Sie sind auf Seite 1von 25

Grimm · Kinder- und Hausmärchen.

Die handschriftliche Urfassung von 1810


6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-

1 Brüder Grimm
2
Kinder- und Hausmärchen
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-
lung/4_1_Innenteil/4_1_2_Nachauflagen/2170552-u.pod Seite 2

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-

1
2
Brüder Grimm
3
4
5
Kinder- und Hausmärchen
6
7
Die handschriftliche Urfassung von 1810
8
9
10
11 Herausgegeben und kommentiert
12 von Heinz Rölleke
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34 Reclam
35
36
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-
lung/4_1_Innenteil/4_1_2_Nachauflagen/2170552-u.pod Seite 4

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 18520
25
2007 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG,
26 Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
27 Druck und Bindung: Canon Deutschland Business Services GmbH,
28 Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
29 Printed in Germany 2017
30 RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und
31 RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken
der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
32
ISBN 978-3-15-018520-9
33
34 www.reclam.de
35
36
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-

1 Inhalt
2
3
4 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
5
6
7 Märchen
8 〈1. Von einem König, Schneider, Riesen, Einhorn〉 13
9 2. Vom Kätzchen und Maüschen . . . . . . . . . . 13
10 3. Das Laüschen und Flöhchen . . . . . . . . . . . 14
11 4. Der getreue Gevatter Sperling . . . . . . . . . . 16
12 5. Von dem Strohhälmchen dem Köhlchen und
13 dem Böhnchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
14 6. Der Wolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
15 7. Allerlei Rauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
16 8. Armes Mädchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
17 9. Blutwurst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
18 10. Zwölf Brüder und das Schwesterchen . . . . . . 21
19 11. Das Brüderchen vnd das Schwesterchen . . . . 24
20 12. Daümling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
21 13. Dümmling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
22 14. Vom Schneiderlein Daümerling . . . . . . . . . 28
23 15. Dummling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
24 16. Die weisse Taube . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
25 17. Die drei Königssöhne . . . . . . . . . . . . . . . 32
26 18. Dümmling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
27 19. Dornröschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
28 20. Der Drache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
29 21. König Droßelbart . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
30 22. Die goldne Ente . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
31 23. Mährchen v. Fanfreluschens Haupte . . . . . . . 43
32 〈24. Vom Fischer und seiner unersättlichen Frau〉 . . 44
33 25. Die Königstochter vnd der verzauberte Prinz.
34 Froschkönig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
35 26. Ein Mährchen. Fündling . . . . . . . . . . . . . 47
36 27. Goldne Gans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-
lung/4_1_Innenteil/4_1_2_Nachauflagen/2170552-u.pod Seite 6

6 Inhalt

1 〈28. Geschichte vom Sperling〉 . . . . . . . . . . . . . 51


2 29. Herr Hände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
3 〈30. Von dem gestohlenen Heller〉 . . . . . . . . . . 52
4 31. Die alte Hexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
5 32. Goldner Hirsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
6 〈33. Von Mäuschen und Bratwurst〉 . . . . . . . . . 57
7 34. Marienkind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
8 35. Prinzessin Mäusehaut . . . . . . . . . . . . . . . 61
9 36. Der Mond und seine Mutter . . . . . . . . . . . 62
10 37. Murmelthier. Liron . . . . . . . . . . . . . . . . 62
11 〈38. Von der Nachtigall und der Blindschleiche〉 . . 69
12 39. Das gute Pflaster . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
13 40. Die drei Raben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
14 41. Raüberbraütigam . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
15 42. Rumpenstünzchen . . . . . . . . . . . . . . . . 73
16 43. Schneeweißchen. Schneewitchen . . . . . . . . . 75
17 44. Die zwei Schornsteinfegers Jungen . . . . . . . 80
18 45. Prinz Schwan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
19 46. Ein Mährchen. Das stumme Mädchen . . . . . 84
20 〈46a〉 Ein andres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
21 47. Die Wassernix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
22 〈47a〉 I. Vom König von England . . . . . . . . . . 88
23 48. II. Vom Johannes-Waßersprung und
24 Caspar-Waßersprung . . . . . . . . . . . . . . . 89
25 49. III. Von dem Schreiner und dem Drechsler . . . 91
26 〈50. Aschenputtel 〉 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
27 〈51. Vom goldnen Vogel 〉 . . . . . . . . . . . . . . . 92
28 〈51a〉 Herr Korbes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
29
30
31
Anhang
32 Entstehung der ältesten Märchensammlung der
33 Brüder Grimm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
34 Anmerkungen zu den einzelnen Märchen . . . . . . 100
35 Konkordanz-Tabellen der KHM-Bezifferungen . . 140
36 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-

