Vielteilchendynamik
in der inertialen
Mikrofluidik
Eine Simulationsstudie
unter Verwendung der
Lattice-Boltzmann-Methode
BestMasters
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senschaften.
Die Reihe wendet sich an Praktiker und Wissenschaftler gleichermaßen und soll
insbesondere auch Nachwuchswissenschaftlern Orientierung geben.
Felix Rühle
Vielteilchendynamik
in der inertialen
Mikrofluidik
Eine Simulationsstudie
unter Verwendung der
Lattice-Boltzmann-Methode
Felix Rühle
Berlin, Deutschland
BestMasters
ISBN 978-3-658-17913-7 ISBN 978-3-658-17914-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-17914-4
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und Institutionsadressen neutral.
Diese Arbeit wäre ohne die Hilfe, die Geduld und den Sachverstand
von Betreuern, zahlreichen Kollegen und Freunden nicht möglich ge-
wesen. Ich danke Prof. Holger Stark für die Betreuung und persönliche
Begleitung durch diese und andere Arbeiten. Ich danke Dr. Christo-
pher Prohm für seine unablässige Unterstützung, seine zahlreichen
Hilfestellungen und Erklärungen und die Erstellung des atroos-Codes,
der unter anderem die Basis dieser Arbeit bildet. Ich danke Prof. Sa-
bine Klapp für ihre Bereitschaft, das Zweitgutachten zu erstellen. Ich
danke Josua Grawitter und Florian Grabner für hilfreiche Diskussio-
nen, ebenso wie der ganzen SRD-Subgroup. Ebenso danke ich Kevin
Irmer (†) für seine Hilfe. Ein großer Dank geht an meine Eltern und
an Agnes, die mir stets mit Geduld und Liebe zur Seite stand.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung V
Abbildungsverzeichnis XI
1 Einleitung 1
3 Numerische Methoden 33
3.1 Computersimulation von Fluiden . . . . . . . . . . . . 33
3.2 Lattice-Boltzmann-Simulation . . . . . . . . . . . . . . 36
3.2.1 BhatnagarGrossKrook-Approximation . . . . . 38
3.2.2 Chapman-Enskog-Expansion . . . . . . . . . . 39
3.2.3 Einbinden externer Kräfte . . . . . . . . . . . . 43
3.2.4 Ränder und Immersed-Boundary-Methode . . . 44
3.2.5 Kraftbilanz des Kolloids und Messen von Lift-
kräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4 Ergebnisse 49
4.1 Liftkraft-Profile von Teilchenpaaren . . . . . . . . . . . 51
4.1.1 Profile für verschiedene Positionen und Reynolds-
zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4.1.2 Skalierung der Liftkräfte mit Reα . . . . . . . . 58
4.1.3 Abhängigkeit vom axialen Abstand . . . . . . . 60
4.1.4 Konturplots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.2 Trajektorien von Teilchenpaaren . . . . . . . . . . . . 65
4.2.1 Gedämpfte Oszillationen . . . . . . . . . . . . . 67
4.2.2 Überholen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
4.2.3 Austausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
4.2.4 Axiale Selbstorganisation durch inertiale Fokus-
sierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
4.3 Kollektive Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
Literaturverzeichnis 99
Anhang 109
A Notation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
B Animationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Abbildungsverzeichnis
4.2 Oben: Verlauf von x(t) für die meisten links abgebilde-
ten Radien und Reynoldszahlen. Unten: Liftkraftprofile
für verschiedene Teilchenradien a und Reynoldszahlen. 51
4.3 Für ein Teilchenpaar besteht keine Symmetrie bezüg-
lich der axialen Vertauschung, jedoch eine Symmetrie
bezüglich der Spiegelung an der z-Achse (Kanalmitte). 53
4.4 Liftkraftprofile für zwei Teilchen mit Radius a = 0.4w
bei Re = 5, 0. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
4.5 Liftkraftprofil für das vordere Teilchen mit Radius a =
0.4w bei Re = 5, 0 für verschiedene Positionen des hin-
teren Teilchens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
4.6 Liftkraftprofile für das vordere Teilchen mit Radius a =
0.4w bei Re = 20, 0 für verschiedene Positionen des
hinteren Teilchens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
4.7 Skalierung der Paar-Liftkraft mit der Reynolds-Zahl
bei a = 0.4w für verschiedene axiale Abstände. . . . . 59
4.8 Laterale Kräfte für zwei Teilchen mit Radius a = 0,4w
bei Re = 5,0 in Abhängigkeit des axialen Abstands ∆z. 61
XII Abbildungsverzeichnis
d ∂
= + u · ∇, (2.1)
dt ∂t
wobei u(x, t) die Flussgeschwindigkeit ist.
Z
d
Φ(x, t)dV =
dt V (t)
Z (2.2)
(∂t Φ(x, t) + ∇ · (Φ(x, t)u(x, t))) dV.
V (t)
2.1.1 Massenerhaltung
Die Gesamtmasse m einer Flüssigkeit ergibt sich aus dem Feld der
Massendichte ρ(x, t) durch Integration über das Gesamtvolumen V :
Z
m(t) = ρ(x, t)dV. (2.3)
V
∂
∇ · j(x, t) + ρ(x, t) = 0. (2.5)
∂t
Das ist die Kontinuitätsgleichung.
2.1.2 Impulserhaltung
t(n, x, t) = T(x,
b t) · n. (2.7)
1
Die tiefere mathematische Begründung dafür liefert das Cauchy’sche Span-
nungsprinzip oder Fundamentaltheorem, zum Beispiel in [27], S.52 oder [28],
S.9
8 Theorie der Hydrodynamik
∂
(ρu) + ∇ · ρu ⊗ u − T
b = ρb. (2.8)
∂t
Die Integrale wurden hier bereits weggelassen, was unter geeigneten
Voraussetzungen an die Integranden möglich ist. Offensichtlich lässt
sich das Argument der Divergenz als eine Gesamtimpulsstromdichte
b = ρu ⊗ u − T
Π b auffassen.
Mithilfe der konvektiven Ableitung fassen wir die Dichteterme zu-
sammen. Zunächst gilt komponentenweise mit der Einsteinschen Sum-
menkonvention
Zusammenfassend ergibt sich für die Terme aus (2.8), die ρ enthalten
2.1.3 Energieerhaltung
Der Vollständigkeit halber erwähnen wir noch die Bilanz der Ener-
gie, ohne eine detaillierte Herleitung vorzunehmen. Diese lässt sich
beispielsweise in Ref. [24] finden.
Die Gesamtenergiedichte lässt sich als Summe aus innerer Ener-
giedichte ε und kinetischer Energiedichte darstellen:
Z Z
1
E= ρεdV + ρ|u|2 dV (2.12)
V V 2
Einer ähnlichen Argumentation wie oben folgend, kann aus dem
ersten Hauptsatz der Thermodynamik auch für die Energie eine kano-
nische Formel hergeleitet werden. Erneut ergibt sich ein konvektiver
10 Theorie der Hydrodynamik
u2
∂
ρ(b · u + rw ) = ρ ε+
∂t 2
(2.13)
u2
0t
+∇· ρ ε+ + pu − T u + q .
b
2
b 0 und q betrifft,
Auch hier müssen weitergehende Annahmen, was T
gemacht werden.
