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Varietäten und Variation im Deutschen

Variation in der diastratischen Varietät (1/2)

§  Mit diastratischer Varietät ist die soziale Dimension der Sprache gemeint
(Soziolekte).
§  Eine diastratische Variation ist eine Variation gemäß soziokultureller
Zugehörigkeit der Sprecher.

Ein Soziolekt ist eine Sprachvarietät, die für eine sozial


definierte Gruppe charakteristisch ist. Der Gebrauch eines
Soziolekts verrät die soziale Herkunft des Sprechers.

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Variation in der diastratischen Varietät (2/2)

Relevante Parameter der sozialen Gruppierung:

²  Alter à Jugendsprache vs Gerontolekt

²  Geschlecht àFrauen- und Männersprache

²  Berufsgruppeà Berufs- (Flieger-, Kaufmanns- Seemanns-, Bergmanns-


Jägersprache usw.) und Fachsprachen

²  Andere Sondersprachenà Geheimsprachen: Gaunersprache bzw.


Rotwelsch, Soldatensprache usw.

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Diastratische Variation: Terminologie und Begriffe

q  Gruppensprachen (Soziolekte): Gesamtheit der sprachlichen


Besonderheiten einer sozialen Gruppe: Jugendsprache, Frauen- und
Männersprache, Fußballfansprache usw.

q  Sondersprachen (fach- und sozialgebundene Sprachformen). S. bezeichnet


im Gegensatz zur Umgangssprache usw. in einer Sprachgemeinschaft einen
differenzierten Ausschnitt des Sprachpotenzials, den nicht alle Sprecher
teilen (Glück 2005, s.v. Sondersprache):
a) Berufs-, Fachsprachen und gruppenspezifische Sprachen (auf
einem Gebiet, das von der Gemeinsprache nicht abgedeckt wird);
b) sozial gebundene Sprache oft mit verhüllender abgrenzender
Funktion: Gaunersprache, kanak-sprak (auch Jugendsprache) usw.

q  Fachsprachen: entweder die sprachlichen Spezifika oder die Gesamtheit


der sprachlichen Mittel, die in einem Fachgebiet verwendet werden.

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Jugendsprache (1/6)
Typische Merkmale: wEinfluss des Englischen
à(Schreibweise z.B. in Jugendzeitschriften)
Groß- bzw. Kleinschreibung der englischen Substantive: Underground/underground;
Kids/kids
àenglische Wörter werden in spielerischer Verfremdung „phonetisch“ geschrieben:
comics/Kommicks; action/Äktschn
àGrammatik: Pluralbildung mit -s: die Teenagers
umgekehrte Tendenz zur Angleichung an das dt. Muster (Wörter auf –er): von den
Promotern; die Trendsetter
àschwankende Genusbildung bei der Übernahme von englischen Wörtern: er brachte
den vollen power/auf die Bühne hat er dieselbe power wie hinter den Kulissen.
àenglische Verben werden in das deutsche Flexionssystem eingepasst (jammen;
comebacken, chillen – to chill=kühlen, abkühlen- ‘sich beruhigen, relaxen‘ à chill mall!
statt reg dich ab!) und oft mit dt. Präfixen versehen (lospowern, abchecken)
àDenglische Ausdrücke: „Jugendliche müssen am Flughafen einchecken, jetten durch
die Welt, haben eine Sendung gefeatured oder eine Sache gemanaged, wollen ein
Song promoten und müssen gelegentlich einen Termin canceln, damit sie ‘mal relaxen
können.“(aus: Wahrig, Grammatik der deutschen Sprache, S. 602)
Ilaria Meloni WiSe 2013  
Varietäten und Variation im Deutschen  

Jugendsprache (2/6)