1 Vorwort
2
3
4 Seit Ende 1806 hatten die Brüder Jacob und Wilhelm
5 Grimm (1785–1863; 1786–1858) für den romantischen
6 Dichter Clemens Brentano (1778–1842) nicht nur Volks-
7 lieder für die von ihm und Arnim herausgegebene An-
8 thologie Des Knaben Wunderhorn (1805–1808), sondern
9 auch Märchen und Sagen zur Unterstützung von Brenta-
10 nos Fortsetzungsplänen zum Wunderhorn gesammelt. Als
11 sich diese Pläne zerschlugen, wollte Brentano ein eigen-
12 ständiges Märchenbuch erstellen und erbat sich daher von
13 den Brüdern Grimm all ihre bis dato zusammengebrach-
14 ten Materialien: »Ich habe jetzt angefangen Kindermär-
15 chen zu schreiben, und Ihr könnt mir eine große Liebe er-
16 weisen, wenn Ihr mir mittheilt, was Ihr derart besitzet
17 […] Sendet mir doch, was Ihr habt« (3. September 1810 an
18 die Brüder Grimm). Die Grimms hatten Brentano viel zu
19 verdanken, auch praktische Anleitungen zum Sammeln,
20 Bearbeiten und Veröffentlichen von Märchen sowie Hin-
21 weise auf alte Quellen und Gewährspersonen mündlicher
22 Traditionen. So ist es nur folgerichtig, daß Jacob Grimm
23 am 24. September 1810 an ihn schrieb: »Die Kindermär-
24 chen, die wir gesammelt, sollen Sie kürzlich erhalten.«
25 Den Grund für die leichte Verzögerung hatte er zuvor
26 brieflich am 12. September 1810 seinem zwecks Märchen-
27 sammelns in Marburg weilenden Bruder genannt: »Unsere
28 Kindermärchen verlangt er […] Das muss man gewiss
29 thun, doch halte ich für nöthig, von unserm Gesammelten
30 vorher Abschrift zu nehmen, denn sonst gehts verloren.«
31 Tatsächlich ließen die Brüder Grimm in den folgenden
32 vier Wochen Abschriften ihres gesamten Märchenmateri-
33 als erstellen, die hernach den Grundstock für ihre eigenen
34 Publikationen bildeten. Sodann stellte Jacob Grimm die
35 Sendung der Originalmaterialien an Brentano nach Berlin
36 zusammen. Einige Stücke hielt er indes zurück, weil diese
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-
lung/4_1_Innenteil/4_1_2_Nachauflagen/2170552-u.pod Seite 8

8 Vorwort

1 Brentano bereits bekannt waren oder in Form von Ab-


2 schriften vorlagen. Er sortierte die Texte in zwei Gruppen:
3 Nach sechs Tiermärchen, die den Anfang bilden, folgen
4 die übrigen Märchen; beide Gruppen wurden alphabetisch
5 nach den Hauptstichwörtern der jeweiligen Überschriften
6 angeordnet und durchnumeriert (ein Prinzip, das dem Bi-
7 bliothekar und Ordnungsfex Jacob Grimm nahelag), und
8 zwar zwischen »Einhorn« und »Wolf« sowie zwischen
9 »Allerlei Rauch« und »Waßersprung«. Die Texte Nr. 46a
10 und Nr. 47a hat Jacob Grimm insgesamt durchstrichen
11 und nicht in die Zählung einbezogen; ohne eigene Num-
12 mer blieb auch das erst nach Abschluß der Zusammen-
13 stellung zugekommene Märchen Nr. 51a. Nach Wilhelm
14 Grimms Heimkehr aus Marburg wurden die Texte Nr. 1,
15 24, 28 und 33 entfernt, weil auch diese Brentano schon
16 kannte. Vier Niederschriften, die erst nach Zusammenstel-
17 lung des Corpus zugekommen waren, wurden am Ende
18 hinzugefügt: Nr. 48, 49, 50 und 51. Von diesen insgesamt
19 51 Niederschriften blieben schließlich 47 in Brentanos
20 Nachlaß erhalten (die Manuskripte Nr. 30, 38, 50 und 51
21 sind verschollen). Es handelt sich um 63 Blätter (insgesamt
22 108 beschriebene Seiten).
23 Nach der äußerst lakonischen Eingangsbestätigung vom
24 2. November 1810 (»Gestern erhielt ich die Mährchen«)
25 ist Brentano mit keinem Wort mehr auf die Märchensen-
26 dung eingegangen, die wohl insgesamt nicht seinen Er-
27 wartungen entsprach. Jacob Grimms Befürchtungen ent-
28 sprechend, hat er die Handschriften auch nicht – wie die
29 Grimms das ausdrücklich gewünscht hatten – zurückge-
30 schickt. Spuren von Bearbeitungen finden sich außer einer
31 Notiz zu Nr. 18 nicht, es sei denn man wolle das Ver-
32 schwinden von vier Manuskripten als Zeugnis seiner Be-
33 schäftigung mit den Grimmschen Niederschriften werten.
34 Immerhin hat er das Konvolut aber bis zu seinem Tod
35 treu bewahrt. Ganz im Gegensatz dazu haben die Brüder
36 Grimm die Abschriften ihrer ältesten Märchensammlung
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-

