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Preise, Mieten und Renditen

Der Immobilienmarkt transparent gemacht


Impressum

Herausgeberin Zürcher Kantonalbank

Autoren Marco Salvi, Patrik Schellenbauer,


Hansjörg Schmidt (Kapitel 8)
Zürcher Kantonalbank

Karten Marina Richter


Zürcher Kantonalbank

GIS-Analysen Ruth Müri Leupp


Zürcher Kantonalbank

Redaktion Othmar Köchle


Zürcher Kantonalbank

Gestaltung Designalltag, Zürich

Landeskarten reproduziert mit Bewilligung von swisstopo (BA046526).

Bilder zefa blueplanet

Druck Zürichsee Druckereien AG

© Copyright 2004 by Zürcher Kantonalbank


Preise, Mieten und Renditen

Der Immobilienmarkt transparent gemacht


Inhaltsverzeichnis

Editorial von Claudio Müller 5

Einleitung 7

Teil 1
Der Eigenheimmarkt
Wie bestimmt sich der Preis einer Liegenschaft? 13

1. Hedonische Immobilienbewertung
Das Haus und seine Merkmale 14

2. Mikrolage
Vom Wert der Sicht und anderer Dinge 26

3. Makrolage
Standorte im Wettbewerb 38

4. Immobilienpreisindizes
Auf solidem Fundament 58

5. Wohneigentum
Für viele tragbar 65

Teil 2
Immobilien als Anlagen
Welche Rendite für welches Risiko? 79

6. Anlageimmobilien
Von Risiken, Renditen und Nebenwirkungen 80

7. Immobilien in gemischten Portfolios


Risikostreuung lohnt sich immer 92

8. Immobilienderivate
Ein Blick in die Zukunft 101

3
Editorial

Immobilien – eine ganz langweilige Anlage! Diese Aussagen hörte man bis
vor wenigen Jahren besonders bei professionellen Anlegern recht häufig.
Aktien und New Economy waren gefragt. Heute tönt es ganz anders. Die
Nachfrage nach Objekten übersteigt das Angebot bei weitem. Mehr und
mehr Mieter werden zu Eigentümern. Ist nun alles besser geworden? Hat man
wirklich dazu gelernt? Ich glaube ja und nein.

Ja, indem man heute besser versteht, mit dem Wert «Immobilie» umzugehen,
und sie als langfristige wertbeständige Anlage wieder schätzt. Aber vieles
ist noch im Argen. Immobilien haben am Realkapital der schweizerischen
Volkswirtschaft einen Anteil von rund zwei Dritteln. Das ist kein Verschreiber!
Alle übrigen Werte zusammen machen etwa das restliche Drittel aus. Wenn
man bedenkt, welchen Aufwand, welche Aufmerksamkeit man Teilen dieses
Drittels zukommen lässt, denken wir da an Aktien, Obligationen, Fonds usw.,
erscheint dies schon einigermassen erstaunlich. Immobilien als Anlage wer-
den von weiten Kreisen immer noch wie ein Stiefkind behandelt.

Die Zürcher Kantonalbank – von Haus aus die Immobilienbank Nummer 1 in


der Region Zürich – beschäftigt sich seit Jahren sehr intensiv mit der Anlage
«Immobilie». Immobilienindizes, hedonische Bewertungsmethoden, risiko-
gerechtes Pricing von Hypotheken sind einige Beispiele, wie die Bank in
dieser Thematik eine Vorreiterrolle übernommen hat. Mit der Weiterentwicklung
ihres Angebots auch in den Bereich Real Estate Investment macht sie einen
konsequenten weiteren Schritt. Investoren, kleine wie grosse, wollen heute
von einer Bank Kompetenz und umfassende Lösungen. In einem Netzwerk,
in welches Fachleute verschiedenster Disziplinen eingebunden sind, können
wir umfangreiche und komplexe Aufgaben im Real Estate Investment Banking
für Kunden übernehmen.

Eine Voraussetzung ist das genaue Kennen des Marktes. Die Publikation
«Preise, Mieten und Renditen: Der Immobilienmarkt transparent gemacht» ist
ein Resultat intensiver Forschungen verbunden mit grosser Immobilienerfahrung.
Die Zürcher Kantonalbank freut sich, den Leser und die Leserin in einer fundierten
und umfangreichen Publikation an diesem Wissen teilnehmen zu lassen.

Claudio Müller
Immo Consult, Zürcher Kantonalbank

5
Einleitung

Auf dem Weg zu mehr Transparenz

Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Dies bringt es mit sich, dass jeder, ob Eigen-
tümerin oder Mieter, auch im alltäglichen Leben mit dem Immobilienmarkt kon-
frontiert wird. Die Frage nach dem richtigen oder «fairen» Preis von Wohnungen
und Häusern löst nicht nur beim Abendessen unter Freunden hitzige Diskussionen
aus. Vom Kauf einer Liegenschaft, der Suche nach einer Hypothekarfinan-
zierung, der Einschätzung durch das Steueramt bis hin zur Optimierung der
Immobilienportfolios einer Pensionskasse ist die Bewertungsfrage von zentraler
Bedeutung. In dieser Hinsicht unterscheiden sich Immobilien wesentlich von
anderen dauerhaften Gütern oder Anlagekategorien. Wer sich beispielsweise
nach dem aktuellen Marktwert einer bestimmten Aktie erkundigen will, kann
in Echtzeit auf den zuletzt gehandelten Börsenkurs zurückgreifen. Im Vergleich
zu Aktien werden Immobilien allerdings selten gehandelt. Der zuletzt bezahlte
Preis für ein bestimmtes Wohnobjekt liegt oft so weit zurück, dass er für die
Bestimmung des aktuellen Liegenschaftswertes weitgehend irrelevant ist: Nicht
nur hat sich das Niveau der Immobilienpreise verändert, sondern die
Liegenschaft selbst hat sich entwertet (physische Abschreibung), die Architektur
ist möglicherweise aus der Mode gekommen (ökonomische Abschreibung)
oder die Qualität der Lage ist nicht mehr die gleiche. Aktuelle Verkaufspreise
von Nachbarliegenschaften – sofern vorhanden – helfen nur bedingt, da
jedes Objekt sich von den anderen unterscheidet, nicht zuletzt wegen der
unterschiedlichen kleinräumigen Lageeigenschaften.

Die zentrale Bedeutung der Liegenschaftsbewertung lässt sich demnach auf


die Intransparenz des Immobilienmarktes zurückführen, insbesondere auf
seine Heterogenität und Illiquidität. Während der Umsatz aller gehandelten
Aktien im Swiss Market Index (SMI) im Jahr 2003 140 Prozent des Marktwertes
erreichte, betrug die entsprechende Vergleichszahl auf dem Wohneigentums-
markt lediglich 2 Prozent. Das heisst, dass nur jedes fünfzigste Objekt in einem
Jahr seinen Eigentümer wechselt, während die typische SMI-Aktie jährlich
1,4 mal gehandelt wird. Es sind diese Eigenheiten des Immobilienmarktes,
welche die Informationsbeschaffung wesentlich erschweren und verteuern.

In den letzten Jahren hat ein Paradigmawechsel eingesetzt, der finanzöko-


nomische Denkweisen in die Immobilienbewertung einbringt und die tradi-
tionelle Methodik mit neuen Ideen und Ansätzen bereichert. Dank statistisch
und ökonomisch fundierten Verfahren haben sich auch im eher konservativen
Bewertungsgeschäft analytische Methoden etablieren können. Dieser Prozess
ist nicht zuletzt eine Folge der verbesserten Datenverfügbarkeit. Konkret bildet
die systematische Erfassung und Auswertung von Marktinformationen die Voraus-
setzung und den Ausgangspunkt für die Entwicklung dieser neuen, daten-
gestützten Immobilienbewertungssysteme.

Die Zürcher Kantonalbank leitete entsprechende Schritte schon im Jahr 1994


ein und führte die hedonischen Bewertungsmodelle im Jahr 1998 operativ in
der Kreditprüfung ein, als erste Bank in der Schweiz. Seither hat sich diese

7
Methode in kürzester Zeit für die Bewertung von Wohneigentum im Rahmen
der Finanzierung schweizweit durchgesetzt. Sie wurde für die Bestimmung
der statistischen Referenzmiete vorgeschlagen und für die Konstruktion von
neuen Immobilienpreisindizes eingesetzt, wie beispielsweise dem homegate.ch-
Angebotsmietindex.

Für die Kreditprüfung wird bereits heute weit über die Hälfte der von Schweizer
Banken finanzierten Objekte im Bereich Wohneigentum mit der hedonischen
Methode geschätzt. In den USA bilden statistische Methoden der Immobilien-
bewertung (engl.: Automated Valuation Systems oder AVS) schon seit zehn
Jahren den Industriestandard.

Dennoch gibt es immer wieder Anlass zu Missverständnissen und Diskussionen;


so wird oft gefragt, ob man so vielschichtige Elemente wie die Qualität einer
Lage wirklich mittels objektiv messbarer Kriterien sinnvoll abbilden und deren
ökonomischen Wert messen kann. In den Kapiteln 1 bis 3 dieser Publikation
wird gezeigt, wie dies möglich ist. Mehr noch: dank den analytischen Ansätzen
gewinnt man neue, zum Teil überraschende und – so hoffen wir – interessante
Einblicke in die Funktionsweise des Immobilienmarktes. Einen besonderen
Schwerpunkt bildet die Messung der Preise der kleinräumigen Lageeigen-
schaften wie der Aussicht oder der Nähe zur Infrastruktur. Aufbauend darauf
wird eine flächendeckende Karte der Lagewerte aller Hektaren im Siedlungs-
gebiet des Kantons Zürich präsentiert.

Die Kenntnis der Marktpreise der relevanten Eigenschaften von Liegenschaften


ist ebenfalls Voraussetzung für die Bildung von Indizes, welche die effektive
Entwicklung der Preise aufzeigen, nicht aber vom Einfluss sich ändernder
Merkmale wie Grösse, Qualität und Lage verzerrt werden. Dies wird im
Kapitel 4 erläutert. Im Bereich des Mietmarktes wird der homegate.ch-Angebots-
mietindex vorgestellt.

Auch im Land der Mieterinnen und Mieter ist das Wohneigentum im Vormarsch.
Im Kapitel 5 werden die Bestimmungsgründe dieser Entwicklung unter die
Lupe genommen. Im Zentrum stehen dabei die finanzielle Tragbarkeit von
Wohneigentum sowie die Determinanten, die den Entscheid für oder gegen
Wohneigentum bestimmen. Potenzielle Eigentümer werden sich dafür interes-
sieren, ob der Zeitpunkt zum Erwerb heute günstig ist. Darum wird die Frage
diskutiert, wie teuer Schweizer Immobilien in der langfristigen Optik zurzeit
sind.

Nach der analytischen Fundierung der Bewertung und der Abbildung der
Preisentwicklung tauchen auf dem Weg zu mehr Transparenz weitere Fragen
auf. Es sind dies Fragen nach den grundlegenden Eigenschaften von Immo-
bilien als Anlageklasse. Wie hoch waren und sind die erzielbaren Renditen,
wie gross sind die Risiken im Vergleich mit anderen Anlagen, welche Risikoarten
sind zu beachten, welchen Diversifikationsbeitrag leisten Anlageimmobilien
in gemischten Portfolios? Das sind die Kernfragen, die in den Kapiteln 6 und

8
7 beantwortet werden. Auf die Darstellung von indirekten Anlagen wie
Immobilienfonds und -gesellschaften wurde bewusst verzichtet. Ihnen wird
eine separate Publikation gewidmet werden.

Im Wissen um die Chancen und Risiken von Immobilienanlagen werden im


Kapitel 8 schliesslich die Möglichkeiten des Handels von Immobilienmarktrisiken
untersucht. Längst gibt es Märkte, auf denen die Risiken von Aktien, Zinsen,
Rohstoffen und anderen Basiswerten gehandelt werden können. Die Etablierung
eines analogen Marktes für Immobilienderivate ist Voraussetzung für eine
aktive Bewirtschaftung und Limitierung der Marktrisiken in den Portfolios von
grossen Immobilieneignern. Aber auch dem Bausparer könnten solche Produkte
die Möglichkeit eröffnen, sein Kapital vor unerwarteten Preisanstiegen der
Immobilien und damit einem realen Kaufkraftrückgang hinsichtlich seines
Sparzieles zu schützen.

9
Für eine gute Aussicht wird
an Top -Lagen ein Zuschlag von
15 Prozent bezahlt.
Teil 1

Der Eigenheimmarkt
Wie bestimmt sich der Preis einer Liegenschaft?

13
1 Hedonische Immobilienbewertung
Das Haus und seine Merkmale

Die hedonische Methode geht von der einfachen Annahme aus, dass die
Marktpreise von gehandelten Immobilien Informationen über die Bewertung
der einzelnen wertbestimmenden Attribute der Immobilien enthalten. Diese
Attribute umfassen die Lage, die Grösse, die Qualität, das Alter, den Zustand,
kurzum, sämtliche Eigenschaften einer Liegenschaft, welche den Bewohnern
einen Nutzen stiften. Dahinter steckt die Vorstellung, dass wir es nicht mit
einem Markt für Immobilien zu tun haben, sondern mit Märkten für die einzelnen
Eigenschaften, physisch gebündelt in einem Haus 1. Der Wert dieser Eigen-
schaften ist sozusagen im Preis der Immobilien «versteckt» und kann durch
geeignete statistische Analysen ermittelt werden. Der Frankenwert einer Immo-
bilie entspricht demnach der Summe der bewerteten Eigenschaften. Sind die-
se impliziten Preise der Eigenschaften einmal bekannt, so können sie für die
Bewertung weiterer Liegenschaften eingesetzt werden.
Der grosse Vorteil der hedonischen Methode liegt in der Verwendung von
effektiven Marktdaten. Der geschätzte Wert der Liegenschaft widerspiegelt
somit direkt die Meinung aller Immobilienmarktteilnehmer, sowohl auf der
Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite.

In dieser Studie wird das hedonische Verfahren auf zwei Immobilienkategorien


angewandt: Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen. Diese Objekte
werden in der Regel von ihren Eigentümern bewohnt und bilden deshalb das
so genannte Eigenheimsegment. Für mehr als 15000 Liegenschaften im Kanton
Zürich wurden – nebst dem Preis – eine Vielzahl von Eigenschaften erfasst,
welche für die Preisbildung relevant sind. Die folgende Aufzählung gibt einen
Überblick über einige der wichtigsten erfassten Eigenschaften.

Merkmale der Liegenschaft

– Alter
– Grundstücksfläche
– Rauminhalt resp. Wohnfläche
– Eigentümeranteil (nur Stockwerkeigentum)
– Anzahl Zimmer
– Anzahl Nasszellen
– Zustand der Bausubstanz
(neu/saniert/gut unterhalten/sanierungsbedürftig)
– Waschküche
– Isolierverglasung
– Einzel-/Doppelgarage
– Tiefgarage
1: Diese impliziten Eigen- – Bodenheizung
schaftenmärkte wurden – Moderne Küche/Bad
erstmals 1974 durch den – Swimmingpool/Sauna
amerikanischen Ökonomen – Bauweise (massiv/nicht massiv)
Sherwin Rosen konsequent – Lage innerhalb des Gebäudes
theoretisch fundiert. – Minergiestandard

14
Merkmale der Lage

Makrolage

– Zugehörigkeit zu einer Region


– Zugehörigkeit zu einer Gemeinde
– Steuerkraft und Steuersatz der Gemeinde
– Fahrzeit nach Zürich (Privatverkehr)
– Fahrzeit nach Winterthur (Privatverkehr)

Mikrolage

– Hangneigung, Exposition des Hanges (Besonnung des Grundstücks)


– Aussicht und Seesicht
– Bauliche Dichte (Ausnützungsziffer, Baumassziffer)
– Sozioökonomische Zusammensetzung der Nachbarschaft
– Entfernung zur nächsten Hochspannungsleitung
– Entfernung zur nächsten Bahnlinie
– Entfernung zum nächsten Einkaufszentrum
– Entfernung zum nächsten Erholungsgebiet
– Entfernung zur nächsten S-Bahn-Haltestelle
– Entfernung zur nächsten Schule
– Entfernung zum nächsten Kindergarten
– Lärmbelastung
– Belastung durch Schadstoffe (NOX)

Zweifelsohne vermag auch diese lange Liste nicht alle individuellen Einzelheiten
eines Hauses vollständig zu erfassen. Die ästhetische Dimension oder die
architektonische Qualität der Liegenschaft fehlen weitgehend, was von den
Methodenkritikern oft als «Beweis» für das Versagen der hedonischen Methode
vorgebracht wird. Die Frage, ob die erfassten Eigenschaften die Liegenschaften
umfassend darstellen, lässt sich aber auf einfache Weise empirisch beantworten.
Ein zu sparsames Modell, das wichtige Eigenschaften der Liegenschaften
auslässt, wird nur einen geringen Teil der beobachteten Hauspreisunterschiede
erklären können. Die von uns gewählten preisbestimmenden Faktoren vermögen
jedoch mehr als 85 Prozent der Varianz der Preise von Einfamilienhäusern
bwz. Eigentumswohnungen zu erklären, was als ausserordentlich gut bezeichnet
werden kann. Das bedeutet, dass 70 Prozent der Abweichungen zwischen
bezahltem Preis und geschätztem Wert kleiner sind als 10 Prozent. Zwar sind
diese Fehler teilweise auf Unzulänglichkeiten der Modelle (preisrelevante
Faktoren, die das Modell nicht kennt) zurückzuführen, aber keineswegs aus-
schliesslich: Auch der Markt macht Fehler!

Wie auf allen Märkten von heterogenen Gütern mit unvollständiger Information
(gebrauchte Autos, Stellenmarkt usw.) kommt es auch auf dem Immobilienmarkt
vor, dass eine Transaktion zu «falschen» Preisen abgeschlossen wird. Das
heisst, es wird mehr oder weniger als der faire Wert – verstanden als Summe

15
aller bewerteten Eigenschaften einer Liegenschaft – bezahlt. Dies ist zum
Beispiel der Fall, wenn die Verhandlungsstrategie oder das Marketing einer
Partei besonders geschickt ist, während die Gegenpartei nur über unvoll-
ständige Informationen verfügt. Handwechsel finden weiter unter unter-
schiedlichen Zeitvorgaben statt. Will oder muss ein Besitzer schnell verkaufen,
wird er möglicherweise mit einem etwas geringeren Verkaufserlös zufrieden
sein, sogar wenn er weiss, dass der faire Wert eigentlich höher wäre, denn
die Suche nach der idealen Gegenpartei braucht Zeit und ist damit kostspielig1.
Die Tatsache, dass die Banken die Verkaufspreise nicht automatisch als
Belehnungsbasis für die Hypotheken übernehmen – und stattdessen den eigenen
Schätzungen des Marktwertes vertrauen – ist gerade Ausdruck dieser Unvoll-
kommenheit des Marktes. Auf einem vollkommenen Immobilienmarkt gäbe es
keine Nachfrage nach Bewertungen, da jeder Preis a priori richtig wäre.

Preisbestimmende Eigenschaften

Welches sind denn die wichtigsten preisbestimmenden Eigenschaften? Diese


Frage wird in den nächsten drei Kapiteln angegangen. Der Schwerpunkt wird
dabei vor allem auf den Einfamilienhäusern liegen, weil sich bei Eigentums-
wohnungen oftmals sehr ähnliche Resultate ergeben.

Grösse

Die Grösse eines Hauses oder einer Wohnung – die wichtigste Preisdeterminante
– umfasst zwei Dimensionen: Einerseits die rein physische Grösse des Hauses,
die durch den Inhalt oder die Nettowohnfläche abgebildet wird, andererseits
die Anzahl der Zimmer. Bei konstant gehaltenem Inhalt (oder konstanter
Wohnfläche) ist die Anzahl der Zimmer ein Mass für die Feinheit der
Raumaufteilung. Es ist zu erwarten, dass eine feinere Raumaufteilung bis zu
einem gewissen optimalen Grad erwünscht ist und somit einen Aufpreis seitens
der Nachfrager bewirkt. Andererseits verursacht sie Mehrkosten beim Bau
des Hauses, so dass eine positive Wirkung der Zimmerzahl auf den Marktpreis
erwartet wird.

In der folgenden Abbildung ist zu sehen, um wie viel Prozent der Marktpreis
eines Einfamilienhauses aufschlägt, wenn wir dessen Inhalt und Zimmerzahl
ändern. Den Ausgangspunkt der Analyse bildet ein Objekt mit 300 Kubikmetern
Inhalt und bloss zwei Zimmern. Die prozentualen Aufschläge sind also in
Bezug auf ein solches «Minihäuschen» zu verstehen. Blasen wir unser Zwei-
Zimmer-Häuschen auf 1200 Kubikmeter auf, dann nimmt der Preis um knapp
1: Näheres zu diesem 80 Prozent zu. Stellen wir uns nun vor, wir würden aus den zwei Zimmern
Thema ist in Kapitel 6 acht machen, so nähme der Objektpreis um weitere 24 Prozent zu, so dass
(S.88) zu erfahren. ein Aufschlag von insgesamt 120 Prozent resultiert.

16
Abbildung 1.1: Es kommt nicht nur auf die Grösse an
Preiszuschlag im Vergleich zu einem 2-Zimmer-Haus von 300 m 3

100 % – 120 %

80 % – 100 %
120 %

60 % – 80 %

40 % – 60 %
100 %
20 % – 40 %

0 % – 20 %

80 %

60 %

40 %

6
20 %
Anzahl Zimmer
4

0% 2

300 400 500 600 700 800 900 1000 1100 1200
3
Inhalt in m

Dieses Resultat ist gleichzeitig überraschend und einleuchtend. Überraschend,


da man doch annehmen würde, dass die Preisdifferenz zwischen diesen
beiden Extremen weit über 120 Prozent betragen müsste. Zur richtigen Inter-
pretation dieser wie auch späterer Ergebnisse muss aber stets im Auge behal-
ten werden, dass sämtliche weiteren Qualitäts- und Lagemerkmale konstant
gehalten wurden und wir dementsprechend nicht das Schrebergartenhäuschen
mit der Luxusresidenz verglichen, sondern einzig und allein an den Grössen-
variablen gedreht haben. Einleuchtend ist, dass eine Vervierfachung des
Inhalts preislich stärker ins Gewicht fällt als die entsprechende Erhöhung der
Zimmerzahl, weil einerseits eine Raumaufteilung bis zu einem gewissen Grad
auch mit einer geschickten Wohnungseinrichtung erreicht werden kann und
weil anderseits die Baukosten mit steigendem Volumen stärker ansteigen.

Grundstücksfläche

Boden ist in der Schweiz teuer: Preise um die 1000 Franken pro Quadratmeter
sind im Kanton Zürich keine Seltenheit. Die Knappheit des Bodens ist die
wesentliche Ursache der hohen Immobilienpreise und Mieten in der Schweiz.
Der Einfluss der Grundstücksfläche auf die Preise von Einfamilienhäusern
dürfte also beträchtlich sein. Unsere Resultate zeichnen freilich ein etwas

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anderes Bild: Eine zehnprozentige Ausdehnung der Grundstücksfläche lässt
den Hauspreis um lediglich 1,6 Prozent steigen. Dies ergibt einen impliziten
Preis von nur 260 Franken pro Quadratmeter im Kantonsdurchschnitt.

Muss deshalb die Schätzgleichung gründlich überarbeitet werden? Keineswegs!


Der gemessene implizite Preis ist ein Grenzpreis: Er gibt an, wie viel die
Eigentümer für einen zusätzlichen Quadratmeter Grundstück zu zahlen bereit
sind. Die eingangs erwähnten hohen Bodenpreise sind hingegen
Durchschnittspreise: Sie entsprechen dem Preis eines unbebauten Grundstücks
geteilt durch seine Fläche. Offenbar sind die «ersten» Quadratmeter eines
Grundstückes die wertvollsten; sie stellen eine Art Eintrittspreis dar, den die
Eigentümer zu entrichten haben, wenn sie sich an einer bestimmten Lage
bzw. in einer bestimmten Gemeinde niederlassen wollen. Wie aus Abbildung
1.2 ersichtlich ist, nimmt die Zahlungsbereitschaft für zusätzliches Land mit
steigender Grundstücksfläche schnell ab.

Abbildung 1.2: Die ersten Quadratmeter sind die teuersten


Durchschnittliche Zahlungsbereitschaft für einen zusätzlichen Quadratmeter Grundstücksfläche

2
Fr. / m
3000

2500

2000

1500

1000

500

25 150 275 400 525 650 775 900

Bestehende Grundstücksfläche in m 2

Die Botschaft ist klar: Der typische Einfamilienhausbesitzer ist vor allem an
einer höheren Nettowohnfläche interessiert, nicht an zusätzlicher Grund-
stücksfläche. Angesichts der hohen Bodenpreise und der geringen Zahlungs-
bereitschaft für grössere Parzellen erscheint das neu gebaute freistehende
Einfamilienhaus mit grossem Umschwung als Auslaufmodell. Diese Erkenntnis
wird die vielen Promotoren und Investoren nicht überraschen, welche in
den letzten Jahren vor allem Reiheneinfamilienhäuser mit minimaler
Grundstücksfläche und Stockwerkeigentum erstellt haben. Damit hat sich
das Angebot einer Nachfrage angepasst, welche offensichtlich nicht mehr
bereit (oder fähig) ist, allzu viel für grosszügige Arrondierungsflächen zu
bezahlen. Aus ökonomischer Perspektive zeigt uns dieses Ergebnis, dass

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die hohen Bodenpreise durchaus einen Einfluss auf das Wohnverhalten aus-
üben, indem sie die Haushalte zum sparsamen Umgang mit der knappen
Ressource Boden anhalten.

Wie viel Grundstück für ein


Einfamilienhaus?

Für Immobilieninvestoren und Bauherren, die die aktionen von Einfamilienhäusern ermittelt. Die Gerade
Überbauung eines Grundstückes mit Einfamilien- hingegen zeigt an, wie viel ein Grundstück einer
häusern planen, ist die Frage nach der optimalen gegebenen Grösse kostet, ausgehend von einem
Grösse der einzelnen Parzellen von entscheidender durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 500
Bedeutung. Sollen auf dem Grundstück wenige Franken . Die optimale Grundstücksfläche wird da
teurere freistehende Einfamilienhäuser oder eher erreicht, wo die Distanz zwischen den zwei Kurven
Reiheneinfamilienhäuser mit minimalem Umschwung am grössten ist, also bereits bei einer Fläche von
gebaut werden? Die Antwort auf diese Frage hängt knapp 300 Quadratmetern. Bei grösseren Grund-
wesentlich von der Zahlungsbereitschaft für Boden- stücksflächen übersteigen die Bodenkosten die zu-
fläche der potenziellen Einfamilienhausbesitzer ab, sätzliche Zahlungsbereitschaft der potenziellen
die in der folgenden Abbildung dargestellt wird. Eigentümer. Der Markt ist nicht bereit, die Bauherren
Die Kurve gibt an, wie viel ein druchschnittlicher für die zusätzlichen Kosten voll zu entschädigen,
Einfamilienhausbesitzer im Kanton Zürich rein für was ihren Gewinn entsprechend reduziert. Dieses
die Grundstückfläche zur Zeit zu zahlen bereit ist. Optimum variiert je nach Region im Kanton Zürich
Die Kurve wurde aufgrund der jüngsten Trans- erheblich.

