Einleitung
1. Kasustheorie
1.1. Kasus und Kasussysteme
1.1.1. Grammatikalischer vs. semantischen Kasus
1.1.2. Arten von Kasussystemen
1.2. Die Kasus in der generativen Grammatik
1.2.1. Tiefenstrukturen vs. Oberflächenstrukturen
1.2.2. Fillmores Kasustheorie
1.3. Die Kasus in der Grammatik des Deutschen
1.3.1. Reiner vs. präpositionalen Kasus
2. Entwicklung des Kasussystems beim Substantiv im Deutschen
2.1. Vorgeschichte
2.1.1. Indoeuropäisch
2.1.1.1. Grammatische Kategorien der Substantive im Indoeuropäischen
2.1.1.2. Der Kasussystem im Indoeuropäischen
2.1.1.3. Der Akkusativ im indoeuropäischen Kasussystems
2.1.2. Germanisch
2.2. Geschichte
2.2.1. Althochdeutsch
2.2.2. Mittelhochdeutsch
2.2.3. Frühneuhochdeutsch
2.2.4. Neuhochdeutsch
3. Der Akkusativ im Neuhochdeutschen
3.1. Allgemeines
3.1.1. Der reine Akkusativ
3.1.2. Der präpositionale Akkusativ
3.2. Die Abhängigkeit des Akkusativs vom Verb
3.2.1. Der reine Akkusativ als Ergänzung
3.2.2. Der präpositionale Akkusativ als Ergänzung
3.2.3. Der reine Akkusativ als Angabe
3.2.4. Der präpositionale Akkusativ als Angabe
3.3. Die Abhängigkeit des Akkusativs vom Adjektiv
3.4. Die Abhängigkeit des Akkusativs vom Substantiv
Schlussfolgerung
Резиме на македонски јазик
Literaturverzeichnis
3
Einleitung
Die Systematik und die Bedeutung des linguistischen Konzepts Kasus stellt nicht nur
eine Herausforderung für Lernende dar, sondern zeigt sich als Problematik auch unter
Sprachwissenschaftlern. Das ergibt sich im größten Maße daraus, dass Sprachen keine
festen Systeme sind, sondern im Laufe der Zeit zahlreiche Veränderungen unterworfen
werden, die insbesondere die Form betreffen und die Erklärung für derer Verwendung
erschweren.
Außerdem besteht in der Lingustik darüber keine Einigkeit, ob der Kasus als Form oder
als Bedeutung zu betrachten ist. Fest steht jedoch, dass die Kasus ein wesentlicher Teil
eines Sprachsystems sind, denn sie dienen zur Bezeichnung der Beziehungen in einem
Satz, egal ob sie von einem alten System mit Kasusmarkern erhalten sind, oder von
analytischen Formen ersetzt wurden.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Verbindung zwischen Semantik und Ausdrucks-
form der Kasus unter Beobachtung zu stellen. Dies sei in erster Linie am Beispiel des
Akkusativs beim Substantiv im Deutschen gezeigt, indem Form und Semantik dieses
Kasus auf verschiedenen Sprachstufen betrachtet wird. Dabei kommen seine Verwand-
lung und Funktionsübernahme von anderen Kasus zum Ausdruck.
Teil 1 der Arbeit beschäftigt sich mit der allgemeinen Kasustheorie in dreifacher Hin-
sicht. Erstens wird das Wesen der Kasus in der traditionellen Grammatik erläutert, d.h.
der Kasus wird anhand Form definiert. Zweitens werden die Kasus unter Beobachtung
in der generativen Grammatik gestellt, und zwar mit besonderer Betonung auf die
Semantik der Formen. Letztens werden die grammatischen Fälle im Rahmen der De-
pendenzgrammatik des Deutschen definiert, in zwei große Gruppen angesichts der
Form eingeteilt und die Stellung des Akkusativs in der Kasushierarchie bestimmt.
In Teil 2 wird auf die Vorgeschichte und Geschichte des deutschen Kasussystems ein-
gegangen. Die Betrachtung fängt mit einer Darstellung des Kasussystems des Indoeu-
4
ropäischen und des Urgermanischen an und wird auf den Entwicklungsstufen des Deut-
schen fortgesetzt, welche das Alt-, das Mittel- und das Frühneuhochdeutsche umfassen.
Dabei steht die Vorgeschichte im Vordergrund, weil daraus die Verwandlung der Kasus-
formen, insbesondere der Akkusativform und deren Funktionsübernahme von anderen
Kasus hervorgeht. Damit wird eine semantische Erklärungsweise für das Wesen der Ka-
sus eingeführt.
In Teil 3 werden Beispiele der Gegenwartssprache aufgeführt, die sich grundsätzlich auf
den Akkusativ beziehen. Hier wird der Akkusativ zunächst als reiner Kasus, danach
auch im Rahmen einer Präpositionalphrase betrachtet. Es werden Beispiele für Situa-
tionen in der Alltagssprache angegeben, wo der Akkusativ entweder als eine vom Verb
geforderte Ergänzung oder als eine freie Angabe zum Verbalkomplex vorkommt. So wird
die Rolle dieses Kasus im gegenwartssprachigen Rahmen verdeutlicht und die Er-
klärung für das linguistische Konzept der Kasus mit Beispielen vollendet, die mit pas-
senden Beispielen aus dem Polnischen verglichen werden.
In der vorliegenden Arbeit wurden u.a. Helbig/Buscha ( 182001), Schmidt (92004) und Fill-
more (1968) berücksichtigt.
5
1. Kasustheorie
Das Wort Kasus stammt aus dem lateinischen Lexem c a s u s , das selbst eine Lehn-
übersetzung aus dem griechischen Lexem für ,Fall‘ ist (altgr. ptosis). Dieser Begriff
wurde bereits in der Antike eingeführt und bezieht sich auf die Unterscheidung zwischen
dem Nominativ als Grundkasus (casus rectus) und den restlichen Kasusformen
(casus obliqui), die von der Grundform „abfielen“ (Blake 22006: 214).
Die linguistische Erscheinung Kasus bezieht sich in der traditionellen Grammatik typi-
scherweise auf ein System von Markierungen, von dem grundsätzlich Substantive,
Pronomina und Adjektive affektiert werden und das auf die Beziehung zum übergeord-
neten Element (einem Verb, einer Präposition, einem Substantiv u. Ä.) verweist (Blake
2
2006: 2012). Mit Hilfe der Markierung weicht das Substantiv von der Grundform ab und
stellt verschiedene grammatische bzw. semantische Verhältnisse dar.
Als Beispiel für die Kasusflexion dienen einige Sprachen der indoeuropäischen Sprach-
familie, besonders in älteren Stufen der Entwicklung. Bei diesen Sprachen (z.B. bei dem
Lateinischen und den Sprachen der slawischen Familie) tritt an das Wort eine Endung,
welche die Funktion des Kasusmarkers ausübt. Diese Art der Markierung durch Endun-
gen ist typisch, aber nicht ausschließlich.
Eine weitere Möglichkeit zur Markierung weisen die Pronomen ein, bei denen eine voll-
ständige Suppletion zu merken ist (Blake, 22006: 218). So lautet im Deutschen der No-
minativ der Pronomens für die erste Person im Plural wir, der Genitiv unserer und der
Dativ und der Akkusativ uns.
Die Endungen in den indoeuropäischen Sprachen komplizieren aber weiterhin die Be-
stimmung der linguistischen Kategorie K a s u s , denn eine Endung bezeichnet oft nicht
nur den Kasus des Substantivs, sondern weist auch auf Kategorien wie Genus und Nu-
merus auf (Blake 22006: 213). So zeigt sich die Endung -um bei dem lateinischen Wort
bellum nicht nur als Repräsentant für den Nominativ, den Akkusativ und den Vokativ (in
6
diesem Fall stimmen die Formen der drei Kasus überein), sondern drückt auch das
Genus des Substantivs (Neutrum) und den Numerus (Singular) aus.