àVerdeutschung von englischen Adjektiven und Attributen: tougher Typ, taffe Typen;
dieses Album ist eins der livesten. Adjektive auf –ig können von der englischen
Entsprechung auf -y abgebildet sein (speedig, jazzig) oder von Substantiven
herstammen (spacig, popig, soulig, oldig à Ableitung aus Oldie); Ableitungen von
Adjektiven mit dem Suffixoid –mäßig: schwepunktmäßig usw.
Manchmal werden A. aus dem Englischen auch unverändert übernommen (das
Piano spielt softly im background; die Musik ist teil rocking, teils dreamy),
à Einige beliebte Wortbildungsmuster: Verbindung zweier Substantive (Technikfreaks
i.S.v. Technik-Verrückter); Kombination von Substantiv mit Adjektiv (Creativ-Rock), mit
Verbstamm (Relax-Album), mit Partikeln (In-Kreise), mit Zahladjektiv (Erst-CD), mit
festen Wendungen (eine It´s-a-beautiful-day-Stimmung). Beliebt sind auch fantasievolle
Wortreihungen (die Malboro/Camel/Go West-Generation), Wortkürzungen (C&W statt
Country and Western) und Phraseologismen: Das ist ein Hammer! usw.

Annäherung an die gespr. Spr. àAuslassungen werden oft nicht mehr durch den
Apostroph gekennzeichnet: Kampf ums
Jugendhaus; son Undergroundschmarrn usw.

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Jugendsprache (3/6)

Thüne/Elter/Leonardi 2005, 169


Ilaria Meloni WiSe 2013  
Varietäten und Variation im Deutschen  

Jugendsprache (4/6)
àPragmatik: Grußformeln: moin moin (norddt.), tach, halli hallo, hi hi und Pseudo-
Suffixe –owsky, -manky (tschüssikowsky, bis dannimansky), Wortkreuzungen (auf
wiedertschüss) usw. Anrede: Langer, Meister, Alte/r, Kumpel, Mädels, Leute, Bruder/
Mann/Chef, Schwester. Beschimpfende Anrede: du Schlampe.
Gesprächs- u. Modalwörter (Indikatoren für ganze Sprechhandlungen) echt, ja voll,
bist du malle (adversative Funktion: malle= doof, dumm ? ne?, was?, oder?, und so
– Hey Fans, das war ne super Scheibe, was!

Interjektionen, Onomatopöien und Inflektive:


Wau! peng! Ächz!
Verzögerungslaute: äh, hm usw.

Yolo:„you only live once“ (du lebst nur


einmal) Carpe diem - Jugendwort des
Jahres 2012
Yalla: (aus dem Arabischen) "Beeile
dich!"

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Jugendsprache (5/6)

Thüne/Elter/Leonardi 2005, 170

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Jugendsprache (6/6)

Aus: Sonntagsblatt

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Jugendsprache (6/6)

Aus dem Web

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

kanak-sprak (1/2)

Kanake, der
Herkunft: polynesisch kanaka = Mensch
derb abwertend
Ausländer, Angehöriger einer anderen, fremden Ethnie, diskriminierendes
Schimpfwort
aus: Duden Universalwörterbuch

Die kanak-sprak (auch „Türkenslang“ (Auer 2003), „Kiez-Deutsch“ (Wiese


2006), „Türkendeutsch“ (Simsek 2011) ist ein Jargon (multiethnolektale
Jugendsprache - Wiese), der vorwiegend von zweisprachig
aufgewachsenen, meist türkisch-stämmigen Jugendlichen der zweiten oder
dritten Einwanderergeneration gesprochen wird.
„Ethnolekt“ (N. Dittmar) mit „Elemente[n] von reduziertem Deutsch und
anderen Formen deutsch-türkischer Sprachmischung.“ (W.Kallmeyer, IDS)