Abbildung 1.3: Das Ende der freistehenden Einfamilienhäuser?


Grundstückskosten und Zahlungsbereitschaft der Eigentümer für die Grundstücksfläche

Fr.

600'000
Zahlungsbereitschaft optimale Grundstücksfläche
Grundstückskosten
500'000

400'000

300'000

200'000

100'000

5 75 150 225 300 375 450 525 600 675 825 900 975
2
Grundstücksfläche in m

19
Qualität

Zur adäquaten Beschreibung eines Hauses gehört nicht nur seine Grösse.
Qualitätsmerkmale wie der Zustand der Bausubstanz, das Alter der Liegenschaft
oder das Vorhandensein verschiedener Einrichtungen sind ebenso wichtig.

Qualität der Bausubstanz und Gebäudealter

Unsere Daten enthalten vier mögliche Ausprägungen für den Zustand der Bau-
substanz: Neubauten, sanierte, gut unterhaltene und sanierungsbedürftige
Altbauten. Zusätzlich ist das Baujahr der Liegenschaft bekannt. Die nach-
folgende Tabelle enthält die Preisabschläge für Altbauten verschiedener
Gebäudequalitäten und -alter im Vergleich zu einem neuen Einfamilienhaus 2.

Tabelle 1.1: Kombinierter Preiseffekt der Bausubstanz und des Gebäude-


alters für Einfamilienhäuser
(Als Vergleichsbasis gilt ein Neubau)

10 Jahre 25 Jahre 50 Jahre


Sanierter Altbau (*) % –3,6 % –10,8 %
Recht unterhaltener Altbau –4,6 % –9,4 % –16,3 %
Sanierungsbedürftiger Altbau (*) % –18,7 % -25 %
(*) Diese Kombination ist nicht sinnvoll.

Interessant ist die Tatsache, dass eine umfassende Renovation nach 25 Jahren
den altersbedingten Preisabschlag beinahe wettmacht. Die Abschreibungsrate
für EFH (0,5 Prozent pro Jahr) mag auf den ersten Blick niedrig erscheinen.
2: Da sich ein zehnjähriges Da jedoch die Abschreibungsrate auf den Gesamtwert der Liegenschaft
Einfamilienhaus kaum in berechnet wird (also inklusive Grundstück), ist ein tiefer Wert für Einfamilien-
einem sanierungsbedürftigen häuser zu erwarten. Der Boden schreibt sich nicht ab, was sich in einer tiefen
oder sanierten Zustand Gesamtrate niederschlägt. In der Tat liegt die geschätzte Abschreibungsrate
befindet, werden die Preis- für Stockwerkeigentum mit 0,8 Prozent pro Jahr wesentlich höher. Darin
abschläge für diese Katego- spiegelt sich die Tatsache, dass Eigentumswohnungen weniger Boden
rien nicht ausgewiesen. beanspruchen als Einfamilienhäuser.

20
Die hedonische Analyse ermöglicht es sogar, den Preiseffekt der Alterung bei
konstanter Qualität der Bausubstanz zu berechnen. Das Gebäudealter misst
in diesem Fall die Demodierung eines Baustils oder einer Bauweise, etwa die
veränderten Präferenzen der Eigentümer in Bezug auf Grundriss, Design,
Kücheneinrichtung, Raumhöhe bis hin zur Farbe der Badezimmerplättli.

Wie die Abbildung 1.4 zeigt, ist die Demodierung in den ersten Jahrzehnten
nach der Erstellung am stärksten. Bei Einfamilienhäusern beträgt sie anfangs
sogar drei Viertel der Gesamtentwertung. Dieser Anteil nimmt über die Zeit
ab; im Gegenzug steigt der Anteil der witterungs- und abnutzungsbedingten
physischen Abschreibungen an. Für Eigentumswohnungen ergeben sich ganz
ähnliche Resultate: Eine Wohnung, die bei der Anschaffung eine halbe
Million Franken gekostet hat, verliert im Durchschnitt jedes Jahr 5000 Franken
an Wert, wobei anfangs rund 4000 Franken der Demodierung und knapp
1000 Franken der physischen Entwertung zuzuschreiben sind. Wie in der
Modewelt werden auch bei Immobilien die vorletzten Trends als besonders
«out» empfunden.

Abbildung 1.4: Auch die Immobilien gehen ausser Mode


Preiseffekt des Alters bei konstanter Gebäudequalität (Demodierung)
Jahre

0 10 20 30 40 50 60 70
0%

-5 %

-10 %

-15 %

- 20 %

21
Einrichtungen und Ausbaustandard

Die Tabelle 1.2 zeigt summarisch, welche Preisaufschläge weitere ausge-


wählte Einrichtungen und Eigenschaften verursachen.

Tabelle 1.2: Welche Attribute schaffen einen Mehrwert?


Prozentuale Aufpreise für Einrichtungen und Ausbaustandard

Einfamilienhäuser Stockwerkeigentum
Moderne Küche 5,4 % 3,6 %
Bodenheizung 1,9 % 2,4 %
Isolierverglasung 1,8 % 2,7 %
Unterkellerung 6,1 % (*)
Separate Garage 3,0 % 5,6 %
Tiefgarage 2,8 % 6,4 %
Swimmingpool 5,3 % (*)
Sauna 2,7 % (*)
Dachwohnung (*) 5,1 %
Zusätzliches WC/Dusche (*) 4,9 %
Massivbau 3,4 % (*)
Freistehendes Objekt 3,3 % (*)
Minergie-Standard 9,1 % (*)
(*) Angabe für diese Objektkategorie nicht erfasst.

Bei der Interpretation dieser Zahlen ist allerdings Vorsicht am Platz. Die
Prozentaufschläge geben Auskunft darüber, welchen Aufpreis Objekte, die
eine bestimmte Ausstattung aufweisen, im Durchschnitt erzielen. Dabei muss
aber beachtet werden, dass typische Liegenschaften mit Luxusmerkmalen
(z.B. Sauna oder Schwimmbad) generell besser ausgestattet sind, z.B. edlere
Bäder oder teurere Bodenbeläge aufweisen. Der Koeffizient der Variablen
«Schwimmbad ja/nein» misst den durchschnittlichen Aufpreis für alle weiteren
Ausstattungsmerkmale, die Objekte mit Schwimmbad normalerweise kenn-
zeichnen, worüber aber keine Informationen vorhanden sind. In diesem Sinne
sind auch die tabellierten Werte zu verstehen. Sie lassen darum keine direkten
Rückschlüsse im Sinne einer Investitionsrechnung zu. So wird der Einbau eines
Swimmingpools im Garten eines einfachen Einfamilienhhauses keinen Mehr-
wert von 5,3 Prozent schaffen, da der Pool allein noch keine Luxusvilla aus-
macht. Ähnlich verhält es sich mit der Sauna oder mit zusätzlichen WC/Duschen
bei Eigentumswohnungen.

22
Minergie

Die Umweltaspekte spielen für viele Eigenheimbesitzer eine zunehmend


wichtige Rolle und werden insbesondere in Kombination mit finanziellen
Anreizen interessant. Darum wurde für diese Studie die Wirkung des Minergie-
Labels auf die Preise von Einfamilienhäusern untersucht.

Minergie ist ein Qualitätslabel, das neue oder sanierte Gebäude zertifiziert,
die bestimmte energetische und bauliche Standards erfüllen. Die Marke wird
von Bund, Kantonen und Wirtschaft gemeinsam getragen und ist vor Missbrauch
geschützt. Ein Minergie-Haus bietet ein verbessertes Raumklima bei tieferem
Energieverbrauch. Dies wird insbesondere durch eine hochwertige Bauhülle
und eine systematische Lufterneuerung ermöglicht. Immer wichtiger wird
Minergie auch an lärmbelasteten Standorten, da die Bauhülle besser vor
Lärmimmissionen schützt und die Fenster für die Belüftung nicht geöffnet
werden müssen. Der Erfolg des Minergie-Labels ist auf die zahlreichen Vorteile
für Bewohner und Investoren zurückzuführen. Bewohner profitieren in erster
Linie vom erhöhten Wohnkomfort aufgrund der angenehm warmen inneren
Oberflächentemperatur und der konstant guten Raumluftqualität ohne Zugluft.
Bauinvestoren schätzen insbesondere die bessere Werterhaltung resp. die
Wertsteigerung einer Liegenschaft, da sich einerseits die Vermietbarkeit erhöht
und durch den verminderten Energiebedarf die laufenden Kosten sinken und
die Nettorendite steigt. Minergiehäuser sind zudem dem langfristigen Öl-
preisrisiko weniger oder gar nicht ausgesetzt.

Der Minergie-Standard beginnt sich erst im Markt zu etablieren und


entsprechend war das Ausmass des Preiseinflusses des Labels auf eine Immobilie
bisher nicht bekannt. Aufgrund der hedonischen Analyse der ZKB-Trans-
aktionsdaten schätzen wir, dass ein Minergie-Haus momentan einen um 9,1%
höheren Preis als ein konventionelles neues Haus mit ansonsten identischen
Eigenschaften löst. Die Preisdifferenz ist angebotsseitig durch die entstehenden
Mehrkosten und nachfrageseitig durch den erhöhten Wohnkomfort sowie die
tieferen Unterhaltskosten zu erklären. Ein weiteres Beispiel für den Preiseinfluss
einer Innovation, die sich über die Zeit zum Standard entwickelt hat, ist die
Isolierverglasung: Anfangs bewirkte diese Eigenschaft einen positiven Preis-
einfluss auf ein ansonsten identisches Objekt; heutzutage entspricht die
Isolierverglasung dem Standard und ist kaum mehr für nennenswerte Preis-
differenzen verantwortlich.

23
Lohnt sich Minergie finanziell?

Ist der Kauf eines Minergie-Hauses auch unter rein – Ein um 0,2 Prozent reduzierter
finanziellen Gesichtspunkten eine gute Investition? Abschreibungsbedarf des Minergiehauses,
Mit solchen Fragen werden die Promotoren des da die Bausubstanz nachhaltiger ist.
Minergie-Standards immer wieder konfrontiert. – Leicht höhere Aufwertung der Preise für
Anders gefragt: Wie lange geht es, bis sich der Minergiehäuser, weil sich der Standard auf
Aufpreis für den Minergiestandard ausbezahlt hat dem Immobilienmarkt und dem Belehnungs-
bzw. nach wie vielen Jahren überholt die auf- markt durchzusetzen beginnt
kumulierte Gesamtrendite des Minergiehauses (3 Prozent für Standard- und 3,2 Prozent für
diejenige eines konventionellen Neubaus? 1 Um das Minergiehaus).
dieser Frage nachzugehen, haben wir Simulations- – Höhere Schwankungsbreite der Preise über die
rechnungen mit einem langfristigen Horizont durch- Zeit (Volatilität) für Minergiehäuser,
geführt. Für diese Simulationen wurden die folgenden, da der Markt enger ist und Nachfrage-
möglichst realistischen Annahmen getroffen: fluktuationen deshalb stärkere Preiswirkungen
ausüben (6,9 Prozent für Standard,
– Aufpreis des Minergiestandards (als 7,9 Prozent für Minergie).
Zusatzinvestition im Vgl. zum Standardhaus)
in der Höhe von 9,1 Prozent.
– Höhere Nettomietrendite von Minergie
(4,25 Prozent) als bei einem Standardhaus
(4 Prozent) wegen den tieferen Unterhaltskosten.

Aufgrund dieser Parameter wurde eine Simulation der zukünftigen Entwicklung


der Gesamtrendite mit 1000 Durchläufen über 30 Jahre durchgeführt. Daraus
wurden wiederum 1000 mögliche Realisierungen für die Gesamtrendite des
Minergie- resp. Standardhauses berechnet. Die simulierten Entwicklungen der
Gesamtrenditen wurden zueinander in Beziehung gesetzt, wobei eine Verhältnis-
zahl über eins eine bessere Gesamtrendite des Minergiehauses anzeigt. Die
Abbildung 1.5 zeigt den durchschnittlichen Verlauf der Verhältniszahl der
1000 Realisierungen über 30 Jahre, zusätzlich sind die beiden 5-Prozent-
Konfidenzintervalle ersichtlich. 90 Prozent der Performance-Verhältnisse lie-
gen demnach innerhalb dieser Bandbreite. Nach 30 Jahren kann man im
Durchschnitt mit einer Überrendite des Minergiehauses von 11,4 Prozent
bzw. mit einer Verhältniszahl von 1,114 rechnen. Die Wahrscheinlichkeit, dass
das Minergiehaus besser als das Standardhaus rentiert, beträgt knapp
1: Unter Gesamtrendite ver- 70 Prozent.
stehen wir die Nettorendite
(hier: der Eigenmietwert Weitere Einsichten gibt uns eine Schätzung der notwendigen Zeitdauer, bis
nach Abzug aller Kosten im sich die Minergie-Investition im Durchschnitt rentabilisiert. In der Hälfte der
Verhältnis zu den Anlage- Fälle überholt die Gesamtrendite des Minergiehauses diejenige des Standard-
kosten) plus die Wert- hauses in weniger als 12 Jahren. Allerdings zeigt sich auch, dass in 16% der
veränderung. Fälle das Standardhaus auch nach 30 Jahren trotzdem im Vorteil sein kann.

24
Abbildung 1.5: Lohnt sich der Minergie-Standard?
Gesamtrendite des Minergiehauses im Vergleich zum Standardhaus

Verhältnis Performance

1,5
Relative Performance Minergie
Oberer 5 % - Vertrauensbereich
1,4
Unterer 5 % - Vertrauensbereich

1,3

1,2

1,1

0,9

0,8

0,7

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

Jahre

25
2 Mikrolage
Vom Wert der Sicht und anderer Dinge

Unter dem Begriff «Mikrolage» fassen wir sämtliche kleinräumigen Eigenschaften


des Standortes einer Immobilie zusammen. Im Gegensatz zur Makrolage, die
wir im nachfolgenden Abschnitt behandeln, können sich die Mikrolage-
eigenschaften innerhalb einer Nachbarschaft in relativ kurzer Zeit deutlich
verändern. Die Mikrolage umfasst also all jene Faktoren, die dazu beitragen,
eine (Wohn-)Lage als gut oder schlecht zu beurteilen. Die Qualität der Lage
gilt oft als nicht objektiv messbar; dieser Meinung möchten wir im folgenden
Abschnitt das Ergebnis unserer Untersuchungen gegenüberstellen.

Abbildung 2.1: Der Hektarraster als Analyserahmen

Hektare

Hektarmittelpunkte

0m 250 500

Dank leistungsfähigen geographischen Informationssystemen und der Auf-


bereitung geographischer Informationen in digitaler Form lassen sich heutzutage
die wesentlichen Lagemerkmale weitgehend objektiv darstellen. Konkret ver-
wendeten wir zur Verdichtung der Mikrolageinformationen das geographische
Informationssystem (GIS) der ZKB, in dem die für den Wirtschaftsraum Zürich
verfügbaren räumlichen Informationen integriert wurden. Die räumliche Auf-
lösung unseres GIS ist die Hektare: Für die Schätzung des hedonischen Modells
wurde für jede der 51000 Hektaren (Bauzonen und Bauentwicklungsgebiete)
im Kanton Zürich eine Reihe von Mikrolagevariablen erhoben. Diese lassen
sich im wesentlichen in drei Kategorien einteilen:

1. Faktoren, die die topographischen Verhältnisse einer Wohnlage beschreiben

2. Faktoren, die die Umweltqualität am Standort der Liegenschaft beschreiben

3. Mikrolagevariablen, welche die Erreichbarkeit des Standortes messen

26
Topographische Eigenschaften

Hangneigung und Exposition

Die topographischen Eigenschaften einer Wohnlage lassen sich durch die


Exposition und die Neigung des Hanges sowie durch die Meereshöhe exakt
beschreiben1. Exposition und Neigung sind für die Besonnung des Grundstücks
von grosser Bedeutung, da die Sonne in südlichen Expositionen zu jeder Jahreszeit
länger über dem lokalen Horizont steht. Von Exposition der Lage kann man
natürlich erst dann sprechen, wenn das Grundstück eine gewisse Hangneigung 1: Grundlage der
aufweist. Südwestlich geneigte Hänge haben in unseren geographischen Berechnung der topo-
Breiten den Vorteil, dass die Sonne unter einem steileren Winkel einstrahlt, graphischen Variablen
was besonders im Winter sehr angenehm ist. Bei nördlichen Hangexpositionen bildeten die digitalen
verkehrt sich dieser Zusammenhang allerdings in sein Gegenteil. In der Geländemodelle DHM25
folgenden Abbildung haben wir für den Kanton Zürich und die angrenzen- des Bundesamtes für
den Gebiete die errechnete Hangneigung im Hektarraster dargestellt. Landestopographie.

Abbildung 2.2: Auf und ab im Kanton Zürich


Hangneigungen in Prozent

0 % – 0,5 %

0,6 % – 1,5 %

1,6 % – 3 %

3,1 % – 4,5 %

4,6 % – 6 %

6,1 % – 9 %

9,1 % – 15 %

15,1 % – 60,9 %

0km 5 10

27
Gelbe Gebiete sind eher flach, blaue Gebiete weisen eine hohe Hangneigung
auf. Selbstverständlich sind die sehr steilen, bergigen Gebiete – vorwiegend
im Zürcher Oberland, entlang der Albiskette und den Lägern – praktisch unbe-
baut. Die meisten Einfamilienhäuser in unserer Stichprobe befinden sich auf
Grundstücken mit einer Neigung unter 5 Prozent.

Abbildung 2.3 zeigt für alle Hektaren im Kanton die Himmelsrichtung an,
nach der sie vorwiegend orientiert sind. Die südlich exponierten Lagen sind
mit grünen Tönen, die weniger bevorzugten nördlich exponierten Lagen mit
Blautönen eingefärbt.

Abbildung 2.3: Vorwiegend Nordöstlich/Südwestlich orientiert


Ausrichtung der Grundstücke

Nord

Nordwest

West

Südwest

Süd

Südost

Ost

Nordost

0 km 5 10

Die Abbildung 2.4 verdeutlicht hingegen, dass Einfamilienhäuser im Kanton


Zürich nicht einfach «zufällig» über das Kantonsgebiet gestreut wurden,
sondern dass der Bau sich mehrheitlich auf südlich und westlich ausgerichtete
Lagen konzentrierte.

28
Abbildung 2.4: Abendsonne gesucht
Verteilung der EFH nach der Ausrichtung des Grundstückes

15 %

12,5 %

10 %

7,5 %

5%

2,5 %

0%

0 45 90 135 180 225 270 315 360

N E S W N

Aussicht

Hanglagen werden bei günstiger Exposition nicht nur besser besonnt, sondern
sie bieten oft auch Aussicht auf einen See, auf die Alpen oder auf einen
schönen Landstrich. Die Tatsache, dass Zeitungsinserate mit Hinweisen auf
«Seesicht» oder «Alpenblick» potenzielle Käufer anzulocken versuchen, 1: Der Einfluss der Meteoro-
zeugt von der Relevanz dieser Eigenschaft. Um die separaten Effekte von logie (Bewölkung, Nebel)
Sicht und Neigung auseinander zu halten, wurde im Rahmen dieser Unter- wurde ebenfalls vernach-
suchung für sämtliche bewohnten Hektare im Kanton Zürich eine theoretische lässigt. Wir nehmen bei der
Aussicht errechnet. Damit gemeint ist die Aussicht, die sich allein aus den Berechnung an, dass eine
topographischen Informationen, also ohne Berücksichtigung künstlicher perfekte Fernsicht herrscht.
Hindernisse wie Nachbargebäude oder Bäume, bestimmen lässt. Dabei Weiter wurde nur die Aus-
wurde ein Beobachtungsstandort im Zentrum jeder Hektare und 4 Meter über sicht auf Schweizer Gebiet
Grund unterstellt1. Zwei Beispiele dieser Sichtbarkeitsanalyse sind in der Ab- berücksichtigt, es fehlt zum
bildung 2.5 wiedergegeben, in der wir die Aussicht an zwei Lagen in der Beispiel die Aussicht auf
Gemeinde Zollikon darstellen. den Schwarzwald.

29
Abbildung 2.5: Freie Sicht auf den Zürichsee?
Sichtbarkeitsanalyse

Aussichtspunkt

Sichtbares Gebiet

Aussichtspunkt

Sichtbares Gebiet

0km 5 10

Die grün/gelb eingefärbten Flächen stellen die Gebiete dar, die vom mit dem
gelben Dreieck gekennzeichneten Standort sichtbar sind. Ein Haus an dieser
Lage verfügt über eine eingeschränkte Aussicht und der See bleibt verbor-
gen. Blau eingefärbt ist die Aussicht eines nur wenig entfernten Standortes
dargestellt, welcher über eine ausgedehnte Seesicht verfügt.

Um den Einfluss der Aussicht auf die Immobilienpreise berechnen zu können,


müssen die mittels Sichtbarkeitsanalyse generierten Informationen zuerst
verdichtet werden. Dafür brauchen wir eine praktische Definition einer «schönen
Aussicht». Pragmatisch gehen wir davon aus, dass je grösser die sichtbare
Fläche, desto besser die Aussicht ist. Demnach messen wir die Seesicht als
die sichtbare Seefläche und die allgemeine Sicht als Summe sämtlicher
sichtbare Flächen. Dank neuester GIS-Technologie sind wir somit in der Lage,
für jeden der 51000 bewohnten Hektare im Kanton Zürich sowohl die Seesicht
als auch die «allgemeine» Sicht objektiv zu berechnen.

30
Abbildung 2.6: Soweit das Auge reicht
Allgemeine Sicht, sichtbare Hektaren

bis 4'000

4'001 – 8'000

8'001 – 12'000

12'001 – 16'000

16'001 – 20'000

20'001 – 24'000

24'001 – 30'000

über 30'000

0 km 5 10

Die Ergebnisse der rechenintensiven Simulationen sind in den Abbildungen


2.6 und 2.7 dargestellt.

Die erste Karte bildet die allgemeine Sicht ab, sie umfasst also Berg- und
Fernsicht, jedoch nicht die Seesicht. Blau eingefärbte Gebiete bedeuten gute
Aussicht, gelbe Flächen eher schlechte Aussicht. Es fällt sofort auf, dass viele
Lagen im Zürcher Oberland über eine hervorragende (Fern-)Sicht verfügen,
so zum Beispiel am Ostufer des Pfäffikersees, wo die Alpensicht in der Tat
prächtig ist. Der bewohnte Hektar mit der weitesten Aussicht liegt laut unseren
Berechnungen in der Gemeinde Sternenberg, unterhalb des Hörnlis. An der
Nordseite des Pfannenstiels geniesst man ebenfalls eine sehr ausgedehnte
Sicht, welche sich vom Bachtel bis zu den Lägern erstreckt. Gebiete mit durch-
wegs grosszügiger Aussicht findet man auch um den Zürichberg, am linken
Zürichseeufer und auf der Südseite der Albiskette. Es mag etwas überraschen,
dass am rechten Zürichseeufer die Fernsicht in der Regel schlechter ist als
am anderen Ufer. Dies ist vor allem auf die geringere Hangneigung der Gold-

31
küste und auf die südwestliche Exposition zurückzuführen, welche die Sicht
auf die Glarner Alpen einschränkt. Die relativ guten Werte der Stadt Zürich
müssen etwas relativiert werden, da die Einschränkung durch die nicht er-
fassten baulichen Hindernisse hier besonders ins Gewicht fallen dürfte. Es
steht aber fest, dass die topographischen Voraussetzungen der Stadt Zürich
günstiger sind als jene von Winterthur. Bewohnte Gebiete mit noch stärker
eingeschränkter Sicht findet man in den Tälern, beispielsweise im Tösstal und
im Sihltal.

Auch was die Seesicht anbelangt (Abbildung 2.7), ist das linke Zürichseeufer
sehr gut bedient. Im Gegensatz zum rechten Ufer ist der Zürichsee über wei-
te Strecken des linken Ufers fast in seiner ganzen Länge ersichtlich. Da wir
die Sicht auf die kleineren Seen (Greifensee, Pfäffikersee) in der Berechnung
der sichtbaren Seeflächen ebenfalls berücksichtigen, schneidet das Oberland
auch hier gut ab. Besonders bevorzugt sind jene Lagen am Fusse des Bachtels,
welche auch einen freien Blick zum Zürichsee bieten.

Abbildung 2.7: Exklusive Blickfelder


Seesicht, sichtbare Hektaren

bis 250

251 – 500

501 – 750

751 – 1'000

1'001 – 2'000

2'001 – 3'000

3'001 – 4'000

über 4'000

0 km 5 10

32
Wirkung der Aussicht und der Topographie auf die Preise

Welche Wirkung üben die Sicht und die weiteren topographischen


Eigenschaften auf den Preis von Einfamilienhäusern aus? Knapp ein Viertel
der Einfamilienhäuser in unserer Stichprobe hat Sicht auf einen See, auch
wenn sie manchmal sehr eingeschränkt ist. Allerdings ist bereits bei einer
kleinen sichtbaren Seefläche ein signifikanter Preiszuschlag feststellbar (siehe
Tabelle 2.1).

Tabelle 2.1: Teure Seesicht


Die Wirkung der Aussicht auf die Preise von EFH

Preiszuschlag
Allgemeine Sicht
0 bis 50 km 2 –
50 bis 100 km 2 2,2 %
100 bis 250 km 2 2,8 %
> 250 km 2 3,2 %

Seesicht
0 bis 5 km 2 –
5 bis 20 km 2 2,6 %
20 bis 40 km 2 6,2 %
> 40 km 2
11,2 %

Ein Haus mit Sicht auf über 4000 Hektaren Seefläche (was für ca. 5 Prozent
der Einfamilienhäuser in unserer Stichprobe zutrifft) ist mindestens 11,2 Prozent
teurer als das genau gleiche Haus am gleichen Standort, aber ohne Seesicht.
Der Zuschlag bei den Häusern mit einer Seesicht von 2000 bis 4000 Hektaren
beträgt 6,2 Prozent. Die Seesicht übt einen deutlich grösseren Einfluss aus
auf die Preise als die allgemeine Sicht. In der Tat ist der Preiszuschlag für
eine schöne Aussicht ohne Seesicht gering: Die Häuser mit den 10 Prozent
besten Aussichten lassen sich bloss 3,2 Prozent teurer verkaufen als ver-
gleichbare Häuser ohne Aussicht. Kumuliert man den Einfluss von See- und
allgemeiner Sicht erreicht man für die Top-Lagen (die ein Prozent besten
Lagen in unserer Stichprobe) einen Zuschlag von 14,5 Prozent, der einzig
und allein auf die Sicht zurückzuführen ist.