Bei der Kasusmarkierung ist es schließlich zu betonen, dass es in jeder einzelnen Spra-
che genau bestimmt ist, welches Wort die Endung bekommt (Blake 22006:213). So ist es
typisch für die slawischen Sprachen, dass auch die das Substantiv begleitenden Wörter
wie Adjektive und Determinative einen jeweiligen Marker bekommen, und nicht nur das
Substantiv.
Im Hinblick auf die Funtion werden die einzelnen Kasus in der Sprachwissenschaft auf
zwei Ebenen betrachtet (Blake 22006: 214). Wenn der Kasusmarker eine rein gramma-
tische bzw. syntaktische Beziehung zwischen den Elementen im Satz herstellt, spricht
man von einem g r a m m a t i s c h e n (s y n t a k t i s c h e n ) Kasus. Diese Funktion üben die
zwei Grundfälle aus: der Nominativ, der in Bezug auf das Verbalkomplex das Subjekt
eines Satzes repräsentiert, und der Akkusativ, der bei transitiven Verben ein vom Verb
direkt abhängendes Objekt ausdrückt.
(3) Der Sommer hat dieses Jahr erstaunlich früh angefangen. (Nominativ, Subjekt)
(4) Ich habe den Sommer dieses Jahr sehr genossen. (Akkusativ, Objekt).
7
Es gibt auch zahlreiche Fälle, in denen die Kasus keine grammatische Verbindung her-
stellen, sondern eine bestimmte semantische Rolle spielen. So kommen einige indo-
europäischen Kasus wie z. B. der Lokativ nur als Bestimmung der Lage bzw. den Ort
des Geschehens vor und hat dadurch keine grammatische Funktion.
Im Beispiel (5) wird das polnische Wort ogród (dt. ,Garten’) für den Ausdruck des se-
mantischen Konzepts Lage in einen bestimmten Kasus dekliniert, in diesem Fall den
Lokativ. In diesem Beispiel kommt nicht die grammatische Funktion zum Ausdruck, son-
dern in der Konstruktion versteckt sich die Information zur Lage bzw. zum Ort des Ge-
schehens. Die semantische Funktion wird aber mit dem Beispiel (6) verdeutlicht, wo der
Dativ kein Objekt im Verhältnis zum Verb ausdrückt, sondern dient nur als Verbindungs-
element angesichts der Bedeutung des Verbs. In diesem Fall spricht man von einem
s e m a n t i s c h e n Kasus.
Der Beispiel (6) zeigt auch, dass es keine klare Abgrenzung zwischen dem gram-
matischen und dem semantischen Kasus gibt, denn verschiedene Kasus kommen je
nach dem Kontext mit unterschiedlichen Bedeutungen vor. Das ist z. B. mit dem Akku-
sativ im Deutschen der Fall:
Der Akkusativ steht im Satz (7) als Repräsentant für das syntaktische Glied Akkusativ-
objekt und zeigt sich somit als grammatischer Kasus. Im Satz (8) geht dagegen die
Verbindung zwischen dem Verbalkomplex nicht rein grammatisch, sondern es entsteht
eine semantische Spezifizierung des Geschehens im Hinblick auf die Richtung. Es
kommt also oft dazu, dass der grammatische Kasus in einem bestimmten Kontext se-
mantisch zu verstehen ist. Eine umgekehrte Situation, wo der semantische Kasus eine
grammatische Funktion ausübt, ist auch möglich. So bezeichnet der Akkusativ im lateini-
schen Satz Vādō Rōmam kein Objekt, sondern Richtung (Blake 22006: 214).
8
Blake (22006: 214 – 215) unterscheidet je nach dem Verhältnis der Formen für das
Agens und das Patiens zu dem Verb vier Arten von Kasussystemen:
In vielen Sprachen gibt aber es homonyme Endungen, was die Bestimmung der Art der
Sprache weiterhin erschwert. So zeigt das Latein eine sichtbare Opposition zwischen
Nominativ und Akkusativ (vgl. Nom. dominus – Akk. dominum; Nom. femina – Akk.
feminam). Dieser formale Unterschied wird aber bei Neutra nicht gemacht. Hier stimmen
die Formen für das Subjekt und das Objekt überein, was typisch für eine Ergativsprache
ist (vgl. centrum als Form sowohl als Nominativ- als auch als Akksusativform).
9
Als Terminus wurde die generative Grammatik erst von Noam Chomsky in den 50er
Jahren des 20. Jahrhunderts eingeführt. Diese Grammatiktheorie hat den Zweck, uni-
versell geltende Regeln in Bezug auf die syntaktischen Kategorien zu stellen, indem die
Mittel zur Darstellung in der Sprachen eher abstrakt präsentiert werden, d. h. ohne Be-
zug auf eine konkrete Sprache (Chomsky 1957: 11).
In der generativen Grammatik spielt die Syntax eine zentrale Rolle. So definiert Chom-
sky (1957: 13) die Sprache als „a set (finite or infinite) of sentences, each finite in length
and constructed out of a finite set of elements“. Das heißt, dass jede Sprache ein bes-
timmtes System von Regeln zur Äußerung syntaktischer Beziehung enthält, mit dessen
Hilfe weiterhin eine unbestimmte Menge von Sätzen gebildet werden kann. Chomsky
geht von den kleinsten Einheiten einer Sprache aus, die eine syntaktische Funktion
haben. Diese Einheiten nennt er f o r m a t i v e s und die sollen später zur Erläuterung
komplexerer Einheiten dienen (Chomsky 1965: 3).
Die zentrale Lage der Syntax ermöglicht es, Wortformen als Folge der tiefen syntakti-
schen Strukturen zu betrachen und nicht umgekehrt, wie es der Fall in der traditionellen
Grammatik ist (Fillmore 1968: 23). In diesem Fall ist es also wichtig, die sog. v e r -
s t e c k t e n K a t e g o r i e n (eng. ,covert categories’) in den Vordergrund zu stellen. Die-
ser Terminus bezieht sich auf grammatische Kategorien, für die es in einer Sprache
sichtbare morphologische Kennzeichen gibt, die aber in einer anderen Sprache ohne
diese Kennzeichen vorkommen, jedoch dieselbe semantische Kategorie bezeichnen.
Mit Hilfe dieser Kategorien lassen sich unterschiedliche Weisen bestimmen, in denen
Sprecher verschiedener Sprachen die Wirklichkeit darstellen (Fillmore 1968: 24).
10
1.2.1. Tiefenstrukturen vs. Oberflächenstrukturen
Bei dem Aufbau eines System von Regeln in der generativen Grammatik berücksichtigt
Chomsky drei Komponenten (1965: 16): eine s y n t a k t i s c h e , eine p h o n o l o g i s c h e
und eine s e m a n t i s c h e .
Die syntaktische Komponente stellt eine Menge von abstrakten formalen Objekten dar,
welche in einem bestimmten Satz eine bestimmte Information enthalten, die sich nur in
diesem Kontext als solche interpretieren lässt.
Die phonologische Komponente bestimmt dagegen die phonetische Form des Satzes
als Folge der syntaktischen Regeln, d. h. sie weist auf die verschiedenen phonologi-
schen Signale hin, die ein syntaktischen Konzept repräsentiert. Diese Komponente wird
durch eine sog. O b e r f l ä c h e n s t r u k t u r (eng. ,surface structure’) determiniert.
Schließlich zeigt die semantische Komponente, wie ihr Name besagt, die bedeutungs-
bezogene Interpretation eines Satzes. Diese Komponente ist ein Ergebnis der syntak-
tischen und wird in der generativen Grammatik als Tiefenstruktur bezeichnet (eng.
,deep structure’).
Sowohl die phonologische als auch die semantische Komponente lassen sich aus der
syntaktischen ermitteln. Diese können zwar in einigen Fällen übereinstimmen, sind aber
laut Chomsky (1965: 16 – 17) nicht als identisch zu verstehen. Wichtig ist hier zu be-
tonen, dass die Obeflächenstruktur mit Hilfe von Transformationsregeln durch die Einfü-
gung bestimmter formaler Elemente ausgedrückt wird. Diese formalen Elemente zeigen
sich z. B. als Kasusmarker, weshalb die Mehrzahl der generativen Grammatiker die Mei-
nung vertreten, dass Kasus als Oberflächenstrukturen zu betrachten seien. Bei ihnen
entsteht mit Hilfe von Transformationsregeln eine bestimmte Form, die von den syntak-
tischen Beziehungen abhängt (Fillmore 1968: 26, 35).
