und definitio materialis; sie könnten
nicht zusam­men­­fal­len (Ord. Prol. q. 5 OT I p. 170 lin. 4–7): „defi­ni­tio ali­quando datur per prin­
ci­pia essentialia, vel per declarantia principia essen­ti­a­lia, et illa est for­ma­lis. Ali­quan­do au­­tem
datur per principia alicuius rei extrinseca, et illa est materialis.“ Be­weis­taug­lich sind auch an­
de­re Prädika­te nicht, z. B. (ib. p. 158 lin. 2–7): „Ali­qua au­tem passio, quantum est ex se, nul­lam
praesup­po­nit distinctio­nem partium quin simpli­ci­­ter potest poni quacum­que illarum partium
circum­scrip­ta, et ideo nihil est exprimens qua­cumque in­trin­seca suo sub­iec­to cui pri­us et no­
ti­us convenit quam subiecto, et id­eo talis non est de­monstrabi­lis. “ Zwischen dem Bereich des
subiectum und dem des accidens gibt es einen Schnitt, der nicht durch Schlüsse, die ihn negier­
ten (negiert ent­hielten), ge­leug­net werden soll. Diese Schlüsse wä­ren unzulässig (fallaciae) oder
unbegründ­bar/­un­ergründbar. Ockham setzt den Schnitt zwischen subiectum und passio in
anima und fragt Ord. Prol. q. 1 OT I p. 129 lin. 19–21, ob sie identisch oder ver­­­­schie­den seien.
Er sagt (p. 143 lin. 9–11): „nego istam consequen­tiam ‘de­mon­­stra­­­bile de aliquo non est idem
realiter, ergo distingui­tur realiter ab eo’“ und bestreitet damit das ‘ter­­ti­um non da­tur’, wenig-
stens für men­ta­lia. Er gibt dafür einen in­duk­ti­ven Grund, der von der res extra animam aus­­geht
(lin. 11f): „Patet in­stan­­tia, quia ens rationis nec est idem re­aliter cum re nec distinguitur.“ Damit
gilt, dass auch für s und P weder ei­ne dis­tinc­­tio realis noch eine identitas realis angenommen
werden kann. Die In­duk­­tion ist da­mit abgeschlossen. Ockham fügte später ein, sie für die fic­
tum-Hypothese zum esse des Begriffs in ani­ma: (lin. 12f.): „/§ Et hoc secundum opinionem
quae po­nit entia ra­tio­nis ob­iect­ive in anima. §/“ Zwi­schen dem Be­griff als sub­iec­tivum esse in
anima und der res extra ani­mam hät­te man wohl eine distinctio re­a­lis (beide wä­ren res ab­so­lu­
tae). Man könn­te es nicht ausschließen. Dieser Mögl­ichkeit gegenüber instal­liert sich Ockhams
Ar­gu­­men­ta­ti­on als eine persuasio; sie markiert einen Schnitt, bei dem Ockhams ab­strak­te opi-
nio mit der mit ihr ver­bun­de­nen Ar­­gu­men­tation und deren Struktur sich von unab­seh­baren
Beweisführungen absetzen. Ockham zitiert p. 129 lin. 19 „VI Metaphysicae: ‘Substantiae non est
de­mon­stra­tio.’“ Die Stelle findet sich richtig im VI. Buch der Meta­phy­sik cap. 1 (1025 b): „ουκ
εστιν aπόδειξις ου­σίaς“. Nicht aus Meta­phy­sik VI., wie Ed. ib. Anm. 2 be­haup­tet, sondern aus
VII. Buch cap. 15 (1039 b) stammt was sie als „Be­leg“ zum Zi­tat sehen. Die Stellen­an­ga­be ist in
sich unkorrekt und unnötig. Der Gehalt der Stellen ist freilich ähnlich.
598 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

verteidigt und abgegrenzt werden kann; die Wi­der­­le­gungs­­ar­gu­mente bezeichnen in


sich absolute Individualmomente, die eben nicht konsti­tu­tiv werden können, i.e. sol-
len. Sie gehören der Form nicht an und werden als in der ratio des ac­tus nicht ent-
halten dargestellt, weil sie mit dem Widerspruch dessen begriffliche (inten­si­ona­le)
Identität aufhöben: accidentia und Wandelbarkeit würden der Erscheinung des Akts,
der noti­tia usw. überhaupt widersprechen. Sie wären aufgehoben. Sie sind also gegen
Materia­lität und Akzidentalität überhaupt nur zu begründen. Eine reelle Konstitution
des Aktes, der Be­­­grif­fe, ih­rer notitia, des subiectum (als Begriff), ja des universale gibt
es nicht. Sie eben darf auch nicht ersatzweise ontologisch fingiert werden.
Wir werden anders gesagt den Aufbau, den wir scholastisch für jeden intellektu-
ellen Aus­­druck anstreben (müssen), um ihn aliquomodo zu sichern, nicht wie wenn
es einen voll­en­de­ten Ausdruck gäbe, entwickeln können. Es ist klar, dass Duns Scotus
hier das Verhält­nis a pri­o­ri und a posteriori (dies auch im Sinne des linearen Operie-
rens verstanden) vermengt und ver­­­wischt hat.10 Duns Scotus steht als Scholastiker am
Ende einer Ent­wicklung, für die er aber auch in seiner Charakteristik weiter bezeich-
nend bleibt, dass er wie von der Idee des Vol­l­­endeten her denkend dieses nochmals
oder reflexiv erstmals zu realisie­ren ver­sucht bzw. dies gemäß einem Vollzug doku-
mentiert, den wir mit ihm nachzuvollzie­hen und eigens einzu­se­hen haben, so die
Erkenntnis erwerbend. Ockhams Ansichten dagegen ha­ben allge­mei­ne Gel­tung und
wurden später allenfalls wiedererobert, nicht aber bes­ser be­grün­­det.11

. Wenn aber so auch die Logik begründet ist oder nur so argumentativ assimiliert werden
kann, kann es keine Tautologie geben und eben keine regelrechte Logik. Lo­gik ist oder bleibt
dann allein, was mit der Ausschaltung der onto­lo­gischen Präsumtionen die Implikation als
in­ternes signum der Widerlegung oder Reprobati­on bestehen bleiben lässt. Zwischen den con-
tingentia kann es eine Impli­ka­tion nur insoweit noch geben, als damit eine in die­se Sätze (i.e.
einen von ihnen)scheinbar, ver­meint­lich oder auch hypothetisch, gewis­ser­ma­ßen also flüchtig
an­ge­nommene ontologische Deutung ausge­schlos­sen werden soll und kann. Wo also Duns
Scotus die Logik in Rich­tung auf die Ontologie hin deformierte, bzw. deren deduk­ti­ven Kontext
aufhob und störte, wenn er bewies (be­weisen wollte), da suspendiert Ockham die Logik, prak­
tisch wo und theoretisch weil sie mit dem Topos der De­finitheit kollidiert. Sie bezeichnet am
ehe­s­ten den Be­griff in der Nähe der materia.
10. Für A. Ritschl, Critical His­t­ory of the Christian doc­tri­­­ne of Justification and Reconciliation,
Engl. Transl. 1872 p. 258 ist Duns Scotus der Begründer der idealistischen Weltsicht, die er ins-
besondere angesichts der mo­de­rnen Wissenschaft als tief­ste mögliche Wirk­lich­keitsauf­fas­sung
versteht. Nach Ritschl (p. 264 4) liegt Ockham the­o­lo­­gisch völlig auf der Linie des Duns Scotus.
„in Ockham’s philosophical writings his psychology is perhaps the strong­­est point.“ Das ist
einzuschränken, insofern als Ockham, was er zu den Akten, Begriffs­klas­sen, mit ih­ren Defini-
tionen argumentativ sagt, gegen die Möglichkeit des Widerspruchs ab­setzt und erst von da­her
be­grün­­det. Gegen die Argumentation setzt sich keine Wirklichkeit und keine greift ihr vor.
11. Cf. L. Wittgenstein, 1921, 5.134 „Aus einem Elementarsatz lässt sich kein an­de­rer fol­gern.“
5.135 „Auf kei­ne Weise kann aus dem Bestehen einer Sachlage auf das Bestehen einer von ihr
gänzlich verschiedenen Sachlage ge­­­schlossen werden.“ 5.136 „Einen Kausalnexus, der einen
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 599

Gott in seinem Verhältnis zur Welt erscheint bei Ockham mit den Folgerungen
ausge­drückt, in denen es nicht mehr von der Welt her genommen materiell verstan-
den werden kann. In Be­zug auf Gott gibt es die Welt aliquo­mo­­do nicht, nämlich so-
weit wie es in einer Fol­gerung Platz haben und ausgedrückt wer­den können sollte, i.e.
wenn denn Folgerung in dies­er Weise anzulegen wäre. Die Welt, materiell genom-
men, ist die inten­sio­nal und im Sin­ne der Folge­rung nicht ausgedrückte. Es gibt (die)
Folgerungen nicht, die mit dem Ver­hältnis Got­­­tes zur Welt übereinstimmen können
müssten; insofern gibt es letztlich überhaupt kaum Fol­ge­run­gen, weil an jeder Stelle
die Begriffswertigkeit so suspendiert werden kann, dass in ihr die Kausali­tät soweit
ne­giert werden kann, wie (dass) ein consequens entfällt (nicht mehr zur Verfügung
steht). Hier tritt abstraktiv Got­tes divina po­tentia absoluta als Umorganisation der
Begriffe, der Welt und der Kausalität ein. Sie fällt mit dem Ent­fallen des consequens
zu­sam­­­­men. Gott meint dabei nicht die Welt und hebt sie doch nicht auf; er tilgt sie
nicht, jeden­falls nicht wei­ter als bis zur intensional nur noch negierten Folgerung.
Diese Rationalität geht vom Ding (res singularis, significatio) aus, aber sie intendiert
nicht, wie es in der Neuzeit zu Ver­stand und Sach­welt gleichermaßen heterogen ge-
schieht, in Satz, Begriff, Schluss und Be­weis ein Abbil­dungs­verhältnis. Gerade ein
solches wird nicht festgehalten. Und zwar so, dass es einen ver­meint­lichen Aufstieg
zur vollkomplexen Leistung des Verstandes ebenso zu ga­ran­­tie­­ren wie zu bedeuten
hätte. Die Unterstellung entfällt namens des Verhältnisses von Gott und Welt.12 Wir

solchen Schluss rechtfertigt, gibt es nicht.“ Sie wer­den offenkundig besser, ja sie werden nur
hier überhaupt begründet. Ockham er­kennt Ord. d. 45 q. unica OT IV p. 666 lin. 26 – p. 667
lin. 1 „pro­prie et stricte ac­ci­­piendo“ als causa nur die „causa im­me­­di­a­ta“ an. Sie ist nicht be­­­
weis­taug­­lich. Auch nicht mit Gott als causa im­me­diata. Dass Gott die (ib. p. 668 lin. 8) „cau­sa
im­medi­a­ta om­nium eo­rum quae fi­unt“ sei, (ib. lin. 10) „ex puris natura­li­bus“ „de­­mon­stra­­ri non
pos­­sit“: im Sinne der nicht vol­len Begriffs­wer­tig­keit soll es sich persuadie­ren las­sen (ib. lin.
10f). Cf. G. Leff, 1961 p. 16: „Gregory li­ke John of Mire­court upheld the identity of cognition
and vo­li­ti­on with the soul“ und er nennt dies den „article 28 con­dem­n­ed“ aus der Verurtei-
lungsschrift des Johannes von Mi­recourt. Ockhams opinio (Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 417 lin. 6)
„voluntas est causa effecti­va actus sui“, bedarf, wenn, die Begriffe, auf die man zurückgreifen
will, defi­ni­te hei­ßen (sein) sollen, der Ar­­gumentation. Sie ist mit der der neu­zeit­­lichen Philoso­
phie inkompatibel: sie sucht mit den reflexiven Bestimmungen be­züglich des Den­kens, sofern
sie geglückt (rich­tig) sein sollen, immediate Gel­tung pro facto. Keine Ne­­ga­tion (i.e. nicht ein-
mal eine Negation) kann lt. Ockham (Ord. d. 24 q. 1 OT IV p. 86 lin. 14–16) als ak­zi­den­telle
Bestimmung be­weis­fähig angefügt wer­den: „Una res non est alia, non quia negatio vel ali­quid
tale vel quodcumque aliud sibi con­veniat, sed quia una res si­bi non convenit.“ Die Negation
wäre schluss­­gleich und höbe die Determi­nat­­heit auf. Die fal­lacia ist äquivalent einem Schluss,
der nicht gezogen wer­den darf und die Determinatheit der Aussage auf­­­hö­be. Ockham klärt
infe­ren­tiae praeter ‘tertium non datur’.
12. Das sieht H. G. Ga­da­mer, 1960 p. 207 anders: unter Verweis auf P. Duhem, 1913 ff. Bd.
X will er im No­mi­na­­lis­mus den prä­ze­den­ten In­­begriff der neuzeitlichen Wis­sen­schaft sehen.
Das habe bereits Dilthey für das 17. Jahr­hun­dert erkannt. Es gilt oder gilt nicht: Die Welt, die
materiell genommen wird und erlöst werden soll, ist die my­thi­sche; darüber ist Boeh­mes
600 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

sind aber beim Thema ‘Gott’ (inclusive der divina essentia) mehr bei ei­­ner rationa-
len The­ologie als beim Thema ‘Jungfrauengeburt’, bei dem wir über Gott und sei­ne
Jenseitswelt­lich­keit „hinaus“ ja faktisch in eine naturale, in die geschöpfliche Welt
über­grei­fen müssen, aus der Ockham die Maßstäbe in der Theologie immer nur so
übernimmt, dass das Akziden­tel­le, das mit ihr und ihrer Wahrnehmung auch verbun-
den ist, nicht in den ab­­­strakten Begriff eingehen darf, in welchem die Regulationen
stattfinden, so etwa bei Begrif­fen wie Erbsünde und Sündenbehalt aus der Verfehlung
(‘peccatum’) usw.
Ockham rekurriert beim Beweis (persuasio) für die unitas dei nicht, wie Boehner
es dar­stellt, bloß auf die in­­fi­ni­tas in actu, die er wie Duns Scotus für unmöglich (bes-
ser sogar für einen Aus­­­­druck von Unmöglichkeit, eventuell der Unmöglichkeit über-
haupt) hält, sondern greift zu einer Formel, die den empirischen Bezug aus­drückt
und abfängt: non est ma­ior ratio, wenn es ei­nen weiteren Gott gibt, dass es nicht
viele und schließlich unendlich viele gebe; denn in der blo­ßen Zahl liegt kein (in­
haltl­i­ches) Argu­ment für eine Grenze.13 Die Determinatheit de­pen­diert aus der Ne-
gation ei­ner Folgerung, wel­che fi­na­­liter das infinitum actuale ausdrückt (an­gibt). Die
Zahl bezeichnet nicht Determinat­heit, heißt das. Daneben sieht Ockham die von ihm
ver­tre­­te­ne These als wahrschein­li­cher an ihr Ge­­gen­teil und kann dies ‘beweislogisch’
ver­tre­ten (= ‘be­gründen’):14 „dico quod unitas Dei non pot­est evi­den­ter probari, ac­
cipiendo deum se­cundo mo­do.15 Et ta­­men haec ne­ga­tiva ‘unitas Dei non potest evi­­
denter proba­ri’ non potest de­­mon­stra­tive proba­ri, quia non pot­est demonstrari quod
unitas Dei non potest evi­den­ter pro­ba­­ri, nisi sol­vendo ra­­tiones in con­tra­rium.“16 Für

Theosophie gegangen. Gott ist Widerpart der Welt; in ihm ist die Ra­tiona­li­tät de­po­niert, in
der das Ver­­hältnis bestimmt wird und aus dem es fließt. Die neuzeitliche Philoso­phie ist da­
ran schwer­lich vorbeige­kom­men. Ockhams Nominalismus hat sie wenig legitimiert, etwa
L. Witt­gen­­stein, 1921, 6.1264: „Der sinnvolle Satz sagt etwas aus, und sein Be­weis zeigt, dass es
so ist.“ Auch er hält an der Ab­bild­the­o­rie fest. K. Lorenz, 1970 lobt ihn dafür. Ockham klam-
merte eine my­­thisch ver­­standene Welt in der ratio ein.
13. Außerdem gibt Ockham den ‘Beweis’, dass nicht schon ein zweiter „gleich vollkommener
Gott“ existieren könne (Quodlibeta I q. 1 OT IX p. 2 lin. 33 – p. 3 lin. 2), wenn man die für Gott
‘descriptio’ (ib. p. 1. lin. 19 – p. 2 lin. 1 wähle: „Deus est aliquid nobilius et melius omni alio a
se.“
14. Quodlibeta I q. 1 OT IX p. 3 lin. 43–48.
15. Diese lautet ib. p. 2 lin. 1f: „alia des­criptio est quod Deus est il­lud quo nihil est melius et
per­fectius.“ Man mag fragen, wieweit diese descriptio und die von Anm. 13 ‘logisch’ auseinan-
der liegen und ob nicht und weil es nicht ersichtlich ist, diese zweite Erörterung wichtig und
übergeordnet ist. Ob man nicht generell von diesem Fall aus­ge­­hend noch über das Beweisen
reflektieren muss.
16. Ockham nennt weitere Sätze, die nicht bewiesen werden können, wobei auch nicht be-
weisen werden könne, dass sie nicht bewiesen werden können (ib. p. 48–52): „Trinitas perso-
narum“, „astra sint paria“.
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 601

Ockham war also die Wahr­schein­lichkeit, die auf der in sich nicht durchsichti­gen
Em­pirie ruhte (beruhte), wie im­mer bei der persuasio, de­fi­­ni­­ter­ma­ßen nicht auf der­
selben empirischen Basis (in se oder ex se) wieder angreif­bar: sie war eine hö­­here
Wahr­scheinlich­keit, weil sie nur an­ge­fochten werden konn­­­­te dadurch, dass der re­­fle­­xi­
ve Satz ‘Unitas dei non potest evi­­denter probari’ be­wiesen wer­den könne, d. h. per Wi­
der­legung (reprobatio), bei der ein möglicher oder gegebener, vorgeschla­ge­­ner oder
skiz­zier­­­ter Beweis, ein die Möglichkeit die­ses Be­wei­ses grundsätzlich explizieren­des
Beweis­kon­zept, in ihr „con­trarium“ gewendet wor­­­den wäre.17 Wir hätten so keinen
empi­ri­schen oder der Wahr­­­­heit respektive Empirie ent­spre­chenden Be­weis bzw.
Beweisbegriff (ge­­­­habt). Die Wahr­scheinlichkeit wird indu­ziert.18 Auch hier be­­zieht
Ockham sich wie bei jeder Er­kenntnis auf Begriffe, nicht auf Sachen in se, be­züg­
lich der em­pi­rischen Welt wie in Bezug auf Gott.19 Gott und Welt in­des sive Em­pi­rie

17. Zu überlegen ist, ob dafür Beweisformeln oder -regeln bestehen könnten und ob sie, die
wohl semantischer Na­­tur wären, eventuell im Tractatus logicae minor und im Ele­mentarium
logicae realisiert, zöge man sie für Ock­­ham heran, eine Verschiebung zu einer solchen Seman-
tik und Abso­lut­setzung des argumentativ gebundenen in­haltlichen Denkens enthielten; aber
die von uns dargelegten Erörterungen Ockhams wären weiterhin ‘beweis­the­oretisch’ über­ge­­
ordnet. Die ‘apokryphe’ Semantik wäre inhaltlich-technisch schmaler.
18. K. Mi­chals­­ki, 1969 p. 181f tadelt Ockham für diesen Beweis: „On est frap­pé de voir que le
Venerabilis In­cep­tor range dans le domaine de la science le jugement sur l’unité de Dieu, quoi-
qu’il ait dit expressement que la preu­ve sur laquel­le reposait cette thèse n’était pas une preuve
stricte, mais uni­que­ment dialectique autrement dit, qu’elle avait que la valeur d’une persua-
sio.“ Ockhams Beweis ist also durchaus wissenschaftlich. Doch kommen wir an die Grenze, wo
Ockham nicht Logik treibt. Auch Boeh­­ners Formel ‘Ockham as a lo­gician’ ist da du­bi­­­os.
19. Cf. Ord. d. 3 q. 2 OT II p. 412 lin. 19f: „nulla substantia corporea exterior potest a nobis in se
na­turaliter cog­nos­­ci.“ Es gilt ebenso von Gott (ib. lin. 24 – p. 413 lin. 4): „nec quidditas divina
nec essentia divina, nec aliquid quod est intrinsecum Deo potest a nobis cog­­nos­­ci in se et in
particulari. /§I Ita scilicet quod nihil aliud concurrat in ra­tione ob­iecti §/ nec debet hoc plus
negari a Deo vel a voluntate divina vel sapientia vel quocumque alio quam a quiddi­ta­te divina
vel essentia.“ So selbst­ver­ständlich auch hier beim Beweis von der unitas Gottes. Duns Scotus
hatte versucht, die quidditas Gottes in sich beweisförmig und abstrakt zu erreichen und dann
im Verfolg der Dedukti­on ‘alles’ über sie zu „wissen“. Da­­bei bricht und unterbricht Duns Scotus
den Strom der Beweise durch Erläute­run­gen, die Justifikationen (i.e. immer im Prinzip auch
schon geführter Beweise, die damit nicht aus sich „ziehen“ und definit sein können); anders:
die Rechtfertigungszusätze mussten Induktionen sein, mit de­nen neue Inhalte geschaffen wer-
den. Diese stimmten mit dem ‘alten’ „Beweis“ dann noch nicht erwiese­ner­ma­ßen über­ein; er
war nicht erwiese­ner­maßen definit. Bei Ockham gibt es dies deduktive Wissen nicht. Er such­te
viel­mehr nach der Affinität von Kirchenlehre und Vernunftform, wie sie dem Ver­stand die ra-
tio er­laubt. Deren men­tale Teile hat er argu­men­tativ, durch induktiv gewon­nene und bestätigte
Bestimmun­gen gewon­nen.
602 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

bleiben Refe­renz­­punk­te al­ler ac­tus, cognitiones, Be­wei­se, Beweisbe­wer­tungen (durch


Ockham und über ihn ‘hin­aus’)20 und eben auch je füreinan­der.21
Nach Ockham erfolgt eine widerspruchsfreie Auslegung der Hl. Schrift oder
Kirchen­dok­trin, wenn sie per consequentiam formalem angesetzt wird22 „saltem
mediantibus propositio­ni­­­bus per se notis.“23 Es sind die credita, die zur Setzung der

20. Die Rationalität des scholastischen Got­tes­beweises und der Theologie insgesamt fußt auch
auf dem transzen­den­­ten Wert ihres Gegenstands und ist so in der mittelalterlichen Gesinnung
begründet: von deus pater wissen wir nichts. Der Gott, den wir im Got­tesbeweis beweisen, ist
nicht der der essentia divina, die mehr dogmatisches Wissen darstellt. Nach Ockham wissen
wir nur et­was von un­se­ren Sätzen; sie sind der Gegenstand (obiectum) no­strae scientiae. Deren
sub­­iectum ist gleichwohl bei gewis­sen Sät­zen Gott. Der Scholasti­ker ex­po­niert im Got­tes­­­be­weis
seine Mittel. Er ist da­zu ge­nö­­tigt; erst hier weiß er, was Erkennen ist: er kann mittels Em­pirie
kei­ne je von empirischer Er­­füllung un­abhängige Er­kennt­­nis­­ be­grün­­­den. Empirische Aussagen
+ Relationen begründen ke­inen (de­termina­ten) Be­weis- und Erkennt­nis­be­griff, wie Ockham
zeigt. Er kann daher in der Re­fle­­­xi­on über das Be­weisen des­­­­­­sen Ak­te ab­schätzen, wie­­wohl sie
nicht aus­ge­führt werden (kön­nen) und die em­­piri­sche Ba­­sis sol­­cher Bewei­se in se gar nicht
erreicht wer­den kann. Eben deshalb können auch die Be­wei­se nicht ei­gent­lich sein. Das machte
Ockhams reflexi­ven Be­weis aus, der die Nichtgegebenheit der Be­wei­se be­­­trifft und da­raus ei­ne
Fol­­ge­rung zieht, wiewohl/äquiva­lent dem dass Folgerungen gezogen wur­den und wohl nie wer-
den können.
21. Mit prinzipieller Einsicht äußert sich Robert Musil (1906) zum Nominalismus (Tagebücher,
ed. 1955 p. 103): „Wenn ich einen Gedanken in der Form eines Satzes ausspreche, so denke ich
gewiss nicht die In­ten­tion jedes einzelnen Wortes …“ Das stimmt mit Ockhams Äußerung
überein, dass in der notitia pro­po­­sitio­nis wohl die con­ceptus istius propositionis enthalten sei-
en, aber keine notitia unius termini. Die notitia uni­us ter­mi­ni in der no­­­titia propositionis ist
von der notitia conceptus außerhalb der notitia propositionis ver­schie­den, in­so­fern gibt es de­
ren zwei. Das bedeutet auch, dass der abstrakte Satz wichtiger sei als der terminus und die auf
ihn zielende uni­­versalientheoretische Diskussion nebensächlich. Cf. u. Anm. 99 und Kap. 11
Anm. 64.
22. Ord. d. 1, q. 5 OT I p. 461 lin. 18f.
23. Cf. dazu auch Prol. Ord. q. 2 OT I p. 81 lin. 1–16 Zur propositio per se nota cf. instruktiv:
Ord. d. 3 q. 4 OT II p. 438 lin. 12 – p. 439 lin. 9. Hier werden nicht die Begriffe aus sich mit
ihrem Verhält­nis die Grund­la­ge der pro­po­­si­tio per se nota, sondern dass sie, wenn sie auch
schon be­kannt sein mögen, mit je­der beliebigen (quae­cum­que) notitia die Erkenntnis, an der,
wenn man sie hat, nicht mehr gezweifelt werden kann, während das bei blo­ßer no­ti­tia intui-
tiva oder bloßer notitia abstractiva durchaus der Fall sein kann. Die Qualität der Einsicht der
Be­grif­­fe kann dabei beliebig sein. So ist das von uns gestellte Pro­blem von Ockham sowohl
re­gistriert (zugewie­sen, re­a­lisiert) worden, als auch konstruktiv gelöst: die Be­griffe bergen ein
Problem. Doch es wird über die wie­der un­spe­zifischen Akte kompensiert. Summa: wir erfas-
sen den Begriff, die Begriffe, mit de­nen die propositio per se nota gebildet (formiert) wird, in
keiner Weise so, dass sie ausreichten, um die pro­posi­tio per se nota zu er­ge­ben. Denn es gibt
keine Erkenntnis als Erkenntnis der Be­gri­ffe in ihnen durch sie selbst. Das ist die systemi­sche
Ant­wort in Ockhams Philosophie, mit der er konstruk­tiv reagiert und nur so­weit Ant­wor­ten
erteilt und be­sitzt, als er konstruktiv reagieren kann. Erkennt­nis gibt es nur, inso­fern etwas
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 603

dis­tinc­tio formalis nötigen (com­pel­lunt).24 Ockham ver­wen­det sie ausdrücklich nur


für die divina essentia und nicht für die cre­a­tu­ras.25 Die dis­tinc­tio formalis geht bei
Ockham aus einer Ne­ga­tion der distinctio rea­lis her­vor und diese ist an die contra­
dic­tio gebun­den:26 „con­­­­tradic­tio est via potissima ad pro­ban­dum dis­tinc­tio­nem rea­
lem, (die em­pi­risch wahr­ge­nom­men werden kann), quando ita est quod est negatio
simpliciter: ita quod per nul­lam cir­­cum­­­locutionem potest alter con­tradicto­ri­o­rum
ve­­­ri­ficari de illo a quo ne­ga­­tur; sed quan­do per talem circumlocutionem con­tingit

Spezifisches zum Begriff, über ihn hinaus und ihn betreffend gesagt werden kann, das heißt:
kon­struk­­­tiv. Cf. auch Prol. Ord q. 1 OT I p. 74 lin. 4–11: „dico quod posito quod notitia evidens
veritatis sit perfec­tis­sima se­cundum spe­ci­em, hoc est quod nulla no­ti­tia specie di­stincta ab illa
notitia evidente est ita per­fec­te, tamen una notitia evidens eiusdem spe­ci­ei pot­est esse per-
fectior alia eiusdem speciei. Et ita esset in propo­si­to quod notitia beati de eadem ve­ritate est
per­fec­tior quam alterius non beati de eadem, et hoc quia notitia intu­i­tiva terminorum causat
perfec­ti­o­rem notiti­am quam notitia ab­­strac­ti­va eorundem.“ Der notitia abstractiva beati geht
die notitia in­tu­itiva termino­rum voraus. Auch hier tan­giert das Pro­blem nicht die Akte. In der
visio beatifica haben wir eine experientia, die es pro statu isto nicht gibt. Die noti­tia intu­i­ti­va
bleibt aber auch da causa essentialis und causa ex­trinseca notitiae abstracti­vae. In­dem Gott in
pa­­tria je­doch ver­­möge seiner om­nipotentia von dieser Bedingung absehen kann, kann es eine
hy­po­thetische Gel­tung der no­ti­tia abstrac­ti­va auch pro statu isto geben. Für Ockham (Ord. d. 2
q. 9 OT II p. 315 lin. 3–11) wird der „conceptus com­munis Deo et aliis“, in dem wir Gott allein
erkennen, wäh­rend wir ihn in se oder nach einem ei­­gens für ihn zusammen­ge­setzten Begriff
nicht kennen und erkennen, noch ein­mal zusammengesetzt sein müs­sen: „oportet quod compo­
na­tur ex sim­plicibus et communibus“. Diese können wir aber nicht genealogisch recht­ferti­gen,
son­dern, indem wir erkennen, dass sie nur so sein können, haben wir sie legitimiert, das heißt:
als unab­weis­bar in un­serem Besitz sich befindend. Ein solcher Begriff, gegen den es keinen
Einwand gibt, muss eben zu­ge­las­­sen werden, obwohl er weder der auf unmittelbarer Wahrneh­
mung sei­nes Gegenstandes beru­hen noch über­haupt von uns nach unserer Welterfahrung er-
worben sein kann. Eine com­positio im Bereich der sin­gularitas ist für Ockham nicht gänzlich
ausgeschlossen (ib. q. 6 p. 212 lin. 21–23): „conce­do quod omnia in­di­vidua sunt se­ip­sis di­ver­sa:
nisi forte ali­ter sit de individuis ex quorum uno generatur aliud, propter identitatem nu­me­ra­
lem ma­te­riae in utroque.“ Doch schließt der Modus ‘forte’ so nicht aus, dass keine Identität
‘worin auch immer’ bestehe.
24. Ord. d. 2 q. 11 OT II p. 370 lin. 14–18.
25. Bei Duns Scotus ist die dis­tinc­tio formalis Mittel und Hebel der (in unseren Augen unech-
ten) ‘Abstraktion’, mit der er sich der für ihn zu eng werdenden Empirie entwinden möchte und
sie vergleichgültigt wer­den soll, wie­wohl damit die Einsicht an ein bloßes Postulat gebunden
wird, dem äquivalent eine Behauptung als unzurei­chend in kasualer Ablehnung abgewiesen
wird und das Postulat noch nicht auf Allgemein­heit gegründet und legitimiert worden ist. So
begründet Duns Scotus allgemein ontologische Prinzipen oder Terminologien, so rettet er ari-
stotelische Devisen. Bei Ockham ist die dis­tinc­tio formalis integrales Ingrediens der Abstrak­ti­
on, die am Ende für alle Sätze wenn sie gelten können sollen, bestehen = vorgenommen oder
erklärt wird.
26. Ib. p. 374 lin. 5–11.
604 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

alterum con­tradictoriorum verificari de illo a quo negatur, tunc tantum erit una via ad
pro­ban­dum dis­tinc­tionem forma­lem.“ Das ist eine In­duktion.27 Wenn die distinctio
for­ma­lis (vom Satz) prä­di­­­­ziert wird, muss wie bei je­dem Mo­­dus, der mo­do com­po­sito
ange­wandt wird, das Wider­spruchs­­­moment eingegrenzt und so­mit aus­­ge­schlos­­sen
wor­den sein. Dass der Wi­der­­spruchs­satz eine leitende konstituierende (und begrenz-
ende) Funkti­on nicht ha­­­ben kann, er­­­hellt aus Ockhams Feststellung28 „om­ni­po­tens
non pot­est efficere om­­ne illud quod non includit con­tra­dictionem, quia non potest
effi­ce­re De­um.“ Gottes All­macht wird da­nach nicht so durch das Wi­der­spruchs­prinzip
begrenzt, dass die­ses förm­lich und allge­mein gel­ten könnte. Es hat keine Kraft selbst
Sachverhalte zu erkun­den, wie es gera­de nicht mit In­hal­­ten virtute sig­ni­fi­ca­­ti­o­nis
ver­schmol­­zen sein kann, so wie es bei Duns Sco­tus die metaphy­si­­schen Regeln und
Ma­ximen ge­währ­leisten sollen, i.e. in einem Vorgriff. Es be­darf ange­sichts dieser im
Vor­griff mitgege­be­­nen Tendenz gerade nicht mehr des ein­­­zelnen in­haltlich zu ver-
stehenden Prinzips; das Ge­flecht der ontologischen Prin­zi­pi­en selbst ist damit noch
nicht in ir­gend­einem Sinn ak­kre­di­tiert. Ockham setzt (gegen Ari­sto­te­les) den Wi­der­­
spruch auch nicht mit der materiel­len Grö­ße der Welt überein:29 „non est po­nen­dum
quia pos­set De­­us fa­ce­re unum alium mun­­­dum.“ Das All­­machtsprinzip schließt die­­sen
Wider­spruch aus. Se­cun­dum legem com­munem (empirisch) an­ge­nom­men, muss er
nicht (absolut) mit ei­ner anderen Welt über­ein­kommen: in ihr be­ste­hen. Gott könnte
grö­­ße­re Was­ser­­massen orga­ni­­sie­ren als wir in un­­serer Welt vor­­fin­den.30

27. Begründet ist sie damit noch nicht. Ockham referiert die Scotische Position und sieht sie
kritisch (ib. p. 363 lin. 5–11). Er verteidigt und begründet sie über ein Ar­gu­­ment, das mental
und ex­­tra­men­tal kontra­hiert (ib. p. 364 lin. 11–13): „quan­­do­­cumque aliqua sunt idem omnibus
modis ex natura rei, quid­quid com­pe­­tit uni com­pe­tit al­­te­ri, nisi ali­quis modus grammaticalis
vel logicalis impediat.“ Das soll zu einer di­stinctio formalis füh­ren, wo es ei­ne di­s­tinc­­­­tio re­a­
lis nicht gebe, die Garant und Inbegriff der Realität und Empi­rie ist. Ockham hat da­mit nur
eine ab­strak­­­te Bestimmung von Reichweite gewidmet; von Gott kann die distinctio forma­lis
ge­braucht wer­den, weil ein li­mi­tier­ter Gesichtspunkt für sie infrage kommt, er ist von Ockhams
Ar­gument gemeint. Gott und res singula­ris sind beide ratio cog­no­s­cen­di in den je­wei­ligen Dis-
ziplinen The­ologie und scientia naturalis.
28. Ord. d. 20 q. unica OT IV p. 36 lin. 6f.
29. Ord. d. 17 q. 8 OT III p. 567 lin. 21f.
30. Zur Zahl möglicher Welten (ib. p. 568 lin. 1f): „immo credo quod non posset facere tot
mundos finitos quin posset facere plu­res.“ Die Begrenzung der Zahl der mög­li­chen (endlichen)
Welten müsste sich aus den Begriffen ergeben. Die Begriffe sind aber nicht ab­so­lut. Sie kön­nen
mit den Welten abgeändert und überholt werden. Aus ei­ner vor­derhand nicht begrenzten (end­
li­­chen) Men­ge folgt überdies nicht, dass sie anders als in potentia infi­ni­ta wä­re, in ac­tu aber
jeweils fi­ni­ta, wie Ockham ausdrücklich ib. p. 550 lin. 14ff und lin. 19ff. und bis ins Ex­trem deut­
lich ib. p. 552 lin. 25f feststellt. Erschüfe Gott einen zwei­ten Gott, wäre die­ser nicht wie er selbst
uner­schaf­­­fen und unabhängig. Wir hät­ten keinen deter­mi­­­­na­ten Be­griff von Gott (verwandt)
und so ei­ne falsa im­plica­tio, dies aber in Son­der­heit auch auf das Wi­der­spruchs­­prin­zip hin.
Da­rum be­streitet Ockham die All­ge­mein­heit der Re­gel ‘om­ni­po­tens potest facere omne quod
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 605

Das Verhältnis Gottes zur Welt ist natürlich unter dem Aspekt von Kausalität
zu sehen: Gott ist causa mundi und er erhält (bewahrt) die secundum legem com-
munem bestehende Welt, die er auch anders hätte schaffen können. Es wären damit
freilich auch unsere Begriffe nicht mehr adäquat, – wenn wir denn den status mundi
und den status (intellectus) ho­minis bis dahin ge­­hend diskutieren möchten. Unse-
re Begriffe erscheinen da a limine nicht legitimiert und dies muss vor allem unser
Verständnis vom ordo salutis tangieren. Es kann letztlich überhaupt nicht legitimiert
werden. Dass da die Bedingungen des Seelenheils frei von Gott ordiniert er­schei­nen
ist ebenso konsequent (wenigstens als Ansicht zulässig) wie die propositio (veritas
oder cognitio) ad salutem necessaria an die rein menschlichen Bedingungen unseres
Er­ken­nens gebunden sein und von ihnen her synthetisiert werden können muss.31
Sie ist im streng­s­ten Sinn das im Satz32 deponierte Wissen, das wir aliquomodo ha-
ben, wenn wir den Satz, i.e. die Aussage, im Wesentlichen struktural, kategorisieren
(einordnen). Das beraubt sie des me­cha­nischen Erlösungswertes und gibt ihr einen
rein intellektualen, der geschicht­lich solitär ist. Er kann nicht mit den Frömmigkeit-
sidealen des 14. (Durandus, N. v. Au­tre­court) und des 15. Jahr­hunderts (Jean Gerson)
übereinstimmen. Hier muss Luther schwer einzuordnen sein.33

non in­cludit con­­tra­dic­ti­o­nem.’ Das ist induktiv oder per in­stan­tiam ausgeschlos­sen und betrifft
ebenso bloß die Be­griffs­­struk­tur und de­ren reflexive Betrachtung. Zur Be­gren­zung der ‘All-
macht’ durch das Wi­derspruchsprinzip s. auch Quodlibeta VI, q. 1 OT IX p. 586 lin. 24–26 für
die gilt „ac­ci­pi­tur pos­se pro posse omne illud quod non includit contradictionem fieri“. Damit
gehen wir mindestes eben­so vom facere (oder pos­se) wie vom Widerspruch aus! Das ‘Wider-
sprüchliche’ würde ja gar nicht zu be­ste­hen vermögen.
31. Sie war dann in diesem Sinne synthetisch und Ockham macht es durch seinen Nachvoll-
zug praktisch und re­fle­xiv deutlich. Er beweist es in einem abstrakten Verständnis und zu-
gleich nur für dieses abstrakte Verständ­nis überhaupt. Wir verstehen das Christentum, können
aber mit der Verteidigung und Klarstellung gegen das lo­gisch vorherige prekäre scholasti-
sche Begriffsverständnis die antiheidnische Apologie nicht mehr betreiben. Sie tritt denn in
Ockhams Stellungnahmen (solutiones), die auf der Basis der von ihm exponierten Strukturen
be­ru­­hen und auf sie ausdrücklich zurückgreifen, erkennbar zurück. Der infidelis ist, seinen
Erkenntnismöglich­kei­ten zu­fol­ge, die auch die allgemeinen menschlichen (naturalen) sind,
nach deren begrenztem Er­schließungs­cha­rak­ter eine argumentative Option, eine Negativfolie,
die die theologische Erkenntniskraft limitiert, nicht aber schon die cognitio supranaturalis, so-
fern sie sich konstruktiv und definierend legitimieren (konzedieren) lässt. Der in­fi­delis ist nicht
mehr Adressat. Auch kein fiktiver. Wer ist es aber jetzt?
32. Expos. sup. VIII libros Phys. Prol. OP IV p. 9 lin. 87f: „differentia est inter obiectum scien­tiae
et subiec­tum. Nam obiectum scientiae est tota propositio nota, subiectum est pars illius propo-
sitionis, sc. terminus subiectus.“
33. Die Reformation ist oft negativ beurteilt worden: Nietzsche sah in ihr den Deutschen bzw.
deutschen Geist ver­­körpert. Cf. Schopenhauer als Erzieher, 1874 (s. KSA 1, p. 389): „Selbst sein
letztes Ereignis, die deutsche Reformation, wäre nichts als ein plötzliches Aufflackern und
606 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ock­ham lässt Gott aber auch in die erkenntnistheoretischen Fragen ein. Auch
da waltet die Di­alektik von supranatural und natural (empirisch secundum legem
communem), bzw. gene­rel­ler Behauptung oder Negation und kasualer Bestrei-
tung (Anfechtung) und entsprechend in­duktiver Gegenbehauptung. So etwa wenn
Ockham, um einen generellen Tatbestand be­züg­­­lich der Wirkung und Wertigkeit der
notitia abstractiva festzustellen, auf die Situation der vi­sio beatifica auswich, bezüg-
lich der Gott auch eine zweite, von ihr, die einen notitia intuiti­va ist, unabhängige
notitia (abstractiva) verursachen könne.34 Diese von einem weltexternen Standplatz
aus insinuierte Möglichkeit soll dann generell und auch für die Welt secundum le­gem
communem gelten. Wir generalisieren sie damit ex uno casu. Wir hatten eine Behaup­
tung bzw. Bestreitung, die in diesem Sinne die empirischen Verhältnisse aber nicht
geordnet und deutlich beobachtete und über einen casus angegriffen werden konnte.
So durfte der ca­sus im Sinne der Induktion generell gelten.35 Es geht in diesem Sinne

Verlöschen gewesen, wenn sie nicht aus dem Kampfe und Brande der Staa­ten neu­e Kräfte und
Flammen gestohlen hätte.“ Es hätte also von Staatengeschichte unabhängig sein sollen.
34. Sie ist dann ein ‘exzeptioneller’ Paradefall für die Induktion, kein gebundener Kausalfak-
tor.
35. Dieser Argumentationszug kommt bei Ockham öfter vor. Cf. Prol. Ord. q. 1 OT I p. 17
lin. 15 – p. 18 lin. 2: Um zu beweisen (lin. 1–3), dass der „actus iudicativus respectu alicuius com-
plexi praesupponit ac­tum appre­hen­sivum respectu eius­dem“ weicht Ockham auf den habitus,
näher die ha­bi­­tus sc. habitus principii und habitus ap­pre­hen­si­vus, aus und schließt, dass sie, be-
vor sie auf den ac­tus iudicativus bezüglich des Satzes und beim Syl­lo­gis­mus zielen kön­nen, auf
den actus ap­pre­hensivus zielen (können) müssen, der hier durch den Syllogismus ap­pro­­biert,
d. h. als wahr oder einsichtig beurteilt werde. Das Wahrheitsmoment geht in der Intelligibili­
tät/Ein­seh­bar­­keit gleichsam ‘un­ter’. Wir sehen nur im Rahmen des Syllogismus ein und haben
damit auch bloß eine relativ ab­solute Einsicht oder Bestätigung. Das bedeutet aber nicht, dass
dem Syllo­gis­mus auch widersprochen werden kön­ne. Es bedeu­tet allerdings schon, dass dersel-
be Satz ver­­schiedene Beweise und somit Bestätigungen in ver­schie­denen Syllo­gis­­men und dies
wo­mög­lich in verschiedenen Wissenschaften wie etwa theologia und metaphy­si­ca. Der actus
ap­pre­­­­­­hensivus müsse früher als der ac­tus iudicativus sein, weil er ohne letzteren sein könne,
was da­raus erhellt, dass wir ihn ja be­reits haben, bevor wir ihn beurteilen oder auch nur werten
wol­­len. Der actus iu­dicativus be­züg­lich der Begriffe fällt in die notitia intuitiva; doch ha­ben wir
es mit Sätzen (com­ple­xa) zu tun und dem ihnen zu­­­geordneten actus apprehensivus, wir sind
so bei der reinen notitia ab­stractiva, von der der ha­bi­­tus ausgeht. Auf den actus ap­pre­hensivus
bezieht sich der habitus. Ockham wählt auch hier einen topolo­gisch exter­nen Stand­ort, der
eine unmittelbare inhaltlich Überleitung oder explikative Füllung für den Zu­sammenhang der
Be­grif­fe oder Topoi nicht zu­­lässt. Er muss also der Meinung sein, dass die­se im Sinne seiner
Wahrheiten, ‘Leh­­­ren’, Be­haup­­tungen oder Lehrsätze (conclusiones) nicht erforderlich sei. Im
behandelten Fall ist noch daran zu erinnern, dass der habitus nicht in eine intelligible empi-
rische Gewissheit (notitia intuitiva) fällt und somit ge­nau oder an­nä­hernd dort situi­ert, wo
Gott die notitia intuitiva supranatural konservieren muss, damit wir negati­ve Fest­stel­lun­gen
be­züg­lich der Nichtexistenz oder Nichtpräsenz eines Gegenstandes treffen können, also den Be­
griff der no­­­­titia intuitiva in intensionaler sei es Weiterung sei es Konstanz verwenden können.
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 607

um Größen der notitiae ab­stractiva und intuitiva.36 Diese erscheinen nicht als exten-
sional reguliert, da nicht auf em­pi­ri­­­sche akzidentelle instantiae bezogen.37 Sie haben
abstrakten, nicht per se empirischen Wert.
Ockham kann die Parallelität von göttlichem und menschlichem Geist vorab nur
im Sinne der Grenze, die hier besteht, annehmen: sie wird a parte hominis bestimmt,
nicht a parte dei und sie wird nicht gleichsam wie von Gottes Sein und im Begriff von
ihm her gefüllt gedacht, au­ßer dass man die quasi schon naturalen Bestimmungen
und Prädikate annimmt, die auch den Gottesbegriff selbst definieren wie etwa dass
er omnipotens sei und entsprechend in der pro­po­sitio ‘deus est omnipotens’ einen
adäquaten Ausdruck findet. Die Behauptung der Uni­vo­zi­tät unserer Begriffe, die wir
für Gott und creatura gebrauchen, und die Analogia, bei der wir lediglich nur von
uns her denken und die uns gemäßen oder nach unserer Erfahrung uns zu­gäng­lichen
Erläuterungen für Gott gebrauchen, stehen nebeneinander. Überall kann die Kau­sa­
lität abstrakt reduziert und empirisch angefochten werden.38 Sollte man eine ontolo­
gi­­­sche Fundierung der Kausalität suchen wollen, so scheitert sie be­reits an Ockhams
Auf­fas­sung der passio als Element im Satz.39 Seine Ergebnisse können für unum­stöß­
lich gelten; sie sind nicht wis­sen­schaftliche im Sinne der Geschichte. Der Nomina-
lismus lieferte keine Grund­­be­grif­fe, die ihrer Inhaltsform nach der auf ihn folgenden

Weiterung und Kon­stanz (+ Konsistenz) fallen zusammen, weil es immer eine induktiv erho-
bene ratio gibt, in die akzidentelle Um­­­stän­de und Referenzen nicht eingehen. Für sie tritt Gott
mit einer potentia absoluta supranatural ein. Evtl. gibt es em­pirienahe Stützargumente: ‘non est
maius ratio quod (non)’, ‘non est inconveniens quod (non)’ u. ä.
36. Zum Begriff der Größe cf. auch Kap. 2: Suppositionslogische Identität und Kontingenz,
Anm. 127.
37. Als solche erscheinen die im infinitum actuale als Inbegriff des Absurden zu ‘durchlaufen-
den’ instantiae.
38. Das Ökonomieprinzip (Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 415 lin. 5f) „pluralitas non est ponenda sine
necessitate vel cer­ta ex­peri­en­­tia“ gilt auch für causa und effectus (ib. p. 416 lin. 12–14): „quamvis
respectu eiusdem effectus pos­sint plures causae, hoc tamen non est ponendum sine necessita-
te.“ Ockham führt reflexiv als Grund die induk­ti­ve Fest­stellung der causalitas für diese Anwen-
dung des Ökono­mie­prinzips an (ib. lin. 14–17): „puta: nisi per ex­pe­ri­en­tiam possit con­vin­ci,
ita sci­li­cet quod ipso posito, alio de­struc­to, se­quitur ille effectus, vel quod ipso non po­si­to,
quocumque alio posito, non se­quitur ef­fectus.“ Die causae können auch abstrakt gedacht wer-
den, was beim Be­­weisen ge­schieht cf. ib. p. 417 lin. 4–8. Eine entitas oder eine causa werden
mit Not­wendigkeit ge­setzt auf em­pi­­rischer (in­duk­ti­ver) Basis. Die­ schließt eine Negation ein:
die notwendig erforderliche causa be­glei­tet die Nicht­­gege­ben­heit oder Un­wirksam­keit anderer
cau­sae.
39. Ord. d. 2 q. 4 OT II p. 142 lin. 13–15: „dico quod passio realis dupliciter accipitur. Uno modo
improprie pro ali­quo quod sit vera res et accidens alterius rei.“ Das ist die ontologisch-realisti-
sche Auffassung von Inhärenz.
608 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Wis­senschaft kompatibel wa­ren.40 Er bezeugte aber ein wichtiges Moment: Wider-


legung entspricht förmlich der Ma­­terie und be­zeugt indirekt oder direkt in Bezug
auf die argumentative Potenz des Verstan­des Nicht­kon­sti­tu­­ierbarkeit. Ockham hatte
dann das Subjekt nach Vermögen und Operationsleistungen be­stimmt. Die ihm vor-
ausgehende Ontolo­gie war da vorwegnehmend auf Intentionserfüllung ausgegangen.
Bzw. sie hatte sie gesetzt und als indispensabel postuliert.
Da aber Ockham den göttlichen Geist (Gott als Geist) in sein Beweisgebaren ein-
bezieht, bleibt die Frage bestehen, die hier zu wiederholen ist: wie­weit die empirischen
Begriffe bis zur Position Gottes, die eine extra mundum und jenseits der lex com­munis
ist, reichen kön­nen.41 Gewiss muss dies aber damit zusammenstimmen, dass wir die

40. M. Heidegger, 1927 p. 9: „Die eigentliche ‘Bewegung’ der Wissenschaften spielt sich ab in
der mehr oder min­­­­der radi­ka­len und nur ihr selbst durchsichtigen Revision der Grundbegriffe.
Das Niveau einer Wis­­­­sen­schaft bestimmt sich da­raus, wieweit sie einer Krisis ihrer Grundlagen
fähig ist.“ Wir wissen aber nicht, wie­­weit sol­che Grundbegriffe reichen. Man behilft sich, in-
dem man Ergebnisse für un­um­­stößlich er­klärt, bei ihrer Aus­le­gung aber weidlich differiert, sie
also nicht wörtlich nimmt (versteht). Zur ‘Kopenha­ge­ner Deutung’ der Quan­ten­phy­sik durch
N. Bohr s. z. B. P. C. W. Davies und J. R. Brown, (eds.) 1986 dt. 1993. Ed. wi­der­spre­chen (Vor­
wort) der „Ansicht, es gebe … keinen Zweifel mehr, wie die Quantentheorie zu ver­ste­­­hen sei
… An­­lass zu sol­­cher Selbst­zu­­frie­denheit besteht“ für sie nicht. H.G. Gadamer, 1983 p. 158 ge­ne­
ra­li­siert: „Man kann am Ende so defi­nie­ren: ein Forscher ist einer, der das kennt, aber nicht
glaubt, was im Lehr­buch steht.“ Der For­scher kümmert je­doch sich am ehes­ten um den ‘Geist
der Wissenschaft’, für den er dann neu­e ka­no­nische For­­men in seiner Dis­zi­plin er­­fin­det. Oder
eine neue Disziplin. Im For­malismus er­­kennt er Inad­ä­­quatheit und Lee­­re und er­setzt ihn. In
sei­ner Haltung (ib.) „ein wirk­lich gesundes Prin­zip“ sehen zu wollen, belässt es bei der le­diglich­
‘psy­chi­schen’ Dis­po­si­ti­on. Ockham zeigte eine vergleichbare Form, em­pfing aber Verdikte, bei
de­nen sei­ne geistig-psy­chi­sche In­te­gri­­tät in Abrede stand, von den Avigneser Zensoren bis zu
H. Blu­men­berg, 1966. Danach weniger.
41. Wodham setzt wie Ockham conservatio = productio und erörtert die Gleichheit von der
Seite der Ak­zi­den­ta­li­tät her; dage­gen hatte Ockham sie gerade gegen die Akzidentalität gerich-
tet begründet gesehen (SK lb. II d. 1 q. 1 Fol. 93 col. 3 ad 10 et 11): „bene vo­­lo quod conservatio
sit quaedam productio et etiam quod sit eadem productio quam pri­us. Sed certe si homo de-
beret esse iustior quam prius per iustitiam informantem vel aer lucidior quam prius opor­­te­­ret
necessario novum aliquid produci vel capere esse de novo per unionem par­ti­um praecedenti-
um per idem om­­ni­no.“ Wodham hält aber auch fest (ib. co. 3 ad 2): „okam (.) tenet etiam quod
per divinam po­ten­tiam pos­­­set es­se aug­men­tatio sine generatione sic dicta (Aristoteles hatte
nämlich eine productio sine generatione für unmög­lich ge­hal­ten) quia deus unam albedinem
praeexisten­tem posset unire albe­di­­­­ni exis­ten­ti in aliquo subiecto quo fac­­to il­lud esset albius
quod esse non posset sine aug­men­­ta­tione formae.“ Ockham hat somit die forma so an­ge­­setzt
und bestimmt, dass sie auf einer eigenen Satze­be­ne modal die Kontin­genz so um­fasst oder
überformt, dass diese da­mit nicht in actu ausgedrückt erscheint, so wie sie nämlich proble­
ma­tisch als Wechsel sich darstellt. Wodham drückt ihn aus, aber so wie er für den Satz nicht
ausgedrückt wer­den kann. Der kontingente Satz müss­­te da­zu in Richtung auf die Wirklichkeit
aufgelöst werden, was zur fallacia führt. Die wird im reflexiven Satz mit ei­­nem Mo­­­dus, der
modo composito verstanden werden muss, also vom Satz gilt, um­gan­gen, ja aufge­ho­ben. Die
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 609

Welt aliquomodo von der Seite der Akzidentalität erfassen, nach Ockham sogar pri-
mär. Wenn wir aber beweisen wollen, müssen wir sehen, ob wir einen Stammbegriff
des Erken­nens in der Erkenntnis des sub­­­iectum (bzw. mit dieser Erkenntnis oder dem
subiectum gleich) so fixieren kön­nen, dass die Deduktion ent­weder überhaupt mög-
lich sei oder aber approbiert werden kann.42 Hier unterscheidet sich, wie wir zeigen
konnten, Ockham stark von Duns Scotus.43 Wir müssen da entweder qua On­­to­logie
die Materi­a­lität stillschweigend mitmeinen wie Duns Scotus oder aber wie Ockham sie
aus­schlie­ßen, wie zum Beispiel auch dort, wo er das Beweisen von der Angewiesen­heit

(in­des sogar als solche) im kontingenten Satz ausgesprochene Realität wird weder nach diesem
Satz als er­forscht gelten kön­nen noch zusätzlich, mit dessen Auslegung auf einer unteren Stufe,
er­forscht werden können. Diese tech­ni­sche Angelegenheit hat nichts mit einer ontologischen
Deu­tung gar Notwendigkeit ei­ner sol­chen Deu­­tung der Wirk­lichkeitserkenntnis und der ent-
sprechenden Wertung von Sätzen zu tun. Für Ockham könnte es den akzidentellen Zuwachs an
meritum, hier durch eine iustitia, die eine informatio in der Seele dar­stel­­­len müsste, nicht geben;
er hat gerade in dieser Weise auch keine Verbindung von Jenseitswelt und Dies­seits be­trieben
oder für begründbar gehalten. Es wäre zu fragen, wie er den ordo salutis mit dem status viato­
ris se­cun­dum legem com­mu­­nem weder begründet noch überhaupt das Beweisen so gefasst hat,
dass es mit einem so­l­chen Zu­sammenhang beweisbar oder nicht beweisbar bedeuten könnte.
Wir können diesen Zusammenhang in kontin­gen­ten Sätzen kaum ausdrücken, also auch nicht
eigentlich in solchen Sätzen eine suffiziente Thematisie­rung ei­nes derartigen Zusammenhangs
haben. Mit dem kontingenten Satz sind mittels notitia intuitiva nicht Begriffe ent­­standen, die
über ihn (und andere vergleichbare) absolut wären und somit entstehen auch nicht Inhalte, die
über ihn hin­aus gel­ten können. Ein Sachverhaltskonzept ist hier nicht impliziert oder belegbar.
Die begriff­lich nicht generell re­le­vanten Inhalte können auch kei­ne deduk­ti­onstauglichen sein.
Es zeigt sich an der Diffe­renz, die Ockham zwi­­schen persuasio und demonstra­tio erklärt.
42. Immer aber müssen wir Deduktion analog einem darin empirischen ‘Sachverhalt’ setzen.
43. P. Vignaux, 1938 und 1948, p. 181f. versuchte die Gottesbeweise von Duns Scotus und
Ockham über die di­vergenten Auffassungen, die sie vom Beweisen hätten, zu charakterisieren.
Vig­naux’ Angaben sind keine lo­gi­schen. Die Auf­­fassungen, die er als die auch für deren Got-
tesbeweise relevanten nannte, müssten ent­we­­der be­wei­send sein oder eigens bewiesen werden.
Sind sie bewiesen worden, könnten sie nicht mehr (definit) be­wei­send sein. Was Vignaux für
Ockham nennt, bedeutet eine Beweisablehnung. Es würde, ne­­ben anderen ähnli­chen Regeln
und vergleichbaren Prinzipien die Beweise mechanisieren. Ockham konzi­piert, erfindet und be­
grün­det, was er als Beweisform zulässt und/oder gebraucht, gerade dagegen. Scotus ge­braucht
oft seine bewiese­nen oder für evident ausgegebenen Regeln oder Prinzipien so, dass die De-
duktion dabei inten­si­o­nal gesprengt wird, ob­wohl sie extensional (semantisch) glatt gefügt er­
scheint. Vig­naux merkt an, Sco­tus’ De­duk­­ti­ons­weise sei in der Spätscholastik und nicht nur
bei den No­mi­na­listen nicht mehr akzep­tiert worden. Be­grif­fe, die für Ockham nie fest in der
Welt ver­an­kert er­schei­nen, kön­nen auch keinen deduktionsrelevanten Sinn haben, so dass mit
ihrer Hilfe und für sie sich er­mit­teln lie­ße, was ver­mö­ge der Deduktion als Wahrheit zu gel­
ten vermöge. Sco­tus’ Vertrau­en in die Deduk­ti­­on steht qua­­si-ontologisch neben ontologischen
Prinzi­pi­en, die er als ei­gens bewie­se­­ne oder als imme­di­­­at evi­dent in die De­­duktion wieder
einmengen will.
610 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

auf empi­ri­sche Prinzipien bzw. von auf empirische Erkenntnis angewiesene Regeln
und Prin­zi­­pi­en trennt, bzw. die cognitio practica von der cognitio speculativa trennt.
Die von uns er­kann­­te Welt um­fasst nicht die divina essentia, und die Erkenntnis Got-
tes, für die es eine cog­ni­­tio resp. sci­en­­tia su­pranaturalis geben kann, wird, nicht einmal
bezüglich und vermöge des or­do sa­­­lu­tis, wahr­haft in unsere Welt eindringen oder für
sie relevant sein. Was also ist kraft sei­­nes Verstandesvermögens der Status des Men-
schen in der Welt? Er kann Gott, den er nicht in se er­­kennt, nicht ersetzen wollen und
er klammert ihn insoweit nicht aus, als er ihn nach Mög­­lich­­kei­ten, die a parte hominis
einzuräumen sind, anerkennt bzw. Gott Mög­lich­kei­ten zu­er­kennt, die nicht realisiert
sind, aber von uns dem rationalen Begriff von gratia z. B. usw. zugeschlagen werden
müssen. Das bezeichnet dann Ockhams Argumentation.44
Diese Argumentation konzentriert sich auf die Akte, die notitiae und die Qualitä-
ten der Sätze und Begriffe, also die Satz- und Begriffsarten, i.e. deren Bestimmungen,
und sie enthält mit die­­sen im Sinne der Ausschaltung der Widerlegung, die freilich
verwendet wird, und des ter­ti­um non datur; sie betrifft also in ihrer Art intensionale
Fakten, die real gelten, aber nicht qua ex­­­tensionaler Erfüllung (semantisch) definiert
erscheinen. (Notwendige) Verbindungen zwi­schen den Akten, Begriffen (Begriffsar-
ten) können so nicht mehr abgeleitet werden. Gleich­wohl ist hier eine starke und gül-
tige Begründung per Argumentation möglich. Das soll hier noch einmal in Bezug auf
die notitia intuitiva demonstriert werden. Denn an der notitia intui­ti­va im übrigen
lässt sich zentral und für alle Fälle, die Ockhams Philo­so­­phie betreffenden und jene
anderen Philosophien, die mit ihr verglichen werden könnte, dar­­le­gen, dass sie von
jeder transzendentalphilosophischen Perspektive unabhängig sei, und zwar wie folgt:
da die no­­titia intuitiva einerseits (natural) sowohl die existentia (Gegebenheit) wie
non-existentia (Nichtpräsenz) von Gegenständen (eines Gegenstandes) festzustellen
ge­eig­net ist (geeignet sein soll) und dazu in ihrer Formbestimmung (ratio) unabhängig
von Ge­gen­­­ständen aufgefasst werden muss und hierbei von dem empirischen Grund
abhängt, dass ei­ne causa kombiniert mit zwei unterschiedlichen causae verschiedene
Effekte hervorbringen kön­­ne, andererseits die notitia intuitiva dazu von Gott (und
zwar supranatural) bewahrt (kon­ser­viert) wer­den muss, er­­­­­­gibt sich für sie (und dar-
über hinaus) die transzendentale Bedingung der Er­kennt­nis, die we­der Kant noch
Maimon aufgefunden haben, dass (eine) Induktion, wie sie an der Realität ge­gründet

44. Die Dependenz der opinio Ockhams von Argumentation übersah F. Hoffmann, 1941 p. 145:
„Thomas ver­kennt kei­nes­wegs die überra­gen­­de Be­deu­tung der gnadenhaften Anordnung Got-
tes für die Wirksamkeit des Ver­dien­stes. Ja, in die­ser liegt die Wur­zel des Verdienstes haupt-
sächlich und an erster Stelle. Skotus ersetzt das ‘prin­­cipali­ter’ des hl. Thomas durch das viel
weiter gehende ‘complete’!“ Ockham lehrt damit kei­ne Prädesti­na­tion u. ä., weder absichtlich
noch unwillkürlich (wo man seiner Ver­wahrung ge­gen Pela­gi­us usw. nicht trauen will). Sie
ist in Brad­war­dines De causa Dei ein besonderes Thema, cf. G. Leff, 1957. F. Ehrle, 1925 p. 273
be­zeich­net Johannes von Mire­court als von Tho­mas Bradwardine beeinflusst. Es wird auf Jo-
hannes von Ba­sel, I Sent. qq. 33 und 34 verwiesen zur Frage der Mitwir­kung Gottes bei unseren
frei­en und sünd­haften Hand­lun­gen.
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 611

wer­den muss, einen jeden weiteren (und dem Typus nach ande­ren) Be­weis zu er­set­zen
vermag.45 Die notitia intuitiva ist also auch geeignet, die Induktion ins­ge­samt zu be­
schrei­­ben und alle Verfahren anzugeben, die Ockham verwenden kann, um auch alle
inhaltli­chen Dis­po­sitionen zu treffen, die die Theologie als der Empirie überho­be­­­nen
Disziplin angehen, et­wa was das Spiel der göttlichen Personen und ihres Ver­hält­­­nisses
zueinander angeht, bei der spi­­ra­tio usw. Wir haben (schon) hierin die grund­le­­gende
Re­levanz und Be­deu­­tung der notitia in­tuitiva; sie gibt das Modell der Deter­mi­natheit
an, da sie die Folgerung als inne­res Element oder Appendix des Inhalts oder seiner Er­
greifung zu be­sa­gen vermag. Die Deter­mi­­natheit wird mit der Folgerung bezeichnet,
wie ‘mit’ ihr von Fol­ge­rungen abgese­hen wer­den kann und muss.46 Damit kann die
bloße Definition mit je­der wis­sen­schaftlichen Er­kennt­nis gleich­wer­tig werden; bei
Ockham auch in der funktionellen Form der Begründung von Aus­­schlie­ßun­gen. Die
generelle (überaus pauschale) Mei­nung ist danach zurückzu­wei­sen, dass im Mit­­­tel­al­
ter Met­ho­de und Wis­senschaft in insuffizienter Wei­se auf blo­ße Dis­kus­sionsregeln
be­­­­­­schränkt gewe­sen seien,47 auch die an­dere, dass Maß­stab der Er­kennt­­nis die aus­
gewiesene oder we­nig­stens un­terstellte Real­em­pi­rie sein müs­­se.48
Argumentation aber wie sie Ockham auf die Aktebene, im Rahmen der Abstrak-
tionen, be­schränkt, muss gelten, da sie je, worauf sie intentionell sich bezieht, nicht
inhaltlich (semantisch) auf­­neh­­­men und inte­grie­­­­ren kann, ohne ihren Inhalt, unspezi-
fisch dazu, zu erweitern, i.e. im ein­fach­sten Sinn, dem pri­mär empirischer Aussagen,
zu fallaciae zu kommen. Deren Vermei­dung muss für sie un­mittelbar Operationen
auf einer oberen (höheren) Stufe bedingen; es ist die der Abstraktion. In sie müs­­sen