2.2 Navier-Stokes-Gleichungen
b = 1 ∇ ⊗ u + (∇ ⊗ u)t
A (2.14)
2
b 0 = 2η A
T b + η̃Tr (A) 1.
b (2.15)
∂
ρ u + (u · ∇) u = − ∇p + η∇2 u
∂t (2.16)
+ (η + η̃) ∇ (∇ · u) + ρb
2.2.2 Inkompressibilität
∇ · u = 0. (2.18)
2.2.3 Randbedingung
u|Rand = 0 (2.21)
u(x)|Rand = vp + Ωp × (x − xc ) . (2.22)
∂u∗
1
Re + (u∗ · ∇∗ ) u∗ = − EuRe∇∗ p∗
∂t∗ 2 (2.23)
∗2 ∗
+∇ u
ρu0 l0 u0 l0
Re = = , (2.24)
η ν
η
wenn man die kinematische Viskosität ν = einführt, und der Eu-
ρ
lerzahl
p0
Eu = 1 2
. (2.25)
2 ρu0
zen ab Re ≈ 103 ein [25] und die Bahn der Flüssigkeitsteilchen ver-
läuft chaotisch. Bei mittleren Reynoldszahlen Re ≈ 100 − 102 ist der
Fluss noch laminar, aber Trägheitskräfte sind mit viskosen Kräften
vergleichbar. Dies ist das Regime der inertialen Mikrofluidik.
Eine weitere Einteilung ist möglich, wenn man die wirkende Kraft
ins Verhältnis zu einer kritischen Kraft
Fkrit = ρν 2 (2.26)
wie leicht nachzurechnen ist und ist damit für Re 1 sehr klein.
Viskose Kräfte skalieren hingegen mit Re.
2.2.5 Stokes-Gleichungen
∇p − η∇2 u = ρb (2.28)
Z
p = g(x − x0 ) · ρb(x0 )dV 0 (2.29)
Z
u = b − x0 )ρb(x0 )dV 0 .
O(x (2.30)
x
g(x) = (2.31)
4πr3
1 x⊗x
O(x)
b = 1+
b . (2.32)
8πηr r2
2.2.6 Poiseuille-Fluss
∆p
∇p = ez , (2.33)
L
wenn ez der Einheitsvektor in z-Richtung ist. Wir betrachten zunächst
einen zylindrischen Kanal mit Radius w, in dem sich durch den wir-
kenden Druckgradienten ein stationäres Geschwindigkeitsfeld ausge-
bildet hat. In Zylinderkoordinaten (r, ϕ, z) erhalten wir aus (2.28)
unter der Bedingung u = uz (r)ez die Gleichung
18 Theorie der Hydrodynamik
∆p 1 d d
− = r uz (r). (2.34)
ηL r dr dr
Die rechte Seite entspricht dem Radialteil von ∇2 uz in Zylinderkoor-
dinaten. Mit der Randbedingung uz (r = w) = 0 erhalten wir2
∆p 2
u= (w − r2 )ez . (2.35)
4ηL
Interessanterweise ist hierbei die aus einem Querschnitt austretende
Flüssigkeit pro Zeiteinheit
Z
π∆p 4
u · df = w (2.36)
Sw 8ηL
proportional zur vierten Potenz des Kanalradius (Hagen-Poiseuill’sches
Gesetz).
Für rechteckige Kanäle mit Querschnittsbreite 2w und -höhe 2h ist
eine Reihenentwicklung vonnöten, deren Herleitung an dieser Stelle
nicht ausgeführt wird. Sie findet sich in Ref. [5] und führt auf das
Flussprofil
16h2 ∆p X 1 n−1
u= 3 3
(−1) 2 ·
π ηL n
2n+1
x (2.37)
cosh nπ
sin nπ y ez
1 − 2h w
cosh nπ 2h
2h
2
Dabei wird noch ein Lösungsanteil ∝ log(r) vernachlässigt, da er divergiert.
Kolloide in mikroskopischen Kanälen 19
Ein eigenständiger Bereich der Physik beschäftigt sich heute mit der
Untersuchung von in einer Flüssigkeit gelösten oder darin getauch-
ten Teilchen, deren Größe meist im Mikrometerbereich liegt und die
Kolloide genannt werden [14]. Ihre leichte Sichtbarkeit unter dem Mi-
kroskop und ihre Manipulierbarkeit durch elektromagnetische Felder
macht sie zu einem attraktiven Baustein von Modellsystemen für zahl-
reiche Forschungsbereiche. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass sich
ihre elektrischen und magnetischen Eigenschaften bei der Fertigung
meist leicht nach gewünschten Vorgaben einstellen lassen [14].
In dieser Arbeit werden harte Kugeln mit Radius a untersucht.
Deren Wechselwirkungen mit der Flüssigkeit sind wichtig für die ak-
kurate Beschreibung. Gleichzeitig vermittelt die Flüssigkeit im Viel-
teilchensystem eine weitreichende Wechselwirkung zwischen Teilchen,
die hydrodynamische Wechselwirkung. Das Hauptaugenmerk der fol-
genden Abschnitte liegt auf den analytischen Methoden, die meist auf
die Stokes-Gleichungen beschränkt sind und damit einen Grenzfall des
nichtlinearen Problems darstellen.
Fluidkanäle auf der Mikrometer-Skala versprechen eine signifikan-
20 Theorie der Hydrodynamik
2.3.1 Kolloid-Fluid-Wechselwirkung
Viskoser Stokes-Fluss und Faxén-Theorem
a2 2
1
v p = F p + 1 + ∇p u 0 (2.39)
ξ 6
Die Flussgeschwindigkeit muss dabei im Massezentrum der Kugel eva-
luiert werden. Die Formel lässt sich auf Mehrteilchenprobleme erwei-
tern: Für jedes Teilchen wird das ungestörte Flussfeld u0 dann inter-
pretiert als der durch alle restlichen Teilchen gestörte Fluss. Näheres
dazu findet sich im nächsten Abschnitt über hydrodynamische Wech-
selwirkung.
Für die Rotation mit Winkelgeschwindigkeit Ωp existiert eine ent-
sprechende Formel [14]:
1 1
Ωp = Mp + ∇ × u0 . (2.40)
ξr 2
Oseen-Näherung
U = MF
c (2.43)
Dabei sind U = (u1 , ..., uN )t und F = (F1 , ..., FN )t Vektoren, die alle
Geschwindigkeiten beziehungsweise Kräfte der Kolloide enthalten. Die
Mobilitäten aller Teilchen zueinander gehen in den Mobilitätstensor
µ
b 11 ... µ
b 1N
. .. ..
c = ..
M . . (2.44)
µbN1 ... µ
bNN
µ
b ii = µ0 1
b (2.45)
1
mit µ0 = , wie aus Gleichung (2.38) folgt.
6πηa
In einer häufigen Näherung für die Kreuzmobilitäten approximiert
24 Theorie der Hydrodynamik
man die Kolloide durch Punktteilchen und erhält mit dem Oseen-
Tensor O
b
X
µ
b ij = b i − xj ),
O(x (2.46)
j6=i
a2 a2 2 b
b RP
µ ij = µ0 1 + ∇2i 1 + ∇j O(xi − xj ). (2.47)
6 6
Lubrikation
∆ = εa, (2.48)
FR ∝ log ε−1
(2.49)
FR ∝ ε−1 . (2.50)
O
b pp = O
b +O
br (2.51)
der auf inertialer Migration beruht. Auch für diese Arbeit ist sie der
entscheidende Trägheitseffekt.
