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BEGRÜNDET VON
HERAUSGEGEBEN VON
KURT ALAND
WALTHER ELTESTER UND ERICH KLOSTERMANN
AKADEMIE-VERLAG - BERLIN
1958
DAS JUDENCHRISTENTUM
IN DEN PSEUDOKLEMENTINEN
VON
GEORG STRECKER
AKADEMIE-VERLAG - BERLIN
1958
45
v, 70
VORWOBT
Abkürzungen IX
A. Die Geschichte der Forschung l
I. Die Tübinger Schule l
II. Die Nachfahren der Tübinger 5
III. Die Absage an die Tübinger 9
IV. Die Vermittlung 14
V. Die Neo-Tübinger 20
VI. Die radikale Ablehnung 27
VH. Schluß 33
Literatur . 271
I. Quellen 271
H. Enzyklopädien, Texte, Wörterbücher usw 276
III. Einzeltitel 277
Register 285
ABKÜRZUNGEN1
I. Zeitschriften
EvTh Evangelische Theologie.
M6WJ Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums.
Rev.bibl. Revue biblique.
RHE Revue d'histoire ecclesiastique.
ThB Theologische Blätter.
ThLB Theologisches Literaturblatt.
ThLZ Theologische Literaturzeitung.
WZKM Wiener Zeitschrift für die Kunde vom Morgenlande.
ZKG Zeitschrift für Kirchengeschichte.
ZNW Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft.
ZRGG Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte.
ZThK Zeitschrift für Theologie und Kirche.
ZwTh Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie.
III. Sigel
V. Die Neo-Tübinger
Schon ein Jahr nach der Veröffentlichung der Schmidtschen
Untersuchung erschien Oscar Cullmanns Arbeit über das lite
rarische und historische Problem der Pseudoklementinen. Der
Untertitel, „lÜtude sur le rapport entre le Gnosticisme et le Judeo-
Christianisme", kennzeichnet den Blickwinkel, unter dem Cull-
mann den pseudoklementinischen Schriftenkreis sieht. Auch Waitz
hatte schon auf diese religionsgeschichtlichen Beziehungen hin
gewiesen, doch ist Cullmann der erste Gelehrte in der neueren
Forschung, der dem Verhältnis von Gnostizismus und Juden
christentum in den Klementinen eine eingehendere Darstellung
widmete. Dabei gewannen die pseudoklementinischen Schriften
von neuem eine hervorragende Bedeutung für die Geschichte der
ältesten Kirche, wie es in diesem Ausmaße bisher nur in der
Tübinger Schule der Fall gewesen war.
In den Voraussetzungen seiner Untersuchung schließt sich
Cullmann Waitz an. Wie jener postuliert er nach R III 75 eine
judenchristlich-gnostische /t/7-Quelle, die aber (mit Schmidt)
keine Berührung mit dem Markionitismus zeige (Cullmann 93 f.).
Im Anfang des zweiten Jahrhunderts sei diese Schrift in Trans
jordanien entstanden (ebd. 98). Sie wurde im dritten Jahrhundert
in Syrien zu einer neuen Schrift mit judenchristlich-antignosti-
schem Charakter umgearbeitet, die unter dem Titel Tüv FThQov
emdrjfiiwv xrjQvyfidrwv emrofirj (Ep. Cl. 20) oder auch als UeQiodoi
n&Qov Verbreitung fand (ebd. 115). In diesem Auszug der KIJ
(= nfl) sei Klemens als Privatsekretär des Petrus eingeführt
und dem Magier Simon die Rolle des Paulus als dem Gegner des
Petrus zugeteilt worden (ebd. 111). Im Gegensatz zu Waitz und
Schmidt meint Cullmann, daß dem G-Verfasser die Kerygmen
nur über die /777-Quelle zugänglich gewesen seien (ebd. 107). Als
weitere Quellen für G nennt Cullmann mit seinen Vorgängern
ein jüdisches apologetisches Disputationsbuch (ebd. 130) und die
Wiedererkennungsfabel (ebd. 1 32 ff.). Mit Schmidt werden Ort
und Zeit der Grundschrift bestimmt, doch war deren Autor kein
zum Katholizismus übergetretener Judenchrist, vielmehr habe
Die Neo-Tübinger 21
phet" für Jesus (ebd. 227 ff.), in der Ablehnung Johannes des
Täufers als des Stifters einer mit dem Christentum konkurrieren
den Sekte (ebd. 234ff.), in der Polemik gegen den Apostel Paulus
(ebd. 243ff.) und in der hervorragenden Stellung des Herren
bruders Jakobus (ebd. 250 ff.). Ein Vergleich der KTI mit der in
Palästina oder Syrien entstandenen Johanneischen Literatur
(ebd. 253 ff. 256) erlaubt schließlich, die religionsgeschichtliche
Umwelt der KII näher zu bestimmen: Während im Johanneischen
Schrifttum im wesentlichen ein religiöser judenchristlicher Gno-
stizismus dominiert, repräsentieren die Predigten Petri ,,la ten-
dance intellectualiste du gnosticisme judeo-chretien" (ebd. 271.
256 f.); sie stehen so in einer weitreichenden, für die Kirchen
geschichte bedeutsamen Bewegung, wie Cullmann zum ersten
mal seit dem beginnenden neunzehnten Jahrhundert wieder ein
gehender dargestellt hat.
Den Spuren Cullmanns folgt Jean Baptiste Thomas, der wie
jener den klementinischen Roman in den Zusammenhang des
judenchristlichen Synkretismus einzuordnen sucht und dabei in
noch stärkerer Weise als Cullmann die Tübinger Forschungs
richtung — ebenfalls in modifizierter Form — betont.
Thomas geht von den Berichten der älteren Häresiologen aus
und vergleicht damit die Nachrichten des Epiphanius über den
Ebionitismus1; ihnen folgend behauptet Thomas „les donnees
nouvelles fournies par fipiphane vont nous montrer bientöt que
la secte a evolue entre le IP et le IVe siecle (Thomas 266)". Diese
postulierte Entwicklung innerhalb der ebionitischen Sekte sucht
Thomas durch die Klementinen zu belegen. Er stützt sich dabei
auf die Erwägungen von Waschungen, Bädern und Taufen und
stellt fest, daß in den Abschnitten „voyages de Pierre", den er
zählenden Stücken der Petrus-Simonlegende, und dem „cadre
romanesque des anagnorismes" (ebd. 279ff.) neben der christ
lichen Taufpraxis tägliche Bäder des Petrus und seines Gefolges
genannt werden. Der Schluß, der Autor dieser beiden Partien
sei identisch, ist nicht mehr schwer zu vollziehen. Thomas hält
ihn für einen Ebioniten, dessen Sekte in Transjordanien unter
den Einfluß des Essenismus geriet (ebd. 285). In den Disputa-
1 Les fibionites baptistes, BHE 1934, 265; der Abschnitt „Les fibionites
baptistes d'apres les Pseudo-Clementines" in „Le mouvement baptiste" Tl. I
c. III, II,5 (S. 174—182) stellt eine Zusammenfassung des zitierten Aufsatzes
dar.
Die Neo-Tübinger 23
VII. Schluß
Seit Ferdinand Christian Baur stand die Frage nach dem
Judenchristentum der Pseudoklementinen im Mittelpunkt der
klementinischen Forschung. Die Quellenanalyse war nur ein Mit
tel, dieses Problem zu lösen. Von den „Nachfahren der Tübinger"
schieden sich Hort, Frommberger, Langen, Bigg und Headlam,
die jede Beziehung der klementinischen Quellenschriften zum
Judenchristentum verneinten. Waitz eröffnete dagegen durch
seine umfassende Untersuchung eine neue Forschungsperiode,
indem er die älteste Literarschicht in eine judenchristliche und
1 Die Pseudoklementinen I, GCS 42, Vorwort S. Vllf ; vgl. jetzt auch
Rehm, Clemens Romanus II in RAG III 197-206.
3 Strecker
34 Die Geschichte der Forschung
denken (anders verhält es sich mit der Voraussendung des Akylas und
Niketes als „Quartiermacher" [H XII l = R VII 1], die der Grund
schriftverfasser einschob, um für die Verknüpfung der Wiedererken
nungen Baum zu gewinnen; s. R VII 4ff. ~ H XII 4ff.).
Derselbe Schluß ergibt sich aus der Erwähnung Simons in
H VIII 1,2. 3,3. 9,1, die an den Parallelstellen R IV 1,6. 3,6. 8,1
fehlt, während in R IV 3,4 parallel zu H VIII 3,2 Simon genannt
ist. Hier spricht alles gegen die Abhängigkeit des Rekognitio-
nisten von H. — Weshalb sollten die übrigen namentlichen Er
wähnungen Simons in H durch R übergangen sein ? — Will man
nicht die Nennung Simons in R IV 3,4 aus einem „Irrtum" ent
standen sein lassen (so Rehm 102, der dadurch dokumentiert,
daß seine Argumentation in der Aporie endet), so wird man für
das Wahrscheinlichste halten, daß die häufigere Erwähnung
Simons in H mit der Erweiterung der Simonepisode durch den
Homilisten zusammenhängt (s. u.) und sich in der Grundschrift
der Name nur an der Stelle R IV, 3,4 par. befand, aber gerade
dadurch das Vorliegen des Verfolgungsmotives für G belegt wird.
Rehms Argumentation für die doppelte Abhängigkeit des Re-
kognitionisten dürfte damit widerlegt sein. Es wäre auch in der
Tat merkwürdig, wenn der Rekognitionist die Homilien zur Vor
lage gehabt und nicht geschlossene Abschnitte, z. B. die Apion-
disputation oder denH-Schluß, übernommen hätte. Ist demnach
die doppelte Abhängigkeit des Rekognitionisten von H und G
nicht zu erweisen, dann hat als das Wahrscheinlichste zu gelten,
daß R und H voneinander unabhängig auf die Grundschrift zu
rückführen (vgl. auch Waitz ZKG 1940, 314) 1.
Diese Voraussetzung wird der folgenden Untersuchung zu
grunde liegen. Äußere Gründe sind dagegen nicht vorzubringen.
Doch wird die innere Schlüssigkeit der Untersuchung die Richtig
keit des methodischen Ansatzes darlegen müssen.
1 Aufschlußreich ist für die Beurteilung der Theorie von der doppelten
Abhängigkeit der Rekognitionen, daß sie erst allmählich im 19. Jahrhundert
gegenüber der einfachen Abhängigkeit der beiden Rezensionen voneinander
in Aufnahme kam. Bei Uhlhorn bildete sie noch ein wirksames Gegenargu
ment gegen die Behauptung der einfachen Priorität der Homilien gegen
über R durch die Tübinger Schule. Waitz' These von der Unabhängigkeit
der beiden Rezensionen war demgegenüber eine Weiterentwicklung dieses
Ansatzes. Dagegen übersehen die Nachfolger Uhlhorns in der Gegenwart die
forschungsgeschichtliche Bedingtheit ihres quellenkritischen Ausgangspunktes.
Der Anfang der Klementinen 39
1 Freilich wird man nicht behaupten können, daß „H (in H II 4—12) der
von R (I 17,1 ~ H I 20,1) gegebenen Disposition" folgt (zu Waitz 21).
* Weitere Belege in R I 22. 47. 74. III 75,1 ; Waitz ZKG 1940, 322f.
Der Anfang der Klementinen 41
geistreich gehalten haben mag, wobei er aber übersah, daß die Dis
kussion nicht in Samaria, sondern auf den Stufen des Tempels zu
Jerusalem stattfand. Man wird durch diese mißglückten Geistreiche-
leien lebhaft an die „naseweise Rede" des Zachäus in R I 20 (vgl.
Rehm 97) erinnert und nicht fehlgehen, wenn man sie wie R I 20,4ff.
dem Rekognitionisten zur Last legt.
Nicht weniger verdächtig ist der Rest des Kapitels. Jesus wird in
diesem Zusammenhang sonst nicht filius dei genannt; die Vorstellung
einer gratia baptismatis (S zu R I63,3: JjtJOOJ JjO» ^Üü3Lj = rd
aytov nvevfiaänoAaßEiv) erscheint noch in R I54,1. VII 36 (nicht in der
H-Parallele). 38 und ist sicher sekundär (s. u. F S. 237 zu R I 54,1). Die
Taufe trinae invocationis (vgl. auch R I 69,5) widerspricht R I 39,2. 3
73,4, der Taufe auf den Namen Jesu (s. u. F S. 229 zu R I 39). Völlig
singulär ist die Mahnung, zur Eucharütiam Christi domini zu
kommen, die als Aufforderung an ungetaufte Juden einen nicht ver
trauenswürdigeren Eindruck erweckt als der Anfang des Kapitels (S zu
R I63,4 glättet: >$fä^l jN-JOLO = xal 6fioAoytav noirjaETe). Das
ganze Kapitel R I 63 dürfte demnach Eigentum des Rekognitionisten
sein.
Zum eunomianischen Abschnitt in c. 69 hat schon Rehm (S. 96f.) das
Wichtigste gesagt.
Daß cc. R I 72-74 der Grundschrift angehören, ergibt sich aus
dem oben Gesagten. Der Anschluß an H I l ff. par. wird wieder
gewonnen, indem die Erzählung nach Caesarea zurücklenkt.
Zachäus (R I 20 ~ H II 35) erscheint erneut im Blickfeld. Die
Anschuldigungen, die gegen Simon erhoben werden, kehren auch
im folgenden in der Grundschrift wieder (R II 3ff. ~ H II 18ff.),
und wie das Rommotiv, so ist auch die Berichterstattung an Ja
kobus ein integrierender Bestandteil der Grundschrift (H I 6,1.
17,1- 20,2 ~ R I 14. 17). Die vorstehende Rekonstruktion wird
durch die Zusammenfassung in c. 74 bestätigt : Der Vortrag des
Petrus umfaßt danach zunächst die Lehre vom wahren Pro
pheten (HII4ff., H III 11 ff. ~RI 21), sodann die scriptae
legis . . . secretiorem . . . intelligentiam (H II 38—52. III 2—58.
~ R I 21) und schließlich die traditionum bona, womit nach S
zu R I 74,4 JkaiDyjO j&tt ^o ^Loix&jcccs . . . jfcö^,
JuooA. JiOA = ndvra rä äya&a iv 177 aoQadoaei ano rov
Ao'you ft£XQi tov a-rjfieQov gemeint sind (= R I 27ff.).
44 Der Umfang der Grundschrift
Platze nicht ursprünglich sein kann und wohl eine Mischung aus
G-Elementen und eigenen Zusätzen des Homilisten darstellt
(aus G stammt z. B. H II 22,5 ~R I 54,4; s. o. S. 41). Wie Rehm
(S. 137) gezeigt hat, hat der Rekognitionist in dem folgenden Ab
schnitt H II 23-25 ~ R II 8. 11,1—12,3 aus rechtgläubigen Be
denken geändert und außerdem seine Vorlage umgestellt. Es
kann keine Frage sein, daß sich die Rückführung der Simonianer auf
Johannes den Täufer und auch die Stellung der Helena zu Simon
in H gegenüber R in einem organischeren Zusammenhange
befindet und daher Ursprünglichkeit zu beanspruchen hat. Auch
der Schluß von H II 25 ist an dieser Stelle ursprünglich, denn er
schließt sich lückenlos an den vorhergehenden Bericht von den
Wundern und dem Anspruch des Simon an (H II 25, 3b—4).
Der Rekognitionist hat diesen Passus nach R II 5,6. 6,10 (s. o. S. 45)
verpflanzt, wohl um hier für die Turmgeschichte (R II 12,4—5) Platz
zu gewinnen. Daß diese Erzählung eine sekundäre Einfügung — wohl
des Rekognitionisten — ist, ergibt sich nicht nur aus der Vermutung,
der Homilist habe sie schwerlich übergangen, hätte er sie in seiner Vor
lage gefunden, sondern vor allem aus ihrer isolierten Stellung in R II 12.
Schon der Anschluß (Sed et hoc indicare debeo . . .) weist auf eine Ein
fügung hin, nachdem noch im vorhergehenden Satz mit Et haec atque
alia his similia . . . der Aufzählung der Taten Simons ein Ende gesetzt
war. Auch bezieht sich das folgende Kapitel in keiner Weise auf das
Turmwunder. Ist also R II 12,4—5 ein späterer Einschub, so ist damit
freilich noch nicht gesagt, daß der Rekognitionist darin nicht eine
ältere Tradition aufgegriffen haben könnte (vgl. Waitz 173, Quispel:
Gnosis als Weltreligion 68).
Vom Rekognitionisten stammen auch bis auf einzelne Stücke (zu R II
9,2 ~ H II 27, R II 9,3ff. ~ H II 32 s. folgende S.) die Kapitel R II 9-10.
Die Liebe Simons zu Helena hat erst der R-Verfasser hineingebracht
(Rehm 137); dieses Motiv findet sich weder in H, noch kehrt es in den
folgenden R-Abschnitten wieder. Ohne jede Parallele ist c. 10. Daß
Niketes und Akylas den Willen Simons taten, ist vielleicht aus H II
27,2 f. herausgesponnen, widerspricht aber den Intentionen des Grund
schriftautors, bei dem die Brüder ein besseres Renommee besaßen
(vgl. H II 25,3f.). Es ist auch nicht anzunehmen, daß der Homilist
solche Züge verwischt hätte.
Der Bericht von der Nekromantie Simons und die Deutung
des Petrus (R II 13—16 ~ H II 26. 30, Spuren in H II 28f. 31) sind
(mit Rehm 138) durch den Rekognitionisten am ursprünglichsten
überliefert worden. Da der Homilist R III 44 ff. übergeht (Rehm
138f.), hat er wohl an dieser Stelle die Widerlegung des Simon
weiter ausgeführt. Dabei ist die Deutung des Petrus in ihr Gegen
teil verkehrt worden: Aus dem subjektiven „Beweis" für die Un
Der erste Diskussionstag in Caesarea 47
Als der Homilist den Aufriß der ersten Bücher der Grundschrift än
derte, war es ihm ein leichtes, auch den Rahmen der Vorlage nach
zubilden.
Der Abschnitt H III 1—58 stammt in der Anlage — als Diskussion
zwischen Petrus und Simon — vom Homilisten, der hier einer Intention
des G-Autors, die Falscheperikopenlehre nicht öffentlich vorzutragen
(H II 39, B II 4,5.6. III 1), zuwiderhandelt (vgl. H III 40fi.). Inhalt
lich ist er ein Konglomerat aus den Büchern der Grundschrift und
eigenen Gedanken des Homilisten. Einige Abschnitte bringen Aus
sagen des ersten Buches der Grundschrift (z. B. H III 4 ~ B I 21 ;
H III 17 ~ B I 47; H III 20 ~ B I 46f.), andere nehmen noch nicht
genannte Stücke von G vorweg (z. B. H III 32 ff. ~ B VIII 22fi. u. a.).
Darüber hinaus wird der Homilist Abschnitte übernommen haben, die
zwar nicht durch Parallelen fürG auszuweisen sind, deren Zugehörigkeit
zur Grundschrift aber terminologische Überlegungen dartun können
(s. u. E Uff. S. 145-209).
Den Vortrag über die Syzygien bricht der Homilist in H II 35 f.
ab, indem er Zachäus eintreten läßt. Da die Syzygienlehre in R
an sekundärem Platze steht und andererseits mit dem Vortrag
des Syzygienkanons der Höhepunkt des über Simon informieren
den Gespräches erreicht ist, wird sich die Meldung des Zachäus
(H III 29, 1—30, 2a ~R II 19,3-20,la) als Überleitung zum Beginn
der Diskussion auch in G an die Syzygienlehre angeschlossen haben.
