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ANZEIGER

FÜR KUNDE DER DEUTSCHEN VORZEIT.

Neue Folge.

ORGAN DES GERMANISCHEN MUSEUMS.

Sechsnndz waiizi^ster Band.

Jahrgang 1879.
>

Nürnberg, im Verlag der literarisch -artistischen Anstalt des germanischen Museums.


Nürnberg. Das Abonnement dea Blat England bei Williame 4 Norgate, 14 Hen
tes, welches alle Monate erscheint. wird rietta-Street Covent- Garden in London;
ganzjährig angenommen und beträgt nach für Nord-Amerika bei den Postämtern Bre
der neuesten Postconvention bei allen Post men nnd Hamburg.
ämtern und Buchhandlungen Deutschlands Alle für das german. Museum be
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oder 6 M. Bucbbandels werden dureb den Commis-
Für Frankreich abonniert man in sionär der literar.-artist Anstalt des Mu
Parts bei der deutschen Buchhandlung von seums, F. A. Brockh aus in Leipzig. be
P. Kiincksieck, Nr. 11 rue de Lille; für fördert.

FÜR kl ми: UM

Nene Folge. Sechsundzwanzigster Jahrgang.

ORGAN DËS GERMANISCHEN MUSEUMS.

1879. Xs 5. Mai.

Wissenschaftliche Mittheilungen.

Der grosse Brand in Erfurt am 19. Juni 1473. Ergo suas sibi quisque timens dum currlt
In der Handschrift Q. 103 der grofsherzogl. Bibliothek ad edes,
in Weimar, deren Zusendung ich der Freundlichkeit des Bi Arcetur nullis efferus ardor aquis.
bliothekars» Herrn Dr. Reinhold Köhler verdanke, findet sich Hinc ubi cum domibus pontis latus ardet
auf f. 319 v. das folgende Gedicht des Doctor Heinrich Ster- utrumque,
cker von Mellerstadt, über welchen ich in meinem „Peter sant benedicten thorm Nec, Benedicte, tibi turris inusta manet.
Luder" Nachricht gegeben habe. Er war 1454 in Leipzig pergamenergasse 1 5 Quo solitum est radi scribendi pelles in
immatriculiert und hatte in Perugia seine juristischen Studien usum,
vollendet. In der Bibliothek zu Gotha befindet sich eine von In vico exoritur altera flamma volat.
ihm herrührende Virgilhandschrift , nach Jacobs und Ukert, dy langebruck Tercia jam pontem longum vorat igne minaci,
Beitr. I, 276. dy greten Sub gradibus quartam est invaluisse dolor.
Carmina doctoris Hinrici de Meilerstadt de conflagracione dy wil'ee gasfse Candidus hinc vicus contrataque lata cre-
urbis Erffurdensis. mantur :
dy breytstrosrse 20 Istis plus medio pestis amara nocet.
Quindecies centum, quater ast Septem minus Robenmargkt Inde forum vastat, raparum nomine dicunt,
annis sant andrea tbore Vix stetit Andree libera porta foco.
Virginie a partu, Gervasiique die, der Rotheiauwe Hinc, cui dat nomen rubeus leo, curia mansit,
Fatalem poterat timuisse Erffordia lucem, Ast montem versus sevit ubique lues.
Qua se flamma rapax solveret in cinerem : des hengers hüls 25 Hic domus infausti lictoris et omnia circum,
Sic furit ignis edax, sie obvia queque vorabat. zeun smyden Hicque fabri pereunt, archa platea luit.
Hey quantos luctus quantaque dampna In der archen Varia manerie solito res vendere multas
dedit ! dy fyngerUngaerse Annule, das nomen, qui perit igne, loco.
dy Cremerbrack Pons primum nunc sensit, cui dant commercia
nomen,
Et poterat stringi, sed fuga rupit opus. 15. Um den schlimmen metrischen Fehler zu verbessern,
müsste man setzen: solita . . . pellis. — 16. exoritus Hs. Viel
Nam subito frendens ubi condita flamma leicht ist volans zu bessern. — 18. quartum Hs. — 20. auara Hs.
latebat, — 27. Etwas erträglicher wird der Vers durch die Umstellung:
10 Fit fragor ex variis igne crepante locis. Manerie varia. — 28. dat und que Hs.
139 Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 140