Im Jahr 1961 war man überrascht über die Beobachtung einer latera-
len Bewegung von Teilchen, die sich in einem laminaren, ungestörten
Scherfluss befanden [13]. Die dafür verantwortlichen Liftkräfte (engl.
lift force)3 können nur durch Trägheitseffekte der Flüssigkeit entste-
hen, da lateral wirkende Kräfte für ein einzelnes Teilchen im zeitum-
kehrinvarianten Stokes-Fluss zu einem Widerspruch führen würden
[52]. Die Migration senkrecht zu den Stromlinien geht also auf einen
Symmetriebruch zurück, ermöglicht im Regime mittlerer Reynolds-
zahlen (Re ≈ 100 − 102 ). Nur falls mehr als ein Teilchen vorhanden
ist, können sich sphärische Kolloide auch im Stokes-Fluss in lateraler
Richtung bewegen [17, 18]. In diesem Fall sind ausschließlich viskose
Kräfte beteiligt und der Effekt wird hauptsächlich durch Reflexionen
der Störflüsse an den Kanalwänden ermöglicht [53].
Obwohl versucht worden ist, das Auftreten der inertialen Lift-
kräfte qualitativ verständlich zu machen [54], entziehen sie sich ei-
nes einfachen intuitiven Zugangs. Dennoch zeigen sie sich bereits
bei einfachstmöglichen Kanalgeometrien, wie einem geraden Kanal
mit rundem oder rechteckigem Querschnitt, in dem beispielsweise ein
Poiseuille-Fluss herrscht. Unabhängig von der Startposition wird ein
Teilchen auf einen Satz von lateralen Gleichgewichtspositionen fokus-
3
Wir werden auch im Folgenden stets von „Liftkräften“ sprechen und das deut-
sche Wort „Auftrieb“ vermeiden.
28 Theorie der Hydrodynamik
siert. Die Liftkräfte haben dabei zwei Anteile [8, 55]: einen wandin-
duzierten Anteil, der von den Wänden weg wirkt und einen von der
Scherrate bedingten Anteil, der von der Kanalmitte weg wirkt. Die
Balance der beiden Kräfte sorgt für einen stabilen Gleichgewichts-
punkt. Für Kanäle mit quadratischem Querschnitt gibt es beispiels-
weise vier solcher Punkte, die für punktförmige Teilchen bei etwa 60%
der Kanalmitte-Wand-Distanz liegen [56]. Für rechteckige Kanäle mit
geringem Aspektverhältnis treten zwei Gleichgewichtspositionen na-
he der beiden langen Seiten auf [57]. Bei runden Kanälen entsteht
aufgrund von Entartung der Segré-Silberberg-Ring [13]. Mit steigen-
der Reynoldszahl liegen die Gleichgewichtspositionen im Allgemeinen
etwas näher an der Wand. Die Kräfte skalieren außerdem mit dem
Radius der Kolloide, und zwar für nicht zu große Teilchen mit der
vierten Potenz [8, 13]. Neben der Stärke der Liftkraft wird durch den
Radius auch die Gleichgewichtsposition beeinflusst. Mit wachsendem
Radius tendieren Teilchen mehr in Richtung Kanalmitte, was haupt-
sächlich als sterischer Effekt angesehen wird [56]. Die Teilchengröße
hat auch einen Einfluss auf die vom Kanaleingang aus gemessesene
axiale Länge, bei der die Fokussierung erstmals auftritt. Sie beträgt
[58]
πηw2
Lf = . (2.52)
ρumax a2 fL
Hier ist w die Kanaldimension in lateraler Migrationsrichtung. Der
Koeffizient fL ist abhängig von lateraler Position, Kanalgeometrie und
Reynoldszahl [58]. Die Abhängigkeit der Fokuslänge von der Teilchen-
Kolloide in mikroskopischen Kanälen 29
−5γ̇xzx
u0 ∝ (2.54)
2r5
vp = 0 (2.55)
p
mit r = x2 + y 2 + z 2 . Die Translationsgeschwindigkeit des Teil-
chens ist dabei vp .
In der äußeren Region wird die Oseen-Näherung (2.41) verwen-
det. Eine externe Kraft vermittelt dabei den Einfluss des Teilchens
[34]. Dadurch geht man sicher, dass nahe am Teilchen der richtige
Fluss reproduziert wird. Durch Lösen der Gleichung findet man die
Geschwindigkeit der Kugel in lateraler Richtung. Dies folgt auf nu-
merischem Weg [34]. Für die Liftkraft findet sich der Ausdruck [55]
d
6πηa ∆x ≈ −Re2 α3 f0 ∆x. (2.57)
dt
t
Dies ergibt eine Exponentialfunktion ∆x(t) ∝ x0 exp − mit der
τ
charakteristischen Zeit τ ∝ Re−2 . Die typische Distanz, die dann in
axialer Richtung zurückgelegt wird, ist proportional zu Reτ ∝ Re−1 .
3 Numerische Methoden
x = a · ∆x (3.1)
t = n · ∆t. (3.2)
(n+1) (n)
∂u ua − ua
= (3.3)
∂t ∆t
und die erste räumlich Ableitung durch
∂u ua+1 − ua
= (3.4)
∂x ∆x
dargestellt werden.
Diese Methodik wird nach Bedarf verfeinert [63]. Ein wiederkeh-
rendes Problem besteht jedoch in der numerischen Stabilität des Al-
gorithmus, was die verwendbaren Werte für ∆x und ∆t erheblich
einschränken kann. Außerdem ist die Einbindung von Randwerten er-
schwert, zumindest falls diese nicht zeitlich konstant sind oder falls
die Ränder nicht mit den Gitterpunkten koinzidieren. Dieses geome-
trische Problem kann beispielsweise mit der Finite-Elemente-Methode
angegangen werden [62]. Die Erhaltungssätze aus Abschnitt 2.1, die
durch die numerischen Methoden nicht automatisch eingehalten wer-
den, können durch die Finite-Volumen-Methode [64] forciert werden.