Vorwort 9

1 verbrannt, nachdem sie für die Drucklegung ausgewertet


2 worden waren. Desto kostbarer, weil solitär, sind die Ori-
3 ginalniederschriften im Nachlaß Brentanos.
4 Nach Brentanos Tod (1842) kamen die Grimmschen Mär-
5 chenhandschriften durch den Abt Ephrem van der Meu-
6 len (gest. 1884) an die Bibliothek des Trappistenklosters
7 Ölenberg im Elsaß. Dort wurden sie erst nach dem Ersten
8 Weltkrieg entdeckt und einigermaßen zulänglich identifi-
9 ziert. Einen Erstdruck, der nicht auf den Originalmanu-
10 skripten, sondern auf einer überaus flüchtigen und von
11 Fehlern wimmelnden Abschrift von unbekannter Hand
12 aus dem Jahr 1911 basiert, brachte Franz Schultz unter
13 dem Titel »Die Märchen der Brüder Grimm in der Ur-
14 form« (2. Jahresgabe der Frankfurter Bibliophilen-Gesell-
15 schaft. Offenbach a. M. 1924) heraus. Joseph Lefftz hat
16 diese Edition mit Recht heftigst kritisiert und erfolgreich
17 seine eigne an deren Stelle gesetzt: »Märchen der Brüder
18 Grimm. Urfassung nach der Originalhandschrift der Ab-
19 tei Ölenberg im Elsaß«. Heidelberg 1927. Der Titel seiner
20 Neuedition war und ist nicht glücklich gewählt: Zum ei-
21 nen hatte Friedrich Panzer die von ihm 1913 neu aufgeleg-
22 ten Erstdrucke der Grimmschen »Kinder- und Hausmär-
23 chen« von 1812/15 »Urfassungen« genannt, so daß es in
24 der Forschung zu einer Begriffsverwirrung kam; zum an-
25 dern wechselte das Konvolut 1953 auf einer New Yorker
26 Versteigerung den Besitzer: Seither ist es Eigentum der
27 Fondation Martin Bodmer in Cologny-Genève und folg-
28 lich keine ›Ölenberger‹ Handschrift mehr. Trotz postwen-
29 dender Kritik und vieler Unzulänglichkeiten hat die
30 Lefftzsche Edition fast ein halbes Jahrhundert hindurch
31 die Grimm- und Märchenforschung bestimmt und teil-
32 weise mächtig irregeführt.
33 Erst 1975 erschien die erste historisch-kritische und aus-
34 führlich kommentierte Ausgabe des in vieler Hinsicht so
35 wertvollen Märchenkonvoluts (Die älteste Märchensamm-
36 lung der Brüder Grimm. Synopse der handschriftlichen
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-
lung/4_1_Innenteil/4_1_2_Nachauflagen/2170552-u.pod Seite 10

10 Vorwort

1 Urfassung von 1810 und der Erstdrucke von 1812, hrsg.


2 und erl. von Heinz Rölleke, Cologny-Genève 1975 [Bi-
3 bliotheca Bodmeriana. Texte, I]). Die grundsätzlichen und
4 spezifischen Mängel und Fehler der Lefftzschen Edition
5 sind dort (S. 18 f.) skizziert.
6 Die Edition von 1975 liegt dem vorliegenden Neuabdruck
7 zugrunde. Verzichtet wurde hier auf die synoptische Wie-
8 dergabe der Erstdrucke sowie auf eine Reihe diakritischer
9 Verzeichnungen (Streichungen, Positionierung von Nach-
10 trägen, Lesarten usw.), so daß es lediglich bei einigen Ein-
11 fügungen des Herausgebers (kursiv in Winkelklammern)
12 und Lesehilfen (kursiv in runden Klammern: lies) blieb.
13 Der Abdruck ist buchstabengetreu, Unterstreichungen
14 einzelner Wörter in den Märchentexten sind nicht wieder-
15 gegeben; die Überschriften sind im Druckbild vereinheit-
16 licht.
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-

1
2
3
4 Märchen
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-
lung/4_1_Innenteil/4_1_2_Nachauflagen/2170552-u.pod Seite 12

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-

Märchen 13

1 〈1.〉
2
3
〈Von einem König, Schneider, Riesen, Einhorn〉
4
5
6
7 2.
8 Vom Kätzchen und Maüschen
9
10
11 Ein Kätzchen und ein Maüschen, die hatten Wirthschaft
12 zusammen, und hatten sich ein Töpfchen mit Fett gekauft
13 für den Winter, und hatten es unter den Altar in der Kir-
14 che gestellt. Bald darauf sagt das Kätzchen zum Maüs-
15 chen, erlaub’ mir doch auszugehn ich muß Gevatter stehn;
16 und das Maüschen erlaubte es. Aber das Kätzchen ging in
17 die Kirche und aß die Haut von dem Fetttöpfchen ab. Das
18 Maüschen fragte es, wie es wieder nach Haus kam, wie das
19 Kindlein geheißen. »Hautab« sagte das Kätzchen. Und
20 bald hernach sagte das Kätzchen, es müße wieder Gevatter
21 stehn, und ging hin und aß das Fetttöpfchen halb aus.
22 Und als das Maüschen fragte wie das Kindlein geheißen,
23 so sagte das Kätzchen: »Halbaus« Endlich ging es noch
24 einmal zu Gevatter, ob es gleich das Maüschen nicht ha-
25 ben wollte, und sehr nachdenklich war, und sagte: Haut-
26 ab, Halbaus, das sind ja kuriose Namen. Und das Kätz-
27 chen fraß das Fetttöpfchen ganz aus, und sagte: das Kind-
28 lein hat Ganzaus geheißen. Da schüttelte das Maüschen
29 gar sehr den Kopf, Ganz aus! ei das ist ein bedenklicher
30 Namen. Bald war es Winter, da gingen sie beide in die
31 Kirche zu dem Fetttöpf〈ch〉en unter dem Altar, aber sie
32 fanden es leer. Da sagte das Maüschen: das hast du gewiß
33 gethan, wie du zu Gevatter standest. Da sagt das Kätzchen
34 schweig still oder ich freß dich auf, und als eben das
35 Maüschen den Mund wieder aufthun wollte, sprang das
36 Kätzchen auf es hin, und fraß es auf.
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-
lung/4_1_Innenteil/4_1_2_Nachauflagen/2170552-u.pod Seite 14