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

kanak-sprak (2/2)
Yalla (Los gehts)
Beispiele: Machst du rote Ampel. (Du gehst bei Rot über
Ein16jähriger Sproß zu seinem die Straße.)
deutschen Kumpel, im Bus, die Hast du U-Bahn? (Nimmst du die U-Bahn?)
Klassenschönste steigt zu: Ich hab Fahrrad. (Ich nehme das Fahrrad.)
Was guckst du; bin ich Kino? (Provozier mich
"Tam tschuki, Lan!” nicht.)
Wir sind jetzt neues Thema.
(Ugs.) "geile Braut, Alder!”
Wallah (Ich schwöre)
Siktir (Hau ab. Verpiss dich.)
Cüs (Krass, furchtbar)
Ich mach dich Messer. (Ich greife dich mit
einem Messer an.)
Morgen ich geh Arbeitsamt.
Ischwör (Ich schwöre. Wirklich)
Lassma treffen.
Hast du Handy bei?
Ich such nicht so Ausbildungsplatz, ich such
richtige Arbeit.
Quellen: Heike Wiese, Linguistische Berichte 207/2006 ©
Buske Verlag, HamburgNorbert Dittmar, Freie Universität
Berlin (vgl. Suddeutsche Zeitung: 10. Mai 2010)

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Frauen- und Männersprache (1/4)

Frauensprache: Sprache oder Sprechweise von Frauen, insofern sie sich


von derjenigen der Männer in der gleichen Gesellschaft unterscheidet.
(vgl. Glück 2005, s.v. Frauensprache) à Sex(o)lekt
Beobachtungen zum Gesprächsverhalten bei Männern und Frauen
Frauensprache Männersprache
Feinere und höflichere Sprechweise In manchen Situationen werden
Vulgarismen gebraucht.
Mehr Zurückhaltung im Redeeröffnungen,
Gesprächsverhalten: weniger -unterbrechungen und
Redeeröffnungen, -unterbrechungen Themenwechsel. Längere
und Themenwechsel. Seltenere und Äußerungen.
kürzere Äußerungen.
Frauen würden angeblich besser Männer sprechen langsam und
artikulieren, Prestigeformen der monoton.
Aussprache lieber benutzen als
Männer.
vgl. Glück 2005, s.v. “Frauensprache”;
Ilaria Meloni Wahrig, Grammatik der deutschen Sprache, S. 605ff.)
Varietäten und Variation im Deutschen  

Frauen- und Männersprache (2/4)

Stereotype: soziales Geschlecht


Ärzte (m) und Krankenschwestern (f)
Der Chef und seine Sekretärin (f)
Viele Söhne, viel Segen, viele Töchter, viel Regen.
Typische Bezeichnungen, die für Typische Appellative für Männer
Frauen benutzt werden.
Heulsuse (piagnucolona) Hurenbock (puttaniere)
Plaudertasche/Quasselstrippe Schürzenjäger (donnaiolo, lett.
(chiacchierona) cacciatore di grembiuli)
Klatschbase (pettegola) Lustmolch (uomo che conduce
un´intensa attività sessuale, mandrillo)

Ilaria Meloni
Varietäten und Variation im Deutschen  
Frauen- und Männersprache (4/4)
Generisches Maskulinum
man frau (!) Aber was ist, wenn frau vor Ablauf der
empfohlenen Sechs-Monats-Stillzeit wieder
arbeiten will?

Personen- und Berufsbezeichnungen (agentivi) à Movierung/Motion


der Student die Studentin
der Professor die Professorin
der Präsident die Präsidentin
der Steward die Stewardess
der Souffleur die Souffleuse
Differenzialgenus
ein Angestellter/der Angestellte eine Angestellte/die Angestellte
Geschlecht und Zusammensetzung
der Feuerwehrmann die Feuerwehrfrau
der Ratsherr die Ratsfrau
der Putzmann die Putzfrau
Ilaria Meloni WiSe 2013  
Varietäten und Variation im Deutschen  

Frauen- und Männersprache (4/4)

Richtlinien zur Vermeidung des sexistischen Sprachgebrauchs (69/1980)