Eine Alternative zur direkten Lösung einer Differentialgleichung
können Methoden sein, die stattdessen die Dynamik durch teilchen-
und stoßbasierte Simulationen nachvollziehen. Im Fall von Fluiden
werden hypothetische Flüssigkeitsteilchen verwendet, deren Längens-
kala unterhalb der Kontinuumsskala, aber oberhalb der atomaren Ska-
la liegt. Man spricht in diesem Zusammenhang von mesoskopischen
Systemen [16]. Der Vorteil dieser Art von Lösungsmethoden liegt dar-
in, dass sich die Erhaltungssätze leicht einhalten lassen, aus denen die
makroskopische Hydrodynamik direkt hervorgeht. Die Diskretisierung
einer Gleichung wird vermieden, dennoch kann man davon sprechen,
dass diese Gleichung durch den Algorithmus gelöst wird. Häufig lie-
fert auch eine geeignete Expansion einer mikroskopischen, diskreten
Computersimulation von Fluiden 35
3.2 Lattice-Boltzmann-Simulation
X
ρ(x, t) = ni (x, t) (3.7)
i
X
ρ(x, t)u(x, t) = ni (x, t)ci . (3.8)
i
38 Numerische Methoden
X
∆i = 0 (3.9)
i
X
∆ i ci = 0 (3.10)
i
3.2.1 Bhatnagar-Gross-Krook-Approximation
∆t eq
∆i (n(x, t)) = (ni (ρ, u) − ni (x, t)) . (3.11)
τ
Einsetzen von (3.11) in Gleichung (3.6) liefert die Lattice-Boltzmann-
Gleichung [16]
∆t eq
ni (x + ci ∆t, t + ∆t) − ni (x, t) = (ni (ρ, u) − ni (x, t)) . (3.12)
τ
u · ci (u · ci )2 v2
neq
i (ρ, u) = ai ρ 1 + 2 + − (3.13)
cs 2c4s 2c2s
mit der Schallgeschwindigkeit cs . Die Gewichte ai müssen so gewählt
werden, dass sich die hydrodynamischen Variablen aus den Momenten
der Verteilung ergeben. Außerdem müssen sie sicherstellen, dass das
System unter Galilei-Transformationen invariant bleibt [16].
Die Wahl der Geschwindigkeiten ci wird von den Freiheitsgraden
des Systems vorgegeben. Mit der Dichte, Flussgeschwindigkeit und
dem symmetrischen Tensor der Impulsstromdichte sind 10 Freiheits-
grade erforderlich. Auf einem kubischen Gitter müssen dann die Iden-
tität, die Translation zum nächsten und zum übernächsten Nachbarn
durch die ci abgebildet werden, damit genügend Freiheitsgrade zur
Verfügung stehen. Dies liefert in 3 Dimensionen 19 Geschwindigkei-
ten, weshalb dieses Modell auch als D3Q19-Modell bezeichnet wird
[16].
3.2.2 Chapman-Enskog-Expansion
t1 = εt (3.14)
t2 = ε 2 t (3.15)
Sie hängt nun von zwei Zeitskalen ab. Für die Verteilungsfunktionen
und Kollisionen machen wir außerdem den Ansatz [16]:
Lattice-Boltzmann-Simulation 41
∞
(m)
X
ni (x1 , t1 , t2 ) = ε m ni (x1 , t1 , t2 ) (3.17)
m=0
∞
(m)
X
∆i = εm ∆i . (3.18)
m=0
(0)
Es kann gezeigt werden, dass die ni den Equilibriumsverteilungen
entsprechen [16]. Wir können also für die Dichte definieren
neq
X
ρ(x, t) = i (x, t) (3.19)
i
neq
X
ρ(x, t)u(x, t) = i (x, t)ci . (3.20)
i
(m)
X
∆i = 0 (3.21)
i
(m)
X
∆i ci = 0. (3.22)
i
(0)
∆i = 0 (3.23)
(1) ∂ (0)
∆i = ci · ∇ 1 + ni ∆t (3.24)
∂t1
" #
∂ 2 (0)
(2) ∂ ∆t
∆i = + ci · ∇ 1 + ni ∆t (3.25)
∂t2 2 ∂t1
∂ (1)
+ ci · ∇ 1 + ni ∆t.
∂t1
Wir betrachten nun die Momente der Verteilung. Für die Dichte ρ
erhalten wir
∂
ρ + ∇1 · (ρu) = 0 (3.26)
∂t1
∂
ρ = 0 (3.27)
∂t2
und mit
∂ ∂ ∂
= ε + ε2 (3.28)
∂t ∂t1 ∂t2
∇ = ε∇1 (3.29)
∂
(ρu) + ∇ · Π
b = 0 (3.30)
∂t
u0 = u + τ b. (3.31)
Nach dem Stoß wird das Fluid also entsprechend der gewählten äu-
ßeren Kraft beschleunigt.
p
3 − 2|x| + 1 + 4|x| − 4x 2 /8,
für 0 ≤ |x| ≤ 1,
p
5 − 2|x| − −7 + 12|x| − 4x2 /8,
δ1 (x) = (3.34)
für 1 ≤ |x| ≤ 2,
0,
für x ≥ 2
46 Numerische Methoden
X
u(N
µ
)
= δ3 (x(N
µ
)
− xi )ui . (3.35)
i
(N )
X
bl (xi ) = δ3 (xi − x(N )
µ )bl (x(N )
µ ). (3.36)
µ
Lattice-Boltzmann-Simulation 47
Suzuki und Inamuro [75] geben an, dass Iterationen bis l = 5 aus-
reichen, um die haftenden Randbedingungen zu reproduzieren. Die
Korrekturkräfte werden wie in Abschnitt 3.2.3 verwendet, um die
Gleichgewichtsverteilung neq
i zu modifizieren.
(N )
X
ffluid = − ρbl (x(N
µ )
)
(3.40)
µ,l
X
(N ) (N )
Mfluid = − ρ x(N
µ
)
− x c × bl (xµ ). (3.41)
µ,l
4 Ergebnisse
2010 durch Lee et al. durchgeführt [77]. Die Paare befanden sich da-
bei allerdings bereits anfangs in der Nähe ihrer Fokuspositionen. Wir
wollen allgemeinere Zweiteilchenzustände betrachten und außerdem
überprüfen, inwieweit unsere Ergebnisse mit den Experimenten kon-
sistent sind.
Im Stokes’schen Grenzfall ist die Dynamik von zwei und mehr Teil-
chen im Poiseuille-Fluss bereits in Computersimulationen untersucht
worden [17]. Im Hinblick darauf interessieren wir uns dafür, was sich
durch den Effekt der inertialen Migration und den Bruch der kinema-
tischen Reversibilität verändert.
Weder in den genannten Experimenten noch in den Simulatio-
nen wurden die lateralen Kräfte auf die Kolloide direkt gemessen.
Prohm und Stark führten dies in Refs. [19–22] für einzelne Teilchen
durch. Im Folgenden stellen wir die Kraftprofile für Paare vor, die wir
mit der Lattice-Boltzmann-Methode erhalten. Anschließend betrach-
ten wir die Trajektorien direkt.
Wir verwenden im Folgenden den Kanal aus Abbildung 4.1 mit
der Breite 2w, der Höhe 2h und der Länge L. Wenn nicht anders
angegeben, ist h = 2w und L = 12w. Die laterale Position des in
Flussrichtung vorderen Teilchens bezeichnen wir mit xlead , die des
hinteren Teilchens mit xlag . Den axialen Abstand der beiden Teilchen
bezeichnen wir mit ∆z.
Liftkraft-Profile von Teilchenpaaren 51
Abbildung 4.2: Oben: Verlauf von x(t) für die meisten links abgebildeten Radien
und Reynoldszahlen. Unten: Liftkraftprofile für verschiedene Teilchenradien a und
Reynoldszahlen. Die Kräfte werden mit dem Quadrat der Reynoldszahl normiert,
um die gleiche Größenordnung zu erhalten. Die Profile zeigen einen instabilen
Fixpunkt im Ursprung und einen stabilen Fixpunkt nahe der Wand. Für größere
Radien rückt dieser näher an die Kanalmitte.