Die Auswirkung verschiedener Grundstücksexpositionen haben wir in der


folgenden Tabelle 2.2 eingetragen. Die Werte sind als prozentualer Preis-
zuschlag relativ zu einem gleichwertigen Haus an einer flachen Lage zu ver-
stehen. Da wir den Wert der Aussicht separat berechnet haben, widerspiegeln
diese Werte allein die Wertschätzung der Marktteilnehmer für längere
Besonnungszeiten. Es erstaunt deshalb nicht, dass vor allem die südlich und
westlich orientierten Standorte besonders gesucht scheinen. Was die Hang-

33
neigung anbelangt, kann erst für Neigungen von 9 Grad oder mehr ein
Preiszuschlag von 3,3 Prozent gemessen werden. Auch hier lässt sich der
Zuschlag zweideutig interpretieren: als Preis für eine bessere Besonnung oder
als Ausdruck der Mehrkosten, die der Bau an einem steilen Hang verursacht.

Abbildung 2.8: Wo die Sonne länger scheint, sind die Preise höher
Preiszuschlag in Prozent im Vergleich zu einer flachen Lage

4.0%
statistisch nicht signifikante Werte
*
3.0%

*
2.0%

1.0%
*

0.0% *

-1.0%

-2.0%

N E S W

Lärmbelastung

Eine zweite Gruppe von Variablen soll die Umweltqualität am Standort des
Objektes erfassen. Die Liste der potenziellen Belastungen, welche die Qualität
einer Lage beeinträchtigen können, ist lang: Sie umfasst Strassen-, Bahn- oder
Fluglärm, Ozon-, Feinstaub- oder Geruchsimmissionen, aber auch Bodenalt-
lasten, Gewässerverschmutzung oder elektromagnetische Felder. Theoretisch
ermöglicht der hedonische Ansatz, den Einfluss sämtlicher Belastungsquellen
auf die Immobilienpreise simultan zu ermitteln. Voraussetzung dafür ist das
Vorhandensein präziser Messungen, die flächendeckend im ganzen Unter-
suchungsgebiet vorhanden sind, sowie einer grossen Anzahl von Immobilien-
1: Bei der Analyse muss transaktionen in belasteten Gebieten. Die simultane Berücksichtigung mehrerer
zusätzlich sorgfältig unter- Umweltqualitätvariablen in der hedonischen Analyse wird aber von der starken
sucht werden, ob der Korrelation dieser Variablen erschwert, wie etwa bei Strassenlärm und Luft-
gemessene Einfluss nicht auf verschmutzung. Es erstaunt wohl niemanden, dass an einer lauten Strasse
weitere, nicht gemessene meist auch die Luft nicht nach Rosen duftet. Diese Korrelation bedeutet aber,
negative Eigenschaften der dass das Zurückführen eventueller Preisminderungen auf die eine oder andere
Mikrolage zurückzuführen ist. Belastungsquelle hohe Anforderungen an die verfügbaren Daten stellt 1.

34
In der folgenden Darstellung beschränken wir uns weitgehend auf die
Untersuchung von Strassenlärm, indem wir auf die Resultate einer von uns
separat durchgeführten Studie zurückgreifen 2. Dazu wurde für jedes Objekt
der zugrundeliegenden Stichprobe die Lärmbelastung durch den Strassen-
verkehr mittels Strassenlärmbelastungs-, Imissions- resp. Lärmübersichtskataster
bestimmt. Zusätzlich wurde die Entfernung zu einem offenen Bahntrassee als
Annäherung für den Zuglärm ermittelt.

Gemäss dieser Untersuchung übt Strassenlärm einen signifikant negativen


Einfluss auf den Preis von Einfamilienhäusern aus. Die Zunahme der Tageslärm-
belastung um1 dB(A) vermindert ab einer Schwelle von 55 dB(A) den Immobilien-
preis um 0,66 Prozent. Ein Einfamilienhaus mit einem Preis von 750 000 Franken
an einer mehr oder weniger ruhigen Wohnlage (weniger als 55 dB[A]) würde
entsprechend an einer stark befahrenen Strasse (70 dB[A]) eine Entwertung
um knapp 75000 Franken erfahren. In unmittelbarer Nähe zur Bahn (bis 100
Meter) ist zusätzlich eine signifikante Reduktion der Immobilienpreise von
rund 4 Prozent festzustellen.

Die hedonische Methode drängt sich ebenfalls zur Beantwortung der Frage
nach der Wirkung des Fluglärms auf die Immobilienpreise auf. Voraussetzung
dazu ist das Vorhandensein von Transaktionsdaten im Lärmgebiet und von
präzisen Fluglärmmessungen. Durch die Integration von Fluglärm in die hedo-
nische Gleichung kann die Wirkung dieser Immissionsquelle auf die Preise
bei sonst gleichen Lageeigenschaften gemessen werden. Das ist besonders
wichtig, weil Lagen in unmittelbarer Nähe des Flughafens oft mit weiteren
Immissionsquellen konfrontiert sind, allen voran mit Strassenlärm. Mit der
gleichen Methode lassen sich die positiven Aspekte der Flughafennähe, wie
beispielsweise die bessere Erreichbarkeit, ebenfalls quantifizieren.

Zur Interpretation der Ergebnisse muss jedoch berücksichtigt werden, dass


Lärm subjektiv unterschiedlich wahrgenommen wird und es sich bei unseren
Ergebnissen lediglich um Durchschnittswerte handelt, die durch das Zusammen-
spiel von Angebot- und Nachfrage generiert werden. Bei verschiedenen
Personen treten die individuellen Reaktionen, wie körperliche und psychische
Störungen und Verhaltensänderungen, bei unterschiedlichen Lärmpegeln auf.
Das Einkommensniveau beeinflusst ebenfalls die «Nachfrage nach Ruhe». In
der Tat belegen verschiedene Studien, dass die Nachfrage nach besseren
Lagen mit höheren Einkommen stärker als diejenige nach verbesserten struktu- 2: Marco Salvi (2001).
rellen Eigenschaften der Häuser zunimmt, wie Grösse oder Ausbaustandard. «Einfluss des Verkehrslärms
Es entsteht somit ein Entmischungsprozess, der dazu führt, dass die Haushalte auf die Preise von Ein-
sich entsprechend ihrer Zahlungsbereitschaft (und -fähigkeit) räumlich sortieren: familienhäusern», in Heini
Haushalte mit höheren Einkommen sind gehäuft in ruhigeren Wohngebieten Sommer (Hrsg.) «Externe
anzutreffen. Dieser Entmischungsprozess erschwert die Beantwortung von Lärmkosten des Verkehrs:
Fragen wie «was sind die volkswirtschaftlichen Kosten des Fluglärms?», denn Hedonic Pricing Analyse»,
wir können nicht davon ausgehen, dass die Preisabschläge, die man bei Bern: Bundesamt für
stärkeren Lärmbelastungen beobachtet, die Reaktion des durchschnittlichen Umwelt, Verkehr, Energie
Haushaltes abbilden. Dieses Problem ist besonders relevant, wenn wie im und Kommunikation.

35
Beispiel des Flughafens Zürich die Flugrouten und die Lärmverteilung abrupt
und unerwartet geändert werden und plötzlich Gebiete beschallt werden,
die bis anhin kaum oder überhaupt nicht überflogen worden sind. Die gemes-
sene Preisminderung bildet nämlich vorwiegend die Präferenzen der «lärm-
unempfindlichen» Haushalte ab.

Erreichbarkeit der lokalen Infrastruktur

Als weitere Kategorie von Standortfaktoren wird die Preiswirkung der Erreich-
barkeit bzw. der Nähe einer Lage zu sogenannten «Points of Interest» (POI)
wie Schulen, Einkaufsmöglichkeiten oder Haltestellen des öffentlichen Verkehrs
untersucht. Mit Hilfe des GIS lassen sich die für Fussgänger benutzbaren
Strassen und Wege selektieren und die kürzesten Gehdistanzen, zum Beispiel
zur nächsten Einkaufsmöglichkeit, berechnen. Die Verteilung der Distanzen
zu den wichtigsten POI für die Einfamilienhäuser in unserer Stichprobe sind
in der Abbildung 2.9 dargestellt.

Die wesentlichste Erkenntnis dieser Analyse besteht darin, dass die Erreich-
barkeit im Kanton Zürich sehr gut und vor allem sehr homogen ist. Über die
Hälfte der EFH ist weniger als 400 Meter von einer Haltestelle des Zürcher
Verkehrsverbundes (Tram, Bus, S-Bahn) entfernt! Die Nähe zu Schulen und
Kindergärten ist ebenfalls sehr hoch, wie auch diejenige zu Einkaufszentren.
Diese Homogenität der Erschliessung ist wohl der Grund dafür, dass wir
keinen nennenswerten Einfluss der Nähe zu den POI auf die Immobilienpreise
nachweisen können: Es gibt schlichtweg zu wenige Einfamilienhäuser, die
nicht in unmittelbarer Nähe einer Haltestelle oder einer Einkaufsmöglichkeit
liegen, so dass der Einfluss der Entfernung auf die Preise gar nicht beobachtet
werden kann. Anders gesagt: Der Kanton Zürich ist derart gut erschlossen,
dass es kaum möglich ist, die Preisminderung, die eine schlechte Erschliessung
verursacht, nachzuweisen.

Quartiercharakteristik

Quartiere und Nachbarschaften können sich in ihrer Eigenheit deutlich unter-


scheiden. Eine vollständige Beschreibung der Mikrolage kommt daher nicht
ohne diese Einflussgrösse aus. Allerdings ist das Quartier als «Softfaktor»
mit nüchternen Daten schwierig zu erfassen. Eingehende Tests haben gezeigt,
dass die folgenden beiden Variablen wesentliche Teile der Quartier-
eigenschaften abzubilden vermögen:

– die bauliche Dichte


– der Anteil der Schweizer Bevölkerung am Bevölkerungstotal

36
Die bauliche Dichte wird gemessen mittels der zulässigen Ausnützungsziffern,
die in den Bau- und Zonenordnungen der Zürcher Gemeinden festgelegt sind.
Die Ausnützungsziffer ist definiert als anrechenbare Bruttogeschossfläche
geteilt durch die anrechenbare Grundstücksfläche.

Die Ausnützungsziffer ist eine Näherungsgrösse dafür, wie dicht ein bestimmtes
Gebiet bebaut ist. Es ist zu erwarten, dass Wohneigentümer im allgemeinen
eine weniger dichte Bauweise vorziehen. Einerseits erlaubt eine tiefere
Ausnützung mehr Raum für Grünflächen, Gärten, Bäume, Spielflächen für
Kinder, andererseits steigt der Abstand zu den Nachbarn. Die Ergebnisse
bestätigen unsere Erwartungen: Höhere Ausnützungsziffern wirken negativ
auf die Preise von Wohneigentum. Im Falle der Einfamilienhäuser bietet sich
auch eine alternative Erklärung dieses Zusammenhangs an. Höhere Ausnützungs-
ziffern sind in den mehrgeschossigen Wohnzonen zu finden, in denen vor
allem Mehrfamilienhäuser stehen. Folglich verliert ein Einfamilienhaus in einer
Mehrfamilienhauszone an Wert. Die Ausnützungsziffer beschreibt in dieser
Interpretation, ob ein Objekt überhaupt in der richtigen Zone steht.

Abbildung 2.9: Überall in Ihrer Nähe


Distanzen zu wichtigen Points -of-Interest

Distanz zur nächsten OeV-Haltestelle in Metern Distanz zur nächsten Grünfläche in Metern

25 50

20 40

15 30
In % aller EFH

In % aller EFH

10 20

5 10

0 0
0

300

600

900

1200

1500

1800

2100

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1000

Distanz zur nächsten Einkaufsmöglichkeit in Metern Distanz zur nächsten Schule in Metern

14 14

12 12

10 10

8 8

6 6
In % aller EFH

In % aller EFH

4 4

2 2

0 0
0

400

800

1200

1600

2000

2400

2800

3200

3600

4000

4400

4800

5200

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

1800

2000

2200

2400

2600

37
3 Makrolage
Standorte im Wettbewerb

Innerhalb eines bestimmten Gebietes gibt es naturgemäss zentrale und peri-


phere Lagen, reiche und weniger begüterte Gemeinden. Die Makrolage eines
Standorts gibt Auskunft über seine generelle Lage und wirtschaftliche Position
innerhalb eines Wirtschaftsraums. Dahinter steht die Frage, auf welche Weise
sich die grossräumige Verteilung der Bevölkerung und der Wirtschaftsleistung
im Kanton Zürich in der räumlichen Struktur der Immobilienpreise nieder-
schlägt. Die grossräumige Lage beschreiben wir in unserem Modell mit den
folgenden Variablen:

– Steuerbelastung der politischen Gemeinde


– Steuerkraft der politischen Gemeinde (als Näherung für das Angebot an
lokalen öffentlichen Gütern)
– Fahrzeit nach Zürich resp. nach Winterthur
(Erreichbarkeit der Zentren)
– Zugehörigkeit zu einer bestimmten Region des Kantons Zürich

Steuern und Immobilienpreise

Hin und wieder provoziert der steuerbedingte Wegzug einiger Millionäre in


steuergünstige Gemeinden hitzige Kommentare. Manche sprechen von «Steuer-
kannibalismus» und befürchten eine neue Phase massiver Auswanderung aus
den Zentren in die Agglomeration. Dabei wird oft die Wirkung eines simplen
Ausgleichsmechanismus verkannt: Die Vorzüge eines lokalen Standortes
spiegeln sich in den Bodenpreisen wider. Herrschen an zwei identischen
Standorten unterschiedlich hohe Steuersätze, so wird ein effizienter Markt
die Boden- und Immobilienpreise am steuergünstigen Standort so lange
steigen lassen, bis die Steuerersparnis ausgeglichen wird und keine Anreize
für einen Wegzug mehr bestehen. Diesen Prozess nennt man «Kapitalisierung».
Eine vollständige Kapitalisierung der Steuerdifferenz beobachtet man, wenn
die Preisunterschiede die Höhe der Steuerersparnis eines typischen Haushaltes
ausgleichen. Für Haushalte mit sehr hohem Einkommen oder Vermögen lohnt
sich der Umzug in eine steuergünstige Gemeinde auch im Gleichgewicht des
Immobilienmarktes. Immerhin vermag die angesprochene Kapitalisierung der
Steuerunterschiede den Exodus zu begrenzen. Dies wird im nachfolgenden
Beispiel illustriert.

Die Gemeindesteuersätze im Kanton Zürich weisen eine recht grosse


Spannweite auf: So übertrifft der maximale Steuerfuss denjenigen der steuer-
günstigsten Gemeinde Neerach um 53 Prozentpunkte. Beim Median des
steuerbaren Einkommens der Zürcher Eigentümerhaushalte in der Höhe von
knapp 90 000 Franken pro Jahr resultiert daraus ein jährlicher Steuerunterschied
von ca. 2400 Franken. Macht dann der Eintrittspreis, den man für den Zuzug
in die steuergünstige Gemeinde in Form von höheren Immobilienpreisen (und
Mieten) zu entrichten hat, den Steuervorteil gerade wett?

38
Diese Frage möchten wir mit einem vereinfachten Rechenbeispiel angehen:
Unsere Resultate ergeben, dass die Häuserpreise um 1 Prozent steigen, wenn
der Gemeindesteuersatz um 10 Prozent sinkt, also zum Beispiel von 120 auf
108 (ohne Kirchensteuer). Ein Durchschnittshaus im Wert von 700 000 Franken
kostet darum in einer Gemeinde mit 10 Prozent tieferen Steuern 7000
Franken mehr1. Demgegenüber steht eine einkommensabhängige Steuererspar-
nis. Bei einem steuerbaren Einkommen von 90 000 Franken resultiert daraus
eine jährliche Steuerersparnis von etwa 600 Franken. Entscheidend bei
einem Immobilienkauf ist der Betrag, den man heute auf den Tisch legen müs-
ste, wollte man alle zukünftigen Steuerschulden auf einmal begleichen. Wie
berechnet man diesen Betrag? Eine konservative Annäherung besteht darin,
den jährlichen Unterschied mit einem Faktor 12,5 zu multiplizieren, was
einem Kapitalisierungssatz von 8 Prozent entspricht. Dieser hohe Kapitalisie-
rungssatz bringt zum Ausdruck, dass die zukünftigen Ersparnisse sehr un-
sicher sind, während der Eintrittspreis jetzt zu entrichten ist. Einerseits unter-
liegt das aktuelle Einkommensniveau einem Risiko, das über die
Steuerprogression weiter verstärkt wird, andererseits kann sich auch der
Steuersatz ändern oder die Steuerunterschiede zwischen den Gemeinden wer-
den auf politischem Weg reduziert.

Somit erhalten wir eine kapitalisierte Steuerersparnis von 7500 Franken.


Vergleicht man diesen Betrag mit dem Preiszuschlag von 7000 Franken, so
zeigt sich, dass sich der Umzug angesichts der kleinen Differenz kaum lohnt.
Wenn man bedenkt, dass ein Umzug weitere Kosten nach sich zieht, bedeutet
dies, dass ein typischer Haushalt den niedrigeren Steuerfuss per Saldo zu
teuer erkaufen würde.

Falls man jedoch künftig mit steigendem Einkommen rechnet, steigt die er-
wartete Steuerersparnis in Folge der Progression überproportional. Dies kann
dazu führen, dass ein Einkauf in die steuergünstige Gemeinde auf längere
Sicht finanziell trotzdem attraktiv erscheint. Mit zunehmendem Einkommen
steigt der Anreiz in eine steuergünstige Gemeinde zu ziehen, weil ab einem
gewissen Einkommen die Steuerersparnis den gleich bleibenden Aufpreis
übersteigt. Für Haushalte mit hohen Einkommen sind die Steuern also ein
wichtiges Element bei der Wahl des Wohnortes, da ihre durchschnittliche
Steuerbelastung progressionsbedingt deutlich höher ist. Dennoch stellen wir
fest, dass der Marktmechanismus auf den «Steuertourismus» ausgleichend wirkt. 1: Die tatsächlichen
Differenzen der Häuser-
preise in Gemeinden mit
Angebot an lokalen öffentlichen Gütern unterschiedlichen Steuer-
sätzen sind wesentlich
Neben dem Steuersatz findet auch die Steuerkraft der Gemeinden Eingang grösser. Dies hat damit zu
in das hedonische Modell. Natürlich korrelieren diese beiden Grössen, das tun, dass in reicheren
heisst, in Gemeinden mit tiefen Steuern wohnen Leute mit höheren Einkommen. Gemeinden grössere und
Dieser Zusammenhang ist aber keineswegs perfekt, so dass der Steuerkraft luxuriösere Häuser an
eine eigenständige Erklärungskraft hinsichtlich der Immobilienpreise zukommt. meist teureren Mikrolagen
Gemeinden mit besserem Steuersubstrat bieten ihren Bewohnerinnen und stehen.

39
Bewohnern mehr oder qualitativ bessere Leistungen, sei dies nun die Bibliothek,
das Freibad oder die Kinderkrippe. Auch diese Unterschiede zeigen sich in
den Immobilienpreisen. Gemäss unseren Untersuchungen gilt der folgende
Zusammenhang: Steigt die Steuerkraft um 10 Prozent – also zum Beispiel
von 2000 auf 2200 Franken – , so erhöht sich der Preis eines Einfamilien-
hauses um 1 Prozent.

Zentralität der Lage – Die Kosten des Pendelns

Ein zentraler Aspekt der grossräumigen Lage ist die Erreichbarkeit des Zentrums
oder der Zentren. Bei der Berechnung der Reisezeit nach Zürich resp. Winterthur
stehen sowohl private als auch öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung. Es
zeigt sich deutlich, dass die Fahrzeit mit dem Auto die höhere Erklärungskraft
aufweist als die Fahrzeit mit dem Zürcher Verkehrsverbund. Dies bedeutet
nicht, dass ein guter S-Bahn-Anschluss von den Verkehrsnachfragern nicht
gewünscht und damit keinen positiven Einfluss auf die Immobilienpreise hät-
te, auch wenn – trotz massivem Ausbau der Kapazitäten – «nur» 19,7 Prozent
der Zürcher mit der Bahn zur Arbeit fahren 2. Da beide Verkehrsmittel einen
erheblichen Marktanteil aufweisen, wäre es eigentlich richtig, beide Fahrzeiten
ins Modell aufzunehmen. Hier macht uns aber die hohe Korrelation zwischen
den beiden Fahrzeiten einen Strich durch die Rechnung, so dass wir uns auf
die Autofahrzeit beschränken 3. Da die Fahrzeit nach Winterthur nur für die
umliegenden Gemeinden relevant ist, wurde sie lediglich für diese ins Modell
eingeführt.

Die Abbildung 3.1 veranschaulicht den prozentualen Preisabschlag bei zu-


nehmender Reisezeit zum Bellevue in Zürich im Vergleich zu einer Fahrzeit
von zwei Minuten, also z.B. dem Niederdorf. Nicht unerwartet schlägt die
Reisezeit nach Zürich stark zu Buche. An entlegenen Orten – wie zum Beispiel
der Gemeinde Sternenberg mit 48 Minuten Fahrzeit – erwarten wir bei sonst
2: Im Jahr 1990, vor der gleichen Eigenschaften bei einem Einfamilienhaus einen um 30 Prozent tieferen
Einführung der S-Bahn, lag Marktwert als rund ums Bellevue. Beim Stockwerkeigentum beträgt der
dieser Anteil bereits bei Preisunterschied sogar 40 Prozent.
14,7 Prozent. Hinzu kommt,
dass ein Teil der Zunahme Erwartungsgemäss fällt der Abschlag für zunehmende Reisedistanz zur Stadt
des Marktanteils der Bahn Winterthur geringer aus. Trotzdem ist auch dieser Effekt klar belegbar. Bei
auf Kosten von Bus und Einfamilienhäusern beträgt der Preisunterschied bei einer Fahrzeit von 20
Tram stattgefunden hat. Minuten 16 Prozent und beim Stockwerkeigentum 8 Prozent. Im Unterschied
zu Zürich verlieren die Wohnungen mit zunehmender Distanz nach Winterthur
3: Ist ein Ort mit dem öffent- weniger schnell an Wert als Einfamilienhäuser.
lichen Verkehr wesentlich
schneller erreichbar als Wie kann dieser Unterschied in den Preisstrukturen erklärt werden? Käufer
mit dem Auto, so wird dies von Einfamilienhäusern suchen typischerweise ein eher ländliches Lebensgefühl.
im hedonischen Modell In der Stadt Winterthur ist Wohnen im Grünen zentrumsnah eher möglich als
gemeindespezifisch berück- in Zürich. Zunehmende Distanz nach Winterthur bietet darum nur wenig mehr
sichtigt. ländliche Qualität, die Preise reflektieren darum den reinen negativen

40
Abbildung 3.1: Zentral und deshalb teuer
Preisnachlass für EFH in Abhängigkeit von der Fahrdistanz (mit dem Auto) zur Stadtmitte

in Minuten

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 48 50
0%

-5 %

-10 %

-15 %

- 20 %

- 25 %
Auto-Fahrzeit nach Zürich
Auto-Fahrzeit nach Winterthur
- 30 %

Preisnachlass

Distanzeffekt. Die Preisabschläge für Einfamilienhäuser rund um die Stadt


Zürich, beispielsweise Richtung Oberland, werden hingegen durch den Gewinn
an ländlichem Reiz gemildert.

Geringe Ausstrahlung der Mittelzentren

Weiter interessiert die Frage, ob auch um die kleineren Zentren im Kanton


Zürich – vor allem Uster und Bülach – eine abnehmende Preisstruktur zu beob-
achten ist. Ein solcher Zusammenhang lässt sich nicht schlüssig nachweisen.
Das heisst, dass die Leute der Entfernung zu diesen kleineren Städten bei
ihrer Standortentscheidung keine messbare Bedeutung zuweisen, auch nicht
in unmittelbarer Nähe. Daraus sollte allerdings nicht der Schluss gezogen
werden, die kleineren Städte besässen keinerlei Zentrumsfunktion. Vielmehr
ist die Anziehungskraft der Stadt Zürich – und in geringerem Masse auch
der Stadt Winterthur – zu dominant.

Lohnt sich der Weg aus der Stadt?

Rund ein Drittel aller zurückgelegten Kilometer in der Schweiz geht auf das
Konto der regelmässigen Pendler. Die Kosten des Pendelns fallen vor allem
in Form von aufgewendeter Zeit an, die rein monetären Kosten (Billette,
variable Autokosten) sind vergleichsweise klein.

41
Ähnlich wie bei den Gemeindesteuern kann man sich die Frage stellen, in
welchem Ausmass die Kosten des Pendelns in den Immobilienpreisen reflek-
tiert werden. Die durchschnittliche Autofahrzeit im Kanton Zürich in die Stadt
Zürich beträgt 25 Minuten. Dieser Zeitaufwand muss für unsere Rechnung
mit den Opportunitätskosten der Zeit bewertet werden. Die Opportunitätskosten
der Zeit sind nichts anderes als der Wert, den die Leute ihrer Zeit beimes-
sen. Sie können mit dem Nettostundenlohn angenähert werden. Dieser liegt
für Eigentümerhaushalte im Kanton Zürich zur Zeit bei gut 42 Franken pro
Stunde 4. Für einen Durchschnittshaushalt ergeben sich jährliche Zeitkosten
des Pendelns von rund 7800 Franken. Diese müssen nun auf einen langen
Zeithorizont hochgerechnet werden. Dies geschieht, indem man den
Gegenwartswert einer jährlich wiederkehrenden Zahlung von 7800 Franken
berechnet. Aus dieser Rechnung erhält man den stolzen Betrag von 160 000
Franken 5. So viel müsste man heute auf den Tisch blättern, wollte man die
Zeitkosten aller zukünftigen Pendlerfahrten nach Zürich im voraus bezahlen.
Die Abbildung zeigt, wie sich dieser Gegenwartswert der Pendelkosten über
die Gemeinden des Kantons Zürich verteilt.