14 Märchen

1 3.
2
3
Das Laüschen und Flöhchen
4
5 Ein Laüschen und ein Flöhchen die lebten zusammen in
6 einem Haushalt, und brauten sich Bier in einer Eierschaa-
7 le. Da fiel das Laüschen hinein und verbrennte sich. Da
8 fing das Flöhchen laut an zu schreien. Da sprach die klei-
9 ne Stuben Thüre:
10
11 »was schreist du Flöhchen?«
12 Weil sich Laüschen verbrennt hat.
13
14 Da fing das Thürgen an zu knarren. Da sprach ein Be-
15 sengen in dem Hausehrn:
16 »was knarrst du Thürgen?«
17
18 Soll ich nicht knarren?
19
Laüschen hat sich verbrennt,
20
Flöhchen das weint.
21
22 Da fing der kleine Besen an entsetzlich zu kehren. Da
23 kommt ein Wägelchen vorbei:
24
»was kehrst du Besenchen?«
25
26 Soll ich nicht kehren?
27
Laüschen hat sich verbrennt,
28
Flöhchen weint,
29
Thürgen knarrt.
30
31 Da sagt das Wägelchen, so will ich entsetzlich rennen, und
32 rennt entsetzlich. Da sagt das Mistchen an dem es vorbei-
33 rennt:
34
35
»was rennst du Wägelchen?«
36 Soll ich nicht rennen?
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-

Märchen 15

1 Laüschen hat sich verbrennt,


2 Flöhchen weint,
3 Thürgen knarrt
4 Besengen kehrt
5
6 Da sagt das Mistchen so will ich anfangen zu brennen,
7 und brennt entsetzlich.
8 Da stand ein Baümchen, das sagt: »Mistchen was
9 brennst du?«
10
11 Soll ich nicht brennen?
12
Laüschen hat sich verbrennt,
13
Flöhchen weint,
14
Thürgen knarrt,
15
Besengen kehrt,
16
Wägelchen rennt;
17
18 Da sagt das Baümchen, so will ich mich schütteln und
19 schüttelte all sein Laub ab. Da sagt ein Mädchen mit dem
20 Waßerkrügelchen:
21
»Baümchen was schüttelst du dich?«
22
23 Soll ich mich nicht schütteln?
24
Laüschen hat sich verbrennt,
25
Flöhchen weint,
26
Thürgen knarrt,
27
Besengen kehrt,
28
Wägelchen rennt,
29
Mistchen brennt.
30
31 Da sagt das Mädchen, so will ich mein Waßerkrügelchen
32 zerbrechen, und zerbrach sein Waßerkrügelchen; da sagt
33 das Brünnlein:
34
35
»Mädchen was zerbrichst du dein Waßerkrügelchen?«
36 Soll ich mein Waßerkrügelchen nicht zerbrechen?
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-
lung/4_1_Innenteil/4_1_2_Nachauflagen/2170552-u.pod Seite 16

16 Märchen

1 Laüschen hat sich verbrennt,


2 Flöhchen weint,
3 Thürgen knarrt,
4 Besengen kehrt,
5 Wägelchen rennt,
6 Mistchen brennt
7 Baümchen schüttelt sich.
8
9
Ei! sagte das Brünnchen so will ich anfangen zu fließen,
10
und fing so entsetzlich an zu fließen, daß alles ertrunken
11
ist, das Mädchen, das Baümchen, das Mistchen, das Wä-
12
gelchen, das Besengen, das Thürgen, das Föhgen, und das
13
Laüschen, alle.
14
15
16 4.
17
18
Der getreue Gevatter Sperling.
19
20 Es war einmal eine Hirschkuh, die hatte einen jungen
21 Hirsch zur Welt gebracht und bat den Fuchs Gevatter zu
22 stehn. Der Fuchs bat noch den Sperling dazu, und dieser
23 wollte noch seinen Freund, den Haushund dazu bitten.
24 Der war aber von seinem Herrn an ein Seil gelegt, weil er
25 vor kurzer Zeit ganz betrunken nach Haus gekommen war.
26 Der Sperling sagte aber, das thut nichts und pickte solang
27 an dem Seil, und immer ein Fädchen los, bis daß der Hund
28 los war. Und sie gingen zusammen zum Gevatterschmaus
29 und waren sehr vergnügt, der Hund aber übernahm sich
30 wieder und war so betrunken, daß er auf dem Heimweg
31 liegen blieb. Da kam ein Fuhrmann und wollte über ihn
32 fahren, der Sperling rief ihm zu: Fuhrmann thus nicht es
33 kostet dein Leben. Aber der Fuhrmann trieb den Wagen
34 über ihn und zerbrach ihm die Beine. Und der Fuchs und
35 Sperling schleppten den Hund heim, aber der Herr sagte:
36 der ist ja todt und gab ihn dem Fuhrmann, der sollte ihn
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-