Im Gegensatz zu anderen Vertretern der generativen Grammatik ist Fillmore der An-
sicht, dass der grammatische Kasus eine Rolle als Grundkomponente der Grammatik
11
jeder Sprache spiele. Diese Ansicht wird von der Zentralität der Syntax und von der
Existenz der versteckten Kategorien unterstützt (Fillmore 1968: 23).
In Fillmores Kasustheorie, wo die Syntax im Zentrum der Forschung ist, werden die For-
men der Wörter hinsichtlich der syntaktischen Konzepte ausgedrückt und nicht umge-
kehrt (Fillmore 1968: 23). Das heißt, dass die Struktur eines Satzes, bzw. die Notwen-
digkeit der Kasusverbindung dazu führt, dass sich ein logisches Argument in einem Satz
zeigen muss, unabhägig davon, ob es durch eine Endung oder durch ein bestimmtes
lexikalisches bzw. phonologisches Mittel ausgedrückt wird.
Als Beleg dafür, dass die Formen keinen echten Wert bei der Erläuterung der Kasus
haben sollten, nennt Fillmore die versteckten Kategorien. Zu solchen Kategorien kommt
man nur durch den Vergleich einer Sprache mit einer anderen, wobei es sich merken
lässt, dass dieselben logischen Konzepte in unterschiedlichen Sprachen unterschiedlich
zum Ausdruck kommen (Fillmore 1968: 24).
In den unten genannten Beispielen wird diese Problematik deutlicher. Der deutsche Satz
(9) enthält einen sichtbaren Marker für die Objektbeziehung zum Verb (die typische
Akkusativendung -en), während im Englischen (10) die Form des Artikels unverändert
bleibt. Wird aber die Nominalphrase im Englischen mit einem Pronomen (12) ersetzt,
handelt es sich dann um dieselbe Objektbeziehung wie im deutschen Satz (11).
12
1.3. Die Kasus in der Dependenzgrammatik des Deutschen
Laut Helbig/Buscha (182001: 255) dienen die Kasus dazu, „die Beziehungen der Sub-
stantive zu anderen Elementen im Satz mit Hilfe morphologischer Mittel zum Ausdruck
zu bringen“. Dieser Definition zufolge helfen synthetische Kasusmarker dabei, die Sub-
stantivphrase in ein Satzglied zu verwandeln, sie zu anderen obergeordneten Elemen-
ten zu verbinden und somit einen grammatischen Satz zu schaffen.
In der deutschen Dependenzgrammatik steht das Verb (bzw. der Verbalkomplex) an der
oberersten Stelle im Satz und fordert weiterhin eine Veränderung der Form der Substan-
tivphrase. Diese Forderung wird in der Dependenzgrammatik als Va l e n z bezeichnet,
ein Begriff, der aus den Naturwissenschaften übernommen worden ist.
Helbig/Buscha (182001: 57) definieren die Valenz eines Verbs als „seine Fähigkeit, bes-
timmte Leerstellen im Satz zu eröffnen, die besetzt werden müssen bzw. […] können“.
Demnach kommen die Kasusmarker dann vor, wenn sie vom Verb verlangt werden.
Aus diesem Grund machen Helbig/Buscha ( 182001: 255) einen wesentlichen Unter-
schied zwischen r e i n e m und p r ä p o s i t i o n a l e m Kasus. Falls die Verbindung zwi-
13
schen dem ober- und dem untergeordneten Element in einem Satz unmittelbar herge-
stellt wird, spricht man von einem reinen Kasus. In diesem Fall entsteht ein direkter
Kontakt zwischen dem regierenden Element (R e g e n s ) und dem regierten Element
(D e p e n d e n s ). Die direkte Verbindung ist dem Beispiel (13) zu entnehmen.
Falls die Verbindung zwischen den Elementen mittelbar, d. h. mit Hilfe anderer sprach-
licher Elemente wie Präpositionen zustande kommt, sprechen Helbig/Buscha von einem
präpositionalen Kasus. In diesem Fall kommt zwischen dem regierenden und dem
regierten Element noch eine Präposition vor, sodass ein indirekter Kontakt zwischen
beiden Elementen entsteht. Der Präposition folgt weiterhin eine Substantivphrase in
einem bestimmten Kasus. In Verbindung mit den Präpositionen kommen im Deutschen
drei von den vier Kasus vor. Als Beispiel für die präpositionale Verbindung soll der Satz
(14) dienen:
Das Vorkommen der einen oder der anderen Form passiert natürlich nicht beliebig. In
den oben genannten Beispielen ist zu ersehen, dass ein transitives Verb (13) denselben
Stamm wie ein intransitives Verb (14) haben kann, jedoch es verlangt im Satz eine
unterschiedliche Struktur. Deshalb wird das Verb im Satz (13) mit der reinen Akku-
sativform als Akkusativobjekt ergänzt, wobei das Verb im Satz (14) sich mit dem Sub-
stantiv mit Hilfe einer Präposition verbindet, welche die ganze Substantivphrase in eine
präpositionale umwandelt, sodass nun ein Präpositionalobjekt das Verb ergänzt.
14
2. Entwicklung des Kasussystems beim Substantiv im Deutschen
2.1. Vorgeschichte
Die Geschichte einer Sprache, genauso wie die Geschichte einer Gesellschaft, beginnt
mit den ersten schriftlichen Belegen in der jeweiligen Sprache. So gilt für das Deutsche
als erste Entwicklungsphase das Althochdeutsche (ca. 850 – 1050), in der sich die
Sprache nicht nur aus dem Germanischen herausgelöst hat, sondern auch zum ersten
Mal im Frühmittelalter literarisch belegt worden ist. Alle anderen vorausgegangen Epo-
chen sind der Vorgeschichte zuzurechnen.
Das Indoeuropäische ist eine rekonstruierte Sprache, die als Vorläufer auch anderer
europäischer und asiatischer Sprachen gilt. Es gibt in der Sprachwissenschaft immer
noch keine Eiginung für räumliche und zeitliche Einordung des Indoeuropäischen. Am
verbreitesten ist die Meinung, dass es im 3. Jahrtausend v. Chr. in den Steppen von
Südrussland gesprochen wurde (Угринова-Скаловска 1996: 9 – 10).
15
2.1.1.1. Grammatische Kategorien der Substantive im Indoeuropäischen
Jedoch gibt es bei einigen anatolischen Sprachen keine Unterscheidung zwischen den
drei Genera, sondern eher eine Einteilung nach Belebtheit. Folglich werden beispiels-
weise im Hettitischen die Größen in Animata (Utra) und Inanimata (Neutra) eingeteilt
und es gibt keine Beweise über die Existenz des Femininums (Fortson 22005: 103).
Demnach nimmt Luraghi (2011: 436) an, dass das sich auf dem natürlichen Geschlecht
basierende System von drei Genera ursprünglich auf ein zweigliedriges System zurück-
führen lässt. Aus diesem System muss sich später ein drittes Genus entwickelt haben.
Diese Entwicklung habe sich laut Luraghi (2011: 437f) nach der Entstehung des Deriva-
tionsuffixes -*(e)h2 vollzogen, der zur Bildung von Abstrakta diente. Weiterhin bauten
sich anhand der sematischen Motivation ,Geschlecht’ die drei Glieder der Kategorie aus:
Maskulina, Feminina und Neutra. Die Maskulina entwickelten sich von den Animata, die
16
Neutra von den Inanimata. Die Feminina gelten als Nachfolger der Abstrakta und haben
sich zuletzt entwickelt. Viele Wörter sind auch von einer Genuskategorie in eine andere
übergangen. So gibt es im Deutschen auch Maskulina, die keine Lebewesen benennen
(der Tisch, der Stein, der Fluss), sowie Neutra, die Animata sind (das Kind, das Weib).