Abbildung 3.2: Was das Pendeln tatsächlich kostet


Kapitalisierte Pendlerkosten in Tausend Franken

0 – 50

50 – 75

75 – 100

100 – 125

125 – 150
Bülach

150 – 200
Winterthur

200 – 250
Kloten

Regensdorf
250 – 300 • Opfikon Effretikon
• •
Wallisellen
Dietikon •
300 – 350 • Dübendorf
• •
Schlieren Zürich •
• Volketswil

Uster
Zollikon •

Küsnacht Wetzikon
Adliswil •


Thalwil

Meilen
• Rüti
• •
Horgen Stäfa


Wädenswil

0 5 10 km

42
Wollen wir den Ausgleichsmechanismus der Pendlerkosten analysieren, muss
der errechnete Gegenwartswert der Pendlerkosten mit der tatsächlichen
Abnahme der Immobilienpreise mit zunehmender Distanz nach Zürich ver-
glichen werden. Setzt man diese Beträge zueinander in Beziehung, so erhält
man einen Kapitalisierungsgrad von rund 30 Prozent. Dies bedeutet, dass
sich lediglich 30 Prozent der auf heute abdiskontierten Zeitkosten in den
Immobilienpreisen widerspiegeln. Wäre die Kapitalisierung hingegen voll-
ständig, so müssten die Häuserpreise mit zunehmender Distanz nach Zürich
wesentlich schneller abnehmen, als sie es tatsächlich tun, für eine mittlere
Autofahrzeit von 25 Minuten nämlich um 160 000 Franken.

Wie im Steuerbeispiel gelten diese Werte nur für ein durchschnittliches, re-
präsentatives Haushaltseinkommen. Bei höheren Einkommen liegt der Kapitali-
sierungsgrad noch tiefer, bei niedrigem Einkommen liegt er entsprechend
höher. Der Grund dafür liegt darin, dass höhere Einkommen mit höheren Zeit-
kosten einhergehen, die Preisnachlässe auf Grund grösserer Entfernung aber
die gleichen bleiben. Welche Gründe stecken hinter dieser unvollständigen
Kapitalisierung?

Erstens orientieren sich nicht alle Haushalte im Kanton zur Stadt Zürich hin.
Obwohl die Stadt Zürich zusammen mit den angrenzenden Gemeinden den
Kanton ökonomisch klar dominiert, pendeln nicht alle Haushalte nach Zürich.
Haushalte auf dem Land, die nicht in der Stadt arbeiten, werden eine höhere
Zahlungsbereitschaft für ein Haus in der Nähe ihres Arbeitsplatzes (zum
Beispiel im Nachbardorf) aufweisen. Per saldo wird sich das Preisgefüge
nicht in der oben skizzierten idealtypischen Weise herausbilden, sondern nur
in abgeschwächter Form.

Zweitens weiss man aus Experimenten, dass die Leute direkt anfallende 4: Als Basis für diese
monetäre Ausgaben (so genannte «out of pocket costs») höher bewerten als Berechnung diente eine
kalkulatorische Zeitkosten, die nie geldmässig sichtbar werden. Indessen wird ZKB-Untersuchung mit den
immer wieder moniert, unser chronischer Zeitmangel sei die Zivilisations- Daten der Schweizerischen
krankheit schlechthin. In dieser Optik wird niemand bestreiten, dass Zeit einen Arbeitskräfteerhebung
hohen Wert besitzt. Da der Druck am Arbeitsplatz in den letzten Jahren zu- (SAKE) des Bundesamtes für
genommen hat, liesse sich sogar argumentieren, dass der Wert der ver- Statistik.
bleibenden Freizeit und damit die Kosten der Zeit für viele noch wesentlich
höher liegen als hier postuliert. Möglich ist aber auch, dass viele Pendler 5: Im Vergleich mit gesparten
den Arbeitsweg nicht als verlorene Zeit empfinden, da sie die Zeit sinnvoll Steuern erscheint die
nutzen, indem sie beispielsweise Zeitung lesen. In diesem Fall wären die Grössenordnung zukünftig
Opportunitätskosten tiefer anzusetzen, der Kapitalisierungsgrad wäre ent- aufzuwendender Pendel-
sprechend höher. kosten deutlich weniger
unsicher. Aus diesem Grund
Folgerung: Für Haushalte, die sich klar zur Stadt Zürich hin orientieren, lohnt liegt der angewendete
es sich gemäss dieser Rechnung nicht, sehr weit von Zürich wegzuziehen, um Kapitalisierungssatz mit
Wohnkosten zu sparen. Oder man kann den Spiess umdrehen und folgern, dass 5 Prozent tiefer als im
die scheinbar hohen Preise in der Stadt Zürich in Wirklichkeit günstig sind. Steuerbeispiel.

43
Was treibt die Hauspreise: eine Synthese

Die vorgestellten hedonischen Preismodelle für Einfamilienhäuser und


Stockwerkeigentum im Kanton Zürich geben einen Einblick in die Funktions-
weise des Immobilienmarktes. Die wesentlichen Preisdeterminanten sind eruiert:
die Grösse, die Qualität, die ökonomische und physische Entwertung einer
Immobilie und deren Lage, aufgeteilt in Mikro- und Makrolage.
Der Preiseinfluss der Grösse trennt sich in zwei Faktoren auf, nämlich in die
reine Grösse (das Volumen oder die Wohnfläche) und in die Raumaufteilung
(Anzahl der Zimmer). Es zeigte sich, dass eine Veränderung des Inhalts stärker
auf den Preis einwirkt als eine gleiche prozentuale Veränderung der Zimmerzahl.
In Form des Gebäudealters und des Zustandes können die wesentlichen
Preiseffekte der Entwertung einer Liegenschaft berücksichtigt werden. Während
das Alter die Demodierung des Baustils berücksichtigt, bildet die Zustands-
variable einer Immobilie dessen aktuelle Substanz ab.

Die Lageklassen

Die Lage erweist sich als dritte wichtige Preisdeterminante, die als Kombination
von klein- und grossräumigen Eigenschaften in die Schätzgleichung integriert
wird. Dank der Schnittstelle zum geografischen Informationssystem lassen
sich die kleinräumigen Lageeigenschaften einer Immobilie stark verfeinert
abbilden und ihr Einfluss auf die Preise kann differenziert ermittelt werden.
Unter anderem – und erstmals für die Schweiz – lässt sich der Einfluss der
Aussicht auf die Immobilienpreise empirisch belegen und exakt quantifizieren.
Feststellbar ist, dass die Immobilienpreise auf Umweltbelastungen wie Strassen-
lärm reagieren und die hedonische Analyse einen wichtigen Beitrag zur
Bewertung dieser externen Umweltkosten liefern kann. Es wurde auch belegt,
dass die Hauseigentümer auf die unterschiedlichen Gemeindesteuerbelastungen
reagieren und dass ein Teil der Pendlerkosten in den Immobilienpreisen kapi-
talisiert wird.

Diese Ergebnisse werden die Immobilienspezialisten nicht überraschen, da


sie das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf dem Immobilienmarkt
widerspiegeln. Dank dem hedonischen Modell können wir sie aber in trans-
parenter und nachvollziehbarer Weise darstellen und – vor allem – ihre
Grössenordnung messen und die gewonnenen Erkenntnisse zur Bewertung nicht
gehandelter Liegenschaften einsetzen. Diese objektive Bewertung der Lage
steht somit im Kontrast zu den gängigen Ansätzen der Lagebewertung, wie
beispielsweise der traditionellen Lageklassemethode. Der Gesamtwert der
Lage ergibt sich in der Analyse nicht aus einer Reihe von Expertenmeinungen,
die mehr oder weniger subjektiv gefärbt sein können und deren implizite
Gewichtung verborgen bleibt. Vielmehr stammen die vorliegenden Lagewerte
ausschliesslich aus der Analyse der Markttransaktionen. Sie entsprechen dar-
um der aktuellen Wertschätzung aller Teilnehmer am Immobilienmarkt.

44
Abbildung 3.3: Toplagen vorwiegend im Süden
Wert der Mikrolage (Lage innerhalb der Gemeinde), prozentualer Aufschlag im Vergleich zur
durchschnittlichen Lage

- 27 % – -15 %

-14 % – -10 %

-9 % – -5 %

-4 % – 0 %

1% – 5%

6 % – 10 %

11 % – 15 %

16 % – 20 %

0 km 5 10

Eine erste Darstellung der Lagewerte ist in Abbildung 3.3 wiedergegeben.


Diese Karte zeigt den Wert der Lage, welcher ausschliesslich auf die im
Kapitel 3 untersuchten Mikrolagefaktoren zurückzuführen ist. Das heisst: sie
bildet nur die kombinierte Preiswirkung der kleinräumigen Lageeigenschaften
ab, die Makrolage wurde hier bewusst ausgeblendet. Die blau eingefärbten
Gebiete sind durch eine hohe Mikrolagequalität gekennzeichnet, die sich
aus einer Kombination von Ruhe, guter Aussicht, günstiger Topografie und
guter Quartiercharakteristik ergibt.

Bei der Betrachtung fällt auf, dass die Mikrolagen im Kanton Zürich ein Süd-
Nord-Gefälle aufweisen. Die begehrten Orte befinden sich schwergewichtig
im Süden des Kantons. Dies ist erstens topografisch bedingt, indem die Hügel
des Zürcher Oberlandes und des Knonauer Amtes viele gute Aussichtslagen
beherbergen, während der Nordteil des Kantons eher flach ist.

45
Zweitens liegen die Seen und damit die begehrten und darum hoch bezahlten
Lagen mit Seesicht im südlichen Kantonsteil. Und drittens fallen die negati-
ven Lärmemissionen durch Strassen-, Zug- und Fluglärm eher in der Nordhälfte
des Kantons an. Die Kombination dieser Faktoren zeigt eindrücklich, warum
das rechte Zürichseeufer zur Goldküste wurde. Dieses grobe Bild bedarf aller-
dings einer Verfeinerung. So sind auch im Norden des Kantons durchaus
gute Lagen zu finden, vor allem im nördlichen Weinland.

Es mag auf den ersten Blick erstaunen, dass die linke Stadtseite von Zürich
durch eher mässige Werte gekennzeichnet ist. Dies ist primär die Folge der
hohen Verkehrsbelastung, der eher ungünstigen Topographie (keine Aussichts-
lagen) sowie der Quartiereigenschaften.

Wir betrachten nun die Gesamtlagewerte der Hektaren im Kanton Zürich


(Abbildung 3.4), also den aggregierten Effekt der Mikro- als auch Makrolage
(Nähe zu Zürich und Winterthur, Steuersatz und -kraft). Es fällt sofort auf,
dass sich das Bild im Vergleich zur ersten Karte grundlegend verändert hat.
So findet man praktisch alle Stadtzürcher Hektaren ganz oben in der Skala.
Offensichtlich dominiert der Vorteil der Zentralität dieser urbanen Standorte
deren Nachteile, welche zum Teil gerade durch ihre Zentralität entstehen.

46
Abbildung 3.4: Objektive Lagewerte: Zentralität dominiert
Gesamtwert der Lage (prozentualer Aufschlag gegenüber den mittleren Lagen)

- 47 % – - 25 %

- 24 % – -15 %

- 14 % – - 5 %

-4% – 5%

6 % – 15 %

16 % – 25 %

26 % – 35 %

36 % – 51%

0 km 5 10

47
Stadt Zürich

Aufschlag gegenüber
der mittleren Lage

-47% – -25%

-24% – -15%

-14% – -5%

-4% – 5%

6% – 15%

16% – 25%

26% – 35%

36% – 51%

0 km 1 2 3
Winterthur und Umgebung

Aufschlag gegenüber
der mittleren Lage

-47% – -25%

-24% – -15%

-14% – -5%

-4% – 5%

6% – 15%

16% – 25%

26% – 35%

36% – 51%

0 km 2 4 6
Pfannenstiel

Aufschlag gegenüber
der mittleren Lage

-47% – -25%

-24% – -15%

-14% – -5%

-4% – 5%

6% – 15%

16% – 25%

26% – 35%

36% – 51%

0 km 2 4 6
Zimmerberg

Aufschlag gegenüber
der mittleren Lage

-47% – -25%

-24% – -15%

-14% – -5%

-4% – 5%

6% – 15%

16% – 25%

26% – 35%

36% – 51%

0 km 2 4 6
Oberland

Aufschlag gegenüber
der mittleren Lage

-47% – -25%

-24% – -15%

-14% – -5%

-4% – 5%

6% – 15%

16% – 25%

26% – 35%

36% – 51%

0 km 2 4 6
Unterland

Aufschlag gegenüber
der mittleren Lage

-47% – -25%

-24% – -15%

-14% – -5%

-4% – 5%

6% – 15%

16% – 25%

26% – 35%

36% – 51%

0 km 2 4 6
Limmattal

Aufschlag gegenüber
der mittleren Lage

-47% – -25%

-24% – -15%

-14% – -5%

-4% – 5%

6% – 15%

16% – 25%

26% – 35%

36% – 51%

0 km 2 4 6
Glattal

Aufschlag gegenüber
der mittleren Lage

-47% – -25%

-24% – -15%

-14% – -5%

-4% – 5%

6% – 15%

16% – 25%

26% – 35%

36% – 51%

0 km 2 4 6
Weinland

Aufschlag gegenüber
der mittleren Lage

-47% – -25%

-24% – -15%

-14% – -5%

-4% – 5%

6% – 15%

16% – 25%

26% – 35%

36% – 51%

0 km 2 4 6
Knonauer Amt

Aufschlag gegenüber
der mittleren Lage

-47% – -25%

-24% – -15%

-14% – -5%

-4% – 5%

6% – 15%

16% – 25%

26% – 35%

36% – 51%

0 km 2 4 6
4 Immobilienpreisindizes
Auf solidem Fundament

Die tiefe Transparenz und die geringe Liquidität des Immobilienmarktes machen
Immobilienpreisindizes zu einem wichtigen Informations- und Kommunikations-
mittel, sowohl im Miet- als auch im Eigentumsbereich. Der Bedarf an zuver-
lässigen Mietpreisindizes ist gross, nicht zuletzt weil die Wohnausgaben bei
weitem der grösste Posten im Budget der Haushalte darstellen. Im Eigentums-
bereich stellen Preisindizes eine wichtige Grundlage für die Erwartungs-
bildung von Eigenheimbesitzern und institutionellen Investoren dar. Ohne gute
Preisindizes sind schlichtweg keine seriösen Aussagen über Preisentwicklung
und Performance von Immobilien möglich. Die Performancemessung über
eine längere Zeit ist wiederum Voraussetzung für die Herleitung optimaler
Immobilienportfolios. Aus diesem Grund sind Immobilienpreisindizes eine
unabdingbare Voraussetzung für ein modernes Portfoliomanagement, das die
Immobilien berücksichtigt.
Seit der Lancierung des ZKB Immobilienpreisindexes für Wohneigentum im
Kanton Zürich im Jahr 1996, des ersten transaktionsbasierten hedonischen
Immobilienindexes in der Schweiz, sind zahlreiche neue Indizes erschienen,
die den einen oder den anderen Aspekt des Schweizer Immobilienmarktes
abbilden. Leider vermochte sich auf Schweizer Ebene kein Index wirklich
durchzusetzen. Im Gegenteil, die Vielzahl der Methoden und die Komplexität
der Materie hat die schnelle Informationsbeschaffung zum Teil sogar erschwert.
An dieser Stelle möchten wir kurz auf die wichtigsten Eigenschaften von
zuverlässigen Preisindizes eingehen – allem voran die zentrale Rolle, welche
die Qualitätsbereinigung bei der Bildung von Mietpreis- oder Immobilienpreis-
indizes spielt. Korrekt berechnet vermögen Immobilienpreisindizes Erstaunliches
über die Entwicklung der Preise zu berichten.

Durchschnittspreise verzerren die wahre Preisentwicklung

Nehmen wir an, wir möchten die Entwicklung der Preise von Stockwerkeigentum
in einer Region messen und wären in der komfortablen Lage, die Details
sämtlicher Transaktionen von Eigentumswohnungen in dieser Region zu kennen.
Wir könnten uns damit begnügen, den Mittelwert der Preise in einer Periode
zu rechnen und ihn mit dem Wert der Vorperiode zu vergleichen. Allerdings
wäre dieses Vorgehen methodisch falsch, weil Mittelwertvergleiche die tatsäch-
lichen Preiseffekte mit der Veränderung der Qualität des Wohnungsbestands
und der fehlenden Repräsentativität der Transaktionen in einer bestimmten
Periode vermischen. Typischerweise werden in Phasen steigender Immobilien-
preise und starker Nachfrage nach Wohnimmobilien vermehrt neuere bzw.
qualitativ bessere Objekte gehandelt als in Jahren mit fallenden oder stag-
nierenden Preisen. Die starke Nachfrage wirkt sich positiv auf den Neubau
aus und der Anteil der neuen Wohnungen und Einfamilienhäuser an der Menge
aller Transaktionen nimmt zu. Wer einen einfachen Mittelwert der Trans-
aktionspreise rechnet, wird somit in den guten Jahren die Immobilienpreis-
steigerungen überzeichnen, da ein Teil der gemessenen Preisanstiege auf die
bessere Qualität der Objekte in der Stichprobe zurückzuführen ist und nicht
auf die allgemeine Teuerung der Immobilien.

58
Auch wenn die Transaktionen stets eine repräsentative Stichprobe des Bestandes
an Wohneinheiten darstellten, würden die Durchschnittspreise keine korrekte
Abbildung der Immobilienpreisentwicklung wiedergeben, weil der gesamte
Wohnungsbestand über die Jahre einem technischen Wandel untersteht.
Zwar erfolgt die Verbreitung dieses technischen Fortschrittes nicht so rasch
wie bei anderen Gütern (z.B. Autos, Computer oder Filmkameras). Über
mehrere Zeitperioden sind aber auch bei Gebäuden solche Unterschiede klar
erkennbar. Vor 30 Jahren beispielsweise waren Fenster meistens einfach oder
doppelt verglast, während heute die Isolierverglasung dem Standard entspricht.
Die Haustechnik, die Kücheneinrichtung und die Gestaltung der Nasszellen
haben sich über die letzten Jahrzehnte ebenfalls stark verändert. Indizes,
welche diesen Wandel nicht berücksichtigen, verzerren die Abbildung der
Entwicklung von Immobilienpreisen und Mieten.

Gleiches mit Gleichem vergleichen

Wie können Preissteigerungen, die auf Qualtiätsverbesserungen zurück-


zuführen sind, von den reinen Immobilienpreissteigerungen unterschieden
werden? Dieses Problem lässt sich mit der bereits im ersten Teil dieser Publikation
beschriebenen hedonischen Methode lösen. Zuvor wurde erwähnt, dass es
mit Hilfe von statistischen Methoden möglich ist, den Beitrag der einzelnen
Merkmale – wie Grösse, Alter, Bausubstanz oder Lage – auf den Immobilienpreis
zu bestimmen. Diese Beiträge wurden als hedonische Preise bezeichnet. Sind
die hedonischen Preise bekannt, dann lässt sich das Problem der unter-
schiedlichen Zusammensetzung der Stichprobe über die Zeit korrekt lösen:
Es ist jetzt nämlich möglich, die qualitativen Änderungen der Stichprobe zu
korrigieren, indem das immer gleiche Bündel von Wohnungseigenschaften
bewertet wird. Damit stellt man sicher, dass stets Gleiches mit Gleichem
verglichen wird.

Die Bedenken, die gegen nicht-hedonische Immobilienindizes geäussert


werden, sind nicht bloss theoretischer Art. Die fehlende Qualitätsbereinigung
kann markante Unterschiede in der ausgewiesenen Preisentwicklung bewirken
und zu falschen Einschätzungen der Marktdynamik verleiten. Dies möchten
wir am Beispiel des homegate.ch-Angebotsmietpreisindex und des ZKB
Immobilienpreisindex illustrieren, beides hedonische Indizes, die von der ZKB
berechnet werden.

59
Der homegate.ch-Angebotsmietindex

homegate.ch ist der führende Online-Immobilienmarkt der Schweiz. Dank


dieser Rolle verfügt homegate.ch über einzigartiges Datenmaterial. Von den
aktuell rund 30 000 Objekten sind im Mietsegment gegenwärtig monatlich
rund 15000 Angebote auf www.homegate.ch verfügbar. Die Qualität der
Daten ist hoch, da die Datenstruktur im Unterschied etwa zur Vielfalt der
Zeitungsinserate stark normiert und einheitlich ist. Die Daten stehen ohne
Zeitverzögerung für die Indexberechnung und für Analysen zur Verfügung.
Seit August 2003 veröffentlicht homegate.ch 12 hedonische Indizes, welche
die monatliche Entwicklung der offerierten Mieten in der Schweiz und in sieben
Regionen misst.

Abbildung 4.1: Der homegate.ch-Angebotsmietindex: aktuell, zuverlässig


und hedonisch

103
Schweiz
Region Zürich
102

101

100

99
Jan. 2002

April 2002

Juli 2002

Okt. 2002

Jan. 2003

April 2003

Juli 2003

Okt. 2003

Jan. 2004

April 2004

Juli 2004

Quelle: ZKB/homegate.ch

Wie hätten sich die Mietpreisindizes entwickelt, wenn wir uns darauf beschränkt
hätten, Quartalsmittelwerte der Mietpreise zu ziehen und daraus einen Index
zu berechnen? Diese Frage beantwortet die folgende Abbildung, in der wir
die Entwicklung von unbereinigten bzw. hedonischen Indizes vergleichen.
Zwei dieser Reihen liegen exakt die gleichen Daten zugrunde: rund 20 000
Inserate für kleinere Mietwohnungen aus dem Kanton Zürich, welche in den
Jahren 2002 und 2003 auf homegate.ch veröffentlicht wurden. Nur die
Berechnungsmethoden sind unterschiedlich. Die Ergebnisse sind frappant.

60
Abbildung 4.2: Durschnittspreisindizes überzeichnen die Inflation der Mieten
1
Angebotspreise von Wohnungen bis 3 /2 Zimmer im Kanton Zürich

125
auf Basis homegate-Daten, Medianpreis
Wüest & Partner (nicht hedonisch)
120
auf Basis homegate-Daten, hedonisch

115

110

105

100

95

Q1, 2002 Q2, 2002 Q3, 2002 Q4, 2002 Q1, 2003 Q2, 2003 Q3, 2003 Q4, 2003

Quelle: ZKB/homegate.ch, W&P

Ein Index der Durchschnittsmieten von Kleinwohnungen, der auf der Basis
der homegate.ch-Daten berechnet wird, weist über eine Periode von nur zwei
Jahren eine um 19 Prozent höhere Mietpreisinflation aus als der entspre-
chende hedonische Index. Auch der Angebotspreisindex von Wüest & Partner
für die gleiche Objektkategorie – ebenfalls ein Durchschnittspreisindex, der
allerdings auf einer anderen Datenbasis beruht und vorwiegend Zeitungs-
annoncen berücksichtigt – folgt tendenziell der Entwicklung der nicht be-
reinigten Reihe und überzeichnet somit die tatsächliche Mietpreisinflation.
Der Grund für diese Abweichung liegt in der Verschiebung der Zusammen-
setzung des Angebots im Kanton Zürich, welche zwischen Anfang 2002 und
Ende 2003 stattgefunden hat. Eine Analyse der Merkmale der inserierten
Mietwohnungen zeigt, dass in dieser Zeitperiode vermehrt Wohnungen bis
3 / Zimmer auf den Markt kamen, welche
1
2

– eine grössere Wohnfläche aufwiesen,


– an zentralen, teuren Lagen innerhalb der Region lagen
– und relativ neu waren.

Die von den Durchschnittspreisindizes verzeichnete Mini-Explosion der Mieten


in dieser Periode ist aus dieser Optik weitgehend ein statistisches Artefakt,
welches auf die Verschiebung des Wohnungsangebots zurückzuführen ist.

61
Der ZKB Immobilienpreisindex

Die Zürcher Kantonalbank verfügt über eine umfangreiche und detaillierte


Datenbasis, welche die Berechnung eines unverzerrten Immobilienpreisindex
mittels der hedonischen Methode für den Kanton Zürich ermöglicht. Der
Datensatz der Zürcher Kantonalbank enthält mehr als 15000 Transaktionen
von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern, die im Zeitraum von 1980
bis heute von der Bank finanziert wurden. Es werden nur Handänderungen
zu Marktpreisen berücksichtigt und die Merkmale der verkauften Liegenschaften
sind sehr detailliert erfasst.

Die Abbildungen 4.3 und 4.4 geben die Entwicklung der zwei hedonischen
Indizes auf Jahresbasis wieder 1.

Abbildung 4.3: ZKB Immobilienpreisindex Einfamilienhäuser


Kanton Zürich (1980 = 100)

250 20%
EFH Jahresindex (linke Skala)
Indexveränderung (yoy)
220 15%

190 10%

160 5%

130 0%

1: Die aktualisierten Reihen 100 -5%

sind unter www.zkb.ch,


Rubrik Wohnen/Immobilien, 70 -10%

abrufbar. 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004

62
Abbildung 4.4: ZKB Immobilienpreisindex für Stockwerkeigentum
Kanton Zürich (1980 = 100)

200 12%
STWE Jahresindex (linke Skala)
Indexveränderung (yoy)
180
8%

160

4%
140

120 0%

100 -4%

80 -8%

1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004

Wie hätten sich die Immobilienpreisindizes entwickelt, wenn wir das vorher-
gehende Experiment wiederholen und uns darauf beschränkt hätten, Jahres-
mittelwerte der Verkaufspreise zu ziehen und daraus einen Index zu berechnen?
Diese Frage beantwortet die folgende Abbildung 4.5, in der wir die Entwicklung
des bereinigten und unbereinigten Indexes für Stockwerkeigentum in den
letzten Jahren vergleichen.

Abbildung 4.5: Auf die Qualitätsbereinigung kommt es an


STWE-Preisindizies für den Kanton Zürich (1997= 100)

105,0
Hedonischer Index
Durchschnittspreisindex
110,0

105,0

100,0

95,0

90,0

1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003

63
Wie im Beispiel mit den Mietwohnungen liegen beiden Reihen exakt die gleichen
Transaktionen zugrunde, nur die Berechnungsmethoden sind unterschiedlich.
Erwartungsgemäss steigt der Durchschnittspreisindex wesentlich stärker als
die qualitätsbereinigte, hedonische Reihe an. Nach fünf Jahren beträgt der
Unterschied beinahe 8 Prozent. Wir führen diese Differenz auf die Phase
1998 und 1999 zurück, in denen besonders viele neue Eigentumswohnungen
mit überdurchschnittlichem Ausbaustandard an zentralen städtischen Lagen
auf den Markt kamen. Die hedonische Methode vermag diesen Stichproben-
effekt zu kontrollieren und gibt somit die korrekte Veränderung der Immobilien-
preise bei konstanter Qualität wieder.

Schlussfolgerungen

Aufgrund der Heterogenität von Immobilien bestehen grosse Qualitätsunter-


schiede in den gehandelten Liegenschaften. Diese erschweren – zusammen mit
der Illiquidität von Immobilienmärkten – die Bildung von zuverlässigen Indikatoren
der Preisentwicklung auf Immobilienmärkten. Um die allgemeine, allen Liegen-
schaften zugrundeliegende Preisentwicklung zu identifizieren, muss somit dem
Einfluss dieser Merkmale auf den Preis Rechnung getragen werden. Ist dies
nicht der Fall, so bestehen die beobachteten Änderungen in einem Immobilien-
preisindex aus einer Mischung von Änderungen, die auf unterschiedliche Merkmals-
ausstattung zurückzuführen sind, und von Änderungen, die der Interaktion
von Angebots- und Nachfragekräften zuzuschreiben sind. In Anbetracht der
grossen volkswirtschaftlichen Bedeutung von Immobilienpreisindizes und der
beträchtlichen Verzerrungen von Durchschnittspreisindizes scheint uns die
Anwendung von Verfahren, welche eine konsistente und konsequente Qualitäts-
bereinigung der beobachteten Preise ermöglichen, unabdingbar.