Märchen 17

1 begraben. Und der Fuhrmann fuhr mit ihm fort und der
2 Sperling flog mit und rief immer: Fuhrmann es kostet dein
3 Leben! Dann setzt er sich auf das Haupt des einen Pferds
4 und rief: Fuhrmann es kostet dir dein Leben, und der Fuhr-
5 mann ward bös und schlug mit einer Hacke dem Sperling
6 und schlug auf das Haupt des Pferds und schlug es todt,
7 der Sperling aber flog in die Höhe. Dann setzt er sich auf
8 das Haupt des andern Pferds und machte es eben so, dann
9 auf das Haupt des dritten, und der Fuhrmann erschlug all
10 seine Pferde und mußte den Wagen stehn laßen. Und er eil-
11 te nach Haus aber der Sperling flog mit, der sich aufs Fen-
12 ster setzte und rief, Fuhrmann es kostet dir dein Leben.
13 Und noch zorniger ergriff 〈er〉 die Hacke, und schlug das
14 Fenster ein, aber er traf den Sperling nicht. Der setzt sich
15 auf den Ofen und ruft von neuem: Fuhrmann es kostet dir
16 dein Leben, und wüthend schlägt dieser den Ofen ein, und
17 so fort sein ganzes Haus. Endlich erwischt er den Vogel,
18 und sagt ietzt hab ich dich und schluckt ihn hinunter. Aber
19 der Sperling fängt an im Leib zu flattern, und flattert wie-
20 der herauf dem Fuhrmann in den Mund und ruft: Fuhr-
21 mann es kostet dir doch dein Leben. Und der Fuhrmann
22 gibt seiner Frau die Hacke, sie soll den Sperling in seinem
23 Munde tödten, aber sie schlägt fehl und dem Mann auf den
24 Kopf und schlägt ihn todt, der Sperling aber fliegt fort
25
26
27
28 5.
29
30
Von dem Strohhälmchen dem Köhlchen
31 und dem Böhnchen.
32
33 Das Strohhälmchen das Kölchen und das Böhnchen die
34 lebten zusammen in Gesellschaft, und wollten einmal eine
35 Reise machen. Als sie nun schon weit gegangen waren ka-
36 men sie an einen Fluß und wußten nicht wie sie hinüber
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-
lung/4_1_Innenteil/4_1_2_Nachauflagen/2170552-u.pod Seite 18

18 Märchen

1 gelangten. Da beschloßen sie das Strohhälmchen sollte


2 sich drüber legen und dann das Kölchen vorangehn und
3 das Böhnchen ihm folgen. Das Strohhälmchen legte sich
4 quer über und das Kölchen ging langsam drauf und das
5 Böhnchen trippelte ihm nach. Wie aber das Kölchen mit-
6 ten auf das Strohhälmchen kam fing es an zu brennen, und
7 brannte das Strohhalmchen durch und fiel ins Waßer und
8 starb, und das Böhnchen fiel auch hinein schwamm aber
9 oben, mußte aber endlich zerplatzen von dem vielen Wa-
10 ßer das es getrunken. Da trieb es der Fluß ans Ufer, da saß
11 ein Schneider, der nähte es wieder zusammen. Seit der Zeit
12 haben alle Bohnen eine Nath.
13 Nach einer andern Erzählung ging die Bohne zuerst
14 über den Strohhalm und kam glücklich hinüber, die Kohle
15 ging nach mitten auf dem Halm brannte sie durch und
16 zischte im Waßer. Wie das die Bohne sah, fing sie an zu la-
17 chen, daß sie platzte. Ein Schneider saß am Ufer der nähte
18 sie wieder zu, er hatte aber gerade nur schwarzen Zwirn
19 daher alle Bohnen eine schwarze Nath haben.
20
21
22
23 6.
24
25
Der Wolf.
26
27 Es war einmal eine Geis, die hatte 7 junge Geiserchen,
28 u. als sie ausgehen mußte, befahl sie denselben sich ja vor
29 dem Wolf in Acht zu nehmen und ihn nicht ins Haus zu
30 laßen.
31 Bald kam der Wolf vors Haüschen u. sprach: liebe Kin-
32 der, laßt mich ein, ich bin euere Mutter u. von meinem
33 Weg zurückgekehrt. Die 7. Geiserchen aber sprachen: un-
34 sere Mutter hat keine so rauhe Stimme, du bist der Wolf u.
35 nicht unsere Mutter. Da ging der Wolf weg u. zu einem
36 Krämer und kaufte sich Kreide, welche er aß, um seine
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-