45. Nach Dilthey in Geistes- und Naturwissenschaften. Dagegen H. G. Gadamer, 1960, p. 6 und
passim.
46. Die notitia intuitiva ist also darin transzendentalphilosophisch relevant und im Namen
der Transzendental­phi­lo­­­so­phie oder ohne sie absolut bedeutend, dass sie wie und wo es um sie
betreffende Folgerungen geht, diese ih­rem reinen Begriffe nach in sich einbegreift, i.e. inten-
sional; hier gibt es Intensionalität ohne Vernunftbegriffe, die durch Bezug auf die Empirie und
Realwelt, danach im Sinn von Erfüllung, Wahrheit etc. rein im Sinn der Ab­­straktheit gegeben
(begründet) sind. D. h. nach einem Schnitt gegenüber der realempirisch individual zu den­ken­
den Punktualität des Faktischen. Die Identität wird regulativ auf der abstrakten Ebene der Ar-
gumentation.
47. Cf. H. Blumenberg, 1966, p. 459. Damit sollen in den Tractatus De ob­li­ga­ti­o­ni­bus gegebene
pragmatische Re­geln gemeint sein, die für akademische disputationes erlassen, d. h. de­­finiert
wur­den. Sie sind annähernd lo­gisch, implizieren aber auch, dass (die) Inhalte hinsichtlich ei­nes
strik­ten Wahr­heits­mo­mentes nicht be­­trach­tet werden müssen. Logisch besagen sie u. a.: Erör­te­­
run­gen können inhibiert und so zeitlich begrenzt werden.
48. Cf. H. Blumenberg, 1966 passim und p. 349f. Vgl. p. 208f. Anm. 3: „Die mit­tel­al­ter­liche
Scholastik hat in der ma­gi­s­tra­len determinatio ih­rer Disputationen die Ent­scheidbarkeit
theoreti­scher Prozesse durch definitio und de­mon­­stra­­tio geradezu insti­tu­tionalisiert.“ Jetzt
beschränkt sich die Methode auf definitio und demonstratio. De­fi­nitio und demonstratio ent­
scheiden aber nichts – im Verein mit obligationes! Die Argumentation entscheidet.
612 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

alle Begriffe, auch die in den empirischen und kon­tin­­­gen­ten Aussagen vorkom­men­
den, wenn sie re­flek­­tiert werden, einrücken. Hier aber ist Ziel, Mit­tel und Inhalt des
Be­wei­ses (die) Iden­tität. Das ist auch bezüglich der notitia intuitiva der Fall.49 Der
Beweis geht hier nie weiter als auf diese Identität. Sie wird für Akte bewiesen, al­so in
der Mentalsphäre und für sie, aber nicht im Sinne von Dingidentität, sondern nur für
re­fe­­­rentielle Identität nach Bestimmungen, die im Namen von Dingen hinzugefügt,
eben falla­ci­ae bedeuten müssten, d. h. falsche und in sich bereits gesprengte seman-
tische Iden­ti­tät.50 Se­man­tische Deutungen, die vorab abgelehnt werden sollen, wer-
den im selben Maß be­weis­­the­o­re­tisch nicht integriert können: das ist Ergebnis bzw.
Äquivalent der Ablehnung. Die Identi­tät der Akte, der notitiae, die ausschließlich für
die mentale Sphäre angesetzt werden, kann so nicht ge­won­nen werden. Andernfalls
müsste einmal das tertium non datur approbiert und zum anderen müsste die Iden-
tität semantisch ausgelegt werden können.51 Es wird erkennbar, dass das tertium non

49. Bereits die ratio subiecti, i.e. ein die Rolle des subiectum, bzw. dieses, auch inhaltlich be-
treffender reflexiver Begriff, war von Ockham bloß mit dem subiectum identifiziert worden,
stimmte also gerade nur mit dem Be­griff, der im Satz subiectum war, damit eine funktionale
Rolle hat, überein. Sie war folglich mit dem Be­­­­griff als Akt identifiziert worden. Hier war der
Beweis ein exhaustiver Widerlegungsbeweis, also ein ge­glie­der­ter Beweis, der per exclusionem
zu dieser Identität (Identifikation) führte. Desgleichen wenn bei naturphilo­so­­phi­schen Bewei-
sen, die so zu Begriffsdeutungen werden, die forma von akzidentellen Beimengungen mit ei­
nem ex­haustiven Widerlegungsbeweis befreit werden; sie wird so von accidens, materia und
sinnlicher Wahr­neh­mung getrennt, die nicht identisch in die forma sollen eintreten können.
Der Begriff der forma wird, von der ma­teria abgetrennt, der jenseitsweltlichen potentia dei ab-
soluta angenähert: entsprechend erscheint die (materielle) Implikation als mit der punktuellen
Wandelbarkeit und eben auch der Widerlegbarkeit verbunden. Der Begriff der forma kann
determinat gebraucht werden; er wird wie immer von der consequentia getrennt und ebenso
von der ontologischen Qualifikation (Inhärenz, etc.).
50. Wollten wir Dingidentität annehmen, so könnten wir in deren Namen und für sie keine
Beweise führen. Wir wür­den da unsere abstrakten Begriffe zu Widersprüchen bringen, und
dies nicht nur in ontologischen Fragen, et­wa wenn wie ontologische Begriffe wie substantia,
accidens, qualitas, quantitas, eine entitative Bedeutung ver­lie­hen ha­ben. Das gilt analog auch
für theologische Begriffe, etwa peccatum. Sie können nicht im Sinne des ac­ci­­dens Realität ha-
ben oder gewinnen. So kann es keinen Sündenhabitus für die als Sünde gewertete Hand­lung
ge­­ben, indessen wohl einen habitus für die Handlung, die ich gewohnheitsmäßig wiederholen
kann. Ich kann mich dann ihrer durch Unter­las­­sung (Nichtwiederholung) entwöhnen, d. h.
diesen habitus abbauen und verlieren. Auch hier differieren Jenseitswelt und Diesseits förm-
lich, wenngleich wir diesen Unterschied a parte legis com­mu­nis secundum intellectum no-
strum statuieren.
51. Leibniz hatte aus dem Satz der Identität den Satz vom Widerspruch ableiten wollen. Cf.
Kleinere philosophi­sche Schriften, 1883, p. 254: „Meiner Mei­­nung nach darf man aber kein an-
deres ursprüngliches Prinzip anneh­men als die Erfahrungen und den Satz der Iden­tität oder
was dasselbe ist, des Wi­derspruchs, der ein ursprüngli­cher ist, da es sonst keinen Unterschied
zwi­schen wahr und falsch geben“ (würde). Modell einer wissenschaftli­chen Methode auch in
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 613

datur nicht akzeptiert werden kann oder muss, wenn (allein) die Identität her­ge­stellt
(gewonnen) werden soll.52 Sofern die potentia dei absoluta beweistheoretisch, na­tural
im Rahmen einer Widerlegung (reprobatio), supranatural im Rahmen einer per­su­a­
sio, ein­tritt, ent­fällt die Implikation, die entweder Einzelfälle (casus) als generell gül-
tige und ein­zig vor­kom­­­mende oder konkrete, singuläre instantiae zu betreffen hätte.
Denn unter der Be­din­gung der so eingeführten potentia dei absoluta soll entweder
etwas auszuschließen oder etwas zu be­haup­­­ten sein; jedenfalls soll sich eine zu all-
gemeine, unser Erkennen betreffende The­se ver­neinen lassen. Aber auch hier bleibt
Ockhams durch Induktion gestützte Verneinung, sei­ne Ge­gen­these, hypothetisch. Sie
betrifft reflexiv unser Erkennen, das wir weder introspektiv in un­se­rer anima als sub-
stantia ausmachen noch pro re singulari in se ipsa rechtfertigen können.
Wenngleich also Ockham cognitio und cogitatio secundum formam vom re­­fe­ren­
ti­ellen irdi­schen Aspekt trennt, beide das Urteilsvermögen betreffend von einem sol-
chen losge­spro­chen hat, handelt er darin nicht als in der re­li­giö­sen Bin­dung stehend.53
Ockham kann, wo er theo­lo­­gisch spiritus sanctus und in­tel­lec­­tus ho­mi­­nis quasi erst
nur in Parallele setzt:54 „Spiritus Sanc­tus non datur nisi tan­­tum cre­­­a­tu­rae rationali“
und ebenso dort „soli cre­a­tu­rae ra­ti­onali da­ri potest Spiritus Sanc­tus“, gleich­­wohl die
Sache (die Handlung, die auf Ver­anlas­sung des Hei­­­ligen Geistes stattfände, vom intel­
lectus hominis und seiner voluntas her statuie­ren, so dass die Identi­tät der Hand­lung
a parte hominis auch für Gott bindend herge­stellt und ange­nom­men wird. Denn:55
„Deus ex be­ne­pla­ci­to suo paratus erat facere quicquid isti (die sanc­ti) rationabiliter
voluerunt“, so dass vermöge des hei­ligen Geistes56 „is­ti Sancti ali­­quo modo do­mi­nium
super Deum habue­runt.“ Nach dem Bei­spiel, das Ockham dem Buch Josua (c. X) ent­
nimmt, konn­te der Mensch (nicht Gott!) das Wun­der wirken, dem Son­nen­lauf Halt

der Philosophie soll Eu­­klid sein. Leibniz hatte die Identität aber auch bereits inhaltlich ge­füllt
gesehen und als Indiszernibilität bestimmt. Für Ockham sind Elemente, die für einen abstrak-
ten Beweis im Prin­zip auf einer unteren Stufe anzusetzen wären, nicht auszumachen, i.e. als
wenig­stens po­­tentiell sinnlich wahr­nehm­bare (gegebene) oder extramental empirische.
52. Hierzu gehört auch, dass die gelegentlich zwei oder drei persuasiones, die nebeneinander
möglich sind und eben auch inhaltlich von­ein­ander abweichen können, also unterschiedene
Ergebnisse besagen, das tertium non da­­tur nicht zu einer gemeinsamen Grundlage ihrer Wer-
tung oder Beziehung haben können.
53. Der homo incurvatus in se, Synonym des Sünders, den Luther verwirft, wird einmal, im
Sinne der Streichung einer jen­­seitsweltlichen Dimension, durch Ockham sei es gleichsam ge-
stützt, sei es bloß verkannt, zum ande­ren bei ihm durch die beson­de­re Freistellung der Vernunft
secundum methodum auch befreit. Er ‘bleibt’ nicht Sün­­der, nicht im Sinn eines Regulativs. Im
Katholizismus war er das dogmatisch, im Protestantismus mora­lisch.
54. Ord. d. 18 q. unica OT III p. 572 lin. 23f. und dann ib. p. 573 lin. 13.
55. Ib. 573 lin. 10f.
56. Ib. lin. 9f.
614 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

zu gebie­ten.57 Für Ockham steht die Rati­o­­­n­a­li­tät als propri­um und Vor­­zug des Men­
schen außer Fra­ge:58 „creatura rationalis est per­­fec­ti­­or omni cre­atura irratio­na­li; ergo
illud ac­ci­dens per quod distinguitur maxime a crea­tu­ra irra­ti­­o­na­li erit perfecti­us.“
Da­­bei will das Ver­nunftgeschöpf: „sed videtur quod creatura ra­ti­o­­na­lis ma­gis distin­
gui­tur per volitio­nem quam per quamcumque delectationem. Assump­tum pa­­tet, quia
ma­xime dis­tin­gui­tur per liber­ta­­tem quae est principium volitionis.“ Die creatura
rationa­lis will auch erkennen.59
Doch ist die Empirie als Basis (und Anlass) unserer Akte, auf welcher sich das
Erkennen er­hebt und mit seiner Abstraktionskraft allgemeine Begriffe (und Sätze)
erzeugt, letztlich oder zu­letzt in der beweis­the­oretischen Enveloppe aller Beweise,
welche die potentia divina abso­lu­­ta in de­ren Betrachtung und Begründung dar-
stellt, wenigstens hypothetisch wieder zu errei­chen.60 Die in sich (innerhalb der res

57. Hier geht es um Textauslegung, nicht um Sachfeststellung. Diese ist nur gleichsam nicht
ausge­schlos­sen und nicht mehr nötig; sie ist im Sinne einer Folgerung, die nicht mehr gezogen
wird und nicht mehr gezogen wer­den muss, weil wir a posteriori und ex negativo begründeten
und operierten (bewie­sen), entbehrlich.
58. Ord. d. 1 q. 3 OT I p. 426 lin. 1–6.
59. Sie sucht in dem Sinn nicht Freude, Glück, hilaritas, u. ä. was eine sinnliche Qualität ein-
schließt und viel­leicht durch sie (ausschließlich) sich bestimmt. Das wird bei Spinoza anders
gesehen und in eine andere Art von De­­­duk­­­ti­­on eingebracht. Doch muss der Mensch in der
Neuzeit dabei auch wesensgemäß mit ethischer Rele­vanz ei­­ne Vollform sei­ner da­für recht
eigentlich erst aufzu­fin­­den­­­den In­tel­ligenz (Einsichts­fä­hig­­keit) ent­wickeln, um so erst voll­ver­
ant­wortlich handeln zu können: Kant, Leib­niz, Spinoza. Mit etwas Entlastung Hobbes. Die
Legitima­ti­on des Erkennens endet bei Ockham beim Beurteilen von danach erkennt­nisartig
genannten Meinungen.
60. Für Ockham werden Daten zuerst durch die notitia intuitiva vermittelt. Der Mensch er-
kennt mittels der no­ti­tia in­­tuitiva distincte (deutlich), aber er ist dadurch noch nicht im Besitz
ei­ner die res vollständig gebenden De­fi­ni­­ti­on (cf. Ord. d. 3 q. 5 OT II p. 478 lin. 19 – p. 479
lin. 1) Auch kann es sein, dass er die res in se ipsa singu­la­ris, das singulare mithin, bloß con­
fu­se (un­­­deutlich) erkennt, sofern er vielleicht nicht ihre Bestandteile erkennt. So­fern er nicht
alle erkennt, also eini­ge nicht, erkennt er sie bloß undeutlich: ib. p. 475 lin. 17 – 476 lin. 8. Er
müss­te ihre Zu­­sammenset­zung erkennen. Sie liegt unterhalb der Ab­straktionsstufe. Man sieht
auch das universale in­tu­i­ti­ve (cf. Rep. II q. 16 OT V p. 376 lin. 17–19): „quicumque videt intui-
tive cognitionem terminatam ad uni­ver­sa­le, vi­det universale intuitive, nec requiritur ulterior
manifestatio vel explicatio.“ Dabei gilt (ib. lin. 16f): „uni­ver­sa­lia non habent esse nisi obiective
in anima.“ Daher und nur dann können sie ‘gesehen’ wer­­den. Für Ockham be­zeich­­­net das
universale ein abstractum, für das es kein Äquivalent in der Sache (in re) und kei­ne Vor­stufe
ge­ben kann, die ebenso allgemein schon wäre, wie es der Begriff al­lein sein können soll. Ana­log
kann kein Begriff als quid­ditativum einen anderen implizieren bzw. die notitia dieses Be­griffs
die notitia ei­­nes an­de­ren. Die Folge­rung ist in der Weise mitbetroffen, wie sie die Bedeutung
oder Rele­vanz, Entsprechung usw. in re be­sagen könn­te. cf. Ord. d. 2 q. 8 OT II p. 284 lin. 9f:
„universa­le non est fig­mentum tale cui non cor­­­respondet ali­quid con­simi­le in esse subiecti-
vo.“ Pe­trus Au­re­olis konzeptualistische Hy­pothese vom universale als fig­men­tum, die damit
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 615

singularis in se ipsa) gänzlich partikulare Realität wird da­bei per hypothesin gestreift.
Gott kann mittels seiner potentia absoluta auch im Bereich der singu­lari­tas substantia
und accidens trennen und so, indem er in diese eindringt, wieder zu Ab­­­straktion
zurückkehren und aufsteigen und die Implikation zurückdrängen und ausschei­den.
Das be­trifft, wie wir gezeigt haben, das Wesen der Abstraktion und der Determinat-
heit. Mit ihnen tren­nen wir uns von der significatio; wir entheben uns damit zugleich
der Ontolo­gie.61 Zugleich negieren wir die Implikation.62 Indem Ockham Erkenntnis
nur als empi­risch ge­gründete akzeptiert, aber gleichwohl Er­kennt­nis, die bezüglich
der Satzkonstitution Hilfs­prin­­zipien benötigt63 und damit unabschließ­bar wird (nicht
determinat sein kann), nicht für be­weistauglich (beweisbar und beweisend) hält,
muss er Beweisen zum Regulativ und In­be­griff von Erkenntnis generell machen,64
mehr noch die Reflexion auf das Beweisen: dies aber kann damit induktiv begründet
werden. Wir ge­­­langen dabei von der Empirie bis zu Gott, zu­nächst Sätze über Gott

be­zeich­­­net ist, stand ‘zwi­schen’ ontologi­schem Realismus und Ockhams Abstraktionslehre. Zu


die­ser (Ord. d. 2 q. 9 OT II p. 308 lin. 1–3): „omnis conceptus ab­stractus a re res­pi­cit om­ne sibi
simillimum, et nihil pot­est esse in re quin saltem per potentiam divinam ali­quid possit fieri sibi
simi­l­limum.“ Aus der hypothetischen Verwendung des Omni­po­tenz­­­prinzips kann kein Faktum
gefolgert werden. Wir müssten mit einer solchen Reali­tät in facto wie­der bei der res singularis
in se ipsa sein. Freilich in einem gewissen Stande der Abstraktheit.
61. Denn mit der Ontologie haben wir die significatio abstrakt bezeichnen wollen. Wir gehen
zugleich für on­to­­lo­gische Terminologie je auf die significatio zurück. Dafür bieten die Aus-
führungen von Ockhams Kriti­ker und Nach­folger in der Oxforder lectura sententiarum W.
Chatton permanent das Beispiel. Daneben lässt die on­to­­­lo­gisch versetzte Suppositionslogik
(Wilhelm von Shyreswood, Petrus Hispanus) es sehen lässt. Die significa­tio als Garant der All-
gemeinheit identifiziert im scholastischen Rahmen vormet­ho­disch Lösung und Aufgabe.
62. Das bedeutet, dass wir die Aporien aufheben.
63. Wie sie die propositio immediata nicht erhalten kann.
64. So wie wir die universalia „sehen“ können, i.e. als Akte, können wir die Sätze wahrneh­men.
Es geschieht in der notitia propositionum. Der Satz wird so als actus apprehensivus wahrge-
nommen. Zur Nä­­he wenn nicht Iden­ti­tät (Indiszernibilität) von notitia und Aktausdruck (ver-
bum genannt) im Verstande (in­­tel­lec­tus), wenn nicht in dem Sinn in der anima, s. Ord. d. 27
q. 2 OT IV p. 222lin. 20 – p. 223 lin. 3: „Si quaeratur (sic!) an omnis notitia quae est ver­bum
possit gigni ab ha­bitu, dico quod omnis notitia intellectus creati abstractiva propter notitiam
evi­den­tem pro­positionis contingen­tis potest produci ab habitu, nisi impediatur, ita quod habi-
tu exsistente et nullo ex­­sistente im­pedi­men­to, potest produci ver­bum correspondens. Sed ad
notitiam intuitivam non sufficit habitus. Similiter, quamvis ad actum apprehensivum et simili-
ter crediti­vum veri­ta­­tis contingentis suf­fi­ci­at habitus, non tamen ad notitiam evidentem.“ Die
Kenntnis ist keine ganz gewisse (s. Konjunktiv!), der Zusammenhang und die Identitäten in
men­te sind hy­po­­thetische. Sie gelten per argumentum. Cf. auch ib. p. 218 lin. 15–17: die „no­titia,
qua ani­ma no­vit se an­te­quam se cogitet est ip­sa­met substantia animae, quae est memoria.“ Das
wird zu Gunsten des Hl. Au­gu­stinus gesagt (lin. 17f): „ita posset (sic!) anima cogitare virtute
illius substantiae.“
616 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

betreffend, doch partiell damit über­­einstimmend besagen sie auch was Gott im Sinne
unserer Beweise und Beweis­mög­­lichkeiten begründend tun kann (hypo­the­tisch: tun
könnte), wobei er oft inhaltlich zum Mo­­dell des dann sachlich insgleichen Mögli­chen
wird. 65 Der ‘Beweis’ wird nicht akzeptiert, i.e. er ist nicht existent, der gleichsam
in lin­kischer Weise auf eine empirische Stützung re­kur­­­riert, die ihm nicht gewährt
werden kann, z. B. weil uns empirisch (per notitiam intuiti­vam) die Begriffe fehlen
oder aber vermittelnde Hilfssätze eingeführt werden müssten, wel­che als Prinzipi-
en fragwürdige oder unvollständige Abstraktionen darstellen oder besagen.66 Dabei
werden aber die Sätze, die wir der theologia als einer menschlichen scientia zuschrei­
ben oder zugestehen wollen ebenso wie die Begrün­dun­gen, die wir für diese mittels
der poten­tia divina absoluta geben wollen, des Gebrauchs der Implikation entraten
müssen; wir müss­ten sonst annehmen, dass ebenso recte wie reflexive de­­terminate
Aussagen unmöglich wären, weil wir dazu immer Folgerungen, die wir nicht aus­
füh­ren können, als vollzogen ansähen und an­set­zten. Thomas von Aquin und Duns

65. Dabei weiß der Mensch von der res in se so wenig wie von Gott in se. Ockham ist von einer
Welt ausge­gan­gen, die wir haben; sie begründet die Vernunft, aber keine Vernunft, die inhalt-
lich und formal a parte rei sich ver­­­deutlichen könnte. Die Darstellung der Vernunft beschränkt
sich auf die Gleichwertigkeit und die Differenz von Abstraktion und Empirie. Ockham behaup-
tet hier eine gleichwertige Erkenntnis; wenn sie abgestuft ist, so entspricht der Unterschied dem
vorauszusetzenden von Abstraktion und Empirie, so dass hier zumindest kein Wi­­­derspruch
eintreten kann (Ord. d. 3 q. 1 OT II p. 393 lin. 5–8): „dico quod coniunctum cum materia ita pot­
est intelligi a nobis si­cut separatum a materia; immo con­­iunctum cum materia est illud quod
primo intelligitur a no­­bis.“ Die Wahr­neh­mung der res, in welcher sie vor­ab über das accidens
erkannt wird, dann aber auch secun­dum for­mam oder se­cundum essentiam gedacht werden
kann, führt nicht dazu, dass das accidens, sc. dessen inhaeren­tia, für forma und essentia bestim­
mend ge­macht werden kann. Die Abstraktion ist logisch und auch kausalgenetisch in der ani-
ma mitge­ge­ben, ge­nau­so wie die Verknüpfung von Substanz und ac­cidens bloß die Im­pli­kation
sein könnte. Also muss ich die Sub­stanz auch unabhängig vom accidens denken kön­nen; damit
bin ich bei jenen Reflexionen, die das Beweisen oder Einschätzen von Inhalts­funk­tion selbst
zum ‘Gegen­stand’ haben. Ich kann die Funk­tion des accidens im Be­weis selbst und dann bei Be­
trachtung der Beweise sus­pen­dieren oder aus­löschen. Bei dieser Gleichwertigkeit von Em­pirie
und Abstraktion kann die reflexive Beweis­wer­tigkeit (oder Beweisunmöglichkeit) auch einmal
einer (in se) unmöglichen empirischen Erkenntnis der res in se ‘entsprechen’, wie ja denn für
Ockham auch schon Begriffe, die der res in ihren partikularen Bestandteilen zu­ge­spro­chen
wer­den, sie in se nicht betreffen, sondern bloß als entia rationis in Betracht kommen können.
Die­se in­ten­tiones sive entia rationis (ib. p. 392 lin. 19f): „non sunt de essentia rei.“ Cf. hier in-
teressehalber auch Anm. 23 o.
66. Etwa besagen, dass eine Pflanze, wie sie als species specialissima gefasst werden kann, im-
mer dieselbe Heil­wir­kung entfalten kann. Wir wissen da nichts über den genauen Vorgang der
Erkenntnisbildung, wir haben also auch keine Erkenntnis im Vollzug des actus apprehensivus.
Beispiel: vom Gebrauch der ‘falschen Kamille’ wird man abraten, weil sie der species specialis-
sima der echten Kamille (der Heilpflanze), von deren Heilkraft wir wis­­­­­sen, nur ähnlich ist.
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 617

Scotus wer­den hier von Ockham kritisiert.67 Doch nimmt Ockham an, dass kirchliche
Lehraus­sa­gen so­lange gelten können,68 wie sie nicht zu einem Widerspruch führten,
i.e. per impossi­bi­le wi­derlegt würden. Damit ist dann der In­halt der Begriffe bzw. sind
diese selbst als nicht regelge­recht abstrahierte anzusehen. Ockham muss sowohl wo er
Beweisvorstellungen (Tho­mas) oder Erwiesenheits­behauptun­gen (Duns Sco­­­tus) we-
gen nicht nachgewiesener Voll­zieh­barkeit zurückweist wie da wo er Prin­­zip­i­en und
schon vorgelegte Beweise ablehnt, den Nichtvoll­zug sei es kritisieren sei es unterstel­
len. Im zweiten Fall sieht das schwieriger aus.69 Beide Fäl­le stim­men darin über­ein,
dass für sie ei­­ne supponierte Im­plikation reprobiert wer­den kann70 und damit (refle­
xiv) ei­­ne con­­se­quen­tia for­­ma­­lis verneint wird. Auch in dieser muss (kann) die Im-
plikation nicht un­­terstellt wer­den.71 Auch wo ein (formell) empirischer (kontingen-
ter) Satz nicht ap­pro­biert wer­den kann und nur mo­dalisiert (zur propositio modalis
abgewandelt) gehal­ten wer­den kann, muss im Grunde die Im­plikation und in deren
Sinne (Na­men) ein allge­mei­ner Satz ab­gelehnt werden.72 Es ist aber so, dass selbst
wenn ‘notitia’ sub­stan­tia animae „ist“, für diese Idee der Identität ebenso wie für jede
notitia und ihre Funktion im Verstande, den die substantia animae trägt, während
in­­tel­lectus und anima gleich sind, ar­gu­mentiert werden muss, so dass an jeder Stelle,
wo eine sol­che Identität behauptet und her­ge­stellt wird, ihre Zu­sammengehörigkeit
insofern in Zweifel gezogen oder Abrede gestellt werden kann, wie sie noch ex ac-
cidenti angenommen und darin für (eine) materiell(e) gehal­ten werden müsste

67. Cf. Kap. 4: Fides et scientia.


68. Das entspricht (nur) dem, dass sie gelten sollen. Das hängt damit zusammen, dass wir die
Implikation nicht be­gründen und nicht der Abstraktion zuschlagen oder integrieren können.
69. ‘Ich’ müsste meinen eignen Vollzug, den ich noch nicht bewiesen habe, als bewiesen unter-
stellen. Diesen fin­gierten ‘Voll­zug’ aber stelle ich gegen einen Beweis bzw. eine Relation, deren
Nichtvollziehbarkeit ich wenigs­tens behaup­ten und eventuell beweisen will. Ich kann ihn aber
nie beweisen. ‘Ich’ entscheide aber dennoch!
70. Aber auch hiermit, im Grunde mit der unterstellten Abstraktion, bleibt der Vollzug noch
wenigstens teilweise ein gedachter. Wir können nach Ockham mit einem actus apprehensivus
einen actus iudicativus vereinigt den­­ken, wenn ein syllogistischer Beweis geführt wird, durch
den eine zuvor bezweifelte conclusio bestätigt und ein­ge­se­hen wird. Wird so die intellectio per
syllogismum nicht bestritten werden können, so bleibt doch, dass es im We­sent­lichen oder im
Grunde um Bewertung sich handelt, also um theoretisch pragmatische Aspekte. Mit ih­­nen
wird die Implikation nicht unmittelbar, allenfalls indirekt verbunden werden können.
71. Die consequentia formalis muss verneint werden muss, wo es keine empirische Er­kenntnis
geben kann. cf. Ockhams Refutation von Thomas’ Idee von wis­senschaftlichen Theologie in
Kap. 4: Fides et scientia.
72. So in der Widerlegung einer psychologischen Aussage des Petrus Aureoli. Cf. dazu Kap. 7
p. 326f.
618 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

(könn­­te).73 Identität ist aber für keine Größe bei Ockham in einer substantia intel-
lectualis angesiedelt oder vorhanden zu denken. Denn da­zu müsste eine jede Iden­
tifikation, auch die von substantia animae und actus oder no­ti­tia ei­nen an­deren als
den aus der Argumentation erwachsenden hypothetischen Charakter (Wert) ha­ben,
womit etwas (oder sogleich, dem Ex­em­pel entsprechend alles), für das argu­men­­tiert
werden könnte, wahr sein könn­te oder müsste, und folglich auch vor der Argumen­ta­
ti­on. Zu­gleich hätte die Argumen­ta­ti­on selbst ‘wahr’ zu sein; dafür gibt es aber keine
Struktur und füg­lich auch kein Argument. Wir würden es nicht er­kennen oder kano-
nisch machen kön­nen. So muss ohne ontologische Vorstrukturierung oder Annahme
irgendeiner Art (auch einer sol­chen, die wir nur wieder per accidens und ex negati­vo
‘ontologisch’ nennen könnten) argu­men­­­tiert und dabei alles abge­lehnt werden, was
eine sol­­che Vorstrukturierung besaß oder ha­ben musste, nicht zuletzt der ordo con-
ceptuum in der De­monstrationslehre.74 Empirische Aus­sage und transempirische
sind gleichwertig, aber nicht gleich. Sie korrespondieren in der Wei­se miteinander,
wie sie ausein­an­der herleitbar differie­ren und doch nicht unmittelbar lo­gisch sich er-
geben: sie sind für sich und im Verhältnis nicht qua planer Konsistenz defi­nier­bar.75

73. Wenn sie doch hypothetisch oder zweifelnd unterstellt wird, entstehen die instantiae; diese
werden dann als bloße Unterstellungen von Um­ständen abgewiesen, wobei Ockham darauf zu
verweisen pflegt, dass hier die Prin­zipien selbst nur akzidentell gelten und damit ‘ersetzt’ wer-
den können; sie ergeben keine Beweise. Keine Be­­weise im Sinn der Abstraktion; diese werden
dann generell als Induktionen und persuasiones ausgeführt.
74. Für Ockhams Operieren könnte der oberste ‘Index’ sein, dass er Aporien und fallaciae aus-
schalte, in ge­nau die­­sem Sinn auch jede Anordnung von Begriffen (Prädikaten) und danach
Sätzen, die alle akzidentell oder wan­del­­bar sein mussten, als im Beweissinn insuffizient darge-
stellt habe. Da die Prädikate (passiones) dann keine fes­te Verbindung haben können (müssen),
wird eine Beweisoperation, die eine Implikation darzustellen oder vor­­aus­­­­­­zusetzen hätte, ent-
fallen. Sie wird diesen Charakter nicht mehr haben und daher als nicht determinat verneint.
Ockham sieht quasi Folge­rungs­re­ste und schließt Fol­gerungen aus, die als solche die significatio
im Folge­rungs­rest ausschließen (erstic­ken) müss­ten; infolgedes­sen kann er eine determinatio
als Bezeichnung der Inhalte oh­ne Fol­gerung handhaben und entsprechend Indukti­o­nen und
Wi­der­legungen. Warum dies nicht als Technik lehrbar war und ver­standen und über­mittelt
worden ist, wissen wir nicht. Es haben hier wahrscheinlich die von Aristote­les über­mach­ten
Schematismen prägende Macht ausgeübt, ohne, anders als M. Hei­deg­­ger es auslegte, quasi
an­stel­le der Gedan­ken selbst zu stehen und dem Ur­teil keinen Platz zu lassen; sie ver­pflich­
te­ten auf einen Vollzug, der doch keinen aus­ge­dehnten und vollen inhaltlichen Wert mehr
haben konn­te. Dem Schema wi­­dersprach Ockham met­ho­disch und damit vor­greiflich. Abai­
lard konnte nicht recht haben, wenn er die fal­lacia dort sieht, wo die Folge­run­g nicht gezogen
worden sei. Der Folgerungsrest wird Wider­spruchs­­mo­ment.
75. Wie die empirische Geltung (und Genesis) von Begriffen der abstrakten Geltung per di-
vinam potestatem anzu­set­zenden ‘entspricht’ (wie sie einander nicht widersprechen, ohne dass
sie in dem Sinne nach einem logischen Gesetz her­leit­bar wären) zeigt Ockham auch, wenn er
den Modus de potentia divina absoluta coniunctim (also modo composito) auf Realgegen-
stände bezieht oder deren Begriffe anwendet, die er zuvor empirisch nach der di­stinctio realis
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 619

Indessen gilt allgemein, dass Ockham, wenn er die Beweisbarkeit oder Zuläs-
sigkeit von Mei­­­nun­gen oder Annahmen ausspricht, implizit eine beweistheoretische
Obligation erörtert, i.e. vom Beweisen und der Beweismöglichkeit in genere und im
Sinn der Erörterung von logi­schen Akzeptabilitäten spricht. Das schließt die reflexive
Bewertung von Logik resp. Folgern ein. Ockham spricht bei allen seinen Themen
inhaltlich mit Bezug auf die Beweis- oder Ope­­­ra­­t­ionsstruktur, die diesen Inhalten
nicht neutral gegenübersteht, bloß beitritt oder als Un­ter­satz dient; er kann also
diese Inhalte weder semantisch vorformulieren und präjudizieren noch ei­ne Logik
benutzen oder gebrauchen, die selbst semantisch sei es fundiert, sei es kom­plet­tiert
sein könnte. Es gibt für Ockham also kein Bewerten und Entscheiden von Meinun­
gen nach ih­rem Inhalt, ohne diese Mitbetrachtung der logischen Struktur, sei es des

divisim (mo­do diviso) ansetzte. Das Folgende kann nicht gültig sein, wenn es nicht alle Logik
in sich einbegreift oder aber distanziert oder ausscheidet (Ord. d. 2 q. 4 OT II p. 115 lin. 4–7):
„quando aliqua res re­a­li­ter distincta ab ali­is rebus potest esse sine qualibet earum divisim, et
hoc per naturam, et non dependet es­sen­ti­ali­ter ab aliqua il­la­rum, potest esse sine aliqua illarum
coniunctim, et hoc per potentiam divinam.“ Es ist klar, dass es sich damit nicht um ein re-
ales Sein im Sinne der von einander real­em­pirisch unterschieden angenom­me­nen res handeln
kann, von denen man ausgegangen ist; folglich handelt es sich um etwas (um ein Prinzip), das
nicht im Sinne des Wi­der­spruchssatzes anzusetzen oder verbunden ist. Die potentia divina
absoluta als Modus ist mo­­do composito vom Satz prädiziert und die Erkenntnis gilt nur dem
Satz, nicht der Realität. Der modo compo­si­to applizierte Mo­dus meint eine mit der omni-
potentia supranaturaliter zu denkende Möglichkeit, keine auf der Ba­sis der dis­tinc­tio re­alis
naturaliter angenommene Einwirkung Got­tes. Die muss ausgeschlossen sein; denn sie machte
kei­nen Sinn. Die per distinctionem realem schon empirisch zu denkende Trennung muss ja
nicht durch Gott herge­stellt wer­den; es würde ja hier nur eine Abänderung, eben Verbindung
der res Sinn machen. Die soll aber gerade ausge­schlos­sen sein. Sie ist die Grundlage der Ope-
ration oder des Prinzips, der Steigerung oder Ab­straktion oder was immer man will. Es kann
einfach nichts anders sein als F. Hoffmann, 1941 p. 47 sagt: „Also sind nicht die sub­stan­ti­ellen
Dinge der Außenwelt, sondern nur die Be­grif­­fe und Satzgebilde Gegenstand unseres Wis­sens.“
Ockham war aber dennoch von den empirischen per dis­tinc­tionem realem unterschiedenen
Dingen (res) ausgegan­gen; sie sollen doch wohl erkannt werden. Davon gelten denn auch die
Begriffe, den res gleichge­stellt (ib. p. 134 lin. 4–6): „scientia realis non est semper de rebus
tamquam de illis, quae immediate sciun­tur sed de allis pro re­bus ta­men supponentibus.“ Von
diesen, von denen dann die Wissenschaft (aber immer noch scien­tia rea­lis) re­fle­xiv geht, gilt,
dass auch sie für reale Gegenständen sup­po­nieren. Neben dieser scientia realis gibt es auch
eine scientia rationalis. In ihr supponieren die Begriffe nicht mehr für res extra animam. Wir
widerspre­chen hier der Logik nicht; aber wir entsprechen ihr auch nicht. Wir drücken etwas
aus oder definieren sprachli­che Ausdrucks­mit­tel so, dass in ihnen etwas gedacht wird, was dem
Widerspruch(ssatz) entzogen wird. Cf. L. Witt­gensteins, 1921, Satz 3.032: „Etwas ‘der Logik Wi-
dersprechendes’ in der Spra­che ausdrücken kann man eben­so­­we­nig wie in der Geo­me­trie eine
den Gesetzen des Raumes widerspre­chen­de Figur durch die Koordinaten dar­stel­­len; oder die
Koor­di­na­ten eines Punktes angeben, welcher nicht exis­tiert“, gilt vielleicht nicht in der Reflexi­
on der sprachlichen Mittel nach ihrem Aufbau, der dennoch sinnvoll bleibt. Als Sprachtheore-
tiker leistet Ock­ham einen Beitrag, der nicht unter das Schema der logischen Positivisten fällt.
620 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Bewei­sens, sei es des Operierens und ebenso wird eigentlich über dieses Beweisen
oder Operieren nach dessen Wer­­­tig­keit(en) mitentschieden, also über dessen Eig-
nung befunden, determinate In­halte zu lie­­fern. Insofern werden die thematischen
Thesen oder deren Verneinungen nicht di­rekt ge­liefert oder angegangen. Die Ver-
neinungen stoßen indessen direkt an die Strukturen und ver­mi­schen sich mit deren
Präparation. Sie sind daher Verneinungen und Begrenzungen der Struk­­turen im Hin-
blick auf die Zulässigkeit von Operationen (Implikationen), i.e. im Hin­blick auf die
Fähigkeit und Tauglichkeit für den Ausdruck von Meinungen. Diese sind qua­si im
Sinne einer Möglichkeit (oder: Möglichkeit eine Sache zu betreffen) nicht existent,
wenn nicht die Struk­tur probat ist. Beider Probatheit, also Probatheit des Inhalts einer
opinio (The­se) und Pro­­bat­heit der Struktur, ergibt die Determinatheit des behandel-
ten Satzes, wobei dann die Impli­ka­ti­on als ein Negativ­zei­chen, als ein Index fungiert.
Die These (opinio) aber ist je­­weils eine implizit struk­tu­rierte. Danach eine akzeptierte
und eben determinate. Ein fiktiver Sachgehalt wird so konsti­tu­iert.76 Das gilt so für
die Aussagen von Gott.77

76. Der nicht determinate Satz ist auch nicht intellektiv und wenn passiones in einem Syllogis-
mus oder für eine Kette von Syllogismen für diese Verwendung nicht zwingend (zu­lässig) sind,
dann sind sie in diesem Sinne nicht determinat und nicht intellektiv. Der Syllogismus ist wie
Ockham das express nennt ‘non faciens scire’.
77. Die Unterscheidung zweier Stufen oder Typen von Sätzen für Gott und den Menschen folgt
derselben Regel, dass das Empirische dem Göttlichen nicht widerspreche, ihm aber auch nicht
als Bedingung und Unterlage die­nen kön­ne. Was von Gott gilt, gilt in Übereinstimmung mit
dem Gebrauch derselben Begriffe von den Geschö­pfen oder der geschaffenen Welt außerhalb
Gottes, aber im Sinne einer eigenen Definition des Satzes, der damit inten­si­onal (= modal)
einen eigenen Sinn oder Status bekommt (Ord. d. 2 q. OT II p. 72 lin. 12–14): „Deus non est sa­
pi­ens quia est causa sapientiae creatae, nec quia continet eminenter sapientiam creatam, sed se
ipso – omni alio circumscripto – simpliciter est sapiens et ipsa sapientia.“ (zum Satzbau: Deus
est sapiens non quia …) Wir müssen also für Gott mit seinen Eigenschaften ei­nen außerhalb
der Empirie gel­ten­den Satz ansetzen können. Das ist die Basis des theologischen Sprechens,
auch mit und mittels der distinctio for­malis oder bei den attributa (z. B.) die sola ratione un-
terschieden (ib. p. 66 lin. 3–10), in einer Vernunft anzunehmen sind, die die des Men­schen ist
und bleibt und daher ihre Bedingungen so wahrt, dass sie den Status des Menschen definieren
und auch gegenüber dem Gegenstand abgrenzen, der ein anderer ist als die res, die uns zugäng-
lich sind, ein­schließ­­lich unserer selbst (ib. p. 72 lin. 20f): „concedo quod sapientia est quid ita
absolutum a respectu ad creaturas si­cut ipsa deitas vel essentia.“ Der Begriff und das Denken
aber blei­ben menschlich. Es gibt sogar ein induktives Ar­­gument dafür (ib. p. 73 lin. 2–8): selbst
wenn kein Geschöpf und kein göttlicher Ge­danke an es wäre, so wäre doch Gott; doch (lin. 6)
„hoc commune ens non esset.“ Es gilt also im umfänglichsten Sinne, dass Begriff und Denken
menschlich sind und bleiben. Sie wären ohne uns nicht. Den­noch grenzen wir uns gerade mit
dem was wir zur logica sagen von jenem Ge­genstande Gott ab, den wir gleich­wohl von uns
sowohl unterschieden wie schlüssig, unwidersprech­lich, ana­log und univok, mit den gleichen
Be­grif­fen jedoch nach einem intensional (modal) differenzierten Satz­typus aussprechen. Die-
ser Satz ist damit de­­ter­mi­nat und entbehrt der Referenz zur Welt, welche in dem Sinne auch
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 621

Dabei erscheinen die inhaltlichen wie die der Struktur angehörigen (inhären-
ten) Größen als Re­­lationen, einmal in Bezug aufeinander, dann aber insbesonde-
re wie (wenn) sie für die Er­ör­te­­rungen Ockhams betrachtet werden. In dieser Be-
trachtung können sie reflexiv gar nicht an­ders mehr denn als Relationen betrachtet
werden und sie stehen reflexiv in einer Be­zie­hung zueinander, für die Ockham die
logische und die kausale Zwangsläufigkeit (Not­wen­digkeit) ver­neint, bestreitet oder
eben widerlegt. Er verneint die Implikation, die er da­bei doch vorzu­ge­ben hat, also
theoretisch selbst in seinen Betrachtungen werten (bewerten) oder wie wir oft ge-
sagt haben: reduzieren muss. Die Betrachtung zur Logik muss damit zu einer die
Implikati­on notwendig außerlogisch betreffenden Bewertung werden. In ihr erschei-
nen Lo­gik und Be­wei­sen überhaupt reduziert. Wir haben uns bemüht zu zeigen, dass
hier die In­duk­­tion, die per­­suasio und die reprobatio (Widerlegung) eintreten, ohne
die Gegenbehauptung per tertium non datur.78 Die Kausalität bleibt beherrschendes
Thema für diese Größen oder Re­lationen im Sinn der Erzeugung, wenigstens dann,
wenn wir zur reflexiven Betrach­tung ge­langen oder die Reflexion in die Bestimmung
der einzelnen Größen oder Erscheinun­gen in anima zwangs­läu­fig einbeziehen müs-
sen, etwa wenn wir von der ratio subiecti u. ä. spre­chen. Hier muss die Relation, die
doch zuzugestehen (vorauszusetzen) war, also thema­tisch (mit)ge­ge­ben ist, da das
subiectum ja subiectum eines Satzes und damit einer zugehöri­gen passio ist, letztlich
wie­der gekappt werden, weil sie nicht in den Begriffsgehalt ein­treten kann, so das
ac­ci­dens oder die passio, wenn wir kontingente Sätze bilden.79 Hier kehrt sich das
Verhältnis der Faktoren in kausalgenetischer Betrachtung um. Immer stoßen wir uns
dabei an der Impli­ka­­tion, die kei­ne kausale Relevanz mittragen kann und also auch
nicht gemäß ei­ner solchen ge­deutet werden kann.80 Die Kausalität bleibt für Ockham

per Implikation ausgedrückt werden könn­te. Die Frage ist, ob ausgesprochen auch gedacht zu
heißen habe.
78. Von hier aus ist Ockham außerscholastisch zu sehen; er präludiert einer anderen Epoche,
ohne ihr auch aus­nehmend anzugehören. Sie teilen nicht die Erörterungsform.
79. Kontingente Sätze haben wir dabei immer, selbst wenn wir ihnen unter anderen Aspekten
weitere Be­stimmun­gen geben können, etwa vermöge ihrer Stellung im Syllogismus necessariae
propositiones zu sein. Determinat­heit kann, wie das im Sinne des Begriffsverständnisses sein
muss, wandelbar zukommen: ein Satz kann als kon­tin­gen­ter determinat sein, aber nicht in
einen Syllogismus mit einer intellektiven Funktion integriert werden. So ist er nicht determi-
nat nach dem Syllogismus. Die Intellektion besteht nicht absolut secundum actum intellectus,
worin kein actus mentalis praeter respectus sive relationes als intellektiv oder Intellektion mit-
tragend verstanden werden kann.
80. Derart gibt es bei Ockham auch keine Kausalität im Sinne von Notwendigkeit und vice
versa keine Notwen­dig­­­keit im Sinne von Kausalität. Dass eine consequentia physische Kausa-
lität und darin Notwendigkeit meinen kön­­ne, hat G. E. Moore bestritten. Also in diesem Sin­ne
reale Geltung oder Gegenwerte besitze. Cf. Kap. 1 Anm. 122. Wir sind in der Neu­zeit, in welcher
Kausalität nicht selbst in Form ei­nes Gesetzes physika­lisch und Notwendigkeit nicht direkt
logisch ausgesprochen wird. Notwendigkeit und Kau­sa­­lität waren indes für H. Blu­men­berg,
622 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Bestandteil der Abstrak­ti­on, wenn die Reichweite der Termini inhaltlich wie/= formal
erklärt werden soll.81 Die for­ma­le Er­klärung der Termini aber fällt mit der Suspen-
sion der Logik zusammen. Denn hier be­wei­sen (widerlegen) wir, in­dem wir zeigen,
dass eine forma oder was den Begriff ‘forma’ zu­ge­teilt erhält, nie über ei­ne ex­plicatio
aufgefasst werden kann, die ad rem extra intellectum und zur in der res vorfind­li­
chen singularitas, deren Komposition von ‘instantiae’ im Status strikte­s­ter Individua­
li­tät, füh­ren könnte. Die über den ‘habitus (mere) declarativus’ und qua ‘theologia
explanativa’ anzu­ge­ben­den Wissen­schafts­ver­ständnisse des Petrus Aureoli82 und des
Durandus von St. Pour­çain,83 zweier für Nomina­lis­ten oder wenigstens Vorläufer des

1966 die Topoi, unter denen sich wis­sen­schaftsgeschichtlich das innigste Selbstverständnis des
Men­schen sollte angeben lassen (ib. p. 393f). In Phrasenform p. 389: „Das gro­ße Welt­­ver­­steck­­­
spiel des verbor­ge­­­­nen Gottes im No­mina­lis­mus des späten Mit­telal­ters, das Des­car­tes zum Ver­
dacht des uni­­versalen Be­tru­ges ei­nes Dieu trom­­peur stei­ger­te und in der Begrün­dung aller
Ge­wiss­heit auf die absolute Sub­­­jektivität zu durchbre­chen suchte usw.“ Im großen Bogen der
Relationen geht die faktische Textdeutung unter. S. Anm. 81.
81. Kausalität, die mit der Genese der Begriffe und Sätze in mente und dort auch der Bezie-
hung der actus und no­ti­­tiae ver­bunden ist, wobei der habitus bereits die empirische Dimension
zu überschreiten be­ginnt, bleibt für Ock­ham innerhalb der Abstraktion in einer Nennqua-
lität erhalten und als Prinzip gewahrt, dies auch wenn Gott per su­am potentiam absolutam
‘interveniert’, i.e. für hypothetische Abwandlungen in An­spruch genommen wird, mit denen
Ockham der Egalität von Kausalität und Ableitbarkeit widerspricht. Freilich war Kausalität un­­
ent­behr­li­ches Element der Gottesbeweise. Nach H. Blumenberg, 1966 p. 371f dien­te schon der
scholastische Got­­­tes­beweis als eine vermeintlich verfehlte Bemühung nicht bei der Bewahrung
mittelalterli­cher re­ligiöser Ge­sinnung, sondern „be­re­itete“ wie der nominalistische Ge­brauch
des Omnipotenz­prin­­zips, wo­rin „dem Menschen nochmals seine Welt­gewissheit negiert“ wor-
den sei, „die humane Gegenfunkti­on vor, die der the­­oretisch-tech­ni­sche Akt der Be­schränkung
annehmen wird“: in der neuzeitlichen Naturwissen­schaft. Das ist die The­­­se (p. 343: „Die Steige-
rung der Theologie ((die Ockham angeblich betrieb)) zu ihrem ma­xi­ma­len Anspruch gegen die
Ver­nunft ((ge­gen die Ockham angeblich stand)) hat­te das unbeabsichtigte Re­sul­tat, … die Kom­
pe­tenz der Ver­nunft als Organ einer … sich von der Tradition befrei­enden Wis­senschaftlichkeit
vorzuberei­ten.“ Die theologische Prä­va­lenz wird scheinbar belegt p. 343 Anm. 251: „Pro­lo­gus
III (Quelle?) 9 CC: … dico quod theologia nostra non est de om­­ni­bus nec complexis nec in­
com­­ple­xis: quia in­­tel­lectus vix suf­ficit ad illa quae sunt necessaria ad salu­tem.“ Ock­ham sagt
au contraire, dass, ob­wohl mit je­dem Begriff und Satz ei­ne der the­o­lo­gia­ (im weiteren Sinn)
zu­ge­hö­ri­ge pas­sio ver­­­­­­­bun­­den wer­den kann, da­mit für eine theologia, primo modo verstanden,
kein der Er­for­schung wür­di­ges Thema ge­setzt sei. Dem gilt das non. Blumen­berg p. 343 will
den Satz „umver­stehen“, um ihn hermeneu­tisch recht zu treffen. Ähn­lich p. 303 Anm. 184 einen
anderen Satz. Ockham mischt Prol. Ord. q. 9 OT I p. 273 lin. 20 – p. 274 lin. 24 Meta­physik und
theologia im weiteren Sinn; letztere „habet … de quolibet ente in par­ti­cu­la­ri consider­are“. Das
ist innertheologisch indes wenig relevant. Aber eben auch nicht naturphiloso­phisch.
82. Cf. A. Teetaert, art. P. Aureoli in: DTC 12, 1 1935, cc. 1810–1881, c. 1857; R. Dreiling, 1913
p. 201f.
83. Cf. S. F. Brown, Vortrag auf der Durandus-Konferenz 2012, Kongress-Bericht 2012, p. 6f.
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 623

Nominalismus ge­hal­­te­ner Au­to­ren, lassen sich da nicht für ei­nen Vergleich heranzie-
hen. Nur Duns Scotus bietet An­halts­punkte, die bezüg­lich der de­duk­tiven Struktur
vielfach sich werten lassen.
Anders als Duns Scotus deduziert Ockham nicht im Sinne einer begrifflich-sach-
lichen Ei­ner­­lei­heit oder Ver­bun­denheit mit der Welt in Gott hinein. Gott ist von der
Welt getrennt; er ist ihr terminus exclusivus wie anders der Widerspruch, der in der
secundum se singularis res in­so­fern gegründet ist, als er dort nachweislich so we-
nig ‘ist’ wie was in seinem Sinn negiert wird. In dem Sinn liegt er selbst als Rand-
bedingung außerhalb der Welt. Er begrenzt auch nicht Gottes Allmacht; denn was
secundum omnipotentiam divinam nicht geschaffen (ge­macht) wer­den kann, kann
nullo modo sein; es kann eo ipso nicht sein. Andernfalls wären om­­­ni­potentia und was
sie ver­mag nicht determinat, sondern per fallaciam bestimmt. Also wird die Allmacht
Gottes nicht durch das Wider­spruchs­prinzip begrenzt.84
Duns Scotus sucht ihrer Natur nach angeblich, aber unerwiesenermaßen kon-
tingente Einwände gegen ein allgemeines Prinzip probeweise geltend zu machen, um
die Deduktion voranzubringen, wo diese in der Flaute sich befand; er weist dann den
casus als bloß besonderen ab, der nichts zur allgemeinen Sache tue, um die Dedukti-
on mit dem neu eingeführten allgemeinen Prinzip voranzutreiben; damit bleibt das
Verhältnis von Prinzip und Einwand ungeklärt; es kann logisch und im Sinne einer
womöglich intensionalen Implikation nicht bestanden haben. Ockham operiert gar
nicht im Rahmen solcher nur scheinbar konstituierten Deduktion und nicht nach
einem impliziten Verhältnis von Allgemeinheit (Prinzip) und Kontingenz (auszu-
scheidendem casus). Instantiae benutzt er reihenweise und er übersteigt sie mittels
Widerlegung, persuasio und inductio via die Formeln ‘non est inconveniens’, ‘non est
maior ratio quod (non)’ etc., wobei er Scotus’ Deduktion nicht beibehält, sondern
aufbricht. An dem Punkt muss die absolute Ontologie selbst ausgeschieden werden.
Sie liefert keine Formative gegen Einwände, wie sie es bei Duns Scotus u. a. tun soll.
Ontologisch kann bei Ockham nie anders als im Sin­n der Klassifikation von termini
(conceptus) argumentiert werden, das heißt: für diese Klas­sifikation. Wenn sich dann
Widerlegun­gen ergeben, so haben diese die Definitheit der ter­mini genau im Sinn
der Abweisung einer ungemäßen Folge­rung ergeben, die als (ein) In­halt verstanden

84. Anders H. Blumenberg, 1966 und H. Schröcker, 2003. Der Widerspruchssatz, determina-
tive an ei­nen Satz oder eine Feststellung angefügt, würde im Sinne des Schlusses, den das zu
bedeuten und/oder zu erset­zen hätte, die Indefi­nit­heit und Nichtsignifikanz aller inhärenten
Größen (Faktoren, Begriffe) besagen, also den ge­gen­­tei­li­gen Effekt. Meinung und Faktum stün-
den ‘a priori’ und synthetisch im Gegensatz zueinander. Aber das Wi­der­spruchsprin­zip kann
in den ac­cidentia, an denen die faktische Grenze für die Allmacht nach Ockham liegt, nicht
greifen und nicht konstituiert werden. Gott vermag nichts über die Akzidentali­tät in se. Von
dieser Ak­­­zi­den­talität aus kann nicht die Identität im begrifflichen relationalen Sinn aufstei­
gen. Ockhams reproba­tio­nes oder Erklärun­gen von non-repugnantia lauten nicht im Sinn von
Widerspruchssatz und existentia in se. Sie könn­ten da nicht an die Determinatheit anknüpfen
oder die Definitheit im Sinn haben.
624 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

werden müsste, der mit einer Folgerung gleich (äquivalent) wäre. Das weist Ockham
in diesem Sinne ab. Die Ontologie wird bei Ockham insoweit erklärt und ent­spre­
chend fest­gehalten, wie sie die ausgeschalteten Konsequenzen nicht erfordere oder
zulas­se. So ist sie eigentlich secun­dum implicati­o­nem non admissam sei es erhalten
sei es relegiert worden. In summa: die Ontologie kann keinen Maßstab der Deduktion
respektive der in die­ser Form traktierten Inhalte bieten; sie kann mit Widerlegung
und dann Induktion und per­­suasio konform gehen, aber der reductio ad absurdum
selbst noch unterworfen wer­den. Aber sie kann auch in der Weise keinen Maßstab
abgeben, dass sie über Gottes Sein ent­schie­de; indes wer­den die Funktionen Gottes
doch nahezu oder annähernd ontologisch ausgedrückt werden können, zum Beispiel
mit­tels oder hinsichtlich des Begriffs der forma und dies gegen­ü­ber der materia. Dem
tritt dann auch die potentia divina absoluta funktionell bei, welche also weder onto-
logisch verankert sein kann noch gegen die Welt stehen darf. Die potentia absolu­ta
und die potentia ordinata sind nicht gegensätzlicher Natur. Anders ließe sich kein
Ar­gu­ment Ockhams bei irgendeinem Thema, das der Behandlung in Form von pro­
ba­­­tio, per­su­­a­sio, reprobatio, inductio etc. bedarf, nach der argumentativen Qualität
bewerten. Es gibt bei Ock­­ham keinen Ge­halt außerhalb der argumentatio. Sollen
poten­tia absoluta und po­ten­tia or­di­­nata kon­tras­tie­­ren, we­rden Ockhams Verfahren
und Argumente uner­­kennbar.85 Der Wider­spruch beruht bei Ockham auf keiner Be-
grifflichkeit, denn er müss­te in der Sache (res) ge­grün­­­­det sein, deren Kompositi­on
wir nicht in ihnen, sondern denn auch nur an den Be­griffen ab­­zulesen hätten und nur
daran ab­lesen könnten. Wir müssten ein com­ple­xum in der Sa­che su­chen, das wir aus
den Begriffen nie gewinnen; so ist die Be­weis­­lehre Ockhams denn auch nicht auf ein
ex re secundum ra­ti­onem causae angelegt.86
Ockham definierte Erkenntnis, exemplarisch in der Demonstrationslehre, die wir
behandelt haben, indem er den Begriffen einen Konnex untereinander verweigerte,
der (die) Erkenntnis, die dann in der Form der Deduktion abzulaufen gehabt haben
könnte, automatisiert hätte, i.e. we­nigstens hypothetisch eine Parallelität von sach-
licher Zwangsläufigkeit und epistemologi­scher bedeutet haben würde. Duns Scotus
hatte sich dessen nicht enthalten können. Er hatte da­­­mit ana­lytisch und synthetisch
aliquomodo gleichsetzen und das Erkennen oder De­du­­zie­ren von der logischen

85. Mit der notitia intuiti­va wird ein empirischer Begriffsgebrauch angesprochen, der kein ei-
gentlich deduktiver mehr sein kann; hier muss dann für unsere Verhält­nis­­­­se (=pro statu isto)
die persuasio kompensieren.
86. Cf. Prol. Ord. q. 2 OT I p. 97 lin. 7–14: „Si dicatur quod Philosophus (lin. 3f Ockhams An-
gabe I Po­s­te­­ri­­o­rum) accipit ibi cau­sam non pro causa incomplexa contra: Philosophus dicit ibi
expresse ‘cum arbitramur cau­­­sam co­g­noscere per quam res est’, non ‘per quam complexum est’.
Similiter II, Posteriorum dicit ‘scire opi­na­­mur cum sciamus cau­­sam’ et immediate exemplificat
de quattuor causis, quae sunt causae rerum non comple­xo­rum. Idem videtur sen­­tire I Physi-
corum, in prima libri.“ Aber die definitio realis steht höher als die definitio no­mina­lis!
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 625

Tautologie abhängig machen müssen.87 Ockham erlaubt Be­griffs­­­kon­texten im Sin-


ne ihres Zusammenhangs, also intensional, Wertigkeiten auszu­schlie­ßen, mit de­nen
ex­tra­mentale Kausalität extramentale Geltung gewesen wäre oder auch um­ge­­kehrt.88
Er son­diert so Beweise und Satzerkenntnisse über Gott wie die Welt. Er schafft in
der Form der Be­stim­­mun­gen (Klassifikation) von termini (conceptus) und Sätzen
und alsdann von syllogis­ti­schen Beweisen Raum für das Erkennen, i.e. er schließt
die Analysis im begriff­li­chen (oder in­­haltli­chen) Sinne aus, kennt keine Tautologie
außer näherungsweise in der pro­po­sitio per se nota, die sich dabei nicht so ganz als
definierbar erweist, besser: nicht leicht zu erkunden ist,89 und schafft eine synthetische
Qualität (von Satz, Begriff, Beweisen), indem er sie formal be­­stimmt und voneinan-
der abgrenzt. Wenn aber Gott und die Lehre der Kirche in der Form der propositio
per se nota erscheinen, wird auch die consequentia for­ma­lis gegeben sein und dem
Zusammenhang der Begriffe90 dienen und entsprechen; dieser consequentia formalis
kann nicht widersprochen werden.91 Daher steht auch sie auf der Seite der Begriffe

87. W. V. O. Quine, From a Logical Point of View, ²1961 verwirft die Unter­scheidung von ana-
lytisch und syn­the­tisch und hält die Analytizität für durch die logische Tautologie nicht aus­rei­
chend begründet. Auch dies zwei Mo­mente, um zu sagen, dass Duns Scotus nicht wahrhaft und
eigentlich de­du­ziert haben kann und dass seine cog­nitio (dabei) keine significatio betroffen
ha­ben kann. Auch dies eben eine ge­nuin nominalistische Kritik.
88. Es wäre denkbar, dass die realistische Ontologie hier eine Pseudokausalität übernommen
und bestimmt hätte, oder aber mit der Gleichheit von Kausalität und Geltung alle Erkenntnis
im Vorhinein vertan hätte, i.e. wenig­stens ihr vorgegriffen haben müsste. W. Chatton ist für uns
das Exempel, das zugleich darin eine Aus­zugsgestalt verkörpert und weniger im Sinne implika-
tiver Kritik behandelt werden muss wie es bei Duns Scotus der Fall ist.
89. Wenn sie von Ockham als Folie im Beweis für persuasiones u. ä. gebraucht wird, wird eben
dieser Faktor der schwierigen, am Ende wohl problematischen Trennung der Begriffe in der
propositio per se nota als Negativ­mo­ment gesehen, von dem aus die Induktion mit der Entfal-
tung differenzierender formaler Bestimmungen der Be­grif­fe untereinander zur Bestimmung
eines besonderen Satzcharakters anheben oder aufsteigen kann.
90. Die dabei pro statu isto und secundum analogiam, nicht als aus der Sache selbst geschöpft
oder zutreffend er­scheinen sollen, indes aber, insoweit sie Begriffe sind, univok bleiben. Eine
consequentia formalis, die ex aliqua cognitione divinae essentiae selbst geschöpft in eine co-
gnitio überleitete, die wir pro statu isto haben könnten, gibt es nicht. In dem Sinn bedeutet die
consequentia formalis auch einen engen Zusammenhang zwischen empi­ri­­schen Begriffen und
Verhältnissen und kann so noch einen Syllogismus definieren.
91. R. Grass, 2003 p. 124 Anm. 87 nennt die pro­positio per se nota der mo­der­nen ‘ana­ly­tisch-
wahren Aussage’ äqui­va­lent. Doch s. Ock­hams schwierige De­finition (Be­­schrei­bung) + die be­
weis­­the­oreti­sche Wi­der­le­gungsrolle. Ock­ham verbindet die pro­positio per se nota auch mit der
con­se­quen­­tia for­ma­­lis, die syl­lo­­gis­tischer Natur ist und nicht nur be­griff­lich ‘wahr’. Cf. Ord.
d. 4 q. 1 OT III p. 15 lin. 1–20. Nach p. 204 Anm. 267 galt der Satz ‘De­us est’ all­­ge­mein den Scho­­­
las­ti­­kern als propositio per se nota. Nicht für Ockham. Cf. Quodli­be­ta I q. 1 OT IX p. 2 lin. 27f.
Ockham geht dabei von betont menschlichen Bedingungen aus: es gibt Menschen, die an der
626 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

(In­­tensio­nen). Darum steht das Widerspruchsprinzip außerhalb ihrer. Sie definiert


die Wider­spruchs­freiheit, nach der wir die Kirchenlehre anzunehmen haben, bzw. es
vermögen sie an­zu­neh­men. Es ist kei­ne extensionale, analytische oder tautologische
Erkenntnis o. ä.92
Folgte Ockham in den allgemeinen Aspekten Aristoteles’ Demonstrationslehre
und legte ihn aus, musste er ihn dort revidieren, wo Aristoteles aus der Kontingenz
die Notwendig­keit ge­wann bzw. zwischen beiden nicht hinlänglich oder von Anfang
unterschied. Das konn­­t­e in zwei Punkten geschehen, einmal dort wo Aristoteles die
Notwendigkeit ontologisch defi­niert (oder unterstellt) hatte93 und zum anderen dort,
wo er sie mit dem Syllogismus und der fik­ti­ven Inhärenz dieser Notwendigkeit in der
Struktur des Syllogismus gegeben sah.94 Auf die Be­griffe und ihr kausales oder zeitli-
ches Verhältnis konnten dabei ontologische Kate­go­ri­en angewandt werden, die dann
widerlegend das Verhältnis der Begriffe im Sinne ihrer Klas­si­fi­ka­tion in Richtung auf
die Realität betrafen, d. h. soweit ein Verhältnis der Begriffe nach den ontologisch
kategoriellen Bestimmungen – induktiv (auch in Form von Beispielen dar­ge­bo­ten) –
möglich erschien, aber eine ontologische Erschöpfung aus der re ipsa ausge­schlos­­sen
erschien; es sollte ja immer nur induziert, i.e. plausibel gemacht, also für wahr­schein­
lich er­klärt werden. Für unbedingte Wahrheit hätte anders argumentiert werden
müs­sen.