B II 17—19,2 wurde vom Bekognitionisten eingeschoben, um die
durch die Verlegung der Syzygienlehre entstandene Lücke zu füllen.
Das ergibt sich aus dem zusammenhanglosen Anschluß in c. 16 und
dem unerwarteten Abbruch mit dem Hinweis auf spätere Wieder
aufnahme des Gespräches in c. 18; vor allem aber aus der Tatsache,
daß der größte Teil des Stoffes an anderer Stelle in besserem Zu
sammenhang wiederkehrt (vgl. z.B. zu c. 18: B II 58f., H XVIII
22,4-6, H XI 12,5 ~ B V 29; zu c. 19,1-2: H II 21 u. a.).
Der auf den Friedensgruß folgende Abschnitt (B II 20,1 b—36,3) ist
nicht mit Sicherheit für G, aber ebenso wenig für B zu belegen. Viele
der hier aufgeführten Gedanken erscheinen auch an anderer Stelle.
Zum Zusammenhang von fj.ovafi%ia und elg^vrj (R II 24) vgl. H III 62
IX 2f. Zum Glauben an den wahren Propheten vgl. zu B II 22:
B II 48, H III 20. XVIII 13; zu BII33f.: H II 10f. B I16. 43; zu
B II 20 ff. (Gerechtigkeit) vgl. B III 37 ff.; zu B II 24 (Zweireichelehre)
vgl. HXX2f. ~BIII52ff., H XV 6; das Zitat Mt 10,34 (B II 26.
28. 35) ist an anderer Stelle (H XI 19f. ~ B VI 4f.) für die Grund
schrift ausgewiesen (vgl. auch H II 44,4). Läßt sich demnach nicht
entscheiden, ob der vorliegende Abschnitt vom G-Verfasser oder von
dem Bekognitionisten konzipiert wurde, so ist doch ein großer Teil des
Inhaltes für G ausgewiesen.
Hans Waitz hat schon durch Untersuchung der Zitierungen
(S. 24f.) gezeigt, daß cc. R II 36,4-46 ~ H III 38. III 9. XVI
Der zweite Diskussionstag in Caesarea 49
5—15 auf den ersten Teil der Caesareadisputation des ersten Tages
zurückgehen. Beide Rezensionen ergänzen sich gegenseitig. Wenn
der Homilist in manchem eigenes Gut bringt, so wird das mit der
Verlagerung der Diskussion nach Laodizea zusammenhängen
(vgl. Waitz 26).
Der Abschnitt R II 47-60 weist ebenfalls keine durchgehenden
Parallelen in H auf. Doch läßt sich an einzelnen Stellen deutlich
machen, daß die Frage nach dem „guten und gerechten Gott"
auch in der Grundschrift während der Caesareadisputation ab
gehandelt wurde. An Einzelparallelen sind zu nennen: R II 47 f.
~HXVII4. XVIII 13 (+ HXVIII4) (= Zitat nach Mt 11,27 und
Gegenargument des Petrus von der Selbstoffenbarung des Soh
nes) ; zu R II 53f. vgl. H III 38 f. ;zu R II 56. 58 vgl. (R II 18) ~ H
XVIII 22, H XI 12,5 par.; zu RII58,3ff. vgl. auch H XVIII
14,1 (die Absurdität des Glaubens an einen guten Gott, der die
Ungerechten liebt) ; zu R II 57 f. (dem Verhältnis des guten Got
tes zum Weltschöpfer- Gesetzgeber) vgl. H XVIII 4.
Zu R II 61-69, der Rede des Petrus von der Unsicherheit visio
närer Erfahrungen und über die immensitas, sind (bis auf R I 27,
R VI 7 ~ H XI 22,3 zu R II 68) keine Parallelen auffindbar.
Doch können diese Kapitel auch vom Homilisten bei der Um
stellung der Diskussionen ausgelassen worden sein, zumal die Art
der Darstellung mehr auf den G-Autor als auf den Rekognitio-
nisten hinweist (vgl. Rehm 149). Da der Zusammenhang in R
nicht beanstandet werden kann, wird man die Möglichkeit, daß
dieser Abschnitt G angehört, zugestehen müssen. Für R II 66 f.
wird das auch durch den Rückverweis in R III 14 bezeugt. In
diesen Rahmen wird der G-Autor auch wohl den Passus H XVII
13—19 aufgenommen haben (s. u. B VIII S. 65 und E V S. 191 ff.).
Mit Sicherheit ist R II 70—72 der Grundschrift zuzuweisen ;
denn in c. 70 ist das durchgehende Motiv von der Auflösung des
Gefolges Simons durch die Diskussionsniederlagen verwandt (s. o.
S. 47), und in c. 71 f. paßt die Begründung für die Absonderung
bei den Mahlzeiten zur Dämonologie des G-Verfassers.
spürbar : Die Bemerkung, der zukünftige gute König sei ein örjfitovf>'yrjftels
(H XX 3,3. 6), enthält ein Bekenntnis zum Subordinatianismus (vgl.
dazu u. G II S. 268). Dagegen ist der Böse ein xpaflet? (H XX 3,6), der
aus den vier Usien entstanden ist. Der Homilist führt hier (H XX
3,6 ff. XX 8) seine Spekulation über die Mischung der vier Wesen
heiten als Ursprung des Bösen vor (s. u. B VIII S. 68 zu H XIX
1 2 ff.), die sein alleiniges Eigentum ist. Auch H XX 4 (zu H XIX
21,3-8) und H XX 5 (zu H XIX 9f.) führen Motive des neunzehnten
Buches der Homilien weiter. Die Ausführungen des Petrus über die
Veränderlichkeit bzw. Unwandelbarkeit Gottes (H XX 6f.) weisen auf
die Erörterungen des Homilisten über die ftoQ<prj &eov (s. u. B VIII
S. 64f. zuHXVII3. 6ff.)zurück. Auch die Beantwortung der Frage des
Lazarus nach dem Schicksal des Bösen am Weltende ist Eigentum des
Homilisten, daß nämlich der Böse nicht durch das ewige Feuer ge
peinigt werde (H XX 9; zu H IX 9,4. 5 findet sich in der Parallele
R IV 15 keine Entsprechung; vgl. Rehm 118). Dagegen ist die mensch
liche Willensfreiheit ein Lieblingsmotiv der Grundschrift (vgl. R III
24ff. 36 u. o.), das der Homilist in das von ihm konstruierte Früh-
gespräch aufgenommen hat (H XX 2,3 a. 10,2).
Andererseits ist auch in R III 51—62 die Hand des Rekognitionisten
unverkennbar. Das Epitheton beatus in c. 52 ist ungewöhnlich, der
Terminus primogenitus für Christus (c. 52,2) nicht in H belegt. Be
sonders sind die cc. 55 ff. u. a. durch das Motiv der Zehnzahl für den
R-Verfasser ausgewiesen (Waitz ZKG 1940, 320 und Anm. 40; Rehm
106f. und Anm. 97). Die „haarsträubende Naivität" (Rehm 107), mit
der der Rekognitionist die Syzygienlehre umgestaltet, unterscheidet
sich nicht von anderen ebenfalls unmöglichen Konstruktionen des R-
Autors (vgl. oben zu R I 20ff. S. 39 u. ö.).
Der Zusammenhang von c. 52,1, der Frage des Niketes nach der Be
gründung der Wundertaten Simons, bis cc. 60f., der Verknüpfung der
Wunder mit der Syzygienlehre, ist so einheitlich, daß er nur aus einer
Feder, d. h. also vom Rekognitionisten gestaltet sein kann. Das
schließt nicht aus, daß für die cc. 52—54 und 59—61 Stoffe der Grund
schrift verwertet sind (vgl. dazu H II 33f. 15-18,2; B III S. 47).
Das Auftreten des letzten Gefährten Simons (R III 63-64)
schließt an die Entlarvungsgeschichte an, und der Bericht von
der Abreise des Magiers über Dora nach Rom weist auf R IV l ff.
voraus. Bringen auch die Homilien zu diesem Passus keine
Parallelen, so ist das Rommotiv doch sonst für G belegt (H I 16,5
~ R I 13,5) und die Zuweisung dieser Kapitel zur Grundschrift
daher allgemein anerkannt (s. o. B I S. 36—38). Es läßt sich auch
leicht eine Erklärung finden, weshalb der Homilist den Aufbruch
Simons nach Rom nicht erwähnt: Der H- Verfasser verlegte einen
Teil der Caesareadisputation nach Laodizea. Deshalb konnte er
an der vorgegebenen Stelle die Romreise Simons nicht ver
wenden, zumal sie in der Grundschrift deutlich einen Schnitt
Die letzten Tage in Caesarea 55
1 Daß der Homilist seine Gedanken über die ftnvaQ%la auf verschiedene
Weise abzuwandeln liebte, geht aus H IX 2,3 hervor (vgl. auch H II 42,2.
III 3,2. 9. 10,1. V 28,2. VII 12,2 u. ö.).
56 Der Umfang der Grundschrift
gleich der Kirche mit einer Braut (H III 72,4b; Ep. Cl. 4,2. 7,5) für G
nachzuweisen. Mindestens die triadische Formel stammt jedoch von H
(vgl. unten B X S. 73 zu H IX 22).
Auffallenderweise folgt erst jetzt die Mahnung an die Caesa-
reaner, sich taufen zu lassen (R III 67, l ~ H III 73,1). Nach G
haben demnach auch die Heiden an der Ordinationszeremonie
teilgenommen.
Der Homilist kürzt den Aufenthalt des Petrus auf zehn Tage,
vielleicht aus Anlaß der anschließenden Aussendung der drei
Brüder nach Tyrus, die auf ihn zurückgeht (H III 73, 2f. ; vgl.
unten B XII b S. 81 zu H IV-VI). R hat in der Erwähnung von
drei Monaten sicher den ursprünglicheren Text, denn dieses Motiv
ist auch im übrigen auf den G-Autor zurückzuführen: G setzte
den Aufenthalt des Petrus in den Städten, die wegen Gemeinde
gründungen den Apostel für längere Zeit in Anspruch nahmen,
auf drei Monate fest (R VI 15,2 ~ H XI 35,1 ; R VI 15,6 ~
H XI 36,3; R VII 2 und H XII 2,3 S). Grund dieses Aufenthaltes
ist die „Stärkung im Glauben" (R III 65,5. 68,4. 72,1. 74,3) l.
Der Abschnitt R III 67,2—4 stammt vom Rekognitionisten : Weder
zum Ganzen noch zu den Einzelheiten sind in H Parallelen aufzufinden.
Die Namensnennung vor dem Katechumenat, die Taufe am Festtag
(nur noch R III 72,3 = R) haben keine Parallelen, ebenfalls nicht die
Verbindung von Taufe und Salbung, die der großkirchlichen Praxis
entspricht, und daß der dreimonatige Aufenthalt nichts mit der Vor
bereitung für die Taufe zu tun hat, wurde eben gesagt. Vor allem
widerspricht die Mahnung, sich von Zachäus unterrichten zu lassen,
der Vorstellung der Grundschrift, daß Petrus selbst die Gemeinde
noch drei Monate lang belehren will. Vielleicht meinte der Reko-
gnitionist, den in der Grundschrift eben erst eingesetzten Zachäus
mehr in den Vordergrund stellen zu sollen, und fügte daher diesen
Passus ein.
Die Voraussendung der nQon6finoi bildet den letzten Abschnitt
des dritten Buches (R III 68-74,2). Oben wurde dargelegt, daß
der Mensch trage die fj.oQ<prj &eov, erscheint nur noch in H XVI
19f. XVII 3. 7—10, wo sie weiter ausgeführt ist1.
Die Erörterungen über die Schriftauslegung (H XVI 10,1 ff.)
schließen nur sehr oberflächlich an R II 39,2 und R X 42,1 an,
und sind wohl ebenfalls von H. Vor allem ist in H XVI 15, 2 ff.
die Hand des Homilisten erkennbar : Die Ablehnung der Gottes
bezeichnung für Jesus scheint nicht auf die Grundschrift zurück
zugehen - die R-Parallele (R II 46) zu H XVI 15 bricht vorher
ab, und nach R II 42,8 (~ H XVIII 4,3) wurde Christus in G
principum deusz genannt —, die Ausführungen in H XVI 15,2 ff.3
stammen also vom Homilisten. Das trifft nun besonders für die
christologischen Aussagen zu, die im folgenden erscheinen und
den Homilienverfasser als Arianer kenntlich machen (s. u. G II
S. 268) ; erst die Erörterungen über die Unendlichkeit Gottes, die
nichts Zweites neben sich dulde (H XVI 17,1), weisen wieder auf
die G-Vorlage (R III 14,4).
H XVI 17,2 deutet dagegen den folgenden H-Abschnitt über
Gottes amfia. (H XVII 3.7 ff.) an, stammt also von H. In H XVI 18
ist ein Gedanke des Grundschriftverfassers aufgenommen, der
Name #eo? sei nur eine Vokabel (H X 15,6 ~ R V 20).
Ganz frei hat der Homilist H XVI 19f. gestaltet; darin führt
er seine Spekulationen über die /iog^ij $eoü fort, die nach dem
Tode des Menschen mit dem Körper aufgelöst werde, damit nicht
der Ungerechte weiterhin die fioQqr?! des gerechten Gottes trage.
Zum H-Rahmen gehört endlich das abschließende Kapitel H
XVI 21. Das angekündigte Gespräch über die Unterscheidung
des Demiurgen vom höchsten Gott auf Grund der Aussagen Jesu
folgt erst H XVIII l ff. (~ R II 47, vgl. H XVII 4f.).
führt auf H zurück. Das beweist auch das Motiv vom <poßos &eov
(H XVII 2f. llf.), das der Homilist zwar schon in G vorfand
(HX7,1~R V13f.), das er aber in außerordentlichem Maße er
weiterte1. Vor allem dürften die Spekulationen über die fioQyrrj
&eov vom Homilisten sein, wie oben gesagt wurde.
Dagegen fällt der zweite Teil (H XVII 13—19), der die dritte
These Simons, den Gegensatz zwischen „unmittelbarer" und
„visionärer" Offenbarung behandelt, völlig aus dem Rahmen der
Homüien heraus. Die Christologie entspricht nicht der des Ho
milisten (vgl. H XVII 16,2 mit H XVI 15f.; s. u. G II S. 268;
Rehm 150), und der Gedanke von der äaaQxoi; ldta Gottes steht
im Widerspruch zu den vorangehenden Ausführungen des Homi
listen in H XVII 7 ff. über die l*OQ<prj &ew. Daß der Passus G
angehört, ist zwar nicht eindeutig durch den R-Abschnitt R II
61 ff. (= der Widerspruch zwischen subjektiven Vorstellungen
und der Wirklichkeit; vgl. Rehm 149) zu belegen, aber der enge
Zusammenhang zwischen H XVII 13—19 und der Epistula Petri
ist evident : Die mehr oder weniger versteckte Polemik gegen den
Paulinismus des Galaterbriefes kehrt in beiden Abschnitten
wieder (H XVII 19 und Ep. P. 2,3-7). Da das Petrus-Jakobus-
Motiv der antipaulinischen Epistula Petri und Contestatio der älte
sten Fassung des Klemens- Jakobus-Motivs, d. h. der Grund
schrift zugrunde liegt (s. o. B VII S. 59), muß auch der Ab
schnitt H XVII 13—19 ursprünglich einen Teil dieser Vorlage des
G-Autors gebildet haben (s. u. E V S. 19 1 ff.) und gehörte der
Grundschrift an. Das beweist auch die Erwähnung der Totenauf
erstehung (H XVII 16,5), die in R III 30,4 eine Parallele hat2.
Wo das Gespräch über die enargetische und visionäre Offen
barung in G seinen Platz hatte, läßt sich nicht leicht feststellen,
da der antipaulinische Abschnitt in jedem Fall den vorliegenden
Zusammenhang der Grundschrift unterbricht. Am wahrschein
lichsten ist noch, daß er in der Nähe von R II 61 ff. eingefügt
war, wo ein ähnliches Thema zur Diskussion steht. Jedoch läßt
sich Sicheres darüber nicht aussagen. Das 20. Kapitel leitet zum
folgenden über und ist — wie der gesamte Rahmen — ein Produkt
des Homilisten.
1 Außer im siebzehnten Buch in H V 25f. XX 9 u. ö.; vgl. auch H X 5,3
gegen RV 13, H XI 26,1 gegen R VI 9,1.
* G bevorzugt die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele (R III 39 ff.),
kann aber beide Vorstellungen nebeneinander verwenden (vgl. R III 30,3 ff.).
5 Strecker
66 Der Umfang der Grundschrift
X. Zu den Tripolisreden
Die Tripolisreden (H VIII 1—XI 36 ~ R IV 1,5-VI 15) wur
den von Rehm (S. 111 ff.) eingehend und vorbildlich untersucht.
Man wird seinen Ergebnissen uneingeschränkt folgen können,
soweit sie nicht durch seinen quellenanalytischen Ansatz beein
flußt sind. Von unserer Ausgangsstellung ergeben sich daher
einige andersartige Gesichtspunkte, die hier genannt sein sollen.
1. Keiner längeren Erörterung bedürfen an dieser Stelle die
wegen ihres „judaistischen Charakters" häufig diskutierten
Kapitel H VIII 5—7 /— R IV 5, in denen die Gleichwertig
keit von Moses- und Jesusreligion ausgesagt ist: Ihre dop
pelte Überlieferung durch H und R macht den Schluß auf G
zwingend (vgl. auch H XI 16,3 ~ R V 34,2). Über den Judais
mus dieser Stelle wird unten (E IV S. 164 f.) zu handeln sein.
Der Rekognitionist hat bei der Übernahme den anstößigen
Text der Grundschrift zu glätten versucht (Rehm 113f.).
2. Ebenfalls in G befand sich der Abschnitt über die Geltung
des ewigen Gesetzes (H VIII 10,3, nicht in R IV 9). Der
R-Verfasser hat auch sonst in diesem Kapitel geändert
(Rehm 115f.). Die Verbindung mit der Falscheperikopen-
theorie (H VIII 10, 3) und der Adamspekulation (H VIII
10,1 ff.) ist für G ursprünglich; beides erscheint schon vor
her in der Grundschrift (zur Falscheperikopenlehre s. o. B II
S. 40; zur Adamspekulation s. H III 17ff.; R I 45ff. u. ö.).
3. Die Zuweisung des Mythus von der Entstehung der Dä
monen (H VIII 12ff.) zu H, wie sie Rehm vollzieht (S. 116f.),
Zu den Tripolisreden 71
Nach allem ergibt sich für die erste Tripolisrede der Grund
schrift folgende Aufstellung (vgl. Rehm 121 f.):
Grundschrift Homilien Rekognitionen
Zweite Tripolisrede:
RVl H X 1-2
RV2~HX3
R V 3-13 ~ H X 4-6
R V 14—22 ~ H X 7-20 H X 21-25. (26)
R V 23-36 ~ H XI 4-18. (HX 26)
Dritte Tripolisrede:
(H XI 1) R VI l
R VI 2-15 ~ H XI 2-3. 19-34,1. H XI 34,2. 35,2b
+ H XI 35, 1-2 a. 36
lang es ihm, durch die erfundene Erzählung vom Tode des Faustus
und durch dessen plötzliches Erscheinen, gerade als seine Familie die
Todesnachricht erhalten hatte, einen ähnlichen Effekt zu erzielen, wie
ihn der Grundschriftverfasser herbeizuführen wußte. Die anschließende
Ankündigung einer Disputation über die Genesis zwischen Klemens
und Anubion, dem Freunde des Faustus (H XIV 11—12), ist, wie oben
gesagt, ebenfalls das Werk des Homilisten (s. auch unten B XII b
S. 87).
des Petrus, Faustus möge sich bald bekehren (H XV l f.), dem gleichen
Wunsch der Söhne, der in R X l ff. ausgesprochen wird, aber im
übrigen läuft das Gespräch in H XV l ff. auf ganz anderen Bahnen.