Märchen 19

1 Stimme feiner zu machen. Alsdann ging er wieder vor die


2 Hütte u. rief mit hellen Worten: liebe Kinder laßt eure
3 Mutter hinein. Er hatte aber seine Pfote ins Fenster ge-
4 streckt und die Geiserchen sprachen: unsere Mutter hat
5 keinen schwarzen Fuß, deswegen kommst du auch nicht
6 herein, denn du bist der Wolf.
7 Der Wolf begab sich also zu einem Müller u. sagte:
8 Müller streu mir Mehl auf meine Pfote. Und als sich der
9 Müller weigerte, so drohte er ihm mit Freßen u. der Mül-
10 ler mußte es thun.
11
12
(meunier meunier trempe ma patte dans ta farine
13
blanche! –
14
non non non non – alors je te mange.)
15 Als nun der Wolf wieder vor das Haus kam u. Einlaß be-
16 gehrte, so wollten die Geiserchen wieder erst den Fuß se-
17 hen, u. als er ihn zum Fenster hinein reichte u. sie sahen,
18 daß er weiß war, so glaubten sie, es wäre die Mutter u.
19 gingen die Thür aufzumachen. Wie sie aber den Wolf er-
20 blickten, so versteckten sie sich so gut sie konnten, eins
21 unter den Tisch, das andere ins Bett, das dritte in den
22 Ofen, das vierte in die Küche, das fünfte in den Schrank,
23 das sechste unter eine große Schüßel, das siebente in die
24 Uhr. Der Wolf fand sie indeß alle auser dem jüngsten in
25 der Uhr u. verschluckte sie mit Begierde.
26 Als er fortgegangen u. die Mutter zurückgekommen
27 war, so sprang das jüngste Geischen aus der Uhr u. erzähl-
28 te alles.
29 Der Wolf aber, weil er sich voll gefreßen hatte, ging auf
30 eine grüne Wiese, legte sich in den Sonnenschein u. verfiel
31 in tiefen Schlaf. Da hieß die Mutter ihr jüngstes Kind
32 Scheere, Nadel u. Zwirn nehmen, u. schnitten dem Wolf
33 den dicken Bauch auf, woraus die 6. Geschwister noch
34 unversehrt heraussprangen, weil er sie ganz verschluckt
35 hatte. Darauf holten sie Wackersteine u. füllten sie dem
36 Wolf in den Leib, den sie auch wieder zu nähten. Als der
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-
lung/4_1_Innenteil/4_1_2_Nachauflagen/2170552-u.pod Seite 20

20 Märchen

1 Wolf ausgeschlafen, so fühlte er den Druck im Leib u.


2 sprach: ich weiß nicht, es rumpelt u. pumpelt mir im Leib
3 herum pp ich hab doch nur 6 Geiserchen gegeßen. Er
4 suchte also einen Brunnen um seinen Durst zu löschen, al-
5 lein die Schwere der Steine machte, daß er in das Waßer
6 fiel u. die 7 Geiserchen tanzten fröhlich um den Brunnen
7 herum.
8
9
10
11 7.
12
13
Allerlei Rauch.
14
15 Allerlei Rauch wird von der Stiefmutter vertrieben, weil
16 ein fremder Herr ihre eigne Tochter vernachläßigt u. der
17 Stieftochter einen Ring verehrt hatte zum Liebeszeichen.
18 Sie entrinnt, kommt an des Herzogs Hof als Schuhputze-
19 rin, geht heiml. u ungekannt auf den Ball und kocht end-
20 lich dem Herzog eine Suppe, den Ring unters Weißbrot
21 legend. Dadurch wird sie entdeckt und des Herzogs Ge-
22 mahlin.
23
24
25
26 8.
27
28
Armes Mädchen
29
30 Kindermährchen von dem armen Mädchen, ohne
31 Abendbrot, ohne Eltern, ohne Bett, ohne Haube u. ohne
32 Fehler, die aber allemal so oft ein Stern sich putzte unten
33 einen hübschen Thaler fand u.s.w
34
35
36
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-

Märchen 21

1 9.
2
3
Blutwurst.
4
5 Es waren einmal eine Blutwurst u. eine Leberwurst, u.
6 die Blutwurst bat die Leberwurst zu Gast. Und wie die
7 Leberwurst ins Haus der Blutwurst kam, so sah sie unten
8 an der Thüre u. auf jeder Treppe, deren viel zu steigen wa-
9 ren immer eine wunderbarliche Sache, als einen Besen u.
10 Schippe, die sich einander schlugen einen Affen mit einer
11 großen Wunde im Kopf p
12 Als sie nun endlich ganz erschrocken über diese Begeg-
13 niß in die Stube der Blutwurst getreten, u. derselben über
14 die Bewandnis dieser Dinge Fragen vorlegte, so erklärte
15 diese jede Sache gezwungen u. ausweichend. so sagte sie
16 von der Schippe u. dem Besen: ei es wird meine Magd ge-
17 wesen seyn, die mit jemand auf der Treppe geschwätzt
18 hat.
19 Zuletzt ging die Blutwurst fort, um Anstalten zu ma-
20 chen, da wurde die Leberwurst von 〈Textlücke〉 gewarnt,
21 denn sie würde sonst gleich vielen andern mit dem Leben
22 büßen. Eilig ergriff sie die Flucht, u. wie sie unten am
23 Haus sich umsah, so stand die Blutwurst oben im Boden-
24 loch mit einem langen Meßer, und rief ihr nach:
25 hätt ich dich so wollt ich dich!
26
27
28
29 10.
30
31
Zwölf Brüder und das Schwesterchen.
32
33 Es war einmal ein König u. eine Königin, die hatten
34 zwölf Kinder zusammen, die waren alle Jungen. Und der
35 König sprach, wenn das dreizehnte Kind ein Mädchen
36 wäre, so wollte er alle seine 12 Söhne umbringen, wenn es
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-
lung/4_1_Innenteil/4_1_2_Nachauflagen/2170552-u.pod Seite 22