eine lange Ausgufsröhre in des Zechers Mund eingegossen mancher, bisher räthselhafter sphragistischer und heraldischer
werden konnte, wobei natürlich kein Tropfen vergossen werden Doppeladler aus dem Mittelalter Einflufs haben könnte.
durfte, während die Genossen nachfüllten und den Brunnen Nach der Ansicht A. Erbsteins ist anzunehmen: „dafs
stets fliefsend erhielten. Er ist, wie das folgende Glas, in '/з dem Verfertiger der Stempel dieses vereinfachte Doppelbild
der Originalgröfse abgebildet. Die angehängten Verzierungen bereits als ein in der Ornamentik des Mittelalters heimisches
sind aus dunkelgrünem Glase. bekannt gewesen ist, einestheils deshalb, weil jene Brakteaten
Fig. 7 zeigt ein schlankes Kelchglas, aus dessen licht erst aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. stammen, während
blauer Cupa wol auch ehemals Schaumwein genossen wurde, doch der Doppeladler schon früher auf Münzen erscheint, an-
während Fig. 8 wiederum, wol eigens für die biertrinkende derntheils, weil sich gerade bei vielen jener Brakteaten nach
nordische Welt gefertigt, den schroffsten Gegensatz zur Eleganz weisen läfst, dafs ihre Bilder denen der zweiseitigen Pfennige
des vorstehenden Stückes zeigt. brandenburgischer Fabrik entlehnt sind und sich ein solcher
Nürnberg. A. Essenwein. mit dem Doppeladler wirklich auch vorfindet," — eine An
sicht, die wohl sehr viel für sich hat.
II.
In der bereits in Nr. 11. des Anzeigers von 1878 er
Nachträge ' zum Doppeladler. 1 ) wähnten schwedischen Geschichte („Sveriges Historia") findet
I. sich im II. Bande unter Fig. 58, die hier abgebildete silberne
In den „Blättern für Münzfreunde, Beilage zum numisma Schliefse, mit Doppeladlern. Dieselbe stammt aus einem gro-
tischen Verkehr-, VIII. Jahrg., Januar 1872, Nr. 29, theilt
Gersdorf auf Taf. XXVIII unter Nr. 8 den hier abgebildeten
Doppeladler mit.

fsen Silberfunde, welcher, nach Dr. Hans Hildebrand's gütiger


Mittheilung, „wie die Münzen des Fundes, sowie andere Ver
hältnisse zeigen, etwas nach der Mitte des 14. Jahrh. ver
graben worden sein mufste." Auch hier scheint der Doppel
adler rein decorativer Natur.
Kupferzell. F.-K.

Ein Kapitel von Ketzern.