Im Bezug auf den Numerus wird bei den Substantiven zwischen S i n g u l a r , D u a l und
P l u r a l unterschieden. Der Dual, der Paare von Größen bezeichnet, ist beispielsweise
im Urslawischen geblieben, aber in den Tochtersprachen hat er sich vereinfacht (Угри-
нова-Скаловска 1996: 104 – 105). Heutzutage kennen in diese Form nur noch das Slo-
wenische und die sorbischen Sprachen, obwohl Reste auch in anderen Sprachen ge-
blieben sind, besonders bei Körperteilen, die immer als Paare vorkommen (vgl. pl. oko –
oczy anstatt *oka). Auch im Mazedonischen gibt es Reste des Duals (око – очи). Bei
den Maskulina hat sich zusätzlich der sog. a u f g e z ä h l t e Plural (maz. ,избројана
множина’) aus dem indoeuropäischen Dual entwickelt (брод – пет брода). In den
germanischen Sprachen ist diese Form schon in der Vorgeschichte verloren gegangen 1
(Clackson 2007: 91).
Anhand der Rekonstruktion, die im größten Teil nach dem sanskritischen Kasussystem
erfolgte, soll die indoeuropäische Ursprache Formen für acht Kasus gekannt haben. In
den Tochtersprachen sind diese Formen zu unterschiedlichem Grad erhalten. So kennt
das Germanische schon in der Vorgeschichte vier Kasusformen, sowie Reste eines
fünften Kasus (Instrumentalis), das Latein kannte sechs, das Urslawische hat sieben
gehalten usw. In den Sprachen, wo die Formen vereinfacht wurden, haben die übrig
gebliebenen Kasusmarker die Funktionen von der geschwundenen Kasus übernommen.
Die Verschmelzung mehrerer Formen ist in der Linguistik als S y n k r e t i s m u s bekannt.
(Clackson 2007: 91).
1
Reste des Duals sind nur noch im Gotischen bei den Verben und einigen Personalpronomen zu finden
(vgl. got. ik – wit – weis).
17
der Vo k a t i v , bzw. der Anruf- oder Anredekasus
der A k k u s a t i v , bzw. das direkte Objekt eines transitiven Verbs (wen-Kasus)
oder Bewegung zu einem Gegenstand hin (wohin-Kasus)
der G e n i t i v , der in erster Linie den Besitzer eines Gegenstandes bezeichnet
(wessen-Kasus)
der A b l a t i v , der Bewegung von einem Punkt aus (woher-Kasus) bzw. Grund
für etwas bezeichnet (warum-Kasus)
der D a t i v oder das indirekte Objekt eines intransitiven Verbs (wem-Kasus)
der L o k a t i v , der zur örtlichen Bestimmung des Gegenstandes dient (wo-
Kasus)
der I n s t r u m e n t a l i s , der einen Gegenstand als Instument bezeichnet (mit-
Kasus)
Laut Kurzová (2001: 106) sind der Nominativ und der Akkusativ im Deklinationssystem
des Indoeuropäischen als G r u n d k a s u s zu verstehen. Die Funktion des Akkusativs als
Objekt-Kasus wird in ihrer Studie nicht berücksichtigt. Kurzová geht eher von den for-
malen Aspekten der Deklination aus.
Bei der Rekonstruktion der Inanimata (Neutra) erscheint nämlich eine vom Nominativ
nicht abweichende Akkusativform. Dagegen zeigt sich bei der Rekonstruktion der
Animata (grundsätzlich Maskulina, aber auch Feminina) die Akkusativendung -m/-n. Die
Nullendung für den Akkusativ der Neutra ist also zu einem typischen Merkmal der Grup-
pe geworden, obwohl später bei einigen ō-Stämmen auch der m-Marker vorkommt (s.
Tab. 1). Dies ist aber als Folge der Generalisierung des Markers zu verstehen (Kurzová
2001: 107).
18
Dasselbe gilt auch für den Plural. Während bei einem typischen Netrum die Endung des
Akkusativs mit der des Nominativs übereinstimmt, enthält das Maskulinum noch eine
zusätz-liche Akkusativendung (s. Tab. 1).
Singular *ṷḷkwo- (ma) ,Wolf‘ *ekṷ- (fa) ,Stute‘ *ǐugó- (ni) ,Joch‘ *peku- (n) ,Vieh‘
Nominativ *ṷḷkwo-s *ekṷ-ā *ǐugó-m *peku
Akkusativ *ṷḷkwo-m *ekṷ-ām *ǐugó-m *peku
Vokativ *ṷḷkw-e *ekṷ-ă *ǐugó-m *peku
w
Plural *ṷḷk o- (ma) ,Wolf‘ *ekṷ- (fa) ,Stute‘ *ǐugó- (ni) ,Joch‘ *peku- (n) ,Vieh‘
Nominativ *ṷḷkwō-s *ekṷ-ās *ǐug-ā *pekṷa
Akkusativ *ṷḷkwō-ms *ekṷ-āns *ǐug-ā *pekṷa
Vokativ *ṷḷkwō-s *ekṷ-ās *ǐug-ā *pekṷa
Aus dem Indoeuropäischen hat sich in erster Linie durch die erste Lautverschiebung das
Germanische als Vorläufer aller germanischen Einzelsprachen ausgelöst. Diese Konso-
nantenveränderung hat sich auf dem gesamten germanischsprachigen Gebiet vollzogen
und kann auch in Beispielen in den modernen Tochtersprachen gefunden werden.
Außer der Verschiebung durchlief das nicht belegte Germanische auch andere phone-
tisch-phonologischen Änderungen (z.B. Wechsel der Vokalqualität und -quantität, Fest-
legung des ursprünglichen freien Akzents usw.). Diese phonetisch-phonologische Ver-
änderungen hatten auch Einfluss auf die Formen der Wörter (Schimdt 92004: 54).
Durch die Festlegung des Akzents auf die erste Silbe ist es zur Abschwächung der Ne-
bensilben gekommen, wovon auch Konsontanten wie Vokale betroffen wurden. So hat
sich auch aus dem Indoeuropäischen -m ein germanisches -n entwickelt (vgl. IE. *tom +
Partikel -a > got. Þana > nhd. den). Es gab auch Fälle, wo der Konsonant geschwunden
ist, z. B. im Akkusativ Maskulinum Singular und im Femininum aller Deklinationen (vgl.
IE. *steinam > ger. *steinan > urnord. steina ,den Stein’).
Laut Schmidt (92004: 55ff) unterscheidet sich das Germanische durch folgende Merkma-
le vom Indoeuropäischen:
19
Im Rahmen des Numerus ist die Form für den D u a l sowohl bei den Substanti-
ven, als auch bei den Verben verloren gegangen. Während in den slawischen
Sprachen der indoeuropäischen Familie das Auftreten zweier Größen mit dem
Dual bezeichnet wurde, übernimmt schon im Germanischen der Plural diese Rol-
le. Reste von diesem Numerus gab es nur im Gotischen (s. Pkt. 2.1.2.).
Von den acht indoeuropäischen Kasus sind im Germanischen nur noch vier For-
men übrig geblieben (Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ), samt Resten des
Instrumentals in einigen altsächsischen bzw. althochdeutschen Beispielen. Die
Rolle des Ablativs und des Lokativs sind im größten Maße vom D a t i v übernom-
men worden, was grundsätzlich auch mit dem Instrumental der Fall ist. Die Form
des Vokativs ist infolge des Synkretismus dagegen mit der des N o m i n a t i v s zu-
sammengefallen.
Am stärksten ist die A d j e k t i v d e k l i n a t i o n ausgebaut worden, wobei zwei neue
Arten von Deklination entstanden: eine starke, deren Entstehung auf die Bindung
des Adjektivs mit dem Demonstrativpronomen dat (daʒ) zurückzuführen ist, und
eine schwache, die sich nach dem Vorbild der n-stämmigen Substantive vollzo-
gen hatte.