Tendenzen: Gleichberechtigung der Frauensprache gegenüber der


Männersprache durch splitting, Geschlechtsneutralformen und
Differenzialgenus
Lehrer(innen)/die LehrerInnen à („das große I“)
der/die Angestellte
weibliche und männliche Studenten; der/die Studierende, Pl. die Studierende
Einkäufer m/w
Sehr geehrte Damen und Herren
Liebe Kollegen und Kolleginnen
Computerfachleute; Kaufleute (Kaufmann und Kauffrau)
Pflegekraft
Hilfskraft

Ilaria Meloni
Varietäten und Variation im Deutschen  

Sondersprachen: Rotwelsch bzw. Gaunersprache

Rotwelsch: à rotwalsch (1250) i.S.v. „betrügerische Rede“


rot (zigeun./Romani): falsch, betrügerisch; welsch (dt.): unverständlich

Rotwelsch war bereits im 13. Jahrhundert die Geheimsprache


der Gauner und der Vagabunden.

u  Einflüsse aus dem Jiddischen, aus der Zigeunersprache, aus dem
Französischen, dem Italienischen u.a., aus anderen Sondersprachen usw.
R. hat andere Sondersprachen (z.B. Soldatensprache) beeinflusst und es hat
auch viele Ausdrücke an die Ugs. weitergegeben.

: baldowern: „auskundschaften“ (von jidd. baal „Mann“, und jidd. dowor


„Sache, Wort“); Bock: „Hunger, Gier“ (von romani bokh „Hunger“, daraus auch dt.
umgangsspr. “Bock haben” „Lust haben“); Bulle: „Kriminalbeamter, Polizist“ (aus
niederl. bol, „Kopf, kluger Mensch“); fechten: „betteln“ (Fechter, Fechtbruder:
„Bettler“); Polypen: “Polizei”; Polente: „Polizei“ (von jidd. paltin „Burg, Palast“);
kaspern: „reden“; Kohldampf: „Hunger“ (von romani kálo, „schwarz“; daraus rotw.
kohlerisch „schwarz“, Kohler „Hunger“, vgl. rotw. schwarz „arm, ohne Geld“ ) usw.
Ilaria Meloni WiSe 2013  
Varietäten und Variation im Deutschen  

Fachsprachen (1/6)

Fachsprachen: entweder die sprachlichen Spezifika oder die Gesamtheit der


sprachlichen Mittel, die in einem Fachgebiet verwendet werden.

Schichten der Fachsprachen:

v  Fachinterne Kommunikation (Arzt-Arzt; Lehrer-Lehrer;


Physiker Physiker)
v  Interfachliche Kommunikation (Arzt-Psychologe; Lehrer-
Psychologe; Physiker-Biologe)
v  Fachexterne Kommunikation (Arzt- Patient; Lehrer-Eltern,
Physiker-Politiker usw.)

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Fachsprachen (2/6)

Typische Merkmale der Fachsprachen (vgl. Möhn/Pelka 1984, 13-23):

①  Fachwortschatz und spezielle Wortbildungsmuster;


②  Besonderheiten des Satzbaus und des Stils;
③  schriftliche Textgliederung und Textform (Absätze, Zahlen
und Fettdruck).

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Fachsprachen (3/6)
①  Fachwortschatz (à Menge von fachsprachlichen Ausdrücken, die in der
Gemeinsprache nicht vorkommen) und spezielle Wortbildungsmuster
§  Übernahme von standardsprachlichen Wörtern, die fachspezifisch gebraucht
werden: Wurzel (Mathematik), Kraft, Masse (Physik), Lösung (Chemie)
§  Metaphern: vor allem in der “Werksattsprache” insbesondere durch Übertragung
von Bezeichnungen für menschliche Körperteile auf Maschinenteile: Zahn (an der
Kupplung), Nase (an der Lagerplatte), Kopf (an der Schraube)
§  Vorkommen von Internationalismen und Fremdwörtern meist griechisch-
lateinischen oder angloamerikanischen Ursprungs (Prädikat, Semantik,
Morphologie, langue, parole, Appendizitis, Topoi, Airbag, Bordcomputer, Check-
Control usw.);
§  Abweichungen im Genus (das Filter statt der Filter) und Plural (Dorne statt
Dornen; Sände statt Sande) usw.