Doch kann diese Feststellung das oben genannte Ergebnis nicht um
werfen; denn das fünfzehnte Buch der Homilien ist im wesentlichen
eine Komposition des Homilisten. Schon seine Stellung verrät den
Ursprung; es steht zwischen zwei im Aufriß durch den Homilisten ver
faßten Großabschnitten, der Wiedererkennung des Faustus (H XIV,
s. o. B XI S. 77 f.) und den Laodizeadisputationen (H XVI—XIX, s. o.
B VIII S. 62 ff.). Doch hat der Homilist bei der Komposition des Buches
zahlreiche Gedanken der Grundschrift verwertet. Die Anlehnung von
H XV l f. an R X l ff. wurde schon erwähnt. H XV 3, die Aufzählung
der heidnischen Ideologien, geht auf einen Passus der Grundschrift
zurück, der auch in H IV 12f. und B X 50 Verwendung fand. Die
Widerlegung der Genesistheorie durch die Wiedervereinigung der
Familie des Faustus (H XV 4) steht in B IX 34 an ursprünglicher
Stelle. Andere Motive der Grundschrift hat der Homilist weiter aus
geführt; so die Zweireichelehre in H XV 6—8 (vgl. B III 52—54 ~
H XX 2 f.; B II 24 V 9); und die Frage nach dem Sinn des Leides
(H XV 9—10) ist ein Lieblingsthema des G-Autors (vgl. H XII6 ~
B V 34). Besonders deutlich wird die Arbeit des Homilisten wieder am
Schluß des Buches, in dem auf die von ihm konzipierten Laodizeadis
putationen vorverwiesen wird (H XV 11).
Ep. Cl. 5; Const. Apost. IV 2,1 Funk I 229,18ff.: Ep. Cl. 8,5f.;
Const. Apost. IV 57,2-4 Funk I 159,17ff.: Ep. Cl. 14f.; Epiph.
haer. 30,2,6 Holl I 334, 20ff. : Ep. Cl. 5) ; beide benutzen sonst
die Grundschrift (s. u. G I S. 265 f ).
Es darf demnach als sicher angenommen werden, daß der
Brief des Klemens an Jakobus auf den G-Verfasser zurückzu
führen ist.
XV. Zusammenfassung
Die Ergebnisse der vorhergehenden Untersuchung lassen sich,
wie folgt, zusammenfassen1:
Grundschrift Homilien Rekognitionen
Klemens' Reise von
Rom nach Caesarea R I 1-19 -HI
1-22
Der erste Tag in
Caesarea:
Situationsangabo (R I 20-21)
~ H II 35-36
Belehrungen über den
wahren Propheten (R I21) ~(HII
4-12. III 11 ff)
Über die falschen
Perikopen (R I 21-22. II 4,5.
6) ~ (H II 38-52.
III 2-58)
(R I 20-26)
[R I20,6-11]
Der Weg des wahren
Propheten vom An
fang derWeltbis zur
Gemeinde in Jeru
salem R I 27-74
R I63
[RI69,5b-8a]
Der zweite Tag in
Caesarea:
Situationsangabe R II l , l-2
Frühgespräch (H II 2-3)
(R II 1,3-3,1)
H II 14
1 Die ( ) bezeichnen Abschnitte, die dem betreffenden Verfasser nur zum
Teil zuzuerkennen sind; geringfügige Paralleltexte sind nicht angegeben;
| | - - spätere Interpolationen.
Zusammenfassung 93
Informatorisches Ge
spräch über den
Magier (R II 3,2-3) ~ H II
18,3-4
R II 3,4-4,4
(R II 19,1-2) ~
H II 19,1-21,2
H II 21,3
R II 5. 6
RII7-HII
22,1-4
(H II 22,5-7)
R II 8. 11-12,3 ~
H II 23-25
(R II 9-10)
R II 12,4-ß
R II 13-16 ~
H II 26. 30.
(28f. 31)
RII9,2~HII27
,, RII9,3fi. ~
H II 32
,, (Syzygienlehre) R III 59-61 ~
H II 33f. 15-18,2
H II 37. 53.
III l R II 17-19, 2
nötig hielt. Es läßt sich also auch an dieser Stelle nicht die Priori
tät des H-Berichtes erweisen. Das gleiche gilt schließlich für die
Warnung an die Gemeindeglieder, sich bei Prozessen vor welt
liche Gerichte zu begeben (Ep. Cl. 10), der die H-Parallele (H III
67,3) nicht vorgeordnet werden kann (vgl. Waitz 69f.). Die ein
seitige Beziehung des Textes der Ep. Cl. auf die römische Si
tuation dürfte den Tatbestand überfordern.
Mit diesen Ausführungen ist jedoch das Schwergewicht der
Waitzschen Beweisführung noch nicht getroffen. Waitz sucht
zwischen der Gemeindeverfassung des Klemensbriefes und dem
Indulgenzedikt des Kalixt Parallelen zu ziehen und von daher
die Posteriorität der Ep. Cl. gegen H III 60 ff. einleuchtend zu
machen. Wie nämlich in der Ep. Cl. die ££ovala des römischen
Bischofs als Nachfolgers des Petrus auf Mt 16,19 zurückgeführt
und diese „ausdrücklich als der xavwv rfji; ixxArjaias bezeichnet"
wird (Waitz 65), so nimmt „der Bischof Kallist . . . neben der
Lehrautorität auch die Schlüsselgewalt, die Macht zu binden und
zu lösen, als die dem Bischof zustehende Amtsbefugnis für sich
in Anspruch und zwar genau wie Ep. Cl. unter Berufung auf die
Befugnis, die nach Mt. 16,19 der Herr dem Petrus, als dem Felsen
der Kirche, übertrug und die von Petrus auf seine Nachfolger
durch bischöfliche Succession übergegangen sei" (S. 66). Kein
Zweifel, so meint Waitz, daß es sich hier um eine jüngere, an das
Indulgenzedikt des Kalixt anschließende Entwicklung handelt,
die von der Mahnung in H III 64,3, der Bischof habe der Ge
meinde wie ein Sklave (und Arzt) zu dienen, erheblich abweicht.
Diese Argumentation scheint zwingend zu sein ; und doch hat
ihr schon Schmidt widersprechen können (S. 122f.). Wie im fol
genden gezeigt werden soll, hält sie einer näheren Nachprüfung
nicht stand. Der Gegensatz zwischen den Anweisungen für den
Bischof in der Ep. Cl. und H III 64 ist keineswegs so bedeutend,
wie Waitz annehmen möchte: Der Skopus der Periode liegt auf
-tai; ndaas üneQ rfj<; avr&v awrrjQlai; <pQovridas e%wv (H III 64,3)
und hat in Ep. Cl. 4,4 (emaxonrjaov . . . efc rfjv rÜV rjfüv nQocnpev-
y6vruiv ädetywv awTrjQiav) eine Parallele. Die Bezeichnung IUrQOi;
knüpft an Ep. Cl. 2,6 an, und die Lehre, daß die erste Aufgabe
des Bischofs die ßoij&eia sei (Ep. Cl. 3,5f. 4,2. 16,2), sagt sinn
gemäß das gleiche, was der Homilist mit dovAos meint. Keines
wegs bezeichnen also die Aufgaben des Bischofs nach der Ep. Cl.
eine jüngere Entwicklungsstufe der kirchlichen Verfassung.
Die Ordination in den Fseudoklementinen 101
also nicht auf die Schlüsselgewalt überhaupt (gegen Waitz 66). Nun ist
nicht zu leugnen, daß die /«> j/e/a (bzw. die nuQveia) auch in der K p. Cl. an
hervorragendem Platze erwähnt wird: jioAt) yaQ deivov TJ j
aoihov Saov ra öevreQeta g%eiv afaty TJ?? xoAdaEco? inel ra
rots ev nAdvfl otiaiv catoötöoTai, xav acoq>Qovä>aiv (Ep.Cl. 7,4), und in
H III 68,2 wird in merkwürdigem Gegensatz dazu behauptet, daß die
fioi^Eia die schwerste Sünde sei. Aber diese Diskrepanz läßt sich nicht
für die Waitzsche Hypothese dienstbar machen: H III 68,2 c stammt
ohne Zweifel vom Homilisten, denn es wird hier die gleiche Ansicht
ausgesprochen, die sich in dem von H verfaßten Abschnitt H XIII
14,2-21,2 a (s. o. B XI S. 76 f.) findet; der Homilist korrigiert den
Grundschriftautor, der der Auffassung ist, daß die EV nAävr\ övrei;
dem ewigen Gericht unterworfen seien, auch wenn sie ein keusches
Leben führen (H XIII 21,3; darauf weist Ep.Cl. 7,4hin; vgl. H X 12,2
~ R V 18). Für den Homilisten ist dagegen die jiAcivjj nicht eine so
schwerwiegende Sünde; denn auch die Heiden können selig werden,
wenn sie einen tugendhaften Lebenswandel aufzuweisen haben (H
XIII 20,4f.); folglich muß nach H — der Reihenfolge der Tod
sünden entsprechend — die ftoi%ela die schwerste Sünde sein (weitere
Parallelstellen [ =H] bei Resch, Agrapha 176f.).
Mit der bischöflichen Absolutionsgewalt haben diese Ausführungen
nicht das geringste zu tun, sondern sie sind eschatologisch-forensisch
ausgerichtet (vgl. besonders Ep. Cl. 7,7). Sie sind als Anweisungen an
die Presbyter in der Epistula Clementis (7,1) auch deutlich von der
Beauftragung des Bischofs im vorangehenden Kapitel geschieden.
Wenn aber die Aussagen über die fioi^ela in der Ep. Cl. keine Parallelen
zum Indulgenzedikt des Kalixt aufweisen, dann erst recht nicht der
Titel enlaxonos imax67icav (Waitz 67 ff.; ZNW 1929, 262), der für
Kalixt nicht einmal belegt ist (Rolffs 20 f., Schmidt 105—109) und
— wenn eine Parallele vorhanden sein sollte— in den Pseudoklementinen
auf Petrus als den Träger der Schlüsselgewalt bezogen werden müßte.
Er stellt in der Ep.Cl. nichts anderes als die Erweiterung der Anrede
des Petrusbriefes durch den G-Autor dar, die sich in das Klemens-
Jakobus-Motiv gut einfügt, ohne daß ihr der G-Verfasser praktische
theologische Konsequenzen beigemessen haben wird.
Es soll im folgenden versucht werden, jenes Ordinationsritual
(= O) zu rekonstruieren, dem der G-Verfasser in beiden Berichten
(Ep.Cl. und H III 60ff. ~ R III 65 f.) gefolgt ist1, wobei die
Frage, ob der G-Autor eine schriftliche Vorlage benutzte oder aber
seine Motive der damaligen kirchlichen Praxis direkt entnahm, zu
nächst offen gelassen werden kann. In methodischer Hinsicht
stellen sich der Rekonstruktion keine Schwierigkeiten entgegen.
Es genügt, die Parallelen nebeneinander zu halten und darauf
ein additives Verfahren anzuwenden. Freilich wird man auf ein
1 Der — freilich nicht sehr ergiebige — Abschnitt H XI 36,2 ~ R VI 15 ist
wegen der sachlichen Parallelen ebenfalls hinzuzuziehen.
Die Ordination in den Pseudoklementinen 103
Die freie Wiedergabe der Zitate macht sich nicht nur in stili
stischen Änderungen (III 2. 4. 6. 7. 10. 15. 21) bemerkbar, son
dern auch in Angleichungen an den Kontext (z. B. III 2. 9. 23),
der sogar die tendenziöse Umgestaltung der Schriftworte moti
vieren kann (III 1. 11. 12. 15. 16. 17. 22. 33). Auch kommt es vor,
daß der Verfasser einzelne Worte oder ganze Satzteile streicht,
um den für ihn wichtigen Skopus hervorzuheben (III 6. 29. 30.
31). Für diese Änderungen braucht nicht in jedem Fall eine be
wußte Absicht vorzuliegen und auf den schriftlichen kanonischen
Text zurückgegriffen zu sein, vielmehr lassen manche Zitate deut
lich erkennen, daß die Abweichungen auf Gedächtniszitation be
ruhen (III 3. 8. 13. 16. 19. 20. 25. 26. 30. 32). Es verdient hervor
gehoben zu werden, daß sich die Ungenauigkeiten ohne Unter
schied auf das Alte und Neue Testament erstrecken. Änderte der
pseudoklementinische Autor ohne Bedenken seine alttestament-
liche Vorlage, dann muß vermutet werden, daß er seine neutesta-
mentlichen Texte nicht sorgfältiger behandelte. Die Änderungen
allein können also kein Kriterium zur Erschließung unkanoni
scher Evangelien darstellen.
Wie frei Pseudoklemens seine Schriftbelege benutzte, ist
schließlich noch an einem vierten Typus, den Mischtexten, deut
lich zu machen:
126 Die Schriftzitate der Pseudoklementinen
sog. Inhaltsverzeichnis der KII (R III 75), auf das Waitz bei den
Untersuchungen der unkanonischen Zitate zurückgriff, kann
diesen Dienst nicht mehr leisten. Daher muß versucht werden,
ohne Rücksicht auf quellenkritische Fragen allein auf Grund
sachlicher Kriterien den Bestand der unkanonischen Zitate zu
erheben. Berücksichtigt man die nicht leicht zu überschätzende
eigene Gestaltung des pseudoklementinischen Verfassers, so
lassen sich folgende Grundsätze geltend machen1:
Ein unkanonisches Zitat liegt mit Sicherheit vor,
1. wenn es in den wichtigsten Abweichungen zum kanonischen
Text wörtlich oder fast wörtlich mindestens in einem
außerklementinischen Text wiederkehrt, ohne daß anzu
nehmen ist, daß die Textzeugen voneinander abhängig
sind,
2. wenn es auch nicht annäherungsweise durch einen kano
nischen Text belegt ist, vorausgesetzt, daß es nicht vom
pseudoklementinischen Verfasser selbständig geschaffen
wurde.
Mit Hilfe dieser Kriterien lassen sich folgende pseudoklementini-
sche Schriftzitate als unkanonisch erkennen:
V. H II 51 ,1 = III 50,2 = XVIII 20,4 : yivea&e rQaaie£lra
Dieses Logion wird bei zahlreichen patristischen Schriftstellern
als Herrenwort angeführt (Belege bei Resch: Agrapha 112—122).
Die Beziehung auf den Unterschied der Schriften (falsche Peri-
kopen) ist für Pseudoklemens singulär (zur Epiphanius-Notiz
über Apelles [Epiph. haer. 44,2,6 Holl II 192,17] s. u. E IV
8. 168 Anm. 3) und muß deshalb der pseudoklementinischen
Theologie entsprechend als eigenwillige Interpretation des Ver
fassers angesehen werden8. (1; Hen 60; ZNW 39)
dition bzw. allgemein verbreitete Sentenzen zum kanonischen Text betrifft,
kann zunächst offen gelassen werden.
1 Die Kriterien Holtzmanns (Resch: Agrapha 6; vgl. Bousset: Evangelien
zitate 45 Anm. 2) dürften zur Erschließung unkanonischer Zitate nicht aus
reichen, da die Selbständigkeit der patristischen Schriftsteller nicht genügend
eingerechnet ist.
* Vgl. hierzu Schoeps 371; — Schoeps stützt sich in seinem Exkurs (IV)
auf Waitz' EE-Rekonstruktion und damit auf die Erschließung der Ä/7-Quelle
nach R III 75. Seine Vermutung von „Resten eines Symmachuskommentars
zum Ebionitenevangelium in den KII" kann daher nicht geteilt werden, zu
mal eine weitere Begründung fehlt. Für den Einfluß von Symmachus spricht
kein wirkliches Indiz, wie Schoeps selbst erkennt (S. 379).
Die Schriftzitate der Pseudoklementinen 131
Bis auf den vielleicht sekundären Zusatz ipuAdfaTe ist das Zitat
als unkanonisches Herrenwort fast wörtlich von Clemens Alexan-
drinus (Strom. V 63,7 Stählin II 368,27f.), Theodoret (in Ps. 65
PG 80 Sp. 1369C), Johannes Chrysostomus (ad Cor. hom. VII 2
Montfaucon X 52A), Joh. Damasc. (sacr. parall. IX l PG 96
1 Für die Abhängigkeit des Pseudoklemens von Justin (Waitz 164—166) ist
nur die bei Irenäus (haer. IV 11,2 Harvey II 158f., vgl. Euseb. h. e. IV
18,9 Schwartz II l S. 366,18-20) aus Justin. adv. Marc. entlehnte Stelle
geltend zu machen, an die H XI 12,5 ~ R V 29, H XVIII 22 und R II 18. 58
erinnern; aber dieses Zeugnis ist zu schwach, um etwas Definitives über das
Verhältnis der Pseudoklementinen zu der verlorengegangenen antimarkio-
nitischen Schrift Justins auszusagen; denn eine ähnliche Argumentation
findet sich auch bei Origenes, c. Cels. VI 53 Koetschau II 124,6fi., ohne lite
rarische Abhängigkeit vorauszusetzen. Da Justin auch in dem Werk gegen
Markion die Logoschristologie zu apologetischen Zwecken benutzt hat (vgl.
die genannte Irenäusstelle), müßte Pseudoklemens diese bei der Übernahme
restlos getilgt haben — eine Hypothese, die nicht leicht wahrscheinlich zu
machen ist (s. auch Harnack: Marcion, 2. Aufl., S. 454*; Schoeps: AfZ
39 Anm. 1).
134 Die Schriftzitate der Pseudoklementinen
Sp. 9A) überliefert (vgl. Resch: Agrapha 108), und auch in die
Theodotion- und Symmachusübersetzung und einige Kodizes der
LXX zu Jes 24,16 ist es eingedrungen (vgl. J. Ziegler: LXX z.
St., Stuttgart 1939, 205; auch Schoeps. Symmachusstudien,
Coni. Neot. VI 84f.).
Der Kontext bei den KW spricht nicht für die These vom
judenchristlichen Ursprung dieses Logions (zu Schoeps ebd.). (34)
Folgende Zitate lassen sich nicht mehr als unkanonisch identi
fizieren, jedoch muß die Möglichkeit, daß es sich auch hier um
unkanonische Schriftworte handelt, offen bleiben.