Wahr­heit des Sat­zes zweifeln. Damit wird keine jenseitsweltliche Einsicht in den ‘Satz’ unter-
stellt, die Grass an­führt und zur begrifflichen Natur des Satzes nicht a limine stimmt. Die ad
hoc Hypothese der jen­seits­welt­li­­­chen ‘Er­kenntnis’ führt und stimmt für Ockham nie zur dann
strikt innerweltlich menschlichen. Jen­seits­welt­­­lich ist ein Syllogismus auf Basis verschiedener
Erkenntnismedien möglich = mit unseren Bedingungen kompati­bel.
92. Die Gotteslehre wird Ockham nicht auf extensional verstandenen Begriffen aufbauen. Cf.
Quine, 1961 p. 9: „Die Klasse aller Entitäten, von denen ein Universalterm wahr ist, wird Exten-
sion des Terms genannt.“
93. Hier mussten aristotelische Prinzipien zur Kontingenz hin korrigiert werden, so dass
Ockham die da­rin im­pli­zierte Allgemeinheit oder Notwendigkeit bestritt. Außerhalb dieser
Annahme konnten sie gelten. Damit war ih­­re deduktive Verwendung à la Duns Scotus un-
möglich. Andererseits war es möglich, dass sie in Bezug auf die Erklärung der syllogistischen
Deduktion, wie Ockham sie formal bestimmte, kasual durch instantiae wi­der­­legt werden konn-
te, so dass eine generelle und zwangsläufig tautologische Verwendung respektive Bedeu­tung
damit nicht verbunden sein konnte.
94. Hier lieferte die nach Ockham brüchige, jedenfalls nicht kontinuierliche Ordnung der pas-
siones den Ein­wand. Da aber die passiones formal bestimmt wurden gibt es einen Übergang
von Anm. 89 nach hier.
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 627

Das gilt dann auch für die physischen oder physikalischen Wahrheiten; Ockham
gibt sie als ge­­brochene im Sinn der mit substantia und accidens veranlagten Teilun­
gen:95 „illud quod cau­­­­­­satur in medio a colore est eiusdem rationis cum eo a quo cau­
sa­tur“. Glas und Was­ser könn­­ten, meint man, das medium sein, das der Lichtstrahl
passiert. Ockham sagt aber:96 „aer pot­­est re­cipere verum colorem eiusdem rati­o­nis
cum colore a quo causa­tur.“ Er will für das Licht im ‘Re­flex’ keine neue species an-
setzen, was gegen das Öko­no­­mieprinzip sei:97 „plu­ra­li­tas non est ponenda sine neces­
si­ta­te. Sed nulla apparet necessi­tas ponendi tales species pro­duc­tas in medio alterius
rationis ab obiectis a qui­­­bus cau­san­tur.“ Es gilt:98 das „positivum re­cep­ti­vum in me­dio
tam­quam in sub­iec­­to habet esse materiale et reale et est exsistens in re.“ Der Licht­wi­­
derschein, wie er sich für Ockham schon im Licht­strahl in der Luft abzeichnet, ist
nicht aus der Licht­quelle abzuleiten; diese wird nicht durch ihn bestimmt oder ermit-
telt. Die Er­­­­klä­rung der Welt erfolgt also nicht nach dem Wider­spruchs­prinzip. Dem
accidens gleich, als das der Licht­re­flex er­schien, kann hier nicht von der Seite einer
res in se ana­ly­­tisch noch für eine Qua­lität ar­gu­mentiert wer­den, wel­che substantia
gewesen wäre, obwohl essen­tia und re­la­tio nach dem Bezug auf ein/das subiec­tum
für Ockham identisch waren.99 In be­stimm­­­­ter Weise kann die Realität (Welt) nicht

95. Rep. III, q. 2 OT VI p. 86 lin. 4–6. Grundlegend schon p. 59 lin. 4f: „ab obiecto visibili non
causatur in medio ali­quid alterius rationis ab ipso.“
96. Ib. p. 63 lin. 19f.
97. Ib. p. 59 lin. 11–13. Weder eine ratio (deducta ex principiis per se notis) noch Erfahrung
nötigen zur Setzung der species, die gänzlich unsichtbar sind (ib. lin. 13–15).
98. Ib. p. 83 lin. 8f. Dabei sagt Ockham ausdrücklich (lin. 9f): „de absolutis loquor“, also nicht
von accidentia.
99. Das Öko­no­mieprinzip begrenzt oder verwehrt den Übergang aus der species auf das acci-
dens. Es begrenzt oder hebt auf den Gebrauch der Widerspruchsprinzips oder die etwaige Be-
gründung von Tautologien in der Re­a­li­­tät. Wir de­fi­nie­ren so Erkenntnis nicht nur nicht ontolo­
gisch, sondern auch nicht irgendwie gegenstands­gleich oder ge­genstandsähnlich. Erkenntnis ist
nur definiert, indem die Teile der Erkenntnis, im Prin­zip Mittel, ein in­te­gra­­les Verhältnis unter
unserer Enthaltung vom Widerspruchsprinzip erhalten. Diese Integra­li­tät der Er­kennt­nis, die
für die menschliche Subjektivität stand, waren Ziel und Leistung Ockhams. Sie wird auch hier
gewahrt.
628 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

aufgeschlossen werden.100 Dies hat Ockham auch do­ku­mentiert.101 Wir erschließen


mit Ockham die Induktion nicht für die Ma­te­­ri­­­a­lität in se oder die Er­kenntnis für die
Materia­li­tät, so dass jene wiederum gleich durch die­se de­fi­niert worden wäre. Dabei
war das Erkennen von der Materialität ausgegangen und kann die­se da­her auch nicht
von sich ausschließen. Wenn Ockham aber keine physische Welt erschlie­ßen kann,
ebenso keine Welt als physi­sche, muss er Erkenntnis und Welt tren­nen.102 Sie wer­
den aber noch durch Kau­salität verbunden, obgleich die Kau­salität we­­der als Fak­tor
explizit defi­niert noch ir­gend­wie bündig mitgegeben sein kann.103 Wir ha­ben hier
auch, dass verschiedene kontingente casus (also Kon­tin­genz) um die Kausalität her-
um gruppiert wer­den können, so dass sie entweder noch­mals neu auftritt oder nur
ganz un­­sichtbar identisch sein kann.104

100. Ockham legt von vornherein Wert auf die Wirkung, die per distans erfolgen soll. Diese
Wirkung per dis­tans ist gleich zwischen den Dingen der physischen Welt wie wenn das obiec-
tum auf den menschlichen Geist wirkt, der es erkennt (Rep. III q. 2 OT VI p. 55 lin. 22 – p. 56
lin. 2): „obiectum distans ab angelo et a me potest intui­ti­ve vi­deri ab angelo et a me, etiam si per
po­ten­ti­am di­vi­nam obiectum nihil causet in me, nec speciem, nec cog­ni­tio­nem.“ Man erkennt,
wie Gott die Wirkung des Ob­jekts auf mich oder den Engel verhindern könnte: im Sin­ne ei­ner
Einwirkung aus das, was in mir etc. ak­zi­den­tell vorhanden ist, etwas womit ich etwa vielleicht
‘Zeit’ (z. B.) ex infi­mo in mir erfahre. Ich könnte die Zeit durch einen mo­tus „erfahren“, der
zwischen zwei infinitesimalen instan­ti­ae statt­fände. Durch eine Bewegung in Form ei­nes Elek­
tro­nenaustauschs in physiologischen Prozessen. Auch hier wür­de man die Implikation wohl
nicht anset­zen kön­nen, wie nicht zuletzt die Quantentheorie gelehrt hat. Die Zu­­­­­rück­drängung
des Wider­spruchs­prinzips wird mit physikalischer Erkenntnis gleich.
101. Es macht wenig Sinn, Ockhams geschichtlichen Einfluss über von ihm ausgehende Aus-
rufungen von Grund­­sät­­­zen er­klä­ren oder dann auch reduzieren zu wollen. Ockhams Philoso-
phie löst ein Problem; aber sie löst es nicht inte­gral in der Defi­ni­­ti­on der Sub­stanz des Erken-
nens oder Wollens als Vermögen des Erkennens. Danach kon­sti­tu­ierte sich das neuzeitliche
Erkennen als eines einer formellen Onto­lo­gi­sie­rung des Subjekts, für das Leib­niz und Spi­noza
die alten Mittel verwenden, die sie zugleich als Insignien der Herr­schaft des Subjekts über ei­­ne
ihm äu­ße­re Objektwelt (Realität) ausrufen (postulieren). Diese Herrschaft ist damit scheinbar
(fingiert).
102. Er mag hier sogar seinen Ausgangspunkt gehabt haben.
103. Rep. III q. 2 OT VI p. 85 lin. 6–17 „credo enim quod omnia iudicia quae attribuuntur sen-
sui respectu obiectorum sunt ac­tus intellectus, quia statim quando sensus habet operationem
circa sensibile, habet intellectus cognitio­nem in­tu­itivam respectu eius­dem, qua habita potest
intellectus complexa formare et de eis iudicare per actum as­sen­tiendi vel dissentiendi, et quia
istae operationes sunt ita connexae, ideo non praecipitur utrum iudicium tale sit actus se­n­sus vel
intellec­tus. … Mirabile (W 1495 add. enim!) est quomodo sensus potest iudicare, cum iudicare
sit actus comple­xus ter­mi­native et prae­sup­­ponat ap­prehensionem sicut formationem complexi
quod non potest fieri per poten­ti­am sen­si­tivam.“
104. Ockham will, wie gezeigt, die intramentalen Größen nicht unbedingt oder demonstrier-
bar distinkt (distinktiv) sehen oder kann es nicht. Er ist auf persuasiones angewiesen, bei de­nen
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 629

Aber in einer bestimmten Weise erschließt Ockham die Materialität doch, wenn-
gleich er nicht die Induktion für diese Erschließung präpariert hat: denn wo er Kon-
tradiktion und Kon­tra­dik­ti­­onsprinzip intensional negiert, wird, da mit dieser Nega-
tion ein Moment der Re­alität ge­wahrt oder erhalten bleibt, ein Strukturmoment für
die Realität sichtbar. An dieser Stelle gilt das Omnipotenzprinzip. Es entspricht dieser
Versichtbarung, während es argumentativ für ei­ne intensionale Sicherung und Be-
gründung von Aussagen per Induktion oder in Form der per­su­asio gebraucht wird.
Das Omnipotenzprinzip ist da an die Stelle des Wider­spruchs­prin­zips getreten, doch
für die Deklaration von darin intensional verstandenen reflexiven Aus­sa­gen oder
auch Begriffen, die wie ontologische (z. B. substantia, accidens, qua­litas, re­la­tio) re­a­
lia und die erkenntnistheoretischen, wie notitia, actus, habitus, potentia intramen­tale
Grö­ßen mei­­­nen können. Ockhams Argumentation enthüllt so eine Struktur, die we-
sentlich mit Ab­strak­­­­tion zu tun hat, darin den Realbezug nicht ausschließt, aber die-
sen Bezug nicht gleich­wer­­­tig mit dem Ausdruck versteht, der, wenn er Erkenntnis nur
‘meint’, sogleich die Er­kennt­nis besagt:105 die mit dem reflexiven Ausdruck bezüglich
der Erkenntnis unwi­der­sprech­­bare, für die das Wi­der­spruchs­prinzip keinen Einwand
bereithält oder gestalten kann.106 Die entitas hängt je von Argumentation ab, die ihr

zum Teil das com­ple­xum schon früher sich nicht wirklich aufschlüsselbar erwies. Der actus
apprehensivus ist nicht ganz durch­schau­bar; er ist am Ende so etwas wie eine komplexe = nicht
reale Größe, um einen ma­the­matischen Ver­gleich zu wäh­­len. Zugleich ist erkennbar, dass er
credo sagt, wo er doch auch ‘bewiesen’ hat. Cf. auch Kap. 11 Anm. 64.
105. In dem Sinne also als konstruktiv oder konstruktivistisch zu verstehen ist und zwar ver-
möge der Definitionen und ihrer argumentativen Auslegungen hinsichtlich der ratio notitiae
oder ratio subiecti usw., hinsichtlich dann durch die Argumentation das akzidentelle und Re-
ferenzmoment abgespalten, entfernt werden muss, so dass da­mit die Abstraktion sei es wieder-
holt und bekräftigt, sei es recht eigentlich sogar erst substantiiert wird (werde). Die Konstruk-
tion erfolgt reflexiv hinsichtlich eines Momentes der Konstruktion selbst, so dass dieses, als
nun­mehr bewusstes de facto das intensionale ist.
106. Ein terminus wie subiectum kann da erkenntnistheoretisch sowohl den Satz meinen
wie die res extra animam, i.e. als subiectum propositionis auch die res extra animam: letztere
nennt Ockham gleichsinnig mit subiectum substantia. On­­tologie und Erkenntnistheorie sind
hier post argumentationem aliquomodo gleichwertig. I.e. se­cun­dum ar­gu­­mentum, was auch
heißt: im Sinne des Ausschlusses oder der Vermeidung von fallaciae. Denn die­se würden an­­­
ders eintreten, wenn man elementare Sätze ohne Argumentation oder vor ihr so deuten wollte
oder ele­men­ta­re Sätze als pseudo-reflexive handhaben, was wieder heißt praeter argumentum
Interpretationen ver­such­te, bzw. mit falschen Argumentationen. Es sind solche, die den onto-
logischen Gehalt ohne Argumentation oktroyieren, also glattweg behaupten. Sie reduplizie-
ren den Satz (Satzausdruck). Sie werden mit der Suppositi­onslogik ausgeschlossen, die darin
begründet wird. Es dürfen keine Annahmen gemacht werden, die dem Satz vorausgingen. Er
ist so Ausdruck. Seine Deter­mi­­nat­heit bedeutet den Ausschluss von Implikation und Implikati­
ons­ge­brauch aus. Ersichtlich kommt Ockham immer erst im Nachzug zu seinen Erörterungen
bzw. in Form von conclusiones nach der Beweis­füh­rung zu sei­nen solutio­nes. Er geht nicht von
unzweifelhaften Data (seine Induk­ti­onsbasen ‘sind’ solche nicht) aus und hat in diesem Sinne
630 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

reflexiv gewidmet werden kann. Das besagt: auf der Ebene der Reflexion, i.e. höher-
stufig, dürfen und müs­sen Probleme auftauchen können, die nur hier zu lösen sind.
Sie sind dann nicht mehr die primär ontologischen.107 Da Ockhams re­fle­xiv ausge-
sprochene Methodik in der Nachbarschaft zu methodologischen Be­­trach­tungen der
exakten Wissenschaften steht (die hierbei ihrem Formalismus folgen mö­gen)108 und
den shifts etwa zu Erörterungen in Form der ordinary language philosophy109 u. ä.110
ver­wandt bleibt, wird man das Problem am Ende in der Eigenwertigkeit absoluter
Be­standtei­le wie etwa der Implikation und deren Behandlung sehen. Ockham lässt
sich beur­tei­len in Richtung zur Neu­­­­zeit111 und im Mittel­al­terbezug (incl. der antiken
Deszendenz).112

die scholasti­sche Methode für sei­ne Ergebnisse ge­stei­gert, in der Sache intensional intensi­viert.
Was hier erst post argumentum „etwas“ ‘ist’, wird dazu, weil den Begriffen und Aussagen Sinn
verliehen wer­den soll und secundum mentem Ockham auch muss.
107. Wir müssten dann fragen, wie wir zu dieser Stufe gelangt sind und hoffen, dass Ockhams
Aufschluss, sei es absolut, sei es pro forma (was immer das heißen könnte) tragfähig sei, mit
Einschluss seiner Argumentation und deren Begründung (Selbst­be­grün­dung) selbstverständ-
lich. Ockham zeichnet nicht den neuzeitlichen Auf­stieg von der sinnlichen Wahrnehmung zur
erklärten Verstandes­ka­pazität, der die reale Erkenntnis und deren Be­grün­dung zum Ziel hätte;
er gibt eine in anima relevante und dort und für sie ‘gesicherte’ Erkenntnis. Ockham zeichnet
kei­ne Realwissenschaft. Da er die cogni­tio unius rei extra animam ausdrücklich aber nicht nur
nicht ausschließt (weil es kein Argument für eine solche Behauptung ge­be – sic!), sondern die
Realstruktur der Din­ge und des Din­ges sub specie potentiae divinae absolutae gegen Wider­
spruchs­prinzip und von diesem gelei­tete Ermittlun­gen verdeutlicht, erscheint neuzeitliche
Realwissen­schaft äquivokativ und dies auch gerade unter dem Aspekt vielleicht insuffizienter
methodologischer Begründung. Das Stichwort lautet hier: Definitheit. Sie kann danach in den
‘Sätzen’ fehlen und in deren formalen Bausteinen und zwar in jenen vermöge dieser!
108. Man denke nur an die berühmten Arbeiten von K. Gödel, A. Tarski, Th. Skolem u. v. a.
109. Zu der auch L. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, 1947–1949 zählt.
110. W. V. O. Quines grundsätzliche Kritik am Formalismus schließt generell sprachtheoreti-
sche Aspekte ein, die bei K. Gödel, 1944 fehlen. Die erkenntnistheoretische Auslegung ist hier
evtl. desiderativ eingeschlossen.
111. Beim Argumentationssystem, das Ockham in philosophischer Bedeutung und Kreditie-
rung und mit wis­sen­schaftlichem Belang erstellt, gibt es keine transzendentalphilosophische
Entsprechung oder Überprüfbar­keit.
112. Ockham hat das mittelalterlich-ontologische Denken unterlaufen und suspendiert. Er hat
nicht die Gel­tung der Vernunft negiert. Er hat sie an einer induktiven Wahrnehmung orientiert
und die Lo­gik resorbiert. M. Lenz, Adam de Wodeham und die Entdeckung des Sachverhalts,
2001 (s. Kap. 8: Glaube und Welt. Im Vorhof der Na­turphilosophie Anm. 111) sieht im Über­
gang von Ockham zu Wodham die Entdeckung des Sach­ver­halts­be­griffs. Wir verweisen auch
auf unsere Festellung (Kap. 6: Theo­lo­gie und Logik­be­griff), dass Wod­ham immer über den
Realgegenstand und fiktiv in dessen Sinn über die Gel­tung oder den Sinn des Sat­zes ent­schied.
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 631

Nach zukunftsweisenden Aspekten in Ockhams Philosophie ist auch aus dem


Blick­win­kel sei­ner mittelalterlichen Zeitgenossen gesucht worden, so für Na­turphiloso­
phie oder Phy­sik113 wie in Bezug auf die technische Klärung des Den­kens über die
Logik. Da er ei­ne Ge­­nesis der Ver­stan­des­ak­te aus der Na­tur ali­quo­mo­do ins Auge
fasst, aber nicht ausführt, wenn er Er­kennt­­­nis­akte begründet, vertut die Dar­­stel­lung,
die ihn am Natu­ra­lismus festmacht und mit Au­toren vergleicht, die eventuell so­gar
in se mentale Akte elimi­nie­ren, den Bewer­tungs­maß­stab.114 Die Kon­klu­sivität mag
da nicht weit reichen. Was religi­öse Aspekte an­geht, so wer­den sie logi­schen entge-
gengesetzt.115 Sein Bei­trag zur Logik wird rein technisch als nicht groß bzw. als nicht
genügend bewusst bewertet.116

Damit kann er weder positiv noch negativ an Ockham anknüp­fen; denn dazu müsste Ockham
Schlüsse zuge­las­sen ha­ben, die Teile des Satzes würden. Das ist ausgeschlossen. Schlüs­se, die
für die Satze­be­ne von Ockham nicht ak­zep­tiert werden, bzw. fallaciae zu bedingen hätten, wer­
den auf der Ebe­­ne der Akte (no­ti­ti­ae) immerhin entschie­den. Hierüber werden funktional
Induktion, persuasio und reproba­tio (instantiae) ausgeführt.
113. Zur scholastischen Diskussion selbst: K. H. Tachau, 1988, die in Ockhams für sie wesent-
lich nicht natu­ra­lis­ti­scher Erkenntnistheorie ein Hindernis für die Re­al­wis­senschaft sieht und
den scholastischen und damit even­tu­ell geschichtlichen Widerstand da­gegen be­schreibt. Für
Ockham gründen die As­pekte der Gesichts­wahr­­neh­mung nicht in der Aktlehre; sie fal­len nicht
in die Uni­versalienlehre, sondern liegen im Ver­hältnis von sub­stantia (for­­ma) und ac­ci­dens;
die species in der Tat scheidet dabei aus. Tachau hebt die „action at a distance“ als Merk­­mal
der An­schau­ungen Ockhams hervor p. 133 und den häufigen Rückgriff auf die sinnliche Wahr­
neh­mung trotz der grundlegenden Bevorzugung der mentalen no­ti­tia p. 135, im Verhältnis zu
Petrus Au­reo­li p. 140.
114. Zum Thema s. A. Goddù, 1990 in: W. Vos­sen­kuhl und R. Schönberger (eds): 1990 pp. 208–
231, mit Kriti­k an Tachau, 1988, dass sie Ockhams notitia intuitiva, in der Tat ein mentaler Fak-
tor, mit Schlüssen verbin­de.
115. G. Leff, 1975 p. 15 neigt für Ockham wie frü­her schon der the­ologischen Option zu. Er
lässt die technische Vir­tuosität im Ge­brauch des Om­­ni­po­tenz­prin­zips bei Thomas Bucking-
ham, Johannes von Mirecourt, A. Wod­ham ange­sie­delt sein; Ockham ist (p. 124) in der Logik
unschöpfe­ri­sch, ohne In­no­va­ti­o­nen. Für die Logik gelte (p. 331): „the hall­mark of logic, di­s­
tinguishing it from the other scien­ces, is that its know­­led­ge de­ri­v­es from con­cepts which are
ex­­clusi­ve­ly the pro­­duct of the mind.“ Ockham ent­schei­­det bei ih­rem Ge­brauch lediglich über
Fol­­ge­­run­gen und Aussa­gen; sie fungiert kriteriolo­gisch über Inhalten.
116. Ph. Boehner (ed.) Tractatus de praedestinatione et de praescientia dei et de futuris contin-
gentibus of William Ock­­ham, 1945 schrieb Ockham (Essay pp. 43–88) die Ahnung der dreiwerti-
gen Logik zu. In einer solchen wird das tertium non datur bestritten oder suspendiert. Boeh­ner
weiß (p. 49 und öfter): für Ockham ist ein Satz wahr oder falsch; ein Drit­tes lässt er nicht zu.
Ockham ent­schei­det in­des, dass be­züglich der futu­ra contingen­tia ein der­­art zu bewertender
Satz nicht vorliege und so auch, wenn wir quo­­ad mentem dei ent­schei­den müssten. Hier gibt es
erst den wahren kon­tin­ge­n­ten Satz, wenn das Fak­tum ein­tritt. Vorher wissen wir nichts durch
einen ‘Satz’ und nichts be­züg­lich eines sol­chen. Er wen­det so das terti­um non datur nicht an.
632 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ist die unmittelbare geschichtliche Wirkung offen, was Ockhams politische


Schriften und die Na­turphilosophie angeht,117 so wird ihm eine stärkere inhaltliche
Resonanz über die bloße The­­matisierung hinaus auf theologisch-philosophischem
Gebiet eingeräumt, ob­gleich oft mit Ta­del verknüpft.118 Ockham argu­men­tiert für

Er lässt auch kei­­nen Satz zu, der einen ande­ren so enthalt­en könnte, dass der aus ihm fol­­ger­
bar wä­re. Das ist die De­fi­nition der kontingen­ten Sätze als Inbegriff der Erkenntnis (p. 54f).
Der kontin­gen­te Satz ist die (erste) Wahr­neh­mung der Wahrheit. Hier liegt der Wider­spruch:
keine Erkenntnis kann gegen ihn be­ste­­hen. Das hatte be­­­­reits gegen die höhere theo­lo­gische
Er­kenntnis, die wir nicht haben, als Legitimation einer Wahr­heits- oder Er­kennt­nis­­annahme
gesprochen. Die höhe­re Erkennt­nis Gottes per omniscientiam deter­mi­­niert nicht unser Wissen
von der Erkenntnis Gottes, so dass es aus ihr ‘inhaltlich’ deriviert werden könnte. Im Tractatus
de praedestinatione et de praescientia OP II p. 511 lin. 124–126: „Si­cut haec est vera ‘Deus scit
quod iste salvabitur’, et tamen possibile est quod numquam sciverit quod iste sal­­vabitur. Et
ita ista pro­­­­positio est immutabilis, et tamen non est necessaria sed contingens.“ Der Zusatz
‘ab ae­ter­­­no’ ver­liert sei­nen Sinn (ib. p. 513 lin. 160ff): „contingentes sunt cum hac dictione ‘ab
aeter­no’ sicut si­ne illa; nec est alia difficul­tas in istis quae sunt vocaliter de praesenti.“ Auch
das ‘verum’ in Prophetenmund be­deu­tet kei­nen Zu­­satz, mit dem der significa­tio und Existenz
per se vorausgegriffen würde. Das Ereignis bleibt kon­tin­­gent und wird nicht ein notwendiges
durch die Vorhersage. „Ideo dico quod impossi­bi­le est clare exprime­re mo­dum quo Deus scit
fu­tura contingentia. Tamen tenendum est quod scit contingenter tan­tum. Et debet istud te­neri
propter dic­ta Sanc­to­­rum qui dicunt quod Deus non aliter cog­nos­cit fienda quam fac­ta.“ Wir
bleiben bei der Kon­­tingenz (p. 519 lin. 312ff): „ista, et sibi similes, ‘prae­de­s­ti­natus potest dam­na­
ri’ non est distinguenda se­cun­­dum compositionem et di­visionem.“ Die no­titia intuitiva selbst
ist kein Pro­­blem. Cf. M. McCord Adams, 1990 in: W. Vos­­sen­­­kuhl und R. Schön­­berger (eds.),
1990 pp. 3–24, p. 22 Anm. 51 und p. 12: „other discussions of scien­ti­fic know­ledge sim­p­ly take
our intuiti­ve cog­ni­­ti­ons of substan­ces for granted.“ Doch Prin­zi­pi­en, die nach SL III-2 c. 10 OP
I p. 523 lin. 31– bis Ende auf vielen no­titiae intui­ti­­vae zu beruhen hätten (cf. Mc Cord Adams
p. 11), wären auf Schlüs­­se in unbekannter An­zahl an­ge­wie­sen, und wo vom sen­sus ab­hän­gig,
der in­divi­dua wahrnimmt, nach ib. lin. 18–21 der sci­en­tia prac­tica (ars) zu­ge­­hörig. Somit nicht
abstrakt und wis­sen­schaft­lich. Ockham muss da auf dem Plan der notitia in­tellectus ipsius
nicht noch Folgerungen wollen kön­nen.
117. Nach J. Miethke, 1990 in: W. Vos­­­sen­kuhl und R. Schönberger (eds), 1990 pp. 305–324
waren Ockhams Schrif­ten un­ter den Scholas­ti­kern weithin bekannt, indes (p. 315) Ockham
„weniger mit seinen Ant­­­wor­ten als mit sei­nen Fragen weiterge­wirkt hat“. Nach Miethke auch
in der Naturphilosophie.
118. Im Ton persönlicher Missbilligung sieht R. Wood, 1990 in: W. Vos­­­sen­kuhl und
R. Schönberger (eds), 1990 pp. 25–50 p. 41 Ockhams Ein­fluss auf sei­ne Zeit­ge­nos­­senschaft auf-
grund von „mis­­­gui­ded ques­ti­ons and ans­wers on de­pen­­den­­­cy, superio­ri­ty and simul­ta­­ni­ty.“
Kei­ner dieser Topoi steht und ‘be­steht’ ohne die ar­gu­men­­tati­ve Auf­­­­lö­sung, worin die funktio-
nelle Qua­li­tät relativ ab­­solut und die doktrinelle beiläufig ist. Als Re­la­­tionen ha­ben diese Topoi
keinen status a se. Die Argumente set­­zen sie ab­strakt und darin eben we­sent­lich nega­tiv. Zur
Wir­­kung Ockhams cf. W. J. Courtenay, 2008. Den Gegensatz zwischen Ockhams Naturphiloso-
phie bzw. Erkennt­nis­­lehre und späterer Naturwissenschaft sieht K. H. Tachau, 1988 begründet
durch Ockhams Verzicht auf die Leh­­re von der ‘species’, die ihr den Realaspekt verkörpert.
Kapitel 13.  Naturgrund und Realerkenntnis 633

die ra­tio (= Argumentati­on) und die Wahr­heit in unmittelbarem Verhältnis zu­einan­


der:119 „quid secundum rei veritatem sit tenendum, sed est quid tene­ret vo­lens prae­
cise inniti ra­ti­oni pos­si­bili pro statu isto, et no­lens aliquam sec­tam vel auctoritatem
recipere.“ Der Ver­stand steht dabei zu­erst gegen prima fa­cie natürli­che Mei­nun­gen
des Men­schen.120 Wenn dann die ra­tio humana ex se die besse­re Ansicht, für die bes­
ser argumentiert werden konnte, ge­won­nen hat, kann die Mei­nung der Hl. Schrift und
der Vä­ter ebenfalls gehalten werden:121 „Ideo di­co ali­ter ad quae­sti­o­nem quod – quid­
quid sit de ve­ri­tate – volens inniti rationi, quantum possibi­le est homini iu­di­ca­re ex
pu­ris natu­ra­libus pro sta­­tu isto, facilius teneret negando omnem talem relationem de
ge­­nere rela­ti­o­nis es­se ali­am rem … quam eius opposi­tum. Quia rati­o­nes difficiliores
sunt ad illam partem quam ad ali­am. Immo et­i­am di­co quod ra­ti­­ones, quae non inni-
tuntur Scrip­tu­rae et dictis Sanc­to­­rum, ad pro­ban­dum talem rem in nullo pe­ni­tus sunt
effi­ca­ces.“ Die so gesi­cherte Ansicht un­­­­­serer ratio ist die Theologie betreffend je­ne,
die die on­to­­lo­gi­sch verfassten Einwän­de als der res und der Er­fah­rung ent­spre­chend
nicht mehr zulässt: darin sah Ockham sei­ne Dif­­fe­­renz zur Scholas­tik; hier­in wa­r sie
Geg­ner. Die theologischen und die natur­phi­lo­sophischen solutiones bleiben da­bei
einan­der gleich.122 Die ideologisch-apologetische Überlagerung verschiedener Mo-
mente, Ziel- und Stützpunkt des Denkens hat Ockham geschichtlich durchbrochen

So schon H. Hermelink, Die theolo­gische Fakultät in Tü­bin­gen vor der Reformation 1477–1534,
1906, p. 97. Danach hat „im Gegensatz zum Ocka­mismus eine skotis­tisch-­realistische Reaktion
durch ontologisch motivierte Hinwendung zu den konkreten Ein­zel­dingen die neuen Anfänge
der realen Wissenschaften und zugleich den Sieg des Humanismus angebahnt.“
119. Ord. d. 30 q. 1 OT IV p. 283 lin. 5–8.
120. Ib. lin. 8–12: der natürliche menschliche Verstand kann die dogmatischen Hauptlehren
des Christentums un­ver­ständlich finden und so ablehnen. Ockhams Argumentation ist dann
keine ‘Apologia contra gentes’, son­dern Explikation der ratio humana nach den Mitteln des Ver-
standes in allen Begriffen, u. a. den ontologischen; sie er­gibt relativ absolute Positionen, keine
unbedingten (‘semantischen’), in Bezug auf die der Begriff der se­manti­schen Wahrheit sinnvoll
untersucht würde. Denn schon der suppositionslogische Elementar­satz, den Ockham für die
Dogmatik gebraucht und unterstellt, wird zur Klärung seines Gehaltes und der Befreiung von
in­ad­ä­quaten Determinationen in Reprobationen überführt, bzw. zur Sistierung solcher Darle-
gungen verwandt, wobei er die Wahr­heit definiert und repräsentiert, nicht aber mit weiterer
Auslegung logisch und inhaltlich geöffnet.
121. Ib. p. 306 lin. 13 – p. 307 lin. 4.
122. Das wird schon in älteren Darstellungen klar: G. Martin, 1949 III. Teil pp. 183–255 und
E. Iserloh, 1956. Mar­­tin gibt Ockham im Ein­zel­nen unvoll­ständig wieder, z. B. wenn er p. 200
Anm. 2 Ord. d. 30 q. 1 OT IV p. 308 lin. 2f zi­tiert (subiectum und ac­ci­dens kommen empirisch
nicht getrennt vor), aber den Zusatz ib. lin. 3f und weiter lin. 4–6 weglässt (wonach sie be­griffl­
ich nicht ineinander überführt werden können). Iserloh p. 189 kriti­siert die Un­voll­ständigkeit,
sieht indessen die Disparatheit rat­los.
634 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

und aufgelöst.123 Die Vereinzelung der Aspekte, die in der Neuzeit die Gesamtsicht
und Selbstbekräftigung des Den­kens als Erkennen bestimmte, war bei seiner metho-
dologischen Differenzierung ausge­schlossen.124 Ockham arbeitet mit der Identität der
Verstandesakte, der Begriffe wie der Sätze und ihrer Typen, und sodann bezüglich
aller mit attributiven Eigenschaften, die kraft seiner Argumentationen so verschoben
und ersetzt werden, dass die Identität der mentalen Größe quasi in Gestalt von Ope-
rationen, aber weder mathematisch (rechnerisch) noch logisch (deduktiv), behandelt
erscheint, wobei der Inhalt (Inhaltsbegriff) der Größe rein formal bleibt. Die Formali-
tät selbst aber kann nie als inhaltlich ausgelegt werden. Das erlaubt unter anderem die
Funktionsbegriffe wie notitia intuitiva, notitia abstractiva, potentia divina absoluta,
ratio, forma, substantia, accidens, suppositum, qualitas, quantitas, species usw. Sie
alle ‘schließen’ nicht für Inhalte und schließen sie nicht ein. Aber eben auch nicht
die Scotische Deduktion. Das Ergebnis der Operationen ist gleichsam unvorhersehbar
(kontingent) und was Wert und Charakter der darin enthaltenen Mentalakte angeht
‘symbolisch’.

123. Zu Duns Sco­tus stellt W. Klu­­xen, 1974 p. 142 fest: „Aber die Wahr­hei­ten, die Gott ‘un­­
fehl­­bar ge­­­lehrt’ und ‘ge­­­­wiss einge­prägt’ hat, sind kei­nes­wegs ge­of­fen­bar­te (nämlich über­­na­tür­­
lich mitgeteil­te), die nur im Glau­ben zu er­­fas­­sen wä­ren. Sie sind viel­­mehr dem mensch­li­chen
Verstand als sol­chem, nämlich als seine na­tür­li­che Grund­aus­­­­stat­tung, von sei­nem Schö­pfer
mit­ge­geben; sie gehö­ren zum „ha­­bi­tus principio­rum“ der Ver­nunft, durch den die­se erst zu
schluss­­­­­­f­olgern­dem Denken be­fä­higt wird.“ ‘Wahr­hei­ten, die Gott „un­­­fehl­bar ge­lehrt“ hat’, kön­­
nen gleich­­wohl durch den Ver­stand erfasst wer­­den und ‘be­fä­higen ihn da­nach „zu schluss­fol­­
gern­dem Den­­­ken“’. Re­geln (in Bezug auf Operationen) und spekula­ti­ve Prin­zi­pien fallen so
ineinander. Ockham differenziert da erheb­lich. Das Deduzieren wird dabei von Ockham be-
züglich einer syllogistischen Durchgängigkeit bestritten.
124. Die neu­zeit­lichen Phi­lo­so­phen samt und sonders ha­ben sich da in star­kem Maße nur
geglaubt. Der Vorgriff auf die reale Geltung ist immer mitgedacht worden und war stets un-
begründbar. Des­­car­tes’ Met­ho­­de und ihrer Ausrichtung setzt ineins immanente Evidenz und
äußere Existenz. Kant meint die auch nur als möglich ge­dach­te Sache müs­se schon ganz mit
der wah­ren nicht nur ge­dach­­­ten über­einstimmen. N. Hart­mann, Einführung in die Phi­­loso­phie
(Vorl. 1949) p. 62 sah das als große Denklei­s­tung. Die Negation des Schlus­­ses aus dem Ge­­­dach­
ten auf das Sein, den Hart­­mann mit Kant verwirft, stellt als Ne­gation eines Schlus­ses bloß eine
Äqui­vo­ka­­ti­on (falla­cia) dar. Die Ne­gation des Schlusses ist nicht mehr als der ‘Schluss’; beide
bleiben un­aufgeklärt Cf. Anm. 11 o. Mai­mon meint, Ver­such über die Trans­zen­­­den­­talphi­lo­sophie,
1790, Ndr. 1965 p. 232, dass wenn zwei Be­­­stim­mun­gen un­fehl­bar in­­ein­­an­der­­grif­fen, sie auch
pro fac­­to angenommen wer­den müss­ten, ähn­­­­­lich setzt er p. 230 für die Über­ein­­­­stim­­mung der
Dif­fe­renz in der Zei­ten­fol­­ge mit der Un­ter­schie­den­heit der Ge­­genstände. Er wertet p. 210 einen
Begriff, der unabhängig in Bezug auf einen zweiten, der selbst ab­­hän­gi­g sei, als analy­tisch,
den abhän­gigen aber als syn­the­tisch. Man vergleiche nur Ockham Prol. Ord. q. 4 OT I pp. 143
lin. 14 – 158 lin. 7 u. v. a. m.
kapitel 14

Widerspruch und accidens

Das accidens bezeichnet auch die Nichtkonstituierbarkeit der Erkenntnis resp. der
Gegenstän­de (res) im Bewusstsein. Ebenso gibt es nach dem accidens keine Konsti-
tuierbarkeit in der Re­­­a­­li­tät. Nähmen wir eine solche Konstituier­bar­keit in der Realität
an, könnten wir sie auch für das Bewusstsein oder den Verstand nicht bestreiten, von
dem wir freilich im Sinn von Ab­straktion und Argumentation nach Ockham allein
auszugehen haben. Dies ermit­­­­telt aber be­­reits die Ar­­gumentation, die sich samt Struk-
tur ergibt und Abso­lut­­heit gewinnt: unterhalb ih­rer gibt es kei­­­ne Be­gründbarkeit, aber
doch noch Zulässiges, das eben nicht ausgeschlossen wer­­den konn­te, weil dafür die ra­
tio­nes fehlen. Wie­wohl wir mit dem accidens die primäre Wahr­­­neh­mung verbinden,
können wir mit ihm nichts kon­stituieren und kein Wahrheits­mo­ment haben. Letzteres
entnehmen wir nicht dem Verstand. Gleichwohl müs­sen wir damit nicht kategorisch
Existenz bestreiten, die also von der Wahrheit zu trennen ist. Wahrheit und Exi­stenz
sind ne­ga­tiv mit dem gegeben, was im Sinne der intensionalen Argumentationsstruk­
tur extensional nicht­ be­streit­bar erscheint. So ist es nicht bestreitbar, dass es die res
(sg. und pl.) extra men­tem gibt. Es gibt (intensio­nal) keine ratio­nes dafür, dass es

. D. Perler, Nikolaus von Autre­court, Brie­fe, 1988 (Einleitung p. XIV) behauptet, ‘die notitia
intuitiva, wenn sie die Existenz alias Prä­senz eine res feststelle (erhebe)’, „zielt also allein auf
den ontologischen Status einer Sache ab.“’ Gerade das ist nicht der Fall und der determierende
Zusatz (‘also allein’) ist erst recht unverständlich.
. Ockham gebraucht als Formel, dass Gott eine notitia intuitiva verursachen könne, ohne
dass das Objekt prä­sent sei, was im rein intensionalen Begriff (ratio) der notitia intuitiva ein­
geschlossen ist. Dass ein nicht existie­ren­­des Ding als existieren­des erkannt werde, bedeutet kei-
nen Widerspruch hinsichtlich der intuitiven Er­kennt­nis; denn es besteht da keine intuitive Er-
kenntnis. So ausdrücklich Quodlibet V, q. 5 OT IX, p. 498 lin. 72–76. Der Wi­­der­spruch ‘existens
non est non-existens’ liegt auf der Stufe un­terhalb der Akte (notitiae). Von ihm aus kann keine
Erkenntnis organi­siert werden. Auch die notitia abstrac­ti­va ist nicht Erkenntnis eines nicht sei-
enden Dings so als wäre es ein seiendes, bzw. kann es nicht sein. Wenn ‘ich’ abstrakt be­haupte ‘a
existiert’, wäh­rend a nicht exis­tiert, ha­be ‘ich’ von dem Widerspruch keine Notiz neh­men müs-
sen. D. Perler, Nikolaus von Autrecourt, Brie­fe, 1988 stellt daher wenig einleuchtend (Einleitung,
p. XV) fest: „Aber auch Gott ver­mag nicht zu bewir­ken, dass ein nicht-existierendes Ding als
existierend erkannt wird, weil eine sol­­­che Erkennt­nis einen Wi­der­spruch bedin­gen würde.“ Sie
wäre gar nicht Er­kennt­­nis. Besagter Wi­derspruch de­finiert gegenüber der Er­kennt­nis als Akt
(Wahrnehmung, notitia) die Ab­sur­di­tät, der gegen­über der Akt nicht wäre. Dass Gott wi­der­
spruchs­hal­­ber an sei­ne Grenze komme, wird nicht ge­sagt. Gott hat mit sol­chem Wider­spruch
nichts zu tun. So antwortet Ockham ib. lin. 65–71 dem Oppo­nen­ten, der den Fall der nicht
636 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

nicht so sei; aber es kann rein ex­ten­sional nicht dagegen oder dafür argu­men­­tiert
werden; denn solche argumenta oder rationes ‘gibt’ es nicht. Wenn das accidens
ex­tensional (im Sinn der Ontologie, die so re­pro­biert wird) nicht in die substantia
eintreten kann, so intensional nicht in die forma. Das ac­cidens steht der primären
Wahrnehmung nahe und den infinitesimalia, in denen Relationen wie motus, inten­
sio usw. realisiert erscheinen, insgesamt der materia. Die forma aber den in­ten­sional
verstan­de­nen Eingriffs- und Ab­wand­lungsmöglichkeiten secundum potentiam divi­
nam absolutam. Die intellektuelle und intellekti­ve Wahr­neh­mung (notitia), die nicht
die sen­su­el­le ist, bezieht sich auf die forma und kann über die empirische Geltung von
Begriffen hin­aus­gehen, wie Ockham für die Theologie zeigt. Auch ein habitus kann
nicht nach dem was dem accidens angehört in Bestimmtheit real sein, wie Ockham
bei seiner Ablehnung des Kon­zepts vom pec­ca­­tum originale geltend macht. Der ha-
bitus würde in einer solchen forma beste­hen oder ihr gleichkommen. Immer ist, was

gegebenen res anführte: „tu po­nis quod sit ab­sens“ gleichsam: ‘Es hilft dir nichts. Dein pro­ble­
ma (= Einwand) „zieht“ nicht’, da (intensional) nicht schlüs­sig.
. Cf. F. Hoffmann, 1941 p. 124: „eine ihrer inneren Natur nach bö­se Handlung kennt Ockham
nicht.“ Sie wird es durch ihre zuletzt zufälligen Referenzen. Ockham sagt Rep. IV q. 10–11 OT
VII p. 226 lin. 3f einge­gan­gen in Ar­­­tikel 9 der Irr­tums­liste: „Igitur peccatum nihil dicitur, quia
omne positivum in eo potest cau­sa­ri sine om­­ni pec­cato.“ Ockham kappt ab­stra­hierend den
un­­geregelten Übergang aus dem akzidentellen na­tu­ra­len Be­­reich zum Sub­­stan­zialen aller Fakto­
ren der Heilsord­nung. So auch Referenzschwankungen, die auch bewirken, dass ein ac­tus nicht
per se meritorius oder de­meritorius ist. Alles übersteigt bei Ockham der Wille; er ist frei, und
gut, wenn man Got­­­­t­es Willen tun will. Folg­lich kann Gott ihn außerhalb des actus selbst de sua
gratia hono­ri­e­ren und ak­zep­tie­ren. So heißt es Ord. d. 17 q. 2 OT III p. 469 lin. 10–12: „bonum
mo­tum vo­­luntatis ex puris naturalibus ­eli­ci­tum pot­est de­us acceptare de gratia sua.“ Das wurde
in den Artikel 1 der Irr­tums­liste aufgenommen. Der Wil­le ist frei (ib. p. 470 lin. 5–7): „vo­lun­tas
potest ex se in actum de­me­ritorium, ergo non includit con­­­tra­dicti­o­nem vo­lun­­ta­­tem in puris
na­tu­ralibus fer­ri in ac­tum meritorium.“ Gott nimmt den actus meritorius, den er selbst aus
frei­en Stücken als sol­chen gesetzt hat, auch noch aus freien Stüc­ken an; er ist nicht als solcher
ver­dienst­lich. F. Hoff­­­mann skan­diert (ib.): „Ock­ham sieht freilich in dieser notwendigen Folge
von Sün­de und Stra­fe, Ge­­rechtig­keit und Lohn eine Be­­einträch­ti­gung der göttlichen Freiheit.“
Gott hat auch beim Auf­bau des or­do salutis frei ge­wählt (Ord. d. 17 q. 3 OT III p. 479 lin. 2f):
„caritas est po­nenda quia De­us sic ordinavit, non ta­men quin pos­sit fa­ce­­­re contrari­um.“ Gott
reicht in den My­thos hinein und löst ihn auf (Rep. IV q. 3 OT VII p. 55 lin. 20f): „Christus
nun­­quam pec­ca­vit, et ta­men fuit pu­ni­tus gra­vis­­sime us­que ad mortem.“ Dem nähert sich der
Mensch an: sein Ver­­dienst vor Gott „be­­steht einzig in dem frei sich ent­schei­denden Wil­­len“
(F. Hoff­mann, p. 144). Gott ist zu nichts verpflich­tet; al­so kann er nicht sündigen. Was er macht,
ist gerecht – ius­tum (ib. lin. 19): „Et ideo eo ip­so quod Deus ali­quid fa­cit, iuste factum est.“ An-
ders G. Leff, Brad­war­d­ine and the Pe­la­gians, 1957 p. 132: „there is no means of saying that God
was good; for by his potentia absoluta He could equally be bad.“ Doch Gott un­ter­steht eben
nicht Bezü­gen, die ei­ne Tat verwerflich machen. Er wird vermöge der potentia absolu­ta ge­ra­de
frei sein. Da der Mensch, an­­ders als Gott, verpflichtet ist, sün­­digt er. Die Sün­­de ruht im actus
nicht im ha­bi­tus; also gibt es keine Erbsün­de. Gott kann den Kon­nex zwi­­schen sündi­gem Akt
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 637

intensional nicht auszuschließen ist, extensional hy­po­thetisch reklamierbar und auch


wie­der vorab für ein er­ken­nendes Subjekt in Richtung auf die Gegen­stands­welt, ja
sogar die Inseität der Dinge. Wir geben ein ex­tre­mes Beispiel: J. Le Goff be­tont den
Scotischen Subjektivismus: „Bei Duns Scotus wird … die psycholo­gi­sche In­­­tu­­ition
zur Erkenntnisgrundlage.“ Weniger subjektivistisch Ockham „ob­iectum moti­vum in­
tel­lec­tus est praecise singula­re.“ Und: „Ens univocum communissimum est pri­mum
ob­­iec­­tum intel­lec­tus … propter pri­­mi­tatem com­mu­ni­tatis, … et tamen ipsummet non
potest mo­vere intellec­tum.“ Ockham hält an der res singula­ris als obiectum pri­mum
in­tellectus auch noch fest, wenn ein Engel sie nicht durch ei­gene no­ti­ti­a in­tu­i­ti­va
wahr­nimmt, son­­dern durch die no­­­titia intuitiva eines anderen Engels, die er er­kennt,
eben­so wie durch das com­ple­xum, das die­ser zuvor mit dem prae­­­dicatum bil­de­te und
das nur diesem singulare zukommt, ebenso den hin­zu­kom­men­den actus assen­ti­endi,
bzw. wenn der En­gel, der die­ res singula­ris in­tui­tiv gese­hen hat, sie im anderen En­gel
verur­sacht: „om­nes il­li ac­tus in angelo loquente cognoscuntur solum per mo­dum
ob­iec­ti.“ Der Mensch, der die res sin­gu­­laris not­wendig zu­erst sinn­lich wahr­­­­­nimmt,
er­kennt sie nicht in ex­tre­­­mer Sin­gu­­larität wie der En­gel, der der no­titia in­tuitiva sen­­­
si­ti­va ent­­ra­­ten muss. Nach Ockham wird Erkenntnis ‘hy­po­the­tisch’ für das Sub­jekt
be­grün­­­det (pos­tu­liert, als kom­pa­ti­bel angesetzt), in­tensional für die Satzelemente aus­
ge­legt und fik­tiv, mangels Gegenargument, also mangels Wider­spruch, ex­ten­sional
unter­stellt.

und habitus de po­ten­tia sua un­­terbinden, dann bleibt der Mensch wider­spruchs­frei ein Sün­der
(Rep. IV q. 10–11 OT VII pp. 192–238). Das Ar­gu­­ment ‘non in­cludit co­n­­tra­­dictio­nem’ ist eine
transzen­dente For­mel wie ‘non est major ratio quod (non)’, ‘non est in­con­ve­ni­ens’, ‘de po­tentia
sua ab­so­luta potest De­us’. Oft saltem de potentia sua absoluta. Gott kann die ewi­ge Ver­damm­­nis
an­ord­­nen, wiewohl der Mensch nicht gesündigt habe (ib. p. 226 lin. 4f): „Et similiter pot­est De­
us aliquem ob­li­­ga­re poe­­­­nam aeter­nam sine omni pec­­cato.“ Die mythische Qualität von Sünde
und Erb­sün­de be­schreibt Ockham un­ter Zitation Bedas des Großen (= Beda Venerebilis) Rep.
IV, q. 10–11 OT VII p. 224 lin. 6–14.
. Das Hochmittelalter, 1965 p. 191.
. Ord. d. 3 q. 8 OT II p. 540 lin. 6f.
. Ib. lin. 14 – p. 541 lin. 1. Der Satz ‘omne ens est motivum intellectus’ gilt. Der Satz ‘Ens
commune ad omnia mo­­ti­va in­tellectus est motivum’ gilt nicht. Er wäre quasi das principium
generalissimum des Duns Scotus.
. Rep. II q. 16 OT V pp. 359–381: Utrum angelus possit loqui intellectualiter alteri angelo.
. Ib. p. 376 lin. 12f et ubi­que in ista quaestione.
. (Aller) Widerspruch wird bei Ockham in Anlehnung an die Empirie bezeichnet, i.e. unter
Verweis auf sie. Doch der Widerspruch als Ausdruck oder Moment der Insuffizienz kann nach
dem empirischen Mittel, das für ihn auftritt, nicht organisiert werden. Er kann und muss dort,
wo der allgemeine Gebrauch der Begriffe in Rede steht, der auch noch bei der consequentia
formalis mitzudenken ist, ausgeschlossen sein. Der funktionelle Ge­brauch des Widerspruchs­
638 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Intensional (abstrakt) dürfen die Begriffe des Elementarsatzes nicht identisch


sein; sie wären sonst ein und der­sel­­be Begriff, und es ergäbe sich der Satz des Typs
‘hoc est hoc’, den Ock­ham ablehnt. Extensional muss die Di­ver­sität der Begriffe ver-
mieden werden, weil sonst die Sache des einen Begriffs in der Sache des anderen
ent­hal­­ten sein müsste, was die ontologische Grundformel ergäbe, die Ockham eben-
falls ablehnt. Sie wäre wi­­der­sprüchlich; sie wäre der Wi­­­­­der­spruch. Die on­­­to­­­logische
Grundposition entspricht für Ockham diesem/‘einem’ Wider­spruch: etwa Ver­schie­­­
denes hätte auch identisch zu sein oder umgekehrt. Analog darf weder der Satz noch
darf et­was was er ent­hält (subiectum, passio) in dessen Sinn überschritten wer­den,
i.e. als intensi­o­nale Einheit per se oder konstitutiv (eben inhaltlich) extensional ge-
wertet werden. Das ‘scire est de propositionibus’. Gewusst werden die Sätze. Da die
extensionale Über­schreitung der in­tensionalen Einheit gleich dem Widerspruch ist,
kann der Widerspruchs­satz nicht zu deren Bestimmung dienen. Alle Akte (z. B. das
subiectum propositionis), die no­ti­tiae (intuitiva et ab­strac­tiva) sind so bestimmt, dass
in ihnen nichts enthalten sei, was sie über­schritte. Damit ‘entsteht’ die re­a­le Erkennt-
nis. Ockhams Nominalismus ist keine Lehre, wo­­rin ‘Erkennt­nis’ über Erfüllung und
entsprechend das Verhältnis der Begriffe zur Empirie (implizit oder gene­tisch expli-
zit) definiert wäre. Den Be­griff (univer­sa­le) als über die Ge­samt­heit der Ge­­­gen­stände,
für die er gelten soll (Extension) de­finiert zu be­zeichnen,10 verkennt, dass Ockham
nirgend­wo die Ab­strak­ti­on als über der Extension er­folgend ausgibt. Abstrakti­on ist
nur wiederum im Sinn der Gel­­­­tung über der Ex­ten­­si­­on auch nicht ausgeschlossen. Gel­
tung ist nie ausge­schlos­­sen. Sie ist nur nicht faktisch in den Strukturen kon­stituitiv,
die Ock­ham definiert bzw. in­duk­tiv (persua­siv). Werden die intensionalen Einheiten
in kausaler An­no­tation überschrit­ten, kehrt sich die Implikation um.11 Dann kom-
men wir aber auch zu einer Er­kenntnis mit prak­ti­scher Kompo­nente. Sie tritt auch
bei einem, so scheint es, doch primär oder aus­schließ­lich the­ologischen Thema wie
der fruitio divinae esentiae in der ewigen Selig­keit auf.12 In­dem es praktischer Na­­tur

prinzips muss sogar als notwendig entfallend angesehen werden, wenn wir nur die Idee des
auto­no­men Erkennens oder Beweisens veranschlagen, z. B. wenn Ockham bestreitet, dass Got­
tes Unizität be­­­­weisbar sei, aber doch auch behauptet, dass sie als These wahrscheinlicher sei
als die gegenteilige. Eben­so wenn die forma nicht akzidentell ausgelegt werden können soll.
Sie bleibt auf ihrer eigenen Ebene ab­strakt und so­­gar der omnipotentia dei supranaturaliter
loquendo affin.
10. So D. Perler, Niko­laus von Autrecourt, Brie­fe, 1988 (Einleitung p. XIVf). NB. p. XI Anm. 14:
‘pu­­bli­­cere vo­­ca­vit’ sollte wohl heißen ‘publice revoca­vit’.
11. Das ist etwa der Fall, wenn für ein beweistaugliches allgemeines Prinzip viele oder unbe-
stimmt viele Einzel­wahrnehmungen, notitiae intutivae erforderlich sein sollen.
12. Nach Ockham kann nur geglaubt werden, dass die fruitio divinae essentiae ein actus qu­
ie­tans sei, al­so völ­lige satisfactio bewirke. Ord. d. 1 q. 4 OT I p. 439 lin. 9–11: „dico quod de
facto ta­lis fruitio (sc. quie­tans) est po­nen­da, sed hoc tantum est creditum et non per ra­­tionem
natura­lem no­tum.“ Die Feststellung zu beweisen dürfte un­mög­­lich sein. Denn wenn wir davon
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 639

ist, macht es klar, wie sehr Ockham von einer realen na­turalen oder na­­tu­ra­listischen
Ba­sis aus operiert (argumentiert), welche die Theologie nicht aus­schließt, aber doch
verlangt (ge­bietet), dass diese aliquomodo für den Verstand bereitet, vom ac­tus ap­
pre­hen­sivus her ver­standen wird: verstanden werden muss. Stets muss mit ei­ner Me-
thode ge­arbeitet werden, die die Autonomie des Menschen zwischen Gott und Na­­tur

ausgingen, dass der usus alicuius obiecti nicht zu einer auf diesen be­grenz­­ten satis­fac­­­tio führen
könne, sondern je über ihn hinaus ziele, sc. eines finis bedürfe und ihn habe, müsste ‘fruitio
dei (vi­sio beatifica) est quietans’ für eine propositio immediata gehalten werden, für die uns die
Erfah­rung fehlt und eben die Erf­ah­rung, dass es diesen Satz als propositio immediata, gebe.
Das ist absurd, ebenso wie es absurd ist, dass ei­­ne cau­sa einer causa bedürfe, damit sie sich auf
ihren effectus beziehen könne. Wir hätten er­­mittelt, dass es hier eine propositio immediata
gebe. Das heißt: der Satz, den wir tatsächlich haben, konnte nicht klas­si­fi­ziert werden, also
weder Erkenntnis sein noch sie mit sich führen. (cf. ähnlich Kap 7 p. 235 mit Anm. 126). Doch
was ist der Satz dann als Credo? Ockham, der es auf ei­nen Unterschied von fides und scientia
nicht be­din­gungslos anlegt und ihn potentiell verwischt, müsste über jeden Satz hinaus ei­nen
Ge­genstand haben. Es könn­te dann Gott identisch mit seiner Existenz nicht ge­ben; kein Satz
spräche mit Not­wen­­­­digkeit von ihm. Er wä­re nicht in einem notwendigen Satz benannt, nach
dem er nach Ockham seiend ge­dacht werden muss (und nicht mehr als nicht seiend gedacht
werden könnte), wenn der Satz exi­s­tiert. Wir über­schritten hier den Rahmen der Philosophie
Ockhams (unserer Interpretation, die damit aber eher bestätigt wird). Fruitio ist notio dif­fi­ci­lis.
Wäh­rend nach Ockham die visio beatifi­ca die Se­li­gen unablässig (perpetuo) ‘beseli­gen’ soll,
wenn­gleich das un­be­weis­­bar sei (es han­delt sich um eine propo­si­tio contingens), soll die fruitio
di­vinae essentiae, die nach Ock­ham um vollkommen zu sein, cog­nitio ein­schließt, nicht die
fruitio personarum et relati­o­­num ein­schlie­­ßen. Bei der cog­­nitio divinae essen­tiae galt es nach
Ockham. In summa: Es gibt den ex­tra­humanen Be­reich, wo die rein hu­ma­­nen Konditionen, die
Ockham ermittelt und stiftet, nicht mehr verfin­gen. Das korro­boriert die In­ter­­pre­­tation. Die
Aus­nah­me bestätigt die Re­gel. Nach Durandus be­zie­ht sich die fru­­­i­tio auf die visio beatifica,
nicht auf Gott. Ockham (ib. p. 439 lin. 13–15): „Est una opi­nio quae po­nit quod im­me­di­atum
ob­iec­­­tum fru­­iti­o­nis non est De­us ip­se sed visio be­­a­­tifi­ca ipsius es­sen­tiae di­vinae.“ Ockham
be­stritt, dass sich hier ein Akt pri­mo auf ei­nen an­­deren von ihm ver­schie­­de­nen Akt richte (ib.
p. 444 lin. 21–24): „Quan­do dici­tur quod fru­i­tio est re­s­pec­tu Dei ha­­bi­ti, di­co quod verum est,
quia De­us est habitus; non tamen est pri­­mo re­spec­tu il­li­us habi­ti­­o­nis nec re­s­pec­­tu ac­­tus quo
ha­­be­­­tur sed res­pec­tu de­i­ta­tis in se.“ Du­ran­dus „indu­ziert“ (ib. p. 440 lin 1f): „quan­­do ali­quis
primo desi­de­­rat do­­mum et pos­tea con­se­qui­tur eam et uti­­tur ea, uti­tur me­di­a­nte in­ha­bitatione
vel ali­quo ta­li“. Die in­habi­ta­tio steht in diffi­zi­lem Ver­halt­nis zur do­mus habita. Ihr fehlen zum
‘sig­n­i­fi­ca­tum to­ta­le’ die Einzel­ak­t­e, vor de­nen sie inhalt­li­­chen Vor­rang be­­sitzt. Denn wir bewoh-
nen (nutzen) ja nicht die domus, wenn wir die Ein­­zelob­jek­te in ihr nut­zen. Da Ockham uti und
frui für äquivalente Begriffe hält und frui kat’exochaen als das uti bezüglich der divina essentia
ansieht, den Begriff frui dabei quasi uneigentlich auch empirisch versteht, muss oder kann er
nicht ge­gen die Analo­gie bei Duran­dus argu­men­tieren, bei dem man an­neh­­men könnte, dass
er lediglich ein womöglich un­ange­mes­­se­nes Beispiel gege­ben habe. Ockham hat die Ana­­­lo­gie
genauso gesetzt. Ockham entscheidet stets von den Be­griffen her, nicht vom Ge­­­genstand aus,
z. B. Gott, der von allen anderen Gegenständen der Welt (die er in­­­des schuf) verschieden ist. Er
setzt den Gegenstand nicht fiktiv ‘in’ den Denkmitteln an.
640 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

oder Welt si­chert, aber doch der immer aktiven Argumentation bedarf. Das wurde
kaum ge­se­hen.13
Ockham wird, wo er die Kausalität veranschlagt, zumal im Bereich der Ver-
standesakte, die zeit­liche und ört­li­che Nachbarschaft, als Unabdingbarkeit auslegen,
gleichwohl aber sie nicht im Sinne der Argumentation als au­to­matische und mecha-
nistische Zwangsläufigkeit beste­hen lassen. Die Argumentation, heißt das, suspen-
diert den Konnex der verschiedenen Ebe­nen und stellt damit die Superiorität und
Autonomie des Verstandes her: für seine Akte sach­lich und für seine diese reflexiv
betreffenden Urteile, in denen sie per Beweis oder Argumen­ta­ti­on kon­­­­struktiv her-
gestellt, aber auch gesondert werden. Man sehe folgendes Beispiel:14 „Tertia con­clusio
est quod nullus actus partis sensitivae est causa immediata pro­xima nec par­tialis nec
totalis ali­cu­ius actus iudicativus ipsius intellectus. Haec conclusio pot­est persua­de­
ri.“ Die per­su­asio ist die Beweisform, mit der die Differenz be­haup­­tet, bewie­sen und