§  fachsprachlich häufige Wortbildungsmuster:


•  Funktionsverbgefüge: in Ausgangsstellung bringen, Anwendung finden
•  Verbverbindungen: Verb+Verb (beizblasen, pressschweißen); Substantiv
+Verb (schutzgaslichtbogenschweißen); Adjektiv+Verb (schrägwalzen,
dunkelglühen)

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Fachsprachen (4/6)
①  Fachwortschatz und spezielle Wortbildungsmuster: Morphologie
§  fachsprachlich häufige Wortbildungsmuster:
•  substantivierte Infinitive: Sprechen, Drehen;
•  Nomen auf –er: à Nomina agentis: Sprecher, Hörer, Übersetzer,
Öldruckmesser
à Nomina instrumenti: Zähler, Rechner,
•  vielgliedrige Zusammensetzungen: Rechtschreibreform,
Sprachursprungshypothese, Lautverschiebung; Anhängerbremskraftregler
•  Mehrwortbenennungen: nonverbale Kommunikation; kommunikative
Kompetenz usw.
•  Bildungen mit Eigennamen: Vernersches Gesetz, Grimm´s law; röntgen,
Dieselmotor, Ampere
•  Zusammensetzungen mit Buchstaben, Ziffern u.a.: 6-Zylinder, 60-Watt-Lampe;
α-Wellen;
•  Abkürzungen: PVC (Poly vinyl chlorid), DSN (Database Source Name), DIN
(Deutsche Industrie- Norm(en)), Radar (radio detecting and ranging)
•  Adjektive auf –bar; Suffixoide wie -los (salzlos), -reich (vitaminreich), -arm
(vitaminarm), -frei (rückstandsfrei), -sicher (funktionssicher)
•  Adjektive mit Präfixoid nicht- (nichtfest)
Ilaria Meloni WiSe 2013  
Varietäten und Variation im Deutschen  

Fachsprachen (5/6)
②  Besonderheiten des Satzbaus und des Stils: Syntax
§  Syntaktische Strukturen der Gemeinsprache. Einfache Satzstruktur (einerseits...
andererseits), längere Satzglieder:
•  Satzglieder anstelle von Nebensätzen (beim Herausheben des Motors);
•  Nomina und nominale Ausdrücke (unter Bezugnahme auf);
•  Funktionsverbgefüge (zu Protokoll geben=protokollieren; Anklage
heben=anklagen);
•  erweiterte Attribute anstelle von Attributivsätzen (die zu verbindenden Flächen);
•  substantivierte Verben (Durchführungsverordnung);
•  Präpositionalgefüge statt Vollverben mit eigener Bedeutung (kommt zur
Durchführung);
•  Ist-Verben (ist, verhält sich, zeigt sich, scheint);
•  Infinitiv- und Passivkonstruktionen zur Angabe von Ursachen und Wirkungen,
Orts- und Zeitverhältnissen (ist zu erkennen, lässt sich zeigen, wird angesehen
als);
•  Depersonalisierungen (man definiert, das Institut beobachtet, der Sachverhalt
erscheint...)
•  Konditionalsätze (Wenn eine Spannung auftritt, dann müssen...);
•  Finalsätze (Um den Schwingungsbereich konstant zu halten, wird...)
Ilaria Meloni WiSe 2013  
Varietäten und Variation im Deutschen  

Fachsprachen (6/6)
③  schriftliche Textgliederung und Textform
§  Zahlreiche Signale für Textgliederung: Kapitel, Absätze, Zwischenüberschriften,
Zwischenüberschriften, Ziffernfolgern, Listen, Tabellen, Spiegelstriche.
§  Kohärenzsignale: Einschränkung der Proformen (Vermeidung von Synonymen):
Verweisformen (Demonstrativa, Pronominaladverbien); Verweiswendungen (es
folgen, wie oben).
§  Typografische Mittel: Fettdruck, Sperrdruck, Unterstreichung u.a.