In der vorliegenden Tabelle sind Beispiele der Deklination der Substantive im Germani-
schen gegeben:
Singular *gastiz (m) ,Gast‘ *sunuz (m) *gebō (f) *mari (n) ,Meer‘
,Sohn‘ ,Geschenk‘
Nominativ *gastiz *sunuz *gebō *mari
Akkusativ *gastį *sunų *gebǭ *mari
Genitiv *gastīz *sunauz *gebōz *marīz
Dativ *gastī *suniwi *gebōi *marī
Instrumental *gastī *sunū *gebō *marī
Plural *gastiz (m) ,Gast‘ *sunuz (m) *gebō (f) *mari (n) ,Meer‘
,Sohn‘ ,Geschenk‘
Nominativ *gastīz *suniwiz *gebôz *marī
Akkusativ *gastins *sununz *gebôz *marī
Genitiv *gastijǫ *suniwǫ *gebǫ *marjǫ
Dativ *gastimaz *sunumaz *gebomaz *marimaz
Instrumental *gastimiz *sunumiz *gebomiz *marimiz
Tabelle 2. Deklination der Substantiv im Germanischen
2.2. Geschichte
20
Mit dem Germanischen endet die Vorgeschichte des Deutschen. Belege für diese
Ursprache sind, genauso wie für das Indoeuropäische, nicht zu finden. Anfang des 6.
(bzw. des 7.) Jahrhunderts formt sich auf weser-rheinischer und elbischer Grundlage
eine neue germanische Sprache aus. Diese frühmittelalterische Sprache, die in großem
Maße von der Ausbreitung des Christentums beeinflusst wurde, ist in der Geschichte
des Deutschen als A l t h o c h d e u t s c h e Epoche bekannt (Schmidt 92004: 190).
Von dieser Epoche sind die ersten schriftlichen Texte des Deutschen überliefert worden,
mit denen die Geschichte der Sprache beginnt. Eine präzise zeitliche Einordnung für
diese Epoche – genauso wie für die nachfolgenden – ist nicht möglich. Allerdings gelten
in der Germanistik die im Z e i t r a u m z w i s c h e n c a . 7 5 0 u n d 1 0 5 0 u . Z . entstan-
denen Texte als Beispiele für althochdeutsche Literatur.
2.2.1. Althochdeutsch
Das Kasussystem im Althochdeutschen wurde zum größten Teil von dem Germani-
schen übernommen. Je nach dem t h e m a t i s c h e n Laut, der als Bindeelement zwi-
schen dem Stamm des Wortes und dem Kasusmarker vorkommt, zeigen sich im Alt-
hochdeutschen zwei Deklinationsmuster (Schmidt 92004: 223):
die s t a r k e Deklination, bei der das Substantiv einen Vokal als thematischen
Laut enthält. Folglich wird diese Deklination auch vokalische Deklination genannt;
die s c h w a c h e Deklination, bei der das Substantiv einen Konsonanten als the-
matischen Laut enthält. Demzufolge heißt diese Deklination auch konsonantische
Deklination.
21
Maskulinum Neutral Femininum Maskulinum Neutral Femininum
Nominativ tag wort gēba hano Hērza zunga
Akkusativ tag wort gēba hanon, Hērza zungȗn
hanin
Genitiv tagas, -es wortas, -es gēba, -u, -o hanen, hērzen, zungȗn
hanin hērzin
Dativ taga, -e worta, -e gēbu, -o hanen, hērzen, zungȗn
hanin herzin
Instrumentalis tagu, -o wortu, -o - - - -
Plural starke Deklination schwache Deklination
Maskulinum Neutral Femininum Maskulinum Neutral Femininum
Nominativ taga wort gēba hanon, -un hērzun, -on zungun
Akkusativ taga wort gēba hanon, -un hērzun, -on zungun
Genitiv tago wortu gēbono hanono Hērzono zungono
Dativ tagum, -om wortum, -om gēbom, -on hanom, -on hērzom, -on zungom, -on
Instrumentalis - - - - - -
Tabelle 4. Deklination der althochdeutschen Substantive
Wichtig ist zu bemerken, dass das Althochdeutsche immer noch eine hoch synthetische
Sprache ist, in der es ein ausgebautes Paradigma von Substantivendungen gibt.
Das Althochdeutsche hat neben der synthetischen Kasusform der Substantive auch die
zwei im Germanischen entstandenen Deklinationsmuster der Adjektive geerbt: die
s c h w a c h e und die s t a r k e Deklination. Allerdings können alle Adjektive sowohl stark
als schwach dekliniert werden, während jedes Substantiv zu einem bestimmten Muster
gehört. Die unterschiedliche Verwendung der Adjektivformen wird eher syntaktisch be-
stimmt: befindet sich vor dem Adjektiv ein Demonstrativpronomen (bzw. der bestimmte
Artikel), so verlangt dieses die schwache Form. In allen anderen Fällen kommt die
starke Form vor. Die starken Deklinationsformen folgen einem älteren, indoeuropäi-
schen Deklinationsmuster. Die schwache Form hat sich dagegen im Germanischen
entwickelt (Schmidt 92004: 227).
Da die Substantivformen immer noch die Endungen für die einzelnen Kasus enthalten,
waren die Artikelwörter im Althochdeutschen immer noch nicht so stark entwickelt wie in
der Gegenwartssprache. Der bestimmte Artikel, dessen Form der Form des Demonstra-
tivpronomens entspricht, zeigte schon im Germanischen seine Spuren. Der unbestim-
mte Artikel hat aber erst im Althochdeutschen angefangen, sich von der Zahl ein- zu
unterscheiden und sich als ein neues Artikelwort zu entfalten (Schmidt 92004: 231).
22
Interessant für das Althochdeutsche ist die formenreiche Flexion der Kardinalzahlwörter
von 4 bis 12, diee im substantivischen Gebrauch oder nachgestellter Position auch Ka-
susendungen bekamen: mit knĕhton sibinin ,mit sieben Knechten’ (Schmidt 92004: 232).
2.2.2. Mittelhochdeutsch
In der deutschen Linguistik versteht man unter Mittelhochdeutsch die zweite schriftlich
belegte Epoche in der Entwicklung des Deutschen, die um Mitte des 11. Jahrhunderts
mit einer Reihe von Veränderungen begann. Diese Veränderungen betrafen vor allem
das Phonemsystem des Deutschen, beeinflussten aber auch die Flexion. So wurden
infolge der Reduktionsprozesse die Endungen für bestimmte Kasus vereinfacht, indem
alle Kurzvokale zu einem einzigen abgeschwächt wurden. Auch der Umlaut hat zu die-
ser Zeit eine größere Rolle als der althochdeutsche Primärumlaut gespielt, was an Bei-
spielen für den Plural zu ersehen ist. Diese Epoche dauerte ungefähr bis zur Mitte des
13. Jahrhunderts.
Im Hinblick auf den Formenbestand der Substantive zeigen sich zu dieser Zeit wieder
zwei Deklinationsmuster, ebenso wie die im Althochdeutschen: eine starke und eine
schwache Deklination. Das heißt, dass im Gegensatz zu der Gegenwartssprache immer
noch kein gemischter Deklinationstyp für das mittelhochdeutsche Substantiv typisch war
(Schmidt 92004: 275 – 283).
23
Das Zahlwort ein- folgte zu dieser Zeit auch demselben adjektivischen Flexionsmodell
(Schmidt 92004: 283 – 286).
2.2.3. Frühneuhochdeutsch
Um das Jahr 1350 bildete sich auf Grund neuer phonologischer Veränderungen des
Mittelhochdeutschen das Frühneuhochdeutsche heraus. Das ist zurzeit die letzte Epo-
che, in der wichtige phonologische Veränderungen erfolgten. Als Endpunkt für diese
Stufe wird normalerweise das Jahr 1650 erwähnt.
Ein wichtiges Merkmal des Frühneuhochdeutschen ist der weitere Rückgang der Kasus-
marker, der schon früher als Folge der Festlegung des Akzents auf der ersten Silbe an-
gefangen hatte. So bleiben im Neuhochdeutschen nur noch neun von den 16 Flexions-
endungen, die im Mittelhochdeutschen typisch waren und das Nullmorphem breitet sich
stattdessen auf Grund der Abschwächungsprozesse aus. Darüber hinaus beeinflusste
der Zusammenfall der Formen auch den schon früher begonnenen Übergang der
Substantive von einer Klasse in eine andere, wodurch auch das Flexem -ens entsteht
(vgl. das Herz – des Herzens, der Name – des Namens) (Schmidt 92004: 348).