Diese Münze ist ein thüringisch-meifsnischer Brakteat aus Am Schlufs der Maihinger medela animae vulueratae (s.
dem 13. Jahrh. Der Doppeladler soll aber hier, nach Gers Anzeiger 1878, Sp. 87) befinden sich zwei Anhängsel von
dorf, nur aus dem Grunde entstanden sein, weil die zahlrei zwei verschiedenen Schreibern. Die Hand, welche Fol. 1 —29 b.
chen Verschiedenheiten in den Vorstellungen und Stempeln der schrieb, machte nach Besprechung der septem principalia vicia
Brakteaten durch den Umstand geboten waren, „dafs diese nur keine Subscriptio. Ob das, was von Fol. 30— 31 b. und von "
ein Jahr volle Geltung hatten und gegen das Ende jedes Um Fol. 32 — 33 a. zu lesen ist, zur eigentlichen medela gehörte,
laufsjahres an die Münzmeister umgetauscht werden muteten. oder nicht, kann ich nicht angeben. Das erste der zwei an
Um nun diese Verschiedenheit zu erzielen, stellte man gefügten Stücke ist überschrieben (fol. 30 a.) : „Nota quod LXXH
bisweilen auf diesen Münzen die Löwen und Adler zweimal sunt secte hereticorum." Der ereiferte Schreiber kennzeichnet
dar, mit dem Rücken gegeneinander, mitunter mit nach rück sich als der nämliche Mann, welcher die neulich mitgetheilten
wärts gegeneinander stehenden Köpfen*), und den Adler auch spukhaften Weihnachtsorakel schrieb. Das zweite, von anderer
monogrammatisch zusammengeschoben, wie auf unserer Abbil Hand geschriebene Anhängsel (fol. 32 —33 a.) zählt eine Menge
dung. Sündersorten auf; am Schlufs werden diejenigen genannt, welche
Hier hätten wir also einen Doppeladler ohne alle weitere „expelluntur a communione in Cena domini" und darunter zu
heraldische Bedeutung vor uns, was, die Richtigkeit der letzt: „sortilegi, nocturni exitores, agrorum depopulatores."
angeführten Behauptung vorausgesetzt, auch auf die Erklärung Im Nachstehenden gebe ich unter Auflösung der Abkür
zungen den Wortlaut dessen, was im ersten Anhängsel über
') Vgl. Anzeiger 1878, Nr. 11, Sp. 350. sectae haereticorum gesagt ist. Eingehendere Verbesserungs
*) Vergl. a. a. O. Taf. XXVIII, Nr. 3. u. Nr. 4. u. 6. versuche des durch die Relativsätze so wirren Eingangs unter
141 Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 142