22 Märchen

1 aber wieder ein Sohn wäre, so sollten sie am Leben blei-


2 ben. Da wurde die Königin gar traurig u. hatte ihre 12
3 Söhne von Herzen gar lieb u. ging zu ihren 12 Söhnen
4 und sprach zu ihnen: der König euer Vater hat gesagt,
5 wenn ich ein Mädchen kriegte, so wollte er euch alle um-
6 bringen, wenn es aber noch ein Brüderchen wäre, so woll-
7 te er euch alle leben laßen. Und die Mutter rieth ihnen u.
8 sprach: herzliebe Kinder geht in den Wald, u. wenn es ein
9 Söhnchen ist, so will ich oben auf dem Thurm eine weiße
10 Fahne aufstecken, ist es aber ein Töchterchen, eine rothe,
11 so kann euch der Vater doch nicht tödten. Also gingen die
12 zwölf Kinder in den Wald und guckten alle Tage nach dem
13 Schloß u. sahen immer keine Fahne wehen, eines Tags
14 aber sahen sie eine rothe Fahne wehen, u. wurden recht
15 erzürnt, daß sie um eines Mädchens willen alle hätten ster-
16 ben sollen u. schwuren sie wollten im Wald leben u. jedem
17 Mädchen das hinein käme aufpaßen und wollten es um-
18 bringen, u. jeden Tag gingen elf von ihnen auf die Jagd
19 und einer mußte abwechselnd immer zu Haus bleiben u.
20 kochen u. den Haushalt führen.
21 Und das Schwesterchen war ganz allein zu Haus, u. ei-
22 nes Tags wurde ihm die Zeit gar zu lang, da ging es aus u.
23 kam in den Wald, u. kam dahin, wo seine zwölf Brüder
24 wohnten, die waren aber alle ausgegangen auser der eine,
25 der kochen mußte. Und wie er das Mädchen sah, so wollte
26 er es umbringen, denn er hatte den Schwur also gethan, da
27 flehte ihn das Mädchen um das Leben u. es wollte ihnen
28 auch kochen u. das Haus zurechthalten, wenn er es leben
29 ließe, und zum Glück, war es der jüngste Bruder, der wur-
30 de erbarmt und versprach ihm das Leben zu laßen, u. als
31 die andern elf von der Jagd nach Haus kamen, so verwun-
32 derten sie sich das lebendige Mädchen zu finden u. der
33 jüngste Bruder sprach und sagte: liebe Brüder, da ist das
34 junge Mädchen in den Wald hereingekommen u. hat mich
35 so sehr um ihr Leben gebeten, so habe ich gedacht, es
36 könnte uns kochen u. den Haushalt führen, so könnten
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-

Märchen 23

1 wir auch alle zwölf zusammen auf die Jagd gehen. Und da
2 ließen es die andern Brüder zu, u. nun gingen sie immer
3 alle zwölf aus auf die Jagd u. das Schwesterchen blieb al-
4 lein zu Haus, machte die Betten und kochte das Eßen.
5 Nun eines Tags, da die zwölf Brüder wieder aus waren,
6 ging das Schwesterchen in den Wald spazieren u. kam an
7 einen Platz, da standen zwölf weiße Lilien, die waren so
8 schön und es brach sie alle miteinander ab. Da war eine
9 alte Frau, die sprach: ach mein Töchterchen warum hast
10 du die zwölf studentenblumen nicht stehen gelaßen, das
11 sind deine zwölf Brüder und die müßen nun alle in zwölf
12 Raben verwandelt werden. Da fing das Schwesterchen an
13 zu weinen vor großer Traurigkeit, daß es das gethan hätte,
14 und sagte, ob denn gar kein Mittel wäre, die zwölf Brüder
15 zu erlösen. Die alte Frau sagte: es ist nur eines, das ist aber
16 sehr schwer. Und das Kind sprach: sie mögte es nur sagen.
17 Da sagte sie: du mußt zwölf ganze Jahr stumm seyn u.
18 kein einziges Wort reden und wenn nur noch eine Stunde
19 an den zwölf Jahren fehlte, u. du hättest ein einziges Wort
20 geredet, so ist alles verdorben u. deine Brüder werden
21 nimmermehr erlöst.
22 Das Mädchen geht in den Wald u. setzt sich in einen
23 holen Baum u. spinnt, einmal geht ein König auf die Jagd
24 u. sein Hund bellt vor dem Baum pp: ob es mit in sein
25 Königreich kommen u. ihn heirathen wollte. Es war aber
26 ganz still und antwortete keine Silbe. Da nahm er es mit
27 sich u. hielt Hochzeit mit ihm, die Schwiegermutter konn-
28 te es aber nicht leiden u. meinte es sey ein gemeines Mäd-
29 chen. Die böse Schwiegermutter fing nun an, es bei dem
30 König zu verleumden u. ihm die schändlichsten Dinge
31 nachzusagen, u. weil es sich mit keiner Silbe vertheidigte,
32 so glaubte es zuletzt der König u. verurtheilte es zum
33 Tode, u. befahl ein großes Feuer anzumachen u. es zu ver-
34 brennen. Und als es am Feuer stand, so war eben die letzte
35 Stunde verfloßen von den zwölf Jahren u. man hörte ein
36 Geraüsch in der Luft und zwölf Raben kamen geflogen,
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-
lung/4_1_Innenteil/4_1_2_Nachauflagen/2170552-u.pod Seite 24