VI. H III 50,2 : diä rl ov voelre ro evAoyov TOJV yQcup&v.
Dieses Logion könnte aus einer unkanonischen Vorlage stammen,
da es sich in den kanonischen Evangelien nicht findet. Doch ist
es sonst nicht belegt, so daß es auch erst von Pseudoklemens
konstruiert sein kann, um die Lehre von den falschen Perikopen
auf die Schrift zurückzuführen. Die Deutung auf die Falsche-
perikopentheorie wird in jedem Fall sekundär sein (vgl. III
1). Mit der pseudoklementinischen Umprägung von Mt 22,29
(s. o. III 1) hat das Zitat nichts zu tun, wie die Aufeinander
folge in H III 50 deutlich macht. (Anders Resch: Paralleltexte
X 1,2 S. 268, vgl. Hilgenfeld: Kritische Untersuchungen 365).
(23; Hen. 61; ZNW 40)
H III 55,1 ~ H XIX 2,4: Mt 5,37 (Jac 5, 12)
Beide Zitate stimmen fast wörtlich mit Justin (apol. I 16,5
Goodspeed 37), Clemens Alexandrmus (Strom. V 99,1 Stählin
II 391,19f.), Const. Apost. V 12,6 Funk I 269,8f. und Epiph.
haer. 19,6,2 Holl I 223,20fl. (vgl. Resch: Zeitschr. f. kirohl.
Wissenschaft und kirchl. Leben IX, 1888, 283 ff.) überein. Es ist
möglich, daß hier ein unkanonischer Text zugrunde liegt, aber
auch, daß die Änderungen des Mt-Wortlautes schon in Jac 5,12
und anschließend bei den KW nur sprachliche Verbesserungen
der Mt-Stelle sind, ohne auf eine besondere Vorlage zurückzugehen
(vgl. aber M. Dibelius:Der Brief des Jakobus 1956, 230f.). (7)
H III 55,2 : 6 novrjQ6^ lanv 6 neiQ<i£wv.
Das Zitat erscheint in einer Reihe von nachweisbaren synopti
schen Stellen; es könnte also auf einer schriftlichen, unkanoni
schen Vorlage beruhen. Daß aber 1. Thess 3,5 und Jac 1,13 auf
diese zurückgehen (Resch: Agrapha 105), ist nicht zu beweisen.
Da es sonst nirgend belegt ist, könnte Pseudoklemens dieses Wort
auch erst für die Polemik geschaffen haben (vgl. das ähnliche Ver
fahren zu III l und IV 23 und in den tendenziösen Änderungen;
ähnlich die Arbeitsweise des Verfassers der Didaskalia, s. Achelis-
Flemming 354 zu syr. Didasc. 26 S. 140,12 ; auch Ropes Nr. 80). (39)
H XI 35,6: Mt 7,15 (+24,5)
H: noAAot efavaovTai TIQÖS fie &> evövfian; Mt: ohives iQ%arrat
iv iv&vfjiaai; Justin. dial. 35,3 (Goodspeed 130), apol.
Die Schriftzitate der Pseudoklementinen 135
1 Cont. 1,1 ; vgl. hierzu und zum folgenden W. Bauers Hinweis bei Schoeps
475 Anm. 1.
2 R VIII 53 stammt von G, wohl an B I 33 anschließend; B I 33 gehört
nicht zu den KII (a. u. F S. 221 f.), wirbt auch nicht für die Beschneidung,
wie aus Cont. 1,1 konsequentermaßen folgen müßte.
3 Deshalb können auch die Folgerungen Schmidts (S. 318f.) und Schoeps'
(S. 289f.) nicht übernommen werden, die von den Siebzig auf die Vorstellung
von einem gleichgroßen „ebionitischen Lehrerkollegium" (Schoeps 290)
schließen; zudem will die Ep. P. nur die (angeblichen) Verhältnisse der Ur-
christenheit, nicht die der späteren ebionitischen Gemeinde darstellen.
Wie sehr die Aussagen derartiger Lehrschriften durch literarische Fiktionen
gestützt zu werden pflegten, zeigen auch die in Ägypten jüngst entdeckten
gnostischen Dokumente, vor allem der „Brief des Jakobus" (vgl. darin die
besondere Stellung des Jakobus und Petrus gegenüber der Offenbarung des
Herrn: H. Ch. Puech, G. Quispel in Vigiliae Christianae 1954, 8f.), aus denen
weitere Parallelen zu den KII zu erwarten sind.
142 Die Kerygmen des Petrus
•
Epistula Petri und Contestatio 143
1 Vgl. für die hellenistische Herkunft auch H. Diels: Elementum. Eine Vor
arbeit zum griechischen und lateinischen Thesaurus, Leipzig 1899, 48.
Der wahre Prophet 145
für die älteste Schicht, Ä77, nach H II 15,4. III 20,2 der Gestalt
wandel als eine fortlaufende Reihe von Inkarnationen anzu
nehmen (zu Staerk: Soter II 105 f.)1: Der wahre Prophet „durch
läuft die Zeit" (H III 20,2), „der ganzen Weltzeit" kündete Moses
das Gesetz Gottes (H II 52,3).
Die Inkarnationen vollziehen sich in vielen „Propheten in dieser
Welt" (H II 15,4), ohne daß sie auf die „sieben Säulen" be
schränkt werden2.
Unter den Größen, in denen sich der wahre Prophet = Chri
stus offenbart hat (vgl. H II 15 ff. 52), steht neben Adam Moses an
hervorragender Stelle. Auch Moses besaß Vorherwissen (H III
44,1. 47,4); er hat das Gesetz gegeben (H II 16,7. 52,3. III 47,1
vgl. H II 38,1), das hernach vom Kyrios bestätigt wurde (Ep.
P. 2,5). Wenn ihm Prophezeiung für „die ganze Weltzeit" zuer
kannt ist3, so ist er damit dem durch die Zeit eilenden wahren
Propheten gleichgesetzt.
Der wahre Prophet Christus ist nicht der „Zweite Moses" (= Mose
redivivus). Diese jüdische Theorie (Fischel Journ. of Bibl. Lit. 1946
159 Anm. 13, Jeremias ThW IV 852ff.) ist schon allein wegen ihrer
polaren Struktur auf die o jrgo^Tj/s-Lehre nicht anzuwenden: Der
wahre Prophet ist auch — und zwar in besonderem Maße — in Adam
inkarniert; das schließt ein polares Verhältnis zwischen Jesus und
Moses aus. Die fortlaufenden Offenbarungen des wahren Propheten in
derZeit machen deutlich, daß die 6 nQO^rrjs- Spekulation nicht zyklisch,
nach dem Schema „Urzeit = Endzeit" (vgl. Staerk ZNW 1936, 234;
Soter II S. VII und 28ff.), sondern linear gegliedert ist.
Der wahre Prophet läuft in der Zeit durch die Welt, bis er in Jesus
für immer Ruhe findet (H III 20,2; vgl. NE, Preuschen 4,36 ff.: Jili
mi, in omnibus prophetis expectabam te, ut venires et requiescerem in te
tu es enim requies mea . . .). Nicht mehr will das Zitat von Act 3,2 f.
in H III 53,3 (s. o. D III 8 S. 122) besagen: Jesus ist der von Moses
verheißene Prophet. Beide sind in der Kette der Offenbarungsträger
des ewigen Gesetzes Repräsentanten neben anderen. (Eine Moses-
Christus-Typologie findet sich — wenn auch nicht im Sinne der jüdi
schen Erwartung des Moses novus — in R I 36 ff. ; s. u. F S. 232f. zu
R I41).
Die Lehre vom Gestaltwandel ist auf gnostischem Boden ge
wachsen. Als nächste Parallelen sind der Manichäismus (Belege
bei C. H. Kraeling 24ff. ; s. W. Bauer: Johannesevangelium 33,
Bousset: Hauptprobleme 74 ff.), der Mandäismus (Johannesbuch
Lidzbarski II 83,18ff. : „Das Gewand, das das erste Leben Adam,
dem Manne, gegeben hat, . . . hat es jetzt dir gegeben") und vor
allem das Buch des Elkesai1 zu nennen.
Zum weiteren Entstehungsgrund hat .Reitzenstein auf die „iranische
Anthroposmystik" (Iranisches Erlösungsmysterium 103), auf die Ände
rung der Gestalt des Sonnengottes in jedem Tierkreiszeichen (ebd. 168
und Anm. 4), die Äonenvorstellung (ebd. 172 Anm. 2. 174. 175 Anm. 2.
193 Anm. l u. ö.) u. a. hingewiesen, ohne freilich die Linien bis zu den
Pseudoklementinen auszuziehen (vgl. aber Iranisches Erlösungsmyste-
rium 231 Anm. 2, dazu Staerk ZNW 1936, 252). Bousset stellte die
pseudoklementinische 6 jrgoy^Tjjs-Lehre in die Nähe der Urmenschen
spekulation (Hauptprobleme c. IV S. 1603.) und verband sie mit der
indischen Mythologie (ebd. 212ff.).
Für die Deutung der Theorie vom wahren Propheten aus der Sophia
spekulation hat sich besonders Staerk (ZNW 1936, 232ff.) eingesetzt.
Vgl. auch R. Bultmann: Eucharisterion 14—19, E. Peterson: Rev.bibl.
1948, 211.
Die Aufgabe des wahren Propheten entspricht der Tätigkeit
des Erlösers in den gnostischen Systemen (H. Jonas I 120ff.,
H. Schlier: Religionsgeschichtliche Untersuchungen 58 ff., G.
Bornkamm: Mythos und Legende 13 f.; vgl. A. Dieterich: Abraxas.
1 Nach Hippol. ref. IX 14,1 Wendland III 252,20 ff. lehren die Elkesaiten,
Christus sei „allen gemein ein Mensch geworden, nicht erst von der Jung
frau geboren, sondern auch vorher und darauf oftmals gezeugt und ent
standen und gewachsen, und habe die Ursprünge (yevtaeis) und den Körper
(fiErevacoftarovftevov) gewechselt"; vgl. Hippol. ref. X 29,2 Wendland III
284,10 ff., Epiph. haer. 30,3,2 ff. Holl I 336,1 ff. (für die Ebioniten im An
schluß an Elkesai), 53,1,8 Holl II 316,2 f. (für die Sampsäer).
152 Die Kerygmen des Petrus
eines, „der in die Welt kommen soll" (Joh. 6,14; vgl. W. Bauer:
Johannesevangelium 93) 1. Gnostisch ist in den KUu. a. auch die
Aufgabe des Propheten: Er ist der Künder der Gnosis; jüdisch
dagegen das Verständnis der Gnosis: Sie ist das Gesetz. Der
wahre Prophet ist also eine Gestalt jüdischer Gnosis2. Doch hat
sie der KU-Verfasser nicht unmittelbar jüdisch-gnostischen Krei
sen entlehnt, sondern die Anwendung der o Trgo^TJ^-Lehre auf
Jesus wohl schon vorgefunden. Keine Polemik deutet in den
Kerygmen darauf, daß der Begriff 6 nQoq>rJrrji; aus einem
fremden Vorstellungsbereich herausgelöst wurde. Darum ist an
zunehmen, daß der KTI-Autor die Gestalt des wahren Propheten
direkt jüdisch-christlich-gnostischem Milieu entnommen hat.
Erst die nächste Vorstufe des Begriffes wird im gnostisierenden
Judentum zu suchen sein3.
scheint jedoch, daß der Evangelist den Titel 6 jigog^Tjj? nicht der Täufer
sekte, sondern jüdisch-häretischen Kreisen entnahm, da der Titel auch 6,14
und 7,40 von den „Juden" gebraucht wird und dort offensichtlich nicht im
Dienst antitäuferischer Polemik steht. Dazu kommt, daß der Titel 6 Jigo^TTjs
als Bezeichnung des Täufers sonst nicht belegt ist. Die mandäische Literatur
stellt Johannes als den himmlischen Gesandten dar (Johannesbuch Lidz-
barski II 70ff.), in B I 54.60 wird der Täufer von seinen Anhängern als der
„Christus" propagiert und die Polemik in der Syzygienlehre (H II 17,2: der
iv -yowrjrois ywauoöv gegenüber „dem unter den Menschensöhnen") schließt
an Mt 11,11 an, während die Kerygmen den Titel „wahrer Prophet"
der männlichen Syzygie vorbehalten, ohne sich darüber mit der Täufersekte
auseinanderzusetzen.
1 In I.Mac 4,44 ff. ist nur die Erwartung irgendeines Propheten ausgesagt;
deshalb kann die Parallelisierung mit dem „wahren Propheten" nicht zu
treffend sein (zu A. v. Gall: Baadeia lov deov. Eine religionsgeschichtliche
Studie zur vorkirchlichen Eschatologie, Heidelberg 1926, 381 f.).
2 Vgl. Fischel Journ. of Bibl. Lit. 1946, 172. — Daß der Terminus „der
Prophet" christlich-gnostischen Ursprungs sei (Fischel ebd. 172 Anm. 95),
scheint nach dem Gesagten nicht zuzutreffen.
8 Über die weitere Entwicklungsgeschichte des Begriffes ist an dieser Stelle
keine Untersuchung anzustellen. Vgl. noch E. Fascher: nPO&HTHZ. Eine
sprach- und religionsgeschichtliche Untersuchung, Gießen 1927, 178ff.; G. P.
Wetter: Der Sohn Gottes. Eine Untersuchung über den Charakter und die
Tendenz des Johannesevangeliums, Göttingen 1916, 21 ff. Neue Aussagen
•werden sich erst nach der Edition der koptischen „Offenbarung Adams an
Seth" machen lassen, in der ebenfalls der wahre Prophet in Erscheinung
treten soll, vgl. H. Ch. Puech: Les nouveaux ecrits gnostiques decouverts en
Haute-figypte, Coptic Studios in Honor of Walter Ewing Crum, Boston 1950,
107. 137 f.; J. Doresse ebd. 262.
154 Die Kerygmen des Petrus
1 Es ist zwar oft vermutet worden, die Kerygmen des Petrus seien anti-
simonianisch, bzw. antimarkionitisch bearbeitet worden. Danach wäre im
ersten Falle — zur Frage des Markionitismus wird unten Stellung genommen
werden (E IV b S. 167 ff.) — der Magier Simon schon in der ältesten Schicht
des Klemensromans genannt worden.
Dazu ist zu sagen, daß die Ep. P.-Cont. nicht gegen Simon Magus pole
misieren, wohl aber — wenn auch nicht offen — gegen Paulus (s. u. E V
S. 187ff.). Hat demnach der KII-Verfasser in den Einleitungsschreiben
noch nicht an Simon gedacht, so darf daraus geschlossen werden, daß der
Magier in den KII nicht auftrat. (Die Annahme einer späteren Bearbeitung
der Kerygmen ist nicht wahrscheinlich zu machen. Sie erschwert nur das
literarische Problem der KII und braucht hier nicht berücksichtigt zu werden.)
Das geht auch aus der Tatsache hervor, daß sich die Polemik gegen Simon
in H II 22 ff. ~ R II 7 ff. konzentriert, einem Abschnitt, der mit den KII nicht
in Verbindung zu bringen ist. Wahrscheinlich hat der G-Autor eine anti-
simonianische Quelle benutzt. (In welcher Weise G von den Petrusakten ab
hängig ist, darf hier nicht untersucht werden; vgl. auch unten GI S. 225 Anm. 1).
Der G-Autor hat die Gestalt des Zauberers auf verschiedene Weise verwandt
und auch sonst mit den Personen des Romans verbunden: mit Klemens
besonders in H I 15,2. 20,5—22,6 par., mit Zachäus in R I 72. H II 35,2.4 par.
Es ist daher leicht einzusehen, daß auch die KII- Stücke erst vom Grund
schriftverfasser in den antisimonianischen Zusammenhang hineingestellt wur
den (vgl. Schmidt 25 ff.). Daran, daß Simon oft nur als Statist erscheint oder
— wie etwa in der antipaulinischen Polemik — manche Divergenzen unaus
geglichen blieben, ist seine sekundäre Stellung auch jetzt noch zu erkennen.
Damit ist ein neues Kriterium für die Analyse der .KII- Quelle gewonnen:
Wo Simon nur sekundär mit einer Literarschicht verbunden ist, ist der
Schluß auf KII möglich, nicht aber dort, wo der Magier in einem ursprüng
lichen Zusammenhange steht.
Das Weibliche und die Äonen 155
Worte, hervor" (H III 23,3). Diese Deutung zeigt, daß der kos
mische Gegensatz in den KU auch als Gegensatz zweier Pro-
phetien verstanden wird. Doch ist das nur eine Interpretation,
deren praktischer Zweck in der Polemik gegen „Simon" (= Pau
lus) deutlich werden wird, keine Elimination; die kosmische
Grundlage wird in den KU wohl interpretiert, aber nicht gänzlich
verlassen, wie die Tauflehre zeigen wird. Das geht auch aus dem
positiven Verhältnis beider Äonen zueinander hervor: „Da der
gegenwärtige Kosmos weiblich ist, gebiert er wie eine Mutter das
Leben (yw%ai;) der Kinder, der zukünftige Äon ist dagegen männ
lich und erwartet wie ein Vater seine Kinder" (H II 15,3 ; vgl. H
XIX 23,3). Die weibliche Syzygie hat also die Aufgabe, die erste
yeveais, den natürlichen Ursprung der Menschen, zu vollziehen
und zeigt darin noch ihren substanzhaften, kosmischen Grund
charakter. Das abwertende Verständnis der natürlichen Geburt
begegnete schon oben in den Kerygmen (E II S. 146) und wird in
der Lehre von der Taufe durch die Begründung der zweiten
ytveaii;, der Wiedergeburt, seine Überhöhung erfahren. Der
gleiche Gedanke findet sich in der gnostischen Literatur (Exc.
Theod. 67,2f. Stählin III 129,3ff.: „Der Soter . . . sagte dieses,
nicht um die yeveaii; [vom Weibe] zu schmähen, da sie für die
Rettung der Glaubenden notwendig ist ; denn diese ytveaii; muß
geschehen, bis daß der vorbestimmte Same hervorgebracht ist";
überhaupt ist in den valentinianischen Systemen die gefallene
Sophia nicht nur negativ bewertet; s. Bousset: Hauptprobleme
263ff.).
Die Ähnlichkeit zwischen der Zweiäonenlehre der KU und der Theorie
von den beiden Reichen, wie sie in der Grundschrift nachzuweisen ist
(Ep.Cl. 1,5. 4,2f. 7,6. 11,2. 13,3. 14,1. 17,1; R III 52-54 ~ H XX 2 f.;
R VIII 52; vgl. H XV 6-8. XX 3ff. u. ö.), könnte die Vermutung nahe
legen, daß beides schon in den Kerygmen miteinander verbunden war.
Äonen- und Zweireichelehre weisen die gleiche (positiv-negative) Tei
lung, die gleiche Unterscheidung zwischen zukünftigem Aon und gegen
wärtiger Welt auf, beide kennen zwei einander entgegengesetzte
Herrscher in der Geschichte. Aber diese Übereinstimmungen sind
nur formaler Natur. Die Ä/7-Äonen unterscheiden sich von den zwei
Reichen grundlegend durch ihre kosmische Bestimmtheit. Die Identi
fizierung zwischen dem Aon und der Person des wahren Propheten, bzw.
dem Kosmos und der weiblichen Syzygie wäre zwischen den beiden
Herrschern und ihren Königtümern nicht möglich. Die pseudoklementi-
nische Zweireichelehre kennt keinen subatanzhaften, auch nicht einen
grundsätzlichen ideellen Gegensatz, vielmehr sind beide Könige neben
einander von Gott gesetzt (R VIII 52; vgl. H XX 3ff.). Auch der Böse
160 Die Kerygmen des Petrus
hat darin eine positive Aufgabe, nämlich über die Gottlosen zu herr
schen (ebd.). Der krasse gnostische Dualismus der KII ist also unbe
kannt. Beide Vorstellungen sind voneinander zu trennen. Das ergibt
sich auch aus dem terminologischen Befund: In den KII-Abschnitten
erscheint kaum der Titel ßaat^evs, bzw. der Gedanke der beiden ßaaiAeiai.