64
5 Wohneigentum
Für viele tragbar

Ein Spaziergang in die neuen Quartiere der grösseren Agglomerationen


bestätigt es: In der zurückliegenden Dekade hat das Wohneigentum in der
Schweiz starken Zulauf erhalten. Gemäss dem Bundesamt für Statistik ist der
Anteil der Haushalte, die Eigentümer des von ihnen bewohnten Wohnobjektes
sind, zwischen 1990 und 2000 landesweit um 3,3 Prozentpunkte auf 34,6
Prozent gestiegen. Vor allem das Stockwerkeigentum in den urbanen Zentren
hat an Bedeutung gewonnen: In der Schweiz hat sich die Zahl der
Eigentumswohnungen im letzten Jahrzehnt verdoppelt und der Anstieg der
Eigentumsquote im Kanton Zürich – von 21 Prozent auf 25 Prozent – ist praktisch
ausschliesslich auf den Boom der Eigentumswohnungen zurückzuführen. Welches
sind die Ursachen dieses Trends? Wird er anhalten? Welche Konsequenz hat
die verstärkte Neigung zum Eigentum auf die Immobilienpreise? Werden wir
bald jährliche Preissteigerungen von 30 Prozent oder mehr erleben, wie in
England oder Irland seit Jahren üblich? Diese Fragen beantworten wir in diesem
Kapitel, in dem wir uns der Analyse des Wohneigentumsmarktes in der Schweiz
widmen.

Wer leistet sich die eigenen vier Wände?

Die Schweizer sind ein Mietervolk, doch in fast allen schlummert der Wunsch
nach Eigentum: Eine vor einigen Jahren durchgeführte Befragung 1 von rund
1600 Schweizer Haushalten stellte fest, dass 81 Prozent der Befragten sich
für Wohneigentum entscheiden würden, falls es die Finanzen zuliessen. Gut
40 Prozent der befragten Mieter gaben an, dass sie sich ernsthaft Gedanken
machen, Wohneigentümer zu werden. Doch trotz dem Wachstum der letzten
Jahre hat die Schweiz immer noch die tiefste Eigentumsquote Europas –
warum?

Für die meisten befragten Mieter war der hohe Preis das entscheidende
Kaufhindernis. Ebenso erachteten sie ihre eigene Einkommens- und Vermögens-
situation als ungünstig. Weniger wichtig erschienen den Mietern mit dem
Kauf von Wohneigentum verbundene Einschränkungen beim Konsum ande-
rer Güter (Erholung, Unterhaltung, Bildung, Mobilität) und die Unterhaltskosten.
Die Tatsache, dass es andere Anlagemöglichkeiten als Wohneigentum gibt
(z.B. Aktien oder Obligationen), war den wenigsten Mietern hinderlich für
einen Kauf. Ausserdem existierten genügend Informationen über den Wohnungs-
markt, die den Kauf einer Immobilie nicht allzu komplex erscheinen liessen.

Eigentum: Wohlhabende und Familien


1: Philippe Thalmann und
Um allfällige Unterschiede zwischen den Befragungsergebnissen und dem Philippe Favarger,
tatsächlichen Verhalten aufzudecken, haben wir das Wohnverhalten der «Locataire ou propriétaire?»,
Zürcherinnen und Zürcher untersucht. Dabei wird davon ausgegangen, dass Presses polytechniques et
Haushalte bewusst eine Wohnform wählen, die ihren Vorlieben und Möglich- universitaires romandes,
keiten entspricht. Anhand ökonometrischer Analysen kann ermittelt werden, Lausanne, 2002

65
ob typische Verhaltensmuster vorliegen. Die analysierten Rohdaten stammen
aus der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) des Bundesamtes für
Statistik im Jahr 2001. Danach wohnen Leute mit hohem Einkommen häufiger
in den eigenen vier Wänden. Allerdings scheint beim Einkommen ein kritischer
Wert vorzuliegen, ab dem Eigentum erschwinglich wird, denn es besteht kein
statistisch signifikanter Unterschied zwischen Personen mit niedrigem und
mittlerem Einkommen. Übersteigt das verfügbare Haushaltseinkommen die
Grenze von 100 000 Franken pro Jahr, steigt die Wahrscheinlichkeit, Eigentümer
zu sein, stark an.

Personen mit Kindern neigen eher dazu, Wohneigentum zu erwerben. Dies


vermutlich deshalb, weil Familien mit Kindern früher oder später mehr Platz
beanspruchen. Da grosse Familienwohnungen auf dem Mietmarkt rar und
teuer sind, ist der von den Familien wahrgenommene Preis von Wohneigentum
relativ zur Miete günstig.

Personen in ländlichen Gebieten des Kantons Zürich wohnen häufiger im


eigenen Haus. Unabhängig vom Einkommen zeigt sich, dass Personen mit hoher
Ausbildung häufiger in den eigenen vier Wänden wohnen. Hingegen liegt kein
Unterschied zwischen Personen mit niedriger und mittlerer Ausbildung vor.

Miete: Unverheiratete und Ausländer

Unverheiratete Personen wohnen hingegen häufiger zur Miete. Dies gilt


insbesondere für geschiedene Männer, was damit zusammenhängen könnte,
dass das Haus der die Kinder betreuenden Frau zugewiesen wird. Mit steigendem
Alter wird Wohneigentum immer wahrscheinlicher. Hier wirkt der Effekt, dass
nur wenige Personen wieder zu Mietern werden, wenn sie einmal Eigentümer
waren. Da mit dem Alter das private und das im Rahmen der beruflichen
Vorsorge ersparte Vermögen steigt, leisten sich Personen mit zunehmendem
Alter häufiger ein Eigenheim. Ebenfalls wohnen Ausländer häufiger zur Miete.
Dies dürfte damit zusammenhängen, dass viele Ausländer offen lassen, ob
sie wieder in ihre Heimat zurückkehren werden.

Gemäss der oben erwähnten Befragung von Mietern sind Mobilitätshemmnisse


unbedeutend für die Wahl der Eigentumsform. Die ZKB-Studie hat hingegen
ergeben, dass Haushalte, in denen beide Partner erwerbstätig sind, häufi-
ger in den eigenen vier Wänden wohnen. Dies hängt zum einen mit dem
höheren Haushaltseinkommen zusammen, zum anderen ist es oft schwierig,
bei einem Wohnortswechsel für beide eine befriedigende neue Arbeitsstelle
zu finden. Das geringere Mobilitätsbedürfnis führt dazu, dass sie sich des-
halb – unabhängig vom Einkommen – häufiger fürs Eigenheim entscheiden.
Dies gilt erst recht für Personen, die längere Zeit im gleichen Betrieb beschäf-
tigt sind. Die typischen Zürcher Wohneigentümer sind verheiratet, wohlhabend,
haben Kinder und befinden sich auf einem hohen Ausbildungsniveau. Zudem
leben sie eher in ländlichen Gemeinden.

66
Haus oder Wohnung?

Das Stockwerkeigentum wird als Wohneigentums- Unterschied zu Ausländern eher zum Haus, während
form immer beliebter. Der Anstieg der Eigentums- kleine Haushalte einer Wohnung den Vorzug geben.
quote, den man in der Schweiz in den 90er Jahren Die gegenwärtige Beliebtheit des Stockwerkeigen-
beobachtete, ist praktisch ausschliesslich auf die tums unter den neuen Eigentümern kann nicht unab-
Verbreitung dieser Eigentumsform zurückzuführen. hängig von einem weiteren Phänomen untersucht
Wie erklärt sich die in letzter Zeit wachsende werden: dem Drang in die Zentren. Im Kanton Zürich
Beliebtheit von Wohnungen im Vergleich mit orientieren sich jüngere Haushalte ohne Kinder
Einfamilienhäusern bei den Neueigentümern? vermehrt nach Zürich und die zentrumsnahen
Erstaunlicherweise gibt es zu diesem Thema kaum Gemeinden hin. Bei älteren Personen ist – trotz
empirisch abgestütztes Wissen. Während der hohen Preisen – ebenfalls eine starke Wanderungs-
Entscheid über die Eigentumsform (Miete versus bewegung in die Zentren festzustellen. Genau ent-
Kauf) Gegenstand diverser Untersuchungen und gegengesetzt verhält es sich bei den grossen
Thema unzähliger Ratgeber war, blieb die Wahl Haushalten (junge Familien mit Kindern, Mehr-
der Neueigentümer zwischen den Wohnformen in generationshaushalte), sie verlagern ihren Lebens-
der Schweiz bisher weitgehend unerforscht. Unsere kreis eher in die peripheren Gemeinden.
empirische Analyse des Entscheids zwischen Haus
und Wohnung im Querschnitt der Haushalte fördert Insgesamt lässt sich die These aufstellen, dass es
Interessantes zu Tage: Steigendes Einkommen und die älteren, kapitalkräftigen Haushalte und die kinder-
Vermögen ergeben eine starke Tendenz für Ein- losen Paare sind, die für die starke Zunahme der
familienhäuser. Wie aus der Tabelle 5.1 ersichtlich Nachfrage nach urbanem Wohnraum sorgen. Da
bedeutet eine zehnprozentige Erhöhung des Ein- in den grossen Zentren der Einfamilienhausbau im
kommens eine um drei Prozent höhere Wahrschein- Vergleich zum Stockwerkeigentum sehr teuer ist,
lichkeit, sich für ein Haus und gegen Stockwerk- wächst der Anteil der Stockwerkeinheiten an den
eigentum zu entscheiden. Mehr Vermögen wirkt in neu erstellten Einheiten.
dieselbe Richtung mit ähnlicher Grössenordnung.
Für wohlhabende Haushalte sind Eigentumswoh-
nungen also nach wie vor zweite Wahl – die
Schweizer halten am Traum des suburbanen frei- Tabelle 5.1
stehenden Einfamilienhauses fest; nur fehlen vielen Auswirkung ausgewählter Merkmale auf die Kaufwahr-
dazu die Mittel. scheinlichkeit einer Wohnung im Stockwerkeigentum
im Vergleich zu einem Einfamilienhaus*
Dem Wunsch nach dem Einfamilienhaus wirkt aller-
Merkmal Auswirkung
dings die Demografie entgegen: Nicht unerwartet
Käufer ist zwischen 40 und 50 Jahre alt + 2%
neigen ältere Haushalte sehr stark zum Stockwerk-
Käufer ist zwischen 50 und 60 Jahre alt + 34%
eigentum: Bei Konstanz aller andern Einflussfaktoren
Käufer ist älter als 60 Jahre + 52%
haben Haushalte, deren Mitglieder über 50 Jahre
Ausländische Nationalität + 14%
alt sind eine viermal höhere Wahrscheinlichkeit
Ledig + 8%
als Leute unter 50, sich für eine Eigentumswohnung
Einpersonen-Haushalt + 19%
zu entscheiden. Bei noch älteren Haushalten ist
Einkommen erhöht sich um 10% – 3%
dieser Effekt noch stärker: Ab 60 Jahren ist die -
Wahrscheinlichkeit eines Wohnungskaufs achtmal *Referenzkäufer ist 35 Jahre alt, Schweizer, verheiratet
höher. Zudem streben Schweizer Haushalte im und verdient jährlich 85 000 Franken netto.

67
Tragbarkeit als zentraler Treiber

Die Ergebnisse des vorherigen Abschnittes zeigen am Beispiel des Kantons


Zürich, wer tendenziell zu den Eigentümern gehört. Ganz bestimmt spielt die
Höhe des Einkommens eine grosse Rolle bei der Wahl zwischen Kauf oder
Miete. Doch wie Abbildung 5.2 zeigt, kann diese Feststellung nicht das Ende
der Geschichte sein. Es bestehen nämlich grosse Unterschiede zwischen den
kantonalen Eigentumsquoten, welche offensichtlich nicht alleine auf Einkommens-
unterschiede zurückzuführen sind. Im Kanton Jura, mit einem Median-
nettoeinkommen von 57000 Franken der ärmste Kanton, sind über die Hälfte
der Bewohner Eigentümer. Im reichen Kanton Zug hingegen, wo das Median-
einkommen 82000 Franken erreicht, wohnt knapp ein Drittel im eigenen
Haus. Die vorangehende Analyse vernachlässigt offensichtlich eine wichtige
Dimension, die der Immobilienpreise.

Abbildung 5.2: Tiefere Tragbarkeit in den städtischen Kantonen


Tragbarkeit von Wohneigentum und kantonale Eigentumsquote

Eigentumsquote (1990)

60 %
VS

50 %
JU
GL
UR AG AR/AI
SO GR
40 % SZ
UW FR TG
BL TI
SG SH
BE
30 %
ZG LU
VD
NE
20 % ZH

GE
BS
10 %

100 120 140 160

Tragbarkeitsindex (2003)

Quelle: ZKB, BFS

Die zwei wichtigen Determinanten von Wohneigentum – Einkommen und


Immobilienpreise – lassen sich zusammen mit den Zinskosten zu einem
Tragbarkeitsindex für Wohneigentum zusammenfassen. Diese Indexgattung,
die in angelsächsischen Ländern weit verbreitet ist, misst, ob ein typischer
Haushalt über genügend Einkommen verfügt, um einen Hypothekarkredit auf
die durchschnittliche Liegenschaft bedienen zu können. Je höher der Trag-
barkeitsindex, desto erschwinglicher ist Wohneigentum. Es ist deshalb zu
erwarten, dass in Regionen, wo Eigentum erschwinglicher ist (sei es, weil die
Einkommen höher sind oder die Immobilienpreise tief), die Eigentumsquote
höher liegt. In der Tat zeugt Abbildung 5.2 von einem engen Zusammenhang
zwischen der Tragbarkeit und den kantonalen Wohneigentumsquoten: Allein
die finanzielle Tragbarkeit vermag rund 60 Prozent der Streuung der kanto-

68
nalen Eigentumsquoten zu erklären. Gemäss ihrer Tragbarkeit müssten aber
in den zwei urbanen Kantonen, Basel-Stadt und Genf, die Eigentümerquoten
etwa auf der Höhe des Kantons Zürich liegen, effektiv betragen sie nur die
Hälfte dessen. Wir führen dies auf historische Gründe zurück, weil Stockwerk-
eigentum, die «natürliche» Form von Wohneigentum in den Zentren, bis 1970
in der Schweiz nicht möglich war und erst in den letzten 15 Jahren an
Bedeutung gewonnen hat.

Da die Konditionen (Zinsen, Amortisation, Belastungsgrenzen) zwischen den


Kantonen kaum variieren, reduzieren sich die Unterschiede in der Tragbarkeit
allein auf das Verhältnis zwischen Immobilienpreisen und Haushaltseinkommen.
Bemerkenswert ist nun, dass die kantonalen Mietzinsniveaus als weiterer
Faktor keinen zusätzlichen Erklärungsgehalt beitragen. Dies heisst, dass vor
allem die Immobilienpreise – und damit die absolute Höhe der erforderlichen
Investition – in Relation zum Einkommen wichtig sind und nicht der oft zitierte
Vergleich zwischen Kaufen und Mieten. Wir haben damit ein weiteres Indiz
dafür, dass die Risikoüberlegungen beim Hauskauf die kurzfristig realisierbaren
Ersparnisse im Vergleich zur Miete dominieren.

So wird der Tragbarkeitsindex


der ZKB berechnet

Für jeden Indexzeitpunkt wird zuerst der Median- Hauswertes, wie sie für Neueigentümer typisch ist.
haushalt und das Medianhaus bestimmt. Der Median- Ein wichtiger Punkt ist die Wahl des Zinssatzes.
haushalt ist jener Haushalt, dessen Einkommen Verwendet man variable Sätze, so bildet man zwar
genau in der Mitte der Verteilung aller Haushalts- die aktuelle Tragbarkeit korrekt ab, vernachlässigt
einkommen liegt. Analog verfährt man bei der aber die Nachhaltigkeit. Es liegt im ureigenen
Suche nach dem Medianhaus. Es hat den mittle- Interesse der Hypothekargeberin, dass das Wohn-
ren Preis aller in der jeweiligen Periode gehan- eigentum auch in einer vorübergehenden Hoch-
delten Einfamilienhäuser. Ein Indexwert von 100 zinsphase tragbar bleibt. Basis für die Berechnung
bedeutet, dass der Medianhaushalt seinen Hypo- der Tragbarkeit ist daher nicht das aktuelle Zins-
thekarkredit bedienen kann (inkl. Amortisationen), niveau, sondern ein langfristiger Mittelwert. Wir
ohne dass die finanzielle Belastung 35 Prozent sei- unterlegen unseren Index darum mit einem konstanten
nes Nettoeinkommens übersteigt. Diese Faustregel Satz von 5 Prozent. Dies entspricht näherungsweise
wird von den meisten Banken angewendet. Wir unter- dem Mittelwert der variablen Hypotheken der
stellen weiter eine Belehnung von 80 Prozent des Kantonalbank im Zeitraum 1970 bis 2003.

69
Abbildung 5.3: Noch nie war Wohneigentum so erschwinglich
Finanzielle Tragbarkeit des Wohneigentums im Kanton Zürich

100 270
ZKB-Tragbarkeitsindex (langfristig)
ZKB-Immobilienpreisindex Einfamilienhäuser (rechte Skala)
95 250

90 230

85 210

80 190

75 170

70 150

65 130

60 110

55 90

'80 '81 '82 '83 '84 '85 '86 '87 '88 '89 '90 '91 '92 '93 '94 '95 '96 '97 '98 '99 '00 '01 '02 '03

Die Tragbarkeit vermag nicht nur einen Teil der Differenzen zwischen den
Kantonen zu erklären, sie kann ebenfalls den Eigentumsboom der zweiten
Hälfte der 90er Jahre erklären, wie die Abbildung 5.3 illustriert, welche den
Verlauf des langfristigen Tragbarkeitsindexes für den Kanton Zürich darstellt.
Während der spekulativen Phase der Immobilienpreise in den Jahren 1986
bis 1990 verteuerten sich auch die Einfamilienhäuser jährlich um fast 10
Prozent, was zu einer dramatisch verminderten Tragbarkeit von Wohneigentum
führte – und dies trotz steigendem Einkommen der Haushalte. Aufgrund
erodierender Immobilienpreise ab 1990 stieg der Tragbarkeitsindex in den
Neunzigerjahren stetig an. Der Index erreichte im Jahr 2000 einen Höchststand
mit einem Wert von 96,1 Punkten, getrieben durch einen starken Anstieg der
Haushaltseinkommen. Der Index ist in den letzten Jahren aufgrund der tiefen
Zinssätze und trotz leicht sinkenden Einkommen infolge der Rezession wie-
der leicht angestiegen. Mit einem Wert um 96 Punkte verharrt er auf einem
weit höheren Niveau als irgendwann in den letzten 20 Jahren. In der lang-
fristigen Optik ist die Gelegenheit zum Erwerb von Wohneigentum günstig.
Der aktuelle Indexwert kann so interpretiert werden, dass beinahe jeder zweite
Haushalt im Kanton Zürich sich Wohneigentum finanziell leisten könnte. Auf
Basis des aktuellen Zinsniveaus läge der Index noch weit höher. Dieser Befund
mag viele überraschen und sogleich zur Frage verleiten, warum nur die Hälfte
der potenziellen auch effektive Eigentümer sind.

70
Vielschichtiger Aspekt beim Entscheid

Zuerst muss betont werden, dass die Tragbarkeit lediglich den finanziellen
Rahmen absteckt, aber keine Aussagen über die tatsächlichen Bedürfnisse
und Absichten macht. Dieser Einwand führt uns direkt zum Vergleich mit der
Miete für ein gleichwertiges Objekt. Die oft angestellten Vergleichsrechnungen
zwischen Miete und Eigentum fallen regelmässig zugunsten des Eigentums
aus. Bedenkt man, dass die Mieten von Zürcher Neuwohnungen seit 1998
um 15 Prozent gestiegen sind, während die Preise für Eigentumswohnungen
lediglich um 8 Prozent stiegen, vermag dies nicht zu erstaunen. Allerdings
blenden diese Rechnungen wichtige Aspekte aus.

– Der Eigentümer gibt einen Teil seiner Flexibilität preis, da er im Falle


eines Wohnortswechsels mit wesentlich höheren Transaktions- und Zeit-
kosten konfrontiert wird.
– Er trägt das ganze Risiko mit seinem Eigenkapital. Dieses besteht einer-
seits aus dem systematischen Risiko des Immobilienmarktes (d.h. den
allgemeinen Preisschwankungen, vgl. Kapitel 6), andererseits aus dem
spezifischen Objekt- und Lagerisiko seiner Immobilie. Man denke hier
beispielsweise an die neuen Anflugsrouten an den Flughafen Zürich,
welche die Qualität gewisser Standorte im Kanton Zürich verändert
haben. Die meisten Haushalte können diese Risiken kaum diversifizieren,
da ein Grossteil des Vermögens in der Liegenschaft gebunden wird. Dies
kann erklären, warum die Schweizer in Umfragen regelmässig das hohe
Preisniveau – und nicht den Vergleich zwischen Miete und Kauf – als die
grösste Hürde zum Erwerb von Wohneigentum angeben.
– Nicht zuletzt gilt es, die Eigenheiten des Mietrechts Schweizerischer
Prägung zu beachten. Die gesetzliche Anbindung der Altmieten an die
historischen Anlagekosten der Liegenschaft, wie sie die Kostenmiete vor-
sieht, führt in der Tendenz zu einer verstärkten Immobilität der Mieter an
gefragten Lagen. Die Kostenmiete schliesst nachfrageseitige Gründe für
Mietzinserhöhungen ohne Mieterwechsel weitgehend aus. Altmieter an
begehrten Lagen kommen so in den Besitz einer Rente in Form einer nicht
marktgerechten Miete, die sie im Falle eines Wohnungswechsels verlieren.

All diese Gründe mögen erklären, wieso trotz der ausgezeichneten Tragbarkeit
von Wohneigentum nicht alle, die sich Eigentum leisten können, auch Eigentümer
werden. Trotzdem sprechen die aktuellen finanziellen Rahmenbedingungen
für den Erwerb von Eigentum und wir erwarten, dass die Wohneigentumsquote
in den nächsten Jahren weiter ansteigen wird.

71
Wohneigentum jetzt?

Wird dies eine Auswirkung auf die Preise haben? Um diese Frage zu
beantworten, müssen wir eine Vorstellung davon gewinnen, wie sich das faire
Preisniveau von Immobilien bildet, oder – salopp gesagt – ob die Preise von
Schweizer Wohnimmobilien zurzeit tief oder hoch sind. Um diese Frage zu
beantworten, greifen wir auf ein Instrument zurück, das seit Jahrzehnten zur
Bestimmung des faires Niveaus von Aktienanlagen und zur Evaluation der
Performancechancen von Wertpapieren eingesetzt wird, das Kurs/Gewinn-
Verhältnis (Englisch p/e, Price-Earnings-Ratio). Bei Aktien errechnet sich das
p/e einfach aus dem Verhältnis des aktuellen Aktienkurses geteilt durch den
gegenwärtigen Gewinn pro Aktie. Spätestens seit dem Kollaps der «New
Economy» in den Jahren 2000 – 2002 weiss man, dass Aktienpreise – und
somit der Wert von Unternehmen – auf die Dauer nicht allzusehr von den
Gewinnen derselben abweichen können. In Bezug auf Immobilien heisst dies,
dass ein kontinuierlicher Anstieg der Immobilienpreise auf die Dauer nur
dann möglich wäre, wenn die Mieteinnahmen auch entsprechend steigen
würden. Denn der Erwerb einer Immobilie ist eigentlich nichts anderes als
der Kauf aller zukünftiger Mieterträge, egal ob das Objekt vermietet oder
selbst bewohnt wird. Wie lässt sich also das Konzept des Kurs/Gewinn-
Verhältnisses auf Immobilien übertragen? Um das p/e zu bestimmen, müssen
sowohl der Marktwert der Liegenschaft als auch die Mieteinnahmen bekannt
sein. Diese Werte können nicht direkt beobachtet werden, denn Eigentümer
zahlen keine Miete und der Marktwert einer Immobilie kann nur im Falle
einer Handänderung genau festgelegt werden. Die in den Kapiteln 1 bis 3
ausführlich beschriebene hedonische Methode der Immobilienbewertung
ermöglicht aber gerade, die Vergleichbarkeit sicherzustellen, indem die Miete
bzw. der Kaufpreis von zwei identischen Wohnungen bestimmt wird.

Abbildung 5.4: Zurzeit ein Schnäppchen?


Verlauf des p/e für Eigentumswohnungen in der Schweiz und Risikoprämie seit 1970

3% 30
P/E Stockwerkeigentum (linke Skala)
28
Risikoprämie (rechte Skala)
2%
26

24
1%
22

0% 20

18
-1 %
16

14
-2%
12

-3% 10

'70 '72 '74 '76 '78 '80 '82 '84 '86 '88 '90 '92 '94 '96 '98 '00 '02 '04

72
Zurzeit beträgt das p/e von typischen Eigentumswohnungen in den Schweizer
Agglomerationen rund 21,7, d.h. der Marktwert entspricht also fast 22
Jahresnettomieten. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Eigentümer neben
dem laufenden Unterhalt Rückstellungen für den Werterhalt seiner Liegenschaft
tätigen muss (ca. 0,8 Prozent des Verkehrswerts). Das p/e kann aber erst im
historischen Kontext sinnvoll interpretiert werden. Aus der Abbildung 5.4
wird die Entwicklung für das Segment Eigentumswohnungen seit 1970
ersichtlich. Der mittlere Wert in dieser Zeitperiode betrug 22,5. Akzeptiert
man diesen als Messlatte, so erscheinen Eigentumswohnungen zurzeit
tendenziell günstig.

Allerdings unterlag die p/e-Masszahl beträchtlichen Schwankungen. Während


sie sich in den siebziger Jahren in relativ engen Bahnen bewegte, schnellte
sie im Immobilienboom der achtziger Jahre auf Werte von 28. Damals gin-
gen Preisvorstellungen und Mietentwicklung deutlich auseinander. Was trieb
die Bewertung auf ein Niveau, das sonst nur Aktien mit Aussichten auf schnel-
les und hohes Gewinnwachstum zugestanden wird? Offensichtlich war es die
Erwartung weiter steigender Mieten. Als sich diese Hoffnung zerschlug,
folgte prompt der Absturz bis auf ein Niveau von 19, gefolgt von einem
Trend zurück zum langjährigen mittleren Niveau. Aus dieser fundamentalen
Bewertungsoptik erscheint die starke Korrektur der Immobilienpreise in den
neunziger Jahren als Überreaktion, die den Überschwang der vorangegangenen
Dekade ins Gegenteil verkehrte. Bemerkenswert ist, dass die jüngste Aufwertung
des Stockwerkeigentums aus dieser Sicht noch immer als Wiederherstellung
der üblichen Bewertungsrelationen, bzw. als Korrektur der negativen Über-
treibung interpretiert werden muss. Aus dieser Sicht ist aktuell keine Über-
bewertung von Schweizer Wohnimmobilien ersichtlich.