13. H. Blumenberg, 1966 p. 562: „Die Kontingenz der Welt … lag also … auch und vor al­lem in
der Angewiesen­heit jedes Zustandes dieser Wirklichkeit in jedem Augenblick auf transzenden-
te Kausa­li­­tät.“ Das bedeutet Be­stim­mung der Kontin­genz per reduplikationem; nochmals per
reduplikationem wird sie zum Geheimnis Gottes gemacht (p. 124): „Es war nicht gleichgültig,
wel­che der mög­­­­­li­chen Wel­ten Gott ge­­schaf­­f­en hatte; aber da der Mensch dieser Ent­schei­­dung
nicht auf den Grund gehen konnte, muss­te sie gleich­gül­­­­tig ge­macht wer­den.“ Da­raus soll die
Folge-Ge­schich­te, zugleich im Konter, sich ergeben (ib.): „Die Ge­­­­­­setz­­lich­­keit ei­­­ner be­­­lie­bi­gen
Welt – das war die apri­ori­sche, ‘reine’ Na­­tur­wis­senschaft, die mit Kant zu spre­chen, von dem
Be­­griff ei­ner Na­­­tur über­haupt ausging und sich die letz­ten Be­stim­mungen einer un­spe­zifi­schen
Ma­­terie zum Ge­­gen­­stand mach­­­­­­­te.“ Das ist nicht gene­rel­ler oder schärfer als M. Hei­­deg­ger,
1927 p. 10f: „So be­ruht denn auch der positi­ve Er­­trag von Kants Kri­­tik der rei­nen Ver­­nunft
im An­satz zu ei­ner Her­ausar­bei­tung des­sen, was zu einer Natur über­­­­haupt ge­hört, und nicht
in ei­ner ‘The­­o­rie’ der Er­kennt­nis. Seine transzen­den­­tale Lo­gik ist apri­orische Sach­lo­­­gik des
Seins­­gebietes Na­tur.“ Auch hier stiftet petitito principi den ‘Gehalt’. Ist Kant Leib­­­­­­­ni­­­zi­­a­ner?
Leib­niz strebt Ge­­set­ze der ‘Leibniz-Welt’ (H. Scholz) an, die in jeder mög­li­chen Wel­­­t gel­ten.
H. Blu­men­berg, 1986 (b) p. 132 sieht Leibniz nicht im allge­mei­nen „neuzeitlichen Be­grün­dungs­­
wahn“ be­fan­gen. Doch Leibniz wollte in Wahr­heit nichts ohne Metaphysik ma­­chen. Die Idee
material leerer und so ‘ma­­te­­ri­a­ler Me­­­­­­ta­phy­­sik’ belegte die Ohn­­macht, sich gegenüber der ope­­
rational ver­fahrenden Wissen­schaft deu­tend zu be­haup­­­ten. Ist Kant je­doch ali­quo­­mo­­do aus
Ock­ham herleit­bar, muss er auf ihn anwendbar sein; dann ist der Ge­­­schichts­­ver­lauf qua Antino­
mie im Dun­keln. Andere Wel­­­­ten als die un­sere den­kt Ock­­­­ham no­­mi­nell, nicht fak­tisch. Er
schließt sie un­ter Ne­ga­tion un­se­rer ak­tu­­alen Erkennt­nis­be­din­­gungen nach dem Ver­hält­nis von
Be­­­grif­f und Sa­chwelt zunächst nicht aus (cf. auch das Verhältnis for­­ma-mate­ria); er setzt sie
hy­­­po­the­­tisch nach in un­serer Welt inexistenten Erkennt­nis­­mitteln an. Das sind transzenden­te
ter­­­­mi­ni, die nicht con­­cep­tus sind, und an­dere = ‘neue’ conceptus, die Gott nach Ock­hams per-
suasio oder Idee von per­suasio ana­log ei­­nem an­deren or­do mundi in Ersetzung der propo­si­­tio
immedia­ta, die wir haben, mit einer bes­seren Kau­sal­­­er­­kennt­nis be­züg­lich der Welt uns schüfe.
Gott überragt den Men­schen durch seine größere Macht. Dagegen hat der Mensch keine theo­
retischen Mittel. Lehrt Ockham.
14. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 22, lin. 4–15.
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 641

eben ei­gentlich erst hergestellt wird; denn nur sie kann die formellen Schein­gewebe
empi­ri­scher Nach­barschaft und Unabdingbarkeit aufheben. Dass das Empirische per
se keine Be­weis­för­mig­keit oder -af­fi­nität besitze, hat Ockham mehrfach dargestellt,
bzw. variiert. Im zitierten Fall be­sagt der Über­re­dungs­be­weis: Der actus iudicativus
bezieht sich auf einen Satz. Ockham nennt die con­­­clusio syllo­gis­mi. Wenn der Ver-
stand die Prämissen des Syllo­gis­mus kennt, kann er urtei­len, dass die conclusio wahr
sei; er bestätigt sie also. Dabei hat er sich bloß auf Akte be­zogen, die im Verstand
sind. Sie reichen für diesen actus iudi­ca­tivus. Nach dem Öko­no­mieprinzip be­­­­darf es
daher keiner anderen Größen, causae, actus usw. Ockham hat also ei­ne Indukti­on
vollzo­gen, mit der er die Verallgemeinerung vorgenom­men hat. Ein Satz kann nur
im Verstan­de ge­bil­det werden. Es sollte aber gesehen werden, dass Satz wie Begriff
imgainä­re Größen sind. Es gibt nicht über ihren Sinn Operationen. Be­griff und Satz
sind im Verstand vorfind­lich, es gibt nur keinen Sinn, der mit dem Satz iden­tisch und
im Ver­stande real wäre. Sie sind in ihrer ei­­ge­nen Sphäre, worin sie dem ob­iec­tum
ex­tra men­tem zwar verpflichtet sind, jedoch nicht von diesem Sinn em­pfan­gen. Die
Argumen­ta­tionen be­gründen Satz und Be­griff in die­sem un­greifbaren Sinn.15 Jede
Funktion, z. B. die des sub­­­­iectum pro­­po­sitionis mit der ratio sub­iecti wird unabhän-
gig von der Empirie angespro­chen. Auf einen beson­de­­ren Sinn wird nicht rekur­riert:
So wird die ratio sub­iecti (das subiec­tum secundum suam rationem) eben­so wie die
ratio actuum nicht von einem scheinbar zwangs­­läufig für die Begriffe und da­nach Sät-
ze ge­setz­ten ex­­tra­men­ta­len Ge­gen­wert abhän­gen.16 Ockham stellt gerade einmal die
Iden­tität der be­weis­­­be­­­tei­lig­­ten Elemente fest und versteht sie so intensional. Für den
Be­weis, der abstraktiv zu ver­­­ste­hen ist, ist das em­pi­ri­sche Ge­flecht außer Acht zu las-
sen. Das erst macht = ‘ermög­licht’ den Be­­weis, der nach Wesens­art und Be­stim­­mung
in­duktiv ermit­telt wird. D. h. gegen die per se empirische Signifikanz, die negiert
wird. Ockhams Philo­so­phie kann so auch ein ei­gentlich praktischer Charakter be­­­züg­
lich der mentalen Faktoren des Denkens nach diesen selbst zuge­spro­chen werden.17

15. Cf. ib. p. 25 lin. 15 – p. 26 lin. 17.


16. Das nahm W. Chatton an.
17. L. Genicot, Les lignes de faîte du Moyen Âge, ⁶1969 p. 277 sieht Ockham „détourner les
esprits de la spé­cu­la­ti­on vers l’expéri­men­tation et dé­­ga­ger celle-ci du dogmatisme.“ Nach
p. 282 gehört Ockham positiv zu den Geis­tern, welche die Moderne ein­­­­lei­­teten. Erkennt­nis­
skeptizismus spricht er Ockham nicht zu (p. 283): „scep­ti­cis­me? Plus évidemment em­pi­­ris­me.
Puisqu’il con­nait une valeur à la connaissance sensible … Il condam­ne mê­me en un sens tout le
moyen âge et son effort pour s’élever partout à l’universel.“ Ockham reduziert mit Be­zug auf die
Erkenntnis­theo­rie in der Tat allge­mei­ne Maximen, die Reich­weite von Behauptungen, die Gel-
tung von Be­grif­­­fen, Satz­ty­pen usw. Für die Be­­haup­tung p. 283: „Mais aussi il féconde les scien-
ces.“ fehlt, sieht man von Ju­ris­­prudenz und po­litischer The­orie ab, ein ge­die­gener Nachweis,
bei Genicot und überhaupt. Ockham hat scho­las­ti­schen Ge­ne­ralisierungs­ten­­­denzen ober­halb
der empirischen Basis der Begriffe (und der Sätze, die mit der Dif­fe­ren­­zierung von sub­iec­tum
und pas­­sio = cononativum em­pirisch bleiben) widersprochen, aber die de­­­finier­ba­re Er­kenntnis
ober­halb der em­­pi­ri­schen Re­fe­renz gesehen, die gleichwohl nicht negiert, also festge­hal­ten
642 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ein solcher praktischer Charakter er­scheint stets. Sie wird mit der Dis­kon­­tinuität al-
ler Verstan­des- oder Erkenntnisakte unterein­ander bestätigt. Kontinuität ent­spricht
nicht seinem Konzept.18
Ockham sucht keine unbedingte Begriffsform und keine (unbedingte) Sacher-
kenntnis, ja letzt­lich überhaupt keine, wie plausibel ist, wenn er den Begriffen kei-
nen absoluten Wert oder Sinn zuschreibt, so dass sie quasi unumgänglich wären. Die
Begriffe (und die Fakten) sind ent­­­weder gegeben19 und somit unbestreitbar oder sie

wird: denk­ba­­rer­­wei­­se gibt es Er­kennt­­nis erst, wenn unsere empiri­sche Basis modifiziert wird,
dann müssten wir wo­mög­­lich per di­vi­nam po­ten­­ti­am ab­so­lu­tam supranaturaliter lo­quendo
ohne Begriffe denken können. Das wird per persu­a­­si­­o­nem vor­ge­tragen, deren Basis wie immer
die Ne­gation der significatio im empirischen Faktor ist. Ockham wi­der­spricht der Scho­­lastik
(und fügt sich in sie ein) mit ‘Strukturen’, die erkenntnistheoretisch per per­su­a­si­o­nem oder in­
duk­tiv be­grün­det re­­duk­ti­ve All­ge­meingültigkeit besitzen, darin in ihrem Men­ta­lis­mus so­­wohl
empi­risch legi­ti­miert wie ab­strakt (trans­em­pi­­risch) ausgelegt werden.
18. Eine (ununterbrochene) Kette von Beweisen z. B. verteidigt Ockham speziell auch nicht
für die Theologie, cf. Ord. Prol. q. 9 OT I p. 271 lin. 17–19: „(Deus) non tamen est sic primum
subiectum /§ notitia eius in intellec­tu cre­ato §/ quod con­ti­neat virtualiter notitiam omnium
veritatum: nec est subiectum primum cuiuslibet partis the­o­lo­giae“ (denn hier kön­nen Pater,
Filius und Spiritus Sanctus das primum subiectum sein: ib. lin. 19 – p. 272 lin. 3). Das ‘virtua­
li­ter con­­­tinere’ meint, dass Komponenten möglicherweise verbunden sein können, i.e. zu­sam­­
men auf­­treten mö­gen; die Begründung muss a parte rei erfolgen und ist damit noch nicht
gegeben (ge­trennt), etwa wenn subiec­tum und passio de facto kombiniert werden sollen. Ib.
p. 249 lin. 5–14 gibt es den Fall, dass Ock­ham, indem er für die Bestimmung der ratio subiecti
argumentiert und sie in der Identität mit dem sub­iectum (con­clu­sionis scitae sci­­­­entia proprie
dicta) findet, mit ‘virtualiter’ (lin. 9f) eine an sich negative Mög­lich­­keit an­ge­­zeigt hatte: die Ebe­
ne der Be­gründung a parte rei wird direkt abgeschnitten; der Beweis wird in­duk­tiv über ei­ne
noch­mals refle­xiv ne­gierte ‘Möglichkeit’ geführt. Cf. auch Kap. 5: Im Innern Gottes p. 216–220
mit Anmn.
19. Das gilt vorab für die Begriffe, mit denen wir elementare Aussagen bilden, am Ende aber
auch solche wie Gott, für die wir in der Umschreibung einen für sie unumstößlichen Sinn
besitzen: Gott ist omnipotens und om­ni­sciens. Das liegt im Verständnis dieses Namens, den
wir gleichsam, wenn wir ihn nennen, besitzen und als un­se­ren Besitz belegen. Gott ist damit
sogleich in einem notwendigen Satz bezeichnet und in einer propositio im­me­diata, was inso-
fern erstaunlich anmutet, als wir von Ockham angehalten werden, diesen Satztypus als mit der
Erfahrung verbunden anzusehen, so dass wir hier keine abstrakte Erkenntnis haben könnten,
sondern bloß eine em­pirische oder empirisch gestützte, i.e. eine, die auf die notitia intuitiva
angewiesen ist. Der Fall macht aber deutlich, wie wir schon an anderer Stelle darlegten, dass wir
Gott (den Namen) mit seinen Umschreibungen als qua­si em­pirisch verfügbar ansehen dürfen.
Wir müssen nicht erläutern, warum wir zur Idee der Allmacht, All­­wis­senheit etc. gelangten.
Das Faktum und den „Begriff “ Gott im strengen Sinne kennen wir nicht. Hier kön­nen wir
anfügen, dass die Stabilität und wahre Existenz von Begriffen nach der Erfahrung überhaupt
nicht gesi­chert ist; es lassen sich andere, wahrere und eigentliche Begriffe denken, zu denen wir
z. T. schon gelangen, wenn wir in der Theologie mit den Relationsbegriffen unsere empirischen
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 643

werden (beide) durch Argumentation hy­po­thetisch erlangt20 und sind dann abänder-
bar. Im Verhältnis von Abstraktion (alias Ar­gu­men­­­­tation) und fiktiver empirischer
Ausgangsbasis spielen die Problemlösungen Ockhams; sie setzen beide Momente als
Endpunkte miteinander ins Lot und ersetzen, will sagen: erübri­gen so die Folgerung.
Das gilt natürlich auch für diejenigen, die ein Interpret mit mehr oder we­­­niger Recht
ziehen möchte. Dort werden dann auch gelegentlich seine Problemfest­stel­lun­gen, von
ihm entdeckte Aporien etc. negiert oder beseitigt. Sie fallen da nicht ins Gewicht.21
Dabei stellt sich die Frage nach der Wirkung Ockhams im Bereich der Scholastik
und da­rü­ber hinaus; es fragt sich, ob er das Signum und die Sigle des Mittelalters sein

Vorverständnisse verlassen müssen, weil sie un­zureichend erscheinen, i.e. widerspruchsvoll


sich ausnehmen.
20. Das sind die Begriffe, die sich reflexiv auf unsere Akte im Verstand beziehen, wie etwa die
notitiae, actus, ha­bi­t­us, ratio (unius notitiae, subiecti etc.) dann aber auch empirisch (kasual)
begründet werden können. Hier ha­ben wir uns immer bemüht, in besonderem Maße darzu-
legen, wie Einsprüche, als Aufweise vermeintlicher Wi­der­sprüche, die empirische Tatbestände
in Anspruch zu nehmen suchen, mittels der Induktion, der persuasio, nach Formeln wie dem
Ökonomieprinzip, dem Omnipotenzprinzip, u. a. wie ‘non est inconveniens quod (non)’, ‘non
est maior ratio quod (non)’ etc. abgewiesen werden sollen. Das erscheint dann als Wiederho-
lung oder Be­kräf­ti­gung der Abstraktion dieser Begriffe. Sie erscheinen dann als keine egalitär
empirischen Konzepte mehr. Das Empirische in se, wenn es denn gedacht oder akzeptiert wer-
den könnte, würde den Widerspruch ausmachen.
21. U. Eco, Kant e l’ornitorino, 1997 dt. Kant und das Schnabeltier, 2000 p. 303 äußert seine
Verwunderung, dass Ockham Quodl. VII, 8 sage, wir könnten keinen Fin­ger heben, ohne un-
endlich vie­­­le neue Wesenheiten im Uni­­versum zu schaffen, weil dabei die Lagebezeichnung
un­end­lich vieler Wesenheiten sich ­ändere. Das sieht nach pe­titio principii und fallacia aus, aber
ebenso natürlich nach einer Widerlegungs­for­mel. Eher doch sagt Ock­ham, dass ein Begriff und
ent­spre­chend auch die Be­zeich­nung der res nicht von den accidentia abhänge, unter denen wir
sie wahrnehmen. Es wä­re ein Paradox, bei dem wir gar keinen Gegenstand hätten. Die akzi­
den­tel­len Umstände verschmelzen mit den po­tentiellen. Das aber entspricht der Widerlegungs­
po­tenz: das Inzidenz wird insignificant. Cf. dazu auch Rep. II q. 10 OT V p. 212 lin. 14–17: „de
instanti dico quod instans non dicit ali­­quid absolutum distinctum a rebus perma­nen­tibus, quia
si sic, deus non posset conservare aliquem effectum per ali­quod tempus nisi corrumpendo
infinita absoluta. Quod videtur inconveniens satis.“ Auf der Abstrakti­ons­e­be­ne in­­con­­ve­ni­­ens.
Und eben auch Rep. II q. 2 OT V p. 38 lin. 2–14: „relatio … nihil est praeter extre­ma … ali­ter
se­que­­retur quod in motu digiti mei replerem de novo totum universum accidentibus, scilicet
caelum et terram, quia quando moveo digitum, habet digitalium situm quam prius respec-
tu cuiuslibet partis caeli. Igitur si situs es­set re­spectus, essent de novo tot respectus in caelo,
quot sunt partes; et huiusmodi sunt infinitae, igitur etc. Quia non pot­­­­es ponere tantum unum
respectum respectu totius caeli nisi ponas quod respectus sit forma extensa ad ex­ten­­si­onem su­
biecti et ille respectus haberet infinitas partes. Multa sunt alia inconventia contra illam partem.“
An­ders als Eco meint, will Ockham also keine Be­haup­tung aufstellen, sondern inconvenienta
hervorheben.
644 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

kann und im Sin­­n des Faktums war.22 Eine lange und wirkliche Nachwirkung muss
auf dem Rezess dessen be­ru­hen, was ihr im Sinne einer Folgerung als antecedens
dienen könn­te. Derart müssen Er­schei­­nungen abbrechen, um diese Wirkung haben
zu kön­nen.23 Sie werden darin vom con­sequens her bestimmt werden. Die Folgerung
wird zur Um­kehrung der Implikation.
Ockham hat in seinen Problemlösungen einen Kodex. Soweit er ihn noch auszu-
drücken und zu for­mulieren im­stande ist, fasst er seine Zeit und stellt sie unter das
Zelt der Epoche, ja wo­mög­lich al­ler ante­zedenten Epochen, die er mit seiner Epoche
bzw. Zeit zu verschmelzen ver­mag. Er übt danach eine Kritik, in der die Kri­tisierten
womöglich Mo­tive ha­ben, und zwar un­statt­­hafte, irreguläre und irreale ‘Motive’,
während er selbst sei­nem technischen Kodex zufol­ge dieser Frage enthoben ist. Die
Kri­tisierten klären ihr Motiv nicht und sind darum verwor­ren. Ockham muss ihre
denkbaren Motive nicht teilen.24 Wir müssen dabei für Ockham von den wirklichen

22. R. Warning, Ritus, Mythos und geistliches Spiel, in: Poetica 3. Bd. Heft 1–3, 1970 pp. 83–114
will nach H. Blu­menberg, 1966 das ganze Mittelalter mit einer auf Ockhams Nominalismus fo-
kussierten Phi­­­lo­sophiedeutung exploitie­ren. Morality plays und Schauerstücke sol­len sich aus
dem Wi­der­stand gegen An­selms Cur Deus homo mit der auf Gott zentrierten Sa­tis­faktionslehre
ergeben. Es gelte, dass p. 106 „der No­mi­na­lismus die Not­wen­dig­keit der In­­­kar­­na­­ti­on aus der
inne­ren Konsequenz der Schöpfung, nicht aber aus der Erlö­sungsbe­dürf­tig­keit des Men­­schen
ab­lei­­te­te“. Warnings Ver­weis auf op. cit. p. 518ff be­trifft Cu­sa­­nus, der nicht unumwun­den No­mi­
na­­lis­t war – ob hier fragt sich bei Bezug auf Ockham dann nochmal. Blumenbergs unkom­plexe
Sicht Ockhams, die, spärlich belegt und Vor­meinungen verpflichtet, sich durch hyperbolische
Deutung an edito­risch nicht aus­­ge­wie­senen Text­ausrissen auszeichnet, wird emblematisch und
zeugt einen we­nig kunst­sin­nigen Ableger.
23. Nach M. Bloch, La Société Fé­o­da­le, Bd. I, 1939 (ed. 1994 p. 98f) kann eine ver­spä­tete Wir-
kung (Auswir­kung) im Zeichen der Bruchlosigkeit er­schei­­nen. Es gibt dann „non point bri-
sure, certes, mais chan­ge­ment d’o­rienta­ti­on.“ Sie be­steht an der angegebenen Stelle darin, dass
der Feudalzustand nach dem Aufhören der gro­ßen Invasi­o­­nen durch Sarazenen, Ungarn und
Normannen, gemildert werde. Dieses Aufhören der Verwü­stungen bringt die späte Wirkung
hervor. Die Wirkung steht (nach Blochs Ausdruck) „en décalage“ zu ihren ‘Ur­sa­chen’. Die Stelle
zi­tiert J. Le Goff, 1965 p. 14. Nach anderen hören die geistigen und gesellschaftlichen Erschei-
nungen mit dem En­de des 13. Jahr­­hunderts auf das ‘Wirkliche’ zu repräsentieren. Zu einem
weiteren geschichtlichen Fall cf. F. Brau­del, La Méditerranée et le mon­de mé­­di­terranéen à l’épo-
que de Philippe II, 1949: Der Seesieg Juan d’Aus­tri­as bei Lepanto über die Türken „ko­s­te“ die
mittelmeerische Welt ihre geistige Vorrangstellung in Europa. Sie gehe an die Länder nördlich
der Alpen über. F. Niet­z­sche, 1879 II. Bd. Aph. 17 beschreibt große Musik (die Nie­der­länder,
Händel, Mozart, Beethoven, Rossini) im ge­schichtlichen Nachzug gegen die Epochen, denen
sie gei­stig zugeordnet sei: „So möchte denn ein Freund em­­­pfind­samer Gleich­­nisse sagen, jede
wahrhaft be­deu­ten­de Mu­­­sik sei Schwanengesang.“ Ähnlich im Ein­zelfall G. Gould: er bezieht
Bach auf die Hochgotik, wäh­rend die Gotik sich für Nietzsche bei den Nie­der­ländern spie­gelte.
Anders zu Bach hier Th. W. Ador­no, 1993 p. 212.
24. Es ist ohne weiteres zu sehen, dass bei Ockham auch die Ethik dem Kodex, wie er ihn for-
muliert, ange­schmol­­zen wird. Man sehe hier die Suppositionslogik, die er selbst hervorhebt. Sie
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 645

menschlichen oder empirisch be­stimm­ten Be­din­gungen unseres Den­kens aus­ge­hen.


Bei sogenannten analytischen Aussa­gen hin­ge die tat­säch­liche oder wirkli­che Allge­
mein­­heit davon ab, dass die bei­den extrema be­griff­lich und in­haltlich identisch wä­
ren. Also, wie Ockham sagt, ein und derselbe Begriff. Da­mit hät­­ten wir ein­­mal eine
Aus­­sa­ge des Typs ‘hoc est hoc’ und zum anderen zugleich zwei Stu­fen kontami­niert:
die der empiri­schen oder kontingenten Sachaussage und die der allge­mei­­­­nen Aus­­
sage über Begriffe. Sol­che Be­grif­fe gibt es aber für Ockham gar nicht. Wir müss­­ten
ih­ret­wegen in einen trans­zen­den­ten Raum aus­grei­fen und dort statuieren, was nicht
mensch­lich-empirischer Begriff mehr sein bzw. heißen kann. Überhaupt nicht mehr
Begriff. Folglich müs­sen wir mit Ockham für Be­grif­fe immer Definitheit fordern. Bei
Duns Scotus muss gel­ten, dass jeder ge­führ­te Beweis als sol­cher formal und nach sei-
nem Inhalt notwendig sei: nicht mehr nicht als seiend(er) nicht mehr ge­dacht werden
könne, nach­dem er ge­führt worden ist.25 Er muss ihn nach (s)einer Existenz a­lso vor­
aus­set­zen und in actu mit dem Beweis nach dieser ans Licht he­ben. In Ockhams Er­­ör­
terungen erscheint der Beweis zum einen als multipel an­­or­den­­bar und zum anderen
ab­wan­del­bar oder ersetzbar.26 In Summa: der Be­weis selbst ist in al­lem kon­tin­gent.
Es ist die Notwen­dig­keit selbst, die nicht beweisbar ist.27 Das ist in Form und In­halt

delegiert ontologische, mora­li­sche, the­ologische und kirchenrechtliche Fragen an den Verstand


zurück, der selbst hierin nicht mehr der Seele ver­ant­wortlich ist. Entsprechend muss auch die
apologetische Aufgabenstellung geringer werden, die Duns Sco­tus noch frei in sein theoreti-
sches Gebaren und ‘deduktives’ Traktieren übernommen hat.
25. Wie das beim Gegenstand des notwendigen Satzes bei Ockham gilt: wenn der Satz geäu-
ßert worden ist, kann sein Ge­genstand nicht mehr als nicht-seiend angenommen werden. Er
ist damit nicht bewiesen worden, und muss nicht bewiesen werden. Von dieser Ockhamschen
Auffassung des notwendigen Satzes zur Notwen­dig­­­keit des Beweises bei Duns Scotus und gar
der Notwendigkeit zu beweisen, die sich dann durch eine Notwen­dig­keit des erhaltenenen Be-
weises selbst fortsetzt, tritt eine Äquivokation ein. Nach Ockham können wir den notwendi­gen
Satz für einen Beweis verwenden; wir beweisen ihn nicht. Wenn wir aber aus einem notwendi-
gen Satz als Prämisse im Syllogismus eine conclusio erhalten, so ist sie auch notwendig. Aber
sie ist dann nicht not­wen­dig einzig so zu beweisen. Sie ist also einzig de facto so bewiesen. Der
Beweis ist also wahrhaft kontingent. In ihm stimmen wir dem Satz, i.e.der conclusio, zu, die wir
kennen und aus den Begriffen bilden (formare) kön­nen, be­vor wir ihr vermöge und gemäß dem
Beweis (dessen Vollzug) zustimmen (assentire) und sie demgemäß einse­hen (intelligere). Wir
sehen also keine Inhalte in sich ein. Wir sehen kein Faktum in sich ein. Wir operieren ge­mäß
unseren mentalen Gegebenheiten. Für sie modifiziert und definiert Ockham das Operieren. Es
bildet oder vollendet seinen Kodex.
26. Abwandelbarkeit und Ersetzbarkeit werden (intensional) äquivalent. Dh. wir haben nicht
Begriffe als sol­che oder in se. Wir haben sie nicht so, dass sie Entitäten wären oder in jener
Allgemeinheit, die an scholasti­schen Realismus oder Konzeptualismus gemahnte.
27. Sie darf nicht intentionell mitgesetzt werden, wie es bei Duns Scotus geschieht. Sie darf
nicht einmal still­schwei­­­gend unterstellt wer­den. Sie muss explizit ausgeschlossen werden.
Ockham tut das. Es be­deu­tet ein­mal, dass der Definit­heits­begriff unerlässlich ist. Aber auch
646 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

na­tür­lich ein singuläres Er­geb­nis. Es bettet bei Ockham sich in eine Struktur, die sei­
nem Bewei­sen auf der Grenzlinie von Konstruktion und Widerlegung gemäß ist und
dem Be­wei­sen des Duns Scotus28 sowohl recte wie reflexive entgegensetzt wie von der
dürftig pla­­ka­­ti­ven The­sen­bildung des Nikolaus von Autrecourt sich abhebt.29
Um diese Struktur herzustellen bedient Ockham sich in besonderem Maße auch
des Omni­po­­tenzprinzips.30 Die Gegenstellung des Allmachtsprinzips gegen das

jeder Sachverhaltsgedanke, wie er in der Literatur auf­ge­taucht ist, ist improbat. Er müsste sich
eine nicht ermittelbare (nicht untersuchte) Notwendigkeit aus dem Gegen­stand oder aus der
Ver­­fü­gung der konzeptuellen Inhalte borgen. Beides ist ausgeschlossen und begründet bei
Ock­ham die Kon­tin­genz bis in die actus mentales hinein, i.e. die Kontingenz unter ihnen. Letz­
ten Endes be­deu­tet es, dass die Akte, Begriffe, Sätze, Beweise, actus iudicativus, habitus usw.
keine solide Exis­tenz haben.
28. Wir haben dieses hauptsächlich als gemäß einer schlechten, ungeordneten (regelwidrigen)
oder falschen Ab­straktion erfolgend dargestellt und kritisiert. Dabei steht es, wenn man die Sät-
ze einmal als primärsprachliche ele­mentare Ausssagen (von kontingentem empirischem Cha-
rakter) deutet, in der Nähe der fallacia. Man aber auch aus der umgekehrten Richtung sagen, es
könne nicht erwiesen werden, dass die Scotischen Be­wei­se die Realität in se oder die Dingen in
sich tref­fen und betreffen und somit wahr sind oder Wahrheit haben. Ähnlich kann für axioma-
tische Mengen­sy­s­teme nach K. Gödel u. a. nicht die Wahr­heit bzw. Konsistenz bewiesen wer-
den, mithin die ‘Vollständigkeit’, die hinsichtlich der Prädikatenlogik erster Stufe (Pe­a­no-Axio­
me) gilt. Die Glei­chung ‘Wahrheit = Widerspruchsfreiheit’wird man, soll sie als eine elementare
gelten, mit Ockham anfechten. Man hat es dabei auch nicht mit Kalkülen o. ä. zu tun.
29. Auch hier hapert es bei der Interpretation. Z. B.: D. Perler, 1988. p. 78 zitiert den 8. verur-
teilten Artikel des Ni­­kolaus von Autrecourt: „Item dixi epis­to­la secun­da ad Bernardum, quod
de substantia materiali alia ab anima nostra non habemus certitudinem eviden­tiae.“ Der Satz
ist banal bis unverständlich, da ja abstrakte Wahrheiten entweder nicht als empirisch begrün-
dete einge­se­hen wer­den können oder gar nicht existieren. Perler übersetzt p. 79: „Ebenso habe
ich im zweiten Brief an Bernhard ge­sagt, das wir Gewissheit der Evidenz von einer materi­el­­
len Substanz haben, die von unserer See­le verschieden ist.“ Die Kenntnis der Autrecourtschen
Thesen und der Text erweisen das als Fehlübersetzung (non!). Ein Miß­griff offensichtlich auch
beim 17. Artikel, der p. 80 lautet: „Item dixi in epistola predicta, quod nul­la potest esse sim­
pliciter demonstratio, qua existentia tantum demon­stre­tur existentia effectus.“ Perler über­setzt
das p. 81: „Ebenso habe ich im erwähnten Brief gesagt, dass kein Be­weis in uneingeschränkter
Weise be­stehen kann, durch dessen Existenz (Existenz des Beweises?) nur die Exis­tenz der
Wirkung bewiesen wird.“ Bestehen? In unein­ge­schränkter Weise? Autrecourt sagt und meint:
es gibt schlechthin keinen Beweis. Ferner sagt und meint Autre­court: dass Existenz nicht durch
die Exis­tenz einer Wir­kung bewiesen werde. Das stimmt auch mit Artikel 16 überein: „nesci-
mus evidenter, quod in aliqua productione concurrat subiectum.“ Perler über­setzt: productio
(Hervorbringung) als ‘Bewirken’, concurrat (hier dem Sinn nach als causa ‘mitwirken’) als ‘mit­
spielen’ und sub­iec­tum (in Bezeichnung eines Gegenstands bei Ockham we­nigstens als Sub­
stanz verstanden) als ‘Subjekt’. Das mitwirkende ‘Subjekt’ würde den Erkenntniswert tilgen.
30. Das Allmachtsprinzip gehört nominell in die Theologie. Es drückt die Größe Gottes
aus und ge­hört in der Form des praedicatum omnipotens mit Deus als subiectum in eine
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 647

Widerspruchsprinzips führt dazu, dass dieses in operationaler Hinsicht entfällt, in


operativer aber mit empirischen Grundannahmen ersetzt oder kontaminiert werden
kann und dem Omnipotenzprinzip den Wert einer ab­straktiven Funktion verleiht, die
es mit anderen Formeln teilt: ‘non est inconve­ni­­­ens’, ‘non est maior ratio’ etc. Sie alle
fußen auf der Empirie bzw. einer empiri­schen oder für empirisch geltend angenom-
menen Unterstellung; sie alle werden wie das Om­ni­­­­potenz­prin­zip induktiv und per-
suasiv verwandt und haben damit zuerst im Sinne der eingesetzten em­­pi­risch oder für
empirisch geltenden Basis, dann auch im Sinne von Induktion und persua­sio, nichts
mehr mit dem Widerspruchsprinzip zu tun. Es ist ausgelöscht und ersetzt worden.31

propositio immediata. Das ent­spricht aber schon einer Reduktion auf den irdischen Maßstab:
wir ha­­­ben de facto den Namen und Begriff Got­tes und eben da­rin, als unserem Verständnis die-
ses Begriffs entspre­chend, die Vorstellung seiner/der Allmacht oder All­wis­­senheit. Sie definieren
unseren Begriff von Gott. Auch hier steht das Theologische unter dem Prin­zip der con­­se­quentia
formalis, also einer praktisch empiriewertigen Folge oder Verbindung von Begriffen, die für
alles The­o­logische als Regel erhalten bleibt. Wir können für die Aussage keinen Widerspruch
gewinnen. Wenn Ockham das Theologische nur nach Maßgabe der Widerspruchsfreiheit, also
des Widerspruchssatzes gel­ten lassen will, so dass er im Falle des Widerspruchs (i.e. zu irdi-
schen Verhältnissen) den Satz entweder so korri­giert, dass er per ab­stractionem der Empirie
entzogen ist oder auf die fides und die Kirchenlehre verweist, denen er viel­leicht nur pro forma
(im Lippenbekenntnis) Vorrang einräumt, da er ihnen gelegentlich auch seine rationa­len Auf­­
fassun­gen entge­gen­setzt und mit diesen dann eigentlich arbeitet, z. B. in der Frage des peccatum
origi­na­le, das er nicht anerkennt, dann hat er im Empirischen entweder keinen Widerspruch
oder ihn mit dem Em­piri­schen ersetzt oder auch ge­wonnen. Manchmal operiert er nach seinen
grundlegenden erkenntnis­psycho­lo­gi­schen Be­grif­­fen wie ha­bi­­tus, substantia, forma, accidens
für die Erstellung seiner opinio propria.
31. Zugleich bewegen sich die Begriffe damit auf transzendente Komponenten, Geltungen
oder Einbettungen zu. Solche gelten z. B. für habitus. Sie berühren sich mit der Wirkung Got-
tes. Begriffe wie substantia und accidens werden auch in diesem transzendenten Bereich weiter
gebraucht, wenn Ockham die divina essentia und ihre Re­le­­van­zen und Referenzen erörtert,
von den Erkenntnisleistungen der Engel oder der beati spricht. Daneben ver­lie­ren die empiri-
schen Begriffe ihre eigentlich der lex communis (Schöpfung) entsprechende Bedeutung, ins­be­
sondere die Relationsbegriffe und diese besonders in der Theologie, etwa wenn von generatio,
spiratio usw. ge­sprochen wird. Wir verlieren dabei die an der Empirie gewonnenen menschli-
chen ‘Begriffe’ kat’exochaen und bewegen uns auf Ersetzungen zu, die als transzendente, wie sie
einer anderen Schöpfung entsprächen, die Gott hypothetisch tätigen könnte, nur imaginär sein
können. Dass das Widerspruchsprinzip nicht unbedingt ein­gren­zende Kraft besitze, belegen
verschiedene Äußerungen Ockhams: „omnipotens non potest efficere omne illud quod non in-
cludit contradictorium quia non potest efficere deum.“ Gott denken wir zunächst wider­spruchs­
frei. Es gibt keinen Grund dafür zu denken, dass dieses Konzept einen Widerspruch enthalte.
Cf. auch: „non ta­m­en potest aliquem effectum facere sine causa prima.“ Gott ist hier auf sich
selbst verwiesen. Die be­rühm­te For­mel Spinozas ‘nemo contra deum nisi deus ipse’ – s. a. H. v.
Hofmannsthal, Der Turm (nach Calderon!), 1925 I, 2 – hat die­s Pen­dant, dass Gott nicht ex­tra
se schaffen kann. Der Widerspruchssatz geht hier in Inhalten un­ter.
648 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Aber Ockham verbindet mit dem Omnipotenzprinzip weder einen ideologisch in-
haltlichen As­­pekt32 noch Momente der eigentlichen Weltauslegung überhaupt. Weder
wird etwas über Gott gesagt noch über die Verfassung der Welt oder deren Aufhebung
mittels göttlicher Inter­mittenzen, die zudem in jedem Augenblick anstünden, i.e. zu
drohen hätten. Ockham ex­po­­­niert bei seinem funktionellen (funkti­o­na­­len) Gebrauch
des Omnipotenz­prin­zips keine Zwei­­fel und schon gar nicht via Omnipotenz­prinzip.
Eher bezieht er auch dieses in seine be­weis­­the­o­re­­ti­schen Überlegungen ein, die theo-
logisch-philosophischen Grundsätzen hinsicht­lich der Tä­tig­­keit Got­tes in Bezug auf
die Welt zu gelten haben:33 „Non potest ratione natu­ra­li probare con­­tra philosophos
nec quod de­us pos­­sit se solo causare om­ne causabile nec quod im­mediate con­cur­rat
ad causan­dum om­ne causabile.“34 Dass diese Maximen unbeweis­bar sei­­en, be­deu­tet
nicht, dass sie nicht ‘possent persuaderi’:35 „Videtur posse pro­ba­li­ter te­ne­ri quod deus
est cau­sa cuiuslibet ef­fectus et quod potest se so­lo om­nem effectus possibi­lem pro­du­ci
cau­­sa­re“. Kei­ne sol­che Maxime:36 „potest ratio­ne natu­ra­li sufficienter proba­ri.“ Auch
die ge­genteiligen (kon­­tradiktorischen) An­nah­men sind unbe­weis­­­bar.37 Persuasiones
sind so­mit noch möglich, wo Beweise nicht existieren (unmöglich sind). Wollte man
dafür einen Be­weis ver­­langen, so könn­te man antworten: er kann oder muss nicht ge-
geben werden, wo die em­pi­ri­schen Bedin­gun­gen des Beweises einen solchen verhin-
dern:38 „Non pot­est naturali rati­o­ne de­mon­stra­ri quod deus pot­est immedia­te se solo

32. Ockham ermittelt mit Hilfe des Omnipotenzprinzips um das Zentrum des Elementarsatzes
herum Partikularbefunde für die Elemente und Bezugsmomente dieses im Prinzip kontingen-
ten Satzes; er gibt für sie Bestimmungen und trifft darin weder extramentale Realität in se
(Geltung) noch gestaltet er genuin mentale Entitäten. Er schafft kein Weltbild wie Descartes
und Leibniz, insbesondere mit Einschluss von Logik und Naturgesetzen.
33. Ord. d. 43 q. unica OT IV p. 635 lin. 24 – p. 636.
34. Die Mitwirkung Gottes ist, wie hier schon vermutbar ist, ein stehender Grundsatz. Sie gilt
auch bei unseren Er­kennt­nisakten. Cf. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 70 lin. 11–13: „illa est propositio
per se nota ad cuius evidentem notiti­am suf­­ficiunt termini cum generali influentia Dei; potest
tamen Deus hoc impedire.“ So auch bei der notitia intu­i­ti­va (ib. lin. 13–15). Wenn Gott seine
generalis influentia unterbindet, gibt es ein impedimentum. Der Gesamt­text lin. 11–15 weicht
für den W 1495 weit mehr von der Textedition ab, als der Apparat angibt. Zum grund­le­gen­­den
statement s. auch Quaestiones variae q. 5 OT VIII p. 171 lin. 312 dass Gott „in omni actione
concurrit.“
35. Ord. d. 42 q. unica OT IV p. 620 lin. 23 – p. 621 lin. 2.
36. Ib. p. 621 lin. 2–4.
37. Ib. p. 620 lin. 18–21 (mit halber Wendung gegen Aristoteles): „Verumtamen, quaecumque
fuerit intentio Philosophi, dico quod per nullam rationem efficacem vel multum apparentem
potest probari Deum non esse causam immedi­a­te concurrrentem ad producentem omnes ef-
fectus.“
38. Ib. p. 617 lin. 5–9.
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 649

omnem effectum produ­ci­bi­lem producere, quia non potest natu­ra­li ratione demon-
strari quod de­us cau­sat se solo omnia de facto.“39 Item: Der Wider­spruchs­­satz ante-
zediert dem Omnipotenzprinzip, er begrenzt es nicht und hat mit der in der Welt
gelegenen Nichterreichbarkeit Gottes, Nicht-Ableitbarkeit aus ihm zu tun.40
In strukturaler Einbindung bedient sich Ockham auch des Ökonomieprinzips.
Es ist in der Scho­­­lastik vor Ockham bekannt gewesen. Nennt man es mit Hinblick
auf Ockham des­sen ‘Ra­siermesser’, ver­kennt man wohl seine strukturelle Bindung
und Integration bei Ockham. Das zeigt der Ver­gleich mit Duns Scotus. Man wird
mit Duns Scotus streiten können, ob sein Ver­fah­ren wirk­lich Methode heißen kön-
ne. Wo Ockham scheinbar mit ihm gleich­zieht und Ana­­logien auf­weist, liegt hier

39. Gott könn­te der sekun­dä­ren Ursachen be­dür­fen = sie zuvor schon be­­nutzt haben. Wenn
Gott von einem ordo cau­­sarum ab­hin­­ge, so wir von einem ord­o con­cep­tuum; es gäbe dann
einen ordo propositio­num. Wir könn­ten dann u. U. den ordo be­­weisen. Wir wären in einer
Welt, die wir nicht kennen oder haben. Wir könnten das ­ Ge­gen­teil der Sätze, die wir nicht
beweisen können, beweisen, für einen Gott, den wir nicht thematisiert haben. Also ist im Sin­n
von Widerlegung bewiesen, dass wir die Sätze nicht beweisen werden können. Dafür ist in
ei­nem ein in­duk­tiver und ein analytischer Beweis gegeben worden. Über Satzstrukturen muss
nicht gesprochen werden. Ockham tut übrigens gut daran, an jeder Stelle, an der er die potentia
Dei absoluta ‘einführt’ und d. h. ge­braucht, zu betonen, dass was per potentiam Dei absolut-
am geschehen oder angenommen werden könne, natu­ra­li­ter nicht und das heißt nie geschehe.
Naturaliter geschähe es ohnehin nicht; es würde eben auch alle Begriffe äquivokativ machen.
Freilich schreckt Ockham nicht davor zurück, in die Zone einzusteigen, die wir durch die tran-
szendenten Prinzipien und Annahmen in Anspruch nehmen. Es gehören dazu schon die con-
servatio, der ha­bi­tus und eben auch der concursus Dei ad omnem actum et effectum. Mit ihnen
wie mit den transzendenten For­meln sind wir in der Domäne des Beweisens, das aber hier
besonders thematisiert wird, indem sie auf die quasi em­pirische Basis alles Beweisens bezo-
gen, selbst als sowohl unbeweisbar wie notwendig beweiskonform sich dar­­­stellen. Sie könnten
nicht zugleich beweisbar und beweisaffin sein. Doch gilt: wo wir für und nach Ockham den
Rahmen der Welt und damit der weltlich (empirisch) entstandenen und verfügbaren Begriffe
nicht spren­gen dürfen und sollen, tun wir es mit den transzendenten Annahmen und Formeln
beständig und haben es im Sinne der Beweiskonformität und der Grundlegung des Beweisens
doch nicht getan.
40. Dass der Widerspruchssatz dem (Gebrauch des) Omnipotenzprinzip(s) vorausgeht und
es nicht begrenzt, zeigt ein Beispiel: for­ma und materia können nicht universal und individual
sein. Gott kann daher eine forma und eine ma­teria sukzes­siv in allen Individuen neu schaffen.
Dieses Argument widerlegt nicht die Ansicht, dass for­­­ma und materia uni­ver­sal und zugleich
individual seien; sie ist in sich absurd. Gottes Mög­lichkeit per po­ten­ti­am Dei ab­so­lu­­tam kann
auch nicht durch den Wider­spruchss­atz begrenzt sein. Das Allmachtsprinzip wird hier su­pra­na­
tu­ra­­liter lo­quen­­­do ge­braucht. Es de­finiert forma und materia. Wir ge­hen von einer Ab­so­lut­heit
aus, die weder durch die aus ihr her­vor­ge­gan­­gene Welt (Schöpfung) noch durch eine ontolo-
gisch be­stimm­te mensch­­liche Ver­nunft ge­bro­chen wer­den kann. Die inhaltliche Absolutheit ist
nach dem Widerspruchs­prinzip ge­­dacht.
650 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

doch der Unterschied.41 Auch andere scholas­tische Au­to­ren bie­­­ten sich dem Ver-
gleich an. Ein Beispiel ist die consequentia formalis im Ver­­gleich von W. Chat­ton zu
Ockham.42 Immer geht es dem Scholastiker dabei um eine Im­­me­diat­si­che­rung der

41. Die Argumente gegen seine Deduktionen, die Duns Scotus sich selbst macht und dann zu-
rückweist, fallen wie er die Sache handhabt und deklariert, in das accidens. So können sie dem
Substanziellen, das die Deduktion of­fen­­­­kun­dig betreibt, nichts anhaben. So gesehen müssen
seine Argumente auf die Abstraktion, den abstrakten Ge­halt, zielen. Ockhams Argumentieren
ist grundsätzlich in derselben Weise angelegt. Es handelt sich aber nur um ei­ne äußerliche
Ähn­lich­keit, wie auch beim Ökonomieprinzip. Es findet sich bei Duns Scotus ed. Kluxen, 1974
cap. II p. 26f: „hanc generalem (propositionem) propono apud Aristote­lem satis no­­tam: Deci-
ma quinta con­clu­sio: Numquam pluralitas est ponenda sine necessitate.“ Aller­dings be­grün­­­det
Duns Scotus nicht, warum eine plu­ra­litas hier nicht notwendig sei und daher nicht gesetzt
wer­den solle. Duns Scotus macht vielmehr aus dem Man­gel oder Fehlen, das er wie etwas Evi-
dentes behandelt, ohne dass er sa­gen könnte, wie es das ist, eine be­weis­taug­liche Maxime. Das
ist sein Verfahren: „Cum igitur nulla ne­ces­­sitas appa­re­at po­nen­di plures ordines essentia­les
primos quam duos praedictos, illi soli sunt. Haec etiam ge­ne­ra­lis pro­­po­si­tio os­ten­dit tantum
sex ordi­nes es­sen­tiales: Tot ostensi sunt, et ad ponendum alios necessitas non ap­pa­ret.“ Bei
Ockham wird in solchen Fäl­­len ge­zeigt, dass es keinen Ergänzungsbedarf gebe. Der Scotische
Ge­brauch des ge­nannn­ten Grundsatzes folgt seiner De­duktionsweise mit dem Überspung aus
der präsumtiven Er­fah­rung in die für allgemeingültig er­klä­r­te bereinig­te ontologische Annah-
me. In seinem Kommentar, worin er die Scotische Ar­­gumentation er­klä­ren möchte, be­haup­tet
dagegen W. Kluxen ib. p. 158: „Dies Prinzip (Ökonomie­prin­zip) hat wesentlich met­hodi­schen
Charak­ter: Es verlangt, dass jede Annahme begründet ist. Of­fen­sichtlich gibt es damit die erste
Re­gel je­des wissen­schaft­lichen Verfahrens an, und so bedarf es keiner Be­grün­dung.“ Das ist
eine petitio principii und im Übrigen da­­rüber hinaus noch verworren; denn das Ökonomie­
prin­zip bedarf oder be­­­dürfte nicht der Be­grün­dung im Sinne der Fälle, auf die es angewandt
wird. Dass weitere Er­fah­rungen fehlten und eben deshalb die Vollstän­digkeit ge­ge­ben sei, wie
Kluxen ebd. behauptet, ist wieder die pe­titio principii, die Sotische oder die seine.
42. Chatton hat die consequentia formalis zwischen termini in einem Satz (propositio per se
primo modo) an­ge­nom­­men. Cf. W. Chatton ed. J. C. Wey, CSB, 1989. Prol. q. 3 art. 1 p. 148
lin. 89–93: „illa propositio non est per se primo modo dicendi per se quae ad hoc quod sit vera,
non re­qui­rit per consequentiam formalem quod res signi­ficata per praedicatum sit quidditas
vel pars quidditatis rei sig­nificatae per subiectum; sed haec pro­po­si­tio ‘Deus est sapiens’ est
huiusmo­di; igitur etc.“ Chatton setzt derart die consequentia for­malis reduplikative zwei­mal
an, in­ner­halb des Satzes und außerhalb. Chatton will gegen Ockham zeigen, dass der Satz ‘Deus
est sapi­ens’ kei­­ne propositio pri­mo modo per se sei. Ockham hat­te es nicht behauptet. Dessen
Definiti­on dieser Satz­art, die Chatton zitiert und angreift, tut also nichts zur Sache. Implizit
oder explizit tut Chatton so, als ob die pro­positio pri­mo modo per se Wahrheit überhaupt und
den Wahrheitswert schlechthin verkörpere. Er lehnt dann (ib. p. 150 lin. 145–149) Ockhams
suppo­si­ti­ons­lo­gisches Wahrheitsprä­skript als ausreichende Be­din­­gung von Wahr­heit ab und
setzt seine Definition der propo­si­tio primo mo­do per an die Stelle. Die von ihm da­nach (?)
auf­gestellte (ge­brauchte?) consequentia ‘gibt’ es nicht. Er will mit ihr per Evi­denz beweisen (ib.
p. 149 lin. 129–134): „Con­se­quen­ti­am pro­bo … quia si illa propo­si­tio nata esset esse ve­ra quan­
tum ex for­ma conse­quen­tiae illo casu posito, igi­tur defini­tiones ter­minorum non re­qui­runt
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 651

Reali­täts­­haltigkeit seiner Annahmen und Begriffsbildungen, resp. um die appellative


onto­lo­gi­sche Le­gi­timität sei­ner Deduktionen. In der Neuzeit in Misskredit geraten,
werden sie von Ock­­­­ham gar nicht geführt oder so modifiziert, dass ein bestimm-
ter Einwand nicht auf­treten kann, den die Neuzeit machte: die Natur werde dem in
sich verharrenden, gleichsam au­­­tis­­ti­sch den­­­kenden Sub­­jekt immer überlegen sein;
sie könne es wenigstens sein.43 Die Geistes­wis­­sen­­schaft­ler fech­­­ten in der Met­ho­­­­den­
de­bat­te prinzipiell.44 Nur ist allgemein innerhalb der Neu­zeit das Sub­jekt längst durch
Ope­rationalität ersetzt worden. Die operationale Wissen­schaft hatte das Sub­jekt, das
sich nicht mehr einzufangen und zusammenzuhalten wuss­te und darum hartnäckig
ins Spiel ge­bracht ward, für eben dies Subjekt, wenn es sich be­trach­­te­te, schon er­setzt;
es war sein Di­lem­ma, dass es etwas vermöchte, zu dem es selbst doch nichts ver­moch­
te. Wo Opera­ti­o­­nalität war, war es nicht selbst. Die Subjektivität aber wird di­rekt und
indi­rekt, mythisch und mit al­len denkbaren Auxiliarien und anthropologischen Kom­
ple­men­ten emen­diert.45 Man setzt sie prompt in sich selbst, wo man in Bezug auf ihre

per con­sequen­ti­am for­ma­lem quod res sig­nificata per prae­dicatum sit quid­ditas vel pars quid-
ditatis rei signifi­catae per subiec­tum. Et per con­­sequens non est ibi modo perseitas prae­­­di­ca­
tionis quam re­qui­runt definitiones termi­no­rum con­se­quen­tia for­ma­li.“ Nach der zusätzlichen
Be­haup­­tung illo casu positio, sc. (ib. lin. 109) „per contra­dicti­o­nem sa­pi­­­entia di­s­tin­gueretur a
tota quiddi­ta­te Dei“, wenn ‘Deus est sapiens’ nicht, wie Chatton und Ockham anneh­men, bloß
eine propositio contingens (Chat­ton: ‘verum de facto’) wäre, könnte die pro­po­si­tio per se primo
modo innerhalb ihrer selbst auch durch einen Wider­spruch äquivalent der consequen­tia for­
malis be­­zeichnet werden. Es setzt konkret = abstrakt.
43. Francis Bacon, Novum Organum, 1620, Aph. 24: „It cannot be that axioms established by
argumentation can suffice for the discovery of new works, since the subtlety of nature is greater
many times over than the subtlety of argument.“ (s. a. Baconiana Bde. 37–38, 1953 p. 62).
44. H. G. Gadamer, 1960 p. 341 (und passim) ist „der naive Glaube an die Methode“ ver­leidet.
Er tadelt (ebd.): „Es ist die Methode der Sozial­wis­sen­­schaf­ten, wie sie dem Met­ho­den­ge­dan­
ken des 18. Jahrhunderts und seiner Formulierung durch Hume ent­spricht, in Wahrheit ein
der na­turwissen­schaft­lichen Methode nachgearbeitetes Cli­ché.“ Gada­mer will ‘seine’ (wie er
meint näherungsweise „Diltheysche“) Herme­neu­­tik auch von „der psy­cho­logischen Ge­set­zes­
forschung, die sich die Naturforschung zum Vorbild nimmt,“ frei­­halten. Als historisch in den
exakten Wissenschaften die Suche nach der Methode als Standard noch anstand, konnte umge­
kehrt A. Boeckh als Hermeneutiker den Mathematiker C.G. Jacobi stark be­ein­­flussen. Cf. C. G.
Jacobi, Vor­lesun­gen über Analyti­sche Mechanik, 1847/1848, H. Pulte ed., 1996. Dazu s. a. Pul­tes
Ein­lei­tung pp. XVIII–LXVIII und die lau­fen­den Anmerkungen des Ed. zu Jacobi­s Vorlesungs­
text. Die äußerste Disjunk­tion zwischen Geistes- und Natur­wis­­sen­schaft entspricht also viel-
leicht einfach nicht deren Idee.
45. H. Blumenberg, 1960 will via Kant historisch belegte Schwächezustände des Geistes als
Vorgriffe auf Erkenntnis legitimieren. Das bedingt Auslegungen, die argumentativ nichtig sind.
Sachhaltigkeit entfällt. Erkenntnisprogramme, die symbolförmig oder in Metaphern geschrie-
ben werden, sind theoretisch/praktisch uneinlösbar: Einlösung ist da weder logisch qua Im-
plikation noch geschichtlich nach als definit sich erweisenden Begriffen denkbar (möglich).
652 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Lei­stun­gen oder Ema­nationen nichts mehr weiß und über letztere für das Subjekt
nichts mehr be­wei­sen kann.46
Eine solche substanziale Er­kenntnis, die zudem in der anima intellectiva als ei-
ner dabei in se er­kennbaren Substanz statt­zu­finden hätte, gibt es nun bei Ockham
auch nicht. Dabei ver­wen­det Ockham trans­zen­den­te Formeln, die über alle Empirie
hinausragen; er operiert in Rich­tung auf jenseitsweltli­che Erkenntnismöglichkeiten
in anderer Seinsweise oder Subjekt­ver­fas­sung mit anderen Bau­stei­­nen (der terminus
muss hier nicht mehr unser menschlicher concep­tus sein), unabhängig von unseren
Erfahrungen und Erkenntnisbedingungen, ohne dass die Akt­­gleichheit im Rahmen
der Argumentationen angetastet würde.47 Ockham hat aber we­der projektiv die

Der Autor gebot hermeneutisch Aneignung: Vergewisserung und darin unabdingbar Verin-
nerlichung. Id. 1966 forderte eine Bewusstseinsgründung, mit der ein angeblich in Ockham
kulminierender historischer Erkenntnis- und Selbstverzicht abzulegen sein sollte, id. 1979, 1986
noch radikalere humane Revisionen auf mythologischer Basis (‘Prometheus’): nun gegen die
verderbliche Fiktion ‘Gott’, nicht mehr gegen Ockham, der dessen Vexierbild geliefert hatte.
Bewusstseinsrelationen stiften dem heutigen Subjekt die personale Substanz alias Identität
(alias Erkenntnis) und untertunneln Kants Erkenntniskritik. Denn nicht Substantialität des
Verstandes oder der Seele sollte an Leistungen des Verstandes abgelesen werden: die Formen,
worin die Leistungen mit zugleich kriteriologischer Bedeutung sich abspielten, sind periphere
Attribute. s. die Substanzferne (Akzidentalität) der Akte bei Ockham, Quaestiones variae q. 5
OT VIII pp. 155–191. Sie sind per se ‘äußerlich’. Ockham beweist induktiv gegen Scotus, dass der
intellectus in se nicht am Erkenntnisprozess mitwirkt.
46. Den Dialektikern hilft da Dialektik, wie Th. W. Ador­­no, 1966 zeigt. Das Sub­jekt ist qua­si,
nach A. v. Cha­mis­sos Er­zählung (1815), sei es der Peter Schle­mihl, sei es des­sen ‘Schatten’ ge­
wor­den. Schle­mihl ist sein Scha­­t­­ten, der sich nicht wie­der­er­langen lässt. Der Held der No­vel­­­­le
‘tröstet’ sich und wird Wis­sen­schaft­ler (sic!). Er er­reicht nur, vom Teu­fel, der ihm den Schatten
ab­kauf­te (wegnahm) und sei­ne Seele will, nicht mehr belästigt zu werden. Sein treuer Diener
gründet mit Schle­mihls Geld derweil ein ge­mein­­nüt­ziges ‘ka­ri­­tatives’ Werk. In ihm wer­den ge-
wiss Seelen gepflegt. U. a. zuletzt die Schlemihls. Die Disposition ist schon die ganze Erzählung;
das ist im­mer so, aber diesmal wird unmittelbar ohne besonderes Gewand die Disposition
erzählt und symbolisch.
47. Indem aber hier die ‘empirischen’ Erkenntnisbedingungen festgehalten und (zugleich) ne-
giert werden, wird mit den Mitteln, die für Gott (Jenseitswelt) und lex communis objektiv und
subjektiv gleich bleiben, so etwas wie ein beständiger Gottesbeweis geführt. Der Annahme der
Existenz Gottes ist vernünftigerweise nicht zu wi­der­spre­chen. Dabei ist uns die wahre Einsicht
pro statu isto verwehrt. Der Ausgriff auf die Transzendenz, der bei Ockham argumentativ und
inhaltlich quasi zwangsläufig (natürlich) ist, bedingt doch nicht, dass diese Mit­tel, zu denen
die Formeln und inhaltlichen Annahmen zählen, nicht selbst auch halb durchstrichen i.e. ne-
giert wä­­­ren und so halb negiert auf den Menschen ebenso wie relativierend Gott verwiesen.
Sie beinhalten so Gott wenig­stens der Existenz nach, die nicht bestritten werden kann. Diese
Differenzierung tritt bei Ockham über­all auf. cf. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 72 lin. 13 – p. 73 lin. 16.
Sehr hypothetisch nimmt Ockham an, dass der beatus ei­ne Er­kenntnis Gottes haben könnte,
bei der Gott selbst, also eine res, wenn denn, so sagt er, das möglich sei (cf. p. 73 lin. 13f), den
terminus abgebe oder „aliae intentiones animae quas non“ (habemus). Diese Erkenntnis wäre
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 653

Realwertigkeit unseres Erkennens secundum rem (oder nach den Verbin­dun­gen von
Gegenständen unter sich, etwa als Kausalverhältnis) für theoretisch und argumen­ta­
tiv in­tegrabel gehalten noch hat er geglaubt, mit seinen Argumenten die Substanz des
Den­ken­den (der anima intellectiva) als in diesen mitgegeben oder irgendwie enthal-
ten, respektive eigens beweisbar ansetzen zu können. Er geht indes von einem Me-
dium, dem actus apprehen­si­­­vus aus,48 der zunächst auch die Glaubenssätze und die
Kirchenlehre aufnimmt.49 Alle Akte sind akzi­dentell gegenüber dem Verstand und
leiten nicht in die Substanz hinein. Diese kann be­züg­­lich ihrer inhaltlich und argu-
mentativ nicht erreicht und mitgegeben werden. Wir enden bei den Vermögen. Der
Widerspruchssatz aber regiert, was von Ockham insbesondere für die Kirchenlehre
geltend gemacht wird, pro forma und in erster Annäherung den Entscheid über die
Realwertigkeit, Gültigkeit, Wahrheit und Akzeptanz aller Sätze, auch so, dass eine An­
nah­me möglich genannt wird, solange ein Widerspruch noch nicht gefunden wurde.
Ockham sum­­miert aber nicht über diesen noch nicht erfolgten Widerspruchnach-
weisen, um sie (das) in­direkt einen Erweis der Widerspruchsfreiheit generell zu nen-
nen.50 Der Widerspruchs­satz ist aber bei den Operationen Ockhams nicht eigentlich

eine pro­positio per se nota, an der der beatus nicht zweifeln könne. (W 1495 sagt hier Ord.
Prol. q. 1 DDD: forte, was Ed. unerwähnt und praktisch unter den Tisch fallen lässt: Dort heißt
es p. 73 lin. 12f: „quae fo­ret sibi per se no­ta“). Die Aktbestimmungen (notitia intuitiva und ab-
stractiva) werden auch trans­­­zen­­­­dent ge­braucht (übertragen). Der beatus hat aber womöglich
neben seiner notitia intuitiva und propositio per se nota, vielleicht in ihm mögli­chen beson-
deren termini, die uns unverfügbar sind, potentiell noch eine no­ti­tia „ab­strac­ti­va“ von einer
propositio in un­se­­ren conceptus. Hier könnte der beatus aus seiner pro­po­sitio per se no­ta nach
bei­den denkbaren Typen von termini auf unsere Erkenntnis(art) per consequenti­am forma­lem
‘fol­gern’. Wir haben erstere Erkenntnis nicht und kön­nen auch nicht aus der Erkennt­nis ei­nes
anderen Erkenntnis­trä­gers, etwa des be­a­tus, auf die Wahrheit un­se­rer abstraktiven Erkennt-
nis der­sel­ben Wahr­heiten, die der beatus intuitive erkennt, fol­­gern. Das stellt Ock­ham gegen
entsprechende anderslautende The­sen in der ihm eigen­tüm­lichen Form des Be­weisens fest. So
nann­ten Tho­­mas von Aquin und Duns Sco­tus die hö­he­re, uns entzogene Erkennt­nis des bea­tus
den Ge­währ­leis­ter un­se­rer beschränkten Er­kennt­nis in unseren menschlichen Begriffen und
ih­­rer Wahr­heit in unserer no­titia ab­stractiva. Das wäre bereits mit der notitia abstractiva bei
Ockham un­ver­träglich. Da­­rin werden per de­fi­nitionem ge­rade nicht Wahr­heit, Existenz, Prä-
senz erkannt. Die conse­quen­­tia for­malis, die, vor­sichtig anbe­raumt, der be­a­tus voll­zö­ge, würde
auch für ein unabweisbares Zusam­men­ste­hen der Satzglie­der s und P in der Aussage ste­hen.
48. Zur apprehensio als natürliche Wahrnehmung der aus der Erfahrung gebildeten Begriffe
und dann aber auch als danach gebildeter und ‘bewahrter’ Satz cf. Quodlibetum V q. 6 OT IX
p. 501 lin. 20–23: „duplex est appre­hen­sio: una est quae est compositio et divi­sio propositionis
sive formatio, alia est quae est cognitio ipsius com­ple­xi formati sicut cog­nitio albedinis dicitur
eius apprehensio.“
49. In ihm sind actus und notitia im Grunde gleichwertige Begriffe und das gilt wohl gemein-
spätscholastisch.
50. Hier widerspricht er Duns Scotus, wie wir zeigen konnten. Cf. Kap. 4: Fides et scientia.
654 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

mitwirkend; er ist weder explizit noch im­pli­zit darin gegeben.51 Der Widerspruchssatz
übersteigt nicht einmal funktionell die Ebene der Empirie oder jener Annahmen, die
wir immer noch, weningstens dem ontologi­schen Aus­weis nach als empirische ann-
setzen können.52
Wir haben aber ge­se­hen, dass der Widerspruchssatz auf der Ebene der Sachen re-
ell für Opera­ti­­onen nicht zu be­grün­­den ist und dass er in Ockhams Argumentationen
in diesem Sinne ent­fällt, geradezu exreguliert (ausgeschaltet) wird. Ockham ‘ersetzt’
ihn in Be­­­wei­sen und klam­mert in dem Sinn zugleich die Realgeltung, die Empirie und
die Wahr­heit ein. Sein Ergebnis muss natürlich über seine Philoso­phie hinaus gelten,
wenn die­se denn kon­klu­siv sein (können) soll. Sonst wären Konzeptionen denkbar,
die, unter Integrati­on des Wi­der­spruchs­prin­zips, sei­ner Konzeption überlegen wä-
ren oder sie ausschlössen.53 Doch zeigt Ock­ham im Innersten sein Bewusstsein: das