H III 17,2 wird Adam als die elxcav eines ewigen Königs bezeichnet,
womit aber nur der Schöpfer gemeint sein kann. In H III 26,6 ist
von der ßaadeia &eov ohne Beziehung auf den Unterschied der beiden
Reiche die Rede. Nur H III 19,2.6 spricht klar von dem König des
zukünftigen Äons im Unterschied zu jenem, dem in der Gegenwart
die ßaaifala zuerkannt wurde. Doch kann dieses Kapitel das Gesagte
nicht umstoßen. H III 20,1 läßt es unberücksichtigt und greift auf
das Vorangegangene zurück. Es scheint also mindestens in seiner gegen
wärtigen Form nicht ursprünglich zu sein. Daß sich die Zweireiche
lehre nicht in den Rahmen der Kerygmen eingefügt haben würde, darf
endlich auch aus der Abneigung der KII gegen das Königtum gefolgert
werden (s. u. E IV b 5 S. 184ff).
Es ist hier nicht weiter zu verfolgen, ob und inwieweit die Lehre von
den beiden Reichen auf Quellen zurückreicht oder G bzw. H ursächlich
angehört; und die Frage, welche religionsgeschichtlichen Strömungen
auf sie eingewirkt haben, kann hier nur gestellt werden. Doch sei — für
die Ursprünge— hingewiesen auf die Zrwanalehre (vgl. Bousset: Haupt
probleme 139 ff.) und die Hystaspesvorstellung nach Laktanz (Texte
bei Cumont: Les Mages hel!6nises: Zoroastre, Ostanes et Hystaspe
d' apres la tradition grecque I—II, Paris 1938; vgl. Cumont Revue de
l'hist. des relig. 1931, 03 ff.) und für die nähere religionsgeschichtliche
Umgebung auf Exc. Theod. 85,1 (Stählin III 1 32,24 ff.), die mandäische
Gegenüberstellung des Lichtkönigs und der Welt der Finsternis (Ginza I
Lidzbarski 4,7ff. 5ff. 73,10fl. 280,29ff.) und die Lehre der Sekten
regel von den beiden Geistern des Lichtes und der Finsternis (col. III
18 ff. Bardtke 90f.).
Bei der Anerkennung der gnostischen Prägung der Äonenlehre
darf nicht übersehen werden, daß terminologisch die Unterschei
dung der beiden Äonen auf die jüdische Apokalyptik zurückgeht
(vgl. Bousset- Greßmann: Die Religion des Judentums 243 ff.,
Str.-B. IV 799 ff.), die durch NT (Belege : Th W I204 ff., III 884 ff.)
und durch die Apostolischen Väter (Schlier: Religionsgeschicht
liche Untersuchungen 129) im Christentum Aufnahme fand. Daß
die Kerygmen direkt auf die jüdische Apokalyptik zurückgreifen,
ist nicht wahrscheinlich, vielmehr sind sie näher mit den Aposto
lischen Vätern verbunden; sie weisen weder visionäre Erlebnisse
noch eine Darstellung der Vorzeichen oder die Berechnung des
Weltendes auf (s. für die Apokalyptik Str.-B. IV 977 ff.), und mit
den Apostolischen Vätern haben sie die jüdische nationale Mes
siaserwartung christlich gedeutet. Freilich ist in den KII — anders
Das Weibliche und die Äonen 161
1 Vgl. auch Exc. Theod. 68 Stählin III 129,1lff.; das Weibliche als Braut
des Soter, zugleich als Typus des Menschen: Iren. haer. I 1,12. 28,6 Harvey I
58f. 238; Hippol. ref. VI 34 Wendland III 162fi. u. o. Zum Ganzen s. Schlier:
Religionsgeschichtliche Untersuchungen 91 f.
11 Strecker
162 Die Kerygmen des Petrus
befleckt zu erhalten; das betrifft nicht nur die Reinheit von fal
schen Lehren, sondern erfordert auch einen bestimmten Lebens
wandel, wie im folgenden gezeigt werden wird (s. u. E VI S. 206 ff.).
Nicht nur der Homilist hat, wie das eben genannte Beispiel zeigt,
zusammenhängende Stücke auseinandergerissen, sondern schon der
G-Autor stellte Teile der KII in heterogenen Kontext hinein: So ist
H XVI 5-15,2 (ursprünglich ohne H XVI 10 = H; s. o. B VIII S. 62f.)
<—- R II 38—46 ein eingesprengtes Stück; es wendet die Falscheperi-
kopentheorie auf die „vielen Götter" im Alten Testament an. Das
verbindet diesen Abschnitt mit den KII (vgl. H II 42f. III 24,1. 26,3.
u. (>.). Der äußere Rahmen ist dagegen eindeutig antimarkionitisch-
antisimonianisch ausgerichtet, reicht aber ebenfalls auf die Grund
schrift zurück1. Letzte Begründung der Zugehörigkeit zu denKeryg-
men und der Trennung von den antimarkionitischen Stücken muß
dem Folgenden vorbehalten bleiben. Die Abgrenzung vollzieht sich
nach unten durch den Einsatz des Homilisten in H XVI 15,2
(s. o. B VIII S. 63) bzw. der antimarkionitischen Auseinandersetzung
in R II 47, nach oben durch den Beginn der Diskussion mit Simon
über die „vielen Götter nach den Schriften" in H XVI 5 bzw. R II 38.
a) Das Gesetz
Mit der Konstatierung des gnostischen Dualismus der KII ist
die Intention der petrinischen Lehrvorträge noch nicht erfaßt.
Der Dualismus bildet für den KII-Verfasser nur den Hintergrund
eines nomistischen Denkens, das in seiner Entfaltung den Gegen
satz zwischen Gesetz und Nicht-Gesetz, zwischen männlichem
und weiblichem Prinzip aus sich herausstellt. Daher bietet erst
das Nomosverständnis den Schlüssel für die Welt des KII-Ver
fassers. Auf dem Gesetz liegt in den Kerygmen der größte Nach
druck: Ihm wird Ewigkeitscharakter zugeschrieben (Ep. P. 2,5
und H III 51,3, s.o. Zit. D IV l S. 126; vgl. H VIII 10,3). Petrus ver
wahrt sich in seinem Brief gegen die falsche Ansicht, er habe je
mals der Auflösung des Gesetzes das Wort geredet (Ep. P. 2,3f.).
Auch erschöpft sich die Aufgabe des wahren Propheten im
Grunde darin, das Gesetz als die wahre Gnosis zu verkünden (s. o.
EU S. 151 f.).
Welches ist nun jenes Gesetz, das zu verkünden der wahre Pro
phet einem gnostischen Erlöser gleich in die Welt gekommen ist ?
Der Ä77-Autor läßt keinen Zweifel, daß er nicht an ein allge
meines Sittengesetz, sondern konkret an das — freilich „recht"
verstandene — Gesetz der Juden denkt. Dies ist das Gesetz Mo-
1 S. o BIII S. 48 f.; natürlich hat der G-Autor auch inhaltliche Änderungen
vorgenommen; das Kapitel R II 40 unterbricht z. B. den Zusammenhang der
Zitierungen und ist formal (Petrus und Simon stehen sich in Rede und Gegen
rede gegenüber) und inhaltlich (wegen des Gespräches über den höchsten
Gott) als Ganzes der redaktionellen Tätigkeit des G-Verfassers zuzuschreiben.
164 Die Kerygmen des Petrus
Const. Apost. VI 11,10 23,4 Funk I 327. 361) und durch seine Vor
aussagen bewiesen hat, daß er im Besitz der nQoyvwau; (H III 15)
und demnach befähigt ist, der rechte Interpretator des schriftlichen
Gesetzes zu sein. Das hat er auch in seiner Verkündigung erken
nen lassen ; denn er mahnte, gute Wechsler zu sein, nämlich die
echten und unechten Schriftworte voneinander zu scheiden (H
III 50,2: Zit. D V 1) und auf das „Vernünftige der Schriften" zu
achten (H III 50,2: Zit. D VI 1); den Sadduzäern warf er vor,
daß sie deswegen irrten, weil sie nicht „das Wahre der Schriften"
kannten (H III 50,1: Zit. D III 1). Wenn daher jemand „seiner
Lehre gehorcht, wird er erkennen, was wahr ist von den Schriften,
und andererseits, was falsch ist" (H III 49,2; vgl. H III llff.
51,3; Christus als Interpretator der Schrift auch im Brief des
Ptolemäus an die Flora 3,8 Quispel 78, auch in syr. Didasc. 26
Flemming 132,9ff.).
Man nimmt im allgemeinen an, daß die Lehre vom Unterschied
der Schriften durch die Polemik gegen die marikonitische radi
kale Ablehnung des Alten Testaments entstanden sei1. Es läßt
sich in der Tat das Vorhandensein von antimarkionitischen
Stücken in den Klementinen nicht leugnen. Aber die Annahme,
diese seien schon ursprünglich mit den Kerygmen verbunden ge
wesen, muß bestritten werden ; denn der markionitische Gegensatz
zwischen dem guten und dem gerechten Gott wird in den nach
weisbar echten Bestandteilen der Ä77-Quelle nicht bekämpft,
vielmehr lassen Ep. P.-Cont. nur antipaulinische Tendenzen er
kennen. Andererseits sind die antimarkionitischen Abschnitte mit
der Person Simons eng verbunden, die — wie oben dargelegt ist
(E III S. 154 Anm. 1) — erst vom G-Verfasser eingeführt wurde.
Der antimarkionitischen Ausrichtung widersprechen auch spezi
fische Bestandteile der Kerygmen, z. B. die negative Fassung des
Kosmosbegriffes, die Depravierung des sexuellen Lebens u. a., die
vielmehr selbst gnostischem Einfluß unterliegen.
Man könnte zugunsten des Antimarkionitismus in den Keryg
men anführen, daß sich die Bekämpfung der Annahme von „vie
len Göttern" in den Schriften (H XVI 5ff.) gegen markioni
tische Strömungen richte. Nun ist freilich die Einsicht nicht ab
zuweisen, daß die TioAAot &eoi in den Klementinen auch in anti
1 Hilgenfeld 195 ff.; Schoeps 169. 176 ff. u. o. Waitz (S. 97 u. ö.) vermutet
eine antimarkionitische Redaktion der KII; vgl. dagegen Schmidt 296 Anm. 1.
168 Die Kerygmen des Petrus
Nach H III 39,3 enthielt Gen 3,22 (Zit. D III 4: „Wir wollen
ihn (Adam) hinausstoßen, damit er nicht seine Hand ausstrecke,
den Baum des Lebens berühre, esse und lebe in Ewigkeit") die
Ansicht, Gott sei unwissend und neidisch. Im Targum (Ps.-) Jo-
nathan wird der Befehl zur Ausweisung durch die Übertretung
Adams ausdrücklich begründet (Altschüler I29 f.; vgl. auch Targ.
Jerusch. [II] z. St. ; gegen die Folgerung auf Unwissenheit Gottes
aus Gen 3,9 auch Justin. dial. 99,3 Goodspeed 214).
Die Aussage von der „Reue Gottes" nach Gen 6,6 („Es gereute
Gott, daß er den Menschen gemacht hatte") wird in H II 43,2
(tv&v/uelrat) H III. 39,4. 43,2. 44,2. Zit. D I 2 zu den falschen
Perikopen gerechnet; sie wird auch bei Philo (Siegfried 201 ; quod
deus sit immutabilis 22 Cohn Übers. IV 76 f. : „Was könnte es für
einen größeren Frevel geben als zu glauben, der Unveränderliche
könne sich ändern?" vgl. 33ff. u. o.1), bei Symmachus (Schoeps
170 und Anm. 2), Targ. Onkelos (Einschaltung von in verbo suo:
Walton I 23), Targ. Jon. und Jenisch. (Altschüler I 33) u. o.2 um
gedeutet. Entsprechend wird auch 1. Regn 15,35 (Ps 109,4) in H II
43,2 (jaerajueAetrat) 44,5. III 44,2 eliminiert, durch Tertullian
(adv. Marc. II 24-27 CSEL 47 Kroymann 367 ff. ; vgl. Bergmann:
Apologetik 63) gegen die Markioniten verteidigt und von Origenes
(sel. in Gen. Lommatzsch VIII 71) allegorisch interpretiert.
Zum „Herabsteigen" Gottes nach Gen 18,21 (11,7) in H III
39,2. 43,3. 44,2 (Zit. D IV 7) vgl. Philo conf. ling. 1 34 ff. Cohn II
254, Targ. Onkelos (Walton I 69: statt TT : -Vinx = sich offen
baren; vgl. Frankel 23f.), ähnlich Targ. Jon. und Jerusch. z. St.
(Altschüler I 7l)3.
Gen 22,1 (die „Versuchung" Abrahams: H II 43,1. III 39,5.
43,2. 55,2; vgl. H XVI 13,4 Zit. D II 3) wird in Targ. Jon./Je
rusch. abgemildert (s. Altschüler I 78 b); Symmachus liest ed6-
l-aaev (Schoeps 170 Anm. 4; Marmorstein: Doctrine of God II 35).
Stücken— anthropopathisohe Ausdrücke unreflektiert gebraucht; vgl. H. J.
Wichs: The Doctrine of God in the Jewish Apocryphal and Apocalyptic
Literature, London 1915, 57f. 79. 114. 122.
1 A. Marmorstein : Doctrine of God II, Essays in Anthropomorphism,
S. 4ff.
2 Marmorstein ebd. 143.
8 An dem „Herabsteigen" in Ex 19 stößt sich schon Aristobul: Euseb.
praep. ev. VIII 10,12—17 Mras VIII l S. 453 f.; vgl. Orig. in Gen. hom. IV 5
Baehrens VI 55, 1 1 f.: Vide ne adscensionem et descensionem localem sentias.
Die falschen Perikopen 173
Daß Gott nach Ex 3,21 f. 11,2. 12,35 f. den Rat zum Raube er
teilt (H II 43,3), hat auch Markion gegen das Alte Testament
geltend gemacht und dagegen das Gebot der apostolischen Armut
in der Lehre Jesu angeführt (Hamack: Marcion, 2. Aufl., S. 88.
280*), und Irenäus hat die alttestamentlichen Schriftstellen gegen
Angriffe verteidigt (haer. IV 46,1 Harvey II 248). Die Aussage
in Ex 10,2, Jahwes „Verspottung" der Ägypter (H II43,4), wird
auch im Targ. Onkelos, der arabischen und syrischen Version
(Walton I 267) und den palästinensischen Targumen abgeändert.
Das Trompetengeschmetter als Begleiterscheinung der Offen
barung Gottes (am Sinai: Ex 19,16; vgl. auch PS 46,6 LXX; H
II 44,3) deutet schon Aristobul allegorisch (Euseb. praep. ev.
VIII 10,13ff. Mras VIII l S. 453f .) und wird in Pesiqtha XXIII
(Buber 151 b, Wünsche 216) aufdie israelitischen Posaunen bezogen.
Daß Jahwe lügt (Ps 88,36 LXX; H II 43,1. 44,1), ist im Onke
los nicht einmal verneinend ausgesagt (Maybaum 20).
Jes 45,7, Gott schaffe Böses (vgl. H II 43,4. 44,4), benutzt
auch die markionitische Beweisführung (Harnack: Marcion, 2.
Aufl., S. 260*. 271*).
Wie über Gott nichts Böses ausgesagt werden darf, so auch
nicht über die Menschen, die ihm als Werkzeug gedient haben.
Als Fälschung ist daher die Perikope vom adamitischen Sünden
fall anzusehen (H III 39,1. 42,4. II 52,2; s. o. EU S. 147), die
auch von den Markioniten angegriffen wurde (s. R II 53 ; Har
nack: Marcion, 2. Aufl. S. 88. 271*. 274*. 279*) und manchen Dis
kussionen Raum gab (Bergmann: Apologetik 51). Der Tot
schläger Moses (H II 52,3) wird auch in der markionitischen Kri
tik genannt (Harnack ebd. 272*).
Diese weitverzweigten Parallelen zeigen, daß die Annahme
einer einfachen Polemik nicht ausgereicht hätte, die Schrift
interpretation der Kerygmen zu deuten, daß ihnen vielmehr eine ge
meinsame „rationalistische" Geisteshaltung zugrunde liegt. Dieses
Ergebnis werden die folgenden Ausführungen festigen können.
2. Der „Polytheismus"
Mit dem einen, unveränderlichen Gott, der den Himmel, die
Erde und alles, was darin ist, geschaffen hat, ist der polythe
istische Glaube, ja selbst die Erwähnung1 anderer Götter unver-
1 Nach H XVI 7,1 ~ B II 41 wird die Existenz anderer Götter nicht ge
leugnet.
174 Die Kerygmen des Petrus
gesprochen und getan haben, läßt sich nichts mit Grund bean
standen, sofern ihr den Sinn, der darin liegt, erfaßt habt" ; übers.
v. Häuser BKVV 33,181; vgl. dial. 90,2. 94,4. 134,1 Goodspeed
204. 209. 256). Did. 11,11 Lietzmann 12,25 läßt trotz der Inter
pretationsschwierigkeiten dieses Abschnittes (vgl. F. E. Vokes:
The Riddle of the Didache 173 ff.) einen Standpunkt erkennen,
der nicht frei von Kritik gegenüber den Schriftpropheten ist (vgl.
z. St. Justin. dial. 134,1 Goodspeed 256; E. Taylor: The Teach-
ing of the Twelf Apostles with Illustrations from the Talmud,
Cambridge 1886, 82 ff. 113). Das gleiche trifft für das durch Hiero-
nymus überlieferte apokryphe Evangelienlogion zu (c. Pel. III 2
PL 23 Sp. 571 A: Etenim in prophetis quoque, postquam uncti sunt
spiritu sancto, inventus est sermopeccati, Preuschen, Antilegomena
6,11—13; vgl. Hennecke: Neutestamentliche Apokryphen 1924,
30 = NE 15).
Die allegorische Auslegung der alttestamentlichen Propheten
durch die Kirchenväter ist zu einem gewissen Teil gegen die buch
stäbliche, die prophetischen Widersprüche herausstellende Exe
gese gerichtet; so wirft Hilarius von Poitiers (in Ps. 124,1 CSEL
22 Zingerle 596,16f.) den buchstäblichen Interpreten vor, daß
sie behaupten, die Propheten hätten „nicht nur nicht Himm
lisches, sondern auch nicht einmal Irdisches vernünftig (rationabi-
liter) geredet" (L. Diestel: Geschichte des Alten Testaments in
der christlichen Kirche, Jena 1869, 80; vgl. ebd. 107. 136 f.). Da
mit nennt dieser späte Beleg noch einmal das entscheidende Mo
tiv, nämlich den „Rationalismus", der der jüdischen, zum Teil
auch der gnostischen, und der K/7-Kritik an den alttestament
lichen Propheten zugrunde liegt.