Abbildung 4.3: Für ein Teilchenpaar besteht keine Symmetrie bezüglich der axia-
len Vertauschung, jedoch eine Symmetrie bezüglich der Spiegelung an der z-Achse
(Kanalmitte). Im linken Bild sind daher die lateralen Kräfte auf die durchgezeich-
neten Teilchen (Index 1) im Allgemeinen verschieden von den Kräften auf die
gestrichelten Teilchen (Index 2), bei denen die axialen Positionen der Teilchen
vertauscht sind. Im rechten Bild sind sie entgegengesetzt gleich groß.
nen, dass die Profile zwei Fixpunkte haben, bei denen die Kraft Null
wird. Derjenige im Ursprung ist instabil, da bei einer kleinen Stö-
rung die Kraft in Richtung der Störung wirkt und sie somit verstärkt.
Der zweite Fixpunkt bei endlichem x ist hingegen stabil, weil hier
die Kraft rücktreibend wirkt. Dieser stabile Fixpunkt entspricht für
verschiedene Radien und Reynoldszahlen jeweils der laterale Fokuspo-
sition eines einzelnen Teilchens im Kanal (vgl. Abschnitt 2.3.4). Die
Position des stabilen Fixpunkts variiert deutlich mit dem Teilchen-
radius. Von der Reynoldszahl zeigt sich ebenfalls eine, wenngleich
schwächere, Abhängigkeit. Diese wird beispielsweise in [54] genauer
behandelt. In Abbildung 4.2 rechts erkennen wir die Migration zum
54 Ergebnisse
Bei der Messung der Liftkräfte von Teilchenpaaren sind zwei Kurven
aufzunehmen: eine in Abhängigkeit der Position des in Flussrichtung
vorderen Teilchens (mit der Koordinate xlead ) und eine des hinteren
Teilchens (mit der Koordinate xlag ). Zwischen den beiden Teilchen
besteht im Allgemeinen keine Symmetrie, da auf das hintere Teilchen
das bereits vom vorderen Teilchen gestörte Flussfeld wirkt. Es besteht
aber nach wie vor die Symmetrie bezüglich der Spiegelung an der Mit-
telebene des Kanals, wobei die wirkenden Kräfte zu invertieren sind
(siehe Abbildung 4.3). Wir normieren erneut mit dem Quadrat der
Reynoldszahl. In Abbildung 4.4 sind die beiden Profile für Re = 5, 0
dargestellt. Der axiale Abstand der beiden Teilchen beträgt ∆z = 3a.
Zum Vergleich sind auch die Einteilchenprofile eingezeichnet, die wir
unter gleichen Bedingungen messen (gestrichelte Kurve). Die verschie-
denen Kurven kommen zustande, indem wir die laterale Position eines
Teilchens variieren, während das jeweils andere Teilchen auf einer fe-
Liftkraft-Profile von Teilchenpaaren 55
Abbildung 4.4: Liftkraftprofile für zwei Teilchen mit Radius a = 0.4w bei
Re = 5, 0. Der axiale Abstand der Teilchen liegt bei ∆z = 3a. Die verschiedenen
Kurven entstehen durch verschiedene Positionen des jeweils anderen Teilchens, die
in den Legenden angegeben sind. Zum Vergleich ist das Einteilchenprofil schwarz
gepunktet eingezeichnet.
56 Ergebnisse
Abbildung 4.5: Liftkraftprofil für das vordere Teilchen mit Radius a = 0.4w bei
Re = 5, 0 für verschiedene Positionen des hinteren Teilchens. Der axiale Abstand
der Teilchen liegt bei ∆z = 5a. Zum Vergleich ist das Einteilchenprofil schwarz
gepunktet eingezeichnet.
sten Position gehalten wird. Jede fixe Position entspricht jeweils einer
Kurve und ist in der Legende in Einheiten von w angegeben.
Man erkennt deutlich die fehlende Symmetrie bezüglich der Teil-
chenvertauschung. Auf das vordere Teilchen wirkt in Abbildung 4.4b
auf einem großen Teilabschnitt der x-Achse eine Kraft zur unteren
Wand hin, wenn das hintere Teilchen oberhalb der Kanalmitte liegt.
Für das hintere Teilchen wirkt in Abbildung 4.4a hingegen eine Kraft
zur oberen Wand, vergleichbar mit dem einzelnen Teilchen. Dafür er-
fährt das hintere Teilchen auch dann noch eine Kraft zur unteren
Wand, wenn es dieser bereits recht nah ist. Qualitativ weichen die
Kurven deutlich vom Einteilchenfall ab.
Auch der Betrag der lateralen Kräfte unterscheidet sich im Ver-
Liftkraft-Profile von Teilchenpaaren 57
Abbildung 4.6: Liftkraftprofile für das vordere Teilchen mit Radius a = 0.4w bei
Re = 20, 0 für verschiedene Positionen des hinteren Teilchens. Der axiale Abstand
der Teilchen liegt bei ∆z = 3a. Zum Vergleich ist das Einteilchenprofil schwarz
gestrichelt eingezeichnet.
auf ∆z = 3a. Bei der höheren Reynoldszahl kann sich das qualita-
tive Verhalten leicht ändern: Im Vergleich zu Abbildung 4.4 rechts
sind hier für xlag = 0 zwei stabile und ein instabiler Fixpunkt zu se-
hen. Dass durch die Variation der Reynoldszahl Stabilitätsübergänge
erzeugt werden können, ist für andere Systeme bereits bekannt [22].
Insgesamt wirken Abbildung 4.4 und 4.6 optisch recht ähnlich. Es
fällt jedoch auf, dass die gewählte Normierung der Liftkraft mit Re2 ,
die für Einteilchensysteme galt, offenbar inkonsistent ist: Ohne diese
Normierung sind die Kraftbeträge für höhere Reynoldszahlen größer.
In den beschriebenen Abbildungen wurde diese Tatsache jedoch über-
kompensiert und für Re = 20, 0 sind die normierten Liftkräfte jetzt
kleiner. Dies deutet darauf hin, dass die Skalierung nicht einfach vom
Einteilchenfall übernommen werden kann.
Wir betrachten nun die Skalierung mit der Reynoldszahl für den
Zweiteilchenfall. Wie im Zuge der bisherigen Betrachtungen klar wur-
de, wird das System durch die Erweiterung des Parameterraums we-
sentlich komplexer. Allerdings ist physikalisch klar, dass das Verhal-
ten für große Abstände der Teilchen voneinander in die Einteilchen-
Skalierung übergehen muss. Wir untersuchen die Extrema der Kurven
flift (xlead ) für xlag = 0,3w bei verschiedenen Reynoldszahlen. Auf die-
se Weise erhalten wir eine neue Skalierung von
Abbildung 4.7: Skalierung der Paar-Liftkraft mit der Reynolds-Zahl bei a = 0.4w
für verschiedene axiale Abstände. Dafür wird die betragsmäßig größte Kraft auf
ein Teilchen bestimmt, wobei das andere Teilchen sich bei x = 0.3w befindet. Im
Allgemeinen ergibt sich ein Potenzgesetz ∝ Reα . Im eingesetzten zweiten Plot ist
die Abhängigkeit des Exponenten α vom Abstand ∆z gezeigt.