51. Für die sacra theologia wird er ausgeschaltet, indem widersprüchlich unverständliche
Sätze als auf die empiri­schen Bedingugnen unseres Verstehens bezogen für sinnlos erklärt
werden. Sie werden dann etwa durch die dis­tinc­­tio formalis als Modus, der modo composito
angewandt oder verstanden wird, über die empirische Ebene hin­­­­­ausgegehoben und damit zu-
gleich gegen den Widerspruchssatz modalisiert. Am Ende betrifft der Wider­spruch hier unse-
re an der Empirie orientierte Auslegung, welche als ungemäße korrigiert (aufgehoben) wird.
Auch die distinctio ratione hat diese Funktion. Auch sie lässt sich dabei induktiv erreichen oder
begründen.
52. Der Widerspruchssatz ist unangefochten, wenn er nicht eigentlich greift: bei Dingen (Rep.
IV, q. 10–11 OT VII p. 206 lin. 8f) „quae non proprie opponuntur formaliter et intrinsece.“ Die
Gegensätzlichkeit der Din­ge kann da­ge­­gen nur eine aus äußeren Gründen sein (lin. 9–11): „sed
si opponantur (sic!), solum opponuntur per causam extrinse­cam, quo­­mo­do est de culpa et
gratia, quia nihil absolutum in uno repugnat formaliter alicui abso­lu­to in alio“; in diesem Fall
(ib. lin. 12) „so­lum opponuntur ex institutione divina“. Diese oppositio (contradi­c­tio) kann Gott
aufheben (cf. ib. 21f). Wir sind so bei der bis in den ordo salutis hineinreichenden Kontingenz.
In ihr und für sie hat Gott also bedingt Gegen­sätzlichkeit ordiniert. In dieser Kontingenz ‘greift’
allenfalls der Wider­spruchs­­­­­­satz, und er begründet dort nichts. Dabei gilt auch: Das accidens,
das einen Akt betrifft, betrifft ihn nicht in substanzialer Qualität, eine solche muss daher auf
ei­ner hö­he­ren Stufe angesetzt werden, die ihrerseits das ac­ci­dens, den Akt, nicht mehr (be-
)trifft, außer im Sinn von dessen Iden­tität. Die­se besagt dann die Modalität der Aussage auf
der höheren Stufe im Sinn ih­rer nicht extramentalen Identität. Das gilt auch bei der Sünde; der
ha­bi­tus, der dem actus peccati zugeordnet wäre, kann so in der Verfügung Gottes blei­ben, i.e.
ohne den Sünden­akt existieren, der gleichwohl selbst beim Men­schen bestehen, ihm zurechen-
bar bleibt. Der Mensch bleibt so Sün­der, obwohl Gott den habitus, der aus der Sünde erwüchse,
vom actus getrennt hat. Die Sünde selbst hat, auf den akzidentell bestimmten Akt, konzentriert
und beschränkt, keinerkei Nachwirkung; eben auch nicht in Ge­stalt ei­nes habitus. So gibt es
kein peccatum originale. Es müßte über einen habitus bewahrt werden, in einer ex acci­den­­­­te
entstehenden forma seinen Grund haben. Diese forma gibt es nicht und sie entsteht nicht.
53. Das Widerspruchsprinzip soll vielfach auch den Re­albezug von mathematischen Opera-
tionen, Rech­nungs­­ar­ten, physikalischen Konzepten und Hypothe­sen besagen. Be­dingt lässt
sich, wie schon Mathe­ma­ti­ker wie Jacobi (cf. Anm. 44) unterstellten, die Realitäts­hal­tig­keit
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 655

Bewusstsein als Medium kann nicht begründet werden und an die Stel­le muss die
Ope­ra­tion, die Methode treten. Sie muss, da man in sei­ner Zeit nicht das au­­to­no­
me Subjekt den­ken kann, ein Phantasma sein und auf kein Medium ant­wor­­­ten; nur
pro­vi­so­risch steht sie für das was später durch die Methode (Operation) ersetzt wer­­
den wird: das Sub­jekt. Dieses kommt bei diesem Vorlauf nicht zu sich selbst. Das
geistige Pro­­blem der Neu­zeit be­stand nicht im Mittelalter und nicht in der Antike.
Da aber Ockhams charakteristische Art zu den­ken ganz in die Ar­gumentation ein-
geht, muss sie rückgrifflich derart definiert werden, wie da­rin die Elemente dieser
Argumentations­wei­se aufgezeigt und bestimmt werden.
Dabei tritt das Omnipo­tenz­prin­­zip in abstractis an die Stelle des induktiv in den
Gegenständen un­­­tergegangenen Wider­spruchs­prinzips.54 Das Omnipotenzprinzip
muss nach den beiden Aus­­­­le­gungsarten (oder Be­stimmungen: natura­li­ter loquendo
und supranaturaliter loquendo) un­ter­­schieden werden je nach­dem ob das Wi­der­­
spruchs­prinzip durch die distinctio realis er­setzt wird, oder mit dem Aspekt des
Gegenstan­des, in den es eingeht, erlischt. Das ist bei eini­gen the­ologischen Fragen
der Fall, zum Bei­spiel der Frage, ob der viator vermöge des göttli­chen Einschreitens

nicht ganz und gar beweisen. Ent­spre­chend ist der Wi­der­spruchs­­­satz allenfalls ein ontologi-
sches Postulat. Cf. W. Lein­fell­ner, 1967 p. 18: „Die mathe­ma­tischen Aussa­gen werden nach Weyl
als lo­gische Leerformen mög­­licher (Natur-)­Wis­sen­schaften aufgefasst.“ Leinfellner p. 19 zählt
Ockham zu den Em­pi­risten und be­schreibt den reinen Empirismus: „Alle begriff­lich the­o­re­­
ti­schen Aus­sa­gen sollen auf empi­ri­sche redu­ziert wer­den; die empirischen Aussagen müs­sen
an der Erfah­rung prüf­bar sein. In extremen Fällen sol­len theore­tisch be­griff­­liche Aussagen
z. B. mit Hil­fe von Definitionen durch Erfah­rungs­da­ten ersetzt werden. Weitere For­de­run­gen
sind die der Objektivität und Intersubjektivität der Be­ob­ach­­tungs­aus­sa­gen (Wahrneh­mungs­­
aus­sagen, Mess­aus­sagen).“ Ockham kann da der ‘Titel’ „reiner Empi­rist“ ad libitum ge­währt
oder verweigert werden. Die Stich­wör­ter erweisen sich als nicht genügend geschärft, z. B. wenn
der Wi­der­spruchssatz der propositio contin­gens bei­­tritt und darin untergeht. In Ockhams Ar­
gu­men­ta­ti­­on kann dann der Widerspruchssatz erübrigt wer­den, wenn die propositio contingens
unsere elementare Er­kennt­nis secundum le­gem communem und pro statu isto verkör­pert und
(formal und „logisch“) vertritt, dann aber wieder mit der pro­po­sitio contingens zusammen
nicht ange­wandt werden kann, da sie selbst in keinem Sin­ne in Operationen sich fungibilisie-
ren lässt. Cf. z. B. unsere Ana­ly­­se der Ausführungen Ockhams zur höheren Wahr­­scheinlichkeit,
dass nur ein einziger Gott sei, wenngleich die­­se nicht bewiesen werden könne.
54. Ockham ge­braucht die om­ni­po­ten­­tia Dei als trans­zen­den­tes Ar­gument; er setzt sie ein­
schrän­­kend und einge­schränkt (etwa mit sal­tem apostrophiert) ein. Die po­ten­­tia or­­di­­nata ist
der Inbe­griff erfahr­ba­rer Realität und lie­fert nicht unverbrüchliche Begriffszusammenhänge.
In der con­­se­quen­tia fo­r­m­a­lis werden em­pi­rische Begriffe all­­ge­mein­gültig. Das trans­zen­den­te
Ar­gu­ment schmiegt sich der kontin­gen­­ten Welt an und umgeht logische und trans­zenden­tal­­­
ph­i­lo­­so­­phische Re­le­vanz. In der Welt ist deren conservatio zwangs­läu­fig gewährt. Sie koin-
zidiert mit der po­ten­­tia or­­di­­nata; die omnipo­ten­tia stor­niert hypothetisch begriffliche All­ge­
meingültigkeit. Zur Funk­­tion bei Ockham cf. G. Leff, 1957 p. 134. Doch „erniedrigt“ Leff die
in­ten­si­o­nalen values quasi protoscotisch p. 132: „God’s po­tentia ab­so­luta re­fus­ed to exclu­de
contin­gen­cy in the na­me of the con­tin­­gency in God’s will“.
656 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

in der Hos­tie den Leib Chris­ti würde erkennen können.55 Der Rückgriff auf die reine
Wahrheits­er­kenntnis ontologischer Art oder Bestimmung erfolgt nicht.56 Gleich­wohl
fun­­­gieren die ontolo­gischen Begriffe, vor allem substantia, forma und accidens weiter
im Sin­n der sowohl auf die Faktiztitätbasis des Erkennens bezogenen und dadurch
legiti­mier­ten Aus­sa­gen, solutiones usw. als auch im Sinn der Negation eines in die
Realität zu ver­legen­den ei­ge­nen und subjektfremden Seins. Ockham, der es für mög-
lich hält, dass der viator den Leib Christi in der Hostie se­cun­dum om­nipotentiam
divinam (supranaturaliter loquendo) se­hen kön­­ne, (also dies im Sin­ne des in die res
eingesenkten, eingeklammerten negierten Wi­der­­spruchs­prinzips nicht aus­schließt)

55. Da der Widerspruchssatz in den Gegenstand (res) eingeht, kann er nicht aus diesem her-
vorgeholt (und) in Be­zug auf ihn geltend gemacht werden. Da tritt das Omnipotenzprinzip
ein; es übernimmt also in abstractis diese Funk­ti­­on (Rolle). Das ist eine allgemeine Denkfigur
Ockhams. Cf. Rep. IV, q. 7 OT VII p. 135 lin. 7–10: „Non re­pug­nat intel­lec­tui vi­atoris ex na-
tura rei videre corpus Chris­ti in hostia si per­mitteretur, puta, si deus co­a­ge­ret se­­cum.“ Gott
kann se­cun­dum potentiam absolutam „secum“ eine Einsicht schaffen (da das Wider­spruchs­­
prin­zip und die Realer­kennt­nis secundum rem annulliert sind: per potentiam absolutam su­
pranaturaliter loquen­do). Da­für steht die wei­te­re oder eigentliche Legitimation, die ja ganz ab-
strakt bliebe, aus. Sie wird keineswegs qua in­duk­tiver Hypothe­sen­bil­dung gleichsam über diese
hinaus rekla­miert; es wird ja keine Faktizität mittels der po­ten­­tia divina ausge­ge­­ben. Also auch
nicht Faktizität im Namen von Fakt­i­zität durchstrichen. Ockham sagt aus­drücklich, ob­wohl er
doch schon die Allmacht „‘bemühte’“ si per­mitteretur. Tatsächlich auch ist es nicht ge­­stat­tet
(ib.): „Ta­men de fac­to non facit, quia non permittitur“. Näm­lich nach den ge­schaffenen Din­gen
nicht.
56. Dass die Wahrheitserkenntnis per notitiam intuitivam sich allein auf Begriffe bezieht und
notitia incom­ple­xa ist, be­deutet eben auch, dass ontologisch-realistische Annahmen nicht
gelten können = sollen. Die notitia intuiti­va steht im Gegensatz zur on­to­lo­gisch-rea­lis­tischen
Konzeption der Wahrheit, bei der wir die Bestandteile der res ex­tra in se ver­all­ge­mei­nern müs-
sten; wir könnten die propositio oder jeden actus menta­lis nicht als existen­ti­ell von den res
extra distinkt berücksichtigen. Oder das complexum significabile cf. Gregor Ar. In Sent. I d. 2.
q. 1 additiona­lis. Additio 3, A. D. Trapp u. V. Marcolino, eds. 1981 p. 277 lin. 1–8: „Praeterea, aut
pro­po­sitio ali­qua di­ci­tur per se nota quia per se ab intellectu simpliciter apprehensa et hoc non,
quia eti­am tunc ali­qua pro­po­­si­tio fal­­­­sa dici posset per se nota, cum etiam talis per se apprehen-
datur, aut quia per se ip­sam cognos­ci­tur esse ve­ra; et hoc eti­am non potest dici, quia nulla co-
gnoscitur esse vera, nisi quia cognosci­tur sig­ni­ficare esse si­cut est a parte rei, si est affirmativa,
vel significare non esse sicut non est, si est negativa. Et per con­se­quens quaeli­bet est cau­­sa­­li­ter
nota esse vera per aliam notitiam complexam praeter notitias terminorum, non igi­tur per se.“
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 657

lässt uns gleichwohl nicht die Erbsünde ex accidenti ab­so­lu­­­to haben.57 Die materia
tritt in diesen Fällen nicht in Er­schei­­nung. Sie tut es gar nicht.58
Die materia ist die Basis der Operationen, der Erkenntnisse und der Erkennt-
nisbildung im mensch­­­li­chen Verstand, aber sie tritt nicht in deren Form ein; infolge-
dessen müssen die Ope­ra­­tionen so geleitet und so bestimmt sein, dass sie eben einen
Ausdruck des Bezugs auf die materia ausschließen; sie enthalten ihn im Sinne ihrer
Bestimmtheit nicht. Indem die Ope­ra­­ti­onen und Beweis- und Argumentationsgänge
schlechthin so verlaufen, dass dieser Bezug als fak­ti­sches (Einschluss-)Element aus-
scheiden, bzw. in actu operationis umgangen werden kann, gibt es kein Bild der Rea-
lität resp. der darin zu denkenden Bezüge und Verhältnisse, das nicht in der Form der
Argumentation erst synthetisiert worden wäre und anders als an dieser Form allein
auch nicht abgelesen werden kann. Die Argumentation hat analytisch einen bild­li­
chen Charakter (ein Moment des Abbildens) und erst synthetisch den Begriffsstatus
gegenü­ber der Realität und der materia. Das schließt nicht aus, dass diese nicht noch
in einer letzten (oder auch, wenn man will, untersten) Instanz wie in sich seiend aus-
gedrückt werden könnte; näm­lich in der Form einer Operation. Es geschieht in der
consequentia naturalis. Darin wird der Kausalcharakter, den wir praktisch empirisch
in unseren Erkenntnisoperationen nach der Satz- und mentalen Ausdrucksebene
nur mühsam und unsicher erheben und dies eben auch nach dem Wesen von ma-
teria gegenüber der forma, an die sie grenzt und die da gleichsam je un­verzüglich in
sie hineintritt, als eines der Elemente der materia unter sich zugelassen. Auf die­ser

57. Rep. IV, q. 10–11 OT VII p. 195 lin. 9–15: „Quod (peccatum mortale) non dicat aliquid posi-
tivum patet, quia nec substantiam, quia nulla sub­stan­­tia nova remanet in peccante post actum
peccati quam non habuit prius. Nec ali­­­quod accidens absolutum in anima, quia nec speciem
nec passionem nec habitum, quia omnia illa possunt ces­s­a­re et corrumpi, remanente peccato-
re. Nec di­cit pri­­vationem alicuius accidentis absoluti, quia nec privationem gra­­­­tiae, quia talis
potest esse sine culpa.“ Es wird also durch das peccatum mortale in der Seele (ib. p. 197 lin. 6f)
nichts zerstört („cor­­rumpitur“) und nichts aufge­hoben („tollitur“). Das wird von einem actus
peccati hergelei­tet. Der steht für Fak­­t­izität. Daraus lassen sich Allgemeinheitsbegriffe my­thi­
scher Natur eben nicht herleiten.
58. Die materia ist für Ockham einheitlich (was unbeweisbar ist: Rep. II, q. 18 OT V p. 400
lin. 9–11, aber per­su­a­­diert werden kann, was u. a. reprobativ geschieht: ib. lin. 12–19) und we­
sent­lich un­kennt­lich; sie ist in po­ten­tia naturali ad formam und kann mit anderem Materiellem
verfügt wer­den. Sie hat einen ap­pe­titus naturalis ad for­mam (ib. p. 408 lin. 8–12): „materia Caeli
est in potentia contradictio­nis ad omnem for­mam quam non habet, et caret et pri­vatur omni
forma, et appetit omnem formam; et tamen ex omnibus istis non sequitur quod possit cor­­
rumpi per agens naturale sed tantum per Deum.“ Gott kann ei­ne ande­re forma schaf­fen; eine
materia sine for­ma lässt sich nicht denken. Darin müsste nämlich das accidens aus sich for­ma
werden kön­nen, ein ganz und gar un­denk­barer Gedanke. Es ergibt sich aus vielen Beweisen
(Argu­men­­ten) Ockhams, mit denen er im Sin­n eines Ausschlussprinzips, aus ihm aufstei­gend,
die Form­be­stim­­mung seines Be­weisens über­haupt er­reicht.
658 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Unmittelbarkeit beruht die consequentia naturalis; in ihr besteht sie.59 Danach ist sie
schwer zu erschließen;60 sie ist aber zuzulassen, da es ein Konzept des Ausschlusses
dagegen kaum geben könnte: es wäre notwendig zugleich als inneres Moment der
res, als an ihr betei­ligt, an­zu­­setzen. Es wäre ebenso das Gegenteil der Implikation, die
wir auch zulassen = fun­gi­bi­lisieren, ob­gleich nicht im Sinn der Anwendung des Wi-
derspruchsprinzips.61 Wenn da­bei Ock­ham oftmals, scheinbar unvermeidlich, zwei
Auffassungen von ter­mi­ni an­gibt, bzw. ver­schie­dene Operationen mit einer einzigen
Bezeichnung verbindet, die so­­mit dop­­pelt gebraucht sein müsste, wenn er darin Un­
ter­scheidungen oder heterogene As­pek­­te an­zu­bringen scheint, so muss damit doch
für sie eine Vereinigungslinie geben; es gibt dann eine Idee, die sie zu­sam­­menfasst
und enthält. Das gilt natürlich auch für die verschiede­nen (Arten von) conse­quen­tiae,
die Ockham anführt und unterscheidet oder für deren ver­schie­dene Aus­le­­gungen ne­
ben­einander oder nacheinander. Sie alle sind kon­sis­­tent und defi­nie­ren ge­mein­sam
den Be­griff der Notwendigkeit oder die Notwendigkeit, die mit den actus mentales
be­ste­hend, in sie als deren Charakter oder Attribut hineingelegt wer­den kann.62 Aber

59. Cf. unsere Darstellung in Kap. 11: Abstraktion und scholastischer Beweiszweck.
60. (Die) causa kann niemals in der Weise geprägt (profiliert) gedacht werden, dass sie mit die-
sem gedachten oder reellen ‘Erscheinen’ ein Verhältnis von Sätzen abgäbe oder enthielte. Wäre
das der Fall, so müsste die Kausalität nach diesem einen Fall bereits ausreichend begründet und
denkbar die Logik abgeben oder ersetzen können.
61. Ihr Ausdruck ist die consequentia formalis, wenn diese im Grunde kontingente Sätze ver-
binden muss, die nicht auseinander hergeleitet werden können, aber in eben der Weise, dass
sie sich nicht implizieren, nebenein­an­­­­­der stehen und bestehen sollen. Daneben kann sie mit
einem unmittelbaren Verhältnis der Begriffe (zueinan­der) gleichgesetzt werden. Diese beiden
Auffassungen sind, wie man unmittelbar einsieht, nicht absolut ge­trenn­te. Anders L. Baudry,
1958 p. 53f. Wo die media intrinseca direkt die consequentia bestimmen, tun nach Ock­ham
expressis verbis die me­dia ex­trin­­se­ca es indirekt. Cf. W. Kneale & M. Kneale, op. cit. p. 289f. Sie
sind so­­mit nicht ausgeschlossen.
62. Die Notwendigkeit muss in Bestimmungen enthalten sein, am Ende in allen und qua Be-
stimmungen den Ak­ten, den Begriffen in ihren Verhältnis innerhalb der Sätze nach ihrem je-
weiligen Typus usw. so zukommen, dass der actus ‘ist’ was seine Bestimmung aussagt, d. h. dass
was darin ausgedrückt ist, ihn formal (gleichsam ohne Fehl und Einwand, wie nach dem Satz
‘non est alia ratio’) ausmacht. Die Notwendigkeit, die hier für den Nomi­na­lis­mus unentbehrlich
ist und ihn bedingt, ist selbst dadurch bedingt, dass es keine Folgerung inhaltlich und/­o­der for-
mal gibt (= keine ‘existiert’), welche besagte, dass das ‘Gefolgerte’ (consequens) in der Sache des
ante­ce­dens (oder dem antecedens als ‘Sache’) „enthalten“ sei. Der Wille, das auszuschließen,
bedingt (ergibt) den No­minalismus und stellt ihn einheitlich, gleichsam mit der Mesomerie
aller Definitionen, solutiones, Aussagen­ar­ten, consequentiae, Schlüssen usw. her. Er beruht so
auf der Notwendigkeit, die er er­gibt, die für ihn er­langt wer­den kann; er ist bedingt durch die
Negation von consequentiae, die im consequens als Träger ihrer Wahr­heit de­fi­­niert aus dem
antecedens sich zu ergeben hätten. Denn damit würde eine Äqui­va­lenz (Un­un­ter­schie­denheit)
von Aussage und Sache (Realität) gegeben sein, die zuletzt konträr zur De­duk­tion ste­hen muss
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 659

er kann argumentativ nicht daraus hervorgeholt werden und als eine wirkliche Eigen-
schaft der Argumentationen, Sät­ze, Aktbestimmungen, Verhältnisse der Akte usw. in
Erscheinung treten. Sie werden im Sinn der Notwendigkeit von Ockham nicht mehr
ontologisch bestimmt, ausgewiesen und un­ter­legt. Das hat seine Bedeutung auch
für die Sätze der sacra theologia. An ihnen nun macht die Widerlegung der nach
Ockham falschen determinationes fest, welche implizit auch je die Refutation der
zwischen den Aussagenteilen (Begriffen) improbaten Implikation bedeutet.63
Das consequens freilich ist das accidens, das dem antecedens oder der Substanz
nicht per Fol­ge­­­rung oder im Sinn des Folgerungszeichens zugeteilt werden kann.64
Die propositio con­tin­gens aber ist derjenige Satz(typ), in welchem ein accidens vom
subiectum propositonis prä­di­­ziert wird.65 Beweis, wie ihn Ockham zuletzt zulässt, ist,

und sie im Grun­de, wie Ockham letztendlich und an der tiefsten Stelle jeder hier mögli­chen
Erör­te­rung erkun­det und ermittelt, sich erübrigt. Es ist à la fin der große Fehler des Duns
Scotus, dies zu verkennen. Ihn zu er­ken­nen und aus­zu­schei­­­den ist der spiritus rector in Ock-
hams Lösungen, Problemstellungen, Entscheidun­gen.
63. Mit dieser werden dann die ontologischen Vorstellungen abgelehnt, eben auch wieder in
dem Sinn, dass Be­griffe, Grundbegriffe (wie ens etc.) mit ‘allen’ anderen verknüpft sein könnten
und so Ideen von Gesamtkomple­xen der scientia ergäben bzw. zu legitimieren wären. Zugleich
zeigt Ockham in besonderen repro­ba­tiones, dass solche Begriffe wie forma, causa etc. nicht der
‘res’ in se kommuniziert werden können.
64. Indem es das antecedens derart nicht gibt, gibt es die Substanz nicht, die es ausdrücken
könnte, und es gibt die Substanz insoweit nicht, als wir für sie eine Folge fordern möchten, die
über einen ganzen Beweis sich ausdeh­nen und erstrecken könnte. Es gibt freilich die substantia
als subiectum oder res bzw. als mit diesen begrifflich sy­nonym. Sodann die consequentiae, die
Ockham um diesen ‘Mangel’ her­um, definiert, ske­let­tiert o. ä.
65. Das erhellt schon aus dem Gegensatz zur propositio necessaria oder propositio per se Ord.
Prol. q. 6, OT I p. 178 lin. 2–12, wo es gleich einleitend heißt (lin. 2f.): „dico quod omnis propo-
sitio necessaria est per se primo mo­­­­do vel secundo.“ Davon unterschieden akzentuiert werden
(lin. 4f) die „propositiones necessarias per accidens“, die so heißen, weil (lin. 6f) „contingens
fuit quod essent necessariae, nec semper fuerunt necessariae.“ Aber (lin. 6–12): „Omnis alia
propositio necessaria potest evidenter nota, et per consequens est aliquis habitus veridicus re-
spectu cuius­libet propositionis simpliciter necessariae. Sed nullus talis habitus respectu neces-
sarii est nisi respectu pro­po­­sitionis per se, quia tam principium quam conclusio est per se.“
Bei der ‘propositio per se secundo modo’ be­sagt die passio ein proprium des subiectum, wie
creativus, risibilis, beatificabilis; das praedi­ca­tum der ‘propositio per se primo modo’ besagt nur
nichts, was nicht ganz in die res = subiec­tum fällt. (cf. ib. p. 180 lin. 3–14). Bei der propositio
per se primo modo haben die subiecta keine suppositio personalis, sondern suppositio sim­plex,
wenn die „passiones supponunt simpliciter“ (Ord. d. 3 q. 8 OT II p. 534 lin. 7–9). Die Unter­
schei­­dung dieser bei­den propositiones per se diskutiert L. Baudry, 1958 pp. 197–199 mit dem
Fazit, Ockham sei in seinen Auf­fas­sun­gen schwan­kend oder unklar. Die Diskussion berück-
sichtigt anscheinend nicht die zuletzt er­wähn­te Stelle und ist ohne das induktive Funda­ment
in Ockhams Erörterungen, bei denen Unterschei­dungen wieder auf­ge­ho­ben, ver­mischt oder
verwisch­t erscheinen, solange nicht bedacht wird: es wird ex facto rei quasi operiert, wo­bei
660 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

weil er denn immer in actu ge­führt werden kön­­nen soll und der­art nicht vorherseh-
bar sein darf, obwohl es eine Struktur für ihn gibt, bei der die Substanz regulär nicht
in den Be­­­weis und die Ordnung der Prädikate, sie be­­stim­mend und in ihr wieder
aufgenommen, hin ausgedehnt er­schei­­nen darf, ist Beweis, bei dem sicht­bar das con-
sequens oder die conclusio nicht mehr als propositio contin­gens de­kla­riert wer­den
muss. Es kann keine Rede davon sein, dass darüber beweistechnisch oder einfach
nur ir­re­gu­­lär ingeniös beweisend irgendwie hinweggegangen werden könnte.Wo es ge­
schieht, entschei­det die Ontologie über das Er­ken­nen und ordnet sich den Beweis un-
ter; sie ent­­schei­det vor­greif­­lich über ihn mit, und der Beweis kann da­nach in actu gar
nicht als gültig und au­to­nom, die Po­sition des Subjekts stärkend, anerkannt werden.
Be­weis be­­deutet (‘ent­hält’) Not­­­­­­wen­digkeit, die ‘über’ der Kontingenz erworben, i.e.
definiert werden konn­te.66 Ockham hat, an­ders gesprochen, Beweis an die Stelle der
ontologischen Ex­pli­kation ge­setzt, die für den Be­­weis zu stehen, ihn mit zu umfassen,
aber eben auch zu er­drüc­ken hätte.67 Notwen­dig­­keit, wie Ockham diese meint (zu-
lässt), ist eine solche, die mit Akten kon­struk­tiv und per de­fi­nitiones gegeben ist, und
sich über Bedingungen der Kon­tin­genz erhebt, die sie zu wi­de­rle­gen gemacht wären.
Das gilt für Strukturbestimmungen wie für in­haltliche Aus­sa­­gen; bei­de werden darin
einander konform und treten füreian­ander ein. Strukturbestim­mun­gen lau­­ten Maxi-
men gleich, die nicht mehr ontologischer Natur sein kön­nen.68 Das be­deu­tet auch,
dass al­le Exegesen unzulänglich (inde­finit) sind, bei denen le­dig­lich festgestellt wird,
welche un­ab­ding­bar für die Erkenntnis und deren immanentes (hier gar natürliches)
Selbstverständnis ge­bo­tenen Maximen Ockham nicht mehr anerkenne, was er in der
On­to­­logie für falsch, re­pro­bier­­bar oder unbe­weis­bar halte, wie er unzureichend von
der Kausa­li­tät denke, wie­­­weit er (wo­­möglich ohne die ‘letzte’ erforderliche Klarheit)
doch noch an sie glau­be. Denn außer­halb sei­ner Technik, in der grundsätzlich für
das Kon­­tin­gen­te als Trä­ger oder Em­pfän­ger einer ihm aufgeprägten Notwendigkeit
(alias On­tologie!) kein Platz ist, während bis dato scholastisch im­­­­­­­mer, sei es offen
oder geheim, sei es schein­bar argumen­ta­tiv oder vor­ar­gumentativ, die On­to­­lo­gie die

der in­gres­­­sus in rem nicht per conse­quentiam gilt, sondern mit einem negierten consequens
koinzidiert.
66. Das hat ähnlich bereits P. Vignaux gesehen, indes auf einen Satztypus beschränkt, dessen
beweislogische Inte­gra­­tion da­bei offen ist. Cf. Kap. 4: Fides et scientia.
67. Dabei erscheinen eben oft auch persuasiones, wo sonst die ontologische Explikation für
beweiswertig oder gar be­weisentscheidend, also wieder vorgreiflich (und für den Beweis mit)
entscheidend gehalten warden konn­te.
68. Ontologische Maximen und solche verwandter Art (etwa die Kausalität betreffend) erwei-
sen sich als nicht be­weis­tauglich, da sie sich konditional als unzutreffend erweisen können, also
nicht allgemein gelten: i.e. in gewissen Fäl­len nicht, die u. U. eigens expliziert werden können
und dabei wieder auf eine besondere inten­sionale Struktur ver­­weisen, mit der das Erkennen
differenziert und meis­tens eben eingeschränkt werden muss.
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 661

Option bestimmte, wäre für Ockham nicht ein­­mal der sprach­liche ‘Gegenstand’ oder
Problemvorwurf erklärt.
Wo Ockham dies zur Sprache bringt, schließt er in der Form seiner Auslegun­gen
in einer er­s­ten Hin­­sicht Normen und Maximen aus, die für den Satz ‘Wort für Wort’
die Pro­jek­ti­on in die Re­a­li­tät besagen müssten, in einer zweiten dann, dass die re­fle­
xiven Begriffe (die in Er­kennt­nis- und Beweislehre anfallen) letztgültig ­definierbar
erschienen. Das ist un­ver­­meid­lich, da sie am Ende ihren hypothetischen Stellenwert
durch persuasiones erhalten. Nimmt man die zwei­­te Hinsicht vor, so hat Ockham
da be­reits seine Kritik an der Onto­lo­gie geübt, die na­tür­lich insoweit nicht aufge­ho­
ben wer­den kann oder soll, als sie in feste Ar­gu­menta­ti­ons­for­men eingeht. Es gibt
dane­ben eine bedingte Erfahrung bei der Auslegung von Sät­zen (u. a. Ma­­xi­men, die
sich wie­der auf Sätze beziehen können) nach den ontologischen Grund­begrif­fen, die
Ockham vor­wie­gend reprobativ verwen­det (forma, substantia, acci­dens),69 es gibt
Argumen­ta­­ti­­­o­nen se­cun­­dum rationem für alle Akte (das Satzsubjekt ebenso­wohl
wie die notit­ae, die eben­­­­so­wohl Ak­­­te sind), es gibt die Suche nach der intensionalen
Iden­ti­tät der Akte in­­ner­halb ih­­­rer Ver­hält­nis­se zueinander, wo sie zu­sam­men auf-
treten; es gibt aber keine kon­jun­­giert-kom­­plexe Kon­stellation des Aspekts letzt­lich
vielleicht un­gül­tiger bzw. ersetzbarer Hy­po­the­sen mit dem der Negation des ontologi­
schen Realismus, wie sie in der neuzeitli­chen Wis­sen­schaft mit der Kon­­­junktion von
Auslas­sung ontologi­scher Funda­men­te der Erkenntnis und ex­pe­­rimenteller (empirie-
gestützter) Hy­po­the­senbildung etwa vor­liegt. Hier ist zu betonen, dass Ock­ham nicht
Realwissenschaft treibt, auch nicht in der Psy­cho­logie, Erkenntnispsy­cho­lo­gie, Religi­
ons­lehre usw., wo er indes auf Erfahrungen verweist, die insofern im Argu­men­­ta­ti­
ons­gang für unumstößlich angenom­men werden, also in der Bin­dung an diesen.70 Er
ver­zich­tet, wo er auf die Ontologie verzichtet hat, letztendlich auch auf die Garantie
für seine Be­­griffs­­­ver­­­­wen­dun­­gen und Hypothesen. Er sieht sie, wie er das Omni­po­
tenzprinzip verwen­det, als trans­zen­dent ersetzbar an, aber auch als weiterhin empi­
risch le­gitimierungsbe­dürf­­tig.71 Es gibt so ei­ne innere Problematik des Begriffsstatus

69. Beziehen sich die Maximen als explikative Aussagen auf Sätze, so erfolgt die Widerlegung
anhand dieser Sät­ze, eng auf sie bezogen, so dass der ontologische Begriff hier zugleich als in
mente unumstößlich erscheint. Hier be­tont Ockham, dass wir sie anwenden können. Siehe
Kap. 9 zur Anwendung von species.
70. Die Tatsachen, Relationen, werden nicht pro se deduziert oder bedingungsweise ermittelt
bzw. postu­liert. Sie erscheinen eben eher in instantiae und reprobationen, also in der Bestrei-
tung fixer Bedingungsverhältnisse.
71. Sie werden unter Verwendung des Omnipotenzprinzips ebenso gesetzt wie nochmals für
ersetzbar gehalten. Sie sind al­so bereits negierte, wo sie eingeführt werden. Damit entbehren
sie dann des empirischen Korrelats. Der Über­gang von der ‘potentia divina absoluta naturaliter
loquendo’zu der ‘potentia divina absoluta suprana­tu­raliter lo­quendo’ entspricht diesem nega-
tiven Akzent. Hier können auch die theologischen Aussagen zur Trini­tät hypo­the­­tisch anver-
wandelt werden und zwar dem Widerspruchssatz fernstehend. Die beiden Modifikationen des
Omnipotenzprinzips treten nicht füreinander ein, so dass der Primat oder die Autonomie bei
662 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

an der Grenze zur Argumen­ta­ti­­on. Solche innere Pro­­­blematik begründet in Wahrheit


die Induktion.72 Die In­duktion si­chert im­pli­zit den Auf­stieg zu Gott, der förmlich,
nicht faktisch im Gegensatz zur Welt steht. Die In­­­dukti­on, die auch die Naturwis-
senschaft benutzt,73 ruht bei Ockham auf der Un­er­kenn­barkeit der Welt (nach der res
singularis) und auf der Fragilität der Er­kennt­nis­mit­tel in sich.74
Für die Sätze, seien es contingentia oder necessariae, gilt, dass sie nicht in einem
oder wegen ei­nes ihnen äußeren Bezugs ex parte rei ‘wahr’ heißen können. Sie kön-
nen nicht wahr sein be­­­vor sie geäußert wurden. Es hat keine Wahrheit außerhalb
ihrer in sich zu existieren. Wahr­­heit existiert nicht als etwas anderes außerhalb der
Sätze für sich. Die Begriffe, aus de­nen die Sät­ze gebildet werden, müssen dann als
positive im menschlichen Verstande gegeben sein; sie müs­sen so angesehen werden,
dass wir sie nach un­seren Möglichkeiten als secundum legem communem mögliche
zu betrachten haben. Sie ge­hören per definitionem keinem ande­ren Ver­stan­de an als
dem menschlichen. Über ihre Rele­vanz (ihre Gegenwerte) in einem an­de­ren als dem
(mithin dem durch die lex communis gege­be­­nen) Betrachte, bzw. dem Men­schen pro
sta­­tu isto (i.e. als viator) kann nichts gesagt wer­den. Auch die Heilswahrheiten (i.e.
propo­siti­ones necessariae ad salutem) begrenzen sich so: es gibt das Heil in einem
anderen Sinne, der unserer Verfasstheit nach der Schöpfung noch kom­parabel wäre,
nicht; es gibt das Heil nur insoweit wir es definieren und einsehen kön­nen, wenn
wir die Sätze, mit denen es aus­ge­sprochen wird und für die wir demgemäß so­gar
ver­antwortlich sind, nach den appro­bier­ten Mög­lichkeiten unserer Vernunft bilden.
Für das Heil in statu proprio wäre die Exis­tenz nicht definiert. Er könnte nicht sinn-
voll oder kon­­­sis­­tent in unseren Existenzbegriff einbe­zogen sein. Es gibt die Existenz
der Sätze, ne­­ces­­sa­­ria und contingentia; von letzteren gibt es nach Ock­­ham in der

den verwende­ten Be­griffen wie notitia intuitiva, notitia abstractiva usw. usf. liegt, die auch zu-
nächst einmal für empirisch aus­ge­wiesen gehalten werden. Die beiden Modifikationen haben
zueinander zuletzt dasselbe Verhältnis wie in der Mo­­dallogik der Gebrauch des Modus modo
composito und modo diviso. Kraft der ‘potentia divina absoluta su­pra­na­tu­raliter lo­quendo’ be-
ziehen wir uns auf Begriffe, die quasi keine mehr sind. Wir bleiben nicht mehr bei der Nähe
Gottes zur Welt, sofern sie noch als natürliche gedacht werden kann, wie bei der conservatio, be­
tref­fend den habi­tus und die notitia intuitiva, die von Gott konserviert werden muss, wenn sie
auch zur Erkenntnis der Nicht­exis­tenz oder Nichtpräsenz der Gegenstände dienen soll. Aber
dies ist eine Modifikation: wir steigen in Gott hinein und kennen ihn doch nicht.
72. Denn hier geht es nicht mehr um Begriffsinhalt oder Begriffssinn, sondern um Begriffsge­
brauch. Wo der Be­griffssinn ontologisch nicht mehr begründet werden kann, ist der Begriffs-
gebrauch, wie für den Inhalt und wo­mög­lich aus ihm begründbar, gänzlich hypothetisch. Er ist
aliquomodo provisorisch.
73. Und anders die Mathematik nach dem V. Peano-Axiom usw.
74. Wie es bei Ch. S. Peirce der Fall ist, dessen Pragmatismus in beiden Aspekten begründet
ist.
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 663

The­ologie vie­le. Aus ih­nen ist das Heil nullomodo abzulei­ten.75 Gott kann es ei­nem
Menschen trotz aller merita, die er sich er­­­worben haben mag, verweigern und er kann
es ihm ohne Verdienst gewähren.76 Dabei wer­den von Ockham die Relationsbegrif­fe,
die im or­do salutis auftreten, ‘sachlich’ als absoluta behandelt, d. h. wie gegenständlich
zu den­ken. Da­mit werden sie als durch die distinctio realis getrennt (unterschieden)
zu denken sein und eben auch von Gott per suam omnipotentiam ge­trennt gehalten
und verfügt werden kön­nen.77 Wie die Begriffe (Faktoren) der Heils­ord­nung, quasi

75. Dabei sind die Sätze, die uns des Heils versichern, eben auch unbeweisbare kontingente
Sätze: ‘anima est be­a­ti­ficabilis’. Wir brauchen also auch von der anima in se nichts zu wissen,
etwa von ihrer Substanzialität hin­sicht­­lich des Erkennens. Die visio beatifica wird auch auch
nicht förmlich hinsichtlich oder vermöge des Er­ken­nens, aus diesem abgeleitet, bestimmt wer-
den können. Notwendige Sätze hinsichtlich der Heilsordnung gibt es ‘auch’ in dem Sinn nicht,
dass bezüglich des ordo sa­lutis von Ockham nicht Reduktionen vorgenommen werden könn-
ten, in de­nen Nichtnotwendigkeiten, Nichtunerlässlichkeiten festgestellt werden, also Notwen-
digkeit höchstens in Äqui­va­lenz mit der Negation einer im Sinne der Begriffe (intensional)
erforderlichen ‘extensionalen’ oder realen Un­ver­brüchlichkeit. Wir gehen also auch so gerade
wieder nicht auf (in se oder extramental) „Existentes“ zurück. So­­­fern im ordo salutis Größen
oder Faktoren als Be­dingungen (füreinander) auftreten, werden sie dabei geradezu im Sinn von
‘Existenz’ verneint. Mithin hinsichtlich ihrer Existenz quantum ad significati­o­nem. Sie haben
ei­nen erkennbaren intensionalen und/oder extensionalen Charakter nicht.
76. Gottes Allmacht ist dabei insofern rational gebunden, als Begriffe wie gratia, gloria, meri-
tum und pec­catum, die mit dem Heil zu tun haben und im ordo salutis einen Platz haben, als
Größen einander nicht notwendig be­din­­­­­­gen, i.e. nicht induktiv übereinander aufgebaut werden
können. Die Einsicht bleibt empirisch nach den uns kom­mu­ni­­zierten Begriffen und Verständ-
nissen, in denen wir natürlich nur begrenzte Erkenntnis haben. Sie er­folgt quasi nicht a parte
Dei im Sinn einer dann auch modifikablen Schöpfungs- und Weltordnung: Gott hät­te al­les
ganz an­ders einrichten können; er war da nicht gebunden. Er wollte es aber so und die Spur sei­
nes Wil­lens zeigt sich in der Kontingenz und Unverbundenheit der Faktoren. Die überweltliche
Einsicht, die wir nicht ha­ben kön­­nen, ver­pflichtet uns nicht; sie kann auch nicht Teil unserer
Verpflichtung sein, das Heil zu suchen, wie Ock­­­ham sie positiv wenigstens doch ausspricht. Die
empirisch bedingten Einsichten, die wir hier haben kön­nen, ste­­hen gegen eine Allmacht, die
sie überschritte. Ockham hat so auch den Heilsbegriff entmythologisiert, wie den des peccatum
originale. Er neutralisiert sie für das menschliche Ver­stehen, das damit als genuin hu­ma­nes
fest­­gestellt, standardisiert und eben auch relativiert, suspendiert, eingeklammert wird. Über
welche Mög­lich­­kei­ten Gott verfügen konnte, die Heilsordnung anders einzurichten, wissen wir
nichts; es kann daher nicht ein­mal ver­nünftig thematisiert werden. Ockham entnimmt der
Kirchenlehre etwas, dessen Sinn, wenn es ihn gibt, nicht ef­fektiv ausgeführt werden kann, son-
dern storniert werden muss. Nir­gend­wo kön­nen die theologi­schen Begriffe genuin christ­li­chen
Sinn bekommen. Sollte Ockham hier wahrhafte Vorbehalte oder Aversionen gehabt haben,
so hätte er sie mit den Strukturen, in die er seine the­o­lo­gischen Entscheide technisch kleidet,
nicht eindeutig aus­ge­sprochen. Er verwahrt sich zudem gegen Unterwerfungs­befehle; katego-
riale Eindeutigkeit fehlt so.
77. So fides nebst spes und caritas im Verhältnis zueiander (Rep. IV, q. 3 OT VII p. 48 lin. 15–18):
„Deus potest fa­cere de potentia ab­so­lu­ta caritatem sine fide et spe. Cuius ratio est quia quando
664 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

empirisch gelten und das heißt so ver­wandt wer­­den, gilt auch das Ökonomieprin-
zip.78
Da Gott uns in keiner intelligiblen Weise ein Heil schenkt, kein himmlisches,
von dem wir kei­­­ne Begriffe hät­ten, noch ein nach irdischem Maß approximierbares,
kann er auch nicht in ei­­nem irrationalen Ausmaße, uns nicht mehr verstehbar, über
es und uns verfügen. Denn eine solche Vorstellung von Allmacht würde als absurd
erwiesen werden können. Wir könnten zei­­­­gen, wie sie der Idee nach uns nicht ver-
mittelbar wäre, also nicht secundum intellectum hu­ma­num, wie er damit quasi zu-
gleich für uns gestiftet wird.79 Das Allmachtsprinzip wird da­mit aber weder inhaltlich
eingegrenzt noch vernichtet.80 Wir leiten ja auch niemals im inhalt­li­­­chen Sinn aus

unum absolutum non dependet neces­sa­rio ab alio ab­so­lu­to, potest fieri sine eo sine contradic-
tione.“ Der Widerspruch hat hier rein mit quasi-em­pi­ri­schen Be­dingungen der Be­­griffe zu tun,
von denen her er nicht in die abstrakte Ordnung derselben ‘Begriffe’ ein­wan­dert, die damit aber
nicht transzendent modifiziert werden müssen. Die potentia Dei absoluta muss hier na­tural­iter
loquendo ver­stan­den werden. Wir bleiben beim humanen Verständnis der ‘Faktoren’ des ordo
sa­lu­tis; in­dem wir es fest­hal­ten, rüc­ken wir für die gebrauchten Begriffe an die Grenze zur Wi-
derlegung, an der sie inde­fi­nit (=unbrauch­bar) wer­den müssten oder jedenfalls so erschienen.
Wir bleiben bei einem strikt oder expli­zit menschlichen Be­griffs­stand und Verständnis stehen,
den wir aber nicht substanzialisieren können, nicht für uns und nicht über­haupt: ali­quomodo
ist es nichtig und zwar sowohl weil wir die Begriffe nicht nach einem trans­­­zen­den­ten Modus
(über­empirisch) besitzen, worin sie denn ‘Begrif­fe’ wären und die Argumente nicht mehr bloß
über­­­redend er­schei­nen können, wie auch weil wir uns nicht an Gott direkt heranrücken, der
uns nach unse­rer ge­gen­wärtigen Sicht de sua potentia absoluta supranaturaliter lo­quen­do sie
erst verleihen könnte, was er aber ganz gewiss nicht tun wird. Die Begriffe bleiben natürlich
immer unsere Begriffe.) Ockham schließt (ib. lin. 18f): „Sed caritas est quid absolutum et non
dependet a fide et spe, ut manifestum est.“ Erst hier würde der Wi­­der­spruch eintreten. Wir sind
tatsächlich an der Grenze zum Widerspruch, i.e. zur Widerlegung. Von ihr aus er­baut Ockham
die Heils­ord­nung, besser: legt er die Begriffe aus, sofern sie voneinander trennbar sein kön­nen
müs­sen, wie sich von selbst versteht. Caritas ist übrigens gratia. Die Namen sind nicht die
Sache. (ib. p. 47 lin. 5–7) Gott schafft das Heil no­minell klar zwar nicht nach empirischen Be-
dingungen, doch vergleich­bar mit empi­ri­schen Maß­­s­täben; das ergibt sich und fällt zusammen
(ib. p. 50 lin. 18f)): „Deus non minus per­fec­te ope­ra­tur in ope­ri­bus gratiae quam natura (Ed.
naturae.)“ Mit naturae liegen wir gleichsam homiletisch anders.
78. Cf. ib. p. 51 lin. 24 – p. 52 lin. 8. Nur ‘ratio evidens’, ‘experientia’, ‘auctoritas’ könnten Gegen-
gründe bieten.
79. Es würde mithin keine sinnvolle Folgerung von irgendeiner solchen Vorgabe aus gezogen
werden können. Wir hätten noch einmal den Fall, dass wir in unserem Geiste keine Bedingung
hätten, etwas zu erkennen, was aliquo­mo­do in den göttlichen Geist fiele oder doch in ihn hin-
einreichen müsste. Die Implikation verliert darin ihre zen­tra­le Stellung; ein indirekter Beweis
wird nicht geführt, der inhaltli­ch zur direkten Ge­gen­these führen könn­te.
80. Das Omnipotenzprinzip und das Widerspruchsprinzip würden auch hier wieder weder
zusammenstimmen noch An­tagonisten sein. Sie haben letztlich nur insofern miteinander zu
tun, als das Om­nipotenzprinzip das Wi­der­­spruchs­prinzip auslöst oder auslöscht, also ersetzt.
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 665

dem Allmachtsprinzip ab.81 Da aber die Allmacht (was sie bewirken kön­n­te) niemals
ontologisch klassifiziert werden kann, können Beweise im Rahmen des All­machts­­­ge­
dan­kens immer nur Widerlegungen sein oder auf Widerlegungen fußen resp. folgen.
Diese freilich können die ontologischen Grundbegriffe forma und accidens, substan-
tia und ac­cidens benutzen. Wir haben dann was wir unter Begriffe (Inhalte) fassen,
mittels dieser onto­lo­­gi­schen Grundbegriffe förmlich auf die Realität bezogen und wi-
derlegen danach Annah­men (Ma­­ximen), die ‘denselben’ Bezug auf die Realität zum
Gegenstand (Inhalt) haben; wir kön­nen nicht die Allmacht (als Prinzip) identisch
oder übereinstimmend mit ontologischen Be­­­grif­­­­­­fen, Vorstellungen oder Maximen
deduktiv verwenden, indem wir abstrakt (refle­xiv) und em­pirisch (real) auf Ergeb-
nisse zielen, die dann ‘hochrangig’ zugleich ontologisch gelten und als real wahr und
‘erfüllt’ verstanden werden – können – sollen.82 Wir hätten mit Hilfe der On­­­­­­­­­­­­­tologie
widerlegt, nicht begründet.83

81. Es hat vielmehr immer eine funktionelle Verwendung, bei welcher Widerspruchssatz und
Folgerung erlo­schen sind, weil sie gleichsam empirisch zu gelten hätten. Es ist die empirische
Geltung der Logik, welche im­mer mit ausgeschlossen wird, wenn Ockham beweist. Die Logik
selbst lässt sich empirisch gar nicht begrün­den. Wir fußen aber bei diesem Gebrauch entweder
auf der Empirie, welche dann von der distinctio realis vertreten wird, oder wir haben die Em-
pirie für seine Verwendung supranaturaliter loquendo ein­ge­klam­mert. Dann können wir etwa
die distinctio formalis einsetzen, wobei er als Modus modo composito ver­wandt den Satz meint
und nicht eine im Satz ausgedrückte res.
82. So hatte Duns Scotus gearbeitet und Abstraktion und Erfüllung, Prinzip und ‘Auf­weis’ im-
mer na­he­ beinander gesehen: so nahe, dass die Naht nur durch die die petitio principii genäht
wird.
83. Das muss in besonderem Maße den Anschauungen des Nikolaus von Autrecourt wider-
streiten. Es widerstrei­tet ihnen vielfach: die ontologischen (Grund-)Begriffe gelten, anders als
Autrecourt meinte, weiter. Es muss und kann nichts aus ihnen abgelei­tet werden. Es müsste also
auch nicht, anders als Autrecourt meinte, forderungs­wei­­se etwas aus ihnen abgeleitet werden
(können). Sie dienen Widerlegungen, für die dann auch nicht die Impli­ka­­­tion als Forderungs-
modus, anders als Autrecourt meinte oder wollte, zentral ist. Vielmehr wurde sie aufgege­ben
und auf­ge­ho­­ben, an­ders als Autrecourt wollte. Will man die unvorhersehbare Modifikation des
Wirklichen oder auch gleich Andersmöglichkeit der Welt, die Au­trecourt für möglich hielt oder
wenigstens als Argument benutz­te, um seinen Erkenntnisskeptizismus aus­zu­­drüc­ken, so könn-
te sie nie im Sinn der Allmacht anhängig ge­macht werden. Wenigstens nicht nach Ockham, der
sie nur besonnen nach Kontexten einsetzt, die er zuvor ar­gu­men­ta­tiv sondiert hat. Aus der All-
macht ließe sich wenigstens nicht(s) folgern. Autrecourt freilich wollte die denk­bar­en Brüche
der Natur- und Weltabläufe, wie sie entgegen unserer Erwartung und scheinbaren Erkenntnis
de potentia eintreten könnten, im Kern der Dinge (res) atomistisch begründen, womit er in sie
in einer Weise ein­­­­stieg und eindrang, die Ockhams Ab­strak­tionen auf der Höhe der Akte des
Erkennens selbst, unter Einbe­zug on­tologischer Begriffe, thematisch und programmatisch (im
Grund theoretisch) ‘weit’ unter sich ließ. Erst wenn Autrecourt diese atomistisch begründe-
ten Verläufe inter et und in res auch wirklich als stochastische sich den­­ken mochte, war er so
666 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Bei Ockham, Duns Scotus und auch Nikolaus von Autrecourt steht die Kontin-
genz der res (des Gegenstandes in der Schöpfung) derart im Mittelpunkt, dass sich
daran das Schicksal der Fol­gerung, der Impli­ka­ti­on, entschied. Für sie alle musste
der grundsätzlich abstrakte Charak­ter des Begriffs, des Satzes, ja des Syllogismus und
der consequentia im Sinne einer Folge­rung gefasst und verstanden werden, die dann
Abstraktion und Folgerung umfasste. Das ist bei Duns Scotus eindeutig abzulesen.
Bei Ockham tritt die Abwandlung auf, dass die Ab­strak­­ti­­on auch dann noch soll gel-
ten können, wenn weder die Einzeldinge noch deren innere Struk­tur präsent sind
und erkannt werden können – wenn tatsächlich von einer res nicht zur näch­sten soll
über- und weitergegangen werden können. Ockham hat Duns Scotus implizit ei­ne
analytische Antwort hinsichtlich des ‘Folgerns’ oder Beweisens erteilt und Nikolaus
von Au­tre­court hinsichtlich der Abstraktion; in dieser löst sich die erkennt­nis­the­
oretische Proble­ma­tik auf.84 Wir haben bei Ockham keine Erkenntnisproblematik,
die nicht technisch von der Sei­te der Argumentation her, die ihre eigenen Basen an-
gibt, be­sei­tigt worden wäre. Inso­fern gibt es keine Erkenntnisproblematik, die nicht
in Abstraktio­nen, Argu­men­tationen, Maxi­men übergegangen wäre. Wenn dabei Fol-
gerung und Empirie auf­einander bezogen blieben, so sind sie in den Strukturen, die
Ockham exponiert, gemein­schaftlich ge­mie­den worden.85 Man kann dann von nur
einer Struktur sprechen, wenn man feststellt, wie Folgerung und Em­pi­rie im Be­weis
oder in einer opinio (Stellungnahme) Ockhams ange­spro­chen, aber im Be­weisakt
selbst ausgelassen und umgangen werden. Ope­ra­­ti­on, für Struk­tur unerlässlich, be­
steht hier in einer nicht ausgeführten, nur anberaum­ten consequentia.
Doch kann die Kontingenz in der zentralen Stellung innerhalb der spätscholasti­
schen Philo­so­phie als ein Bewusstseinsfaktum nur be­dingt, als ein metaphysisches

nahe bei der Individualität der Dinge innerhalb dieser selbst, wie auch Ockham sie wohl veran­
schlagte. Das bestimmte indessen nicht seine Erörerterungen und solutiones.
84. D. Perler, Nikolaus von Autre­court, Brie­fe, 1988 (Einleitung pp. IX–LXXIII) rückt Autrecourt
und Ockham nah aneinander, wobei er Ockhams Erkenntnislehre in herkömmlich alter Weise
dilemmatisch auffasst, sie aber unumwunden als eine Art Lösung zu betrachten hat, wenn er
sie zur Basis der Erklärung Autrecourtscher Mei­nungen oder Positionen macht. I.e. wenn er
will, dass sie verständlich und in dem Sinn rational erscheinen, in­des bloß auf ein Verhältnis
von consequentia (implicatio) und empiriegestützter Evidenz, die sich zu entspre­chen hätten,
be­schränkt. A parte Ockham sind Autrecourts opiniones als indefinit (falsch) zu erweisen.
85. Das eigentliche Problem liegt aber beim Satz: in ihm muss (das) P (das) s ‘sein’ können.
Dieses Problem „‘lö­sen’“ die scholastischen Autoren. Z. T. in der Form nicht beobachtbarer
Größen wie Gregor von Rimini mit sei­nem significatum toale (complexum significabile) oder
Chatton mit seinen Postulaten bedingungsloser Realerfül­lung alias Wahrheit. Diese wäre bei
letzterem vom im Satz gemeinten Objekt ununterscheidbar. Die Sätze sind dann im Grunde
nochmals ununterscheidbar.
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 667

Datum nicht ei­gent­lich an­­­gesehen werden.86 Wir können sie nur abhängig von ih-
rer Behand­lung den­ken. Sie fällt bei Ockham, Duns Scotus und Nikolaus von Autre-
court verschieden aus.87 Ge­meinsam­keit und Dif­­ferenz sind da nur über theoreti­sche
Struktu­ren ge­geben; doch eine Struk­tur kann Duns Sco­­­­­­tus88 und Ni­ko­laus von Au­tre­
court89 erst im Vergleich verliehen wer­den.
Bei Ockham wird die ‘Sache’ quasi noch einmal in eine andere Dimension ge-
hoben: Kon­­tin­genz er­­laubt nicht Folgerung.90 Hier geht es um die scholastische
Technik des Deduzie­rens, die nicht ad libitum ist. Auch sie untersteht der Kritik;
die Lo­gik­trakta­te, wo­rin die rich­ti­gen Schlüsse aufgezählt, die falschen genannt, die

86. Jedenfalls nicht solange methodologische Fragen gestellt werden sollen oder müssen. Die
erste ist, ob die Kon­­­tingenz an sich selbst eingesehen werden könne, ob sie sich Folgerungen
anschließen lasse (und welche das sein können) und ob und wieweit sie in den actus intel-
ligendi falle, bzw. ihn definieren oder stiften könne. Ob die Frage dahingehend ausgeweitet
oder auch gestrafft werden könne, dass man eine Erkenntnis sucht oder für un­­erlässlich hält,
bei der Erkenntnis in ihrem obersten Sinn dieses Faktum oder die Kontingenz als Bedin­gung
jeder Erkenntnis gäbe und enthielte. Es fragt sich, ob eine an der Kontingenz gewonnene spe-
cies oder na­tura com­munis, eine Einsicht hinsichtlich der Existenz (oder significatio) enthalte
bzw. ob diese Frage auch nur mit Sinn sich stellen lasse. W. Kluxen, 1974 und L. Honnefelder,
1979 glauben es. Ob man hier eine neukantisch-ne­o­scho­la­sti­sche Ding-We­sens-Philosophie im
Vorausgriff legitimiert sehen möchte, Husserl inbegriffen (W. Hoe­res, 1962), ob man an pleni-
potente Evidenz glaubt, die im Nachzug die Bedingungen des Erkennens (alias des Er­­kennens
von res ex­tra) mitenthalte, ob man die Abschließung und Vollendung der Philosophie in deren
Scoti­scher An­ti­zi­pa­ti­on er­blic­ken möchte (W. Kluxen, 1974, L. Honnefelder, 1990 u. a.), fragt
man sich auch.
87. Bei den drei Autoren bedeutet Kontingenz immer die Negation des Begriffs in Richtung
auf die Realität oder Dingkonsistenz, bzw. dass alle Begriffe, sofern sie die extramentale Welt
betreffen, negativ einzuschätzen sind. Sie besagt, dass das Ding, die res, als significatio nicht
bereits eine Gestalt besitze oder of­fenbare, die als für die Erkenntnis dominant einzuschätzen
wäre. Freilich soll die Dinggegebenheit be­ste­hen, i.e. sein. Die Kontingenz setzt so einen in se
negativen Akzent, mit dem die Evidenz noch nicht gegeben oder ver­bun­den zu denken ist.
88. Bei Duns Scotus fällt die Kontingenz mit dem possibile esse des Dings zusammen: es ist
nachdem es (zuvor) nicht gewesen ist. Das soll Schlüsse aus dem possibile esse, dem Begriff oder
(identisch) dem Satz, erlauben.
89. Nikolaus von Autrecourt dehnt die Kontingenz (deren negatives Moment) bis an die Grenze
zum Nicht­sein aus: die res, die wir erkennen wollen, kann auch nicht sein bzw. vernichtet wor-
den sein und (anders) wie­der­er­schaf­fen.
90. Es ist die ‘höhere’ Dimension: Denn diese beiden wer­den gleich, wo man die Folgerung in
der An­­leh­­nung an die Empirie sehen und entsprechend sie einklammern (tilgen) kann. Das ist
bei Be­­wei­­­sen für die theo­re­tische Struk­tur selbst ebenso wie praktisch bei inhaltlichen Bewei­
sen oder Beweis­ab­schätzungen mög­lich. Es geht im­mer um Wahrscheinlichkeit, höhere Wahr­­­
schein­lichkeit, Noch­mög­­lich­keit, Auch­noch­mög­lichkeit, Induktion und per­suasio. U. a. im Ge­­­­
brauch von For­­meln ‘non est inconveniens’ etc. und des Omnipotenzprinzips usw.
668 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Trug­schlüs­se aufge­deckt wer­den, geben sie nicht so ganz.91 Hier hat dann die Onto-
logie keine Emdendation mehr liefern können. Wo im­mer sie auftrat, hat sie, mit der
Logik (oder Folgerung) zusammen, keinen Beweis ga­ran­tieren (liefern) und keinen
erhalten können.92 Jeder ontologische Begriff verdeckt eine Wi­­­­­derle­gung.93 Sie ist der
Anatagonist der Abstraktion. Eine falsche Form der Abstraktion ist die fal­la­cia. Sie
ist vielfach oder immer an ontologische Grundvorstellungen oder -formeln gebun­
den oder nähert sich ihnen (asymptotisch) an.94 Dem aber sind alle Beweisführungen

91. Ockham hat mit seinen Logiken, die durchaus den rechten Vernunftge­brauch zu lehren
vorgeben, sei­ne eigene Phi­losophie nicht begründet, sondern nur insoweit fundiert, wie er die
falsche, von ihm nicht gebillig­te, indizie­ren, widerlegen, ausmustern wollte. Mit Verweis auf
logische Grundsätze und Mög­lich­keiten geschieht es im SK.
92. Wir haben nach Moody darauf verwiesen, dass Duns Scotus direkt eine Ontologisierung
der Logik betrieben hat. Das muss damit als widersprüchlich oder kontrapraduktiv angesehen
werden. Womöglich hat Duns Scotus den Mangel gefühlt. Er hätte dann die Ontologie direkt
gegen die Kontingenz gesetzt und beides vermeintlich bruchlos in die Deduktion hinüberge-
leitet. Das ist aber aus vielen Gründen nicht möglich. Einer wird durch das Paradoxon von
Löwenheim und Skolem angegeben. Ein anderer lautet ockhamistisch: Wir haben es dabei im­
mer mit einem actus apprehensivus zu tun. Der actus apprehensivus, die notitia abstractiva,
muss so ver­stan­den wer­den, dass ein jeder Begriff, der in ihn ein­geführt wird, nehmen wir z. B.
species, auf eine Widerlegung und Ab­sur­disierung zuläuft, weil er, mit dem ac­tus apprehensi-
vus gleichgesetzt, diesen nochmals enthielte. Da­für kann dann kein Beweis geliefert wer­den,
gleich­gültig, ob ein solcher Begriff dabei inhaltlich oder funktionell verstan­den wurde. Wir
haben so für species keine genuine Auslegung und keine Ein­führung in genuine Beweise. Je-
der Begriff müsste hier den actus apprehensivus bedeuten und was ihm ex­tra mentem rea­li­ter
zugrundeläge. Eine solche Kontamination von Allgemeinheit und Singularität (In­di­vidu­a­li­tät)
kann niemals bewiesen werden; sie ist immer nur absurd. Cf. L. Baudry, 1958, pp. 278–284 (Art.
universa­le). Kein Dedukti­ons­akt liefert für Ockham übrigens eine notitia incomplexa und in
deren Namen intentionell die res, existentia etc.
93. Ockham hat ihn direkt in diese überführt. Wenn der ontologische Begriff in der Widerlegung
auftritt, trennt er den kontingenten Sachbestand vom abstrakten, im grunde mentalistischen
Ziel- oder Hauptbegriff, der im Sin­ne der Realgeltung nicht in eine Vieilzahl unbeständiger
Einzelteile oder wechselnder Zustände überführt darin un­ter­gehen soll. Die Widerlegung be-
dingt und liefert eine Dekomposition, wie sie Duns Scotus vermeiden, der er ent­gegenwirklen
wollte. Dies bedeutet auch, dass die Kontingenz in der Spätscholastik, wie sie u. a. mit den bei­
den Schlüs­selbegriffen notitia intuitiva und notitia abstractiva angesprochen, aufgenommen
und bewahrt wird, als Moment der Erkenntnis nicht direkt auf die Geister wirken, vielmehr
dilemmatisch für andere, viel­leicht un­tergeodnete Sachverhalte, z. B. die in der Religion ange-
sprochenen, vorbewusst gegeben war. Auch Adam Wod­ham, Ockhams Schüler, hat mit ihr als
dem Inbegriff der Realität zu tun und kann sie doch von den religiö­sen Ob­­ligationen gerade
nicht trennen. Das sollte in Kap. 6: Theologie und Logikbegriff gezeigt werden.
94. Die fallacia ist danach eine in ihrer Form falsche Abstraktion. Die Form lässt sich bestim-
men.
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 669