Im Gegensatz zu der Reduktion bei der Kasusflexion wird die Numeruskategorie der
Substantive im Frühneuhochdeutschen stärker ausgebaut. So entsteht im Vergleich zum
Mittelhochdeutschen noch die Pluralendung -s (z. B. Schal – Schals). Das Mor-phem –
er hat sich als einzige ohne Kasusbedeutung besonders verbreitet. Auch der Umlaut
spielt bei der Pluralbildung nun eine viel größere Rolle (Schimdt 92004: 349).
Diese Veränderungen haben sich auch auf syntaktischer Ebene widerspiegelt. Die
Abschwächung, bzw. der Schwund der Kasusmarker des Substantivs, führte zu einer
neuen Ausdrucksweise der Kassbeziehungen. In dieser Epoche übernehmen die dem
Substantiv vorangestellten Begleiter (Determinative und Adjektive) den Kasusmarker:
mhd. (dër) tac – (dëme) tage – (dën) tac, nhd. der Tag – dem Tag – den Tag. Fallen die
Kasusformen des Artikels zusammen, kommt eine Präposition zur Kasusbindung vor:
mhd. da mite ich solte mīner sühte genesen – Luther: ob ich von dieser kranckheit gene-
sen werde (Schimdt 92004: 350).
24
2.2.4. Neuhochdeutsch
Das Neuhochdeutsche kennt vier Kasus: Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv. Im
Rahmen einer Substativphrase zeigen sich hauptsächlich die Determinative als Träger
der Markierung (15), aber beim Fehlen eines Determinativs übernimmt das Adjektiv die
Marker (16). Substantive haben schon früher ihre Form vereinfacht, da die meisten
Substantivendungen verloren gegangen sind:
Auch lässt es sich bemerken, besonders bei der Verwendung des reinen Genitivs, dass
diese Form heute mit Hilfe einer Präpositionalphrase in einen anderen Kasus verwan-
delt wird. Demnach sind die Sätze unter (17) und (18) und diejenigen unter (19) und (20)
als semantisch gleich zu verstehen, wobei die Formen in den Sätzen (18) und (20) et-
was moderner klingen:
(17) Meine Oma erinnert sich gerne des alten Jugoslawiens. (Genitivobjekt)
(18) Meine Oma erinnert sich gerne an das alte Jugoslawien. (Präpositionalobjekt)
(19) Sie wohnt jetzt im Haus ihres Großvaters. (Attribut im Genitiv)
(20) Sie wohnt jetzt im Haus von ihrem Großvater. (Präpositionalphrase mit Dativ)
Deklination im Singular
starke Deklination schwache Deklination der gemischte
(Typ 1) Deklination Feminina Deklination
(Typ 2) (Typ 3)
Maskulinum Neutrum Maskulinum Femininum Neutrum
Nominativ Mann Buch Bote Pflanze Herz
Genitiv Mannes Buches Boten Pflanze Herzens
Dativ Mann Buch Boten Pflanze Herzen
Akkusativ Mann Buch Boten Pflanze Herz
Tabelle 6. Deklination der Substantive im Singular
25
Was den Dativ der Maskulina der starken Deklination betrifft, wird die ältere Endung –e
bei Substantiven mit einem Konsonanten in der Auslautposition in der Regel nicht mehr
hinzugefügt, außer in Fällen stilistischer Hebung (am Tage, am Rande, dem Manne). In
diesem Fall spricht man von dem sog. p o e t i s c h e n Dativ (Helbig/Buscha 182001: 211).
In einigen festen Wendungen, besonders in solchen mit Präpositionen, muss die En-
dung –e unbedingt vorkommen (im Grunde genommen, im Zuge der Rationalisierung ).
Deklination im Plural
Typ 1 Typ 2 Typ 3 Typ 4 Typ 5
Nominativ Männer Menschen Äpfel Bücher Hotels
Genitiv Männer Menschen Äpfel Bücher Hotels
Dativ Männern Menschen Äpfeln Büchern Hotels
Akkusativ Männer Menschen Äpfel Buch Hotels
Tabelle 7. Deklination der deutschen Substantive im Plural
Der oben stehenden Tabelle ist zu entnehmen, dass es im Plural im Wesentlichen keine
Endungen zur Unterscheidung der Kasus gibt, außer den Resten der Dativform bei Sub-
stantiven von Typ 1, 3 und 4. Die restlichen Pluralformen sind eher universell, d. h. es
wird eine einzige Pluralendung benutzt, die den Numerus ausdrückt. Folglich bekommt
das vorausgehende Determinativ oder Adjektiv die Kasusmarkierung, die jedoch homo-
nyme Endungen im Nominativ und im Akkusativ hat.
Die syntaktischen Funktionen der Kasus können nicht einfach definiert werden, denn
das Auftreten einer Kasusform hängt direkt von der Valenz des dem Substantiv überge-
ordneten Elements ab. Dieses Element kann ein Verb, eine Präposition, ein Adjektiv
oder ein anderes Substantiv sein:
So kann ein und derselbe Kasus in einem Satz z. B. entweder als vom Verb geforderte
obligatorische bzw. fakultative Ergänzung vorkommen, aber auch als freie Angabe zum
Verb, die nicht von seiner Valenz abhängt und beliebig hinzugefügt und ausgelassen
werden kann. In den nachstehenden Beispielen werden Fälle mit dem Dativ illustriert:
(25) Ich habe meinem Vater zum Geburtstag gratuliert. (obligatorische Ergänzung)
(26) Ich wasche mir die Hände und komme gleich. (freier Dativ)
26
(27) Im Juni letztes Jahr haben wir uns kennengelernt. (Temporalangabe)
27
3. Der Akkusativ im Neuhochdeutschen
3.1. Allgemeines
Der Akkusativ ist zusammen mit dem Nominativ, dem Dativ und dem Genitiv einer der
vier verliebenen Kasus im Neuhochdeutschen. Morphologisch stimmen die Akkusativ-
formen bei deutschen Determinativen und Adjektiven mit den Formen des Nominativs
überein, mit Ausnahme der Form für die Maskulina, wo die Endung -en typisch ist. Eine
Substantivendung ist nur in der schwachen Deklination vorhanden.
starke Deklination
Maskulinum Femininum Neutral Plural
Nominativ ein (guter) Vater eine (schöne) ein (langes) (glückliche)
Blume Leben Freunde
Akkustiv einen (guten) eine (schöne) ein (langes) (glückliche)
Vater Blume Leben Freunde
schwache Deklination
Nominativ ein (großer) - - -
Mensch
Akkusativ einen (großen) - - -
Menschen
Tabelle 8. Kasusmarker für den Nominativ und den Akkusativ bei dem unbestimmten Artikel
Die anderen Artikelwörter bekommen im Akkusativ vor einem Maskulinum dieselbe En-
dung (vgl. Nom. der – Akk. den, Nom. dieser – Akk. diesen, Nom. welcher – Akk. wel-
chen, Nom. jeder – Akk. jeden). Die Personalpronomen haben dagegen eine reichere
Flexionsparadigma (s. Tab. 9).
Eine Phrase im Akkusativ kann entweder unmittelbar oder mittelbar zu einem obergeor-
dneten Element verbunden werden. Wenn zwischen der Phrase im Akkusativ und dem
28
obergeordneten Element ein unmittelbarer Kontakt besteht, handelt es sich um einen
r e i n e n Akkusativ (28). Falls mit Hilfe einer Präposition ein mittelbarer Kontakt besteht
(29), spricht man von einem p r ä p o s i t i o n a l e n Akkusativ (Helbig/Buscha 182001: 255):
In der Hierarchie der Kasus stellen Helbig/Buscha ( 182001: 285) den Objektsakkusativ
auf den zweiten Rang der zum Verb am engsten verbundenen Aktanten. Demzufolge
kann der Akkusativ in einem Satz mit einem mehrwertigen Verb nicht gelassen werden,
was nicht der Fall mit den anderen Kasus ist. So ist der Beispielsatz (41) grammatisch
korrekt auch wenn das Dativobjekt ausgelassen wird (42), was aber ohne das Akkusa-
tivobjekt nicht der Fall ist (43).