In Abbildung 4.8 ist zu sehen, wie sich die Liftkraft für verschiede-
ne axiale Abstände bei konstanten lateralen Positionen xlag = 0, 2w,
Liftkraft-Profile von Teilchenpaaren 61
Abbildung 4.8: Laterale Kräfte für zwei Teilchen mit Radius a = 0.4w bei Re = 5,0
in Abhängigkeit des axialen Abstands ∆z. Das hintere Teilchen ist auf der Position
xlag = 0,2w und das vordere Teilchen bei xlead = −0,4w, wie im eingesetzten Bild
dargestellt. Die gestrichelten Geraden entsprechen den Einteilchenkräften.
xlead = −0, 4w verhält. Für große Abstände stellt sich ein konstanter
Wert ein. Es fällt auf, dass dieser ungleich der Einteilchenkräfte ist.
Für das vordere Teilchen ist auch das Vorzeichen anders. Das könn-
te auf einen Einfluss der viskosen Wechselwirkung selbst bei großen
Abständen hindeuten. Das ist interessant, weil für viskose Störflüsse
in Ref. [9] ein 1/∆z 2 -Abfall erwartet wurde. Es ist jedoch möglich,
dass dieser Effekt zumindest teilweise durch die periodischen Rand-
bedingungen zustande kommt. Betrachten wir kleine Abstände, so
werden die lateralen Kräfte sehr hoch. Im dargestellten Fall wirkt die
Liftkraft für beide Teilchen in dieselbe Richtung. Dadurch entfernt
sich das hintere Teilchen vom Kanalzentrum und wird deshalb lang-
62 Ergebnisse
samer, dass vordere Teilchen rückt hingegen näher ans Zentrum heran
und wird dadurch schneller. In diesem Fall kann man also von einer
effektiven Abstoßung der Teilchen sprechen, die durch die lateralen
Kräfte verursacht wird. Der axiale Abstand ∆z stellt sich durch die
Wechselwirkung neu ein. Das ist allein schon deshalb notwendig, weil
einige der Profile in Abbildungen 4.4-4.6 überhaupt keinen stabilen
Fixpunkt für gewähltes ∆z besitzen.
Bei der effektiven Kraft in axialer Richtung muss es sich nicht
notwendigerweise um eine Abstoßung handeln. In Abbildung 4.8 er-
kennen wir für 5a ≤ ∆z ≤ 7a ein Regime, in dem für beide Teilchen
eine Kraft in negative x-Richtung wirkt und sie sich damit axial noch
näher kommen, sofern man das Geschwindigkeitsprofil des ungestör-
ten Flusses zugrundelegt. In der Tat kommen Trajektorien vor, bei
denen das hintere Teilchen das vordere überholt, wie in Abschnitt 4.2
gezeigt wird.
4.1.4 Konturplots
Für die Erstellung der Liftkraftprofile müssen sowohl xlag , als auch
xlead variiert werden. Dies motiviert eine zusammenfassende Darstel-
lung der x-Koordinaten und Kräfte in einem Konturplot. Zu diesem
Zweck werden die einzelnen Kurven mit einem Polynom gefittet und
in einem kontinuierlichen Plot zusammengefasst.
Die Darstellung der Liftkräfte als Konturen werden wir in spätere
Untersuchungen weiterverwenden. Auch hier muss jeweils unterschie-
den werden, um welches Teilchen es sich handelt. In Abbildung 4.9
Liftkraft-Profile von Teilchenpaaren 63
Abbildung 4.9: Konturplots der Liftkraft bei verschiedenen Abständen. Links sind
jeweils die Kräfte auf die hinteren und rechts auf die vorderen Teilchen dargestellt.
Die Reynoldszahl ist für alle Graphen identisch bei Re = 20,0. Gestrichelte und
durchgezogene Linien markieren instabile und stabile Fixpunkte, bei denen die
laterale Kraft Null wird.
Abbildung 4.10: Konturplots für hinteres und vorderes Teilchen bei einer
Reynoldszahl von 5, 0 und einem axialen Abstand von 3a. Gestrichelte und durch-
gezogene Linien markieren die instabilen und stabilen Fixpunkte. Farbkodierung
verschieden von Abbildung 4.9.
die Profile für ein Teilchenpaar bei Re = 5,0 dargestellt. Dort sieht
man im Vergleich zu Abbildung 4.9a gut die veränderte Stabilität für
das vordere Teilchen am Verlauf der Nullkurve. Diese ist entweder
durchgezogen für stabile Fixpunkte oder gestrichelt für instabile. Um
die Konturen gut aufzulösen, sind die Farbkodierungen für Re = 20,0
und Re = 5,0 jeweils verschieden normiert.
Wir fassen die Erkenntnisse aus den Kraftprofilen kurz zusammen:
Für kleine Teilchenabstände überwiegt der viskose Anteil der Kraft.
Die Teilchen stoßen sich lateral ab, der axiale Abstand kann sich dabei
vergößern, muss es aber nicht unbedingt. Die viskosen Kräfte fallen
schnell ab und für große Abstände dominiert die inertiale Migration.
Die viskosen Störflüsse verschieben in diesem Regime höchstens die
Position der Gleichgewichtslage im Kraftprofil. Durch die inertiale
Bewegung kann sich ebenfalls axial eine Annäherung oder Abstoßung
der beiden Teilchen ergeben, abhängig von ihren Anfangspositionen.
Die gegenseitige Beeinflussung von relativer Lage und lateraler Kraft
Trajektorien von Teilchenpaaren 65
xlead/w
xlag/w
1
Stattdessen kann man die kinematische Reversibilität benutzen, um die Tra-
jektorien rückwärts in der Zeit zu durchlaufen [17]. Man klassifiziert dann die
Trajektorien nach verschiedenen Typen auf Grundlage der Interaktion, die in
der Vergangenheit liegt.
68 Ergebnisse
dem viskosen Anteil und die Dämpfung, sowie die laterale Bewegung
dem inertialen Anteil zuordnen.
Es erscheint sinnvoll, die tatsächlichen lateralen Kräfte zur Deu-
70 Ergebnisse
tung der Dynamik heranzuziehen. Wie in Ref. [77] verwenden wir das
ungestörte Flussprofil, um die axiale Relativbewegung nach einer la-
teralen Verschiebung abzuschätzen. In diesem ungestörten Flussprofil
bewegen sich Teilchen schneller, wenn sie näher an der Mittelebene
des Kanals liegen.
In Abbildung 4.13 ist links unten der Verlauf des axialen Abstandes
der beiden Teilchen dargestellt. Er schwankt zwischen einem minima-
len Wert von etwa 3, 25a und einem maximalen Wert von etwa 4, 70a.
Nun betrachten wir die lateralen Kraftprofile für Re = 5, 0, die für
3a, 4a und 5a gemessen wurden. Für sich ändernde axiale Abstän-
de verändern sich auch die Profile kontinuierlich. Obwohl wir nicht
für jeden auftretenden Abstand das genaue Profil kennen, können wir
abschätzen, welche Gestalt es hat.
Zum Zeitpunkt t = 50 beträgt der axiale Abstand in Abbildung
Trajektorien von Teilchenpaaren 71
4.13 links unten rund 3, 3a. Wir ziehen die lateralen Kraftprofile für
∆z = 3a heran. In der ersten Zeile in Abbildung 4.16 sind sie zusam-
men mit einem Snapshot des Systems dargestellt. Die Koordinaten
im Snapshot sind in Einheiten der Kanalbreite w ausgedrückt. Ei-
ner Distanz von 3a entsprechen also 0, 6w, weil der Radius bei 0, 4w
liegt. Die z-Komponenten sind relativ zum Schwerpunkt angegeben.