Ock­hams verwandt.95 Ockham führt aber damit von der menschlichen Individuali-
tät weg, die nir­gend­wo im accidens, in der Empfindung usw. gesucht werden kann,
sondern nur als Freiheit bestehen kann, also von falschen Lehren und den in diese
gelegenen Verpflichtun­gen befreit zu sein hat. Ockham hat das gefordert.96
Was Ockham vermutlich ausgemacht­ hat, war, dass er das scholastische Problem
(will sa­gen: die Scholastik als Problem), in se ‘be­stimmen’ und es, wie er es aus dem
Grunde anging, sei es lösen, sei es aus der Welt räumen wollte.97 Hier hat die Lösung,
die Beschreibung und Um­­­schrei­bung ist, zu bedeuten, dass man (und so auch Ock-
ham selbst) negierte, dass es ein Pro­blem ge­be, dessen Dimension über den Wortlaut,

95. Ockhams Beweise zeigten immer, dass wir keine Möglichkeit haben, das accidens (die Ak-
zidentalität) in for­ma/Formalität zu überführen. Gäbe es mit dem accidens (verbunden) eine
‘logische’ Struktur, so wäre sie nicht die sachliche oder inhaltliche der forma, der mit der sub-
stantia vereinigten forma. Auch in der Verbindung der Prädikate (passiones) gibt es sie nicht.
Alles was wir bei Duns Scotus als Prinzip vorfinden können und dann ver­teidigt sehen, im
Grunde die Relevanz eines einzelnen terminus in Bezug auf die Realität angehend, haben wir
bei Ockham reduziert auf ein Schema oder Prinzip, das aus dem Beweis sich ergibt und darin
immer wie­der­ge­funden/erreicht wird. In dem Sinne haben wir aber keine inhaltliche mit der
Induktion einhergehende und von ihr gestützte ‘Allgemeinheit’, d. h. nichts in der Welt, was
diese allgemein wiedergäbe und dann noch für al­le denk­ba­ren Welten gelten könnte. Diese
Welten können von der unsrigen her und mit dem begrifflichen Mate­ri­­al, das wir im Sinn
unserer notitiae (Akte) verwenden und integrieren (nachvollziehen) her weder bestimmt noch
vor­hergesehen noch aliquomodo ausgeführt werden. Sie werden daher immer nur, nach unse-
rem Stand, für kom­pa­tibel erklärt werden können. Möglich dass darin auch mehr Erkenntnis
wäre. Für wen? Den Menschen? Der muss vielleicht notwendig im Sinn der Ontologie, die wir
haben, aufgefasst und ausgedrückt werden.
96. Es gilt für religiöse Lehre, für Unterwerfungsansprüche der Kirche hinsichtlich ihrer Leh-
ren, nicht nur der Dog­­­men, sondern auch von deren Auslegungen, etwa und in Sonderheit
mit Hilfe der Ontologie (sic!) Man krei­det Ockham (bis heute) an, nicht an die Ontologie zu
glauben und damit weder das Dogma noch die Re­­­aler­kennt­nis aufrechterhal­ten zu können.
Ockham ward be­zich­tigt, die On­­to­­­lo­­gie widervernünftig zu ver­wer­fen; er be­nutzt sie freilich,
um zu widerlegen,u. a. sie selbst, um Dog­men an­zu­greifen, die er als unein­sich­tig und un­er­­heb­­­
lich abtut. Letztere sind für ihn nicht um der ewigen Seligkeit willen, sei es im Glau­­ben sei es in
Ver­stand und Ver­­­­­nunft, notwendige Wahr­hei­ten. Er definiert postaristotelisch die Not­wen­dig­­
keit neu. Ockham hätte nicht se­­cundum rationem genötigt wer­den können, seine Thesen qua
Evidenz zu­rück­­zu­neh­men und wäre bei Wei­ge­rung ge­­­tö­tet, bei Widerruf sequestriert worden.
H. Blu­men­berg, 1966 hat hier beizutragen, dass erst am Rande Ockhams Phi­loso­phie die abso­
lute Ver­nunft mit dem Wider­spruchs­prinzip als piè­ce de résistance ge­­gen ab­un­dan­ten, ir­ra­ti­o­
na­­len und hä­re­ti­schen Ge­brauch des Omni­po­­tenzprinzips auf­schim­mere; die In­kar­na­ti­on von
Vernunft ante fe­stum sind die Zenso­ren der Kurie, die Ockham be­urteilen. Das ist mehr als
mittelal­te­rlich ge­dacht.
97. Beides konnte nur unter dem Gesichtspunkt nicht dasselbe sein, dass wir immer weiter
ideologische Annah­men oder inhaltliche Zusätze benötigen würden, die wir nicht so wie unse-
re methodischen Überzeugungen ope­ra­tionalisieren könnten.
670 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

den es erhalten ‘konnte’ (bei Ockham qua­­si schluss­endlich erhielt), aliquomodo hin-
ausginge. Da hatten Ockhams Met­ho­den die letz­­­t­en Endes gülti­gen zu sein. Mit den
scholastischen Lehren, so sehr er sie auf­brach und aus­schied, musste Ockham inso-
weit gleichwohl im Einvernehmen stehen. Dass die met­­­ho­di­sche For­­mu­lierung eines
Pro­blems seiner Elimination gleich oder nahe kommt, sollte aber nach ver­­­glei­­chend
wissenschafts­his­torischer Einsicht prinzipiell unbestritten sein.
Der Aufbau von Ockhams No­mi­­na­lismus ist klar.98 Er enthält Problemstellungen
und Pro­blem­lösungen je in der Weise einer Differenzierung, bei der Partikulares einen
Haupt­­­­­sinn er­hält und präpariert (ge­won­nen) werden kann und zugleich als gegen et-
was als den In­be­griff der Negativität zu set­zen ist und sich erhebt, wobei die signi­fi­catio
exter­mi­niert und ge­leugnet wird.99 Deren Äquivalent ist der Widerspruch(sbegriff),

98. Die notitia intuitiva erzeugt mit der Erkenntnis, die sie enthält oder besagt, die Begriffe,
die den kontin­gen­ten (em­pirischen) Satz bilden. Man wird fragen erstens wie und wodurch
notwendige Sätze bestehen. Zweitens ob es falsche Sätze geben könne (gebe). Ockham gibt Sät­
zen a limine ei­nen Inhalt; der falsche Satz be­steht u. a ver­mö­­­­­ge einer unzulässigen disparaten
suppositio seiner termini. Damit werden Sinn und Inhalt der Begrif­fe nicht an­­ge­tastet, sondern
vorausgesetzt. Ope­ra­tio­nen über die Sätze hinaus legi­ti­­mie­ren sie gegen Deutungen oder Kon­­­
se­­quen­zen, die aus­ge­­schlossen blei­ben sol­len, ja evidenterweise aus­ge­­schlossen blei­ben müs­
sen. Sol­che Deu­tun­gen bzw. Konsequenzen, die selbst eine Falschheit zu besagen hätten, sind
so inten­si­­o­­nal inkon­sis­­tent. Sie ent­­spre­­chen fal­laci­ae. Der Widerspruch, der bei theologischen
Aussagen eventuell ange­führt wird, ist ein ih­nen an­ge­fügter: er be­sagt pro-empirische Ausle-
gungen der Begrif­fe, die wir mit der kirch­li­chen Lehre hin­ter uns las­sen, da wir darin noch
nicht vom speziellen Ge­gen­stand Gott sprä­­chen, den wir über­haupt erst bezeich­nen, wenn
wir den Begrif­fen transempirischen Sinn ge­ben oder zubilli­gen. Praeter con­­tra­dic­ti­­o­nem be-
kommen Sätze und Be­griffe für die Theologie den spe­­zi­fisch menschlichen Sinn, den wir nach
Ockham nicht über­schrei­­­ten sol­­len und kön­nen. Die Begriffe bekommen, wenn sie von Gott
sensu proprio verwandt werden, wo es sich nicht um re­la­tiones handelt (wie generatio, spi­ra­
tio usw.), einen immediaten (untilgbaren) Sinn (propo­s­i­tio imme­di­a­­ta). Da­mit sind sie noch
nicht necessaria. Den Status bekommen sie erst im Syllogismus, wenn sie da­­rin un­be­dingt als
praemissae verwandt werden können und müssen. Ockham be­grün­det so sehr tief die fal­la­cia;
ih­re Ver­­mei­­dung im mit­tel­alterlichen System führt über dieses hinaus zur Negation der Idee
ei­ner apri­­­o­­ri­schen Lo­gik. Kal­­­­­küle dagegen, worin In­hal­­te und Ope­rationen (allge­mein oder spe­
zi­­ell) gleichge­set­zt (ver­­mengt) wer­­den, wird man nicht be­wer­ten kön­­nen, ohne dass man den
unsicht­baren implizi­ten Faktor ‘Not­wen­­dig­­keit’ da­­zugibt, der als ein­geschlossener nicht belegt
werden kann. Duns Scotus­ sucht im Verfolg seiner De­duk­­ti­onen eine „Not­wen­­­digkeit“, die bei
Ockham ge­löscht ist. Ob sie bei Duns Scotus­ eine logische ist und/o­der sach­lich gemeint kön­­
nen wir nicht wissen. In dem Sinne hätten wir seine deduktiven Konglomerate als Kal­kü­­le zu
verste­hen. Sol­che können wir bei Ockham nicht einmal in der Syllogistik annehmen.
99. Die Kontingenz begründet sich bei Ockham für die Welt in reali und extra animam so-
wohl wie für die Er­kennt­nisakte gegen (die) Ontologie. Der Schlüsselbegriff für die faktisch
kontingente Erkenntnis, bei der die Kon­­tingenz eben auch in das erkennende Subjekt hin-
einreicht und sich in ihm quasi wiederholt (fortsetzt), ist die notitia intuitiva. Ockham grün-
det die Abstraktion der notitia intuitiva nicht nur auf die distinctio realis, wo­­nach sie dann
secun­dum rationem keine akzidentellen Umstände enthalten kann, sondern er be­­gründet ihre
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 671

der tief in die ma­teria hin­einreicht, mit der wir für al­le Konstrukte und Erörterungen
des Sin­nes von Begrif­fen oder Aus­­­sagen nicht mehr zu rechnen haben. Hier begeg-
neten wir dem Om­ni­po­­tenz­prin­zip.100 Es greift nie in die materia in se ein, sondern

Un­ab­hän­gig­­keit vom ob­iec­tum extra animam auch ontologisch: nach dem negativen Gebrauch,
den er von den on­to­logi­schen Voka­beln im­­mer macht, indem er feststellt, das obiectum sei
keine causa essentialis der notitia in­tu­i­ti­va. Cf. Ord. Prol.q. 1 OT I p. 36 lin. lin. 4–8. Die onto­lo­­­­
gischen Vokabeln behalten intensional ihren absolu­ten Sinn, verlie­ren ihn jedoch per An­wen­­­­
dung, i.e. eher akzidentell und genau im Sinn der doppelten Vernei­nung, die wir ge­schil­­dert
ha­ben, bei der das Angewendete und Negierte eben qua Anwendung in der Ne­ga­ti­on den rea­
len Sinn in reali, also die sig­ni­fi­catio trifft. Wir haben damit den Gegenpol zur Ab­strak­tion in
der sig­ni­fi­ca­­tio, und se­hen, dass gerade dazu die sig­ni­fi­ca­tio verneint werden muss; ohne das
gelangen wir nicht per In­duk­ti­on zur Ab­straktion. Ib. lin. 8–11 stellt Ockham fest: „notitia in­tu­­i­­
ti­va, se­cundum se et necessario, non plus est exsi­s­­ten­tis quam non-exsisten­tis, nec plus re­spicit
exsistentiam quam non-exsistentiam, sed respicit tam exsisten­ti­am quam non­-exsistentiam.“
Ockham trennt aber die notitia intuitiva (den actus) nur per existentiam von dem ob­iec­tum,
von dem wir auch für die notitia intuitiva (indes empirisch) ausgehen, und ge­­­langt von da per
Ab­strak­tion zur Wesensbestimmung (ra­tio). Er kappt die kausale Re­la­ti­on zwischen res und
res, die ja nie, auch nie im real­em­­pi­ri­schen Sinn in­duk­tiv erstellt wer­den könnte, d. h. nicht nur
innerhalb der Erkenntnis­psy­cho­lo­gie. Die These ist von den Avigne­ser Zensoren angegriffen
worden. (cf. Ed. p. 36 App. Anm. 2). Der Hin­weis der Ed. (ib. Anm. 3) auf Ord. Prol. q. 1 p. 31
lin. 9–16 scheint vorab im­plau­sibel, da Wortlautkoinzidenz nicht be­steht und die Kon­sistenz
erst in einer ausgebreiteten Interpretation allenfalls zum Vorschein käme.
100. Wir können zu den transempirischen Verhältnissen in Gott und für beati und angeli nie
übergehen, ohne den Wi­der­spruchssatz zu leugnen (auszuschalten). Das lässt sich beweisen:
Wenn wir von den em­pi­­ri­schen Be­din­gun­­­gen zu den transempirischen ‘Verhältnissen’ (dem
empirisch gesehen Kom­patiblen) auf­stei­gen, ha­ben wir in je­nem die negativen Voraussetzun-
gen für dieses und die Induktion oder per­suasio. Cf. Ord. Prol. q. 1 OT I p. 48 lin. 24 – p. 49
lin. 3: „Si ab­­strac­­tiva non pos­­­set esse sine intuitiva Dei, igitur in­tu­itiva Dei es­set cau­­­­sa es­sen­ti­
a­lis respec­tu ab­stractivae, sed non nisi ex­trin­se­ca: et quidquid potest Deus medi­an­te causa ex­
trin­­­se­ca, pot­est im­­me­di­ate per se. Igi­tur potest facere ab­strac­tiva sine intui­ti­va.“ Wir haben eine
empirische Bedingung für die Ge­ne­se der notitia abstractiva, die für ihr ‘esse in patria’ nicht
Sinn machen soll: In patria sind ‘wir’ nicht mehr in natür­li­­chem Zustand (haben aber noch die
beiden notitiae als Aktarten, zu deren neuem Verhältnis wir persuasiv auf­stei­gen) und dort
soll die notitia ab­strac­tiva oh­­ne die vor­gän­gi­ge no­ti­tia intui­ti­va sein, auf die wir ’pro creatu­ris
et experi­en­tia’ (pro statu isto, secundum le­gem com­­mu­nem) nicht ver­zichten können. In der
obe­ren Welt soll sein (können), was naturaliter für uns nie vor­kommt. Damit geht man vom Ge­
brauch der poten­tia divi­na absolu­ta naturaliter lo­quen­do zum Modus su­­pra­na­tu­raliter lo­quen­­do
über­. Wir können die em­­­­­piri­sche Be­dingung den transempirischen Ver­hältnissen nicht beifü­
gen; es wäre eine fal­­lacia. Man kann einwenden, Gott könne was er tue im­mer nur mit sich
selbst tun. Soll das be­­sa­gen, innerhalb seiner selbst inwendig, so seien die bei­den Modi womög­
lich auch gleich. Das gilt in­so­fern nicht, als Sätze zu beurteilen sind und die poten­tia divi­na
absolu­ta su­pra­­­natu­ra­li­ter lo­quen­­do modo com­po­sito als vom Satz prä­di­­ziert verstanden werden
muss. Vom Satz kann nicht prädi­ziert wer­den, was realiter ver­stan­den wird. So kann Ockhams
Argument nur gelten, falls es meint: was in der Re­a­lität gilt, muss von Gott nicht gel­ten. Gott
672 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

bleibt bei dem Verhältnis der ontologischen Begrif­fe stehen, wie etwa for­ma und ac-
cidens, substantia und accidens, qua­litas und quantitas, von ha­bitus und ac­tus,101 mit
denen wir das Verhältnis der Begriffe als In­hal­te in den Aussagen in Rich­tung auf
die Re­a­lität extra animam bestimmen und begrenzen. Wir blei­­ben bei einem Sub­­­­­­­jekt
ste­hen, das in ihm selbst bestimmt sich nicht überschreitet, auch wenn es transzenden­
te Prinzipi­en wie das Omnipotenzprinzip per appel­la­tio­nem in Dienst nimmt eben-
so wenig wie es die res in se ipsa in Äquipotenz mit den Ver­stan­des­bestimmungen
oder Ak­ten des Ver­stan­des bzw. an deren Stelle zu geben und zu errei­chen vorgibt
und gleichna­mig die Wahr­heit. Eben da­­rum gibt bei Ockham das Bewei­sen.102 Die
Beweisform ist da nicht durch die Bezeich­nung im logi­schen Kanon er­schöpft, den
Ockham freilich ebenfalls von ontologischen Prä­mis­­sen ge­rei­nigt se­hen will.103 Er-
kennen ist eines des Subjekts, doch von der generativen Mo­ti­vation der Neuzeit be­
freit, worin das Subjekt als Protagonist für alle Menschen auftrat.
Bei Ockham muss es die Aktlehre geben, da die Begriffe in sich instabil sind. Da es
auf ih­rer Stu­fe keine Ge­wiss­heit gibt, müssen die Akte eintreten, um überhaupt Argu-
mentation be­züg­lich der Begriffe oder der in ihrer Form angestrebten Erkenntnis zu
sichern. Es muss daher schon Erkenntnis via Argumentation geben; erst sie in­stituiert
sie. Die Scholastik vor Ockham ist davon ausgegangen, dass die Erkenntnis schon in
und auf­grund von Begriffen exis­tie­re. Nur hieß das, dass sie ausschließlich postulierte
Erkenntnis heißen konn­­­te; nun wird sie kon­­struiert. Das geschieht mit einer wesent-
lich reprobativen Argumenta­ti­­onstechnik, die ana­ly­­tisch zu hei­ßen hat, wo sie für den
Ver­stand in diesem au­to­nome und in der Bestimmung mit ihm iden­tische Maximen

greift nicht in die Realität ein; täte er es, so mit­tels sei­ner po­ten­­tia ab­soluta su­pra­­natural­i­ter
lo­quen­­­do, die nicht von Sachen, sondern von Sätzen gilt. Wir müssen ferner un­terstellen, dass
die no­titia abstractiva in pa­tria bei den bea­ti, die Gott schauen, in der Form eines an­de­ren Me­
di­ums als Gott selbst, ge­geben wäre, also nicht im me­di­­um Gott, d. h. der res, die Gott ist; sonst
würde die notitia ab­strac­tiva als Topos kei­nen Sinn ma­chen, sie wäre mit notitia intuitiva, der
in der vi­sio beatif­i­ca, gleich. Dreier­lei fällt beweistheoretisch hier (Ord. Prol q. p. 48 lin. 1 – p. 49
lin. 8) auf: (1) Ockham per­su­a­diert, in­dem er Ein­­wän­de gegen seine These abweist, ohne daraus
die Wahrheit oder Gegebenheit zu folgern: er führt keinen in­di­­rek­ten Beweis mithin. (2) er
gebraucht die distinctio realis und die potentia divina absoluta naturaliter loquen­do für eine
Widerlegung. (3) Er setzt eine mittels potentia divina su­pra­­­natu­ra­li­ter lo­quen­­do gewonnene
notitia ab­strac­tiva separata: „sequitur quod abstractiva notitia distincta deitatis potest esse in
viatore, manente viatore.“
101. Auch sie sind ontologische Begriffe, wenngleich sie auch grundlegend mentalistisch ver-
wandt werden können und hier dann gleichsam die Grenze gegenüber jedem Vorgriff markie-
ren, der das Subjekt verlassen und über­schrei­­ten könnte, in Richtung auf Gott und Jenseitswelt
oder Inseität der res.
102. Konform damit gibt es Abschätzungen von Beweisbarkeit, gibt es deren Negation, die
Feststel­lung der höhe­ren Wahr­scheinlichkeit von Beweisbarkeit von jenem als diesem oder der
höchstwahrscheinlichen ‘Wahr­heit’.
103. Duns Scotus hat quasi regressiv (im repulsiven Übermaß) das Gegenteil getan.
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 673

zu de­fi­nie­ren vermag. Ockham gibt, wie Begriffe keine Sub­stanz­ein­sicht garan­tier­en,


und, auch als Akt­­begrif­fe, nicht inhaltlich Substanz meinen können, in­des­sen die In­
duk­ti­on aber als fes­ter Hebel der Argumen­ta­tion ver­füg­bar ist und Bestand hat, in
al­lem was er vor­bringt, beständig einen Aufstieg zur Sphäre der Transzendenz, al­so
ei­nen Go­t­tesbeweis. Der muss nicht, wie bei Duns Scotus, inhalt­lich aus­­geweitet und
aus­ge­stal­tet wer­den. Er kann es auch nicht. Die Inhalte werden bei Ockham vorab von
der Akt­lehre getra­gen, ei­ner Aktlehre, mittels de­ren nur ge­rade einmal der Existenzbe­
weis für die Größen ge­ge­ben wird, das heißt für die Größen nach einer inhaltlichen
Auslegung, in welcher sie ihre Funk­tion, sei es erhalten oder aber behalten, so dass sie
mit ihrer Funktion identisch abstrakt ihren Inhalt haben. Den haben sie nur förmlich,
indem ihre ‘Identität’ über Umstände nicht auf­­­gehoben werden kann, über acciden-
tia nicht angefochten erscheint, die weder in sie (ih­re ratio104) eingehen, noch ihnen
gegenüber einen Widerspruch zu formulieren gestatten.105 Lo­gisch ist der Inhalt also
‘nur’ Existenz (oder Identität).106 Es fragt sich, wie eine solche Ge­samt­struktur des
Operierens (Argumentierens), die Erkenntnisakte (als Erkenntnisqualitäten) prokla-
miert, aber nicht weiter bekräftigen kann, möglich sei. Dieses Operieren widerspricht
der Erlebnisstruktur oder in der Lebensphilosophie bezeichneter ‘Erfahrung’.107 Der

104. ‘Ratio’ bezeichnet sie in ihrer Funktionalität, in einer Art funktionaler Definitheit, bei der
es eben die Forma­li­tät ist, die im Sinne der Akzidentalität weder überschritten noch angefoch-
ten werden können soll. Bedingt ist hier sogar die forma im ontologischen Sinn ‘enthalten’ oder
als in den subiecta (der Sätze) oder in dem, was die Aktbegriffe meinen, betroffen zu denken;
so ist die forma potentiae in den notitia bezeichenbar zu denken oder aber analytisch (für die
anima als substantia, secundum potentiam usw.) zu unterstellen, weil ‘Sätze’, die dagegen sprä-
chen, nicht beweisbar oder aber nur empirisch wären, was dasselbe ist.
105. Der Widerspruch würde als Einspruch in der Form eines casus auftreten. Von ihm zeigt
Ockham, dass für ihn (in Bezug und Anwendung auf ihn) grundlegende, etwa ontologische
Prinzipien insuffizient werden, also ih­re Bindekraft = verpflichtende Bedeutung verlieren.
Ockham be­streitet dann für gewöhnlich die allge­mei­ne Gel­tung, nennt gegen sie ein Gegen-
beispiel und schließt, indem er darin eine Einschränkung, Minderung oder Negation erhält,
seine Induktion an: darin werden die Funktion und die ‘Identität’ (Unwandelbarkeit), sei es
ge­si­­chert, sei es behauptet. Funktion und Inhalt werden oder bleiben identisch.
106. Wo eine ontologische Maxime angewandt wird, wie es Ockham für seine scholastischen
Gegner in den von ihm dann kritisierten Beispielen belegt, muss sie einen Schluss enthalten
oder ihm zuvorkommen, d. h. es muss in ihr gegeben sein, was Ockham grundsätzlich kriti-
siert: die implicatio eines Terminus (nach seinem in­halt­li­chen Gehalt) in einem anderen (vor-
gängigen), wodurch sich der ontologische Gehalt zu reduplizie­ren und auf­zu­he­ben hätte.
107. Wo Dilthey Erörterungen zu Lebensverfasstheit und Geschicht­lich­keit an­stellt, wie sie
z. B. H. G. Gadamer, 1960, bes. pp. 205–250, aber auch pp. 57–67 und K. Löwith, 1928, II. Kap.
§§ 4,5,7 referieren, er­gibt sich ein Ein­­­wand: die als grundlegend von Dil­they invo­zier­ten und in-
stituierten Konzepte und Ver­ständ­nis­se wer­­den, da sie dem frei­­­en Begriffs­ge­brauch vor­­greifen,
ir­ra­tional er­schei­nen; die ­angestrebte oder auch nur be­haup­tete fun­da­men­tale anthropologi­sche
Klärung gibt es da­ nicht. Dil­they mit dem imma­nen­ten Pos­tu­lat der ‘Unverständlichkeit, die
674 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Streit kann hier nicht um Er­fah­rung überhaupt gehen.108 Wo Ockhams Lebendigkeit


an­zuset­­zen109 wäre, haben wir sie im sicht­ba­ren inne­ren Akt mit Bezug und Ausstrah-
lung auf das un­­sicht­ba­re substanzielle Vermö­gen der anima.110 Einen extramentalen
Wert haben wir we­der in der Re­­alität noch religiös qua Ver­­schmelzung der See­le mit
geschicht­lich­-my­thisch gegebenen oder insinu­ier­­ten Verläufen, der symbolischen
Wahrheitswertigkeit der Sün­d­e, Verge­bung, Erret­tung usw.111 Wo wir hörten, dass
Ockham die Religi­on nach den intellektualen Gehalten aus dem Vernunftbe­reich

a limine bestün­de, wenn wir seiner Vor­­klä­rung nicht folg­ten’, setzt den an sich lee­ren (also fal­
schen) Begriff an die Stelle der er­füll­­ten. Wir be­kom­men ei­ne ‘Pseu­do-Priorität’, die Kants A
pri­ori noch kom­­pensieren und erset­zen zu kön­nen geeig­net sein soll.
108. Sie wird heute gern mythisch substanziiert. M. Frank, 1982 p. 66 vermu­tet, dass H. Blu-
menberg, 1979 aus J. Kolakowski, 1972 „ge­schöpft“ habe, ihn „unverständlicherwei­se“ aber
nicht ‘zitiert’. Cf. Anm. 45.
109. Das versuchte auch in einem abstrakten Biographismus J. Miethke, 1969.
110. Man sehe hier als Beispiel die propositio per se nota: sie wird über die Akte bestimmt, näm­
lich notitia ab­strac­­­ti­va und notitia intuitiva, über die wir, in Form einer notitia incomplexa, die
Begriffe ‘haben’. Aber wir müs­­sen da­zu und darüberhinaus setzen (fordern), dass (Ord. d. 3 q.
4 OT II p. 439 lin. 5–9) „quaecumque notitia terminorum, sive sit perfecta sive imperfecta, sive
confusa sive distincta – dummodo illi idem termini qui prius apprehendantur et non alii-, sive
abstractiva sive intuitiva, sit sufficiens cum formatione propositionis ad causan­dum notiti­am
evidentem pro­positi­o­nis“. Zunächst war es wichtig, dass der Satz gebildet wurde den Satz, den
wir dann per se einsehen (ib. p. 438 lin. 15f): „Sed cum notitia ter­mi­no­rum re­quiritur formatio
propositionis ex illis terminis.“ Daraus er­gibt sich, dass der ungese­hene Wil­le als cau­sa mediata
efficiens um der formatio propositio­nis willen beitreten muss (ib. lin. 16–19): „Et ita cum…
forma­tio propositionis non possit fieri nisi mediante vo­lun­­tate, ad notitiam pro­positionis per
se notae requiritur ipsa vo­lun­­tas tam­quam efficiens causa saltem me­diata.“ Diese vo­luntas ‘be­
rührt’ aber nicht die Akte, weshalb diese auch nicht zwangsläufig die propositio per se nota
ergeben, wenn wir nach der no­titia incomplexa terminorum eine notitia complexa bilden (ib.
lin. 19 – p. 439 lin. 1): „Non tamen uni­versaliter quan­­do noti­tia incomplexa terminorum et
formatio propositionis sufficiunt ad noti­tiam evi­den­tem talis propo­si­ti­onis est propositio per
se nota“. Es kann so nach Ockham (ib. p. 439 lin. 2f) auch eine pro­po­­sitio con­tin­gens ent­ste­
hen. Ockham sagt daher (ib. lin. 4–9), dass zur Bedin­gung der pro­positio per se no­ta gehöre,
dass die notitia ter­minorum ebenso wohl perfecta wie imperfec­ta, ebenso wohl confusa wie
dis­tincta sein könne, solange es nur diese termini und kei­ne ande­ren seien, die per notitiam
intuitivam oder noti­ti­am ab­strac­tivam „pri­us apprehen­dun­­tur“. Zu den verschiedenen notitiae
terminorum s. die SL. Diese Unter­schei­dun­gen sind bei Des­car­tes und Leib­niz noch dieselben.
Sie müssen/‘können’ aber dort das Erkennen quasi fundo de­­­ter­minieren. Bei Ockham werden
sie implizit und ‘oberflächlich’ ad definitionem regulae ver­wandt. Und zu­letzt entsteht dieser
Satz automatisch und erreicht nicht die substantia animae.
111. Von Sätzen, die bestimmt sind wie in Anm. 110 die propositio per se nota, gehen dann die
Entscheidungen Ock­hams bezüglich des Lehrgehaltes mit ethisch-anthropologischem Bezug
aus. Dieser aber ist kein unbedingt seelen­prak­ti­scher, wie er dann ganz sicher der neu­zeitlichen
Religiosität wieder entspricht.
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 675

hinausgedrängt und für das wis­sen­schaft­­liche Beweisinteresse weit­ge­hend unerreich-


bar erklärt habe, ist ein anderer As­pekt fest­zu­halten: die rationalen Formen der Er-
klärung des christlichen Denkens nach den Typen von Aussagen oder Beweisopera­
ti­o­nen erlauben nicht den selbstreflexiven Bezug der Personen, der Menschen, der
Seelen, auf sie selbst. Ockham hat der psychischen Haltung des mittelal­ter­lichen Men-
schen ihr grund­sätz­­li­ches, ihr epochales Neutralgewicht belassen und den seeli­schen
Selbstbezug, der in der Neu­zeit den Men­schen re­li­giös bestimmte und Re­ligiosität
so unterstützte und wie­der­ge­wann, de­le­giti­miert.112 Das wurde nicht hinü­ber­gerettet.
Ockham hat eine förmliche ab­solute Verstan­des­­po­si­ti­on angesetzt, in welcher die
Akte als Grö­­­ßen, wenn sie den Verstand konstruktiv be­stimmen und ermitteln hel­
fen, eine psychische Wertig­keit nicht haben können und beanspru­chen. Er hat den
Verstand konzipiert und kon­stru­iert und zur Urteilsba­sis gemacht; er hat ihn aber
nicht in die Person und Substanz des Men­­schen oder der anima hin­übergeführt bzw.
dort wenigstens re­prä­sentativ gemacht und in­so­fern kei­nem neuzeitlichen Mytholo-
gem ent­­­spro­chen. Will man glauben, dass in Bezug auf den Ver­stand eine neuzeitliche
Dämonie des Men­schen zwangs­läu­fig habe auftreten müssen und Dä­mo­nie da noch
für ein mittelalterliches De­ri­vat halten, wie ja dort der Teufelsspuk stoff­lich beheima­
tet literarisch dorthin zurückver­weist, so wird man Ockham kalmiert, neu­tral und
un­auf­ge­regt fin­den, nicht anders als bei den religi­ö­sen Inhalten.113 Sie treten bei ihm

112. Ockham zeigt (Rep. IV, q. 11 OT VII pp. 193–238): Utrum cuilibet poenitenti per sacra-
mentum poenitenti­ae gra­tia et vi­r­tu­tes infundantur) eine gewisse Kultfrömmigkeit, aber so dass
wir nicht wissen können, was (für ihn wie überhaupt) Fröm­­migkeit außerhalb des Kultes und
neben diesem sein könne und so auch Kultfrömmig­keit. Dabei kommt Ockham mit den Ge-
stimmtheiten der Seelen neben den Kultobliegenheiten nicht besonders zu­recht. Er kann uns
nicht de­tail­liert sagen, welches die Haltungen der Seele (im Verhältnis zueinander und) zu
ei­nem gewissen, die Inhalte der Re­li­gion praktisch nehmenden Effekt sein können. So wird
poenitentia als Spen­dung und Empfang des Bußsakra­ments ver­stan­den; das Bußsakrament
nimmt jene Zeichenhaftigkeit an, die die Begriffe auch haben. Die innere religio­se Ge­wiss­heits­
lage ist bei Ockham wenig ausgeprägt, cf. ib. p. 195 lin. 2–8: „dico quod peccatum mortale non
habet ali­­quod quid rei sed tantum quid nominis, quia nihil unum reale di­cit, nec positivum
nec privativum vel negativum, quia post actum peccati nihil manet. Sed dicit multa non haben­
tia aliquam unitatem, nec per se nec per accidens. Unde pot­­est dici quod ((definitio)) quid
nominis peccati est is­tud: aliquem commisisse aliquem actum vel omisisse propter quod ad
poe­nam aeternam obligatur.“ Dabei gibt es für Ock­ham­ keine besonders ausgezeichnete gratia
sacramentalis (cf. ib. p. 211 lin. 1 – p. 213 lin. 7) We­der ex­or­bi­tante, die her­­ausgehobenen Sünden
(peccatum originale, pec­ca­tum mor­tale) noch das pec­catum überhaupt kom­­men über das quid
nominis hinaus. Auch die sakramentale Lossprechung hat für Ockham bloß ein quid no­­mi­nis,
al­so nichts in se Reales (cf. ib. 201 lin. 23 – p. 202 lin. 9).
113. Dass der Dämon in mir eine Täuschung bewirkt, bedeutet nicht, dass ich dieser Wahr-
nehmung zufolge und in zeitlicher Folge zu ihr einer Täuschung erläge, die in gewissen unan-
gebrachten Folgerungen bestünde und Folge der sinnlichen Wahrnehmung wäre; sondern ich
folgere ei­gent­­lich gar nicht (Rep. II, q. 16 OT V p. 370 lin. 17–20): „fiunt illusiones a dae­monibus
in quibus aliquid reale videtur (Realnahes), tamen homo decipitur cir­ca illas illusiones, quia ex
676 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

weder in Pro­­blem­fel­dern noch mit Gewissens­fra­gen ge­gen die Vermögen an, unter-
malen die­se nicht du­­bi­ta­tiv und pre­kär. Das Verstandes­ver­mö­gen viel­mehr, in den
Satzaussagen defi­niert und nie­der­gelegt, wird bestimmt und ge­wahrt, wenn die­sen,
im Sinne der Widerleg­bar­keit von fal­schen Bestim­mun­gen (Erklärungen der Struk-
tur als sinntragender oder intellekti­ver Erschei­nung in mente), Im­plikationen und be­
dingt die Im­pli­ka­tion überhaupt abgespro­chen werden (können); dann wird der Satz
als für sich bestehen­der determinater und mögli­cher­weise sinn­tra­gender (sinn­voller)
er­kannt.114 Wenn darin die theo­lo­gische oder suprana­tu­ra­le Kompo­nen­­te zum Tra-
gen kommt, wird eine Struk­tur jenseits von Offenbarung und mensch­­licher Ein­sicht
gebilligt und über die Ak­zep­tanz von Sätzen und de­ren Auslegung ‘ent­schieden’.115

illis visis infert propositionem non sequentem formaliter.“ Die formale Folgerung kann nicht
der formatio propositi­onis entsprechen oder zu ihr führen. Es gibt keinen logischen oder zu-
gleich se­man­tischen Aufbau der Sätze, die dann per discursum syllogisticum behandelt oder
verbunden werden könn­ten. Folgern oder ‘discurrere’ hat aus­schließlich im Verstan­d statt (cf.
Rep. II, q. 14 OT V p. 315 lin. 14–16): „virtu­te prin­cipiorum cognoscere conclusiones. Et hoc est
dis­cur­rere et sci­re conclusio­nes aliquas pri­us ignota virtute principiorum.“ Da­mit ist die Diffe-
renz zu Descartes gesetzt, der dem dis­cur­sus syllogisticus echt neuzeitlich kei­nen besonderen
Erkenntniswert zuspricht und eine sinnliche Wahr­nehmungs­kompo­nen­­te für die Evidenz nicht
von vorn­her­ein ausschließen kann, wenngleich sie bei ihm begriffsbe­zo­gen (begriffszerglie­
dernd) ist.
114. Bei Ockham tritt überhaupt an die Stelle der Implikation (in der Verarbeitung von Aus-
sagen oder grund­sätz­li­chen Konzepten wie ens) die prädicatio. Cf. Ord. d. 1 q. 4 OT I p. 436
lin. 15 – p. 437 lin.3: „dico quod ali­quid es­se obiectum primum alicuius potentiae – et hoc lo-
quendo de obiecto primo primitate adaequationis – pot­est in­tel­ligi dupliciter: vel quia est illud
cuius quodlibet contentum in particulari et sub propria ratione appre­hen­si­bile ab illa potentia,
et nihil est sic apprehensibile a potentia nisi de quo illud praedicatur; vel quia est commu­nis­­­si­
mum inter omnia quae possunt apprehendi ab aliqua potentia, nec potest aliquid apprehendi
ab illa potentia nisi de quo ipsum praedicatur. Primo modo dico quod non potest naturaliter
cognosci quod ens est primum ob­iec­­tum intellectus, quia non potest naturaliter cognosci quod
quodlibet contentum sub ente est sic cognoscibile ab intel­lec­tu. Secundo modo est possibile,
sed tunc non est naturaliter notum quod omne contentum sub tali pri­mo ob­iec­to est naturaliter
cognoscibile distincte et in particulari a tali potentia.“ Das ens wäre dabei implizit oder u. a.
auch als abstractum oder Begriff zu verstehen. Die Stellungnahme richtet sich wieder gegen
Duns Scotus. Cf. an dieser Stelle p. 432 lin. 18 – p. 433 lin. 2. S. auch o. Anm. 6 Ord. d. 3 q. 8
OT II p. 532 lin. 8–24 enthält so­gar eine Zu­rückführung der Implikation auf diese Prädikation,
bzw. die Verneinung der Implikation gemäß der ne­gier­ten Prädikation (ib. lin. 14–19: „ex omni
per se apprehendibili ab aliqua potentia contingit inferre primum obiectum adaequatum, sicut
sequitur ‘iste color videtur, igitur color videtur’, et universaliter sequitur etiam de vi­sibile per
ac­cidens ‘hoc videtur, igitur color videtur’, igitur eodem modo est de aliis.“
115. Dabei sind wir mit den menschlichen ‘Abstraktion’ auch bei Gott, dessen Akte (oder die
Akte, die er veran­lasst = verursacht), den menschlichen gleichen, während unsere Sätze über
Gott (oder ihn einbegreifend) so ver­standen und bewertet immer als die unsrigen anzusehen
sind, keineswegs als Sätze oder cognitiones, die wir mit Gott zu teilen vermöchten.
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 677

Hier werden struktural etwa auch the­o­logische Sätze, die sa­cra theologia be­tref­fend,
akzep­tiert werden können, die da­­mit gleich­wohl dem infidelis noch nicht (beweisför­
mig) überzeu­gend dargelegt werden kön­­nen, so wie auch der fidelis sie nicht per se
oder nach ei­nem Ver­mö­gen, das ihm pro statu isto ei­gen wäre, einsehen kann.116 So
bleiben der fidelis und der in­fi­delis weiter allem zum Grun­de; mit ihnen lässt sich die
Fol­ge­rung nicht begrün­den. 117 Sie teilen vorab alle Sätze (Satz­typen). Wir fin­den sie

116. Cf. Quodlibet V q. 6 OT IX p. 502 lin. 45–58: „Secunda conclusio est quod assensus utro-
que modo acceptus (nämlich nach ib. p. 500 lin. 16–18: unus quo intellectus assentit aliquid esse
vel aliquid esse bonum vel album; ali­us quo intellectus assentit alicui complexo, also im Prinzip
nach notitia intuitiva und notitia abstractiva) differt a secunda apprehensione (dazu cf. wie-
der Anm. 48) quae est cognitio complexi iam formati. Hoc probo primo sic: fidelis et in­fidelis
contradicunt sibi de isto articulo ‘Deus est trinus et unus’. Aut igitur iste articulus formatus in
mente ap­pre­­henditur et cognoscitur ab utroque, aut non. Si sic et actus credendi non est in
utroque, igitur actus credendi differt, non solum ab isto articulo formato in mente, sed etiam ab
eius apprehensione. Si non apprehen­di­tur ab utroque, contra: pono omnia paria in eis praeter
actum credendi, et tunc manifestum est quod potest (in­fi­delis) illum articulum apprehendere.
Similiter nullus assentit nec dissentit nisi cognito; sed infidelis dissentit is­ti articu­lo in mente
et negat eum; igitur cognoscit illum articulum.“ Der fidelis kann den infidelis nicht zur An­er­
kennt­nis nötigen; aus dem actus apprehensivus geht der assensus in keinem Sinn als dessen Be-
standteil hervor; beide stehen in keinem Bedingungsverhältnis mit­­einander. Das tangiert alle
Beweisverhältnisse (Ock­ham ib. p. 503 lin. 76–81): „dico quod non est contradictio demon­stra­­ti­­
o­­nem esse in anima sine actu sciendi, quia actus du­bi­tandi non repugnat formaliter conclusioni
nec demon­stra­­­ti­o­ni, licet for­te repugnet sibi virtualiter; et per conse­quens per potentiam divi-
nam posset causari actus dubi­tan­­di in anima si­mul cum demonstratione.“ Demonstratio und
actus sciendi schließen einan­der begriff­lich (i.e. formaliter seu consequentia for­ma­li) nicht ein,
wie induk­tiv mit dem actus dubitandi – als Brücke – ermittelt wird. Virtualiter koinzidieren
sie womöglich (forte). Die ine­vi­dente distinctio wird unterstellt. (Ihr wird nur virtualiter ohne
spezifische Wahrnehmung von realia widerspro­chen.) Das bedingt indefinite Begriffe und ins-
gesamt eine persuasio mit über­begrifflichem Charakter; dafür steht die Hypothesenbildung
nach dem Allmachts­prin­­zip. Zwischen fides und scientia kann so nicht re­ell (kon­­­­­sti­­­tu­tiv) un­ter­
schieden werden (cf. Kap. 5 Anm. 49). Auch in Quodlibet V q. 4 pp. 491–495: Utrum Deus pos­­­sit
cau­sa­­re in viatore notitiam evi­dentem de credi­bi­l­i­bus si­­ne visione Dei meidet Ockham begriff-
stypische Struk­tur­aus­sagen (ib. p. 489): „conclusio non causatur a me­di­is, quia tam subiectum
quam praedica­tum quam et­i­am tota con­clusio praehabentur ante omnem de­­mon­stra­­­ti­o­nem“,
wie Aristoteles sage. Ockham kon­stru­iert die de­­mon­stra­tio nicht und tut seine Einschätzung le-
diglich implizit (grosso modo) für alle scien­tia/de­mon­stra­tio in­clusive der theolo­gi­schen Sätze
kund. Apprehensio ist hier genetisch und unter Re­fe­renzas­pek­ten über­haupt oh­ne begriffli­chen
Wert. Soll freilich der Satz ‘apprehensio praecedit assen­sum’ (auch als Tru­is­mus) ei­ne petitio
princi­pii ent­hal­ten oder darstellen, machen Ockhams Erörterungen als deren Vermeidung ei-
nen unbedingten Sinn.
117. Die Implikation entfällt auch als Verbindungsmoment zwischen ‘Größen’: es gibt zwei no-
titiae abstracti­vae oh­­ne die Implikation und ohne eine kausale Beziehung, die sich argumenta-
tiv aufzeigen ließe. Eine indukti­ve er­folgt im Sinn der Trennbarkeit. Cf. Rep. II q. 14 OT V p. 334
lin. 19 – p. 336 lin. 14. Die In­­duk­ti­­on ver­­tritt den Wahr­heits­wert auch für die notitia intuitiva
678 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

bei Ockham auf eine ei­gene und eigentümliche Weise, in sei­ner konstruktiven Wei­se
genuin begründet, die darin besteht, dass sie intensional und das heißt eben auch für
den Ver­stand (anima) intramental an­ge­setzt, niemals mehr quasi extra ani­mam ihren
konsti­tu­ti­­ven Ge­halt haben können, i.e. für sie die Intensionalität spezifisch erläu­tert
werden kann. Das ge­schieht durch die Negation der Fol­­gerung oder Implikation, die
quasi sensu negationis ver­schie­den identifiziert werden kann. Diese Negation alias
negative Identi­fi­kation ist auf ver­schie­denen Weise möglich; sie ist ab­wan­del­bar. Das
ergibt die Klassi­fikati­on der Sätze (Satz­ar­ten), die wir bei Ockham kennen­ler­nen und
die ihrerseits noch einmal kon­­stitutiv in seine Be­­­­weise eintreten, wie wir sie gekenn­
zeich­net haben.118 Da die apologia con­tra infideles bei Ockham eben auch inhaltlich
schwach entwickelt erscheint, muss die Form der von ihm statt­des­sen ausgeprägten

und sichert den Begriffswert (ib. p. 334 lin. 2–6) : „verum est quod (no­­ti­tia) in­tu­itiva non potest
conservari destructo obiecto nisi per potentiam absolutam, tamen si naturaliter pos­set (sic!)
con­­ser­va­ri si­ne exsistentia obiecti, causaret (sic!) abstractivam primam sufficienter cum aliis
causis.“ Ähnlich kann auch die notitia abstractiva secunda abstrakt ausgewiesen werden und
zwar so, dass in Bezug auf sie Ein­wän­de ab­­ge­wiesen wer­den können (s. o. p. 335 lin. 23 – p. 336
lin. 14): auf den Einwand, die notitia ab­stra­c­ti­­­va com­­­ple­­­­xi, auf die prima no­ti­tia abstractiva
(sc. incomplexi) fol­gend, kön­ne kein iudicium ‘enthalten’ (er­mög­­­li­chen), sagt Ockham, das iu­
di­ci­um entfalle nicht allgemein (=dem ab­strakten Begriff nach), die no­tit­ia ab­strac­tiva könne
principium iu­dicii se­cundum dif­ferentiam temporis sein. Nicht für ontologische Sätze wie ‘albe­
do est qualitas’. Die notitia abstractiva ist abstrakt ‘allgemeiner’ und „fasst“ die no­ti­tia intuitiva
in sich: Rep. II q. 12–13 OT V p. 257 lin. 15–20. Die notitia abstractiva wird in se oder inhalt-
lich nicht dadurch präjudiziert (ein­ge­grenzt), dass die notitia intuitiva – neben dem intellectus
(ohne den sensus) – ihre causa ist.
118. Die propositio immediata unterscheidet sich dadurch (z. B. von der propositio per se
nota), dass in ihr, ver­mö­ge der Begriffe, die notitia abstractiva nicht aus der notitia intuitiva ‘ge-
folgert’, i.e. ihr nicht auch per conse­quen­ti­am anzuschließen ist; diese also nicht jene einschließt
und in ihr einen Folgerungswert erhält. Die notitia abstrac­ti­va, die bei einem kontingenten
Satz unmittelbar aus/mit der notitia intuitiva sich ergibt, kann deren Wahr­heits­wert füglich
ebenso wenig bezeichnen wie die notitia intuitiva überhaupt eine Folgerung haben/sich an­
schließen kann. Das bedeutet, dass die Begriffe in der propositio immediata keinen unbeding-
ten Zusammen­hang darstellen (erhalten); ebenso aber, dass die propositio immediata ebenso
wie die propositio per se nota und andere Satzfor­men alles was in der Erkenntnislehre generell
gelten soll für sich jeweils speziell (differenziert) noch einmal zu repräsentie­ren vermögen. Wä-
ren die Bestimmungen der Satztypen nicht an die Erkenntnislehre angeschlossen, so könnten
sie immer widerlegbar sein. Wollte man für den kontingenten Satz den unbedingten Zusam-
menhang der Begriffe über­haupt zum Merkmal erheben, wie das in verschiedener Weise W.
Chatton und Gregor von Rimini machen, so wä­re doch zu sagen, dass in der propositio im-
mediata ein Kausalnexus angesprochen wird. Erst in­dem er im kon­tingenten Satz nicht belegt
werden kann, ‘entsteht’ die propositio immediata mit der Einsicht in den Zusam­men­hang der
Begriffe qua Erfahrung. In der propositio per se nota muss man bloß die Begriffe ken­nen; es
muss vorausgesetzt werden, dass sie als solche für sich, wie sie gehandhabt werden, identisch
bleiben; die Modalität der Wahrnehmung (notitia) ist gleich­gül­tig, ebenso deren Stärkegrad.
Propositio immediata ist wie propositio per se nota ein Funktionsbegriff. Beide besagen eine
Kapitel 14.  Widerspruch und accidens 679

Vernunft als Verständigungsbasis der Intellekte nicht nur Mittel sondern auch Ge-
genstand sein. Sie setzt voraus, dass die Individuen und mit ihnen die Gesellschaft
schon verträglich sind. Die Wirkung von Ock­hams theoretischer Philo­sophie war an
den Re­zess seiner unmittelbaren Dominanz gebunden und zwar im Mittelalter wie in
der Neuzeit. Er verfügte über eine enorme Beweiskapazität, die die theologische und
philosophische Rege­lung (ineinander) einbegreift. Sie beruht auf der Ausschließung
des Widerspruchs­satzes.119

re­latio über den Begriffs- oder Sachgehalt hinaus. Ockham begründet und verwendet viele an-
dere Funktionsbegriffe gleichen Charakters, z. B. suppositum.
119. Wenn Duns Scotus sagt (Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 449 lin. 20–22): „quod nec in via nec in
patria includit contra­dic­ti­o­nem quod voluntas fruatur essentia non fruendo persona et fruatur
una persona non fruendo alia,“ muss er für die­­se unbedingte (unbeschränkte) Allgemeinheit,
die auf der zweifachen Konsistenzbehauptung überhaupt erst beruht, also das Widerspruch-
sprinzip zum inhaltlichen Prinzip macht, somit es aber faktisch im Sinne der In­halt­lich­keit,
auf die es anzuwenden wäre, ebenso wie die In­halt­lich­keit unbegründet lässt, die unbewiesene
Gleich­­heit verschiede­ner Ter­mini unterstellen = eine ‘einheitliche’ Terminologie annehmen.
Er beweist nichts. Er voll­zieht eine petitio principii. Entsprechend argumentiert Duns Scotus
auch direkt, unter Voranstellung des Wider­spruchsprinzips, dass es keinen Widerspruch ein-
schließe, weder bezüglich des Verstandes noch bezüglich des Willens, dass ein Akt eines dieser
beiden Vermögen die essentia divina ‘betreffe’ (terminat) und nicht die per­so­nae, die eine wie
die andere (ib. p. 451 lin. 6–11). Ockham erhebt mehrere Einwände (ib. pp. 452 lin. 22 – p. 455
lin. 3), zunächst den (p. 452 lin. 22 – p. 453 lin. 9), dass in Bezug auf einen terminus wie ‘dili-
gere’ nicht derart ein ‘Wi­derspruch’ bestehe, dass ‘di­ligere essentiam noch nicht bedeute dilige-
re aliquam personam aeque diligibi­lis’; dann klärt er das Widerspruchsprinzip, wie es selbst
die Basis der Scotischen Inanspruchnahme der Kon­sis­tenz für die ter­mi­ni bil­det: denn Scotus
war für die Konsistenzbehauptung von einer ‘contradictio’ ausge­gan­gen, aus deren Nichtge­ge­
benheit alias Unbewiesenheit er gefolgert hatte: ‘sic non est contradictio’; das ist nicht mehr als
eine petitio prin­­ci­pii. Ockham weist dagegen konstruktiv auf: wir können contradictoria nur
über einen Zeit­ver­­lauf qua mu­ta­tio re­alis feststellen; im Sinne der Defi­nit­heit liegt diese nicht
in re extra animam, son­dern nur in­tra­mental in ac­tus (nicht in species, ha­­bi­tus) vor. Er muss
dann zeigen, was der Akt nicht ‘entha­l­ten’ kann: den Bezug auf ein ande­res als Bedingung
eines Widerspruchs. Nichtwidersprüchlichkeit be­ruht inten­si­onal auf dem Ausschluss des Wi­
der­spruchsprinzips bzw. seiner impliziten und illiciten, der ‘ausge­schlos­senen’ extensionalen
Geltung. Im Nicht­­ent­hal­ten­sein (umfänglich als Negation von respectus realis und respectus
rati­o­nis ausge­spro­chen) ist auch die Implikati­on ne­giert (aufgehoben) und durch die Definit-
heit ersetzt worden (ib. p. 453 lin. 15 – p. 455 lin. 3). Ockham wird hier dieselben termini für
Gott und Welt annehmen, i.e. qua notitia in­tu­itiva, die für die visio beatifica in patria gilt, und
notitia abstractiva, auf die wir in via beschränkt sind, die aber für den nomi­nel­len reflexiven
Begriffswert unterstellt werden kann. Denn eine fruitio gibt es nur in patria. In via können
wir aber über sie sprechen. Außerhalb solcher ‘impugnatio Scoti’ ist es für Ockham (ib. p. 455
lin. 5–12) nach der ‘Schrift vel ex deter­mi­natione ec­clesiae vel evidenter et consequentia forma-
li’ geboten, einen Wider­spruch an­zu­nehmen. Analog nicht den Scotischen Nichtwiderspruch.
Prekärerweise fallen beide zulasten be­grifflicher Defi­nit­heit zusammen.
Nachwort

Ockham knüpft an die hauptsächlichen Topoi seiner Philosophie: Abstrakti­on, *Fol-


gerung, no­­titia intuitiva, ratio, substantia und accidens, forma und die Satz­typen
kein Hauptbewusst­sein und kennt es nicht. In dem Sinne stützen diese Topoi ein-
ander nicht und lassen auch kei­ne ge­ne­ra­ti­ve(n) Kom­po­nente(n) für einander sehen
und führen zu den Differenzierungen, bei de­nen sie le­dig­lich voneinander getrennt
vorkommen müssen wie es die entscheidenden Ope­ra­­tionen In­duktion, reprobatio,
persuasio ergeben. An die Stelle der Verbindung und Abhän­gig­­keit tritt förmlich die
Distink­tion. Sie ist dann inhaltlicher und praktischer Natur und eröff­net nega­tiv noch
ihre Reich­weite. Ockham bietet Einzellösungen, die allgemein(e) und sekun­där ana­
lytisch werden im Sinne der Met­ho­de bezüg­lich des Topos. Wir beginnen mit der
Satz­­­ge­stalt unter dem Aspekt der Be­­­zie­hung auf die Wahrheit und das Widerspruch-
sprinzip.
Da für Ockham bereits die Abwandlung des Tempus in einem Satz formell zu
einer neuen Wahrheit führt, so dass etwa dieselbe Aussage im Präteritum von der
im Futurum sich unter­schei­det (specie distinctum ist), muss die/eine Folgerung, die
mit dem Tempus verbunden wä­re, ge­strichen werden (können). Also haben wir es
mit kontingenten Aussagen zu tun, de­ren for­male Akzidenzien (und sie hat dann nur
solche) nicht inhaltlicher Teil der Aussagen sein kön­nen: sie wären sonst folgerbar.