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Fußballsprache

Spieler semmeln die Pille über den Kasten,


die Pille
begeistern durch Übersteiger oder als
Abfangjäger. das Ei
das Spielgerät
Sprache der die Kirsche
Fußballsprache Fußballjargon Fußballbericht- die Kugel
erstattung die Pocke
Typische Merkmale:
²  Umschreibungen (Ersetzung der Eigennamen à z.B. Name des Spielers)
²  bildhafte Wörter und Ausdrücke à Metapher und Metonymien
Kriegsmetaphern: die Gegner werden attakiert; die Granate, die Bombe (harter Schuss); M. aus
unterschiedlichen Bildfeldern: Fliegenfänger (Torwart), Mittelfeldmotor, Regisseur, Schwalbe, Fummelpapst
Metonymie: Ecke (er tritt die Ecke)
²  Tabelle- und Positionssprache: Oben/Unten- und Vorn/Hinten-Metaphorik: Gipfeltreffen,
Kellerduellen, in der Tabelle klettern o. abstürzen, nach oben stürmen, Verfolger, Verfolgungsjagd//
Mittelstürmer, Offensivabteilung, Flügelstürmer, Rechtsaußen
²  Spielsprache: kreative Einfälle: dunkelgelb (fast schon rot); versenken; retten; Bude,
Gehäuse, Kasten, Maschen (Tor) usw.

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Chemische Fachsprache (1/2)

Mischterminologie (Physikalische Chemie, Bio-


oder Geochemie)

Unterschiedliche Formen der Fachsprache:


1  Strenge Wissenschaftssprache (in den wissenschaftlichen Abhandlungen);
2  Lehrbücherstil;
3  Unterrichtsstil;
4  Laborslangà Anlehnung an die Umgangssprache
ê
Metaphorische Bezeichnungen und Kurzformen: „Da stehen wieder 3 Kipps
(Kippsche Apparate) im Stinkzimmer herum.“
Birne, Bombe, Schiffchen = Laborgeräte

1.  Chemische Wissenschaftsspracheà Anteil an Symbole und Formeln;


àNomenklatur: Internationalismen (Polarisation, Emulsion, Polymerisation)
à Elemente der klassischen Sprachen Griechisch und Latein:
Chemische Elemente: lat. Plumbum (Blei), griech. Berilylium; latinisierte
Eigennamen wie Fermium
Ilaria Meloni WiSe 2013  
Varietäten und Variation im Deutschen  

Chemische Fachsprache (2/2)

à Abkürzungen: Ag (Argentum/Silber); B (Boror/


Borax-Element; Co (Cobaltum/Kobalt), PVC
(Polyvinchlorid)

à  Ableitungen: Präfixe: Hypo- (extrem niedriger Sauerstoffanteil), Per- (extrem


hoher Sauerstoffanteil);
Suffixe: -ium für metallische Elemente (Aluminium); -um für
Nichtmetalle; -on für Edelgase (Neon, Argon); -id für sauerstofffreie Salze
(Natriumchlorid); -it für sauerstoffarmen Salze (Sulfit); -at für sauerstoffreiche
Salze (Kaliumchlorat) usw.

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Medizinische Fachsprache (1/3)


500.000 Termini
170.000 engerer medizinischer Wortschatz

10.000 Namen zur Bezeichnung von Körperteilen, Organen und Organteilen


20.000 Namen zur Bezeichnung von Organfunktionen
60.000 Namen für Krankheitsbezeichnungen
80.000 Namen für Medikamente
Ilaria Meloni WiSe 2013  
Varietäten und Variation im Deutschen  

Medizinische Fachsprache (2/3)

Lateinisch-griechische Fachterminologie (im Bereich der Anatomie, Physiologie, Chirurgie)

[...] Die Oesophagustenosen sind deutlich oberhalb der eigentliche


[sic] Kardia lokalisiert. Fast regelmäßig ist eine kleine axiale
Hiatushernie nachweisbar.