4. Das Opfer und der Tempel
Es ist nun verständlich, daß die Ablehnung des Opfers in den
KH (H III 52,1: „Denn während Himmel und Erde jetzt noch
bestehen, sind vergangen die Opfer . . . und alles das, was nicht
Anordnung Gottes ist") nicht auf den prophetischen Protest zu
rückgeführt wird. Sie unterscheidet sich auch wesentlich von der
Polemik der alttestamentlichen Schriftpropheten, indem nämlich
in den Kerygmen eine aktuelle Auseinandersetzung gar nicht vor
liegt. Zu verstehen ist die Einordnung des Opferkultes in die
Falscheperikopentheorie vielmehr ebenfalls aus dem rationalisti
schen Nomismus, dem mit Notwendigkeit ein abstrakter Gottes
12»
180 Die Kerygmen des Petrus
5. Die Könige
Wie der Tempel und der Opferkult mit dem Gottesbegriff der
Kerygmen unvereinbar sind, so auch die Anerkennung des König
tums. Die israelitischen Könige, die Erbauer und Schützer des
Tempels, erleiden daher mit dem gesamten Kultus das Schicksal
der Verwerfung1. Sie haben nach Ansicht des KH-Verfassers
ebenso wenig wie die alttestamentlichen Propheten eine klare
Vorstellung von Gott gehabt (H III 53,2 Zit. D IV 9) ; vielmehr
sind sie Söhne des Weiblichen und tun dessen Werke, die „viel
Blut vergießenden Kriege" (H III 24,2). Sie können sich nicht
auf göttliche Einsetzung berufen (H III 52,1). Deshalb verfallen
sie der Verwerfung des wahren Propheten, der das Blut verab
scheut (H III 26,3) und die Kriege durch die Lehre vom Frieden
überwindet (H III 26,4). Ihr Reich gehört mit dem Weiblichen
der Zeitlichkeit an (H III 24,2; vgl. H VIII 21,2 Zit. D III 12;
H XX 2,4) und ist deshalb der Vergänglichkeit unterworfen (H
III 52,1).
Damit sind die Aussagen der KII-Quelle über das Königtum erschöpft.
Das Königtum Noahs wird nur in H IX 3—7 (nicht in den Parallelen
R IV 27—30. I 29 ff.) erwähnt, scheint daher von H eingeführt zu sein.
Soweit sonst in H IX 3—7 ~ R IV 27—30 Könige genannt werden, ist
1 H III 52,1; der Verfasser denkt hier an die alttestamentlichen Könige;
denn er bezeichnet sie— wie auch die Opfer und die Prophetien der „Unter-den-
von-Weibern- Geborenen" — als „vergangen" und bezieht sich auf sie im
Rahmen der Theorie von den gefälschten Schriftstellen des Alten Testaments.
Die falschen Perikopen 185
an heidnische Herrscher (z. B. an Nimrod, König der Perser: H IX
4f. par. ; B I 30) gedacht, die für den heidnischen Götzendienst ver
antwortlich gemacht werden. Das gilt auch für die Parallele in B I 31,
in der befestigte Städte, Heere und Waffen, Bichter und Gesetze,
Tempel und die Verehrung von principes gentium als Göttern auf die
achtzehnte Generation zurückgeführt werden (vgl. noch B IV 31 = B).
Im Unterschied zu diesen Belegen polemisieren die KII nicht gegen
das heidnische, sondern gegen das alttestamentliche Königtum, und
zwar in Verbindung mit der Lehre von der weiblichen Prophetie.
Ein Zusammenhang zwischen beiden Abschnitten ist nicht aufweisbar.
In einem näheren Verhältnis zu H IX 3 ff. par. als zu den Kerygmen
steht der Bericht von der Setzung des Königtums und dem Beginn des
Götzendienstes durch die Nachkommen Noahs in Jub. 11,2—4 Bießler
570 (= Quelle für R I 30f. par.» Vgl. Schoeps: AfZ 16f.; H. Rönsch:
Das Buch der Jubiläen oder die kleine Genesis, Leipzig 1874, 322 ff.).
Nicht sicher ist, ob KII indirekt auf die Gestaltung von B I 38 ( Ubi
ve.ro tyrannos — populus declinavit) und B I 69,1 (Jakobus redet über
die Bücher der Könige, wie, wann und durch wen sie geschrieben seien
und wie man sie benutzen müsse) eingewirkt hat. Im verneinenden
Fall bestände in B I eine — allerdings wenig durchsichtige — Sonder
quelle für die Ablehnung des alttestamentlichen Königtums, die mit
Act 7 zu parallelisieren ist (s. u. F S. 228 zu B I 38).
Das jüdische rationalisierende Denken hat parallel zu den
Kerygmen öfter zur Auseinandersetzung mit der alttestament
lichen Darstellung des israelitischen Königtums geführt; so hat
die rabbinische Exegese an den alttestamentlichen Königsge
stalten Anstoß genommen und David oder Salomo von Fehltritten
freizusprechen gesucht (z. B. Schabbath 56a: „Wer es glaubt, Da
vid habe gesündigt, irrt sich nur; denn es heißt: Und David war
in allen seinen Wegen erfolgreich und der Herr war mit ihm"
[Goldschmidt I 447]; zu Salomo vgl. Schabbath 56 b Gold
schmidt I 449; weitere Belege bei Schoeps 243f.).
Hier ist auch das vierte Buch des Sibyllinen zu nennen, in dem
zwar nicht expressis verbis das Königtum kritisiert, wohl aber
der (zunächst heidnische) Opfer- bzw. Tempelkult (IV 6 ff. 27 ff.
Geffcken 91—93) und das Kriegshandwerk (IV 164—168 Geff-
cken 100 f.: „Legt weg die Schwerter und den Jammer, den
Männermord und andere Freveltaten, und badet euren ganzen
Leib in immerfließenden Gewässern! Streckt eure Hände aus,
empor zum Himmel! Fleht um Verzeihung für die früheren
Taten!" Übersetzung nach Rießler 1044) von der Polemik ge
troffen werden (vgl. Schoeps 246 Anm. 1). Ähnliches ist für die
Gnosis belegt: Nach Johannes Chrysostomus (hom. in Mt. 26,6
PG 57 Sp. 341) haben Manichäer und Markioniten die Berichte
186 Die Kerygmen des Petrus
V. Der Antipaulinismus
Die Darstellung stützt sich im folgenden außer auf die schon für KJI
ausgewiesenen Texte auf die Abschnitte H XI 35,3—6 ~ B IV 34,5 bis
35,2 und H XVII 13—19, die inhaltlich — wie unten gezeigt werden
soll — den KII entsprechen.
Die Abgrenzung ergibt sich für H XI 35,3 ff. durch Anfang und Ende
der Petrusrede an die Presbyter; entsprechend ist auch die R-Parallele
abzugrenzen1; H XVII 1 3 ff. ist nach oben durch den ThemaWechsel
von H XVII 12,6 zu H XVII 13,1 (auf die Disposition des Homilisten
in H XVII 2—5 zurückgehend; s.o. B VIII S. 64f.) begrenzt, nach
unten durch H XVII 20, die Überleitung zur Diskussion des folgenden
. Kerygmen, die wahrscheinlich gar nicht von Jesus als dem Sohn
Gottes gesprochen haben1. Zudem haben die Ausführungen über
das Verwandeltwerden der Sarx in Licht (H XVII 16,4) wörtliche
Entsprechungen in einem H-Abschnitt (H XX 6,8). Die X/7-QueIle
vertritt demgegenüber einen qualifizierten Gegensatz zwischen der
Welt der Sarx, bzw. der weiblichen Syzygie, und der Sphäre des
Männlichen (H III 23,3. 27,2).
Antipaulinisch ist auch die Mahnrede des Petrus (H XI 35,3—6
~ R IV 34-35), in der auf die Voraussage Jesu über die Entsen
dung von pseudoprophetas et pseudoapostolos falsosque doctores,
qui sub nomine, quidem Christiloquerentur, daemonibus autem face-
rent voluntatem durch den Bösen Bezug genommen wird (R IV 34 ;
vgl. HXI 35,3. XVI 21,4; Zit. D VI 5). Deshalb solle, sagt Petrus,
kein „Apostel, Lehrer oder Prophet"2 aufgenommen werden,
„der nicht zuvor sein Kerygma dem Jakobus — dem sogenannten
Bruder meines Herrn, dem die Leitung der Gemeinde der He
bräer zu Jerusalem anvertraut ist — vorgelegt hat und mit Zeugen
zu euch kommt. Denn sonst könnte die Bosheit, die sich mit dem
Herrn vierzig Tage lang unterredete und nichts gegen ihn ver
mochte und später wie ein Blitz vom Himmel auf die Erde fiel,
gegen euch einen Boten3 schicken, wie sie uns jetzt den Simon
untergeschoben hat, der unter dem Vorwand der Wahrheit im
Namen unseres Herrn verkündet, in Wirklichkeit aber Irrtum
ausstreut. Deswegen sagte, der uns sandte : Viele werden zu mir
kommen im Gewande von Schafen, innen aber sind sie reißende
Ep. P.-Cont. (s. o. E I S. 142f.) zugrunde liegt, folgt aus dem Terminus
ÄStup fcüv, der nur in Cont. 1,2 und H XI 26,2.4 (nicht in B VI 9, der
Rekognitionist emendiert; der H -Verfasser hat charakteristischer
weise den Ausdruck in fjäcog aq>£av umgewandelt: H VII 8,1) erscheint.
Die Vorstellung von der dva-yewrjais, bzw. dem ävayewäa&ai, ist — in
unabhängigen Lehrstücken — ebenfalls nur hier belegt (Cont. 1,2;
H XI 24,2. 26,1.2. — Von G stammt der Ausdruck in H XI 35,2
[= Klemens' Taufe]. Der Homilist hat den Terminus— in schwülstiger
Ausdrucksweise erweitert — in H VII 8,1 und H XIX 23,6 über
nommen. In letzterem Abschnitt erscheinen mehrere Ä77-Elemente).
Im übrigen werden 8icn zahlreiche Parallelen zu der Vorstellungswelt
der schon erschlossenen Ä/7-Stücke aus dem Folgenden ergeben.
Die Abgrenzung vollzieht sich nach oben durch den Einsatz der eigent
lichen Tauflehre in H XI 21,1 ~R VI 61, nach unten ist der Text
durch den Beginn der Rahmenerzählung, der Entlassung des Volkes
und der Taufe des Klemens begrenzt (H XI 34,1 ~ R VI 15).
Der Verfasser erinnert an die Pflicht gegenüber den Eltern,
die man als die ytvovs aQyrjyf.rai lieben müsse. So ist auch Gott,
TO rä>v 6Awv ytvoi;, zu lieben, nicht aber die aus Holz, Stein oder
Erz verfertigten Götzen, überhaupt nichts von der der Vergäng
lichkeit unterworfenen Hyle (H XI 21,4 ~ R VI 6). Im Hinter
grund steht die Vorstellung, daß der Mensch von göttlichem ye'ro;
sei (vgl. unten H XI 24,2) und sich daher nicht an die Götzen ver
lieren dürfe; ähnlich wird in Act 17, 28 f. argumentiert (vgl. zu
y&voi; auch die Valentinianer : Clem. AI. Strom. IV 89f. Stählin
II 287,10ff.; zur Polemik gegen den Götzenkult: Sap 13,1 ff. 15,
8.15ff.).
Die eisernen Götzen selbst aber sind von Gott abhängig, denn
das Eisen wird durch Feuer geglüht, dieses durch Wasser ge
löscht, das Wasser wiederum durch den Geist bewegt, der Geist
aber hat den Anfang der Ausdehnung unmittelbar von Gott, er
ist die „Hand" Gottes, durch ihn wurde alles für den Menschen
geschaffen2. Ein Hymnus auf die Schöpfung, die für den Men
schen ins Dasein gerufen wurde, schließt sich an : H XI 23~
R VI 7. Die Parallelen (H III 34-36; R VIII 22-23; R I 28)
1 Möglicherweise gehören auch Teile der beiden vorangehenden Kapitel
inhaltlich zu den Kerygmen, wie die Nähe zur <5 ngo<prjrrjs-I;ehr6 der KII
wahrscheinlich macht; so auch Schoeps 203 Anm. 2.
* H XI 22 ~ R VI 7. Das gleiche ist in H XVI 12 (= KII) für die awpia
ausgesagt, die im pseudoklementinischen Roman nur dort erscheint. Identi
fizierung von Geist und Weisheit auch Sap l,4f., der Geist als Schöpfungs
mittler: Jdt 16,14; 2. Baruch 21,4 (syr.) Violet Anm. zu visio III § 2,2
S. 232.
198 Die Kerygmen des Petrus
Wasser rein, sondern der Heilige . . . hat gesagt : Ein Gesetz habe
ich festgesetzt . . ."; zitiert nach Bousset-Greßmann: Die Reli
gion des Judentums 130), sucht er eine Erklärung zu geben. Zu
nächst: Es geht darum, die erste yeveaii; aus der em&vfila zu
„vertauschen". Hier denkt der Autor nicht etwa an den adami-
tischen Sündenfall (der R-Text [VI 9 : quae tibi per hominem facta
est] ist eine späte Angleichung an die kirchliche Erbsündenlehre),
sondern an den Fortpflanzungstrieb, wie R IX 7 (wohl auf unsern
Text zurückgehend) deutlich macht. Daß der Sexualtrieb nach
KU der negativen, weiblichen Syzygie angehört, wurde schon
oben festgestellt (E II S. 146); vgl. auch H III 27,2: „Das Weib
. . . ergötzt sich an der zeitlichen Blüte des Fleisches und
den vergänglichen Lüsten." Freilich ist in diesem Sinn der Aus
druck em&vfila im pseudoklementinischen Schriftenbereich im all
gemeinen nur spät bezeugt 1, in den älteren Schichten kennzeichnet
die emftvfila darüber hinausgehend die Sphäre heidnischen Lebens,
weist also auf die Verbindung von Götzenkult und sexueller Orgia-
stikhin(HIX19,2~RIV32; HXI3,1.2~RVI3; HXI11,5~RV
28; HXI15,1.4ff. ~RV31). Dieser Gedanke bildete eine häufiges
Argument jüdischer und christlicher Polemik gegen das Heiden
tum (Sap 12,3 ff. 14,22ff.; slav.Henoch 10,4-6 Bonwetsch 10,1 ff.;
Sanh. 63 b Goldschmidt VII 270; Athenag. apol. 34,1 ff. Geffcken
152f. ; Justin. apol. I 27 Goodspeed 44 u. ö.) und wird hier, in der
Taufmahnung des Petrus an die Heiden, ebenfalls im Hinter
grund stehen. Beide Vorstellungen sind auch in den Ausführungen
Justins über die Taufe (apol. I 61,10 Goodspeed 70) miteinander
verbunden.
An dieser Stelle drängen sich bei Pseudoklemens die Gedanken,
ohne voneinander klar getrennt zu werden. Aus dem Voran
gegangenen, der Vorstellung von der göttlichen Elternschaft
(H XI 21,1. 24,2) wäre zu erwarten gewesen, daß als erste ytveaii;
(H XI 26,1) der göttliche Ursprung gemeint wäre. So versteht
auch Justin die nQwrrj ytveaii;, die dem Menschen seit Anfang
seines Lebens unbekannt war (apol. I 61,10 Goodspeed 70), und
ähnlich stellt die Naassenerlehre die &va> yeveati; als den Urgrund
des menschlichen Daseins dar (Hippol. ref. V 7,40. 8,37 Wend'
1 Der Terminus ist in H XI 26 wie bei den genannten Parallelen an Joh 3,5
(Lesart: dva-; Zit. D IV 18) angelehnt. Aus dieser und anderen Parallelen
resultiert die Frage, ob die Tauflehre Justins im letzten auf die einer enkra-
titischen christlichen Gnosis zurückgeht. Daß Justin an dieser Stelle einer
(„apostolischen") Tradition folgt, behauptet er selbst (apol. I 61,9 Good
speed 70; darunter ist aber nicht die Didache zu verstehen, wie Zahn will:
Bardenhewer I, 1. Aufl., S. 237 Anm. 1; 2. Aufl., S. 257 Anm. 1). — Das
Problem kann hier nicht weiter verfolgt werden.
» Nicht in R VI 9 und E, S; der H-Verfasser bietet die Lectio difflcilior; B
hat auch unten weitere Glättungen.
Die Taufe 201
17,1: „Die Frau, die Gott nicht fürchtet, fürchtet auch nicht den
Mann" = H), besonders zur Überwindung der eni&vftla (H XI 26,1;
H V 8,1. 26,3. XVII 12,6. XX 4,3). Charakteristisch ist, daß der Aus
richtung der Furcht auf das kommende Gericht nicht die paulinisch
verstandene ihili; (s. R. Bultmann: Theologie des Neuen Testaments
316f.) korrespondiert, vielmehr ist die pseudoklementinische ikits nur
ein Wissen um eine zukünftige Belohnung der guten Werke: vgl.
H XI 32,2 ~ R VI 13. Ep. P. 1,5 u. ö. In diesem moralistischen Ver
ständnis hat der pseudoklementinische 9x5/?o?-Begriff bei jenen früh
christlichen Schriftstellern, die durch die hellenistische Synagoge be
einflußt wurden, zahlreiche Entsprechungen (vgl. Herrn. mand. VII.
XII 2,4 Gebhardt-Harnack III 94 ff. 124,10ff.; Did. 4,9 Lietzmann 7,14;
l.Clem. 3,4. 21,8.57,5 Funk I 102,13. 128,26. 172,16; Barn. 20,1f.
Funk I 94,9.12 u. ö.; dagegen hat das palästinische Judentum
die „Furcht" meistens nicht auf das Endgericht bezogen, sondern
optimistisch verstanden; vgl. R. Sander: Furcht und Liebe im pal.
Judentum, Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testa
ment 4,16, Stuttgart 1935, 48f. 61 u. ö.).
Damit ist schon die eigentliche Absicht des Verfassers deut
lich geworden. Doch hält er zunächst an dem bisherigen Ge
dankengang fest. Das Zitat Joh 3,5 mit der Lesart tidart fcüm
(B. o. D IV 18 S. 128) soll die Möglichkeit der Wiedergeburt
durch das Wasser erläutern: Von Anfang an ruht auf dem Wasser
etwas, das sich erbarmt — gemeint ist natürlich das Pneuma
(vis quaedam in R VI 9 ist sekundär). Die Anspielung auf Gen 1,2
ist nicht zu übersehen (vgl. oben H XI 24,1 ; ähnlich auch für
die Sethianer Hippol. ref. V 19,17 Wendland III 120,5). Auf
fallend ist, daß das nvevfia von Gen l,2b auch im Targum Jerusch.
(I + II) „Geist der Barmherzigkeit" genannt wird (Str.-B.
I 40; vgl. Brandt: Elchasai 30f.).
Der Geist erkennt die auf die trismakarische Benennung Ge
tauften1 und errettet sie vor dem zukünftigen Strafgericht, wie
er auch „ . . . die guten Werke der Getauften Gott darbringt"
(H XI 26,3 ~ R VI 9). Daher kann allein das Wasser die Gewalt
des Feuers auslöschen2. Nicht, weil es mit dem Pneuma identisch
den Homilien). Sie kann deshalb ein „tödlich wirkendes Gift" genannt
werden (H X 12,2 ~ R V 18).