. Cf. Quaestiones variae, q. 6 art. 3 OT VIII p. 222 lin. 33–42: „si enim modo motus non esset
nec mutatio nec tempus sed solus Deus, et crearet unum angelum, in principio quando crea-
tur angelus, verum est dicere ‘angelus creatur’, sed post non est verum dicere ‘angelus creatur’,
quia creatio dicit causam creantem et effectum creatum et connotat negationem immediate
praecedentem. Et ideo quando primo angelus creatur, est verum dicere quod creatur, quia tunc
negatio connotata per creationem immediate praecedit. Sed post non est verum hoc dicere,
quia tunc negatio non immediate praecessit.“ So gibt es nach Ockham (ib. lin. 42–45) einen
wahrhaften Übergang zum kontradiktorischen Gegenteil, der allein bei den Sätzen gilt, denn in
der Sache hat sich nichts geändert: der En­gel ist derselbe geblieben. Die Zeit, die mutatio usw.
haben wir quasi abstrakt noch nicht anerkannt; so sieht Ockham rein induktiv einen Fall für die
Möglichkeit der Aussetzung des Widerspruchsprinzips in realer Gel­tung. Er er­kennt es nicht
per se an. D. h. nicht als quasi aus der Sache geschöpft. Er hat das auf die Möglichkeit Gottes an­
ge­wandt, die er somit induktiv erklärt, (ib, p. 221 lin. 25 – p. 222 lin. 1) nach der acceptatio eines
Men­schen, ‘exsi­stens’ „in puris naturalibus“ diesen später „sine omni demerito sui“ zu verwer-
fen. Diese Verwen­dung (Er­zeu­gung) prinzipiell imaginärer mentaler Größen – NB. gegen das
Widerspruchsprinzip – haben die Avigneser Zensoren als bedenklich registriert. Cf. ib. Anm. 2
Textapparat.
682 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Das zeigt Ockham in der quaestio Utrum unitas sit ali­quid additum Deo: hier wird
für jene Bestimmungen, die mit ens äquivalent sind, aber bloß per se secundo modo
prädiziert werden können, also kon­no­­tati­ve Bedeutung außerhalb des sub­iec­tum mit
negativen Anteilen haben, relationale Refe­ren­z über das subiectum hinaus be­stritten.
Auch ens selbst gehört zu diesen Prädikaten in Bezug auf res. In der Weise können
Aussagen, die Prophezeiungen zum Sohn Gottes (und dann nach den biblischen
Berichten de­ren Einlö­sung) betreffen mit solchen, die die Trinität ange­hen, gleich
behandelt werden. Im­mer neh­men wir unsern Ausgang von den Begriffen, Begriffs-
klassifikationen in der Prädika­ti­on. Ock­­­ham behandelt hier die Theologie gleich mit
der Empi­rie und wenn man will der Onto­lo­gie. Er geht jedenfalls nicht von dem
status Gottes aus oder jener Erkenntnis, mit der wir vor­­­­ab Gott erfassten, wenn
wir sie denn hätten. Zu untersuchen ist, wie sich Ar­gu­men­ta­tion innerhalb dieser

. Ord. d. 24 q. 1 OT IV p. 72–89.
. Dazu s. S. Müller, Handeln in einer kontingenten Welt, 2000, p. 115.
. Dazu s. Ord. d. 23 q. unica OT IV p. 68 lin. 9 – p. 69 lin. 12.
. Cf. Text Anm. 13. Ord. d. 23 q. unica wird p. 69 lin. 3–12 der Satz ‘aliqua res est persona’
hypothetisch veran­schlagt und kein em­pirischer Satz: „si ista ‘aliqua res est persona’ sit (!) per
se aliquo modo dicendi per se (denn ib. lin. 1f: perso­na wird von einem suppositum prädiziert,
das eine natura ist oder hat), erit per se secundo modo et non primo mo­do. Quia numquam
aliquid negativum – nec aliquid in cuius definitione exprimente quid nomi­nis ponitur ali­quid
negativum – praedicatur per se primo modo de aliquo praecise importante rem sine tali negati­
vo, sed vel prae­­dicabitur per accidens vel secundo modo dicendi per se. Sed est advertendum
quod nolo dicere quod illud quod est suppositum vel persona praedicatur sic secundo modo
dicendi per se, sed quod isti termini, qui sunt vo­ces vel conceptus, praedicantur sic dicendi per
se secundo modo.“ Ockham macht also einen gewis­sen, strik­ten oder bedingten Unterschied
zwischen terminus und conceptus. Conceptus wird mit dem inneren (men­­talen) Be­griff identi-
fiziert. Cf. so auch J. F. Boler, Intuitive and Abstractive Cognition, in: N. Kretzmann et al. (eds.),
1982 pp. 460–478, p. 466.
. Dazu siehe auch folgendes: Da die singularia nicht so zur species vereinigt werden können
wie die species zum genus, wo eine Bezeichnung einer anderer untergeordnet werden kann,
muss die beliebte Cha­rak­te­ri­sierung der Auffassung Ockhams von der Geltung des Begriffs pro
re als Extensio­na­lismus (‘extensionalistisch’) un­sin­nig sein. Es gibt keinen Gesamtbegriff, der
die Extensi­on fasste. Spe­ci­es kann es nicht sein. Cf. Ord. d. 23 q. uni­ca OT IV p. 69 lin. 13–22:
„dico quod non est omnino simile quod sicut se habet species ad genus, in se ha­bet sin­gulare
ad spe­ci­em, quia il­lud quod est singulare est vera res extra animam, quamvis secundum unam
opi­ni­­o­­nem de con­ceptu possit esse res subiective exsistens in intellectu. Tamen quantum ad
hoc est simile quod de quo­­cum­que praedicatur illud quod est species quando stat pro rebus, de
eodem praedicatur illud quod est singu­la­re et non e converso, sicut est de illo quod est species
re­spectu illius quod est genus.“ Beim induktiven Aus­gang von den Be­griffen als solchen kommt
man nicht unbedingt zu den res singulares.
. Franciscus Mayronis hat die notitia intuitiva, um sie inhaltlich ganz zu erfüllen und exem-
plarisch bzw. for­mali­ter zu kreditieren, vorab auf die visio beatifica bezogen. Cf. G. J. Etzkorn,
Nachwort 683

Disposition ausnimmt, in der accidens, ens, unum, relatio etc. Ele­mente der Bestim-
mung des subiectum in Sätzen sind oder dessen, was das subiectum meint.
Ockham spricht vom accidens: „accidens multipliciter accipitur. Uno modo
stricte pro ali­quo reali aliud formaliter informante, sicut albedo dicitur accidens pa-
rietatis quem formaliter in­for­mat, cum quo non facit unum per se. Alio modo dicitur
accidens multum improprie pro ali­quo praedicabili, quod contingenter de aliqua re,
ipsa non corrupta, praedicatur. Et isto mo­do potest dici quod ‘creare’ accidit Deo ex
tempore, quia scilicet creans est unum praedicabile quod de Deo praedicatur con-
tingenter, Deo non corrupto.“ Sprechen wir von einer res, die als10 „substantia po-
test separari per potentiam divinam a … qualitate, ipsa substantia rema­nen­­te, et per
consequens remanente una sine tali qualitate“, so gilt:11 „res talis est una sine om­­ni
alia re – sive absoluta sive respectiva – addita.“ Dabei fällt die praedicatio von una
nicht in ei­nen un­mit­­telbar empirischen Satz.12 Es gibt daher keinen Schritt aus einem
solchen Satz hin zur Gel­tung ex­tra animam. Hier ist der Unterschied von praedicatio
(propositio) per se pri­­mo mo­do und praedicatio (propositio) per se secundo modo
relevant.13 Einen Schluss aus dem kon­­tin­gen­­ten Satz hinaus kann es in keinem Sinn

Franciscus Mayronis: A New­ly Dis­co­vered Treatise on Intuitive and Abstractive Cognition. Fr


St 54, 1994–1997 pp. 15–50. Anders Ockham. Er geht bei den notitiae vom Menschen aus und
tut es auch bei den Sätzen und deren Zuschreibun­gen an Gegen­stän­de (u. a. Gott) per Bestim-
mungen. Diese müssen aber erwogen werden.
. J. Beckmann, Ockham, Ockhamismus und Nominalismus, Fr St 56, 1998 pp. 77–95 p. 89
sieht, wie G. Mar­­­­tin, 1949 pp. 221–255 ‘Trans­kategorialität’ im Re­lations­be­­griff Ockhams. Es
müsste bedeuten, dass über den Kate­go­­ri­enbegriff mitsamt seiner Negati­on noch sich verfügen
ließe. Dann könnte ontologisch wohl kein Un­ter­schied zwi­­schen einer propositio per se primo
modo und einer pro­positio per se secundo modo mehr sein; wir wär­en von der Ebene der
Aussa­gen unmittelbar zu der der Rea­li­tät (res in se) übergegangen. Cf. auch Anm. 5.
. Ord. d. 24 q. 1 OT IV p. 77 lin. 18 – p. 78 lin. 4.
10. Ib. p. 78 lin. 13–15.
11. Ib. lin. 21f.
12. Ib. lin. 22–24: „Verumtamen hic non est praedicatio per se primo ‘res est una’ sed tantum
secundo modo, si sit per se.“ Es wird hier also wieder hypothetisch formuliert.
13. Ockham unterscheidet zwischen propositio per se primo modo und propositio per se se-
cundo modo über die un­terschiedliche Bedeutung der extrema propositionis füreinander, zu-
nächst nach seiner Klassifikation Ord. Prol. q. 2 OT I p. 180 lin. 3–15, dann mit einer von Robert
Grosseteste stammenden, ib. lin. 16-p. 181 lin. 2. Bei Ockham ist die propositio per se secundo
modo da­durch be­stimmt, dass das praedicatum (lin. 12–15) „impor­tat aliquid distinctum reali-
ter ab importatatum per sub­iectum, si­­cut hic: ‘omnis homo est risibilis’, ‘Deus est cre­a­tivus’, et sic
de aliis. Et isto modo haec esset per se secundo mo­do: materia est in potentia ad formam. Bei
der pro­positio per se primo modo (lin. 4–6) „praedica­tum non di­cit aliquid totaliter distinctum
ab importato per sub­ iectum primo.“ Nach Grosseteste gilt bei diesem Satztyp das „praedica­
tum est causa subiecti“. Ockham setzt hin­­zu: „Et ita videtur quod haec sit per se primo modo
684 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

geben.14 Das hat ‘Implikationen’ für Ock­­hams erkenntnistheoretische Position. Sie


fallen mit der Rolle des accidens zusammen.15

‘materia est in potentia ad formam’; vel nullo modo est per se.“ Zwischen causa extrin­se­­­ca und
causa intrinseca werde da nicht un­ter­schieden. Bei der pro­positio per se se­cun­do modo ist
danach das sub­iectum causa praedicati. Ockham mischt bei seiner Klassifikation nicht on­tolo­
gi­sche Grundsät­ze oder Ideen. Wir sind hier funktionell bei der pro­po­sitio necessaria, aber
nicht strikt. Cf. SL III-2 c. 5 OP I p. 512 lin. 30–32. „Aliter dicitur necessarium, per­petu­um et
in­corruptibile propositio quae non potest es­se falsa; quae scili­cet est ita vera quod, si formetur,
non est fal­sa sed vera tantum.“
14. Ockham wehrt sich im SK dagegen, das ens reale und den Bezug darauf als ens rationis
zu überformen und ei­ne distinctio ratione neben der distinctio realis anzunehmen; es wäre
eine intensionale Erweiterung, die be­züg­lich des­sen was re­al ist, nämlich ens reale und di-
stinctio realis, als deren Übersetzung ins Mentale falsche Fol­ge­run­gen bedingen müsste und
denjenigen intensionalen, die Ockham will, vorgriffe oder sie ausschlösse. Er wi­der­­legt sie und
führt seine Beweise ge­gen oder ohne diese Übersetzung und erreicht so seine Entscheidungen
in Fragen wie der ob das ens das primum obiectum et adaequatum des Verstandes sei. Da-
mit widerlegt Ockham auch die ontologischen Annahmen des Duns Scotus. Dass es sein Ziel
sei, kann man nicht sagen, weil Ockham die Transferierung des Realen ins Mentale für die
Exegese von elementaren Sätzen, gerade auch denen, die Dog­ma­­tik betreffen, ablehnte; eben
dieser intentionelle oder fiktive Ausgriff (oder Vorgriff) war bei Duns Scotus no­to­risch. Noch
Ockhams Entscheidungen zur Zweinaturenlehre beruhen auf der Umgehung dieses Ver­fah­
rens. Quod­­li­beta V q. 21, p. 563, auf die O. Leffler, 1995 p. 278 hinweist, besagen zu diesem
Verfahren Ockhams nichts.
15. Hier lässt sich die Prädikation „ontologisch“ ausdrücken (Sum­mu­la philo­so­phiae naturalis
q. 125 OP VI p. 733 lin. 11–13): „ (Aristoteles) non ponit (quod) quantitas differt a sub­stan­tia
et qualitate, et per con­sequens ip­se po­nit quod omne accidens immediate re­cipitur in aliqua
substantia.“ Dabei kommt eine kontin­gente Prädika­ti­on ins Spiel (Expositio in Librum Praedi-
camentorum Aristotelis c. 10 OP VI p. 229 lin. 80–85): „sciendum quod quam­­vis quan­­titas non
est alia res a substantia et qualitate, tamen con­tin­genter praedicatur de substantia, ita quod
quan­tum est ex forma praedicationis et ex forma quid nominis ipsius substantiae, non repug­nat
substantiae esse et tamen quod non esset quanta; licet aliter sit secundum intentionem Philo-
sophi.“ Sie ist aber intensional kontin­gent, d. h. intramental, selbst wenn extramental gesehen
eine kausale Verknüpfung von sub­iectum und passio an­ge­nommen werden kann (Quae­stiones
va­ri­ae q. 2 OT VIII p. 33 lin. 120–123): „non ob­stan­te causalitate cuius­cum­­que subiecti ad pas­
sionem, numquam sub­­iecti no­­titia incomplexa ducet (sic!) in noti­ti­am incomplexam pas­si­­o­
nis.“ Auch die Realwelt ist kontingent (Bre­vis summa libri Phy­si­co­rum lb. I c. 1 OP VI p. 14
lin. 96–99): „non est imaginandum quod quantitas sit accidens di­s­tinctum a substantia et qua­
litate realiter in­hae­rens ei, sed ideo di­ci­­tur accidens quia connotat aliquid extrinsecum vel quia
est con­tin­gen­­ter verificabile de sub­stantia et qualitate.“ Das ist die Disposition (und Gegenpo-
sition) für ei­­ne Wissenschaft, die bereits im Mittel­al­ter eine Identität von Not­­­wendigkeit und
Realitätsbasis suchte. Cf. J. Weis­heipl, 1984. Für Ock­ham ist selbst die pro­positio per se no­ta
be­dingt auf die Kontingenz festgelegt (Brevis summa lb. II c. 1 OP VI p. 27 lin. 80 – p. 28 lin. 85):
„‘per se no­­tum’ potest esse du­pli­­­citer, scilicet stricte cui nullus intellectus bene dispositus potest
con­tra­dicere, ut ‘omne to­tum est maius sua par­­te’. Aliter accipitur large, scilicet pro eo quod
Nachwort 685

Man gewinnt unum, accidens, ja quantitas,16 also förmlich jede Relation, induktiv
durch Ver­nei­nungen in der res.17 Danach überschreiten sie diese auch nicht.18 In der
res ent­fällt die re­la­tio (nach außen). Beide können abstrakt identisch gesetzt wer­den.19
Da­mit ge­win­nen wir ei­nen anderen Inbegriff des Denkens und Erkennens nach der
Satz­form, und zwar so, dass wir zwi­­schen abstrakt und empirisch nicht mehr eigent-
lich unter­schei­den kön­nen, die Gel­tung der Begriffe aber gesichert haben. Wir erwer-
ben hypothetisch ei­ne pri­mä­re Sprach­­form, die keine lo­gische ist. Sie hat allgemeinen
Charakter und ist darin für die Empirie aus­ge­legt, oh­ne dass die­­se in se erreicht wer-
den muss.20 Ockham stellt eine intensionale Negativität selbst für den kontingenten
Satz fest; an dessen falsche (onto­logi­sche) Aus­le­­gung schließen sich die re­pro­ba­tiven,
intensional negativen consequentia an, i.e. das consequens, das jeweils die signi­fi­ca­tio
als Verkörperung des ontologischen, des abstrakt allgemeinen Zusammenhangs ne­
giert. Hier wer­den die ontologischen Terme wie essentia, substantia, forma, accidens,
am En­de auch ens und habitus eben­so­wohl im Sinne ihrer direkten Geltung vonsei-
ten der Erfüllung ex­tra ani­­mam her bestritten, wie in eben dem Sin­ne intensional

non potest fieri evi­dens per propositiones no­ti­ores sed tantum per experientiam, et sic istae
propositiones dicuntur per se notae.“ Ock­ham zielt auf empiri­sche Erkenntnis (Wis­senschaft),
jedenfalls ist sie nie ausge­schlos­sen. Cf. M. H. Carré, 1946, 1967.
16. Cf. Ord. d. 24 q. 1 OT IV p. 80 lin. 22: „quando continuum dividitur, tunc utraque pars est
una.“
17. Cf. Ib. lin. 4–6: „a dicitur unum, non quia aliquid sibi a parte rei conveniat, sed quia a est a
et ens, et non est b nec c nec aliquod aliud ens ab a nec aliqua entia.“
18. Unum kommt der res nicht per accidens zu. Cf. p. 80 lin. 7–19.
19. In dem Sinne wird die begriffliche (abstrakte) Qualität auch nicht identisch als die reale
empirische gesetzt wer­den, außer vielleicht so, dass die Begriffe ihren einhelligen Sinn behal-
ten. Cf. Ord. d. 24 q. 1 OT IV p. 85 lin. 1–10: „dico quod ista ‘unum differt ab ente’ vel ‘unum et
ens differunt’, potest distingui eo quod termini pos­sunt supponere simpliciter vel personaliter,
vel unus terminus simpliciter et alius personaliter. Primo modo dico quod simpliciter differunt,
nec sunt idem. Quia tunc isti termini supponunt pro conceptibus, isti conceptus – sive sint tan-
tum obiective in mente sive subiective – non sunt idem conceptus. Secundo modo quod unum
non differt ab ente, nec simpliciter nec secundum quid nec formaliter nec quocumque modo,
non plus quam ens differt ab en­­te.
20. Ib. lin. 17–23: „accipiendo ens et unum, dico quod differunt. Et quando dicitur quod dic-
unt eandem naturam, ve­rum est quod isti conceptus, qui diffe­runt, dicunt eandem naturam,
sed non sunt eadem natura. Unde multum re­­fert dicere ‘sunt eadem natura’ et ‘di­cunt eandem
naturam.’ Sicut haec vox ‘ensis’ et haec vox ‘gladius’dicunt eandem naturam, et tamen non sunt
eadem natura.“ Ockham besitzt eine starke Tendenz zur Materialität der Spra­­­che, bei der der
semantische Unterschied noch nicht aufgekommen ist, der dann in der logischen Gliederung
der Aussagen gleichsam übersprungen wurde. So zeichnet Ockham mit der suppositio mate-
rialis ‘materiale’ Tei­­le der Rede aus, wie sie sich selbst mei­­­­­­nen. Cf. SL I c. 67 – OT I,1 p. 205–207.
So fällt unter die suppositio ma­­terialis jeder laut­li­che oder gram­ma­­­tische As­­pekt.
686 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

behauptet. Die Ne­ga­tion ist Wahr­heit im Sinne der realiter oder extramental ex se
nicht be­haupt­ba­­ren, mithin se­man­ti­schen Wahrheit. Der Wahrheitswert hat einen
in se negativen, einen redupli­ka­tiven oder mo­dalen, aber keinen semantischen Sinn.
Diese Negationen aber gelten vorzugsweise kontin­gen­ten oder we­nigs­tens empirisch
zugänglichen Sätzen. Dabei kon­­­zediert Ockham oft den un­fil­trier­ten normalen mo-
dus loquendi bedingt, während er doch erst im Sinne seiner Argumentationen und
Struk­tu­ren den Sinn von termini ent­deckt, den er als nicht widersinnig pseudo-em-
pirisch nicht ab­lehnt; eben dieser sinnvolle modus ist dann ab­strakt, also keines­falls
mehr extramental ge­gen­standsbezogen aufzufassen.21
Suppositionslogik und Widerlegung(en) stimmen darin überein, dass ein Bezug
auf die Re­a­li­tät für die Begriffe als deren Sinn ausmachend nicht angenommen wer-
den kann; gäbe es ihn, wäre in den Satz (Satzausdruck) hinein die Ontologie möglich,
die er damit zu spiegeln oder auszudrücken hätte.22 Dass Suppositionslogik und Wi-
derlegung sich nahestehen, zeigt nicht nur der Gebrauch der suppositionslogischen
Unterscheidungen von suppositio personalis und suppositio simplex, mittels deren
ein Satz gänzlich ausgeschieden werden kann, wenn er durch keine der beiden rek-
tifiziert werden kann oder aber immerhin reguliert, wenn er eine von ih­nen erhält.

21. O. Leffler, 1995 p. 187 hält es für einen „grundsätzlichen Fehler anzunehmen, dass Ockhams
Theorie der ab­so­­­lu­ten und der konnotativen Nomina zum Zweck semantischer Aussagenanaly-
sen eingeführt wurde.“ Ob Ock­ham jedoch ei­ne erkennende Sprach­formenlehre aufbauen oder
nicht eher Störelemente des sprachlichen Aus­drucks in Rich­tung auf die Defi­ni­tion des Erken-
nens begradigen und beseitigen wollte, ist zu fragen. Ockham nimmt nicht wie die Modisten
eine natürliche Erkenntnisförmigkeit im sprachlichen Medium an. Die Lo­gik als ars ordnet
Ockham (s. p. 92 Anm. 173) auch der von Leff­ler p. 25 quasi für au­to­nom erklärten ‘virtus sermo­
nis’ über. Der ‘Wortlaut’ er­gibt noch nicht den Sinn. Cf. p. 93 mit Wort­laut Ockham Anm. 176,
cf. noch SL I c. 66 lin. 51–56. Dabei ist der Sinn für Ockham va­r­i­a­bel, wie sei­­ne Autorenemen-
dationen erkennen lassen. Klar ist, dass (SL I c. 66 lin. 57–78) die Unterscheidung von ac­tus
ex­ercitus und actus signatus (Leffler, p. 166) „hilft, … Ver­wirrun­gen­ … ­zu vermei­den“. Die Dif-
ferenz, die Ockham aber erst aufstellt und ge­gen Aristoteles ri­chtet, be­­steht nicht schon an sich.
Sie ist lo­gischer Na­tur. Cf. ib. lin. 128–136 (gegen Por­phyrius). Ib. lin. 120–123 wird klar, dass eine
Ein­sicht ge­­mäß der suppositio per­sonalis für die Sät­ze ‘singulare est primo unum nu­me­­ro’ und
‘in­­dividuum pri­mo distin­gu­itur a com­mu­­ni’ nicht bestehe, je­­doch für diese Sätze als actus si-
gnati und ver­mö­­ge der suppositio simp­lex. Ockham definiert die Stu­fen lo­gisch. Den Ausgang
von der Spra­che zu neh­men, verwehrt SL I c. 3 OP I p. 11 lin. 13–16: „Utrum autem par­­­ti­ci­pi­is
vocalibus et scriptis correspondeant in men­­te quaedam intentiones a verbis distinctae potest
esse dubi­um, eo quod non vi­de­tur magna necessitas ta­lem plura­li­ta­tem po­ne­re in mentali­bus
terminis.“ Ib. 16-26 könn­te ei­ne Kunst­spra­che meinen, bei der Par­ti­­zipi­en ent­behrlich erschie-
nen. In Ockhams Diskursen sind Partizipien syntaktische Elemen­te wie synca­the­go­re­ma­ta – oh­
ne se­man­­ti­­sche Prä­va­lenz. G. Leff, 1975 p. 135 Anm. 60 be­zieht mit Boehner ‘de vir­­tute ser­mo­nis’
rich­tig auf den Satz in der passenden Sup­­po­sition. Die Sup­­po­sitions­lo­­gik ist von realitas und
Sprache un­ab­hän­gig.
22. Das hatten die älteren Suppositionslogiken von Wilhelm von Shyreswood, Lambert von
Auxerre und Petrus His­­panus, so wie W. Chatton und W. Burleigh angenommen.
Nachwort 687

Schließlich aber kann die suppositionslogische Rektifizierung eines damit im


Prinzip kontingenten oder elementaren Satzes in Sonderheit in der Theologie bei
Ockham eine seiner kettenformigen Reprobationen abfangen und beenden; im Prin-
zip wurden so zu­sätz­­li­che Ausle­gungen onto­lo­gischer Begriffe, die nach Ockham da-
bei ihre Determinat­heit ver­­­­­loren haben und folglich durch die Zusätze nicht expliziert
wurden, ausgeschieden. So lässt sich ein theologischer Inhalt abstrakt rechtfertigen
und von empirischem Weltgehalt und natürlichem Realitätsbezug freihalten.23 Da-
bei definiert ‘Widerspruchshaftigkeit’ die in se un­er­reichte Realität.24 So lässt sich ein
theologischer Gehalt abstrakt, mittels und gegen die On­to­­­lo­gie, als pro forma empiri-
scher einreihen; er hat seine Legitimität, indem es gegen ihn den Wi­derspruch nicht
gibt, der über unzulässige (widerlegbare) Explikationen der Ontologie eru­iert werden
konnte. Hierbei zeigt sich gerade über die Begrenzung ontologischer Ausle­gun­­gen,
dass er der unmittelbare Bezug auf die res nicht möglich ist. Er ist nicht definit.25

23. Aber Ockham redu­ziert den the­o­lo­gischen Ausdruck der sa­cra theologia in Bezug auf re-
probationsfreie ele­men­tare Sät­ze mit ihm zu­­­­läs­­sig (taug­lich) erscheinendem Aus­druck.
24. Der Widerspruch wird von der Abstraktion so getrennt, dass wir ihn als deren Grundlage
anerkennen kön­nen, aber nicht in seinem Sinn operiert wird. Das ist die Basis der Induk­ti­on,
so dass sie mit dieser Art der Ab­­­strakti­on erst, sc. der vom Widerspruch im Sinn des Vollzugs
in einer Opera­ti­on, zustande­kommt oder de­fi­niert (be­schrie­­ben) ist. Es ist so etwas Geläufiges,
was Ockham Rep. IV q. 6 OT VII p. 99 lin. 4–11 äußert: „Aliter di­co quod non est contradictio
quod substantia habens accidens sit alicubi ubi non est su­um acci­dens, sicut in pro­po­sito ex­
emplo, et hoc propter distantiam improportionatam. Hoc patet per ex­empla. Unum est de na-
tura as­sump­­­ta a Ver­bo. Secundum omnes unio naturae humanae ad Verbum est similis unioni
ac­ci­dentis ad subiectum, licet non in omnibus. Sed non obstante ista similitudine, potest natura
divina in Verbo es­se – et est – alicubi ubi non est natu­ra assumpta, igitur eodem modo potest
esse in proposito.“ Der Wi­der­spruch entfällt mit der nicht ab­so­­luten Gel­tung des accidens, über
das Identifikationen bewirkt werden kön­nen, die nicht absolut sind. Das ac­ci­dens hat kei­ne
absolute Bindung an das subiectum (substantia). Christus ist nicht leiblich in der Eu­charistie zu­
ge­­­­gen (ib. p. 89 lin. 21). Ockham „‘vollzieht’“ einen Übergang von der praesentia in lo­co cir­cum­
scrip­tive zur praesentia in lo­co definitive über den Abbau der obligatorischen Verbindung von
sub­stan­tia und accidens, wo er zu­­vor für de­ren Verhältnis gerade nicht argumentieren wollte
(p. 88 lin. 15–24): „dico quod dupliciter accipitur ac­­cidens. Uno modo pro aliqua re informante
substantiam. Alio modo pro conceptu prae­­di­ca­bi­­li de substantia com­muni, qui aliquando pra-
edicatur de ea, aliquando non. Primo modo … non est ac­ci­dens (näm­­lich so, dass es von der
sub­­stantia nicht verschieden ist, wie es nach Ockham substantia und quan­­ti­tas empirisch nicht
sind), quia non est res absoluta nec respectiva alia a substantia et qualitate. Secundo mo­do est
accidens, quia est est qui­dam con­cep­tus qui aliquando praedicatur de substantia, aliquando
non. Unde est con­cep­tus connotativus sig­ni­ficans sub­­stan­ti­am et qualitatem, tamen conno-
tando totum coexsistere toti et par­tem par­­ti.“ Das exemplum propositum o. gilt der Frage,
ob (ib. p. 98 lin. 20) „ignis (hic) ageret in passum im­pro­po­r­tionatum et non approximatum
(Romae)“.
25. Dabei ist der explizit ontologische Ausdruck für Ockham schon de virtute sermonis
nicht zwingend. Gleich­wohl ist die Erklärung eines Satzes ‘de virtute sermonis’ dem bonus
688 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Die Ontolo­gie wird bei Ockham von der Argumentation aufgenommen: er


nimmt an,26 dass „in augmentatione“ die for­ma accidentis „non corrumpitur sed ma-
net.“ Er entscheidet sich da­für aus Gründen der Ar­gu­­men­­ta­tion:27 „Si enim corrum-
peretur forma praecedens, se­que­rentur multa in­con­­ve­­ni­­en­tia et multae difficultates,
quae non sunt concedendae nisi apppa­re­at nimia necessi­tas.“ Die necessitas könn­te,
argumentativ ermittelt, auch empirisch sein und Restrikti­o­nen gegenüber der Argu-
mentation besagen. Ar­­gumentation und Erfahrung wider­spre­chen sich nicht. Die
Ontologie dient dabei der Reduktion (Min­de­­rung) des Bezugs der Be­­­grif­­fe auf die
res. Die Affinität der On­tologie zur Negation = Reprobation bedeutet, dass ex­pli­kative
Ope­­­rationen, für Peter von Ail­ly spä­ter zentral28 (der freilich weithin nur die ‘per­su­­
a­­sio’ für mög­­lich hält29), ausgeschlossen sind. Autrecourt hatte die explikative Ver­
wendung on­­to­lo­gi­scher Begriffe gefordert und für unmöglich gehalten.30

intellectus nicht übergeordnet und nicht gleich (SL III-3 c. 30 OP I p. 706 lin. 243–245): „Ac-
cipio tamen eam (= propositionem) in proposito secundum bo­num intellectum, sive ille in­
tel­lectus sit de virtute sermonis sive non, non curo ad praesens.“ Cf. auch Brevis Sum­ma OP
VI p. 26 lin. 31f: „non vult Aristoteles quod haec sit vera de virtute sermonis ‘domus generatur
vel fit’. Das ra­­ti­onale Verständnis ist also bei Ockham dem bloßen Sprachverständnis über-
geordnet, wie ja alle sei­ne Erör­te­rungen schließlich be­le­gen, z. B. die zur sacra theologia, wo
ja auch noch die Widerle­gung sprachlich ta­del­lo­ser Sätze, sogar elemen­ta­rer (kontingenter),
gegen die Angängigkeit des sprachlichen Aus­drucks, der ver­ständ­lich, aber nicht nach den erst
noch zu explizierenden Maßstäben des Verstandes schon sinn­voll ist, viel­mehr als gegenüber
dem Sprach­ge­brauch direkt indefinit erwiesen werden kann. Dabei kann so­gar der Sinn noch
durch sup­positionslogische Rek­tifikationen gleichsam rational gestiftet werden. Eine Frage ist,
ob damit der nicht mehr unmittelbar eingän­gi­ge Sinn für die Vernunft einer sein kann; aber
die Frage ist an die Scho­lastik na­tür­lich im­mer schon zu richten ge­wesen. Da es das Sprach­
verständ­nis letztlich auch keinen Maß­stab gibt, wie das Beispiel ja schon zeigt, ist Ock­hams
Anhänglichkeit an den Ausdruck ‘de virtute sermonis’ wie im Sinne ei­nes Aus­schluß­­moments
zu be­werten: es gibt keinen Grund (ratio). Es ist ein präventives Argu­ment. Über sprach­lich
un­ge­lenke Sätze wür­de gar nicht entschieden werden können, also muss letztlich lo­gisch, und
das heißt: auch oder vorab nach explizit logischen und hier womöglich artifiziellen Interme-
diationen entschieden wer­den.
26. Ord. d. 17 q. 5 OT III p. 491 lin. 11ff.
27. Ib. lin. 13–16.
28. Cf. P. Vignaux, 1938 u. 1948.
29. Cf. B. Hägglund, 1955.
30. Ontologie und Sup­positionslogik bilden nicht den unbedingten Ge­gen­satz, den G. Leff,
1975 p. 139 annimmt. Beide ha­ben eine negative Tendenz, die sich in der gemeinsamen Ver­
wen­dung in­nerhalb von Reprobationen ent­hüllt. Entscheidend ist, dass der anlytische Modus
ratiocinandi ausgeschlossen wird. Er wird von W. u. M. Knea­le zum Maßstab aller Dinge in der
Logik gemacht. Gegen deren leichthändige Invektiven gegen Ockham pro­tes­tiert Leff, p. 136
Anm. 66.
Nachwort 689

Wie Ockham über den sprachlichen Ausdruck entscheidet, und zwar auf der
Gren­ze von der Mentalwelt zur Objektwelt, entscheidet über den Einsatz des Wi­der­
spruchs­prinzips und so über dessen Geltung und Modifikabilität, und damit auch
über Fol­­­­ge­rung und Ab­surdität, von deren Seite aus wir wieder über die Welt ent-
scheiden und zwar so, dass sie qua Absurdität Mög­lichkeiten besitzt (enthält), mit
denen wir auch the­o­lo­gi­sche Entschei­dung­en treffen kön­nen; es gibt im Namen des
rektifizierbaren Wider­spruchs­­­prin­zips Rektifikati­o­nen des Welt­bil­des und der Theo-
logie, über die beide koinzidieren kön­nen; immer geht die In­duk­tion dabei vom (mo-
difierten oder rektifizierten) Widerspruchs­prin­zip31 aus, das die Welt so wie sie nicht
sein kann, nämlich aus der Welt entfällt, begrenzt im Sinne eines Urteils als möglich
darstellt, derart dass eine Wahrheitsbehauptung, eine Rea­li­­tät extra nos nicht unter-
stellt werden muss.
Ockham fragt,32 ob die Welt seit Ewigkeit bestehe oder ei­nen An­fang durch einen
Schö­pfungs­­akt genommen habe, und stellt fest, keine der beiden Aussagen sei wi­der­
sprüch­lich: utraque „potest teneri“. Keine von beiden „pot­est sufficienter improbari“.
Zu dem Satz „mun­dus potuit fu­is­se ab ae­terno“ sagt Ockham:33 „Tamen aliquibus
videtur in­clu­de­re ma­ni­fes­tam contradictionem. Sed illam contradictionem non vi-
deo, nec ex parte Dei nec ex parte cre­a­­tu­rae. Ve­rum est enim quod mundum fuisse ab
aeterno creatum, ut Sancti loquuntur, includit re­pug­nantiam (Un­ver­­ein­barkeit),34 su-
mendo scilicet ‘creari’ pro capere esse de nihilo post non-es­se secundum durationem,
ita scili­cet quod suum non-esse duratione praecessit suum esse. Nec sic est de hoc
aliqua quaestio realis (oder rationa­lis), sed hoc est quod quaeri debet: Utrum illud
quod de facto sic producitur quod eius non-esse realiter secun­dum du­rationem prae­­
cessit suum esse potuisset a Deo (sic) produci quod eius non-esse non praecessisset
esse du­ratione. Et dico quod non video aliquam contradictionem includere quod sic.“
D. h. so, dass der Begriff esse nicht selbst tan­giert wäre. Denn würde das esse selbst
produziert, wäre es (sein Begriff) widersprüchlich und es gäbe auch kei­nen Be­zug des
Schöpfers auf es; es fiele aus der Welt, die doch gerade erst geschaffen werden soll.
Der Re­kurs auf die ‘po­­ten­tia divi­na’ muss da nicht widersprüchlich sein. Das merkt

31. Das Widerspruchsprinzip ist nicht per se wahr und in Geltung nur soweit wie es ‘modifi-
ziert’ werden kann, al­so einem bestimmten Sachverhalt entspricht, der derart nicht folgerungs-
artig dargelegt werden kann. Der Sach­­­ver­halt ist ein akzidentelles Moment, das nicht mit einem
Begriff von Realität (in se) gleichziehen kann. Es ist das in se erlöschende Akzidenz, wie es ja
bezüglich der substantia nicht anders sein kann.
32. Quaestiones variae, q. 3 OT VIII pp. 59–97.
33. In Ed. ib. p. 59 Anm. 1.
34. Das Diktum, Gott habe die Welt von Ewigkeit zu Ewigkeit geschaffen, kann also in diese
Regulation des Sprachgebrauchs und der theologisch-philosophischen Entscheidung vonseiten
Ockhams nicht eingehen. Es be­steht in einer uneigentlichen Sprechweise. Die Korrektur setzt
sich also an die Stelle des diffusen und eigent­lich bedeutungslosen, ja erkennbar unsinnigen
religiösen Ausdrucks. Das wäre auch ein geschichtliches Faktum.
690 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Ockham selbst an: „Ex quo Deus potuit quid­­quid non includit contradictionem“ und
nicht aus der Welt fällt. Wir dürfen auch nicht mit der Vor­stel­­­lung von der Ewigkeit
der Welt aus der Welt fallen.35 Es entfallen Fragen wie die ob creatio und Deus ipse
ne­ben der­je­ni­gen von der Ewigkeit der Welt überhaupt Bestand haben können, bzw.
könnten, wenn wir die Re­alität schon un­ter­stellen wollten.36 Das macht die Frage
sinnlos; es gäbe immer schon das esse. Das müsste ei­nen Truis­mus be­deu­­ten oder ei­­
ne pe­titio principii, der allerdings Duns Scotus Gottesbeweis unterliegt.37 Wo wir von
Gott sprechen und Äquivokationen vermeiden, haben wir den Satz von der irrelevan-
ten und wider­legbaren ontologischen Prädikatenfundierung getrennt.38

35. Insofern gibt es einen förmlichen Realitätsbezug, der aber ein offener (nichtkomplexer) ist,
sofern der Sinn, der mit Annahmen, darunter eben auch Schöpfergott u. a. zusammenfällt, kei-
ne Realitätsanhänge und Sachver­haltsreklamationen dulden kann, die ihn unmittelbar aufhö-
ben. Mit solchen ist er unvereinbar: includit repugnan­tiam. Aus dem Ausschluss der repugnan­
tia, schöpfen wir induktiv die (noch oder begrenzt) relevante Mei­nung.
36. Wenn wir sie für sinnlose Fragen halten wollen, so zeigt sich, dass sie zugleich Aporien
darstellen oder in sol­che münden. Es ist zu fragen, ob nicht die Theologie von ihnen zu oft
apologetisch ihren Ausgang nahm. Unter­legt man sie hermeneutisch der Geschichte und Ge-
schichtsforschung begibt man sich der zulässigen forma argu­menti, i.e. auf den Abweg der
Irrationalität und der Gegenstandslosigkeit.
37. Man wird Ockhams Korrekturen vielleicht weniger künstlich, irrational bzw. bloß abstrakt
imaginär fin­den, wenn man sich vorgibt, dass der Gegenstand selbst auch eigentlich unkonkret
und abseits von realempiri­schen Verständnissen sein kann, wenn man sacra theologia treibt.
Hier bringen der Va­ter und der Sohn den Hei­li­gen Geist hervor, während sie alle als Gott von
Ewigkeit zu Ewigkeit sind. Cf. E. M. E. McTaggart, 1934 p. 159. Die­ser an sich simple ‘Wider-
spruch’ muss also a priori weggelassen werden. Ockham packt gleich das Wi­der­spruchs­­­­­prinzip
überhaupt hinzu, wie es McTag­gart und Bradley nicht an­ders mit allen mög­li­chen Relati­ons­
be­grif­­fen und Satzfunktionen getan haben. Diese können a se tö­richten oder wider­leg­baren
Fol­ge­run­gen entspre­chen. Die Widerlegbarkeit, die Ockham beschreibt, aber muss in sich dem
Bruch zwischen sub­stantia und ac­ci­dens entsprechen und analog dem Verhältnis des Sat­zes
zur Welt extra nos. Es kann für Ockham also eine Fol­ger­­barkeit zwischen Sätzen a limine nicht
geben und die Wider­legbar­keit tritt dort ein, wo das Prädikat nomi­nell identisch mit der oder
einer Folgerung nicht bestehen kann. Dass es mehrere (diver­gen­te) ge­ben könn(t)e, ist dann
noch ein besonderer Punkt. Er bezeichnet letztlich die Definitheit. Der widerlegte Satz hat da
ein Prädikat, das, als Index fungierend, wie die reprobatio zeigt, nicht realitätsträchtig (signifi-
kativ) sein kann.
38. Sie müsste immer Implikation und ‘Kausalität’ gleichsetzen, die Kausalität mental und/
oder real gedacht. Wir finden alle drei Punkte, wenn Duns Scotus subiectum und praedicatum
aufeinander bezieht, und ihren Zusam­men­­­­hang, notgedrungen als einzigartigen und notwen-
digen ausgeben, suggerieren, begründen oder beweisen will. Über das hinaus was Ockham
dagegen zunächst prinzipiell vorbringt (cf. Kap. 1: Das Verhältnis der Be­grif­fe bei Ockham),
zeigen sich auch die ontologischen oder logischen Auslegungen der Satzsubjekte in den Sät­­zen,
die – als Elementarsätze – die sacra theologia beinhalten, als inkonsistent; sie werden widerlegt,
wenn die Prädikate als insignifikant, d. h. mit den subiecta unvereinbar dargestellt werden.
Nachwort 691

Dass Ockham kein ‘a priori’ aufbaut oder auch nur voraussetzt, kann bewiesen
wer­den, weil er das ‘a priori’ mit dem ‘principium per se notum’ identifiziert,39 diese
Erkenntnis aber nicht für die einzige anerkannte und legitime hält und seine Erkennt-
nistheorie ge­nerell nicht über die propositio per se nota aufbaut. Sie hat viel­mehr
eine Randexistenz.40 Ockham je­doch muss die Allgemeinheit der/von Erkenntnis (in
sich selbst) an­neh­men. Er kann sie aber nicht (aus­schließ­lich) auf die Wahrnehmung

Dass das – im Rah­men von Kontingenz – geschehen kann, liegt wesentlich an der Suppositi-
onslogik, die es erlaubt, formelhaft In­kon­­­sistenz und Konsistenz darzustellen oder auszudrüc-
ken und sich sogar kettenförmigen reprobativen Beweisgängen anfü­gen lässt.
39. Cf. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 84 lin. 7–24: nach Augustinus „… anima … illas artes dicitur
attulisse secum de quibus ordinate interrogata recte respondet sine experientia. Et hoc contin-
git quando ultimata resolutio stat ad principia per se no­­ta. Tunc enim non oportet nisi quod
ordinate proponantur conclusiones immediate sequentes ex propositioni­bus per se notis, et
postea aliae sequentes ex illis, et sic semper procedendo usque ad ultimas. Alias autem artes
non attulit secum, quae scilicet non resolvuntur ad principia per se nota sed tantum ad princi-
pia nota per experi­en­tiam. Si enim resolutio staret ad principia per se nota, doctor habens illam
scientiam posset proponere discipu­lo principia per se nota ad quae – certum est – discipulus
recte responderet. Secundo posset proponere conclusio­nes immediate sequentes ad quas dis-
cipulus recte responderet, quia videret eas sequi ex propositioni­bus per se no­tis. Tertio posset
proponere propositiones immediate sequentes ad ad quas etiam recte responderet propter ean­
dem rationem. Et sic etiam procedendo usque ad ultimas.“ Hier müsste denn ein geschlosse-
nes Wissen vorlie­gen. Man mag dabei an Platons Menon denken, wo ein ungebildeter Knabe
aufgrund der Ideenschau, die so de­mon­striert werden soll, alle ihm gestellten geometrischen
Fragen deduktiv beantworten kann oder an Aristoteles’ Metaphysik mit der Unterscheidung
von apriorischem und empirischem Wissen.
40. Deut­lich schon p. 87 lin 17f: „Nec sunt idem … ‘principia pri­ma’ et ‘principia per se nota’.“
Dabei gibt Ock­ham zu, dass (eine) scientia, die aus einer ande­ren notitia complexa entstehen
muss, unvollkommen sei. Sie sei weniger vollkommen als die notitia intuitiva, die auch Gott
einzig habe (p. 83 lin. 3–16): „concedo quod intellec­tus divinus non habet scientiam sic stricte
sumptam.“ – nämlich eine scientia, die aus einem Be­­weis hervorge­hend gewiss geworden sei,
nachdem sie zuvor bezweifelt wurde – „Nec ista sci­en­tia dicit perfectionem simplici­ter sed in-
cludit imperfectionem, scilicet quod sit nata pro­du­ci ab alia notitia complexa.“ Sie geht also aus
einem anderen Satz hervor. Über diesen Satz in sich wird damit noch nichts gesagt. Gott kann
natürlich immer nur eine in actu vollkom­me­ne Er­kenntnis haben und muss da­her schon und
ausschließ­lich eine notitia intuitiva haben. Aber auch die notitia intuitiva ist damit noch nicht
in sich als vollkommen ausgegeben. Ein termi­nus, der wie no­ti­tia intuitiva, nicht analytisch
ausgelegt werden kann, sondern vielmehr dem ent­gegen durch seine ‘ratio’ be­stimmt wird,
kann auch nur partikular per inductionem ange­wandt, d. h. in Funktion gesetzt werden. Diese
über­streicht abstrakt Fälle, die im Sinne einer implicatio dann negativ, i.e. als nicht widerspre-
chend dargestellt und integriert werden müs­sen. Eine solche Abstraktion, die im Sinne einer
‘ratio’ kodifiziert wird, setzt keine essen­ti­a­­lis­­ti­sche Tautologie, wie das Vignaux zu behaupten
suchte, sondern sie wird in Sinne von Nichtwiderspre­chend­­­­­heit ausgelegt und eben damit ent-
wickelt oder „expliziert“. Äquivalent gilt dann auch eine persuasio einge­lei­tet mit: ‘non est ma-
ior ratio’ (und weitere ähnliche For­mu­lie­run­gen), ‘non est inconveniens’ usf.
692 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

von individua (i.e. no­ti­tia intuitiva) stützen. Er sagt des­halb: viele notitiae intuitivae
seien nötig, wenn eine allge­mei­­ne Aussage (principium) aus Ein­­­zelfallerkenntnissen
geschöpft werden (können) soll.41
Ockham muss sich not­wen­­dig auf die Abstraktion hin be­wegen, die er per Argu-
mentation und persuasio­nes vorzu­neh­­men hat. Alle Über­legungen und Erörterungen
Ockhams erscheinen dabei widerspruchs­frei (konsistent) un­ter dem Aspekt der aus
der empirischen Singularität entstehenden Induktion, welche sich dem ‘a pri­ori’ entge­
gensetzt und bewirkt, dass alle seine Erörterungen förmlich (deter­mi­nat) mit­einander
verbun­den einen Widerspruch in der Sache (res ipsissime singularis) nicht mehr ha­
ben können. Sie ver­binden also alle Konzepte. Sie werden unter dem Gesichtspunkt
der Ab­straktion vereinigt sein. In Summa zeigen Ockhams Erörterungen: Die Kon-
tingenz kann die Not­­wen­­digkeit nicht in sich enthalten und eben auch nicht über das
Me­dium der Be­grif­fe, Sät­ze, Be­weis­führungen etc. Ebenso kann (die) Notwendigkeit
nicht in diese eingehen oder ein­drin­­­gen, indem sie über (höhere, übergeordnete) ‘Be-
griffe’ bestimmt wür­de oder be­stimmt wä­­­­­­re, so dass sie dann für die Sätze, Begriffe,
Schlussfolgerungen allge­mein sich er­gä­be. Also in der Reflexion auf die Erkenntnis-
und Satzformen des menschlichen Verstandes.42

41. Ib. p. 87 lin. 1–12: „forte requiruntur frequenter multae notitiae intui­tivae. Sicut ponatur
quod hoc sit primum prin­cipium ‘omnis herba talis speciei confert febricitanti’: ista per nullas
proposi­ti­o­­nes noti­o­res potest syllogi­za­ri, sed eius. notitia accipitur ex notitia intuitiva forte
multorum. Quia enim iste vidit quod post co­mestionem ta­lis herbae sequebatur sanitas in fe-
bricitante, et amovit om­nes alias causas sanitatis illius, scivit evidenter quod ista herba fuit
causa sanitatis; et tunc ha­bet experimentum de singulari. Est autem sibi notum quod omnia
indi­vi­dua eiusdem rationis habent effectus eiusdem rationis in passo aequaliter disposito et
ideo evidenter accipit tam­quam principium quod omnis talis herba confert febricitanti.“ Hier
tritt ib. p. 91 lin. 25 – p. 92 lin. 2 ein medium ex­trin­se­­­­cum in die consequentia ein. Ockham
erörtert das Beispiel auch SL III-2 c. 10 O Ph I p. 523f lin. 24 sqq.
42. Wenn Ockham in der Erkenntnislehre die Intention des Menschen auf sich selbst reflek-
tiert, steht der Akt im Vor­dergrund, nicht das Vermögen. Cf. zum intellectus ac­tivus, den er für
entbehrlich hält, Quaestiones variae q. 5 OT VIII p. 170 lin. 290–300. Der Wille freilich wirkt
mit cf. ib. lin. 280–290. Er er­setzt den intellectus acti­vus, cf. ib. p. 169 lin. 267–271, wenn die
Erkenntnis naturaliter nicht ohne den assensus ist, während die Be­griffe und die Sätze (cf. ib.
p. lin. 271–273 und passim) frei in uns entstehen. Daneben ist der concursus Dei beim Erwerb
der Begriffe wie bei der formatio propositionum beständige Ursache unserer Akte. Der Wil-
le selbst kann von nichts genötigt werden, was außerhalb seiner liegt cf. O. Suk, 1950 p. 112f.
Ockham, der angeblich Kau­sa­lität de­s­a­vouiert und leugnet, überträgt sie sogar in das denkende
Subjekt, soweit nämlich, wie sie sich induk­tiv und in der Weise synthetisch für Faktoren de-
klarieren lässt. Sie sind dann gleichsam die causae, so wie die ab­hängi­gen Be­griffs­formen und
Sätze den Widerspruchscharakter an sich ziehen und so begründet und zu inten­si­o­nalen Ge­
samt­strukturen ‘gefügt’ werden können; sie werden das insofern sie Bestimmungen er­hal­ten.
Das ar­gu­­­menta­ti­ve Verfahren ist so (mit den Bestimmungen) konstruktiv und von funktionel-
len Definiti­o­nen abhängig.
Nachwort 693

Es ist der Beweis, der jeweils zu den (konstitutiven) Einzelheiten eines Ausdrucks,
einer Er­kenntnis, eines complexum (auch notitia complexa) zurückkommt, und sie
quasi negativ im Sin­ne ihrer Bedeutung affiziert oder approximiert.43 „Probatio istius:
quia posito quod aliquis ad­quirat habitum ex actibus circa principium tantum et post
simul cum altero principio, quod erat altera praemissa, applicet ad conclusionem,
sciet ipsam evidenter, et non sine habitu prin­ci­pii. Ergo habitus ille est aliquomodo
causa notitiae conclusionis, mediate vel immediate, per se vel per accidens.“ Die Un-
terscheidungen (mediate, immediate; per se, per accidens) werden also erst einmal
nicht konkretisiert und in dieser Wei­se auch nicht weiter inhaltlich in die in­­duk­tiv
vollzogenen Über­legungen aufgenommen. Die strenge Unterschei­dung von ‘für die
In­duk­ti­on’ und ‘in der Induk­ti­on’ entfällt also. Indem der actus iudicati­vus durch die
Schlussfol­ge­rung in der demonstratio syllogistica statthat, gibt es eine Erkennt­nis, die
also dieserart bloß der Ab­­­­leitung der conclusio aus (den) Prämissen ent­spricht. Der
actus iudicativus be­deutet so Er­kenntnis (intellectio – nicht im Sinn der Bestimmung
der Natur des Begriffs). In dem Sinn kann er natürlich als Einzelheit oder internes
(verborgenes) Faktum des gesamten Erkennt­nis­vor­­gangs bloß erscheinen. Auch der
actus apprehensivus ist typisches Beispiel eines un­spe­zi­fi­­ziert zu denkenden Aktes. So
auch der actus iudicativus, der natürlich auch immer als ein ge­­­wähltes Moment inner-
halb der Reihe der Erkenntnisbestandteile zu denken, die alle in­­duk­­tiv zu bestätigen
und zu bestimmen, so ja überhaupt erst zu gewinnen sind. Man denke ebenso an den
actus volitionis, der verborgen und nur partikular, gewissermaßen hilfsweise Mitträ-
ger eines Ge­­samt­vorgangs des Erkennens ist, der wiederum ja mit der Bildung des
actus appre­hen­­­­­­sivus nicht aufhört. Er geht weiter zur consequentia, zum actus iudi-
cativus, zur Elizitie­rung und Be­stä­tigung eines consequens, die einer propositio con-
tingens gleichkommt. Die pro­­­­­­positio con­­tin­­gens ist dabei in einem solchen Fall dann
nicht mehr aktuell gebildet (gerade erst per no­­ti­ti­am intuitivam gewon­nen) worden.
Der Beweis macht die Größe zum exi­sten­tiell anfallenden Mo­ment. Er reduziert sie
dergestalt von der Inhaltlichkeit zur Exis­tenz. Aus die­ser entfaltet sie ihre induktive
Bedeutung. Ebenso in anderen Fällen. Der Verstand hat nur ei­nen zusammengesetzten
Be­griff von Gott „qui non est realiter Deus“, al­so nicht einer Er­kennt­­­­nissituation ent-
spricht, in wel­cher der Mensch mit Gott zugleich Gott als medium cogni­ti­onis wahr-
nehmen könnte. Dies ist bei Ockham ein besonderer (nicht aus­geschlosse­ner) Fall
von Erkenntnis, die mit unse­rer nicht gegeben ist und nicht mit ihr über­einstimmt,
aber mit ihr kom­pati­bel bleibt. Ockham fragt:44 „quare tunc Deus plus intelli­gi­tur
quam ante?“ Näm­lich dann wenn wir den actus assentiendi mittels des Syllogismus,
die­sen also ju­di­cativ vollziehen. Er antwortet:45 „Respon­deo quod tunc Deus intel-
ligitur quia habet unus conceptus pro­pri­us na­­tus pro solo Deo suppo­ne­re.“ Dessen

43. Ord. Prol. q. 8 OT I p. 218 lin. 3–8. Zu beweisen ist hier: „habitus principii est causa habitus
conclusionis“.
44. Ord. Prol. q. 7 OT I p. 203 lin. 16f.
45. Ib. lin. 18f.
694 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Erkenntnis muss der Syl­­lo­gis­­mus leisten. Er muss darauf zuführen. Der Begriff ist
also schon da. Er wird aber nicht in se inhaltlich abge­lei­tet, sondern förmlich bloß im
Sinn sei­ner Existenz und des Enthaltenseins in einem Satz, der in­ner­halb des Syllogis-
mus auftritt und sich vorfindet. Die Theologie, in der Form des ac­tus ap­pre­hensivus
gegeben, auch wenn wir ihn der fides entnehmen, bedarf des ac­tus oder ha­bitus iu­
dicativus:46 „theologia ad omnem habitum iudicativum est scientia, vel fides etc.“ Wir
müs­sen dann, um die Wahrheit des im Glauben inhaltlich Gemeinten un­ter­stellen
zu können, ha­bi­­tus apprehensivi mit einer notitia consequentiae, die nicht ein im­pos­­­­
sibile47 bedeutet, an­neh­­­men. Für die propositio credibilis ist die Evi­denz, dass aus ihr
kein impossibile folge, na­tu­­raliter nicht gegeben, vielmehr nur ex fide. Der actus des
‘credere’ selbst liegt außerhalb des Tableaus der in der Erkenntnislehre zu behan­deln­­­
den Sätze und Operationen (bzw. ihrer Ver­häl­tnis­se). Der Nominalismus kommt qua
Ar­gu­­mentation so zu jenem Moment (der Existenz) zurück, von dem er vermöge der
Abstraktion und eben mit der Argumentation (Beweis­füh­rung) stricte sich entfernt
zu haben scheint: er ver­­­­wirft also nicht Existenz kraft bloß fingierter Inhalte, sondern
er reduzierte noch jede ad hoc und (ebenso wie) induktiv gewählte Größe auf eine
bloße Stellenfunktion alias Existenz im Geflecht der Größen, causae etc. Dabei tritt
zwi­schen Syllogismus, empirischer Begrün­dung und Beweis in gene­ra­li kein Gegen-
satz auf. Die denk­baren Beweisformen rücken aneinan­der.48 Die consequentia forma-
lis ist der Ausdruck ei­ner zu­­­gleich empirisch angesetzten und ver­fass­ten Begründung
von Zusammenhang, die auch mit der Struktur des Syllogis­mus affin ist.49

46. Ord. Prol. q. 7 OT I p. 201 lin. 5f.


47. Ib. p. 201 lin. 18–24.
48. J. Pinborg 1972, p. 173 scheint Schwierigkeiten, die er mit Ockhams Tex­ten zur Logik und
dessen Un­ter­tei­lungen bezüglich verschiedener consequentiae hat, Ockham als Un­klar­­­heit an-
lasten oder auf un­sichere Text­­ü­ber­lie­ferung überwälzen zu wollen. Ockhams Unterscheidung
zwi­schen medium extrinsecum und medi­um intrin­se­­cum, zieht er nicht heran. Das me­dium
extrinsecum u. a. bezeichnet die rudimen­tä­ren aus­­sagen­lo­gi­schen Regeln, denen der Inhalt
per ac­ci­dens beitreten kann. Pinborgs Idee, dass Ockham we­sent­lich oder be­dingt aus der To-
pik des Aristoteles geschöpft habe, ist in An­betracht der generell auftretenden und ei­genen Ar­
gumen­ta­tionsweise Ockhams un­spe­zifisch und un­beleg­bar. Ebenso soll ja schon Aristoteles
den An­stoß zur Lo­gik ins­ge­­samt von Pla­tons Dia­lek­­tik in den Dialogen empfangen ha­ben. Cf.
E. Kapp, Greek Foun­da­tions of Tra­di­ti­o­nal Lo­gic, 1942, dt. 1965.
49. Man spricht Ockham selten Leistungen in Naturphilosophie und Logik zu. G. Priest u. St.
Read, The forma­li­zation of Ockham’s theory of supposition, in: Mind, Bd. 86, 1977, pp. 109–113
beziehen sich auf die suppositio personalis und reduzieren sie danach auf eine Prädikaten­lo­
gik I. Stu­fe. Sie wol­len alle Unterarten der suppositio personalis (cf. z. B. Ph. Boehner, 1952.
G. Leff, 1975) als mit­ein­ander konsis­tent und ebenso als nicht redundant erweisen Darin soll
die voll­stän­dige Be­zeichenbarkeit („Über­deckung“) der ‘Welt’ gegeben sein. Das ist kein Ziel
Ockhams. Er gibt es nicht an und er setzt es nicht vor­­­aus, weder implizit noch explizit; er hält
es für mög­lich, dass wir es nicht erreichen könnten, weil nicht sicher (beweisbar) sei, dass wir
al­les Gegebene denken oder kennen könnten. Seine Fallentscheidungen zur Be­weis­wer­tig­keit
Nachwort 695

Tat­­sächlich muss es eine Synthesis ge­ben können, die außerhalb jeder und vor
jeder als a pri­o­ri anzusetzenden Deduktion zu denken ist. Eine solche Basis des Den­
kens kann niemals aus­­­ge­­schlossen werden. Sie schließt (die) Folgerung womöglich
ein. Setzt man sie aber empi­risch (an), so muss sie auch ohne das Denken a priori
denk­bar sein, wenn es sie geben können soll. Es ‘gibt’ sie also. Das Lo­­­­­­­gi­sche ist dann
außerhalb dieser Empirie (Genesis) mit ihr nur kompatibel. So er­schei­nen Ab­­­strak­
tion und Empirie (alias em­pi­­­ri­sche Geltung) bei Ockham; con­se­quen­tia for­­ma­lis
und consequentia naturalis grenzen so ‘aneinander’. Die Abstraktion darf keine con­­­
se­quentia ent­hal­ten, die direkt auf das Empirische ginge und es einschlösse, viel­mehr
nicht bloß es in ei­ner be­­stimm­ten oder unbestimmten Forma­ti­on lediglich nicht aus­
schlösse. Wir hätten die Mit­­tel des Denkens sonst per fallaciam begründet. Abstrakt
kann das Reale als das ex­­tra­men­tal Em­pi­­rische schlechthin nicht mehr begrifflich
aufge­schlos­sen werden.50 Fol­ge­­­rung be­kommt (we­nig­stens virtuell) einen reduzier-
ten Wert.51 Hinsichtlich und vermöge die­­ses Man­gels kann es direkt begründete und

beruhen nicht auf der Prädikatenlo­gik I. Stufe und sie beziehen aus der Suppositi­ons­lo­gik nicht
bloß die sup­po­­­sitio personalis ein.
50. Die Evidenz wird zunächst durch die notitia intuitiva ausgedrückt. Diese überträgt sie
nicht auf die notitia ab­strac­tiva und sie geht nicht im Sinn einer inneren Bestimmung der
notitia ab­strac­tiva in diese mit ein. Die Evi­denz, die mit der notitia abstractiva verbunden ist
(bzw. ver­bun­den wer­den können soll), kann nicht in Form ei­ner eigenen Abstraktion, also fol-
gerungsweise begründet in diese aufge­nom­men worden. Es lässt sich also kei­ne Integration der
abstractio in die abstractio denken, so dass damit eine Argumentation gegeben wäre, bzw. auch
er­setzt würde. Das lässt sich an je­­nen Argumentationen ablesen, die Ockham (auch) dort führt,
wo ei­ne ab­strak­te Allgemeinheit ontolo­gisch mit Begriffen wie forma, finis empirisch eingelöst
werden soll/muss. Argumentationsförmig wird auch hier wieder jede analytische oder Argu-
mentation a priori ersetzt und eben das noch zum Ergebnis: das Em­­piri­sche oder die Evidenz
kann nicht Element der Abstraktion sein und nicht ihren Fol­ge­rungswert darstellen. Es ist die
Ne­gation einer Folgerung, die Folgerungswert be­kommt. Ein Evidenz (die Evidenz) verkörpern­
des Ele­­­ment, ein kontingenter Satz aber kann nicht Teil einer anderen ‘präzedenten’ Aussage
sein. Auch ein Satz, der die Ge­wiss­heit einer notitia intuitiva zu besagen hätte, wäre ein solcher
Satz. Entsprechend gilt die Implika­tion nicht. (Die) Evidenz tritt weder in Form der noti­tia in­tu­
itiva noch des kontingenten Satzes oder in der einer Erfah­rungs­maxi­me bei Ockham als in sich
erfüllt auf. So auch dort, wo das obiec­tum extra ani­mam für die Pra­xis als deren Ge­gen­stand
steht und ihr Zweck oder ‘Ziel’ (finis) das opus ist, so dass es, dabei keinesfalls außerhalb der
on­tologischen Ter­minologie betrachtet, nicht als in se erreichbar oder spezifizierbar angegeben
wird. Natürlich gibt es den Er­fah­rungs­wert. Er steht für sich: Es kann ihm nicht widerspro­chen
werden. Er wird nur nicht aus sich und allgemein er­klärt. Die no­­­­titia speculativa inten­diert
dann im Gegensatz dazu kein opus. Wir haben auch hier wieder die Paa­­rung von Ter­mini oder
Größen, bei deren einer die Erfüllung suspendiert wird, wie bei der no­titia ab­­strac­ti­va, und der
anderen die die Erfüllung ausdrückt (notitia intuitiva), ohne dass diese selbst damit auch als
fraglos selbst bekräftigt, strictissime erfüllt anzusehen wäre.
51. Implikation kann wie folgt akzep­tiert werden (Ord. Prol. q. 7 OT I p. 201 lin. 18f): „di­co
quod illud scitur evi­den­­ter de quo sci­tur evidenter quod ad ipsum non sequi­tur impossibi­le.“
696 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

geltende analytische Aussagen nicht geben; sie kön­­­nen für Ockham da­her auch nicht
leitend sein und müssen nicht von ihm gesucht wer­den.52
Ockham sagt53 „Supposito ex quaestione praecedenti54 quod per potentiam di-
vinam multae ve­­ri­tates pure theologicae possint evidenter cognos­ci, quaero utrum
notitia evidens illarum ve­ri­tatum theologicarum sit scientia proprie dicta.“ Dieser
Verweis auf den Vorgang samt dem In­halt in der quaestio prima ist sehr wohl zu se-
hen. Sie kann keine Folgerung besagen oder vo­raus­setzen. Die potentia Dei absoluta
entlässt keine Folge­rung aus sich. Wäre das der Fall, könn­­te Ockham die Scotische
Meinung nicht bekämpfen, dass die Einsicht, die wir de facto (pro statu isto) nicht
haben, eine Einsicht legitimiere, die wir in der Form des actus apprehensivus und der
Sätze tatsächlich haben, freilich nicht im Sinn der Evi­denz. Nach dieser fragt Ockham
aber nun tatsächlich: „quaero utrum notitia evidens il­la­rum veritatum theologicarum
sit scien­tia proprie dicta.“ Ockham muss also die Voraus­set­zung in dem Sinn machen,
dass die Struk­­tur der notitia evidens als Folge der durch die po­tentia Dei absolu-
ta vermittelten Er­kennt­nis von dieser unabhängig sei. Das muss bedeuten, dass die
Omnipotenz selbst auch mit die­ser Er­kenntnis, die wir so als natürliche evident nen­
nen, übereinstimmt. Sie lässt sich da­mit nur per potentiam divinam absolutam nicht
aufheben. Gott bewirkt keine Abänderung. Das ist die Legitimierung und Sicherung
(quasi per persuasi­o­­nem). Die/eine Wahrheit der per potentiam divinam absolutam
induzierten Abstraktion kann al­so niemals durch den späteren Struktur­be­weis, der
die Bestätigung der Evidenz gibt, bewie­sen werden. Evidenz ist oder be­schreibt nicht
Wahrheit. Um Wahrheit kann es in der Abstraktion nicht gehen. Ockham macht
das mit der Definition der notitia abstractiva überall klar:55 „quaedam est cognitio
in­tu­itiva et quae­dam abstrac­ti­va. Intuitiva est illa mediante qua cog­nos­citur res esse
quando est et non esse quando non est.“ Haben wir die (Struktur der) Evi­denz, so
haben wir auch nicht vermö­ge ei­nes übernatürlichen Eingriffs eine Abänderung zu
er­fahren. Deren Idee ge­hört der Ab­strak­tion an. Das besagen Ockhams The­sen. Sei-
ne Untersuchungen sind mög­lich, da es nie um Wahr­heit als Leitidee oder beglei-
tend eingeschlossenen (eingeschlos­se­nen) Fak­tor gehen kann. Es kann hier nicht den

Wenn wir evident wis­sen, dass auf et­was nicht ein im­pos­­­si­bile (absurdum) folgt, wis­sen wir es
evident. Wie kann das sein? Wenn wir nicht die Ab­strak­tion, den actus apprehensivus akzep-
tieren und voraussetzen, kön­­nen wir Ockhams Ausspruch auch nicht ak­zeptieren (ib. p. 201
lin. 7–9): „Ad om­­nes istos actus, praeter credere, suffici­unt ha­bi­tus apprehensivi cum noti­tia
consequen­tia­rum, sicut per experi­en­tiam patet.“ So kommen wir aus einer ei­genen mensch-
lich au­to­no­men Po­si­­ti­on zum vollwertigen menschli­chen Erkennen. Ockham begrenzt sich wie
Scotus auf das menschliche Subjekt.
52. R. Grass, 2003 sieht sie für wenigstens die ganze Spätscholastik in der ‘propositio per se
nota’. Cf. Anm. 15 o.
53. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 75 lin. 9–12.
54. Ord. Prol. q. 1 OT I pp. 3–75.
55. Rep. II, q. 12–13 OT V p. 256 lin. 22–24.
Nachwort 697

analyti­schen Folgerungsmodus als leitenden ge­ben.56 Wie Ock­ham diese Struktur


fand oder er­fand, lässt sich nicht leicht sagen.57
Ockham hat die Abstraktion des kontingenten Satzes betrieben. Dafür hat
Ockham im­mer und ausschließlich argumentiert: er lässt dabei Indizierungen des
Satzes, sprich des kon­tingenten Sat­­­zes, nicht zu, mit denen förmlich dieser Satz ide-
ell und intensional über­schrit­ten würde. Es schließt Überschreitungen aus, die im
Namen von Implika­ti­on den kon­­tingenten Satz un­kennt­­­­­lich machen oder erschei-
nen lassen würden.58 So ermöglicht Ockham eine scie­ntia the­o­logica naturalis eben-
so wie eine cognitio quasi supranaturalis, die die fi­des auch ersetzt, ob­gleich sie sie
über die Leh­­­re der habitus selbst wieder einbegreift.59 All das mag Prä­­lu­di­um zur