24 Märchen

1 als sie auf die Erde kamen, wurden sie zwölf Königssöhne
2 u. machten ihre Schwester los, und ihre Unschuld kam an
3 den Tag, die böse Schwiegermutter wurde aber in ein Faß
4 siedenden Öls gethan, worin giftige Schlangen waren.
5
6
7
8 11.
9
10
Das Brüderchen vnd das Schwesterchen.
11
12 Es war einmal ein armer Holzhacker, der wohnte vor
13 einem großen Wald. Es ging ihm gar jämmerlich, daß er
14 kaum seine Frau, und seine zwei Kinder ernähren konnte.
15 Einsmals hatte er auch kein Brod mehr und war in großer
16 Angst, da sprach seine Frau Abends im Bett zu ihm: nimm
17 die beiden Kinder morgen früh und führ sie in den großen
18 Wald, gib ihnen das noch übrige Brod, und mach’ ihnen
19 ein groß Feuer an und darnach geh weg und laß sie allein.
20 Der Mann wollte lang nicht, aber die Frau ließ ihm keine
21 Ruh, bis er endlich einwilligte
22 Aber die Kinder hatten alles gehört, was die Mutter ge-
23 sagt hatte das Schwestereben fing an gar sehr zu weinen,
24 das Brüderchen sagte ihm es solle still seyn und tröstete
25 es. Dann stand er leis auf und ging hinaus vor die Thüre,
26 da wars Mondenschein und die weißen Kieselsteine glänz-
27 ten vor dem Haus. Der Knabe las sie sorgfältig auf und
28 füllte sein Rocktäschlein damit, soviel er nur hineinbrin-
29 gen konnte. Darauf ging er wieder zu seinem Schwester-
30 chen ins Bett, und schlief ein.
31 Des Morgens früh, ehe die Sonne aufgegangen war, kam
32 der Vater und die Mutter und weckten die Kinder auf, die
33 mit in den großen Wald sollten. Sie gaben jedem ein
34 Stücklein Brod, die nahm das Schwesterchen unter das
35 Schürzchen, denn das Brüderchen hatte die Tasche voll
36 von den Kieselsteinen. Darauf machten sie sich fort auf
Grimm · Kinder- und Hausmärchen.
Die handschriftliche Urfassung von 1810
6.9.17 V:/018520_Brueder_Grimm_Kinder_und_Hausmaerchen/4_Herstel-

Märchen 25

1 den Weg zu dem großen Wald. Wie sie nun so gingen, da


2 stand das Brüderchen oft still, und guckte nach ihrem
3 Haüschen zurück. Der Vater sagte: was bleibst du immer
4 stehn und guckst zurück; ach antwortete das Brüderchen,
5 ich seh nach meinem weißen Kätzchen, das sitzt auf dem
6 Dach und will mir Ade sagen heimlich ließ es aber immer
7 einen von den weißen Kieselsteinchen fallen. Die Mutter
8 sprach: geh nur fort, es ist dein Kätzchen nicht, es ist das
9 Morgenroth, das auf den Schornstein scheint. Aber der
10 Knabe blickte immer noch zurück, und immer ließ er wie-
11 der ein Steinchen fallen.
12 So gingen sie lang und kamen endlich mitten in den
13 großen Wald. Da machte der Vater ein großes Feuer an,
14 und die Mutter sagt: schlaft dieweil ihr Kinder, wir wollen
15 in den Wald gehn und Holz suchen, wartet bis wir wieder
16 kommen. Die Kinder setzten sich an das Feuer, und jedes
17 aß sein Stücklein Brot. Sie warten lang bis es Nacht ward,
18 aber die Eltern kamen nicht wieder. Da fing das Schwe-
19 sterchen an gar sehr zu weinen, das Brüderchen tröstete es
20 aber und nahm es an die Hand. Da schien der Mond, und
21 〈die〉 weißen Kieselsteinchen glänzten, und zeigten ihnen
22 den Weg. Und das Brüderchen führte das Schwesterchen
23 die ganze Nacht durch, und sie kamen des Morgens wie-
24 der vor das Haus. Der Vater war gar froh, denn er hatte es
25 nicht gern gethan; aber die Mutter war bös.
26 Bald darnach hatten sie wieder kein Brod und das Brü-
27 derchen hörte wieder Abends im Bett, wie die Mutter zu
28 dem Vater sagte, er solle die Kinder hinaus in den großen
29 Wald bringen. Da fing das Schwesterchen wieder an heftig
30 zu weinen, und das Brüderchen stand wieder auf, und
31 wollte Steinchen suchen. Wie es aber an die Thür kam,
32 war sie verschloßen von der Mutter, da fing das Brüder-
33 chen an traurig zu werden, und konnte das Schwesterchen
34 nicht trösten.
35 Vor Tag standen sie wieder auf, jedes erhielt wieder ein
36 Stücklein Brot. Wie sie auf dem Weg waren, guckt das

Das könnte Ihnen auch gefallen