29
Bei der indirekten Verbindung zwischen einer Phrase im Akkusativ und dem obergeord-
neten ist es wichtig, welche bindende Präposition welchen Kasus fordert. So unterschei-
den sich Präpositionen, die nur einen Kasus verlangen und solche, die mit verschie-
dener Bedeutung zwei Kasus fordern (Wechselpräpositionen) oder den Akkusativ als
Nebenkasus regieren (Helbig/Buscha 182001: 357ff).
Andere Präpositionen verlangen entweder den Akkusativ oder den Dativ und das Vor-
kommen des einen oder des anderen Kasus wird von dem Verbalkomplex bestimmt. All-
gemein gilt das Regel, dass der Akkusativ mit Verben zu verbunden ist, die ein zielgeri-
chtetes Geschehen bezeichnen. Bei Verben, die kein zielgerichtetes Geschehen be-
zeichnen, kommt nach der Präposition der Dativ vor (Helbig/Buscha 182001: 359).
Diese Unterscheidung schwächt aber bei der Bildung des sog. Präpositionalobjekts ab,
wo es für jedes Verb eine bestimmte Präposition gibt, die einen bestimmten Kasus for-
dert, dessen Vorkommen nicht angesehen von der Zielrichtung zu bestimmen ist. So
kommt eine Präposition nach einigen Verben mit dem Akkusativ vor (46), bei anderen
Verben aber mit dem Dativ (47).
Folgende Sätze illustrieren die Verwendung des Akkusativs nach einer Wechselpräpo-
sition:
a) an: Letzten Sommer sind wir leider nicht ans Meer gefahren. (Richtungsbestimmung)
Er erinnert sich gerne an seine Kindheit. (Präpositionalobjekt)
30
b) auf: Er hat seine schmutzigen Schuhe auf den Tisch gelegt. (Richtungsbestimmung)
Er hofft auf eine bessere Zukunft in seiner Firma. (Präpositionalobjekt)
c) hinter: Wir können das Regal hinter das Bett stellen. (Richtungsbestimmung)
d) in: Gehst du diesen Sommer wieder in die Niederlande? (Richtungsbestimmung)
Er hat sich schon in sie verliebt. (Präpositionalobjekt)
e) neben: Er kam spät und stellte sich neben seinen Freund. (Richtungsbestimmung)
f) über: Kannst du den Ball über den Zaun werfen? (Richtungsbestimmung)
Die Delegation hat lange über den Klimawandel gesprochen. (Präpositionalobjekt)
g) unter: Die Katze ist unter das Regal gerannt. (Richtungsbestimmung)
h) vor: Stellen wir den Tisch vor den Fernseher? (Richtungsbestimmung)
i) zwischen: Er ging stundenlang zwischen die Gebäude. (Richtungsbestimmung)
In anderen Fällen – wenn das Geschehen nicht-zielgerichtet ist oder bei anderen Ver-
ben mit Präpositionalobjekt (z. B. teilnehmen an, leiden unter, sich fürchten vor usw.) –
verlangen diese Präpositionen den Dativ. Die Präposition entlang bildet eine Präpositio-
nalphrase normalerweise mit dem Akkusativ, aber auch der Dativ kann vorkommen,
ohne dass es von der Bedeutung des Verbs determiniert wird. In diesem Fall spricht
man von einem N e b e n k a s u s (Helbig/Buscha 182001: 358). Auch die Präpositionen ab
erlaubt den Akkusativ als Nebenkasus.
Im folgenden Teil sind Beispielsätze gegeben, in denen eine Substantiv- bzw. eine
Präpositionalphrase mit Akkusativ als obligatorischer Aktant zu einem obergeordneten
Verb vorkommt. Da das Deutsche weniger Kasusformen als das Indoeuropäische kennt,
werden diese Fälle mit Beispielen aus dem Polnischen verglichen, um den Kasussyn-
kretismus des Deutschen deutlicher zu machen 2, sowie die Unterschiede in der Verwen-
dung bestimmter Ausdrucksformen darzustellen. Die Beispiele folgen der Einteilung der
Satzelemente laut Engel (31996: 185 – 239).
In einem deutschen Satz kommt der Akkusativ in zwei Situationen vor, d. h. er repräsen-
tiert zwei Satzglieder. Am häufigsten handelt es sich um einen Objektsakkusativ, der als
2
Das Polnische hat im Gegensatz zum Deutschen 7 von den 8 indoeuropäischen Kasus ererbt:
Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Vokativ, Lokativ und Instrumental.
31
zweiter obligatorischer Aktant eines zwei- oder mehrwertigen transitiven Verb vorkommt.
Dieses Satzglied wird auch als A k k u s a t i v e r g ä n z u n g bezeichnet.
Bei einer positiven Aussage mit einem Akkusativobjekt zeigen sowohl das Polnische als
auch das Deutsche wenige Unterschiede. In den Sätzen (52) und (53) handelt es sich
um ein Maskulinum, das typischerweise eine Endung bekommt. Wichtig ist hier aber zu
betonen, dass es im Polnischen im Rahmen des Maskulinums auch zwischen Animata
und Inanimata unterschieden wird, sodass nur Maskulina, die Lebewesen benennen, die
Endung bekommen (vgl. pl. Nom. mąż – Akk. męża, dt. Nom. der Mann – Akk. den
Mann und Nom. stół – Akk. stół, dt. der Tisch – Akk. den Tisch).
Die Feminina werden nur im Polnischen dekliniert (55), aber Beispiele aus früheren Ent-
wicklungsphasen des Deutschen haben schon gezeigt, dass die Endungen der Femini-
na verloren gegangen sind (s. Pkt. 2.2.1. u. 2.2.2.). Das Neutrum in den Sätzen (56) und
(57) erweist dagegen keine Unterschiede.
Die reine Akkusativform kann auch als eine Expansivergänzung in einem deutschen
Satz vorkommen (64). Bei dieser Ergänzung handelt es sich hauptsächlich um eine
Erweiterung (Expansion), die in einem polnischen Satz lediglich durch eine Präpositio-
nalphrase ausgedrückt wird (65).
32
(64) Der Baum wuchs einen Meter.
(65) Drzewo urosło o metr.
Eine Präpositionalphrase mit Akkusativ wird auch von Verben der Fortbewegung oder
Lageveränderung verlangt. Dieses Satzglied wird traditionell R i c h t u n g s b e s t i m m u n g
genannt, ist aber auch als Direktivergänzung bekannt.
Dieses Satzglied, welches dem Fragewort wohin entspricht, ist keine Neuigkeit in bei-
den Sprachen. Eigentlich soll der Akkusativ auch in der indoeuropäischen Ursprache die
Funktion eines wohin-Kasus ausgeübt haben (s. Pkt. 2.1.1.2.).
33
Der reine Akkusativ kommt im Deutschen nur bei Angaben zur Zeit vor. Diese Satzglie-
der tragen demnach den Namen Te m p o r a l a n g a b e n .
In diesen Beispielen wird es deutlich, dass sowohl das Deutsche als auch das Polnische
in einer Phrase ohne Präposition zur zeitlichen Bestimmung den Akkusativ verwenden.
Außerdem kommt der reine Akkusativ in Angaben des Datums bei Briefen vor: den 8.10.
(den achten Zehnten). Demgegenüber wird im Polnischen in diesem Fall eher der Geni-
tiv verwendet: 8.10. – ósmego dziesiątego.
Eine Präpositionalphrase mit Akkusativ kann entweder die Funktion einer Temporalan-
gabe ausfüllen oder die einer k o m m i t a t i v e n . Im zweiten Fall bezeichnet die Präposi-
tionalphrase das Fehlen eines Begleiters.