56. Da die Tau­to­logie nicht absolut ist, kann Ockham Duns Scotus, was dessen Sät­ze, Re­geln,
Maxi­men usw. an­geht, widerlegen. Wie Duns Scotus fiktiv sie sucht, müsste er auf einer Fol-
gerung fußen (können), die mit ih­nen gleich­wer­tig begründet wäre. Die analytische Aussa­ge
scheidet mangels der Be­­gründbarkeit der Fol­ge­rung ‘gleichwertig’ aus. Nach T. Hi­ra­no, Die
kon­tra­­dik­­torische Lo­gik, (1934) Ergeb­nisse eines mathematischen Kol­lo­qui­ums, hrsg. von K.
Men­­ger, Heft 7, Wien 1934/5, Leip­zig-Wien 1936, pp. 6–7 be­grün­det nicht der Wahr­heits­­wert
zwin­­gend die Apriorität der Lo­gik. Mit falsum als Grundwert entsteht, unter Neude­fi­niti­on der
Junkto­ren, eben­falls ei­­ne aprio­ri­sche Logik.
57. Duns Scotus und Ockham betrachteten und explizierten die Potenz des menschlichen Er-
kennens als auf dessen eigene Rech­nung gehend und nicht als unterm Aspekt der Reduplikati-
on im göttlichen Erkennen anzusetzende.
58. Hier hat sich Ockham eindringlich und umfassend geäußert: Ockham trifft sei­ne Entschei-
dungen (Wer­tun­­gen bei Sätzen wie Be­­griffen) nach SL III-3 c. 1 OP I p. 589 lin. 55–57: „praecise
ra­ti­o­ne ter­mi­no­rum et non ra­ti­­­one ali­cuius medii extrinseci non re­s­pici­en­­tis praecise generales
con­­­ditiones propositionum.“ Die genera­les con­­diti­o­nes wer­den also ak­zeptiert, indes nichts,
was im Sinn einer Spezifikation secun­dum rem ip­sam ge­dacht werden (können) müss­te. Sie
ent­sprechen per Induktion den rationes terminorum. Ockham kann hier un­be­grenzt Be­wei­­se
geben. Die zi­tier­te Formel selbst ist so etwas wie eine Summe, in der der Be­weis­mo­di inhärie-
ren. Cf. Kap. 8 Anm. 138. Wir können aber abstraktiv (intensional) nicht mehr Folgerung als
Verbindungsmodus supponieren.
59. Ockham setzt bezüglich des Glaubens keinen übernatürlichen Eingriff Gottes an. Er ne-
giert ihn und be­weist dies bezüglich und vermöge des habitus (Rep. III q. 9 OT VI p. 279 lin. 1 –
p. 282 lin. 6), was insofern auch re­le­vant ist, als der ha­­bi­tus jener Sphäre uns nicht unmittelbar
evidenter Erscheinungen der anima zuzählt und be­reits die notitia in­tu­i­ti­va su­pra­na­turaliter
konserviert werden muss, wenn sie dienen können soll, nicht ge­ge­bene Gegenstände als eben
nicht prä­sent zu erkennen und zu bestätigen. Dabei gilt zum habitus allgemein (ib. lin. 13-15):
„non potest esse ra­tio evi­dens ad ponendum tales habitus nisi propter eorum operationes, quia
omnes habi­tus innotescunt no­bis per op­e­ra­­tio­nes.“ Da­bei seien die habitus, die supranaturales
wären, uns ver­mit­telbar durch die habitus na­tu­­rales, die die ope­ra­tio­nes ermöglichen. Es gilt
auch (ib. p. 280 lin. 18 – p. P. 281 lin. 2): „Paulus habens peccata sine omni merito recepit gra­­
tiam, ita posset Deus si­bi conferre vitam aeternam sine om­ni merito et habitu supranaturali.“
Der heilige Geist (p. 280 lin 5–8) sei „coexis­tens, ac­­cep­tans actum naturalem et im­pel­lens vo­­
luntatem per modum causae partialis ad actum illum elicien­dum. Et non oportet necessario
698 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

altlu­theri­schen Dog­ma­tik (Or­tho­doxie) sein. Dass fides und scientia (cog­ni­tio) bei
Ock­ham im Grund kom­­­mu­ta­tiv sind, ver­weist eventuell tiefer auf die Neuzeit als
man ge­­mein­hin für möglich hält.60 Ockham benötigt (schafft) keinen Gott, der sicht-
bar erken­nend operierte; keinen, der dem Menschen den Er­kenntnismaßstabsetzte,
keinen, der vom Men­schen her ge­stal­­tet würde. Er hat einen Gott, der au­ßer­halb des
mensch­lichen Wissens liegt und das heißt hier vorab der Selbsterkenntnis nach den
Formen des menschlichen Wis­sens, wie sie der scho­la­s­ti­­schen Bildung und deren
Kommentierung entnommen werden kön­nen. Gott ist dem Men­schen versöhnt hin-
sichtlich und vermöge des bedingt absoluten mensch­li­chen Ver­stan­des­­­mittels, in das
Gott einbegriffen ist, da er diesem, soweit es als wider­spruchs­­­frei gekenn­zeich­­net
werden ‘könne’ (was die De­finitheit ausmacht), auch nicht wi­derspricht; Faktum und
Wahrheit schwinden unter dem topologischen Richt- und Mehrwert des Hypotheti-
schen: „non est impossibile quod Deus ordinet quod qui vivit secundum rectum dicta­

quod sit ali­quod accidens in­haerens animae.“ So sehe es auch Petrus Lom­bar­­dus. Die causa
par­ti­a­lis fällt in den akzidentel­len Um­kreis des­­­­sen, dem sie zu et­was ver­hilft. Ockham nennt
drei Lehr­­­sätze (cf. o. p. 279 lin. 3–10): I „non potest probari ra­­ti­one naturali quod indigemus
ha­bi­tu supra­na­tu­rali quo­cum­­que ad con­se­quendum finem ul­ti­mum.“ II „quod ex hoc quod
credo quod beatitudo est mihi con­ferenda prop­­­ter meri­ta, non pot­est concludi con­se­quen­tia
formali quod habitus supranaturales sint (W 1495 besser als Ed. sunt) no­bis neces­sa­ri­ae.“ III
„quod re­spec­­tu om­ni­­um actuum quos possu­mus habere possumus habere habitum naturali­ter
incli­nan­tem.“ Es gilt: ‘Ha­­­bitus su­pra­na­tu­ra­les non sunt neces­sa­riae.’ Die po­­tentia dei absoluta
reicht immer an den natürlichen Be­­reich, also unsere Er­fahrung. Denn die (ib. p. 280 lin. 3–5)
„caritas in anima potest de potestate Dei absoluta non esse aliud quam Spi­­ri­tus Sanc­tus.“ Sie
muss aber nicht über­natürlich erzeugt werden. Wo immer zwischen den actus (und habi­tus)
nur ir­­gend­ei­ne Di­s­tink­­­ti­on und sei es de ratione oder nach irgendwelchen angenommenen
Verhältnissen, in irgendei­ner Hinsicht ge­­­­führter Beweise ge­­­­­setzt oder unterstellt werden kann,
ist auch die Negation vorhanden, auf der ei­ne Induktion (Hypothese) auf­bau­­en kann, die sich
der potentia dei absoluta bedient, i.e. sie nicht aus­schließt. NB. Ockham sagt ( p. 281 lin. 2–5),
dass seine Argumente secundum potentiam Dei absolutam gelten, sonst nicht. Das bestätigt
den herausgehoben argumentativen Wert des Allmachtsprinzips.
60. Fides und scientia erscheinen bei Ockham entweder ungeschieden oder gleichwertig, wo-
bei die ratio einen Vor­­­­­­rang vor der Au­torität der sancti oder der ecclesia hat, sowie die aus der
Unterweisung oder lectura scripturae gewonnene fi­des ad­qui­sita einen Vorrang vor der fides
infusa. Cf. hier auch Rep. III q. 9 insgesamt. Der Glau­be an die „recta ra­tio“ er­scheint der­art (ib.
p. 280 lin. 10–13), dass jemand, der nur glauben will, was ihm die natura­lis ratio kon­klu­­siv als
glaubensnotwendig erweist, die vita aeterna haben kann. Auch der Heide als „instructus“, kann
(ib. p. 281 lin. 14–16) „per doc­­trinam dili­ge­re Deum super omnia ex puris na­turalibus“ und
danach auch am Kult teilnehmen (wollen). Die Tat­sa­che, dass wo­mög­lich mehr als eine opinio
„potest probabiliter sustineri“ (etwa wenn Ockham annimmt, aber nicht strikt behauptet, dass
habitus sci­entiae und fides adquisita nebeneinander bestehen könnten, wenn man die principia
per se nota vergessen ha­be, woraus der Glau­­benssatz folgen müsse), bedeutet noch nicht, dass
ein Re­kurs zur doc­tri­na pa­trum angezeigt sei, selbst wenn Ockham ein­­­räumt (ib. p. 308 lin. 6f),
„auctoritates sanctorum videntur mi­hi magis di­ce­re quod nec actus nec ha­bi­tus stant si­mul.“
Die ratio gilt und steht also praeter fidem.
Nachwort 699

men ra­­­ti­onis sic quod non cre­­­­­dat aliquid nisi illud sibi sit naturali ratione con­clu­­sum
tamquam cre­­­den­dum, sit dignus vita ae­­terna.“ Das credendum kann ohnehin conse-
quentia formali gefol­gert werden. Aber Ockham begründet den Vernunftanspruch in
Glaubensdingen gerade da­mit, dass die ‘heidnischen Phi­lo­­­sophen’ auch ‘Wahrheiten’
an­nah­men, „quae non potuerunt naturali ra­­tione probari neces­sa­rio, sicut mundum
esse aeternum.“61 Das muss Ockham begründen: i.e. in Beweis­form de­struktiv den
defizienten Modus scheinbarer Aussagen oder Beweise darlegen. Ockham reka­pi­­
tuliert die Vernunft in der Qua­li­tät des Verstandes neben und gegen Aristoteles.62
Ockham muss – im Nachklapp gegen die Scholastik quasi – beweisen, wo die
Beweisformen selbst schon rezessiv erscheinen, oder ihm re­zessiv erscheinen mus-
sten, wie er sie struktural in den Blick bekam. Er hat den nur bedingten Beweisge-
halt vie­ler Vorstellun­gen, die unbe­ding­te Beweisuntauglichkeit zahlreicher Aussagen,
ja Maximen und Leitsätze ‘beweisförmig’ darge­legt. Seine Beweise kehren interme-
diär oder in hypo­the­ti­­scher Form final zur Empirie zu­rück, indem sie deren Ver-
doppelung als intensionalen Akt der Erkennt­nis rejizieren; damit ver­­lieren die von
Ockham noch verwandten ontologischen oder er­kennt­nistheo­reti­schen Be­­griffe in
der topologischen Zielrichtung auf die Definitheit ih­ren un­bedingten, ja un­um­grenz­
ten semantischen Wert, in welchem sie selbst nicht, we­­der unmittelbar, noch im Nach­
hinein, wie jetzt der negative Be­weis zeigt, abstraktiv und entsprechend beweisförmig
be­grün­­­­det sein können.63 Abstraktion bleibt der Gegensatz der Ontologie. Für sie

61. So ib. p. 280 lin. 10–16. Duns Scotus hatte noch krude den zusätzlichen Erkenntniswert
des christlichen Credos gegenüber dem heidni­schen philosophischen Denken angenommen.
Er sieht aristotelische Verstandeserkenntnis im Hintertreffen ge­gen­­über dem Mehrgehalt der
christlichen Offenbarung. Op. ox. I, d. 42, n. 3; I, 1267, 13 (VI 345–346): „si philo­so­phi non po­tu­
erunt per rationem na­turalem con­clu­de­re Deum posse con­­tin­­gen­­ter causare, quanto magis nec
pos­se immediate in quemcumque effectum vel quod­cum­que quod potest producere median-
tibus aliis causis secun­dis?“ (E. Gilson, 1952 p. 363 Anm. 3). Gott muss nach Beiziehung seines
Ratschlusses handeln (kön­nen), um es nicht kausalme­cha­nisch oder sonstwie im Zwang tun zu
müssen. Das setzt für Duns Scotus wieder Offenbarung.
62. Wir kommen mit Ockham nicht zu einer Verminderung purer Glau­bens­sätze, sondern
einmal zur struk­tu­ra­len Un­unterscheidbarkeit von fides und ratio (scientia), dann aber wo die
Glaubens­aus­­sa­­gen struktural nicht mehr adap­tierbar sind oder Kirchenmeinungen nachweis-
lich beweis­wi­drig er­schei­nen, zur Aus­gren­zung wenn nicht Verneinung solcher Lehren und
Meinungen. Diese andere ge­­­schicht­­­liche Tendenz steht implizit nicht mehr auf dem Boden des
Mittelalters, mit dem sie doch intera­giert.
63. Doch können die ontologischen Begriffe auch wie die primären empirischen in der Form
der con­se­quen­tia for­ma­lis und des Syllogismus geordnet erscheinen. Cf. Ord. d. 2 q. 6 OT II
p. 176 lin. 11–19: „sicut semper ex pro­po­­si­­ti­o­nibus de necessario sequitur conclu­sio de inesse, ita
ex pro­positionibus cum nota perseitatis sequitur con­clu­­sio de inesse, et hoc quia ‘per se’ est ne­
ces­sarium. Igitur si­cut sequitur formaliter et syllogistice ‘natura neces­sa­rio est com­mu­nicabilis,
differentia con­tra­hens necessa­rio non est communicabilis, igitur differentia contrahens non
est natu­ra. Ita sequitur ‘natura per se est est commun­ca­­bilis multis, differentia contrahens de
se non est com­munca­bi­lis multis, igitur differentia con­tra­hens non est na­tu­ra’.“ Consequentia
700 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

treten persu­a­sio und Induk­ti­­­on anders als formell nicht ein, während das Omnipo-
tenzprinzip sich ihr assimiliert, wie es durch­­aus auch mit der reprobatio konform
gehen und in sie eintreten kann.64 Persu­a­sio und Induk­ti­­on stehen in einer gewissen
Nähe zur Empirie, die freilich in sich nicht aufge­schlüs­­­­selt wer­den kann und von
daher zur Abstraktion aufsteigen;65 das Omnipotenzprinzip gilt, sofern das Wider-
spruchsprinzip nicht begründet werden kann. Mittels des Omnipotenz­prin­zips wer-
den die ontologischen Termini nicht widerlegt, nur der mit ihrer Hilfe fiktiv ange­
nommene Zu­sam­­men­hang und das nicht nur für substantia (forma) und accidens,
sondern auch bezüglich for­ma und res (species) usw.

formalis und Syllogis­mus stim­men hier nach der einen Erklärung zur consequentia formalis
überein: cf. Ord. d. 4 q. 1 OT III p. 15 lin. 2–8.
64. Das ist soweit nicht möglich, wie die Akzidentalität gilt. Ockham geht soweit, wo im­mer
eine akzidentelle Be­zie­hung besteht, die Aussetzung der Schöpfung für möglich zu halten: Gott
könn(t)e ei­nen homo ohne ‘Kopf ’ schaf­­fen, eingestandenermaßen dessen „Zentralorgan“: Rep.
IV q. 9 OT VII p. 160 lin. 1–18. Da Gottes Omni­po­tenz nicht aus der divina essentia, die man
dazu kennen und auffächern können müsste, ab­ge­lei­tet werden kann, kann sie auch im Sinne
keines Begriffsverständnisses dieses Begriffs und mit ihm zusam­men­­­hän­gen­­der an­derer real
sein oder empirisch gelten, bzw. einen definiten Sinn haben; es gibt diese Allmacht im Sinn
von sig­ni­ficatio nicht. Das hatte Ockham deutlich gemacht. Sie kann sich auch auf nichts er-
strecken, also kei­ne Im­pli­­ka­te haben. Be­weis­­füh­run­gen, wo­rin sie aufträte oder selbst bewiesen
würde, gibt es nicht. Sie hat keine Ana­log­funk­tion au­ßer­halb des Syllo­gis­mus. Der Syllogismus
hat seine zentrale Stellung im Beweisen Ockhams da, wo er fehlt, die Begriffe keine Ordnung
haben. Das Fehlen des Syllogismus ist eine Wider­le­gung. Der Topos ‘Impli­ka­tion’ re­ze­diert vor
dem Topos ‘Definitheit’.
65. So mit Hilfe von wie Formeln ‘non est inconveniens quod (non)’. Sagt Duns Scotus (ed.
W. Kluxen, 1974, p. 40 ib. Quarta conclusio,): „inconveni­ens est universo deesse su­pre­mum
gradum possi­bi­­lem in es­sen­do“, steht er dem Ockhams Gebrauch des argu­men­tum ‘non est
inconveniens quod (non)’ fern. Der Aus­druck ‘non est in­con­veni­ens’ zielt auf Kompa­ti­bi­li­tät
und re­a­le Verschiedenheit, also nicht auf Folge­rung. Dem tritt fiktiv Gottes All­­macht bei, die
eine secundum le­gem com­munem nicht exis­tie­rende, re­fle­­xiv auf einer höheren Stufe als mög­
lich anzusetzende Ausnahme schaf­fen könnte. Cf. Ord. d. 2 q. 5 OT II p. 156 lin. 7–9: „non est
inconveniens quin – sal­tem per potentiam divinam – quaelibet res absoluta intuitive vi­de­atur
ab­sque vi­si­one alte­ri­us rei absolutae.“ Die res absolutae sind distinkt, können so per potentiam
divinam oh­ne­einan­der gekannt werden. Die res absolu­tae entfalten füreinander kei­ne Rela­ti­­
on. Sie wird durch das induktive abstrakte (höherstufige) Funktionsar­gu­ment ‘per potentiam
divinam’ ersetzt (kompen­siert). Ebenso muss mit einer in sich ja unentfalte­ten und uner­schlos­
senen empirischen Erkenntnis per notitia intuitivam nicht eingesehen werden, dass diese wirk­
lich bestan­den habe, also reell sei; es kann und darf nicht gefolgert werden. cf. Prol. I, 1, YY (W
1495): „dico quod non est inconveniens quod res intuitive videtur et ta­men quod in­tel­lec­tus is­te
credat rem non es­se, quam­vis naturaliter hoc non potest fieri.“ Text­aus­ga­­be (Ord. Prol. q. 1 OT
I p. 70 lin. 16–2) hat fast iden­tischen aber kon­junk­ti­­vi­schen Wortlaut. Hier auch: forte non est
inconveni­ens … ­vide­a­tur …) Es darf und kann ein Schluss hier nicht existie­ren; mit dem forte
aber wird die Sache implizit schon auf die abstraktive Ebene verlegt und modalisiert.
Nachwort 701

Wenn Ockham die Theologie abstrakt behandelt, wider­spricht sie gleichwohl


nicht der Er­fah­rung:66 „quidquid competit uni personae, competit alteri.“ Die hier
mög­­li­chen Ein­schrän­­­­­kun­gen fallen ‘logisch’ (sic!) al­le am Ende zusammen; denn sie
gel­ten: „ubi non obviat relationis oppositio vel ubi non decla­ra­tum est con­trari­um
in scrip­tura sa­cra vel (sic!) ab ec­cle­sia vel sequitur for­maliter (!) ex tali­bus, sal­tem
median­ti­bus propositio­ni­­bus per se notis.“ Das erlaubt Ab­spal­tun­gen, die wieder ei-
nem em­pi­ri­schen Grundsinn entspre­chen und so lo­gisch noch für die di­vi­na essentia
statu­iert wer­den kön­nen: denn wenn diese auch trinus et unus ist, gilt doch, dass ‘pater
pri­or fi­lio est’, ohne dass au­ßer Kraft gesetzt werden musste, dass die Dreieinigkeit ab
ae­terno be­stan­den habe. Es be­steht in die Sphäre des un­­­­sicht­baren und pro statu isto
nicht er­fahrbaren Gottes hin­­ein ei­ne Orga­nisation der menschli­chen Vernunft fort,
die einzig das ab­surdum ausschließt, sc. das­je­ni­ge, was con­se­quen­­tia for­­­­­mali nicht
gehalten werden könnte. Diese ist mit der pro­po­sitio per se nota sehr wohl kompati­
bel. Der empirische (nicht notwendig ausgeschlossene empirische Sinn) gilt in die
divina essentia hinein fort und hat/bedeutet dort eine logische qualitas. Sie schließt
in­ten­sionale (reflexive) und praktische (ge­gen­ständliche) Fol­­­ge­rich­tig­kei­­ten ein:67 „in­­­­
tellectus potens intelligere di­vi­nam essentiam potest etiam intelli­ge­re paternitatem,
fi­li­ati­o­nem et spi­­ra­tionem et om­nia ista pot­est prae­­di­ca­re, quia non est maior ratio
quod possit unum obiectum cognitum praedica­re de aliquo ob­iecto cog­­nito quam
ali­­ud.“ Der Mensch teilt diese Erkenntnis mit diesen obiecta cognita (res) nicht. Der
Satztyp der propositio per se nota ist dem Menschen nach dem menschlichen Mittel
des Begriffs bekannt. Zwischen ihr und der notitia unius propositionis per experi-
entiam seu propositio immediata unterscheidet Ockham.68 Die propositio immediata
kann nur per experientiam bekannt sein.69 ‘gra­vi­tas inclinat deor­sum’70 ist ei­ne sol­­­­­­che
propo­si­tio im­­me­diata, keine propositio per se no­­ta. Das bleibt so für die neu­zeitli­che
Na­­tur­wissen­schaft. Der Satz ent­­hält die Re­lation ‘gravitas’, die erst durch Um­set­­­­­­zung
aus der Empi­rie, der sie nicht wider­spre­­chen darf, ge­won­nen wer­den kann und bei
Des­cartes ei­ne zwei­felsfreie und an keinem Ort durch einen Wi­­der­spruch desa­vou­­ier­­
te Fol­ge von Evi­den­zen nach sich zie­hen soll. Das ist die Carte­si­sche For­de­rung an das
was er ununter­bro­chene De­­­duk­ti­on nennt. Ockham betreibt nicht Physik und den-
noch ei­ne The­­­o­lo­gie, die ra­ti­onal gegrün­det sich aus­nimmt.71 Die Ge­­schich­­­te kannte

66. Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 461 lin. 15–19.


67. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 110 lin. 1–5.
68. Ord. Prol. q. 2 OT I p. 83 lin. 22–25.
69. Cf. ib. p. 83 lin 25 – p. 84 lin. 1–3.
70. Ib. idem.
71. Begriffe wie Wissen oder Glauben sind nicht reell. Sie entsprechen nicht wirklichen Vermö-
gen. Ockham lässt sie entsprechend weg. Denn der Modus des Erwerbs eines Satzes entscheidet
nicht über des­sen Qua­­­lität (Ord. Prol. q. 2 OT I p. 90 lin. 10–13): „potest dici quod notitia con-
clusionis adquisita per experientiam et no­titia eius­dem ad­­qui­­sita per demonstrationem sunt
702 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

so den Ge­gen­satz von The­olo­gie und Phy­sik nicht.72 Das ge­schicht­­liche mo­­­­vens setzt
Gleich­heit um, nicht Diver­genz, Kon­­tra­ri­­e­tät, und Kontradik­ti­­­­o­na­li­tät. Da­für spricht
auch, dass Ockham mit­tels der Orga­ni­­sa­ti­on hu­ma­ner Ver­­nunft für die The­o­lo­gie,
nimmt man einmal Fra­gen des or­do sa­lu­­tis aus, kei­­ne ge­nu­­i­ne dog­­­mati­sche Ein­­sicht
beför­dert. Ockham lässt the­ologische Rationali­tät ne­­ben mensch­li­cher (beide in­­ein­
ander!) b­e­­stehen.73

eiusdem species, quia non est inconveniens distinctas cau­sas specie ha­be­re eos­dem ef­fectus
spe­cie.“ Dafür wird (ib. lin. 14–16) ein ­em­­pi­risch ex­tra­men­taler Ver­gleich an- oder ein­ge­­­führt:
Sonne und Feuer geben und bewirken die­sel­be Wärme. Die Wär­me ist specie ein und dieselbe.
Das be­grün­det nicht absolut. Ockham sagt: „non est inconveniens quod …“ Die calor in sich
(ihr Ursprung) wird nicht un­ter­sucht. Die calor ist nicht im Feuer anwesend: cf. SL III-2 c. 38
OP I p. 578 lin. 49f. und ib. lin 34–44. Das ca­le­factivum, worunter das Feu­er subsumiert wird,
(ib. 50f.) „forte quandoque praedicatur de (subiecto caloris = ig­ne et de ca­lo­­re) vel de nomine
utriusque.“ Hier gebildete Syllogismen sind vorbehaltsweise intellektiv und wahr. Sie gelten
hypothetisch (ib. lin. 36) „ita quod nihil sit nec esse possit calidum nisi ignis.“ Ebenso: lin. 35:
„sit ig­nis illud de quo primo praedicatur calidum.“ Es wird nicht absolut bewiesen, aber bedingt
legitimiert. Ge­gen die bedingt empirisch gestützte syllogistische Anordnung lässt sich nicht be-
dingungslos Einspruch erheben.
72. Er stellt keinen ontologisch ausgefertigten Gottebenbildlichkeits­anspruch. Ockham nimmt
indes eine Ähn­lich­keit des menschlichen und des gött­lichen Gei­stes an, also über die Hoch­
scho­­la­s­tik hinaus, deren Signatur sie ge­we­sen sein soll (H. Blumenberg, 1966). Die Ontologie
gilt nicht positiv (und zwangsläufig) für die Begrün­dung des menschlichen Er­ken­nens, das se­
cundum notitiam abstractivam und über die ab­stractio er­folgt (Ord. q. 13 OT III p. 418 lin. 13):
„mens nostra fac­­ta est ad imaginem Dei.“ So können wir ‘mit Abstrichen’ Gott erken­nen. (ib.)
Ra­tio und ‘rationes’ bleiben auch in pure theologicis gültig (ib.). Auch K. Löwith, 1968 u. H. G.
Gadamer, 1968 sahen ein geschichtliches Gleisdreieck von Theologie, Philosophie, neuzeitlicher
Theorie mit Homologien. Für J. Olive, 2010 ging Ockhams Verständnis von causa geschichtlich
direkt ins neuzeitliche (Descartes) über.
73. P. Vig­naux stell­te auf einen hu­manisme mé­dié­va­le ab, den er besonders rein am An­­fang und
am En­de der Epo­che hervortreten sah, aber auch bei Thomas von Aquin und Duns Scotus un­­
ter­sucht. Im Rah­­­men mit­tel­al­ter­­­­li­cher Span­nung zwischen Ver­­nunft und Glau­­ben (Kir­­chen­leh­
re!) verweigert Ockham die Antwort. Die Vermehrung (plu­rificatio) der Größen und Begriffe
oder Prinzipien, die Ockham in der Erkenntnislehre und Naturphilosophie ablehnt (cf. hier
besonders M. H. Carré, 1946, 1967) bezieht er hypothetisch auf die Wunder und gelangt hier
zu einer ausgreifenden Antwort zum Verhältnis von ratio und fides oder Kirchenlehre, mit der
klar wird, wie er bei­de ins Benehmen setzt (Quodlibeta IV q. 30 OT IX p. 450 lin. 41–44): „ali-
quando ponenda sunt plura miracu­la cir­ca aliquid ubi posset fieri per pauciora, et hoc placet
Deo. Et hoc constat Ecclesiae per aliquam revelatio­nem ut suppono, ideo sic determinavit.“ Die
Vernunft tritt vorbehaltlich unausforschbarer Widerspruchs­grün­de bei (ib. lin. 33–35): „Nec
includit ali­­quam contradictionem corpus Christi plus coexistere substantiae pa­nis quam ei­us
accidentibus; nec repugnat ra­ti­­­oni….“ Die Vernunft, die im Verhältnis von substantia und ac-
cidens spielt, er­hält für den Widerspruchssatz kei­­ne Ver­nunft­gründe. Ockhams Zustimmung
zur näheren Kirchenlehre ist zu­rück­haltend. Er hält sie für wenig (ib. lin. 30–35) „rationabilis“
(sic!); ihre (ontologische) Explika­ti­­on „non ha­be­tur in canone Bibliae.“ Für die Kirchen­leh­re
Nachwort 703

Man hat gefragt, worin, negativ wie positiv, Ockhams Hauptbeitrag bzw. sein Bei­
trag über­haupt in der Geschichte der Philosophie und Geistesbildung bestanden habe.
Man sagte, dass er in der Destruktion der mittelalterlichen Ontologie und even­tuell
noch Glau­­bens­­zu­ver­sicht, in der Anbahnung einer wissenschaftlichen Sichtwei­se und
metho­di­schen Grundlegung der Er­­kenntnis, in der besseren Begründung, Revision
und durch­gängi­gen An­wen­dung der Lo­­gik, der Trennung von Glauben und Wissen,
der Betonung des empiri­s­ti­schen Grundsinnes von Er­kenntnis oder in der Vorberei-
tung der Reformation Luthers bestanden ha­be; man hat das ins­­­ge­samt oder je einzeln
be­strit­ten.74 Man soll­te anerkennen, dass Ockham darin sui ge­­neris war, dass er in der

führt er Innozenz III. an. Ockham „akzeptiert“ sie (ib. lin. 1f): „te­neo propter determi­na­tionem
Ecclesiae et non propter aliquam rationem.“ Die Kir­chen­­leh­re hat­­te (lin. 29) die „po­tes­tas di-
vina“ an­ge­führt. Es ist die potentia absoluta, die Ockham in ratio und argu­men­tum in­te­griert,
wobei er dem ac­ci­dens den prä­di­ka­tiven und reellen Eintritt in die substantia verwehrt. Dem
entsprechen auch z. T. un­ter Bei­ziehung des sup­po­si­ti­onslogisch spezifizierten Elementaratzes
geführte Wi­derlegungen in der sacra theo­lo­­gia. Das reine Wunder hat keinen begriffsstiften-
den Sinn; es findet in der geordneten Schöpfung und wahrhaft gegen sie statt. Cf. Quaestiones
vari­ae q. 6. a. 11 OT VIII p. 300 lin. 316 f: „illa dilectio numquam potest se­pa­ra­ri a delectatione
nisi per miracu­lum“, jene nämlich, bei der ‘ich’ unbedingt will, dass das Geliebte meinem Wil­
len ge­fügig sei; es gibt also um­ge­kehrt das ‘in­te­­res­selose Wohlgefallen’. Ebenso bei Hass und tri­
stitia ver­­möge des actus no­len­di. Hass und Trauer können da nicht getrennt werden (lin. 313):
„nisi per mi­ra­cu­lum.“ Von der po­tentia divina absoluta, die den Begriffssinn gegen aktuale
(kasuale) Kombina­tionen stützt (na­tura­l­­i­ter loquen­do) oder von empirischen Regulationen in
der sacra theologia freihält (supra­naturaliter loquendo), ist in allen drei Beispielen nicht die
Rede. Die letzten beiden waren überdies Partialfälle. Die Nicht­trennbar­keit der Begrif­fe und
Erscheinungen überschreitet nicht den Partialfall, der von einer empirischen Zusatzbedingung
abhängt.
74. Luther beschäftigt sich (cf. J. Matsuura (ed.), Erfurter Annotationen 1509–1510/11, 2009)
di­rekt mit Ockhams Texten; er nimmt die technisch-logischen Regulationen auf und das Om­ni­
potenzprinzip in der Über­einstimmung mit Wahr­­heits- und Falschheitswerten für kon­tingente
Sätze (p. 687 lin. 17f, p. 688 lin. 11 und lin. 19ff, p. 703f lin. 30f). Matsuusa sieht einen ver­stän­­
di­gen Um­gang mit den Texten, ables­bar an den Konjek­tu­ren da­zu (Ein­lei­tung pp. LVIII und
LXXVIff). Luther aber, der nach ei­­nem gnädigen Gott fragt, tut es vor dem Hin­ter­grund der
Vor­stellung vom zorni­gen Gott; sie lehnt sich ans Al­te Testament an, zu dem auch Cal­vin Affi­ni­
tät hat. Ock­ham nennt den selbst nicht ab­­hän­gi­gen gött­lichen Willen „prima regula di­rec­­tiva“
und an­tizipiert darin, auch wie die­ser „non pot­est male age­­­re“, Descartes’ Er­kennt­nis­willen und
sein be­haup­tetes Erkennt­nis­ver­mö­­gen; denn auch hier gilt,‘me­ta­­physisch’, „non in­diget aliquo
dirigente.“ Dass Gott den Men­schen bei sei­nen Er­kennt­nis­­ak­ten zu hin­­terge­hen vermöchte,
schei­det nach dieser Be­stim­mung des göttlichen Willens aus (Quae­­­­stiones variae q. 8 art. 1 OT
VIII p. 410 lin. 22–25, W 1495 Rep. III, q. 13 B): „vo­lun­tas divina non in­di­get ali­quo diri­gen­te,
quia il­la est prima regula di­rec­tiva et non pot­est male agere. Sed voluntas nostra est huius­mo­
di quod pot­est recte et non recte agere. Igitur in­di­get ali­qua ra­tione recta diri­gen­­te.“ Cf. R. B.
Hein, 1999 p. 118: ‘Got­­tes Wil­le nach Ock­­ham hat kei­nen Ge­gen­stand.’ Das Ab­­bild der voluntas
divina im Menschen ist nicht die voluntas, die nach Ockham von ratio und Umständen ab­
hän­­gig ist und u. U. schuld­frei (z. B. beim homo ebrius), nach Luther aber unfreier Wille und
704 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Regel und wahrscheinlich mit regulativer Absicht Be­wei­se (Be­weisarten) kon­stitutiv


und re­­probativ als Mit­tel zur Kon­struk­tion des Ver­standes und seiner Ur­teile, di­rekt
die Erkenntnis selbst betreffend und reflexiv auf sie beschränkt, ver­­wandte und zwar
aus­­­schließ­lich nach de­ren ‘ab­strak­ter’ Form. Sie ist im schola­s­tischen Sinn die nomi­
nell ab­­strak­ti­ve, aber methodisch redigiert.75 Ockhams Ur­teil ist methodi­sch gebun-
den hypo­the­­tisch, für die Sa­che jedoch katego­risch, wie er die nor­­­mati­ve Folgerung
(Implika­ti­on) aus­schließt. Der kontingente Satz bleibt Norm. Der Ver­stan­des­akt wird
‘de jure’ standardi­sie­rt.

unfreies Urteil wäre, son­dern die virtus heroi­ca (sic!): Quae­­­­stiones variae q. 7 OT VIII p. 336
lin. 152 – p. 337 lin. 2. Sie steht als quintus gra­dus vir­tu­tis über vier an­de­­ren Stufen von virtus, die
alle ein sokrati­sches Zusam­men­spiel von ra­tio und vo­lun­tas erlau­ben oder vor­aus­set­zen, und
mutet ebenso antik an. Auf den Philosophus wird denn auch ver­wie­sen und auf die Wahr­heit
(ib. lin. 165f). Diese virtus heroi­ca konnte über die scholastische Ar­beit hinweg­ge­rettet wer­den
bzw. an ihr sich bil­den und das neu­zeit­liche dichterische Symbol werden, das stets in ge­sell­
schaftl­i­cher Trü­­bung und Anfech­tung sich sah, die aus der Internalisierung aller zuvor mehr
äußerlichen mittel­al­ter­li­chen Kräf­te und Stände in der ei­nen in­di­­viduel­len Seele entsprang und
uns seither auf­erlegt blieb. Wir sind der ‘Ge­sell­schaftssbau der Triebe und Af­fek­­te’ (Niet­z­sche,
JGB § 12) nunmehr ganz unme­ta­phorisch nach in uns umgewidmeten sozietären Konflikten.
75. Ihre religiöse oder dogmatische Tauglichkeit muss abgewogen werden. Ockham billigt dem
fidelis (unter Be­zug­nahme auf päpstliches Dekret) Irrtum in theologischen oder philoso­phi­
schen Aus­le­gun­gen der Kirchenlehre zu oh­ne Häretiker zu sein (De corpore Christi c. 2 OT X
p. 91f). Fügt er hin­zu, erst beharrliche Weigerung sich kor­­rigie­ren zu lassen, mache ihn dazu,
bedeutet es nicht, die Zensur kön­ne per se und unumschränkt auch das scho­la­sti­sche Ausle­
gungs­ma­teri­al betref­fen: in deren Medium kann die häretische Ab­weichung nicht zwangs­­läu­fig
(kon­sis­tent) ein­treten. Cf. Anm. 73 o. Es bie­tet eige­ne Schlüssigkeiten oder sogar die Suspen­
si­on des Fak­tors ‘Kon­sis­tenz’­. Das muss besa­gen, dass das schola­sti­sche Ausle­gungs­ma­teri­al
autonom oder unan­greif­bar sei bzw. we­nigstes die Ausle­gung (Kritik), die es, auch be­züglich
der Kirchenlehre, von In­kon­­sistenz oder Inde­fi­nit­heit trenn­te, wäre es. Die wah­re (letztliche)
Au­to­­nomie liegt so bei der – recht gefassten – aristote­li­schen Scho­la­s­tik, i.e. der Stiftung der
ratio, hin­sicht­lich de­ren Ock­ham pro domo plädiert hätte. Er sagt kon­se­quent oder adä­quat (ib.
p. 92 lin. 35–39): Wer schon einen leidi­gen theolo­gi­schen Irrtum ent­schul­di­ge, „multo magis
ex­cu­sabit igno­ran­ter opinantem aliquid quod nec in sacra scriptura ca­no­­nica (!) nec in Doc­to­­
ri­bus approbatis ab Ecclesia re­pe­ritur expressum.“ Die außer­scho­las­ti­sche ratio (consequentia)
entfällt po­tentiell. Aber nicht zwingend. Der Aus­griff, der methodisch oder logisch bzw. philo-
sophisch mit Relevanz für die Zukunft durch Ockham stattfand, impliziert am Ende selbst bloß
die Negation (Streichung) der Folgerung.
Literaturverzeichnis

Quellen

Ockhams theologische und philosophische Werke liegen vor in der Gesamtedition:


Guillelmi de Ockham, Opera Philosophica et Theologica, ed. Institutum Francisca­num,
St. Bonaventure University; St. Bonaventure, N. Y. 1967–1985.

Ockham, Opera Theologica. Bd. I–X dieser Edition


– Ordinatio (Ordinationis Prologus zit. Ord. Prol. und distinctio 1) – OT I
– Ordinatio, distinctio 2 und 3 – OT II
– Ordinatio, distinctio 4–18 – OT III
– Ordinatio, distinctio 19–48 – OT IV
– Reportatio II (= Quaestiones in librum secundum Sententiarum) – OT V
– Reportatio III (= Quaestiones in librum tertium Sententiarum) – OT VI
– Reportatio IV (= Quaestiones in librum quartum Sententiarum) – OT VII
– Quaestiones variae – OT VIII (8 aus dem corpus Sententiarum herausgezogene
Quästionen)
– Quodlibeta septem – OT IX

Zitiert wird z. B.: Ord. d. 1 q. 5 OT I p. 449 lin. 20–22; Rep. III, q. 3 OT VI p. 126 lin. 14f
Ockham, Opera Philosophica Bd. 11–20 dieser Edition
– Summa logi­cae (früher: Summa totius logi­cae) – OP I
– Expositionis in libros Artis Logicae prooemium – OP II
– Expositio Porphyrius de Praedicabilibus – OP II
– Expositio Praedicamentorum Aristotelis – OP II
– Expositio in librum Perihermeneias Aristotelis – OP II
– Tractatus de praedestinatione et de praescientia futurorum contingen­ti­um – OP II
– Brevis Summa Libri Physicorum – OP VI
– Quaestiones in Libros Physicorum – OP VI
– Elementarium logicae (opus adscriptum) – OP VII
– Logica Minor (opus adscriptum) – OP VII

Zitiert wird z. B. SL I c. 44 OP I p. 138 lin. 166–169


Ockham, Super quattuor libros sententiarum. In sententiarum I (Ordinatio).
Ockham, Super quattuor libros sententiarum. In sententiarum I (Reportatio II–IV), beides im
Wiegendruck 1495, Ndr. 1962. Zitiert wird W 1495.
Umfängliche Auszüge daraus in: J. Zuide­ma, De Phi­­lo­so­phie van Oc­­cam in zijn Com­­men­­taar op
de Sen­­ten­­ti­­én, 1936 Bd. 2 (Citaten). Zitiert wird W 1495.
706 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

P. Abailard, Glossae super Peri Hermeneias quas ediderunt K. Jacobi et Chr. Strub, Corpus
Christianorum, Continuatio Mediaevalis 206, Turnhout 2008.
Anselm von Canterbury, Cur Deus homo, 1098 (ed. S. Schmitt, Darmstadt 1956), lat. – dt.
Aristoteles, Lehre vom Schluss oder Erste Analytik (Organon III), Meiners Philos. Bibliothek
Bd. 10.
Aristoteles, Lehre vom Beweis oder Zweite Analytik (Organon IV), Meiners Philos. Bibliothek
Bd. 11.
Aristoteles, Kategorien/Lehre vom Satz (Organon I/II) Meiners Philos. Bibliothek Bd. 8/9.
Aristoteles, Metaphysik, Bücher I(A)–VI(E) Meiners Philos. Bibliothek Bd. 307, gr. – dt.
Aristoteles, Metaphysik, Bücher VII(Z)–XIV(N) Meiners Philos. Bibliothek Bd. 308, gr. – dt.
Francis Bacon, Novum Organum, 1620, Baconiana Bde. 37–38, 1953.
G. Berkeley, Eine Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis, 1710 Mei­ners
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Namenregister (Mittelalter)

A 483–484, 498, 500–502, 541, L


Adam Wodham  4, 36, 43, 89, 551, 559, 566–570–571, 573– Lambert von Auxerre  191, 686
100–101, 164, 295, 302–306, 574, 583–586, 594, 597–598,
309, 348, 608, 630–631, 707, 600–601, 609, 617, 623–626, M
712–714, 717 634, 649–653, 672–673, 679, Marsilius von Inghen  89, 233,
Aegidius Romanus  92, 537 699–700, 709–712, 714–715 715
Alfonsus Vargas Toledanus  89 Durandus von St. Pourçain  89,
Anselm of Canterbury  223, 310, 638, 709, 711–712 N
384, 507, 706, 717 Nikolaus von Autrecourt  4, 10,
Aristoteles  45–47, 49, 53–54, F 20–21, 26–27, 36, 38, 56–57,
69, 75, 77, 90, 116–118, 122, Francisco Suárez  46, 715 82–83, 92, 103, 105–106, 112,
151, 200, 300, 313–316, 454, Franciscus Mayronis 145, 158–159, 161–164, 194–195,
511–512, 534, 579, 582–584, (François de Meyronnes)  201, 316, 343, 345, 349, 360,
603–604, 626, 684, 686–687, 89, 443, 682, 710 395–396, 409, 426, 433, 452,
694, 699, 703, 705–706, 709, 526, 536–537, 540, 563, 587,
713–714, 717 G 593, 605, 665–667, 707, 714,
Augustinus  12, 514, 615, Gabriel Byel  4, 105, 149, 226, 716
Averroes (Commentator)  177, 296, 570, 706
285, 352, 375 Gregor der Große  500, 565, P
Avicenna  63, 196 709, 713 Peter von Ailly  89, 688
Gregor von Rimini  89, 118, 233, Petrus Abailard  151, 223, 230,
B 656, 666, 709, 713 281, 368–369, 384, 393, 618,
Beda der Große  636 Guilelmus a Guarra 706
(Wilhelm von Ware)  153, Petrus Aureoli  38, 89, 326–327,
D 177 538, 571, 614, 617,
Demokrit  47, 200 Petrus Hispanus  191, 615, 686
Duns Scotus  1, 3, 6, 8, 15, 32, H Petrus Lombardus  4
35–36, 38, 40–41, 49, 51–53, Heinrich von Gent  571 Petrus von Candia  281
59–60, 85–86, 88–90, 99–102, Plotin  318, 378
108–109, 116, 119, 123, 136, 153, J
157, 171–172, 174–177, 186–189, Joannes de Reading  38 R
191–193, 196–199, 213–214, Johannes Gerson  593, 605 Ricardus Campsalis  99–100
223–226, 231, 234–236, 238– Johannes von Mirecourt  4, Richard Swineshead  242
241, 246, 257–258, 272–273, 75, 147, 250, 392, 599, 631, Robert Cowton  263, 468, 571,
291, 297, 316, 319–323, 343– 709, 716 716
344, 419–420, 424, 426–430, Johannes von Neapel  89 Robert Holkot  226, 229
432–433, 435–436, 438–440, Johannes von Polliaco  252 Roscellin  79
445, 450–451, 455–456, 462, John Lutterell  327, 370, 711
465, 473, 476, 478–479,
720 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

S W Z
Siger von Brabant  153, 177 Walter Burleigh (Burleus)  191 Zensoren  147, 238, 498, 527,
Walter Chatton  6, 22, 26, 669–670, 681
T 142–143, 154, 157, 205, 295,
Thomas Bradwardine  610, 364, 369–370, 381, 385, 615,
526–527, 610, 713 625, 650, 706, 710, 712
Thomas Buckingham  238, 631 Wilhelm von Alnwick  281
Thomas von Aquin  32, 149, Wilhelm von Heytesbury  242
153, 167–169, 171–175, 187–188, Wilhelm von Shyreswood  191,
190–192, 197–198, 374, 439, 615, 686
446–450, 500–501, 610,
616–617, 711–712
Namenregister (Neuzeit)

A Borkenau, F.  438, 543, 708 E


Adorno, Th. W.  43, 200, 284, Bottin, F.  145 Ebbinghaus, K.  47, 132, 709
644, 652, 707 Bradley, F. G.  134, 353, 690, 708 Eco, U.  39, 346, 396, 427,
Amerini, F.  32, 707 Braudel, F.  644 444–445, 643, 709
Ammerman, R. R.  70, 707 Brouwer, L. E. J.  198, 367 Ehrle, F.  281, 610, 709
Arnheim, R.  5, 707 Brown, D.  31, 708 Elie, H.  349, 709
Auden, W. H.  589, 707 Brown, J. R.  608, 709 Erwe, F.  163
Brown, S. F.  622, 709 Etzkorn, G. J.  32, 682, 710
B Burckhardt, C. J.  46, 709
Bacon, F.  651, 706 F
Bannach, K.  10, 29, 71, 75, 163, C Feferman, S.  419
509, 531–532, 707 Calvin, J.  703 Feuerbach, L.  526, 706
Bardili, Chr. G.  112 Cantor, G.  239, 462 Fichte, G.  359, 706
Barth, K.  507, 707 Carnap, R.  16, 553, 709 Frazer, J. G.  5
Bartuschat, W.  16 Carré, M. H.  323, 684, 702, 709 Frege, G.  70, 145, 710, 712, 716
Baudry, L.  28, 53, 185, 209, 312, Chamisso, A. von  652
453, 466, 486, 492, 658–659, Chomsky, N.  65, 234, 386, G
668, 707 709, 711 Gadamer, H. G.  16, 30, 47,
Beckmann, J. P.  71, 214, 425, Combes, A.  132, 242, 706 200, 563, 599, 608, 611, 651,
579, 683, 707–708 Cornford, F.  307, 709 702, 710
Berkeley, G.  284, 706 Courtenay, W. J.  632, 709 Gál, G.  1, 295, 381, 707, 710
Beth, E. W.  40, 417, 464, 708 Cramer, W.  290, 709 Gandillac, M. de  134, 138, 242,
Bismarck, O. von  374 Curtis, W.  242, 709 491, 539, 559, 566–568, 710
Bloch, M.  644, 708 Garcia, P. & Esteva, F.  25, 710
Blumenberg, H.  10, 70–71, 73, D Gauß, F. W.  239
75, 147, 184–185, 240, 242, 250, Danzel, Th. W.  297, 709 Genicot, L.  641, 710
283, 288, 352–353, 381, 386, Davies, P. C. W.  608, 709 Ghellinck, J. de  223
432–433, 437, 459, 461, 487, Day, S.  53, 89, 108, 321, 709 Gilson, E.  35, 63, 153, 189, 199,
497, 503, 556, 569, 593–594, De Morgan, A.  25 228, 379, 710
608, 611, 621–640, 644, 651, De Rijk, L.-M.  151, 223, 480– Goddù, A.  2, 16, 71, 209, 421,
669, 702, 708, 710–711, 713 481, 503, 706, 709 631, 710
Boeckh, A.  651 Dedekind, R.  23, 126, 709 Gödel, K.  32, 145, 159, 163, 419,
Boehner, Ph.  1, 45, 127, 231, Descartes, R.  5, 183, 374, 458, 553, 710, 712, 716–717
301–302, 419, 422, 425–427, 508, 634, 701–703, 706, 713 Godfrey, R. G.  65, 711
600–601, 631, 686, 708 Dettloff, W.  258, 709–710 Goethe, J. W. von  374
Boh, I.  500, 708 Dilthey, W.  5, 24, 27, 30, 599, Goldmann, L.  565, 711
Bohr, N.  608 611 Goldstein, J.  163, 711
Boler, J. F.  2, 28, 62, 708 Dreiling, R.  622, 709 Gongora Y Argote, L. de  565
Bonhoeffer, D.  30, 275 Duhem, P.  63, 183, 321, 524, Goodman, N.  112, 711
Booles, G.  25 594, 599, 709 Gould, G.  644
Borges, J. L.  353, 355 Grass, R.  625, 696, 711
722 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

Guardini, R.  273, 711 K Lenz, M.  28, 32, 55, 205, 213,
Guelluy, R. de  181, 226, 711 Kamlah, W.  121, 385, 712 338, 400, 465, 567, 630, 713
Kaneko, T.  548, 712 Lenzen, W.  72, 713
H Kant, I.  16, 35, 45–46, 67, 126, Lewy, E.  121, 713
Hägglund, B.  165, 190, 329, 145, 323, 458, 460, 516, 634, Liske, M. T.  2, 73, 713
688, 711 640, 706, 709, 716 Locke, J.  20, 593
Hartmann, N.  284, 634, 711 Kapp, E.  18, 223, 694, 712 Lorenz, K.  105, 599, 712–713
Hegel, G. W. F.  24 Kästner, A. G.  126 Lorenzen, P.  47, 121, 419, 423,
Heidegger, M.  284, 608, 618, Karger, E.  32, 712 712–713
640, 711 Katz, J. J.  386, 712 Löwenheim, L.  74, 151, 179, 235,
Heijenoort, J. van  40, 710, Kaufmann, M.  2, 28, 31, 427, 257, 385, 567, 668
712, 716 465, 712 Löwith, K.  409, 433, 566, 673,
Hein, R. B.  703, 711 Kempski, J. v.  5, 371, 401, 712 702, 713
Helmholtz, H.  5, 423 Kierkegaard, S.  105, 190, Luhmann, N.  223, 229, 375, 713
Herder, J. G.  24 283–284 Lukacs, G.  409
Hermelink, H.  296, 632, 711 Kleene, S. C.  31, 567, 712 Lukasiewicz, J.  45, 54, 77, 129,
Heyting, A.  40 Klein, J.  145, 253, 518, 706, 346, 529, 713
Hilbert, D.  367, 714 712, 717 Luther, M.  27–29, 75, 105, 209,
Hintikka, J.  386 Klopstock  24 227, 248, 257, 272, 290–291,
Hirano, T.  277, 697, 711 Kluxen, W.  35, 73, 189, 408, 567, 329, 508, 605, 707, 709, 711,
Hirvonen, V.  1, 32, 711 634, 650, 700, 712 716–717
Hobbes, Th.  46, 137, 145, 274, Kneale, W. & M.  2, 24, 136, 157,
290, 590, 706 169, 320, 323, 346, 369, 374, M
Hochstetter, E.  126, 182, 336, 508, 658, 688, 712 Maier, A.  71
515, 711 Knudsen, Chr.  28, 42, 205, Maimon, S.  16, 67, 126, 373, 561,
Hoeres, W.  321, 390, 711 706, 712 634, 706
Hoffmann, F.  228, 235, 250–251, Kolakowski, L.  542, 674, 712 Marcolino, V.  656
327–328, 357, 525, 610, 618, Kölmel, W.  1, 712 Maritain, J.  568, 713
636, 706, 711 Kolmogorov, A. N.  40, 712 Marlowe, Chr.  360, 714
Hofmannsthal, H. von  648 Koyré, A.  565, 712–713 Martin, G.  11, 16, 683, 714–715
Honnefelder, L.  179, 502, 711 Kretzmann, N.  682, 708–709, Matsuura, J.  703, 714
Huizinga, J.  547, 593, 711 712 McCord Adams, M.  1, 72, 363,
Humboldt, W. v.  16, 121, 711 Kuhn, T. S.  23, 32, 294, 522, 713 502, 631, 714
Hume, D.  56–57, 290, 593, 706 McTaggart, J. M. E.  134, 291,
L 353, 690, 714
I Lachmann, R.  115, 713 Mensching, G.  463, 714
Iribarren, I.  593, 711 Lagarde, G. de  180 Michalski, K.  228, 251, 392, 461,
Iserloh, E.  525, 567, 633, 711 Le Goff, J.  637, 644, 713 531, 714
Leff, G.  28, 99, 118, 170, 227, Miethke, J.  32, 632, 714
J 238, 349, 396, 473, 526–527, Mill, J. St.  5, 293
Jacobi, K.  368, 507, 706 536, 538, 543, 579, 598, 610, Mittelstedt, P.  145, 529, 714
Jacobi, C. G. J.  423, 651, 711 631, 636, 655, 684, 686, 688, Mojsisch, B.  393, 712–716
Jakobson, R.  279, 711 713 Moody, E. A.  46, 272, 508, 572,
Jaspers, K.  70, 284, 482, 711 Leffler, O.  543, 579, 684, 686, 668, 714
Jonas, H.  589, 712 713 Moore, G. E.  70, 411, 621
Junghans, H.  28, 37, 150, 153, Leibniz, G. W.  46, 137, 145, 290, Moser, S.  501, 714
712 612, 640, 648, 706, 715 Müller, S.  419, 546, 682, 714
Juschkewitsch, A. P.  242, 712 Leibold, G.  502, 713
Leinfellner, W.  654, 713
Namenregister (Neuzeit) 723

N Scherer, W.  5 Vischer, F. Th.  589


Nederman, C. I.  212, 714 Schiller, F.  297 Vorländer, K.  374, 717
Nietzsche, F.  16, 280, 284, 589, Schlegel, F. v.  121, 707 Vossenkuhl, W.  71, 483, 708–
605, 644, 706–707, 713 Scholem, G.  242, 355, 564, 715 711, 713–715, 717
Scholz, H.  179, 640, 715
O Schönberger, R.  32, 708–711, W
Olive, J.  702, 714 713–715, 717 Wagner, R.  547
Schopenhauer, A.  605, 706 Wang, H.  22, 32, 715, 717
P Schreiber, U.  564, 715 Warning, R.  644, 717
Pannenberg, W.  219, 512, 714 Schröcker, H.  10, 437, 623, 715 Weisheipl, J.  276, 684, 717
Paqué, R.  463, 714 Schrödinger, E.  47, 587, 716 Weizsäcker, C. F. von  239,
Pascal, B.  565 Schultz, C.  403, 716 565, 717
Patzig, G.  35, 529, 714 Schweitzer, A.  30, 716 Werner, K.  165, 717
Peano, G.  126, 662 Shogimen, T.  716 Wey, J. C.  385, 654
Peckhaus, V.  367, 714–715 Skolem, Th.  32, 74, 132, 151, 179, Weyl, H.  654
Peirce, Ch. S.  5, 371, 662, 712, 235, 257, 385, 567, 716–717 White, G.  488, 503, 507, 710,
714 Sondag, G.  99 717
Pelzer, A.  1, 89, 99, 714 Spencer, H.  5 Whitehead-Russell  47
Perler, D.  2, 10, 16, 635, 638, Spinoza, B.  1, 115–116, 236, 238, Whorf, B. L.  16, 121, 717
646, 707, 715 258, 290, 335, 374, 479, 510, Wiehl, R.  479, 717
Pinborg, J.  2, 11, 65, 136, 154, 548, 593, 707 Windelband, W.  298, 717
169, 205, 234, 346, 386, 469, Stegmüller, F.  250, 716 Winogradow, M.  310, 717
694, 709, 715 Strub, C.  368, 507, 706 Wittgenstein, L.  16, 73, 105,
Pluta, O.  1, 300, 410, 564, 715 Suárez, F.  46, 113 121, 145, 357, 450, 499, 593,
Priest, G.  694, 715 Suk, O.  544, 692, 716 598–599, 618, 630, 717
Pulte, H.  423, 651, 711 Swiniarski, J.  28, 716 Wolfl, St.  25, 717
Putnam, H.  386 Wood, R.  310, 344, 478, 632,
T 707, 717
Q Tachau, K. H.  22, 134, 147, 164, Wulf, M. de  466
Quine, W. O. V.  16, 112, 121, 209, 631–632, 716
162, 473, 502, 625–626, 630, Tarski, A.  230, 269, 369, 440, Y
710, 715 553, 630, 716 Yorck von Wartenburg, P.  438,
Teetaert, A.  622, 716 717
R Theissing, H.  263, 716
Read, St.  694, 715 Tönnies, F.  547, 716 Z
Reinhold, K. L.  359 Trapp, A. D.  656 Zabarella, J.  323, 374
Renemann, M.  74 Tugendhat, E.  440, 716 Zermelo, E.  257
Richter, V.  123, 715 Zimmermann, A.  45–46, 63,
Rilke, R. M.  93, 715 U 298, 367, 717
Ritschl, A.  273, 598, 715 Überweg, F.  5 Zengh, Y.  88, 717
Ritter, G.  232, 341, 715 Zuidema, J.  8, 717
Rosenzweig, F.  183, 715 V
Valéry, P.  165, 716
S Vignaux, P.  27, 42, 89, 132–133,
Sapir, E.  16, 112, 121, 715 152, 158, 179–181, 219, 231, 301,
Sauter, G.  508, 715 441, 487, 564, 567–568, 609,
Savigny, E. v.  73 660, 688, 702, 706, 716–717
Sachregister

A C Demonstrationslehre  16, 581


a priori  16, 26, 31, 419 caritas  291 Determinatheit  26, 154–155,
absolutum  61–64 causa efficiens  321 159, 510, 569, 586
Abstraktion  1, 3, 6, 17–18, causa finalis  578–579, 581–582 distinctio formalis  12, 148–152,
20–21, 23–24, 36–38, 42–44, causa immediata  595 179, 184, 231, 235–236, 262,
316–323, 429, 464–465, 469, Christologie  286, 288–289, 301–303, 343, 467–468,
477–478, 480, 510–511, 519– 291, 293 603–604
523, 528–529, 531, 537, 553, 559, cognitio supernaturalis  493 distinctio ratione  85–86,
570–572, 576–579, 585, 681, complexum significabile  131, 252–253, 466
687, 699–700 164 distinctio realis  7–8, 36, 61,
accidens  7–8, 12–16, 26–27, 31, compositum  285, 288–289 85–86, 147–150, 249, 251–253,
60–62, 67–68, 83–84, 88, 90, conceptio immaculata  27 261–262, 303–306, 313, 343,
92–93, 199–201, 203–206, 214, conceptus quidditativus  59 370, 389, 435–437, 455–457,
247, 249, 309–313, 318, 323, connotativa  15, 16 466–467, 485–487
357–360, 419–420, 508, 537, consequentia  1, 3, 155
573–574, 629, 631, 633–636, consequentia formalis  12, 176, E
647, 681–685 194, 351, 355, 364, 390–391, Erlösung  8, 30
actus  4, 184, 369–373, 376–380, 393, 395–396, 398–399, 415, essentia  26
628–629 453, 460, 493, 496, 617, 647, essentia divina  128
actus apprehensivus  7, 36, 67, 650, 652, 699 Evidenz  2, 694–696
121, 342–345, 373, 379–380, consequentia naturalis  198,
410–411, 413, 483–487, 556, 393–394, 453, 496 F
568, 570, 572–573, 693–696 conservatio  55, 58, 147, 240– fallacia  56–58, 183–184, 399,
actus assentiendi  637 244, 247, 255, 422, 497, 552 423
actus exercitus  686 continuum  685 fictum esse (obiectivum esse) 
actus intelligendi  321, 337–338, contradictio  75, 101, 347–349 128, 205–206, 319, 401
361, 383, 413, 432, 434, 486, creatio  230, 236–237, 251–252 fidelis  12, 677
513, 539, 544, 585, 667 fides  167–168, 180, 226, 398,
actus iudicativus  492, 572, D 542, 694
640–641, 693 de virtute sermonis  579 Folgerung  1, 10–12, 25–26,
Adäquatheitshypothese  593 Deduktion  1, 419 36–38, 40, 78–79, 81–83,
Adäquatheitsprinzip  541 Definitheit  18–20, 109–110, 155, 110–111, 133, 159, 599–600,
Aktualunendlichkeit  239–241, 419–420 677–678, 681
348, 422, 462 definitio formalis  597 forma  12, 26–27, 47–48,
analytisch  5–6, 8 definitio quid nominis  395 62–64, 78–80, 249, 284–288,
angelus  328–329, 374–375, definitio quid rei  137, 395–396 299–303, 455–456, 480–481,
407, 637 delectatio  405–407 528–533, 569, 594, 612–613,
anima intellectiva  299 demonstratio particularis  266 630–631, 634, 640, 647, 652–
apprehensio  653 demonstratio per causam 659, 681–685
Atomlehre  536, 587 extrinsecam  266 forma accidentalis  198, 314, 359
Augmentatio (intensio)  447 demonstratio potissima  22, forma augmentationis  331
Averroismus  177 45–46, 140, 143 Funktionsbegriff  168, 634
726 Über Beweise und Beweisarten bei Wilhelm Ockham

G Kontingenz  6, 23, 77–78, O


genus  95 107–109, 262–267, 270, 465, obiectivum esse  431
Gottesbeweis  174, 176, 568 670 Ökonomieprinzip  10, 70, 122,
konzeptualistischer Realismus  127–128, 302, 323, 423, 451,
H 24 512, 559, 594–595, 607, 641,
habitus  4, 60–61, 121, 135, 643, 649–650
191–193, 273–274, 337, 370–371, M omnipotens  62, 185, 226, 231,
376–380, 433, 551–554, 583– materia  10, 79–80, 204, 510– 398, 425, 544–545, 604, 607,
584, 629, 636, 647, 697–698 512, 594, 609, 636, 657 642
habitus iudicativus  168, 171, materielle Implikation  162, 169 Ontologie  47, 51, 78, 81, 91,
694 Mentalismus  1 154–155, 169, 199–201, 204–
Heilslehre  96, 173, 246 modo composito  36, 168, 389, 205, 427–429, 431–432, 494,
400, 407, 473, 528–529 623–625, 686–688, 699
I motus  333 ontologischer Realismus  1, 22
Ideae  244 ordo salutis  389, 662–663
Implikation  20–23, 51, 355, N
675–679, 695–697 natura  8 P
indirekter Beweis (reductio ad necessaria (propositiones passio (Satzprädikat)  3, 12–13,
absurdum)  46–47 necessariae)  300–301 15–17, 37–43, 468–469, 471,
Induktion  1, 4–12, 44, 57–63, Nominalismus  10, 22, 39, 41, 626
66–67, 69–70, 98, 113, 132–133, 43, 61, 387, 394, 472–473, peccatum  27, 31, 249, 257, 327,
330–334, 344, 422–423, 502–503, 508, 565, 595, 638, 546, 589–590, 636
517–519, 521–524, 553, 575–577, 670, 694 peccatum originale  27, 31
628–630, 662, 681 non-repugnantia  332 persuasio (Überredungsbeweis) 
induktiv  681 notitia (actus)  35–42, 376–378, 1, 4–8, 44, 67, 98, 107, 109, 127,
infidelis  173–174, 677 531–535, 537, 629–631, 635–638 131, 298, 316–318, 334, 508, 513,
infinitum actuale  239–240, notitia abstractiva  4, 7, 113, 121, 515–517, 556–557, 628–630,
433, 595 130–135, 156, 211, 213, 228–229, 640–641, 681, 700
inhaerentia  7, 83–84, 419, 235, 245, 254, 271, 309–310, potentia  184–185, 628–630
574–575, 626 398–399, 552–554, 572–573, potentia dei ordinata  10
instantia (Einwand, 595, 634 potentia divina absoluta
Gegen­beispiel)  6, 11–12, 571 notitia abstractiva secunda  89 (Omnipotenzprinzip)  10,
intellectio-Hypothese notitia complexa  7 54–56, 58, 61–65, 67–71, 75,
(subiectum esse)  401, notitia incomplexa  7 129, 172–174, 180–181, 183–185,
473–475, 490–491 notitia intuitiva  4, 7, 57–58, 220, 224, 257, 261–265, 271,
intellectus  7, 20 62–66, 78, 88–89, 108–109, 302, 312–313, 346–350, 354,
iudicium  555–556 113, 121, 130–135, 145–151, 394–395, 397–398, 405, 407,
157–158, 211, 234–235, 239, 243, 412–415, 511–512, 517, 520–521,
J 253–255, 258, 271, 295–296, 523, 528–529, 551–552, 559–
Jungfrauengeburt  590 298, 309–310, 331, 398–399, 560, 588, 622–624, 628–629,
551–558, 594–595, 610–612, 634, 636–637, 641, 643,
K 614–616, 634–635, 681–682, 647–649, 655–656, 663–665,
Kausalität  12, 28, 56–58, 64, 695 696–697, 702–703
125–126, 251, 318, 374, 376, 387, notitia practica (praxis)  579– potentia divina absoluta
439–442, 452–453, 540–541, 581, 583, 585–586 naturaliter loquendo  10–11,
621–622, 625, 628 Notwendigkeit  6, 26, 135–136, 456, 528
Konsistenz (Widerspruchsfrei- 432–433, 562, 621, 626, potentia divina absoluta
heit)  1, 4 658–660 supranaturaliter loquendo 
10–11, 343, 345–346, 395, 422,
456–457, 528
Sachregister 727

potentia ordinata  624 relatio realis  231, 253 T


Prädestination  215, 218–220, Relationsbegriff  10 tertium non datur (Satz vom
222 reprobatio  1, 4–5, 23, 106–107, ausgeschlossenen Dritten) 
Prädikatenlogik  694 393, 420–422, 681 5, 109, 231–232, 367, 537
probatio  56–60, 514–520 transzendent  15–16
propositio contingens S transzendental  15–16
(kontingenter Satz)  14, Satzarten (Satztypen)  4, 6,
369, 457–461, 532, 555, 621, 9–10, 14, 465, 681 U
658–660 scientia  43–45, 71–73, 167–168, unio (s.a. compositio)  285, 289
propositio immediata  26, 62, 180, 398, 694 universale (universalia)  15–17,
122–125, 398, 462, 533, 678, 701 significatio  3, 12–13, 20, 127, 79, 85–86, 92, 95
propositio per se nota  26, 206, 395–396, 615
122–125, 155, 169–170, 181, 250, significatum  12 V
307–309, 355, 359, 395, 515, significatum totale (complexum virtualiter  36–39, 42–43, 379
555 652 significabile)  233, 401 visio beatifica  28, 131
propositio per se primo modo  species  15, 53, 88, 95, 108–109, voluntas  317–319, 325
54, 143, 184, 659, 683 122, 198–200, 332–333, 420–
propositio per se secundo modo  422, 424–427, 429–430, 547, W
54, 143, 659, 683 573, 627–628, 631–632, 634 Wahrheit (veritas)  4–5, 28,
subiectum (Satzsubjekt)  12–16, 30–31, 265, 419–420, 457,
Q 35–43, 50–52, 60, 80 461, 481, 541, 562–563, 601,
qualitas  397, 431–432, 629, 634 subiectum  3, 12–16, 80, 468– 633–635
quantitas  23, 397, 634, 684–685 471, 612, 629 Widerlegung (reprobatio)  86–
quidditas  15 substantia  12–15, 67–68, 200– 88, 106–107, 195–197, 435, 517,
203, 205, 214, 249, 309–314, 686–688
R 508, 537, 573–574, 629, 631, Widerspruch (Inkonsistenz) 
ratio  42–43, 128–131, 168, 634, 636, 646–647, 681 31, 249–253, 255–258, 263,
329–332, 374–379, 382–384, suppositio personalis  547, 659 290–291, 312–314, 387–389,
445–449, 529, 575–579, suppositio simplex  547, 659 407–408, 481–486, 509–511,
589–590, 610–614, 633–636, Suppositionslogik  23, 49, 541, 569, 594–595, 604,
673, 681, 684 51, 80–82, 91, 155, 196–197, 626–631, 635–638, 649–650,
rationes probabiles  535 432–433, 435–437, 442, 444, 653–656, 663–665, 673, 679,
realistischer Konzeptualismus  555, 629, 686, 688 681, 687, 689–690
24 suppositum  8, 261, 286, 302, Wunder (miraculum)  10, 183,
reductio ad absurdum 309–310, 634 476, 557, 594, 613, 702
(indirekter Beweis)  1, 4, Syllogismus  4–5, 39, 41, 44–46,
47, 161 53–54, 71–73, 82, 117, 129, 132, Z
reduktive Behauptungen  5 134–139, 175–176, 355–357, Zeichenbegriff  79
refutatio  107, 320 369–371, 388, 396, 430, 471, Zweinaturenlehre  509
relatio  40, 52–54, 351–354, 629 500, 625–626

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