Unvermittelt findet sich neben dieser eine andere Auffassung in der Grund
schrift, nach der die Unwissenheit entschuldbar ist, falls man nicht vor
sätzlich in ihr beharrt (H X 2,1 ~ R V 7) ; so kann die Unwissenheit auch als
Entschuldigungsgrund vor Gott angegeben werden: H VIII 9,3 ( — R IV 8),
H XI 25,1 ~ R VI 8. Um einen Ausgleich hat sich der Verfasser nicht be
müht. (Vgl. noch Act 3,17; Lc 23,34, zitiert in H XI 20,4 ~ R VI 5 = Zit.
DU 15; I.Tim 1,13; Herrn. sim. V 7,3 Gebhardt-Harnack III 158, Uff.
u. o.).
1 Dem Gesetzesverständnis der KII entsprechend muß die „Gerechtig
keit" wesentlich an das recht verstandene jüdische Gesetz gebunden sein.
Folglich sind die Heiden ihres Götzendienstes und ihrer Unreinheit wegen eo
ipso &dtxot, wie dies noch in G belegt ist (H XI 15,2f. ~R V 31 f.; H XI
32f ~ R VI 13f.).
Die Taufe 205
Hinweis auf den Tag des Weltgerichtes, an dem der rechte „Got
tesverehrer", der doch im Besitz der Gnosis ist (H XI 32,3 ~ R
VI 13) und durch die Hoffnung auf den zukünftigen Äon zu guten
Werken angetrieben wird, durch jene beschämt werden könnte,
die nur den gegenwärtigen Äon kennen und doch viel Gutes tun.
Dadurch ist ein neuer Blickpunkt für die Zweiäonenlehre der
Kerygmen gewonnen. Der zukünftige Äon, der nach H II 15,3
seine Kinder aus dem Kosmos erwartet (s. o. E III S. 159), bildet
den Antrieb zu sittlichem Lebenswandel.
Auch für die Waschungen ist der Zusammenhang mit der Ä77-
Quelle durch H III 26,4 (der wahre Prophet führt zur äyvela)
gesichert (vgl. H XI 28,3. 30,2f. 33,4f. par.). Es bedarf keines
Beweises, daß hier einfache jüdische Reinheitsbäder gemeint
sind, wie sie im palästinischen und hellenistischen Judentum
gleichermaßen vorliegen (vgl. Brandt: Die jüdischen Baptismen
44f.52-55).
Auf die Beobachtung der jüdischen ReinheitsVorschriften geht auch der
Berieht von den Bädern des Petrus zurück, der allerdings nur bis G
zurückzuverfolgen ist; so die Bäder vor dem Abendessen: H VIII 2,5
~ B IV 3, H X 26,2 ~ R V 36 („mit denen, die es wollten' ') und (für H)
H IX 23,3, die aber schon der Homilist als profane Bäder verstanden
hat, wenn er auch den Judengegner Apion vor der Abendmahlzeit
baden läßt: H V 30,2. Nur für H belegt sind die Bäder des Petrus am
Morgen: H X 1,2. XI 1,1 (vor dem Gebet; vgl. H XIV 3,1 = H). Daß
diese Bäder täglich zu vollziehen seien, ist nicht ausgesagt1, auch nicht,
daß sie die Opfer verdrängen sollen8, und das scheidet sie von den
Gebräuchen der Taufsekten (für die Essener: Joseph. bell.' jud. II 8,5
Niese VI 178 f.; vgl. Waitz' Argumentation gegen Thomas, daß näm
lich die elkesaitischen Tauchbäder anderer Beschaffenheit sind als die
pseudoklementinischen: ZKG 1940, 329 Anm. 64).
1 Zu Epiph. haer. 30,2,4f. 15,3. 16,1. 21,1 Holl I 334,16ff. 352,12ff. 353,9f.
361,14ff.; Thomas RHE 1934, 270; Schoeps 203. Thomas' unkritische Be
nutzung der Epiphaniustexte macht seine Ausführungen über die „ebioniti-
schen Täufer" (Le mouvement baptiste 156 ff.) wertlos; zu Epiphanius s. u. GI
S. 265 Anm. 1.
1 Zu Schoeps 206; die Gegenüberstellung der Sündenvergebung durch
Opfer und der durch die Taufe findet sich nur in R I 36 ff.; charakteristisch
ist dagegen für den Ä77-Autor, daß der Ausdruck &<peais TÜ>V äfMiQTUöv bei
der Taufe im Sinne einer tradierten Formel, bezogen auf die Heiden, ge
braucht wird: H XI 27,1 ~ R VI 10, vgl. H VIII 22,4 ~ R IV 35 (ohne
weitere Klärung von Homilisten übernommen: H VII 8,1. IX23,2. XV 9,1.
XVII 7,1), und sonst die äyeais keine Verwendung findet. Wo das Interesse
des Ä77-Verfassers liegt, zeigt die (antipaulinische?) Aussage: Der wahre
Prophet zeigt die Vergebung der Sünden durch das Werk an (H III 26,6).
Das Gemeinschaftsmahl 209
hat, verbietet zu folgern, daß es nicht nur die Stellung der Eucha-
ristie übernommen hat, sondern sich auch inhaltlich daran an
schließt. Dieser Schluß wäre nur möglich, wenn auch an anderer
Stelle eine judenchristliche Eucharistie mit Brot und Salz be
zeugt wäre. Aber das ist weder für die Kerygmen noch in der
außerklementinischen Literatur der Fall. Im Gegenteil, nach den
Berichten der Kirchenväter haben die Ebioniten die Elemente
Brot und Wasser für die Kommunion verwandt: Iren. haer. V 1,3
Harvey II 316, Epiph. haer. 30,16,1 Holl I 353,11 f. Selbst Epi-
phanius hat also den Klementinen nichts anderes zu entnehmen
gewagt1. Zu falschen Folgerungen verleitete die Tatsache, daß
der Grundschriftverfasser durch die Erwähnung der Elemente
Brot und Salz in der Contestatio offensichtlich zu seiner eigen
tümlichen Mahlterminologie gekommen ist. Zwar finden sich all
gemeine Bezeichnungen für die abendliche Mahlzeit wie TQo<pijs
fiETaAafißdveiv (= cibum capere, cibum sumere) : H I 22,3 ~ R
I 19,3; H VIII 24,3; H IX 23,3 ~ R IV 37; H X 26,2 ~ R V 36;
H XIII 11,1 ~ R VII 36, gelegentlich auch airUov p,eraAafißdveiv:
H VIII 2,5 ~ R IV 2, L = cibum sumere, so auch R I 74,6 (S:
= äerov) ; R II 70,6 (S: )L;zi-co = alrov) ; R III 30,9 (S:
= alrov) ; R III 50,3 (S: Jly-vtYi = rQoyfjs) ; R IX 38, und
der gemeinschaftsbildende Charakter der Mahlzeiten wird durch
das Verbum aweanäa&ai ausgesagt: H XIII 4,3.5 ~ R VII 29
(mensam habere communem) , H XIII 9,1 .2 ~ R VII 34 (consortium,
convivio sociari), H XIV l,4 <~ R VII 38 (prandere), auch wird
Petrus der aweanos Christi genannt (Ep. Cl. 1,3; vgl. 9,2). Aber
es ist bezeichnend, daß daneben für die gleichen Mahlzeiten die
Wortverbindungen aM>v fieraAafißdveiv2: H XI 34,1 ~ R VI
15,1 (cibum sumere), H XIII 11,4 ~ R VII 36 (mensae consortio
1 Als Zeichen des Asketen ist das Essen von Brot und Salz Act. Thom.
20. 104 Bonnet II 2 S. 131,7. 217,8 und (einschließlich der Bationierung von
Wasser zwecks Studium der Thora) Pirqe Aboth VI 4a (Beer-Holtzmann
168 f.; Hinweis bei K. G. Kuhn, ThLZ 1950, 403 Anm. 2) bezeugt. Als
Hauptbestandteile des Mahles erscheinen Brot und Salz in Act. Philippi 94
Bonnet II 2 S. 36,29ff.: „Mariamne ... ist es, die das Brot und das Salz
beim Brechen des Brotes bereitete, Martha aber diente der Menge und mühte
sich sehr." Weiter entfernt steht der Bericht Philos vom sakralen Mahl der
Therapeuten, die Wasser, Brot und Salz verwandten (devita cont. 73 Cohn
VI 65,16ff.).
1 Dieser Ausdruck wurde vom Homilisten aufgenommen: H IV 6,1. VI
26,6. XIV 8,4f. XV 11,2. XIX 25,5 vgl. XX 16,5.
Das Gemeinschaftsmahl 211
VIII. Schluß
So wenig sich ein vollkommenes Bild der K/7-Quelle zurück
gewinnen läßt, so sehr darf als feststehend gelten, daß die Keryg-
men einem gnostisierenden Judenchristentum angehören.
Der Gestaltwandel des wahren Propheten hat in der elkesaitischen
Lehre von den vielen Verwandlungsstufen Christi seine nächste Ent
sprechung (s. o. E II S. 151). Auch die Elkesaiten kennen die Unter
scheidung zwischen männlichem und weiblichem Prinzip, allerdings
nicht als einen negativ-positiven Dualismus, sondern das Weibliche
( = äytov nvevfia) ist die positive Partnerin zum Männlichen (Hippol. ref.
214 Die Kerygmen des Petrus
IX 13,3 Wendland III 251,18 ff.). Die gesetzliche Lebensweise wird in den
KIIwie auch in dem Buch des Elkesai gefordert. Freilich gehen die Jünger
desElkesai über den KII-Verfasser hinaus, da sie auch die Beschneidung
zur Pflicht machen (ffippol. ref. IX 14,1 Wendland III 252,18ff.).
Daß die Anrufung der Schwurzeugen in Cont. 2,1. 4,1 an den elke-
saitischen Brauch erinnert, wurde schon oben gesagt (E I S. 143), auch,
daß mehr als eine flüchtige Bekanntschaft mit dem Elkesaitismua
daraus nicht gefolgert werden darf; im übrigen ist das System der
Kerygmen von dem elkesaitischen sehr verschieden: Den KII sind
mehrmalige Taufbäder unbekannt, wie auch im einzelnen die elkesai
tischen Tauflehre von der der Kerygmen abweicht (vgl. Hippol. ref.
IX 15,1 ff. Wendland III 253,10ff.; s. o. E VI S. 208). Während die
Elkesaiten einer massiv-kosmologischen Spekulation folgen (Hippol.
ref. IX 13,2 Wendland III 251,13 ff.), hat die Ä/7-Quelle das kosmolo-
gische Denken spiritualisiert. Endlich hat der Stifter der elkesaitischen
Sekte in den Kerygmen keine Funktion. Der Verfasser kann demnach
nicht als Elkesait gelten (zu Waitz 127; Schmidtke 227 ff.). Die Paral-
lelen sind im allgemeinen vielmehr dadurch zu erklären, daß die Ä7T-
Sohrift und das Buch des Elkesai in verschiedener Weise ein gnosti-
sierendes Judenchristentum repräsentieren.
Inwieweit der Verfasser Repräsentant einer judenchristlichen
Gemeindetradition ist, wird sich nicht mit Bestimmtheit sagen
lassen. Schon Schwartz (S. 179ff.) hat gezeigt, daß die rein lite
rarischen Elemente in den Pseudoklementinen einen erheblichen
Raum einnehmen. Dieses Urteil ist auch auf die Ä/7-Quelle aus
zudehnen. Die Anlehnung an die elkesaitische Schwurformel, die
Fiktion der Ep. P.-Cont. als Einleitungsschreiben zu Geheim
büchern (vgl. oben E I.S. 140) geben den Hinweis, daß der Autor
bewußt als Literat gearbeitet hat. Einige Elemente seiner Theo
logie, wie etwa die Falscheperikopentheorie, können von ihm
selbst verfaßt sein. Aber darüber hinaus wird er auf geprägte
Tradition zurückgegriffen haben: Die Lehre vom wahren Pro
pheten, der Antipaulinismus, das rationalistisch-noministische
Schriftverständnis u. a. sind auch außerhalb der Klementinen
belegt und lassen erkennen, daß der Verfasser in einem juden-
christlich-gnostischen Milieu schreibt. Der Gnostizismus (s. noch
Bultmann Gnomon 1954, 186) und Hellenismus (LXX-Zitate, zu den
Einleitungsschreiben s. o. E I S. 139 f. ; der Stil ist nicht der eines
Zweisprachigen: s. u.) der Kerygmen schließen eine unmittel
bare Beziehung zu der Urgemeinde aus. Deshalb wird man auch
Bedenken tragen, die Ä77-Quelle als „ebionitisch" zu bezeichnen1.
1 Zum Namen der Ebioniten a. K. Holl: Gesammelte Aufsätze II, Tübingen
1928, 60; Schoeps 9.
Schluß 215
4,4; Iva c. ind. fut. (nicht Cont. 3,4; zu Rehm 141) : Ep.Cl. 2,4, H I 19,4.
Zu der semitisierenden Verbindung itpodid&iv £<poätd£coaiv (Ep.P. 2,1)
vgl. außer H I 21,2 (ddwaräv ov dwtfarj), H XVI 13,3.4 (jtetgdfeoj'
ejieigafei>) (Rehm 141) auch H XI 25,1 (TÖJ fiff &eifjaai fi^i 0eA^ei's),
H XVI 13,3 (yivo>axcov yvd>afl; diese Semitismen sind wohl zum Teil
bewußt gestaltet: s. Zit. D IV 23). Als entferntere Parallelen sind noch
zu nennen: H X 7,3 (Aotfionlg. AoidoQelv), H I 8,4. 9,1 u. ö. (Adj/owj
fäyeiv) ; Tvy^dveo c. inf. : Cont. 3,4 (Rehm 141) und H II 6,3 (ev-ivy%dvco),
c. ptc. : Cont. 3,3. Das Nebeneinander von ÖQa&ijvai und o^&rjvai be
ruht dagegen nicht auf Nachlässigkeit, sondern es scheint bewußt
geschieden zu sein zwischen ÖQaßijvai = gesehen werden (H XIV 9,4.
XVII 4,3. 16,3.4) und &p&fjvai = erscheinen (H I 5,3. IX 15,2.3. XVII
13,2. 16,6. 19,1.3.4) (zu Rehm 151). Tempuswechsel außer in H XVII
17,2 (Rehm ebd.) auch H XI 20,5 (netQ&vrai nach dem impf. enouwrco),
H III 19,3 u. ö. (vgl. H XX 13,3: axonovfiev nach einem ptc. pf. und
ptc. aor.). jre'ga? yovv findet in H I 8,3. III 62,3. XV 5,2. XVII 14,2.
16,6. 17,1. 18,5. XIX 24,6 ohne Unterschied Verwendung (zu Rehm ebd.).
Das alles besagt, daß die von Rehm angegebenen stilistischen Eigen
heiten der „ebionitischen Interpolationen" so gut wie ganz verschwin
den; zwar bleiben sprachliche Anomalien, aber stilistische Unregel
mäßigkeiten finden sich auch in den übrigen Homilien. Die quellen
kritischen Belange würden erfordern, eine Literarschicht durch sti
listische Merkmale abheben zu können, aber das ist — wie sich des
längeren ausführen ließe — für die Ä77-Quelle unmöglich. Der lebhafte
Sprachstil des Homilisten behindert eine solche Untersuchung, anderer
seits laufen zahlreiche Stilunregelmäßigkeiten quer durch sämtliche
Literarschichten hindurch. Was sich daher durch eine stilkritische
Untersuchung der Klementinen feststellen ließe, wären die Stilmerk
male der Homilien, im günstigsten Falle noch die der Grundschrift,
nicht aber die der weiter zurückliegenden literarischen Quellen. Da in
diesem Zusammenhang nur letzteres interessieren würde, muß auf eine
Wiedergabe der stilistischen Untersuchungen verzichtet werden.
F. DIE AJ II-QUELLE
Unabhängig von der Ä/7-Quelle muß jener Abschnitt im ersten
Buch der Rekognitionen untersucht werden, der im allgemeinen
ebenfalls als judenchristlich angesehen wird (Waitz 167 f.; vgl.
Lehmann 341 ff., Bousset 426!., zuletzt Schoeps 384 ff.).
Die Abgrenzung dieses Passus nach uflten ergibt sich aus dem Anschluß
an den Klemens-Petrusroman in B I 72 (Petrus in Caesarea), nach
oben aus dem Abriß der Heilsgeschichte in R I 27-32, einem zusammen
hängenden Ganzen, das der Grundschriftverfasser in H VIII 10-19.
H IX 3-7 ~ B IV 9-13. 27-30 wieder verwendet hat1.
B I 27-32 ist vom folgenden abzuheben : Nach B I 32 erhielt Abraham
durch einen Engel Offenbarungen, B I 33 erzählt dagegen unvermittelt
von der Erscheinung des wahren Propheten vor Abraham; nach B I 33
stammen die Perser von , .Eliesdros" ab, die dagegen im vorhergehenden
(R I 30) mit Nimrod in Zusammenhang gebracht (vgl. H IX 4f. ~
B IV 29) und auf den Hamiten Mizraim zurückgeführt werden (H IX
3,2 ~ B IV 27; vgl. Gen 10,6); die Aufzählung der Generationen
endet mit B I 32, dagegen setzt in B I 33 die Parallele zu Act 7,2ff.
ein. B I 27-32 wird also ursprünglich selbständig gewesen sein und
hat — entsprechend der mehrfachen Verwendung durch G - noch
dem G-Verfasser isoliert vorgelegen. Der hier zu untersuchende Ab
schnitt beginnt demnach mit B I 33.
Der Text in R I 33—71 ist durch die doppelte Bezeugung
von L und S gut ausgewiesen. Der Rekognitionist scheint seine
G-Vorlage bis auf geringfügige Einschübe (R I 63; s. o. B II 42f.)
1 Neuerdings kommentiert durch H. J. Schoeps: AfZ 4-27; auf die Ä77-
Schrift läßt sich dieser Abschnitt nicht zurückführen; vielmehr weist das
Fehlen des weiblichen Prinzips (Entfaltung des Bösen erst in der achten
Generation: B I 29; vgl. H VIII 12ff.; s. dagegen H III 22,1ff.), der Syzygien-
lehre und überhaupt typisch judenchristlicher Vorstellungen auf heterogenen
Zusammenhang. Als Ursprung ist jüdische (apokryphe) Literatur anzu
nehmen, wie sie ähnlich im Jubiläenbuch vorliegt. Zur Bekonstruktion müßte
beachtet werden, daß die Generationenzählung (B I 29 ff.) schon in G vor
handen war; die Parallele B IV 28 stimmt in der Zählung mit B I 30 über
ein, die - da rudimentär - sicher nicht vom Bekognitionisten eingeführt
wurde (zu Schoeps: AfZ ebd.).
222 Die AJ II-Quelle
kobs wird in Gen 40, 20 f., Ex 1,5 bei den Masoreten mit 70,
in LXX (so auch Act 7,14) mit 75 angegeben. Die AJ II-Quelle
steht mit der Angabe von 72 Seelen allein; sie hat eine Ent
sprechung in B I 40, wo 72 Jünger Jesu (so auch Lc 10,1 codd.
B D lat. syr. u. a.) nach dem „Bilde Moses" (vgl. paläst. Targ.
zu Numll,25f. Walton IV 259) erwähnt werden; in K II 42
sind 72 Nationen angenommen; dagegen werden in Ep.P.