Man kann die Analogie zum Aktienmarkt noch einen Schritt weitertreiben
und den Fokus auf die implizite Risikoprämie einer Anlage in Wohnimmobilien
legen. Dahinter steht folgende Frage: Wie viel Mehrrendite im Vergleich mit
einer risikolosen Staatsanleihe fordern Immobilienkäufer, um bereit zu sein,
das Marktrisiko des Immobilienmarktes zu tragen? Aus dem p/e-Wert lässt
sich die aktuelle Rendite direkt errechnen, entspricht sie doch seinem inver-
sen Wert. Die Differenz zur Rendite von langfristigen Eidgenossenanleihen
ergibt die gesuchte Risikoprämie des Immobilienmarktes, die ebenfalls aus
der Abbildung 5.4 zu ersehen ist. Ihr Durchschnittswert seit 1970 beträgt
annähernd Null, was vorerst erstaunen mag. Die Investoren forderten in der
Regel also keine Risikoprämie für Immobilienanlagen ein. Darin spiegelt sich
der Umstand, dass die Mieten in der Schweiz langfristig im Rahmen der all-
gemeinen Teuerung steigen. Der Bonus der langfristig inflationsgeschützten
Anlagen machte die Risiken in den Augen der Käufer wett.

Aktuell liegt die Prämie bei rund 1,7 Prozent, einem Wert, der historisch gese-
hen hoch ist. Seit Anfang der neunziger Jahre, als die Prämie stark negativ
war – die Investoren in Erwartung weiterer Aufwertungsgewinne also eine
weit unter der Verzinsung von Staatsanleihen liegende Immobilienrendite

73
akzeptierten –, stieg sie kontinuierlich um mehr als 4 Prozent. Offensichtlich
wurde das Bewusstsein um die Preisrisiken von Immobilien bei vielen Akteuren
geschärft, vor allem bei denjenigen, die in der Korrektur herbe Verluste erlit-
ten haben. So gesehen erscheint die Aussage nicht verwegen, dass die
Nachwehen der Krise noch nicht ausgestanden sind. Geht man davon aus,
dass sich die Prämie wieder auf ihren langfristigen Wert nahe Null zurück-
bilden wird, erscheinen Schweizer Wohnimmobilien zurzeit tief bewertet.

Abbildung 5.5: Schweizer Immobilien sind im internationalen Vergleich billig


Aktuelle PE-Werte und Risikoprämien für Eigentumswohnungen in verschiedenen Metropolen

30 2,5 %

2,0 %
25
P/E (linke Skala) 1,5 %
Risikoprämie (rechte Skala)
20
1,0 %

15 0,5 %

0,0 %
10

-1,0 %

San Francisco
5
Warschau

München

-1,5 %

London
Dublin
Zürich

Basel
Genf

Paris
Prag

0 - 2,0 %

Auch im internationalen Quervergleich erscheint die Bewertung von Schweizer


Immobilien moderat, wie die Abbildung 5.5 zeigt. Auf Basis des p/e zeigt
sich nämlich, dass Immobilien in den Schweizer Agglomerationen Basel,
Zürich und Genf im Vergleich mit Paris oder München leicht günstiger zu
haben sind. Einzige Ausnahme bildet Prag, dessen Immobilienmarkt mit einem
p/e von 15 potenziellen Investoren noch etwelche Chancen zu bieten scheint.
Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass die Immobilieninvestitionen
in den Konversionsländern nach wie vor riskanter sind als in etablierten
Marktwirtschaften. Dazu kommt, dass die Möglichkeit von Direktinvestitionen
durch Ausländer stark eingeschränkt ist, was die Angleichung an ein west-
europäisches Bewertungsniveau behindert.

Weiter stellt man fest, dass Immobilien in den angelsächsischen Metropolen


deutlich höher bewertet werden als in Kontinentaleuropa. Insbesondere der
amerikanische und allen voran der australische Immobilienmarkt sind durch
sehr hohe Bewertungen gekennzeichnet, während die in hiesigen Medien oft
monierten Übertreibungen in Grossbritannien und Irland nicht ganz so drastisch
erscheinen. Aber reicht der Befund einer hohen Bewertung, um die Diagnose
einer Preisblase zu stellen?

74
Sowohl in Australien als auch in Amerika oder England finden sich Experten,
welche die Aussagekraft der p/e-Ratio für mangelhaft halten: Nachhaltig tie-
fe Inflationsraten hätten den Wert der zukünftigen, erwarteten Mieteinnahmen
erhöht, weil diese jetzt mit tieferen Zinsen abdiskontiert werden können.
Höhere p/e-Ratio seien somit nicht primär die Folge eines überhitzten Marktes,
sondern Ausdruck einer Aufwertung der Immobilien, die sich durch nach-
haltig tiefere Zinsen ökonomisch rechtfertige.

Der Blick auf die geschätzten Risikoprämien in diesen Boommärkten lässt


aber starke Zweifel an der Nachhaltigkeit der Preisanstiege aufkommen.
Generell gilt: Je höher die Bewertung auf Basis p/e, desto tiefer ist die
Risikoprämie. In der Tat liegen die Prämien in Sydney und San Francisco tief
im negativen Bereich. Zufall oder nicht: Das sind die Werte, die wir in der
Schweiz Ende der achtziger Jahre, kurz vor dem Immobiliencrash, beobachteten.
Ganz anders beurteilen wir die heutige Situation in der Schweiz. Selbst bei
einem Zinsanstieg von einem Prozentpunkt, wie es viele Prognostiker innert
Jahresfrist erwarten, wäre eine Rückkehr der Risikoprämie für Immobilien auf
ihr mittleres Niveau mit einer Erhöhung der Immobilienpreise um 10 bis 15
Prozent vereinbar.

Wie steht es um die Risiken? Der Schweizer Markt ist generell gut abgestützt
und dürfte weiterhin von den tiefen Zinsen und der robusteren Konjunktur
profitieren. Gemäss den vorlaufenden Indikatoren zieht die Wohnbautätigkeit
zurzeit an, allerdings nicht auf ein Niveau, das eine markante Erhöhung der
Leerstände erwarten lässt. Diese Umstände, gekoppelt mit der hohen Tragbarkeit
von Wohneigentum, leiten uns zur Schlussfolgerung, dass die Chancen auf
dem Markt für Wohnimmobilien in der Schweiz die Risiken zurzeit deutlich
übersteigen.

75
In der Tat besteht ein starker
Zusammenhang zwischen
der Tragbarkeit von Wohneigentum
und der Eigentumsquote.
78
Teil 2

Immobilien als Anlagen


Welche Rendite für welches Risiko?

79
6 Anlageimmobilien
Von Risiken, Renditen und Nebenwirkungen

Der säkulare Boom der Aktienmärkte in den neunziger Jahren zog viele
Investoren in den Bann der Dividendenpapiere. Immobilien als Anlageklasse
galten bei performance-orientierten Portfoliomanagern als langweilig, ja sogar
als altmodisch, und fristeten ein Dasein im Schatten der Börsenstars. Seither
hat sich das Blatt gewendet. Immobilien haben ihren festen Platz in den
Portfolios institutioneller Anleger zurückerobert. Renditeliegenschaften im
Direktbesitz bieten offensichtliche Vorteile. Oft ins Feld geführt werden die
attraktive Nettorendite, die Stabilität der laufenden Cash-Flows sowie der
ausgeprägte Diversifikationseffekt gegenüber den anderen Anlageklassen,
allen voran den Aktien.

In den letzten Jahren zeichnet sich in der Wissenschaft ein Trend ab, Rendite-
liegenschaften finanzanalytisch weitgehend analog den Finanzanlagen zu
behandeln. Konkret bedeutet dies, dass man Immobilienanlagen ganz nüch-
tern entlang der gängigen Risiko-Rendite-Profile analysiert, um sie mit Aktien
und Obligationen vergleichbar zu machen. Diese Entwicklung steckt aber im
Investorenalltag noch in den Kinderschuhen: Immobilien in gemischten Portfolios
geniessen nach wie vor einen gewissen Sonderstatus. Während Wertschriften-
portfolios mit ausgefeilten Methoden laufend optimiert werden, führen die
Immobilien davon unbehelligt ihr Eigenleben. Dies hat nicht zuletzt damit zu
tun, dass die verfügbaren Marktinformationen noch immer dürr sind. Der
Mangel an verfügbaren Marktdaten wiederum erklärt sich daraus, dass wir
es mit sehr illiquiden Märkten zu tun haben. Illiquide Märkte produzieren
weniger werthaltige Informationen als liquide. Die oft geforderte Transparenz
bleibt gewissermassen in einem Teufelskreis gefangen.

Trotz alledem: Der Markt für Immobilieninformation ist in Bewegung. So kön-


nen Immobilienhalter ihr Portfolio mittlerweile von verschiedenen Anbietern
benchmarken lassen, d.h. die Renditen und die Bewirtschaftungskosten ihrer
Liegenschaften werden mit den Mittelwerten im Gesamtbestand aller Benchmark-
Teilnehmer verglichen. Dies vermittelt den Investoren ein Bild über die
Performance ihrer Liegenschaften und deren relative Stellung im Markt.

Die Rendite von Schweizer Wohnliegenschaften

Aber wie rentierten Schweizer Immobilienportfolios in langfristiger Optik


eigentlich? Darüber gibt es nach wie vor wenig zuverlässige Informationen,
da die verfügbaren Zeitreihen kurz sind und bezüglich Datengrundlagen auf
dünnem Eis stehen.

Das Immobilienresearch der Zürcher Kantonalbank hat darum eine Familie


von Indizes entwickelt, welche die Performance von Schweizer Immobilien-
portfolios in verschiedenen Nutzungsarten seit 1970 nachzeichnen. Sie basie-
ren auf den Zeitreihen zu Angebotspreisen und -mieten der Schweizerischen
Nationalbank (SNB) sowie dem Mietpreisindex des Bundesamtes für Statistik
(BFS). Der Performanceindex beruht auf der Gesamtrendite (Total Return),

80
welche die Wertveränderung und die laufende Nettomietrendite umfasst. Die
Nettorendite berechnet sich als Nettoertrag im Verhältnis zum aktuellen
Marktwert (mark-to-market).

Abbildung 6.1: Wie rentierten Schweizer Immobilien?


Preisveränderungen, Nettomietrendite und Performanceindex Wohnen Schweiz

Veränderung in % Index 1970=1 00

25% 800
Preisveränderungen Performanceindex (rechte Skala)
Nettorendite
20% 700

15% 600

10% 500

5% 400

0% 300

-5% 200

-10% 100

-15% 0

'70 '71 '72 '73 '74 '75 '76 '77 '78 '79 '80 '81 '82 '83 '84 '85 '86 '87 '88 '89 '90 '91 '92 '93 '94 '95 '96 '97 '98 '99 '00 '01 '02 '03 '04

(Quelle: SNB, Zürcher Kantonalbank)

Der in der Abbildung 6.1 ersichtliche Performanceindex für Wohnimmobilien


unterstellt, dass die Nettoerträge aus den Mieten laufend reinvestiert wer-
den. Auch wenn kaum ein Investor diesen Investitionsstil pflegt, ist diese
Sichtweise zwingend, sobald man Immobilien als Anlageklasse mit Aktien und
Obligationen vergleichen will. Der Grund besteht darin, dass bei Immobilien
der langfristige grössere Teil der Performance in Form der Mietrenditen anfällt,
während die Performance von Aktien im Wesentlichen von der Kursentwicklung
getrieben wird. Dividenden sind vergleichsweise unwichtig.

Der Verlauf des Performanceindexes zeigt, dass die Periode von 1970 bis
1990 ohne Übertreibung als Goldgräberzeit für Immobilieninvestoren
bezeichnet werden kann. Vor allem die zweite Hälfte der achtziger Jahre –
die retrospektiv als Blase bezeichnet werden muss – liess den Index auf über
700 Punkte schnellen. Die Korrektur der Übertreibung folgte aber postwen-
dend und scharf: Ein Einstieg zum dümmsten Zeitpunkt im Jahr 1990 bescherte
den Investoren während einer ganzen Dekade dramatische Wertverluste, die
durch die Mieterträge nicht aufgefangen werden konnten. Der Performance-
index brach in der Folge um rund einen Drittel ein. Da die Mieten in bestehenden

81
Mietverträgen aber nicht fielen, stieg die Nettomietrendite durch die erodieren-
den Preise auf über 6,5 Prozent im Jahr 2000 an. Zusammen mit wieder
anziehenden Preisen brachte dies einen Wiederanstieg des Indexes in den
letzten fünf Jahren. Aktuell (2. Quartal 2004) steht der Index mit Basis 1970
auf 693 Punkten. Dies entspricht einer durchschnittlichen Gesamtrendite von
5,9 Prozent. Die durchschnittliche Nettomietrendite seit 1970 beträgt 4,25
Prozent. Vor dem Platzen der Spekulationsblase im Jahr 1990 lag dieser
Wert noch bei 2,3 Prozent, aktuell beträgt er 5,42 Prozent. Die Tabelle 6.1
zeigt die durchschnittlichen Werte für die einzelnen Dekaden.

Berechnung des ZKB Performanceindexes


Wohnen Schweiz

Die Berechnung des ZKB-Performanceindexes Der Verlauf der Mietrendite über die Zeit folgt dem
Wohnen basiert auf der Zeitreihe der Angebots- Verhältnis der Mietentwicklung und der (geschätzten)
preise für Stockwerkeigentum in der Schweiz, die Preisentwicklung von MFH. Zur Abbildung der Miet-
von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) publi- entwicklung wurde der Mietpreisindex des Bundes-
ziert wird. Dahinter steht der Gedanke, dass die amtes für Statistik (BFS) verwendet, der als Subindex
Preise für Mehrfamilienhäuser (MFH) und Stockwerk- in den Landesindex der Konsumentenpreise eingeht.
eigentum (STW) mittel- bis langfristig gleich laufen. Diese Zeitreihe bildet im Wesentlichen die Ent-
Würden sich z.B. Eigentumswohnungen während wicklung der Mieten in bestehenden Verträgen ab
Jahren stärker verteuern als Mehrfamilienhäuser, (Bestandesmieten) und ist darum vor allem ein
entstünde ein starker Anreiz, bestehende Miet- Abbild der Überwälzungsregeln des Mietrechts.
wohnungen als Eigentumswohnungen zu verkaufen Steigen Mieten und Preise gleich stark, so bleibt
und so die Preisdifferenz als Gewinne zu realisieren. die Mietrendite konstant. In Zeiten, in denen die
Zudem würde der Neubau verstärkt ins Eigentums- Preise stärker steigen als die Mieten, sinken die
segment investieren. Renditen.
Unsere Untersuchungen zeigen allerdings, dass die
Volatilität der Preise im MFH-Segment rund 7 Prozent Weiter ist zu berücksichtigen, dass Immobilien auch
höher ist als beim STW. Diesem Umstand wurde bei korrektem Unterhalt ökonomisch altern, indem
Rechnung getragen, indem die Volatilität der sie mit der Zeit demodieren, d.h. aus der Mode
Bewegungen der STW-Preise (bei konstanter durch- kommen. Gemäss unseren empirischen Unter-
schnittlicher Wachstumsrate) entsprechend verstärkt suchungen liegt die Abschreibungsrate für Mehr-
wurde. Die resultierende Preisentwicklung ergibt familienhäuser bei 1,5 Prozent pro Jahr.
eine gute Übereinstimmung mit dem auf effektiven Der Performanceindex unterstellt weiter, dass die
Transaktionen beruhenden MFH-Preisindex der ZKB laufenden Free Cash Flows jährlich in weitere
für den Kanton Zürich. Liegenschaften reinvestiert werden.

82
Tabelle 6.1: Gute Zeiten, schlechte Zeiten
Schweizer Renditeobjekte (Wohnen): Historische Erträge und Volatilitäten

Historischer Erwartungswert Historische Volatilität


Gesamtrendite Wertveränderung Nettomietrendite Gesamtrendite Wertveränderung Nettomietrendite

1970 – 1980 9,5 % 5,1 % 4,4 % 10,7 % 11,0 % 0,5 %


1980 – 1990 11,8 % 8,7 % 3,1 % 4,3 % 4,5 % 0,5 %
1990 – 2000 -4,2 % -9,0 % 4,8 % 5,0 % 4,3 % 1,4 %
2000 – 2004 9,2 % 4,7 % 6,1 % 3,2 % 3,4 % 0,5 %
1970 – 2004 5,9 % 1,6 % 4,3 % 9,7 % 10,1 % 1,2 %

Rendite von Geschäftsflächen

Noch dürftiger als im Segment Wohnen präsentiert sich die Datenlage im


Bereich der kommerziellen Flächen. Hier gibt es keine Zeitreihen, die über
die historischen Renditen und Preisentwicklungen Auskunft geben könnten.
Einzige Informationsquelle ist die Statistik der SNB zu den Angebotsmieten
für Büros, Gewerbe- und Verkaufsflächen. Immerhin ist es möglich, aus die-
sen Angaben einen synthetischen Index der Renditen zu generieren, der sich
ergeben hätte, wenn die kommerziellen Liegenschaften jährlich gemäss der
DCF-Methode (siehe Kasten) bewertet worden wären.

Berechnung der ZKB Performanceindizes


Kommerzielle Nutzungen Schweiz

Die Discounted Cash Flow-Methode (DCF) hat sich d.h. der Renditedifferenz zwischen risikolosen
als Standard zur Schätzung von Renditeliegen- Staatsanleihen und Unternehmensanleihen. Der
schaften weitgehend durchgesetzt. In einem ersten Verlauf der Mietrendite ergibt sich aus dem Ver-
Schritt werden alle erwarteten zukünftigen Zahlungs- hältnis der Mieten zu den so berechneten DCF-
ströme einer Liegenschaft (Einnahmen und Aus- Preisen. Die Gesamtrendite berechnet sich als
gaben) geschätzt. Diese Cash Flows werden dann Summe der Veränderung der so geschätzten DCF-
mit einem risikogerechten Kapitalisierungssatz auf Werte und der Mietrendite, abzüglich der
den Schätzungszeitpunkt hin abdiskontiert. Abschreibungen (1,5 Prozent p.a.). Die Schwan-
kung der Leerstände, die im kommerziellen Bereich
Die Berechnung der DCF-Werte zur Bildung eines die Mieterträge massgeblich beeinflussen, konnte
Indexes für kommerzielle Flächen legt adaptive nicht berücksichtigt werden, da konsistente
Erwartungen zugrunde, d.h. die unterstellten zukünf- Zeitreihen für die ganze Schweiz nicht verfügbar
tigen Veränderungen der Mieterträge entsprechen sind. Wir gehen davon aus, dass der so entstan-
für jedes Jahr der durchschnittlichen Wachstums- dene Index für die Gesamtrendite die langfristige
rate der vorangegangenen 5 Jahre. Der gewählte Entwicklung mit vernünftiger Genauigkeit abbildet.
Kapitalisierungssatz orientiert sich am Satz für varia- Die Schwankungen und damit das Marktrisiko wer-
ble Hypotheken zuzüglich eines Credit Spreads, den allerdings unterschätzt.

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Abbildung 6.2: Gesamtrendite kommerzieller Nutzungen
Performanceindex Schweiz für kommerzielle Nutzung, basierend auf DCF-Preisen

300
Gesamtrendite Büro
Gesamtrendite Verkauf
250
Gesamtrendite Gewerbe

200

150

100

50

'84 '85 '86 '87 '88 '89 '90 '91 '92 '93 '94 '95 '96 '97 '98 '99 '00 '01 '02 '03

Quelle: SNB, Zürcher Kantonalbank

Die Abbildung 6.2 zeigt, dass sich der Immobilienboom in der zweiten Hälfte
der achtziger Jahre auch in den DCF-Bewertungen von Immobilien mit kommer-
zieller Nutzung niederschlug. So stieg der Index für die Gesamtrendite von
Büroimmobilien im Zeitraum 1984 – 1990 um 100 Prozent. Nach einer Korrektur
Anfang der neunziger Jahre befinden sich alle drei Indizes seit 1998 wieder
im ansteigenden Bereich.
Während der Total Return für Gewerbeflächen über die ganze Indexperiode
einen ähnlichen Verlauf zeigt, fällt die Gesamtrendite der Verkaufsflächen
auffallend zurück, da die Mieten von Verkaufsflächen in der Indexperiode
weit weniger gestiegen sind als die Büro- und Gewerbemieten. Ein Grund
dafür ist in der schleppenden Entwicklung des Schweizer Konsums in den
letzten zehn Jahren zu suchen.

Immobilienrisiken: Markt, Objekte, Lagen

Um die Risiken von Immobilienanlagen ranken sich viele Mythen. Sind Immobilien
eine riskante Sache oder im Gegenteil eine sichere und damit konservative
Investition? Es ist klar, dass es auf diese Frage angesichts der Heterogenität
des Marktes keine einfache und allgemein gültige Antwort gibt. Aber auch
wenn es um konkrete Objekte geht, bleiben die Diskussionen im Fachkreis oft
kontrovers. Dies hat damit zu tun, dass im Immobilienmarkt verschiedene
Risikoarten existieren. Diese werden in der Analyse oft verwechselt oder
vermischt. Im Wesentlichen sind drei Kategorien von Risiken zu beachten:
Marktrisiken, objektbezogene Risiken sowie Liquiditätsrisiken.
Der Verlauf der Performance von Schweizer Wohnliegenschaften wirft ein
scharfes Schlaglicht auf die Marktrisiken von Immobilienanlagen, war doch
während der gesamten neunziger Jahre eine Erosion der Immobilienpreise
festzustellen. Da die Preisbewegungen in den vergangenen fünf Jahren merklich

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abgenommen haben, ist diese Risikoart im Bewusstsein vieler etwas in den
Hintergrund gerückt. Marktrisiken zeichnen sich dadurch aus, dass jeder
Eigentümer – sei es der Eigenheimbesitzer oder der institutionelle Investor –
sie tragen muss, will er im Markt investiert sein. So betrifft ein allgemeiner
Rückgang der Preise alle Immobilien gleichermassen, die entsprechende
Korrelation zwischen den Preisschwankungen einzelner Objekte ist hoch.
Auch der beste Portfoliomanager kann sich dem Marktrisiko nicht entziehen.
Marktrisiken werden deshalb als systematisch bzw. nicht-diversifizierbar
bezeichnet. Als Entgelt für sein Engagement fordert und erhält der Investor
in der Regel eine Risikoprämie, d.h. eine Überrendite über dem risikolosen
Kapitalmarktzins.

Die Volatilitäten als gängiges Mass für das Marktrisiko 1 – berechnet als 1: Die Volatilität von Immo-
Standardabweichung der Wertveränderungen resp. der Gesamtrenditen – bilienindizes untertreibt
sind aus der obigen Tabelle 6.1 ersichtlich. Die Volatilität der Preise für die allerdings das Risiko,
Periode 1970 – 2003 betrug 10,1 Prozent, diejenige der Gesamtrendite lag sobald der Vergleich mit
mit 9,7 Prozent leicht tiefer, da sich die Mietrenditen (Volatilität 1,2 Prozent) anderen Anlageklassen
in der Regel gegenläufig zu den Preisen bewegen. Auffallend ist, dass sich gefragt ist. Wie in Kapitel 7
die Volatilitäten seit 1970 kontinuierlich zurückgebildet haben. Betrug die gezeigt wird, ist neben der
jährliche Volatilität der Gesamtrendite in den siebziger Jahren noch 10,7 Volatilität auch die Trägheit
Prozent, halbierte sich dieser Wert in den neunziger Jahren auf 5 Prozent, der Preisentwicklung zu
seit dem Jahr 2000 liegt er mit 3,2 Prozent nochmals tiefer. beachten.

Tabelle 6.2: Drei Kategorien von Immobilienrisiken

Beschreibung Beispiele

Marktrisiko Allgemeine Risiken, die mit dem Immobilien- und Miet- – Allgemeines Preisrisiko
(systematisch) wohnungsmarkt verbunden sind. – Allgemeines Mietpreisrisiko
Sie betreffen alle Immobilien gleich und können auch – Allgemeines Leerstandsrisiko
in breit diversifizierten Portfolios nicht eliminiert wer- – Institutionelles Risiko
den. (Mietrecht, Besteuerung)

Objektbezogenes Objekt- und lagespezifische Risiken, die einzelne – Altlasten


Risiko Liegenschaften jeweils unterschiedlich betreffen. – Gebäudekonstruktion
(unsystematisch) Sie können durch geeignete Selektion auf Portfoliostufe – Mietermix
wegdiversifiziert werden. – Mikrolage
(Immissionen, Nachbarschaft, Verlust
der Aussicht usw.)
– Planungsrisiken (Umzonung)

Liquiditätsrisiko Wiederverkaufsrisiko, d.h. das Risiko, innerhalb einer – hohes Liquiditätsrisiko für
(teilweise festgelegten Zeit keine Gegenpartei zu finden, die den – «Liebhaberobjekte»
systematisch) fairen Wert der Immobilie zu zahlen bereit ist. Das – periphere Lagen
Liquiditätsrisiko betrifft Immobilien als Anlageklasse – Betreiberimmobilien
insgesamt. Allerdings gibt es beträchtliche Unterschiede – Schwierig umnutzbare
zwischen einzelnen Submärkten. Diese Risikoart kann Objekte (Flughafen, Tunnel usw.)
teilweise diversifiziert werden.

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Systematisches Marktrisiko

Das systematische Marktrisiko ist für viele ein eher abstrakter Begriff. Aus
der Sicht vieler Praktiker gibt es «den» Immobilienmarkt gar nicht, vielmehr
wird er als Konglomerat vieler einzelner Regional- und Mikrosegmente
aufgefasst, die – wenn überhaupt – nur lose zusammenhängen. Dieses Bild
kommt wohl daher, dass das Marktrisiko – d.h. die gemeinsame Schwankungs-
breite der Preise in einem gegebenen Markt – von den unsystematischen
Risiken nicht unterschieden werden kann, solange keine Marktinformationen
(d.h. qualitätsbereinigte Indizes) verfügbar sind. Dies ist der Fall, weil der
realisierte Transaktionspreis eines bestimmten Objekts immer die Einflüsse
aller drei Risikotypen enthält. Offensichtlich neigt man dazu, Veränderungen
oder Überraschungen in beobachteten Preisen objektbezogenen Faktoren
oder fehlender Marktliquidität zuzuschreiben. Entsprechende ex-post-Argumente
sind meist schnell zur Hand. Stimmt der Verkaufserlös eines Objektes nicht
mit den Erwartungen des Verkäufers überein, wird oft argumentiert, der Markt
im entsprechenden Segment sei eben ungünstig oder die entsprechende Lage
sei zurzeit nicht gefragt. Als Erklärung ebenso wahrscheinlich wäre aber,
dass das allgemeine Preisniveau des Immobilienmarktes gesunken ist und sich
die Preisvorstellung des Verkäufers noch an den Preisen zum Zeitpunkt des
Kaufs orientierte.