Die Lage der Teilchen ist mit schwarzen Punkten in den Konturplots
eingezeichnet.
Da sich die Teilchen recht nahe sind, ist die viskose Wechselwir-
kung stark. Dementsprechend weicht vor allem das vordere Teilchen
qualitativ vom Einteilchenfall ab, denn es fokussiert sich nicht in Rich-
tung der oberen Wand sondern bewegt sich stattdessen, wie auch
das hintere Teilchen, zur unteren Wand. Die Geschwindigkeitsdiffe-
renz vergrößert sich demnach und der Abstand zwischen den Teilchen
wächst. In der zweiten Zeile von Abbildung 4.16 ist das gut zu se-
hen. Durch den größeren Abstand werden die lateralen Kräfte jedoch
schwächer, außerdem verändern sich die Positionen der Fixpunkte.
Die inertiale Fokussierung gewinnt an Einfluss. Hier hat sie einen sta-
bilisierenden Effekt: Das Auseinanderdriften der Teilchen im Schwer-
punktsystem wird verlangsamt, da das vordere Teilchen sich wieder
zur oberen Wand bewegt. Wir betrachten die Profile für ∆z = 4a, der
tatsächliche Abstand im Snapshot liegt bei rund 4, 3a. In der Tat wir-
ken für beide Teilchen Kräfte weg von der Kanalmitte. Für das vordere
Teilchen hat also der Fixpunkt die Seite gewechselt. Dieses Ereignis,
dass durch den wachsenden axialen Abstand zustandekommt, lässt
74 Ergebnisse
sich auch gut in Abbildung 4.13 bestätigen. Bei t ≈ 300 muss ein
Wendepunkt liegen, ab dem sich die Geschwindigkeitsdifferenz wieder
verringert. Zunächst entfernen sich beide Teilchen noch weiter vonein-
ander, bis bei t ≈ 500 ein lokales Maximum erreicht ist. Dieses liegt
bei ∆z ≈ 4, 5a, wir zeigen in der dritten Zeile von Abbildung 4.16 das
Profil für ∆z = 5a. Obwohl es quantitativ nicht genau stimmen kann,
lässt sich der Übergang vom vorherigen Zeitschritt nachvollziehen.
Das hintere Teilchen holt das vordere Teilchen lateral ein, das heißt
auch die Geschwindigkeit in Flussrichtung gleicht sich an. Schließlich
kommen sich die beiden Teilchen wieder näher. In den Profilen ist zu
sehen, dass nun beide Teilchen zur oberen Wand getrieben werden,
wobei die Kraft auf das hintere Teilchen verhältnismäßig schwach ist.
Das vordere Teilchen wandert nach oben und der Abstand verringert
sich. In der vierten Zeile von Abbildung 4.16 auf Seite 72 erkennt
man, dass die Positionen der Teilchen im Kraftprofil dem Anfangszu-
stand sehr ähnlich sind. Allerdings ist der axiale Abstand verändert,
und das Profil für ∆z = 3a ist daher ungenau. Es wird jedoch deut-
lich, dass der Fixpunkt erneut die Seite der Teilchen gewechselt hat
und sich diese nun wieder nach unten bewegen. Dadurch wächst der
Abstand wieder und der beschriebene Ablauf wiederholt sich.
Die Unterteilung in viskosen und inertialen Anteil stimmt überein
mit den in Ref. [77] beschriebenen experimentellen Beobachtungen.
Die Paar-Oszillation wird dort wie folgt erklärt: Ein viskoser Störfluss
treibt die Teilchen aus ihrer lateralen Position. Durch das Flussprofil
wird ihr axialer Abstand daraufhin vergrößert. Inertiale Kräfte trei-
Trajektorien von Teilchenpaaren 75
4.2.2 Überholen
Abbildung 4.18 zeigt eine Trajektorie bei Re = 20, 0, bei der das
hintere Teilchen das vordere überholt. Die beiden Teilchen nähern
sich zunächst an, wobei sich die lateralen Positionen beider Teilchen
bereits leicht verändern. Anschließend bewegen sie sich aneinander
vorbei. Die Trajektorien sind asymmetrisch, das Teilchen, das von
der Wand weiter entfernt ist, wird lateral stärker abgelenkt. Nach der
Interaktion weicht die laterale Position zunächst nur wenig von der
Position vor dem Überholvorgang ab. Allmählich werden die Teilchen
Trajektorien von Teilchenpaaren 77
4.2.3 Austausch
men die lateralen Positionen gut mit den negativen Positionen des
jeweils anderen Teilchens vor der Interaktion überein, die durch hori-
zontale Linien in Abbildung 4.19 und 4.20 dargestellt sind. Durch die
periodischen Randbedingungen lässt sich auch eine zweite Umkehr
beobachten (grau eingefärbt in Abbildung 4.19). Man sieht, dass die
Teilchen ihre laterale Anfangsposition vor der ersten Interaktion nicht
exakt erreichen, was die Irreversibilität des Systems gut illustriert. In
Abbildung 4.20 ist am Verlauf der x(t)-Kurve zu sehen, dass diese Ab-
weichung durch die typische laterale Bewegung nach der Interaktion
zustandekommt.
In Abbildung 4.8 auf Seite 61 wurde bereits die Abhängigkeit der
lateralen Kraft vom axialen Abstand ∆z dargestellt. Die dort verwen-
deten lateralen Positionen entsprechen für ∆z = 5a einer Austausch-
trajektorie (xlead = −0, 4w, xlag = 0, 2w). Kommen sich die Teichen
nahe, wirkt eine starke Kraft für beide Teilchen zur oberen Wand hin.
Das vordere Teilchen wird dadurch schneller, das hintere langsamer.
Am Ende der Wechselwirkung sind die Rollen der Teilchen vertauscht
und sie entfernen sich voneinander. Der Übergang von der Richtungs-
umkehr im Schwerpunktsystem zum Überholen findet statt, wenn das
hintere Teilchen nach der viskosen Interaktion immer noch näher an
der Mittelebene liegt als das vordere und damit schneller ist. Dies
stimmt mit den in Ref. [17] vorgestellten Ergebnissen überein.
Trajektorien von Teilchenpaaren 81
ke des viskosen Anteils und damit auch die laterale Auslenkung. Da-
von hängt wiederum ab, wie lange die Fokussierung dauert und welche
Strecke in Flussrichtung bis zum Erreichen der Gleichgewichtspositi-
on zurückgelegt wird. Dadurch kann es vorkommen, dass ein anfangs
näher zusammenliegendes Paar schlussendlich weiter entfernt liegt,
als eines, bei dem die Distanz bereits anfangs groß, die laterale Kraft
dafür klein war. In Abbildung 4.21 links ist für Re = 20, 0 gut zu
sehen, dass Teilchen mit kleinem Abstand ihre Distanz stark verän-
dern. In Abbildung 4.21 rechts ist die Abhängigkeit des absoluten und
relativen Endabstands ∆zf und ∆zf − ∆zi von der Anfangsdistanz
∆zi dargestellt. Wir betrachten zwei verschiedene Reynoldszahlen.