1,2.3,2. H II 38,1. IH47,1 70 Älteste Israels, H XVIII 4,3
70 „Söhne Israels" bei ihrem Einzug nach Ägypten und 70 Na
tionen und Ep.P. 2,1 70 „Brüder" in der Gemeinde zu Jeru
salem gezählt. Die AJ II-Quelle ist also durch die Zählung der
72 von den KII und den übrigen Klementinen abgehoben. Zur
Deutung der Zahlunterschiede s. Schoeps 96 Anm. 5.
b) Gen 15,13; vgl. Act 7,6. H III 43,4; Ex 12,40: 430 Jahre.
c) S. dazu oben zu B I 33 a.
nicht existierte und auch zur Zeit Eusebs noch nicht all
gemein verbreitet war1. Sie wird in einer kleinen Gruppe,
bei den Judenchristen von Pella, entstanden sein, von wo sie
sich erst allmählich herumsprach. Gegenüber Gnostikern und
Christen der Großkirche konnte es nützlich sein, wenn man sich
als Erben der Urgemeinde ausgab ; das wird der Anlaß zur Ent
stehung der Legende sein. Parallelen gab es genug, an die man
anknüpfen konnte: Die Damaskussekte hatte einst Jerusalem
verlassen (Damaskusschrift VI 1. VIII 6; vgl. Charles II 792),
und Theudas war mit seinen Anhängern in die Wüste gezogen
(Joseph. ant. XX 97 Niese IV 292; Act 5,36); auch bot
Mc 13,14 par. eine Schriftbasis, zumal wenn man — wie Lukas —
die Stelle auf die Zerstörung Jerusalems bezog. Legendär ist
die Form des Eusebberichtes (Schwartz, op. cit. 284 Anm. 1);
wie wenig historische Genauigkeit in dieser Tradition herrschte,
geht auch aus R I 39,3 hervor, wo offenbar die erste und
zweite Belagerung Jerusalems nicht mehr unterschieden wird;
denn erst Hadrian erließ das Edikt zur Vertreibung der Juden
aus Jerusalem, das hier anscheinend vordatiert ist (B I 39,3.
extorres loco et regno; Euseb. h. e. IV 6,3 Schwartz II l S. 308,5) :
Für AJ II gibt die Erkenntnis des sekundären Charakters der
Pellatradition einen Hinweis auf die Verbindung mit den Juden-
christen in Pella, der für die Lokalisierung der Quellenschrift
von Nutzen sein wird.
I 40 Aber das Volk glaubte ihm nicht, obwohl es für den Glau
ben an ihn viele Jahrhunderte hindurch a) vorgebildet
war, und nannte ihn einen gefräßigen Menschen, einen
Bauchdiener (Mt 11, 19) und Dämonenbesessenen b). Wenn
nicht die Weisheit Gottes denen beigestanden hätte, die
die Wahrheit Heben, dann wären wohl alle in den gott
losen Irrtum versunken c). Er erwählte uns zwölf zuerst,
die wir an ihn glaubten, und nannte uns Apostel d). Hier
auf berief er zweiundsiebzig andere erprobte Jünger,
„damit auf diese Weise die Menge das Bild Moses erkenne
und glaube, daß er der sei, den Moses als kommenden
Propheten vorausgesagt hatte" e).
a) tot saeculis < S.
b) Vgl. Mc 3,30; Joh 10,20; S glättet.
c) Die Personifikation der göttlichen Weisheit erscheint 'n ver
schiedenen Literarschichten der Pseudoklementinen, für AJ II
außer in B I 40,3 auch in R I 37. 39 ; ein anderer Zusammenhang
1 Gegen die Historizität der Pellatradition wendet S. G. F. Brandon: The
Fall of Jerusalem and the Christian Church, London 1951, 168ff., auch ein,
daß nach dem Josephusbericht (bell. jud. II 458 Niese VI 238) Pella im
jüdischen Krieg zerstört wurde.
232 Die AJ II-Quelle
Das Auftreten des Täufers fällt nach R I 53,5. 54,2 mit der Zer
spaltung des jüdischen Volkes in zahlreiche Parteien zusammen,
ohne daß ihm in den vorliegenden Texten die Urheberschaft
zugeschoben wird (in R I 53,5 gibt L einen beziehungslosen
Ablat. abs., S eine Temporalpräposition: s. o. S. 236)). Neutral
bleibt die Beurteilung auch in R I 54,6 f., wo von den Pharisäern
und Schriftgelehrten, die den Schlüssel des Himmelreiches ver
borgen hielten, gesagt wird, daß sie von Johannes getauft seien.
Anders verhält es sich mit dem Abschnitt H II 23 f., in dem der
Täufer als fJfieQoßa7rcurtrji; und als Sektenstifter erscheint und
Dositheos und Simon Magus seine Schüler genannt werden, die
nach seinem Tode die Führung der Sekte übernahmen. H II 23 f.
stammt weder aus KII noch aus AJ II, gehörte aber schon
der Grundschrift an (s. o. B III S. 46).
c) S liest: J2 j*2 ; so auch R I 61,1 ; L setzt hinzu : gut et Matthias,
ohne jedoch die Diskrepanz zu Act 1,23. 26 verdecken zu
können. Vielleicht hat erst der Grundschriftverfasser Matthias
durch Barnabas ersetzt, da letzterer schon im Anfang des
Klemensromans eine Rolle spielt: HI9,1~RI7,2.7; HI
13,1 f. ~ R I 10,1 f. (der S-Text deutet ein wohl ursprüngliches
Wortspiel mit ßäßßaßos an); HI 15,5 ~ R I 12,5; H I 16,2.4
~ R I 13,2.4; H II 4,1.3.
d) Vgl. dagegen oben den Vorwurf der Sadduzäer: R I 54,2.
e) Wie in den Kerygmen stehen in der AJ II-Quelle christologische
Fragen nicht im Vordergrund. Doch läßt sich aus der obigen
Stelle und dem öfter genannten Titel Christus aeternus (s. o.
R I 43 b S. 234) erschließen, daß der Verfasser Anhänger einer
Präexistenzchristologie war. Wichtig ist, daß auch bei Aristo von
Pella eine „höhere Christologie" nachweisbar ist. Aristo inter
pretierte Gen 1,1 christologisch und las infilio statt in principio
(nach Hieron. in Gen 1,1 PL 23 Sp. 937).
Wahrscheinlich war Aristo selbst ein Judenchrist; denn in dem
Dialog des Jason mit Papiskus ließ er (nach Angabe des Maxi
mus Konfessor und Pseudocyprians : Harnack KK II. 3. Aufl.,
S. 47 f.) einen Judenchristen mit einem Juden auf Grund der
jüdischen Schriften disputieren und nachweisen, daß die
messianischen Weissagungen auf Jesus zu deuten seien. Ganz
ähnlich argumentiert in der AJ II- Schrift Jakobus gegen
Kaiphas (R I 69). Die oben (R I 39d S. 231) geäußerte Ver
mutung, der Verfasser der AJ II-Quelle habe Beziehungen zu
Pella gehabt, erfährt durch die Berührungen mit Aristo eine
neue Stütze.
Keinen christologischen Wert besitzt für uns die vom G-Autor
stammende Aussage, Jesus sei aus dem Wasser herausgehoben
und bei der Taufe Sohn Gottes genannt worden (R I 48) ; sie
schließt sich an Mt 3,16f. par. an und stellt im Zusammenhang
des Gegensatzes von Opfer und Taufe Moses und Jesus einander
gegenüber.
18»
244 Die AJ II-Quelle
vor dem Jahr 150 einzuordnen ; sie wird also nicht vor der zweiten
Hälfte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts entstanden
sein. Genaueres läßt sich schwerlich festlegen1.
1 Da die AJ II-Quelle keine gnostischen Elemente aufweist, repräsentiert
sie sachlich ein ursprünglicheres Judenchristentum als die KII. Für die zeit
liche Ansetzung trägt diese Feststellung freilich nichts aus, da innerhalb des
Judenchristentums verschiedene Richtungen nebeneinander existieren konn
ten.
G. ZUR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE
DES PSEUDOKLEMENTINISCHEN ROMANS
I. Die Grundschrift
Als ein Ergebnis der Untersuchung kann festgehalten werden,
daß das Quellenmaterial, das dem G-Verfasser vorlag, sehr viel
mannigfaltiger gewesen sein muß, als man bisher angenommen
hat. Umfangreichere Quellen als die Kerygmen scheint der
Grundschriftautor nicht verarbeitet zu haben. Das würde er
klären, weshalb er gerade dieser Schrift durch die Voranstellung
der Einleitungsschreiben Ep. P.-Cont. einen besonderen Platz
einräumt. Daneben haben viele kleinere Quellenstücke in dem
Roman Aufnahme gefunden: Neben den judenchristlichen AJ II
wurde ein heilsgeschichtlicher Abriß verwandt, der vom Ver
fasser zweimal benutzt ist (R I 27-32; H VIII 10—19. IX
3-7 ~ R IV 9—13. 27-30). Eine antimarkionitische Quelle läßt
sich in R II 47-60 par. u. ö. nachweisen. Die Gestalt des Simon
Magus hat der Verfasser der Grundschrift einer selbständigen
Quellenschrift entlehnt1. Die Frage, ob dieser auch der Ordina-
tionsbericht (Ep. Cl., H III 60ff. ~ R III 65f.) angehört habe,
ist wohl verneinend zu beantworten. Daher wird auch dieser
als eigenständige Vorlage anzusehen sein.2 In der Genesis
1 Das Verhältnis dieser Schrift zu den Diskussionen „Simons" mit Petrus,
bzw. zum Fluchtmotiv, und des Ganzen zu den alten Petrusakten scheint
mir bisher noch nicht endgültig geklärt zu sein. Schmidt betont mit Recht
gegenüber Waitz die Gestaltungskraft des G-Verfassers (S. 3 1 ff.), die bei der
Rekonstruktion der ,,7777-Quelle" nicht leicht zu hoch zu veranschlagen ist.
Aber man wird Schmidt nicht ohne weiteres zustimmen können, wenn er die
7777- Stücke der Grundschrift unmittelbar aus den alten Petrusakten ableitet
(vgl. Schmidt ebd.).
2 Die Anagorismenfabel ist zwar durch Bousset als Quelle bezeichnet und
durch Kerenyi in die antike Romanliteratur eingeordnet worden; doch ist
wohl B. Rehm (RAG III 200 f.) Recht zu geben, daß es sich hierbei nicht um
eine fixierte Quellenschrift, sondern nur um vorgegebene Motive handelt, die
der G-Autor in seinem Roman zusammenfügte.
256 Der pseudoklementinische Roman
rieht geleitet und in jener Welt mit den ewigen Gütern belehnt
werden (H X 4f. ~ R V 2f.; H XI 16 ~R V 34; H XII 11 ~
R VII 11; R VIII 47).
Es ist für den Grundschriftverfasser charakteristisch, daß er
nicht nur umfangreiche Schriften des Judenchristentums in
seinen Roman übernommen hat, sondern die Motive, die er darin
fand, auch selbständig weiterführte. Das 6 Trßoq^-n^-Motiv ent
nahm er den Kerygmen (H III 20 ~ R II 20; s. o. E II S. 145 ff. ;
vgl. H VIII 10 ~ R IV 9; H XVIII 13 ~ R II 47f.; R
VIII 58-62; RI33b S. 224) und in R I44,3-53,4 a fügte er zahl
reiche Elemente aus den judenchristlichen Vorlagen zu einer Ein
heit zusammen (s. o. F S. 236 zu R I44,3 ff.); er kann also
keineswegs dem Judaismus völlig verständnislos gegenüberge
standen haben. Sehr wenig katholisch ist auch sein Bild von der
Verkündigung Jesu, das er in H I 7,2-6 par. entwirft: Der „Sohn
Gottes" ist in Judäa aufgetreten, um das ewige Leben allen zu
verheißen, die nach dem Willen seines Vaters leben. Von dem
Opfertod Christi, der kultischen Verehrung des Kyrios usw. ist
hier wie auch sonst in den Klementinen nicht die Rede. Wenn
Petrus gelegentlich morgens oder abends ein Bad nimmt, so ist
der Rückgriff auf jüdische Gebräuche unverkennbar (s. o. E VI
S. 208 f.). Vor allem zeigt die Umprägung der Perikope über die
Syrophönizierin (Mc 7,24-29 par.) in H II 19f XIII 7,3 das beson
dere Interesse des G-Autors : Den Wunsch der Syrophönizierin, ihre
Tochter zu heilen, erfüllt Jesus erst, nachdem sie die heidnischen
Sitten verlassen hat und jüdische Proselytin geworden ist. Niketes
und Akylas werden von ihr in griechischer Bildung erzogen, da
mit sie später das Judentum wirksam verteidigen können1. Die
Betonung liegt natürlich nicht auf der Volkszugehörigkeit, son
dern auf der jüdischen noAiteia. Dieser Auffassung entspricht es,
wenn G— sachlich nicht sehr von dem in H VIII 5—7 ~R IV 5 be
schriebenen Verhältnis von Moses- und Jesusjüngern verschieden
(s. o. E IVa S. 164 f.) — behauptet, daß, wer glaube und das Gesetz
beobachte, ein „Jude", wer es aber nicht erfülle, ein „Grieche"
sei (H XI 16 ~ R V 34). Dabei scheint ihm freilich mehr litera
rischer Mutwille als ernsthafte Überzeugung die Feder geführt
zu haben. Aber doch hat der Verfasser den Juden eine besondere
Bedeutung zuerkannt; das erklärt die (relative) Anerkennung
1 H XIII 7,4; an ein jüdisches Disputationsbuch ist deswegen nicht zu
denken; zu Heintze 124, Schmidt 34.
17 Strecker
258 Der pseudoklementinische Roman
XI 185, 18-24; vgl. TU 47,2 S. 87) zu nennen. Das Zitat geht auf
R X 2 zurück (Schmidt 175 f.) ; es deckt sich nicht völlig mit dem
Rufintext: Die Unterscheidung zwischen diesem und jenem Sä-
kulum in der Verbindung mit den guten Werken der Gläubigen
und Ungläubigen fehlt bei Rufin. Es ist also möglich, daß das
Zitat der Grundschrift entnommen ist. Notwendig ist diese An
nahme freilich nicht; denn wie die Interpretatio romana im
zehnten Buch zeigt (Rehm 130 Anm. 158), hat besonders der letzte
Teil der Rekognitionen durch die lateinische Übertragung zahl
reiche Änderungen erfahren. Die Frage, ob das Zitat von
der Grundschrift oder den griechischen Rekognitionen abhängig
ist, entscheidet sich mit der Beantwortung der anderen Frage,
ob es in die Zeit des Origenes zurückreicht oder aber erst späteren
Ursprungs ist.
Die origeneische Herkunft kann nach dem heutigen Stand der
Forschung verneint werden: Seit langem ist der Zusammen
hang des Zitates mit der ähnlichen Zitierung im Opus imperfectum
in Matthaeum zu Mt 10,41 (Montfaucon S. CXV l ; PG 56
Sp. 770) aufgefallen; hier wie dort erscheint die gleiche Klemen-
tinenstelle in einem Matthäuskommentar, ist mit dem nur selten
genannten Danielzitat (4,24) verbunden und mit derselben Ein
leitungsformel eingeführt. Im Opus impf. finden sich noch vier
andere Klementinenstellen. Das Verhältnis dieses Werkes zum
Matthäuskommentar des Origenes hat die Forschung viel be
schäftigt. Hort (S. 43ff.) stellte die Hypothese auf, der Ver
fasser des Opus impf. habe die fünf Zitate sämtlich Origenes ent
lehnt; Chapman suchte andererseits die Abhängigkeit der Ori-
genesstelle vom Opus impf. durch die Annahme einer Inter
polation zu erweisen (Journ. of Theol. Studies 1902, 436 ff.); da
gegen meinte Schmidt (S. 177f.), das Opus imperf. sei nur in dem
einen Zitat von Origenes abhängig. Alle diese Hypothesen haben
das Problem nicht endgültig klären können, weil sie in jedem
Fall zu der Annahme von „Zufälligkeiten" gezwungen waren. Da
gegen ermöglicht eine Arbeit von G. Morin (Quelques ape^us nou-
veaux sur l'opus imperfectum in Matthaeum, Revue Benedictine
1925, 239 ff. ; vgl. die zustimmende Besprechung von E. Riggenbach
ThLB 1926, 33 ff.) eine neue, befriedigende Lösung. Durch den
Vergleich seltener Redewendungen und einzelner Wortformen
fand Morin die stilistischen Kriterien, die es erlauben, den Ver
fasser des Opus imperf. mit dem lateinischen Bearbeiter des
262 Der pseudoklementinische Roman
1 S. 255. — Das trifft auch für die lateinische Übersetzung des Matthäus
kommentars des Origenes zu; vgl. Klostermann- Benz: Zur Überlieferung der
Matthäuserklärung des Origenes, TU 47,2, Leipzig 1931, 74f.
2 Wenn — wie Kl. P. Koppen (Wissenschaftliche Zeitschrift der Ernst-
Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Gesellschafts- und sprachwissenschaft
liche Reihe Nr. 3, Jahrgang IV, 1954/55 S. 245—246) nachzuweisen versuchte—
das Opus imperfectum in Matthaeum schon „im ersten Viertel des 5. Jahr
hunderts" (ebd. 246) anzusetzen ist und dahin die Ausführungen Morins zu
modifizieren sind, wird die Benutzung der griechischen Rekognitionen noch
wahrscheinlicher.
3 Eine Anspielung an R IV 21 (das Unterscheidungsmerkmal zwischen Gott
und Dämon) scheint in Opus impf. zu Mt 7,22 (Montfaucon S. XCVI2D;
PG 56 Sp. 742) vorzuliegen; sie gibt sich jedoch nicht als Zitat und erlaubt
keine Bückschlüsse auf die Grundschrift (zu Rehm 120).
Die Grundschrift 263
-
Die Rekognitionen 269
nische ; er hielt sie für ein echtes Werk des Clemens Romanus und
knüpfte an den Bericht von der Ordination des Klemens durch
Petrus (Ep. Cl.) eine neue Hypothese über die Frühgeschichte
der apostolischen Sukzession in Rom (Praefatio ad Gaudentium).
Die Geltung der Rekognitionen im Abendland konnten auch die
eunomianischen Interpolationen nicht schmälern (s. o. zu R III
2—11 B IV S. 50), die bald nach 378 eingefügt wurden (vgl. Rehm
90). Sie stammen nicht vom Rekognitionisten selbst, da die
genuinen R-Abschnitte keine Spuren von eunomianischer Theo
logie an sich tragen. Damit ist der „terminus ad quem" für die
Entstehung der Rekognitionen gegeben. Sie werden nicht sehr
viel früher, vielleicht um 350, geschrieben sein. Als Heimat des
Rekognitionisten ist (mit Rehm 163) Syrien oder Palästina an
zunehmen.
Die späteren Einfügungen sind von geringerer Bedeutung.
Außer den eunomianischen Interpolationen kam zu den Rekog
nitionen ein Schluß hinzu (R X 65 a—72), der erst nach Rufins
Übersetzung entstand. In die Homilien fand ein A6yos neQl
ydav&Qwmai; (H XII 25-33) mit einem Rückverweis (H XV 5,4)
Eingang (siehe weiteres bei Rehm 165 f.). Später entstanden die
Epitomen und orthodoxen Überarbeitungen, die das bis ins Mit
telalter anhaltende Interesse an der klementinischen Literatur
deutlich machen.
LITERATUR
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284 Literatur
Pseudoklementinen1)
Biblische Schriften
Sonstige Quellen