Bei der Temporalangabe lässt es sich bemerken, dass der polnische Satz unter (79) die
reine Form des Akkusativs bevorzugt. Für die kommitative wird in beiden Sprachen die
Präpositionalphrase bevorzugt, obwohl das Polnische hier den Genitiv regiert (81).
Sowohl der reine als auch der präpositionale Akkusativ können in einem Satz anhand
der Valenz eines Adjektivs erscheinen, d. h. eine Akkusativphrase kann auch einem
Adjektiv untergeordnet sein. Der reine Akkusativ übt die Funktion eines Objekt zum
18
Prädikativ (Helbig/Buscha 2001: 262). Im Vergleich zum deutschen Satz (82) wird im
Polnischen statt des präpositionalen Akkusativ der reine Genitiv verwendet.
Auch der präpositionale Akkusativ kann im Deutschen als Objekt zum Prädikat in einem
Satz erscheinen. Im Polnischen wird auch hier ein präpositionaler Kasus verwendet,
34
jedoch nicht nur der Akkusativ, der nur im Beispiel (91) dem deutschen Kasus ent-
spricht. Im Satz (87) wird dagegen der präpositionale Genitiv regiert.
35
3.4. Die Abhängigkeit des Akkusativs vom Substantiv
Folgende Beispiele illustrieren die Fälle, wo der reine Akkusativ die Funktion einer Ap-
position ausübt (88). Das Beispiel (89) beweist, dass auch im Polnischen der Akkusativ
als Apposition vorkommt.
Der präpositionale Akkusativ übt in Verbindung zu einem Substantiv die Funktion eines
Attributs aus, was in den Beispielen (90) und (92) gezeigt wird. Im Polnischen gibt es
auch nur im Beispiel (91) eine Übereinstimmung im Hinblick auf den Kasus. Dagegen
wird im Satz (93) ein anderer Kasus verwendet, der präpositionale Lokativ.
36
Schlussfolgerung
Im Hinblick auf die Kasusflexion haben die deutschen Substantive als Träger der Kasus-
marker schrittweise an Geltung verloren, sodass die Endungen grundsätzlich auf die
neu entstandenen Determinative, aber auch auf die Adjektive übergingen (s. Pkt. 2.2.3.).
Aufgrund der Abschwächungsprozesse, die sich nach der Festlegung des Akzents voll-
zogen haben, sind die meisten Kasusendungen verloren gegangen. Somit hat sich eine
neue analytische Weise zur Kasusmarkierung entickelt, in dem nur ein Wort in der Phra-
se die Marker für eine bestimmte Kategorie bekommt (s. Pkt. 1.1.).
Die Flexion der deutschen Feminina im Akkusativ zeigt einen weiteren Unterschied
zwischen den beiden Sprachen. Im Deutschen stimmen die Formen für Nominativ und
Akkusativ bei der Feminina überein, was eine weitere Folge des Kasussynkretismus ist.
Im Polnischen haben die Feminina dagegen die ältere Flexion gehalten.
37
(99) Weż proszę wielką butelkę.
(100) Die große Flasche stand auf dem Tisch.
(101) Nimm, bitte, die große Flasche.
Neben dem Kasussynkretismus hat sich im Deutschen gleichzeitig die Möglichkeit zum
Ausdruck der Kasusbeziehungen mithilfe von Präpositionen verbreitet. Diese analyti-
sche Weise hat sich aber immer noch nicht völlig entwickelt. Es gibt aus diesem Grund
auch Fälle, wo sowohl die ältere Form mit einer Kasusendung, als auch die präpositio-
nale Verbindung möglich sind (s. Pkt. 2.2.4.). Die Neigung zur präpositionalen Verbin-
dung ist aber eine allgemeine für die Tochtersprachen des Indoeuropäischen. Auch im
Gegenwartspolnischen werden die Präpositionen immer häufiger verwendet (s. Pkt. 3).
Vom Vergleich zum Polnischen ist aber zu bemerken, dass die Verwendung der Präpo-
sitionen und die entsprechenden Kasusformen in jeder Sprache unterschiedlich ist. So
wird im Polnischen der Genitiv sowohl im reinen als auch im präpositionalen Gebrauch
viel häufiger als im Deutschen verwendet, was in unten genannten Beispielen gezeigt
wird. Die Regeln zur Verwendung von Präpositionen und von Kasus sind also nicht uni-
versell, obwohl sie in beiden Sprachen vorkommen (s. Pkt. 3.2. – Pkt. 3.4.).
Die oben genannten Beispiele für die Veränderung der Kasuskategorie sowohl auf einer
morphologischen als auch auf einer syntaktischen Ebene haben gezeigt, dass Sprachen
keine festen Systeme sind – sie werden aus verschiedenen gesellschaftlichen, kulturel-
len, geographischen und weiteren Gründen ständigen Veränderungen unterworfen.
Diese Veränderungen führen zu neuen Ausdrucksweisen für älteren logischen Kon-
zepte, was ein langer Prozess ist. Folglich wird in den Tochtersprachen des Indoeuro-
päischen die analytische Ausdrucksweise bevorzügt, die aber häufig neben der älteren
synthetischen Weise vorkommt.
38
Das Neuhochdeutsche ist ein gutes Beispiel für solche grammatische Änderungen. Es
hat sowohl Zeichen eines älteren System gehalten (z. B. die Kasusendungen bei Deter-
minativen, die suppletivischen Kasusformen der Pronomen u. Ä.), als auch die präposi-
tionale Verbindung entwickelt, sodass sie als Nebenform zu den alten Markern vor-
kommt. Schließlich lässt es sich bemerken, dass das Neuhochdeutsche mitten eines
Prozesses von Strukturveränderung ist, der weiterhin auch neue Strukturen entwickeln
und ältere hinter sich lassen könnte.
39
Резиме на македонски јазик
40
Во германската наука за јазикот се наведува дека падежите служат за да ги изра-
зат односите на именските зборови со другите елементи во реченицата со помош
18
на морфолошки средства (Helbig/Buscha 2001:255). Германскиот јазик, всушност,
наследил од постара фаза на неговиот развој наставки за четири падежни форми
(номинатив, акузатив, датив и генитив), кои се разликуваат и по род (машки, жен-
ски и среден) и по број (еднина и множина). Овие наставки им служат на имен-
ските зборови при поврзување со други членови во реченицата и така се изра-
зуваат различни реченични членови.
41
модел. Тоа сака да каже дека во ова време германскиот именски збор бил под
силно влијание на наставки кои ги изразувале падежните форми. За оваа фаза
карактеристичен е и постепениот развој на неопределениот член од бројот eins,
иако истиот сé уште не се употребувал толку активно. (Schmidt 92004:190-232)
Од околу 1050 до околу 1350 год. германскиот јазик претрпил низа на промени на
фонолошко ниво, при што секако се изменил до одредена мера и системот за дек-
линација на именките. Всушност, со процесите на редукција на самогласките во
ненагласена позиција, наставките од именската деклинација почнале сé повеќе да
се изедначуваат. Сепак, јазикот и во оваа фаза останал доста синтетички и ги
задржал двата модела на деклинација – и силниот и слабиот. Јазикот во оваа епо-
ха се нарекува средновисокогермански. (Schmidt 92004:275-291)
Во германскиот јазик важи правило дека наставката која сигнализира род, број и
падеж може да се појави само еднаш во рамките на именската односно предлош-
ката синтагма. Тоа значи, дека доколку падежната наставка отсуствува кај членот,
таа ќе се појави на придавката, доколку има таква во рамки на самата група (Hel-
big/Buscha 182001:273).
42
единствена која не означувала падеж. Исто така започнува да се употребува и
наставката -ѕ, која претходно не се користела во множина.
43
Literaturverzeichnis
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Jerrold Murray: Syntax and Semantics Vol. 8: Grammatical Relations. Cambridge:
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Helbig, Gerhard / Buscha, Joachim ( 182001): Deutsche Grammatik für den Ausländer-
unterricht. 18. Aufl. Leipzig: Langenscheidt Verlag Enzyklopädie.
Kurzová, Helena (2001): Zur Syntax und Semantik der indoeuropäischen Kasus. In:
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45