lasse ich absichtlich. Malibarij *) steht eben so deutlich im Text, mendacij. Manichei proponunt duo principia dominantia.
wie weiter hinten Ordibarij.*) Dafs den zu Anfang erwähnten filium dicunt Luciferum. Hunc dicunt omnia visibilia et tangi-
Rutani *) keine ausführlichere Behandlung gewidmet ist, fallt auf. bilia creasse et deum dicunt creatorem spirituum tantum. Item
Es mag diese Secte harmlos genug gewesen sein ; in Neanders matrimonium simpliciter negant. Item corpus Christi in altari
Religions- und Kirchen-Geschichte finde ich nichts über sie. negant. Item dicunt quod carnes, ova, caseum non licet man
Secte horentiorum sunt LXXII quarum in teutunica sunt ducare quod de fornicatore nascitur. Item negant ressurectio-
quattuor, Baldenses Malibarij Rutani Manichei. Iste quatuor nem. Item dicunt quod deus non apparuit in igne; qui [cod.
secte communi nomine vocantur deutinice: von dem hohem quod] sie comburet eos. Confundantur et pereant qui hec
leben. Waldenses dicti sunt a Walido magistro vel a valle; et hijs similia credant. Amen.
qui et [cod. quia, compendiert] ut alii latine dicuntur sapientes, Primum iubetur iurare hereticus quod sine omni fallada
qui de quadam valle orti sunt. qui alio nomine dicuntur pauperes et omni deceptione et sensus duplicatione et secundum intellec-
de Ltigduno [cod. leudino, s. Neander Bd. 8. (1865), p. 412]. tum et audientiam respondeat ad omnia interrogata. Post pre-
Teutonice isti vocant se die weisen. qui alio modo dicun stitum sacramentum si litteratus est interrogetur de symbolo
tur sapientes. Dicunt enim isti quod omne iuramentum sit Anastasij, quicumque vult per singulos artículos. Post ea sive
mortale peccatum. Item dicunt quod omnis coitus cum legi sit litteratus vel non de sequentibus articulis interrogetur, ita
tima sit mortale peccatum nisi fiat spe prolis. Item separant tamen ut sepius de modo et de fide iuramenti expressius amo-
virum ab uxore tali condicione et eiusmodi, si velit intrare sec neatur: Credis in deum patrem? e. q. s.
tam ipsorum. Item dicunt quod quilibet bonus homo sicut Dinkelsbühl. G. Schepfs.
bonus clericus possit absolvere conficere et ligare dum modo
sciat verba. Item dicunt quod suspendere latrones et occidere
per sententiam iustitie [cod. iuste] sit mortale peccatum. Et Ans einer Magdeburger Chronik des 16. Jahrh.
quod due vie sint tantum post mortem scilicet infernus et ce- In der Rathsbibliothek zu Magdeburg befindet sich ein
lum ; purgatorium negant. Item dicunt litanaria et oblationes Manuscript (Quart 30) unter dem Titel: „Historia was im
et cetera remedia non prosint defunctis. Item dicunt quod Anfangk der Lehre des Heiligen Euangelii vom Anfange des
tam conjugate quam virgines et vidue debent predicare. Jahres 1524 bisz 1525 auf Blasii in allen dreien -Stedten zu
Item dicunt quod predicatores eorum non debent laborare ullo Magdebnrgk sich begeben. Beschrieben durch Sebastian Lang
modo. Item suffragia sauctorum uon petunt nec reverentur. hans,. Mollenvoigten daselbst."- — Leider ist die Schrift nicht
Item festos dies non celebrant, veniam non observant. Omni mehr im ursprünglich niederdeutschen Original vorhanden, son
tempore commedunt quod eis apponitur et carnes in XL" com- dern in einer sehr schlechten hochdeutschen Uebersetzung,
medunt. Item peregrinationes negant. Item dicunt quod ma die der Vicar vom St. Sebastianstift hierselbst, Johann Finde
lus non (über der Zeile) potest conficere. Item quod baptis- mann aus Salzwedel, „ex antiquo et obscuro originali a. d.
mum sacerdotis, existentis in mortali peccato, non valet. Et 1601" angefertigt hat. Wie hochwichtig die kleine Schrift
si baptizent pueros, debent iterate ab ipsis sacerdotibus here- für die Geschichte Magdeburgs zur Zeit der Einführung der
ticorum baptizari. Item dicunt quod eorum sacerdotes possint Reformation daselbst ist, wird bei der Herausgabe derselben
conficere ex omni vase. — Ordibarij (s. Neander, Bd. 8, noch besonders hervortreten. Für jetzt möchte ich nur zwei
p. 362) dicunt quod mundus non habet prihcipium. Item di Stellen aus ihr hervorheben, von denen die erste ein verlore
cunt quod Archa Noe fuerit eorum secta, et quod Christus nes Schmählied, jedenfalls auf den Erzbischof-Cardinal Albrecht
iterum invenit eorum sectam. Item quod Christus sit filius von Magdeburg und Mainz, die andere die Anlage einer Was
Iosep et quod fuerit peccator. Dicunt quod Christus per eorum serleitung behandelt.
sectam salvus fiat et quod factus (nicht ursprünglich wat, son 1. Ueber ein Schmählied aus der Reformationszeit.
dern erst geworden ist) est filius dei. Item dicunt Christum S. 8 1 des Manuscripts : „Der Radt hat auch gebotten in
non passum. Item dicunt „patrem"* ilium qui intrat sectam der Altenstadt Magdeburgk, me soll von niemandts schmehe-
eorum; „filium" dicunt a tali patre conversum per predicatio- lieder singen, nachsingen, aufs Ursachen, das Kinder und Altte
nem. Spiritum sanctum dicunt a filio per predicationem con das liedtt vom Ochsen tr eiber singen.
versum. [Es ist bei den Worten per pred. conversum ein Gleichmessigk hatt ein E. Radt in der Sudenburgk ') auch
lapsus oculorum anzunehmen, d. h. dafs sie aus der vorigen den ihren verbotten und wirt in den beiden Stedten gehal
Zeile der Vorlage fälschlich heruntergezogen wurden ; die Stelle ten, aber in der Neustadt da singen die losen buben reich
ist dadurch sinnlos geworden]. Item dicunt cantum ecclesie und arm von meinem gnedigsten Hern dem Cardinall und Ertz-
clamorem inferni. Item dicunt papam caput esse totius mali bischoffe etc., dem Hauptmann zu Calbe*) und mir, dem Möl-
et doctorem erroris. Item dicunt sacerdotes factores vie
') Vorstadt von Magdeburg im Süden.
*) Ducange-Henschel IV, 205. 725 u. 827: rupitani. Dr. Fr. *) Stadt an der Saale, einige Meilen südlich von Magdeburg.

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