Die absoluten Abstände (gefüllte Marker) durchlaufen ein Minimum,
das heißt für sehr kleine Anfangsabstände nehmen die Endabstände
in der Tat wieder zu. Interessanterweise unterscheiden sich die Kurven
für beide Reynoldszahlen ab einem Abstand von ∆z ≈ 3w kaum. Für
kleine Initialabstände ∆zi werden für kleinere Reynoldszahlen größere
Abstände erreicht. Das liegt daran, dass sich die Teilchen langsamer
zur Fokusposition bewegen und daher die Stabilisierung des axialen
Abstands später stattfindet.
Wir erwarten, dass die zurückgelegte axiale Weglänge invers pro-
portional zur Reynoldszahl ist (siehe Abschnitt 2.3.4). Die Kurven
in Abbildung 4.21 mit hohlem Marker zeigen den relativen Endab-
stand in Abhängigkeit des Anfangsabstandes. Zumindest für kleine
∆zi sind die Kurven monoton fallend. Für zu große Abstände werden
die Ergebnisse vermutlich durch die periodischen Randbedingungen
Trajektorien von Teilchenpaaren 85
verfälscht (die Länge des Kanals liegt hier bei 20w). Leider erreichen
auch nicht alle Teilchenbahnen aus Abbildung 4.21 innerhalb der Si-
mulationszeit ihre Gleichgewichtsposition. Aufgrund des erwarteten
1/Re-Gesetzes normieren wir die Kurven mit der inversen Reynolds-
zahl. Wir erkennen, dass die Kurven nicht aufeinander liegen. Der
angenommene Zusammenhang stimmt für kleine ∆zi nur näherungs-
weise. Wir mutmaßen, dass für kleine Abstände viskose Kräfte die
laterale Drift zusätzlich beeinflussen. Zumindest liegen die normier-
ten relativen Abstände für beide Reynoldszahlen in der gleichen Grö-
ßenordnung. Wir halten fest, dass bei kleineren Reynoldszahlen die
Veränderung des axialen Abstandes größer ist.
86 Ergebnisse
2an
λ := (4.4)
L
daher aussagekräftiger ist als volumen- oder flächenbezogene Größen.
Wir verwenden hinreichend dünne Lösungen, sodass keine Konzen-
trationseffekte auftreten, die die Teilchen aus den liftinduzierten Po-
sitionen treiben [9]. Für n = 8 verwenden wir eine Kanallänge von
20w = 50a und deshalb λ = 0, 32, für Systeme mit n = 15 verwenden
wir L = 40w = 100a und damit λ = 0, 3. Die Dichten beider Systeme
sind also vergleichbar.
In Abbildung 4.22 sind für jeweils ein System mit diesen Para-
metern die lateralen und axialen Koordinaten dargestellt. Die An-
fangsbedingungen wurden zufällig gewählt. Wie zu erwarten, ist das
Gesamtsystem gedämpft. Alle Teilchen migrieren lateral zu einer der
beiden Fokuspositionen. Es finden während der Transienten mehre-
re Überholvorgänge statt, nach denen sich die axiale Reihenfolge der
Teilchen ändert. Vor allem Teilchen, die anfangs nahe an der Kanal-
mitte liegen, überholen aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeit andere
Teilchen. Die inertialen Liftkräfte treiben die Teilchen mit der Zeit aus
der Mittelebene. Im fokussierten Zustand bleibt die axiale Reihenfol-
ge schließlich konstant. In Abbildung 4.24 und 4.25 ist deutlich zu
88 Ergebnisse
derem als auch hinterem Nachbarn stattfinden. Die Periode ist dann
größer als bei einer echten Paaroszillation. Abschnittsweise auftreten-
de Austauschtrajektorien und Oszillationen sind in Abbildung 4.23
dargestellt.
Betrachten wir die Endzustände der Systeme, so stellen wir fest,
dass die axialen Positionen eine große Regelmäßigkeit aufweisen. Wir
erkennen Bereiche mit ähnlichen Abständen, die durch größere Ab-
stände voneinander getrennt sind. Dies ist ein Hinweis darauf, dass
auch axial eine Selektion der Teilchenpositionen stattfindet, wie be-
reits im Zweiteilchenfall. Um dieses Phänomen zu untersuchen zeigen
wir in Abbildung 4.24 und 4.25 auch die Abstände aller Teilchen zu
ihrem hinteren Nachbarn während der Simulation. Man erkennt, dass
die vorkommenden Distanzen am Ende der Simulation auf vonein-
ander getrennten Bändern liegen. Die Bedeutung dieser Bänder wird
klar, wenn man die Endkonfigurationen der Systeme betrachtet. Das
unterste Band entspricht dem dichtestmöglichen Zustand, in dem ein
Paar eine Zigzag-Konfiguration einnimmt. Etwas höhere Distanzen
zueinander haben Teilchen, die so nah wie möglich an ihren Nachbarn
rücken, aber dabei auf derselben Kanalseite bleiben. Solchen Bindun-
gen würden in einer zusammenhängenden Struktur offenbar Defekte
entsprechen. Noch größere Abstände scheinen keine spezifische Be-
deutung zu haben und trennen verschiedene Cluster voneinander.
Die kollektive Bewegung während der gesamten Simulationszeit
ist für beide Teilchenzahlen als Animation in Anhang B angefügt.
Dort ist gut zu sehen, wie das System zur Ruhe kommt, obwohl es
90 Ergebnisse
Abbildung 4.26: Zuordnung der axialen Abstände benachbarter Teilchen für ein
Gesamtsystem von n = 15 in Bänder. Region A entspricht der dichtestmöglichen
Konfiguration einer Zigzag-Bindung. Region B entspricht einer Bindung, in der
beide Teilchen auf derselben Kanalseite liegen. Region C umfasst Distanzen, die
zwischen Einzelclustern auftreten, solange das System nicht vollständig equili-
briert ist.
[48] N. Liron und S Mochon. Stokes flow for a stokeslet between two
parallel flat plates. J. Eng. Mech. 10(4): 287–303, 1976.
[67] S. Succi. The lattice Boltzmann equation: for fluid dynamics and
beyond. Oxford university press, 2001.
[78] Y.-S. C. Choi, K.-W. Seo und S.-J. Lee. Lateral and cross-lateral
focusing of spherical particles in a square microchannel. Lab
Chip 11(460): 2011.
A Notation
Wir notieren in dieser Arbeit alle Vektoren als fette lateinische Buch-
staben v. Tensoren werden als fette lateinische Buchstaben mit Dach
T
b dargestellt. Im Folgenden verwenden wir die Einstein’sche Sum-
menkonvention.
Aus der Vektoranalysis verwenden wir den Nabla-Operator ∇, der
in kartesischen Koordinaten mit Einheitsvektoren ex,y,z die Form
∂ ∂ ∂
∇ = ex + ey + ez (5.1)
∂x ∂y ∂z
hat. Damit notieren wir die Vektoroperationen des Gradienten, der
Divergenz und der Rotation angewendet auf einen Vektor v als
∇v, ∇ · v, ∇ × v. (5.2)
ci = ∇ · T
b = ∇j Tij . (5.3)
i
(v ⊗ w)ij = vi wj . (5.4)
B Animationen