Fachsprachliche Nomenklatur und synonyme Bezeichnung in der Gemeinsprache


Appendizitis/appendicitis acuta vs akute Blinddarmreizung/Blinddarmentzündung

Vertikale Schichtung im Fach Medizin:


•  Reine Wissenschaftssprache/Lehrbuchstil: Diabetes mellitus
•  Sprache Arzt/Patient: Zuckerkrakheit/Zucker/Diabetes
•  Fachumgangssprache/medizinischer Slang: 12:00h Wurm (Fridolin) S.T.

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Medizinische Fachsprache (3/3)

Wortbildungsmuster
• einfache Begriffe: – Wortstamm (Substantiv, Adjektiv, Verb) und Endung (Suffix)
z.B: Wortstamm: Gastr- Suffix: -itis àBegriff: Gastritis

• zusammengesetzte Begriffe: – Wortstamm + Bindevokal + Suffix


Wortstamm: Gastr-, Enter-, Kardi-; Suffix: -logie; Bindevokal: -o-; Begriff: Gastr-o-enter-o-logie,
Kardi-o-logie

• Präfix: – Vorsilbe vor dem Wortstammà Präfix: Dys-, Tachy-, A-; Wortstamm: -pnoe;
Begriff: Dys-pnoe, Tachy-pnoe, A-pnoe

• Medizionische Fachgebiete:
-logie/-login/-loge/-logisch: Haut (gr. = Derma/-atos); Nerven (gr. = Neuron); Herz (= Kardi- / Cor);
Lunge (gr. = Pneumon, lat. = Pulmo/-onis); Magen (gr. = Gaster); Darm (gr. = Enteron); Niere (gr. =
Nephros); Harn (gr. = Uron); Innen (gr. = endon) + ausscheiden (gr. = krinein) = Hormondrüsen;
Erkrankung, Leiden (gr. = pathos)
Zelle, Höhlung (gr. = kythos); Gewebe (gr. = histos); Seele, Gemüt (gr. = psyche); Gift (gr. =
toxikon);
Zahn (gr. = odus/-dontos), usw.

Ilaria Meloni WiSe 2013  


Varietäten und Variation im Deutschen  

Seemanns- und Fischerssprache


Berufs- und Gruppensprache
²  Weitgehend mündlich
²  Viele dialektale Wörter und Ausdrücke v.a. aus dem
Plattdeutschen (Foftein: plattdeutsch: fünfzehnà 15-
Minuten-Pause)
²  Sprache der älteren Fischer fast ausschließlich von Dialekt
bestimmt)à Fischerssprache: alemannisch: Waidli
(Fischerkahn), bernle, bährle (mit dem Senkhamen fischen)
²  zahlreiche Lehnwörter aus dem Niederländischen (Aak: Schiffstyp), dem
Englischen (aye aye) und dem Spanischen (Armada). (v.a. in der
Seemannssprache)
²  Präzisierung und Differenzierung technischer Begriffe aus der Seefahrt: Seil à
„Want“, „Fall“, „Dirk“ oder „Schot“ (oder noch genauer von „Besanwant“,
„Fockschot“ usw.)
²  Viele metaphorische Benennungen (in der Fischerssprache): Affenfaust (eine
Art Knoten); Wurst (zusammengerolltes Netz); Ooch (´Auge´), Tungen
(´Zungen´) = Nadel zum Knüpfen der Netze; aufbacken (=Tisch decken) usw.
Liste seemännischer Fachwörter: Ilaria Meloni  
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_seemännischer_Fachwörter

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