Abbildung 6.3: Geringe regionale Segmentierung innerhalb eines Kantons


Entwicklung der EFH-Preise in ausgewählten Regionen im Kanton Zürich

250
Stadt Zürich
Pfannenstiel
Winterthur und Weinland

200
Glattal
Kanton Zürich

150

100

'80 '81 '82 '83 '84 '85 '86 '87 '88 '89 '90 '91 '92 '93 '94 '95 '96 '97 '98 '99 '00 '01 '02 '03

Vor dem Hintergrund harter Daten hält die Idee stark segmentierter regionaler
Teilmärkte in einer längerfristigen Optik nicht stand. Aus der Abbildung 6.3
ist als Beispiel die Entwicklung der Einfamilienhauspreise in den Subregionen
des Kantons Zürich ersichtlich. Es zeigt sich, dass sämtliche Submärkte die
wesentlichen Bewegungen des Hauptindexes für den Kanton Zürich seit 1980
mitgemacht haben. So weicht im Jahr 2003 kein Subindex mehr als 5 Prozent
vom Hauptindex ab, wobei zu bedenken ist, dass der Gesamtindex seit dem
Start im Jahr 1980 um 90 Prozent gestiegen ist. Im Vergleich zur Bewegung

86
der Preise im Gesamtmarkt sind die regionsspezifischen Abweichungen also
sehr klein. Weiter stellt man fest, dass Abweichungen zum Hauptindex in der
Regel nach einigen Jahren wieder korrigiert werden.

Der gleiche Befund zeigt sich, wenn man die Korrelationsmatrix der jährlichen
Indexveränderungen in den Zürcher Regionen untersucht (Tabelle 6.3). Alle
Korrelationskoeffizienten mit dem Hauptindex liegen über 0.89. Auch die
Region Pfannenstiel, von der immer wieder behauptet wird, sie führe ein aus-
gesprochenes Eigenleben, sowie der Stadtzürcher Markt, bewegen sich mit
einer Korrelation von 0.91 fast wie der Hauptmarkt.

Tabelle 6.3: Hochkorrelierte Zürcher Regionen


Korrelation der jährlichen regionalen Preisveränderungen

Zürich Pfannenstiel Oberland Winterthur Glattal Unterland Limmattal Knonauer Amt Zimmerberg

Zürich

Pfannenstiel 0.78

Oberland 0.90 0.92

Winterthur 0.79 0.88 0.94

Glattal 0.87 0.86 0.95 0.91

Unterland 0.87 0.85 0.95 0.94 0.93

Limmattal 0.82 0.78 0.89 0.78 0.86 0.84

Knonauer Amt 0.85 0.86 0.91 0.87 0.94 0.92 0.82

Zimmerberg 0.87 0.84 0.88 0.88 0.86 0.91 0.73 0.89

Kt. Zürich 0.91 0.91 0.99 0.94 0.97 0.97 0.89 0.95 0.91

Die obigen Untersuchungen legen es also nahe, dass der Zürcher Immobilien-
markt als ein einziger Markt betrachtet werden darf. Die Fehler, die man sich
damit einhandelt, sind sehr klein. Die Preisbewegungen über die Marktzyklen
hinweg dominieren die regionalen Sondereffekte bei weitem.

Weitere Analysen zeigen, dass auf dem Schweizer Immobilienmarkt Ähnli-


ches gilt: ein Portfolio bestehend aus drei repräsentativen Renditeobjekten
aus den drei Sprachgebieten schöpft praktisch alle möglichen regionalen
Diversifikationseffekte aus. Wer das spezifische Immobilienrisiko zusätzlich
reduzieren will, muss den Schritt ins Ausland wagen.

Objektbezogenes Risiko

Objektbezogene Risiken sind definitionsgemäss unsystematisch, d.h. sie lassen


sich in einem genügend grossen und breiten Portfolio vollständig vermeiden.
Dies ist möglich, weil sie – erstens – untereinander nicht korrelieren, d.h. eine
unangenehme Überraschung in Folge einer Altlast bei einem Haus in A steht
in keinerlei Zusammenhang mit der schleichenden Verschlechterung des

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Mietermixes in einem Mehrfamilienhaus in B. Zweitens stehen dem Downside-
Risiko immer auch Upside-Chancen gegenüber, beispielsweise wenn ein
Wohnquartier durch eine Verkehrsberuhigung aufgewertet wird. Es ist eine
zentrale Erkenntnis der Finanzmarkttheorie, dass unsystematische Risiken
vom Markt nicht entschädigt werden. Wäre dies nämlich der Fall, so könnte ein
geschickter Investor diese Zusatzprämie einheimsen, ohne die entsprechenden
Risiken zu tragen, indem er sein Portfolio entsprechend diversifiziert. Ob die-
se für die Finanzmärkte gültige Aussage auch für den Immobilienmarkt
zutrifft, ist allerdings offen. Dieser unbefriedigende Befund kommt daher,
dass entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen noch ausstehen.
Immerhin kann man die folgende generelle Aussage machen: Je mehr Objekte
von professionellen Investoren mit grossen und gut diversifizierten Portfolios
gehalten werden, desto eher werden Risikoprämien für objektspezifische
Risiken vom Markt abgebaut. Da die Tendenz in den letzten Jahren klar in
diese Richtung lief, muss man davon ausgehen, dass dieser Teil des Risiko-
entgelts gesunken ist. Dies hat vor allem für private Immobilieninvestoren
Konsequenzen. Wer nur wenige Objekte oder gar nur eine einzige Liegenschaft
besitzt, wird für die eingegangenen Risiken nicht vollständig entschädigt.

Liquiditätsrisiko

Marktliquidität ist ein zentrales Kriterium bei jeder Anlageentscheidung.


Genügende Liquidität ist Garant dafür, dass ein einmal gefasster Devestitions-
entscheid in der gesetzten Frist auch umgesetzt werden kann. Gerade im
Liegenschaftsmarkt ist deshalb das Liquiditäts- oder Wiederverkaufsrisiko von
hoher Relevanz. Immobilien sind keine Wertpapiere, die per Mausklick über
das Internet gehandelt werden können. Immobilienmärkte sind vielmehr typische
Suchmärkte: Jeder Kauf oder Verkauf kostet Geld und Zeit, da zuerst die
geeignete Gegenpartei gesucht werden muss. Die geeignete Gegenpartei ist
aus Sicht eines Anbieters diejenige mit der höchsten Zahlungsbereitschaft,
aus Sicht des Nachfragers diejenige mit dem günstigsten Angebot. Diese zu
finden ist aufwändig.

Ein weiterer Aspekt, der eng mit der Liquidität zusammenhängt, betrifft die
verfügbaren Marktinformationen. Die Preissetzung der Marktteilnehmer
orientiert sich typischerweise an Freihandtransaktionen ähnlicher Objekte in
der Nähe. Wo kaum Handwechsel stattfinden, ist die Unsicherheit über den
fairen Wert einer Immobilie grösser. Als Resultat davon wird die Spanne
zwischen den Preisvorstellungen von Anbieter und Nachfrager auf illiquiden
Märkten grösser sein, da beide das Risiko eines Schadens – im Sinne eines
Preises, der sich für sie im Nachhinein als nachteilig erweisen wird – scheuen 2.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass auf illiquiden Teilsegmenten des
2: Dieses Phänomen trifft Immobilienmarktes anteilsmässig mehr Transaktionen stattfinden, deren Preis
man auch auf Aktienmärk- vom fairen Wert abweicht, sowohl nach unten als auch nach oben. Es ist
ten an und ist dort als Bid- andererseits genau diese Eigenschaft, die den Markt für gewisse Investoren
Ask-Spread bekannt. attraktiv erscheinen lässt. Wer glaubt, über bessere Informationen als der

88
Markt zu verfügen, dem eröffnen sich immer wieder Chancen zum Erwerb
unterbewerteter oder zum Verkauf überbewerteter Objekte. Ob es sich dabei
tatsächlich um Schnäppchen oder eher um Nieten handelte, wird erst die
Zukunft zeigen.

Zusammenfassend können wir festhalten, dass sich das Risiko fehlender


Marktliquidität letztlich darin äussert, dass ein potenzieller Verkäufer ein
Objekt innerhalb nützlicher Frist nicht zu einem fairen Marktwert veräussern
kann, und ein potentieller Käufer keine ihm zusagenden Objekte zu einem
fairen Marktwert findet.

Von vielen Marktteilnehmern ist zurzeit zu hören, sie würden ihren


Immobilienanteil im Portfolio gerne erhöhen, es gäbe aber keine vernünfti-
gen Anlageobjekte am Markt zu kaufen, weshalb sie ihre Strategie zurzeit
nicht umsetzen könnten. In Kontrast zu dieser Feststellung versuche man, sich
einen Anleger vorzustellen, der mehr Aktien kaufen will, aber keine solchen
findet. Wohl kein anderer Vergleich illustriert den Charakter des
Immobilienmarktes eindrücklicher.

Gute Risiken an guten Lagen?

«Lage, Lage, Lage» – dies war und ist einer der wichtigen Leitsätze in der
Immobilienbranche. Dass die Lage eines Hauses in allen ihren Aspekten eine
zentrale Preisdeterminante ist, wurde in den Kapiteln 2 und 3 ausführlich
dargelegt. Die Diskussion um die Lage beinhaltet daneben aber auch einen
zentralen Risikoaspekt. Von Marktteilnehmern ist oft zu hören, dass Objekte
an guten Lagen weniger riskant seien. Der besonnene Immobilieninvestor
beschränke sich darum mit Vorteil auf die Toplagen, da seine Anlage hier
besser vor Wertverlusten geschützt sei als an ungünstigen Standorten. Ganz
anders das Argument vieler Ökonomen: Sehr gute Lagen seien im Gegenteil
gerade die riskanten, die dem Käufer dafür auch die grössten Gewinnchancen
böten. Diese beiden Positionen sind diametral verschieden. Wer aber hat
Recht im Expertenstreit?

Die Ökonomen berufen sich auf die höhere Preisvolatilität guter Lagen, die
das Risiko erhöht. Gute und zentrale Lagen – so die Begründung – sind natur-
gemäss knapp und können darum nicht beliebig vermehrt werden. Das bedeu-
tet, dass das Angebot an gut gelegenen Objekten nur wenig ausgedehnt wer-
den kann, wenn die Preise steigen 3. Andererseits reagiert die Nachfrage
nach guten Lagen stärker auf eine anziehende Konjunktur und damit stei-
gende Einkommen als die Nachfrage nach schlechten Lagen. In Kombination
bewirken diese beiden Effekte, dass die Preise für gute Lagen im Aufschwung
stärker und schneller steigen. Im Abschwung ist hingegen die entgegengesetzte
Reaktion zu erwarten. Die Preise an schlechten Lagen werden dann stabiler 3: Die Ökonomen sprechen
sein. Auf einen kurzen Nenner gebracht bedeutet dies, dass gute Lagen preis- von einer preisunelastischen
lich volatiler und riskanter sind. Für dieses erhöhte Risiko wird der Investor Angebotskurve.

89
dadurch entschädigt, dass die Preise an guten Lagen im Zuge langfristig stei-
gender Einkommen stärker steigen. Hält dieser Gedankengang der Realität
stand?

Basierend auf dem Lagerating, das in Kapitel 3 vorgestellt wurde, haben wir
die Preisentwicklung von Einfamilienhäusern an den 10 Prozent besten,
mittleren und schlechtesten Lagen im Kanton Zürich seit 1980 untersucht. Das
Resultat ist aus Abbildung 6.4 ersichtlich. Sie zeigt in der Tat, dass die Preise
der sehr guten Lagen stärker und vor allem schneller auf eine anziehende
Nachfrage reagieren. Dies war während des Booms in den achtziger Jahren
der Fall. Auch im aktuellen Zyklus geht die Erholung der Preise seit dem Jahr
2000 primär von den guten Lagen aus, während die Entwicklung an mittleren
und schlechten Lagen nur leicht positiv verlief. Im Abschwung der neunziger
Jahre gerieten die Toplagen dafür stärker unter Druck. Die schlechten Lagen
haben, sieht man von der Indexspitze im Jahr 1991 ab, einen insgesamt
sanfteren Verlauf genommen. Zumindest für den Bereich des Wohneigentums
gibt es also eine gewisse Evidenz für das Argument höherer Preisrisiken an
guten Standorten.

Ob die Preise der Toplagen langfristig wirklich stärker steigen, ist aus dem
Chart nicht schlüssig zu beantworten. Dies hängt auch davon ab, wie viel
im Basiszeitpunkt der Indizes schon in den damaligen Preisniveaus eskomptiert
war. Immerhin können wir festhalten, dass die postulierte günstigere
Preisentwicklung der guten Lagen wohl nur in sehr langen Zeiträumen gilt.

Abbildung 6.4: Gute Lagen legten in den letzten Jahren stärker zu


Preisentwicklung von EFH für unterschiedliche Lagequalitäten im Kt. Zürich

250
Gute Lagen
Mittlere Lagen
200
Schlechte Lagen

150

100

'82 '81 '82 '83 '84 '85 '86 '87 '88 '89 '90 '91 '92 '93 '94 '95 '96 '97 '98 '99 '00 '01 '02 '03

Haben die Marktpraktiker damit Unrecht? Nicht unbedingt, denn sie stützen
ihr Argument auf das geringere Liquiditätsrisiko guter Lagen: Die Erfahrung
zeigt, dass an guten Lagen die Marktliquidität üblicherweise höher ist, und
dies auch in ungünstigen Phasen. Das heisst, das Risiko, ein Objekt nur mit
einem Abschlag auf den fairen Marktwert veräussern zu können, ist an guten
Lagen kleiner als an schlechten. Daneben werden auch typische unsystematische
Risiken, wie zum Beispiel das individuelle Leerstandsrisiko, an zentralen Lagen
als tiefer eingeschätzt.

90
Die kontrovers geführte Debatte über die Risiken an unterschiedlichen Lagen
hat somit ihren Hintergrund darin, dass systematische Marktrisiken (das
Argument der Ökonomen) und unsystematische Risiken (Liquiditäts- und objekt-
spezifische Risiken) verwechselt oder zumindest nicht unterschieden werden.
Lässt sich die eingangs gestellte Frage damit überhaupt beantworten? Welcher
Effekt in der Realität überwiegt, ist sehr schwierig zu beantworten, da es
kaum empirische Untersuchungen zum Liquiditätsrisiko von Immobilien in der
Schweiz gibt.

Einen möglichen Hinweis erhalten wir aus der Beobachtung, dass die Renditen
aus den Mieterträgen an zentralen Lagen in vielen Fällen tiefer liegen als an
peripheren Lagen. Gemäss den Zahlen des Swiss Property Benchmark des
IAZI, einer im Immobilienconsulting tätigen Firma, stehen die Bruttorenditen
über alle Nutzungsarten in inverser Beziehung zur Zentralität der Lage. So
betrug die Bruttorendite (Bruttoerträge aus Mieteinnahmen geteilt durch den
Objektwert) von Objekten an schlechten Makrolagen im Jahr 2003 7,9
Prozent, während Liegenschaften an sehr guten Lagen lediglich mit 6,1 Prozent
rentierten. Die guten und mittleren Lagen liegen mit Werten von 7,2 Prozent
resp. 6,6 Prozent Bruttorendite dazwischen. Ein analoger, aber weniger aus-
geprägter Zusammenhang gilt gemäss den IAZI-Zahlen auch zwischen der
Mikrolage und den Bruttorenditen. Eine Aufteilung des Benchmark-Universums
nach Kantonen vermittelt ein ähnliches Bild. Die Bruttorenditen in den Kantonen
Zürich und Zug – beides vergleichsweise liquide Märkte – liegen mit 6,2
Prozent resp. 6,1 Prozent deutlich unter denjenigen der meisten anderen
Kantone.

Die Immobilieninvestoren sind also bereit, für gute Lagen einen Zuschlag auf
den Preis zu bezahlen und dafür eine tiefere Mietrendite hinzunehmen.
Umgekehrt heisst dies, dass Objekte an Lagen mit illiquiden Märkten mit
einem Malus versehen werden und die zu erzielende Mietrendite eine Prämie
für die Illiquidität enthalten muss. Dies kann – um auf unsere Frage zurück-
zukommen – dahingehend ausgelegt werden, dass – in den Augen der
Marktteilnehmer – das tiefere Liquiditätsrisiko die höheren Marktrisiken an
den guten Lagen überkompensiert.

91
7 Immobilien in gemischten Portfolios
Risikostreuung lohnt sich immer

Im letzten Kapitel wurde die Rendite von Immobilieninvestitionen unter die


Lupe genommen. Es wurde aber auch aufgezeigt, dass Investitionen in
Immobilien Risiken in sich bergen können. In diesem Abschnitt wird dargelegt,
was gemischte Portfolios auszeichnet, die eine möglichst gute Rendite bei
möglichst geringem Risiko erzielen.

Der Investor verdient auf einem bestimmten Anlagemarkt nur dann eine höhere
Rendite, wenn er auch bereit ist, ein höheres Risiko einzugehen. Dies gilt
aber nicht unbedingt, wenn er nicht nur in eine Anlageklasse investiert,
sondern über die Klassen hinweg diversifiziert. Die Erweiterung der Anlage-
klassen macht das scheinbar Unmögliche möglich: Durch geschickte Kombination
von Vermögenswerten aus verschiedenen Klassen kann der Anleger oder die
Anlegerin bei gleicher erwarteter Rendite das Risiko des Gesamtportfolios
senken, resp. bei gleichem Risiko einen höheren erwarteten Ertrag erzielen.
Die Idee der Diversifikation kann anhand des folgenden Beispiels erläutert
werden: Angenommen, der Aktienmarkt in den USA bricht plötzlich ein. Die
Wahrscheinlichkeit, dass gleichzeitig auch die Preise für Kakao, Orangensaft
oder Schweizer Immobilien in den Keller fallen, ist recht gering. Eine Investorin,
die nicht nur US-Aktien für ihr Portfolio gekauft hat, sondern auch noch Kakao
und Immobilien, wird folglich weniger verlieren als ihr Kollege, der nur in
US-Aktien investiert war.

Wir betrachten darum exemplarisch einen Investor, der in vier breite


Anlageklassen investieren kann, nämlich Schweizer Aktien, Schweizer
Obligationen, Schweizer Immobilien und Liquidität (Geldmarkt) und fragen
uns, wie hoch der Anteil im Direktbesitz gehaltener Immobilien im Optimum
sein sollte. «Optimal» bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Risiko
bei einer vorgegebenen Zielrendite möglichst gering sein soll. Diese Ausgangs-
lage entspricht etwas vereinfacht der Situation einer Pensionskasse, welche
die zukünftigen Ansprüche ihrer Versicherten verzinsen resp. laufende Renten
auszahlen muss.

Bei unseren Überlegungen gehen wir von folgender Datenbasis aus: Um die
Rendite und das Risiko des Aktienanteils zu bestimmen, analysieren wir den
MSCI - Aktienindex für die Schweiz. Die Obligationen werden durch den Pictet-
Index der Gesamtrendite Schweizer Obligationen repräsentiert. Die Immobilien-
returns stützen sich auf eine Zeitreihe, die von der Zürcher Kantonalbank
berechnet wurde 1, und die Geldmarktanlagen betrachten wir anhand des
1: Siehe Kapitel 6, Euro-3-Monatssatzes für den Schweizer Franken. Die historischen Renditen
Box, Berechnung des ZKB und Risiken der einzelnen Anlageklassen wurden für den Zeitraum 1984 –
Performanceindex Wohnen 2004 berechnet und sind aus der Tabelle 7.1 zu ersehen. Die Schätzungen
Schweiz beruhen auf Quartalsdaten und wurden dann auf Jahresbasis umgerechnet.

92
Tabelle 7.1: Immobilien zwischen Aktien und Obligationen
Historische Renditen und Risiken (Volatilität) verschiedener Anlageklassen für die Periode
1984 – 2004

Schweizer Schweizer Liquidität


Aktien Immobilien Obligationen (Euro-3-Mts CHF)

Gesamtrendite 8,0 % 5,9 % 3,0 % 2,0 %


Risiko 21,1 % 9,7 % 3,3 % 1,3 %

Niemanden erstaunt, dass Aktien die klar risikoreichste Vermögensklasse


darstellen, die im Gegenzug aber auch die besten Gewinnchancen bieten.
Schweizer Obligationen bergen nur einen Bruchteil der Risiken des Aktien-
marktes, ihre Gesamtrendite war in der Vergangenheit nur in seltenen Fällen
negativ. Entsprechend gering ist ihre Rendite. Immobilien als Anlageklasse
erweisen sich in dieser Risiko-Ertrags-Sicht als Mittelding zwischen Aktien
und Obligationen. Während sie ertragsmässig näher bei den Aktien liegen,
sind die Risiken, zumindest wenn man sie anhand der Standardabweichung
unseres Indexes für die Gesamtrendite misst, bedeutend tiefer als bei den
Dividendenpapieren. Immobilien nehmen damit eine mittlere Position in unserem
kleinen Anlageuniversum ein.

Als zweite Zutat für die Durchführung der Portfolio-Optimierung benötigen


wir die Korrelationen der jährlichen Erträge der vier betrachteten Klassen
untereinander. Die Korrelation beschreibt, ob die Anlagen typischerweise
miteinander schwanken oder nicht. Eine positive Korrelation zwischen zwei
Anlagen A und B (z.B. 0,5) bedeutet, dass der Wert des Vermögenswertes
A in der Regel dann steigt, wenn auch B steigt. Eine negative Korrelation
liegt hingegen dann vor, wenn sich der Wert der Anlagen in der Regel gegen-
läufig bewegt. Die konkreten Korrelationen für die Periode 1984 – 2004 in
unserem Beispiel sind aus Tabelle 7.2 ersichtlich.

Tabelle 7.2: Immobilien und Aktien: gegenläufige Entwicklungen


Korrelationsmatrix der Anlageklassen in der Periode 1984 – 2004

Schweizer Schweizer
Aktien Immobilien Obligationen

Immobilien –0,24
Schweizer Obligationen 0,12 0,12
Euro-3-Mts CHF –0,03 –0,16 0,09

93
Wir stellen fest, dass die Rendite von Immobilien negativ mit allen anderen
von uns betrachteten Anlageklassen korreliert ist. Die Korrelation zwischen
Schweizer Aktien und Immobilien beträgt z.B. – 0,24. Dies bedeutet, dass
sich Immobilien im Durchschnitt dann gut entwickeln, wenn die anderen
Anlagen schlecht rentieren, und umgekehrt. Immobilien leisten auf diese Weise
einen wichtigen Beitrag zur Diversifizierung des Portfolios. Dies ist – wie wir
noch sehen werden – der fundamentale ökonomische Grund für die Beliebtheit
von Immobilienanlagen in gemischten Portfolios.

Anhand der historischen Renditen und Risiken unserer Anlageklassen sowie


ihrer Korrelationen können wir nun berechnen, wie ein Portfolio optimalerweise
zusammengesetzt sein sollte. Bei einer derartigen Optimierung wird versucht,
die Anteile der verschiedenen Anlageklassen so zu variieren, dass für eine
gewünschte Rendite das Risiko möglichst klein bleibt. Wie wir gesehen haben
ist die Rendite der Anlageklassen unterschiedlich. Je nachdem, welche Rendite
erzielt werden soll, ändern sich somit auch die Anteile der Anlageklassen im
Portfolio. Die folgende Abbildung 7.3 zeigt das gesuchte Resultat: Es sind die
Gewichte, die Aktien, Obligationen, Immobilien und kurzfristige Geldanlagen
in einem optimal zusammengestellten Portfolio einnehmen müssen.

Auf der horizontalen Achse ist das jährliche Renditeziel eingetragen und auf
der vertikalen Achse die entsprechende Portfolio-Zusammensetzung. Nehmen
wir zur Illustration an, dass ein bestimmter Investor jährlich 4 Prozent Rendite
erreichen möchte. Das Risiko ist dann minimal, wenn er ein Portfolio mit 6
Prozent Aktien, 34 Prozent Immobilien und jeweils 30 Prozent Obligationen
und Liquidität zusammenstellt.

Abbildung 7.3: Immobilien als Kernanlage?


Aufteilung des optimalen Portfolios bei verschiedenen Zielrenditen

Anteil am Portfolio

100%
Immobilien
Aktien
80%
Obligationen
Liquidität
60%

40%

20%

0%

2,4 2,8 3,2 3,6 4,0 4,4 4,8 5,2 5,6 6,0 6,4 6,8 7,2 7,6 8,0

Gewünschte jährliche Rendite in Prozent

94
Es fällt auf, dass im Bereich zwischen 3 und 7 Prozent gewünschter jährlicher
Rendite das Hauptgewicht des Portfolios auf Immobilienanlagen liegt. Bei 4
Prozent Zielrendite sollte der Anleger 30 Prozent in Immobilien investieren,
bei höheren Renditevorgaben sollte die Hälfte seines Vermögens aus
Liegenschaften bestehen. Der Aktienanteil steigt erst bei einer Zielrendite von
6,5 Prozent signifikant an. Für Obligationen verbleibt im ganzen Rendite-
spektrum wenig Raum, die entsprechenden Anteile bewegen sich zwischen
10 und 30 Prozent; ab einer angestrebten Rendite von 6,5 Prozent werden
sie von Aktien und Immobilien völlig verdrängt.

Sind diese Resultate mit der Realität vereinbar, oder anders gefragt: Sind
typische Portfolios grosser institutioneller Investoren tatsächlich so oder ähnlich
strukturiert? Beispielhaft wollen wir einen kurzen Blick auf die gewählte 2: Swissca Portfoliomanage-
Anlagestrategie der Pensionskassen in den letzten drei Jahren werfen. Im ment AG (Hrsg.) in Zusam-
März 2004 wurden 180 Schweizer Vorsorgeeinrichtungen von der Swissca menarbeit mit der Prevista
Portfolio Management AG unter anderem zu ihrer aktuellen Anlagestrategie Anlagestiftung. «Schweizer
befragt 2. Die Resultate hinsichtlich der Vermögensaufteilung der Pensionskassen 2004:
Vorsorgeeinrichtungen sind aus Tabelle 7.3 ersichtlich. Leistungen, Finanzierung,
aktuelle Herausforderungen»
Offensichtlich sind die Schweizer Institutionen der 2. Säule weit weniger Die befragten Pensions-
immobilienlastig investiert als dies unsere Resultate empfehlen, liegt der be- kassen verfügen über ein
treffende Anteil doch bei rund 17 Prozent 3. Dafür werden Aktien und vor Vermögen von 185 Mrd.
allem Obligationen stärker gewichtet. Sind die Pensionskassen suboptimal Franken und haben
investiert oder haben wir etwas falsch gemacht? 687000 aktive Versicherte.
Die Stichprobe kann als
repräsentativ bezeichnet
Tabelle 7.3: Immobilien im Trend werden.
Anteile der Anlageklassen am Gesamtvermögen der Pensionskassen Ende 2001 und 2003
3: Immerhin ist die Immobi-
Anlageklasse Ende 2001 Ende 2003 lienquote der Schweizer
Flüssige Mittel 6,6% 6,8% Pensionskassen im inter-
Obligationen (In- und Ausland) 38% 37,5% nationalen Vergleich recht
Aktien (In- und Ausland) 27,9% 25,5% hoch. So halten britische
Immobilien 16,8% 17% Vorsorgeeinrichtungen
Hypotheken 4,6% 3,5% lediglich 3 Prozent ihrer
Übrige Anlagen 6,1% 9,7% Vermögenswerte in
Quelle: Swissca Immobilien.

95
Illiquidität und Trägheit des Immobilienmarktes als Spielverderber

Zwei Gründe sind für die offensichtliche Diskrepanz zwischen den Resultaten
der Optimierung und dem effektiven Verhalten der Investoren verantwortlich:

– Im Vergleich mit Aktien und Obligationen sind Immobilien im Direktbesitz


eine illiquide Anlage. Dieses ungleich höhere Liquiditätsrisiko spiegelt
sich in den tatsächlich realisierten Immobilienpreisen nicht wider. Der
beobachtete Transaktionspreis, der dem Index zugrunde liegt, sagt ja
nur, zu welchem Preis ein Geschäft schlussendlich abgeschlossen wurde.
Er gibt aber keine Auskunft darüber, wie lange es dauerte, bis die
Marktfähigkeit eines zu devestierenden Objektes erstellt war und das
Geschäft abgeschlossen werden konnte, resp. wie viel die Bemühungen
des Abschlusses gekostet haben. Die Vermarktungsphase kann in un-
günstigen Fällen Jahre in Anspruch nehmen. Während dieser Zeit bleibt
der Eigentümer weiter dem systematischen Risiko des Immobilienmarktes
ausgesetzt, obwohl er dies gar nicht mehr will, denn schliesslich hat er
sich für den Verkauf entschieden. Wertpapiere können in der Regel ein-
facher und schneller abgestossen werden, im Extremfall per Knopfdruck.
Dieses zusätzliche Liquiditätsrisiko der Immobilien muss bei der
Bestimmung eines optimalen Portfolios darum berücksichtigt werden.
Ansonsten werden die Immobilienrisiken untertrieben.
– Zweitens ist der Immobilienmarkt sehr träge, auf der technischen Ebene
spricht man davon, dass Immobilienpreisindizes autokorreliert sind (siehe
Box: Autokorrelation und Risikoüberlegungen). Dies hat zur Konsequenz,
dass die Wertschwankungen der Immobilien über lange Zeiträume gese-
hen wesentlich höher sind als die Volatilität des Indexes – basierend auf
Jahresveränderungen der Preise – dies anzeigt. Da die Aktien- und
Obligationenmärkte diesem Phänomen kaum ausgesetzt sind, werden die
Immobilienrisiken zu vorteilhaft dargestellt.

Autokorrelation und Risikoüberlegungen

Mit Autokorrelation einer Zeitreihe ist gemeint, dass Berechnet man das Risiko eines autokorrelierten
der Wert einer Beobachtung (in unserem Fall die Preisindexes mittels der Standardabweichung, unter-
Veränderung eines Preisindexes) von den Werten schätzt man das tatsächliche Risiko des betreffenden
der vorhergegangenen Beobachtungen abhängt. Vermögenswertes. Wiederum hilft das Beispiel des
Dies kann am Beispiel eines Dampfschiffs gut illus- Dampfschiffs bei der Verdeutlichung: Angenommen,
triert werden: Hält es einmal einen Kurs, kann der der Kapitän möchte den Kurs ändern, weil er ge-
Kapitän sehr wohl Gegensteuer geben, ohne dass sehen hat, dass das Schiff auf einen Felsen zusteuert.
sich der Kurs radikal ändert. Erst nach einer ge- Die Chance, dass er mit dem Dampfschiff (auto-
wissen Zeit schwenkt das Schiff auf seinen neuen korreliert) noch ausweichen kann, ist viel kleiner
Kurs ein. Übertragen heisst dies, dass der Kurs des als mit einem Ruderboot (nicht autokorreliert).
Schiffs autokorreliert ist.

96
Was bedeutet dies für unsere Überlegungen? Das aus den Daten ersichtliche
Risiko von Immobilienanlagen (d.h. die Standardabweichung der Index-
veränderungen in der Höhe von 9,7 Prozent) ist kleiner als das tatsächliche
Risiko, mit dem die Immobilienanleger in der Realität konfrontiert werden.
Immobilienanlagen sind mit anderen Worten nicht ganz so attraktiv, wie es
das naiv gemessene Risiko-Rendite-Profil suggerierte. Um unsere Optimierung
korrekt durchzuführen, muss das Risikomass für die Immobilien deshalb kor-
rigiert werden. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Volatilität
der Immobilienanlagen auf einen Wert von 16 Prozent erhöht werden muss,
will man die Illiquidität und die Trägheit (Autokorrelation) des Immobilienmarktes
so weit berücksichtigen, dass der Vergleich mit Aktien und Obligationen fair
ist. Wie die folgende Abbildung 7.4 zeigt, rücken Immobilien aus Risikosicht
dann viel näher zu den Aktien. Immobilien sind im Vergleich mit Obligationen
also eine recht riskante Anlage.

Abbildung 7.4: Riskanter als man denkt


Risiko der Anlageklassen unter Berücksichtigung der speziellen Eigenschaften des
Immobilienmarktes

25%

20%

15%

10%

5%

0%

Schweizer Aktien Immobilien Schweizer Obligationen Euro-3-Mts CHF

Berechnet man die Zusammensetzung des optimalen Portfolios mit dem


korrigierten Immobilienrisiko, ergibt sich ein anderes Bild. Wiederum ist in
Abbildung 7.5 die gewünschte Rendite auf der horizontalen Achse aufge-
tragen, und auf der vertikalen Achse befindet sich die resultierende Portfolio-
Zusammensetzung.

Für Versicherungen und Pensionskassen ist längerfristig insbesondere der


Bereich zwischen 3 – 4 Prozent jährlicher Rendite von Interesse. Hier dominieren
die Immobilien nun weniger stark, und die Portfolio-Zusammensetzung ent-
spricht eher den Werten, wie sie in der Praxis angetroffen werden: Wenig
Aktien (5 bis 10 Prozent), etwas mehr Immobilien (10 bis 25 Prozent), der Rest
wird aufgeteilt in Obligationen (25 bis 60 Prozent) und liquide Mittel. Bei
höheren Renditeerwartungen nehmen zuerst die Immobilien im Portfolio fast
im Gleichschritt mit den Aktien auf Kosten der Liquidität zu. Wird noch mehr

97
Rendite gefordert, werden graduell auch die Obligationen im Portfolio reduziert.
Bei noch höheren Rendite-Erwartungen nimmt der Anteil von Immobilien im
Portfolio wieder ab. Schlussendlich bleiben nur noch Aktien übrig, die am
meisten Rendite versprechen, aber auch das höchste Risiko aufweisen.

Abbildung 7.5: Besser geht es nicht


Aufteilung des optimalen Portfolios bei verschiedenen Zielrenditen

Anteil am Portfolio

100%
Immobilien
Aktien
80%
Obligationen
Liquidität
60%

40%

20%

0%

2,4 2,8 3,2 3,6 4,0 4,4 4,8 5,2 5,6 6,0 6,4 6,8 7,2 7,6 8,0

Fokus Gewünschte jährliche Rendite in Prozent

Durch die Anpassung des Risikomasses für Immobilienanlagen ist es uns


gelungen, den Immobilienanteil der Pensionskassen mit unserer Optimierung
in Einklang zu bringen. Es fällt auf, dass die Pensionskassen wesentlich stär-
ker in Aktien und weniger in Obligationen investiert sind als die Optimierung
nahe legt. Dies hat damit zu tun, dass die Vorsorgeeinrichtungen neben
Schweizer Aktien auch ausländische Aktien halten. Diese Anlageklasse
wurde in der Optimierung vernachlässigt, um das Beispiel einfach zu halten.
Da die Renditen in- und ausländischer Dividendenpapiere nicht vollständig
korreliert sind und damit ein weiterer Diversifikationseffekt entsteht, werden
insgesamt mehr Aktien auf Kosten der Obligationen gehalten. Der Diversi-
fikationsbeitrag ausländischer Obligationen ist hingegen sehr klein, so dass
die Berücksichtigung ausländischer Forderungspapiere den Obligationenanteil
im Portfolio nicht erhöht. Wichtig ist aber, dass die Aussagen zum optimalen
Immobilienanteil in gemischten Portfolios trotz dieser Vereinfachung gültig
bleiben.

Der Reiz der Immobilien liegt in der Diversifikation

Wird ein Portfolio mit Wertpapieren um Immobilien in Direktbesitz ergänzt,


sinkt das Portfoliorisiko für jedes gewünschte Renditeniveau. Wie wir gese-
hen haben, ist dies auf die negative Korrelation der Immobilien mit den
anderen Anlageklassen zurückzuführen. Die Verkleinerung des Portfoliorisikos

98
wird Diversifikationsbeitrag genannt. Abbildung 7.6 zeigt auf der horizon-
talen Achse wiederum das Renditeziel des Investors. Auf der vertikalen Achse
sind die Risiken aufgetragen, die er mit oder ohne Immobilien auf sich neh-
men muss, um sein Renditeziel zu erreichen. Die Diversifikationsbeiträge
berechnen sich, indem das Risiko des Portfolios mit Immobilien vom Risiko
des Portfolios ohne Immobilien subtrahiert wird.

Abbildung 7.6: Immobilien sind gut für Ihr Portfolio!


Diversifikationsbeitrag der Immobilien bei verschiedenen Zielrenditen

Standardabweichung
25,0
Risiko mit Immobilien
Risiko ohne Immobilien
20,0

15,0

10,0

5,0

0,0

2,4 2,8 3,2 3,6 4,0 4,4 4,8 5,2 5,6 6,0 6,4 6,8 7,2 7,6 8,0

Gewünschte Rendite pro Jahr in Prozent

Die Abbildung zeigt eindrücklich, dass das Portfoliorisiko durch die


Berücksichtigung von Immobilien in entscheidendem Mass gesenkt werden
kann. Insbesondere für Investoren mit höheren Renditezielen (d.h. im Bereich
von 5 Prozent und mehr) ist die Diversifikation ihres Portfolios mit Immobilien
ein absolutes Muss. So ist zum Beispiel ein Renditeziel von 5,6 Prozent ohne
Immobilien nur erreichbar, wenn ein Portfoliorisiko von 11 Prozent in Kauf
genommen wird. Unter Einbezug von Immobilien sinkt dieser Wert auf rund
7 Prozent, d.h. rund ein Drittel des Risikos kann eliminiert werden. Was
bedeuten diese Zahlen konkret? Betrachten wir dazu einen typischen Investor,
der zwar eine ansprechende Rendite wünscht, Verluste auf seinem Portfolio
aber so weit wie möglich vermeiden will. Bei einer erwarteten Rendite von
5,6 Prozent und 11 Prozent Risiko muss er in langfristiger Optik jedes drit-
te Jahr einen Verlust hinnehmen. Die Senkung des Risikos auf 7 Prozent ent-
spricht einer Reduktion der Verlustjahre auf eines von fünf Jahren. Beinahe
jedes zweite Verlustjahr kann also dank der Immobilien vermieden werden.

99
Immobilien als Anlage auf einen kurzen Nenner gebracht

Im Licht der Erkenntnisse dieses Kapitels können die Kernbotschaften für den
Investor wie folgt zusammengefasst werden:

– Mit Immobilien in Direktbesitz liess sich in der Vergangenheit eine


ansehnliche Rendite von 6 Prozent erwirtschaften. Dieser Wert liegt
zwischen den Erträgen von Aktien und Obligationen.
– Die effektiven Risiken von Immobilien als Renditeanlage sind höher als
der Index der Gesamtrendite suggeriert. Dies ist die Konsequenz zweier
Eigenheiten des Immobilienmarktes, nämlich der Illiquidität und der
Trägheit der Preisbewegungen.
– Eine adäquate Anpassung der Volatilität, welche die Immobilienrisiken
mit den Risiken von Aktien und Obligationen vergleichbar macht, ergibt
einen Wert von 16 Prozent. Die wahren Risiken einer Investition in
Wohnimmobilien liegen damit viel näher beim Aktienmarktrisiko als beim
Obligationenrisiko. Immobilien sind damit nicht – wie oft behauptet –
eine risikoarme Anlageklasse.
– Der Reiz und die klare Stärke von Immobilien in gemischten Portfolios
liegt in ihrem ausgeprägten Diversifikationsbeitrag, vor allem im
Vergleich mit den Aktien als Anlageklasse mit dem höchsten erwarteten
Ertrag.
– Zur Erreichung des optimalen Diversifikationsbeitrages erfordert eine
Zielrendite zwischen 3 und 4 Prozent einen Immobilienanteil zwischen
10 und 25 Prozent.
– Bei Zielrenditen über 5 Prozent lässt sich mit einen Immobilienanteil von
gut 30 Prozent beinahe jedes zweite Verlustjahr für das Gesamtportfolio
vermeiden.

100
8 Immobilienderivate
Ein Blick in die Zukunft

Immobilien als Geldanlage haben für den Investor die Eigenschaft, dass sie
einen relativ konstanten Einkommensstrom erzeugen. Ausserdem können sie
einen erheblichen Diversifikationsbeitrag in einem grösseren Portfolio aus
verschiedenen Anlagekategorien leisten. Dies wurde im vorangegangenen
Kapitel aufgezeigt. Kein Wunder also, dass immer mehr private und institu-
tionelle Investoren die Absicht haben, einen gewissen Teil ihres Vermögens
in diese attraktive Anlageklasse zu stecken. Oft gestaltet sich dies jedoch
schwieriger, als man vermuten sollte.

Bei einer Aktienanlage steht dem Investor eine ganze Palette an bekannten,
etablierten und liquiden Investitionsvehikeln zur Verfügung: Der Investor kann
Aktien direkt an der Börse erwerben, er kann einen von hunderten verschiedenen
Aktienfonds zeichnen oder er kann sich das gewünschte Exposure mit Hilfe
eines Derivats in sein Portfolio holen. Hierzu stünden ihm wiederum ver-
schiedene Möglichkeiten offen: z.B. Optionen auf die von ihm ausgewählten
Aktientitel oder Futures auf Marktindizes wie den SMI (s. Box).

Wichtige derivative Finanzmarktprodukte

Forwards/Futures/Termin-Kontrakte zu Beginn der Laufzeit eine Prämie an den Verkäufer.


In einem Forward- bzw. Termin-Geschäft verspricht Bei einer Put-Option besteht das Recht, zu einem
die eine Partei, zu einem bestimmten Termin in der bestimmten Preis zu verkaufen. Der Käufer der
Zukunft eine bestimmte Menge eines Gutes oder Option wird dieses Recht dann ausüben, wenn der
Vermögenswertes (z.B. Aktien, Obligationen, Öl, Wert der zugrundeliegenden Sache gesunken ist,
Immobilien) zu einem bestimmten Preis zu kaufen. und so einen Gewinn realisieren.
Dadurch sichert sich die andere Partei – also jene,
die heute im Besitz dieser Sachen ist – gegen all- Strukturierte Produkte
fällige Wertveränderungen zwischen heute und dem In einem strukturierten Produkt wird zumeist ein
vereinbarten Termin ab. Futures sind standardi- traditionelles Finanzmarktprodukt, z.B. eine Aktie
sierte, börsengehandelte Forward-Geschäfte. oder eine Obligation, mit einem Derivat, z.B. einer
Call-Option, verknüpft. Ein Investor erhält damit mit
Optionen einem Kauf zwei Produkte, die zudem aufeinan-
Bei einer Call-Option hat der Inhaber der Option der abgestimmt sind. V.a. für private Investoren ist
das Recht, eine Sache zu einem bestimmten dies interessant, da sie nicht jede beliebige
Zeitpunkt zu einem bestimmten Preis zu erwerben. Kombination von traditionellen Produkten und
Ist der Marktpreis zu diesem Zeitpunkt höher als Derivaten selbst zusammenstellen können, wie dies
der vereinbarte Ausübungspreis, wird der Inhaber einem grossen, institutionellen Investor vielleicht
seine Option ausüben und einen Gewinn erzielen. möglich ist.
Für diese Chance bezahlt der Käufer der Option

101
Ganz anders sieht es aus, wenn die Absicht besteht, in Immobilien zu in-
vestieren. Die logische und nach wie vor am häufigsten praktizierte Art besteht
darin, einzelne Liegenschaften direkt zu kaufen. Der Direkterwerb ist aber
mit erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwänden verbunden sowie mit
den Objekt- und Liquiditätsrisiken, die in Kapitel 6 behandelt wurden.

Im Gegensatz dazu besteht aber die Möglichkeit der Investition in einen


Immobilienfonds. In punkto Handelbarkeit und Stückelung ist diese Anlageart
durchaus mit Aktien bzw. Aktienfonds zu vergleichen. Immobilienfonds haben
aber für den Anleger den grossen Nachteil, dass sich ihr Kursverlauf meis-
tens weniger an den Bewegungen des Immobilienmarktes als vielmehr am
Zinsniveau orientiert. Sie ähneln damit sehr der traditionellen Anlageklasse
der Obligationen. Damit entfällt bei einer Investition in Immobilienfonds –
zumindest bis heute – ein grosser Teil der Diversifikationswirkung, die sich
der Investor durch eine Anlage in die Kategorie Immobilien versprochen hat.

Die Lösung liegt in der Erfindung der Immobilienindex-Instrumente. Dabei


handelt es sich um Anlageprodukte, die es dem Investor erlauben, sich via
Derivat auf einen Immobilienpreisindex gegenüber Chancen und Risiken des
Immobilienmarktes zu exponieren, ohne direkt Immobilien erwerben zu müssen
oder indirekt in einen Immobilienfonds zu investieren. Anhand von inzwischen
etablierten, transaktionspreis-basierten Immoblienindizes wurde im vor-
angegangenen Kapitel das grosse Diversifikationspotenzial von Immobilien-
anlagen aufgezeigt. Was liegt also näher, als ein Anlageinstrument zu wählen,
das sozusagen eine Investition in einen solchen Index erlaubt?

Was sind Immobilienindex-Instrumente?

Bei den Immobilienindex-Instrumenten geht es grundsätzlich darum, Immobilien-


marktrisiken handelbar zu machen. Die einfachste Variante eines solchen
Derivats besteht in einem Termin-Kontrakt. Dabei exponiert sich der Investor
für eine bestimmte Zeit – eben bis zum «Termin» – im Umfang eines bestimmten
Betrags gegenüber einem von ihm gewählten Immobilienpreisindex. Nach
Ablauf des Kontrakts wird der Indexverlauf während der Laufzeit festgestellt.
Ist der Index gestiegen, erhält der Investor den entsprechenden Prozentanteil
des Betrages, auf welchen der Termin-Kontrakt ausgestellt wurde, gutgeschrieben.
Ist der Index gesunken, muss der Investor der Gegenpartei den entsprechenden
Betrag überweisen. In Anlehnung an den finanzökonomischen Ausdruck für
diese Art von Geschäften, nennen wir dieses Produkt «ImmoForward».

Auf die denkbar einfachste Weise erhält der Investor im Umfang des erwähnten
Betrages, dem «Nominal», eine Exponierung gegenüber dem Immobilienmarkt.
Dabei muss der Betrag nicht einmal überwiesen werden. Der Investor kann
ihn während der Laufzeit z.B. auf einem sicheren Geldmarktkonto liegen
lassen oder anderweitig verwenden. Da er nichts investiert, erhält er für seine
«Immobilienanlage» natürlich auch keine laufenden Erträge, insbesondere

102
keine Mieterträge wie bei einer direkten Immobilienanlage. Was er aber mit-
macht, sind sämtliche Wertveränderungen auf jenem Immobilienmarkt, in
welchen er via Immobilienpreisindex investiert hat.

Die Vorteile eines solchen Immobilienderivats für den Investor liegen auf der
Hand:

– Er erzielt eine synthetische «Direktinvestition» in Immobilien ohne den


Aufwand und die hohen Transaktionskosten, die mit einer Direktanlage
verbunden sind.
– In einem national oder international diversifizierten Portfolio haben
Immobilienindex-Instrumente bedeutend bessere Diversifikations-
eigenschaften als Investitionen in Immobilienfonds oder Immobilienaktien.
– Aufgrund der Investition in einen Index erwirbt der Investor nicht nur
eine oder wenige Immobilien – mit all ihren spezifischen Risiken –
sondern eine sehr gut diversifizierte Immobilienanlage, denn die
zugrunde liegenden Immobilienindizes beinhalten eine grosse Zahl an
verschiedenen Immobilien und repräsentieren damit einen gesamten
regionalen, nationalen oder sektorspezifischen Immobilienmarkt.
– Durch die synthetische Investition und durch die breite Diversifikation
vermeidet der Investor eine Vielzahl von Risiken, die mit dem Halten von
physischen Immobilienanlagen verbunden sind: z.B. Bewertungsrisiken,
Einzelobjektrisiken, Leerstandsrisiken und Bewirtschaftungsrisiken.
– Gegenüber einer Direktanlage hat die Investition in einen
Immobilienpreisindex keine direkten Steuerfolgen
(Handänderungssteuern, Grundstücksgewinnsteuer).
– Ein Index-Derivat erlaubt dem Investor eine schnellere Umsetzung seiner
Entscheidungen bezüglich der Anlagekategorie Immobilien. Gegenüber
dem aufwändigen Auf- und Abbau eines realen Portfolios ist die
Abwicklung von ImmoForward-Kontrakten relativ einfach. Mit der
Entwicklung eines regen Marktes für die Immobilienindex-Instrumente
wird somit eine taktische Vermögensallokation im Bereich Immobilien
möglich.

Weitere Varianten von Immobilienindex-Instrumenten sind z.B. der ImmoBond


oder der ImmoPut. Sie werden in der beigefügten Box vorgestellt.

103
Varianten von
Immobilienindex-Instrumenten

ImmoForward
Bei einem ImmoForward wird das Immobilien- verknüpft. Hier investiert der «Käufer» einen Betrag
Marktrisiko zwischen zwei Parteien transferiert. und zahlt diesen bei Vertragsabschluss an den
Der «Verkäufer» des ImmoForward (Short-Partei) «Verkäufer» aus. Während der Laufzeit erhält der
sichert sich damit gegen allgemeine Preisverände- Investor die vereinbarten fixen Coupon-Zahlungen.
rungen auf dem Immobilienmarkt – ausgedrückt Nach Ablauf des Vertrags wird der investierte
durch die Veränderung eines Immobilienpreisindex Betrag nicht zu pari zurückbezahlt wie bei einer
– ab. Sie möchte damit z.B. ihr eigenes Immobilien- gewöhnlichen Obligation, sondern um die pro-
portfolio gegen allgemeine Preissenkungen auf dem zentuale Veränderung des Immobilienpreisindexes
Immobilienmarkt schützen. Der «Käufer» des Immo- korrigiert und entsprechend mehr (wenn die Immo-
Forward (Long-Partei) exponiert sich gegenüber den bilienpreise gestiegen sind) oder weniger (wenn
allgemeinen Immobilienpreis-Veränderungen. Grund- sie gefallen sind) zurückbezahlt.
sätzlich gilt: Steigen die Immobilienpreise während
der Laufzeit des Vertrags, zahlt die Short-Partei die ImmoPut/ImmoCall
entsprechende Veränderung an die Long-Partei. Die Beim ImmoPut handelt es sich um die Option, den
Short-Partei kann jedoch erwarten, dass sie in die- zugrundeliegenden Immobilienpreisindex zu einem
sem Fall auch einen Gewinn auf ihrem eigenen bestimmten Termin zu einem bestimmten Preis «zu
Immobilienportfolio erzielt und somit, zumindest verkaufen». Der Inhaber der Option sichert sich so
teilweise, gegen diesen allgemeinen Preisanstieg gegen ein Fallen der Immobilienpreise unter den
versichert ist. Umgekehrt zahlt bei fallenden Immo- vereinbarten Preis, denn er erhält jede zusätzliche
bilienpreisen die Long-Partei an die Short-Partei Minderung der allgemeinen Immobilienpreise vom
und gleicht so den Verlust auf dem Immobilien- Verkäufer der Option erstattet. Dafür erhält der
Portfolio der Short-Partei, zumindest teilweise, aus. Verkäufer eine Options- bzw. Versicherungsprämie.
Besonderes Kennzeichen des ImmoForward ist, Beim ImmoCall erhält der Käufer das Recht, den
dass bei Vertragsabschluss kein Geld vom «Käufer» Immobilienpreisindex zu einem bestimmten Aus-
zum «Verkäufer» fliesst. übungspreis «zu kaufen». Steigt der Immobilien-
index weiter als dieser Ausübungspreis, erhält der
ImmoBond Inhaber der Option die Differenz zulasten des
Beim ImmoBond handelt es sich um ein struktu- Verkäufers. Dieser erhält für dieses Risiko wieder-
riertes Produkt, das eine Obligation mit fester um eine Prämie.
Laufzeit und festem Coupon mit einem ImmoForward

Damit sich dem Investor diese Anlagemöglichkeit eröffnet, braucht es eine


Gegenpartei. Auf allen Finanz- und Kapitalmärkten ist das Finden einer Gegen-
partei immer die erste Voraussetzung für das Zustandekommen einer Transaktion.
Im Fall des ImmoForward heisst das, es braucht jemanden mit einem entge-
gengesetzten Bedürfnis zum Immobilien-Investor (Long-Position), der deshalb
die Short-Position in einem solchen Kontrakt einnehmen möchte. Dies könnte
z.B. ein Anleger sein, der von einer negativen Entwicklung der Immobilien
überzeugt ist oder jemand, der bereits ein eigenes Immobilienportfolio hat
und der sich gegen die Schwankungen des Marktes absichern will.

104
Abbildung 8.1: «Bond, ImmoBond»
ImmoBond: Beispielhafte Darstellung der Funktionsweise

Immobilieneigner Bondinvestor

1. Ausgangslage

Immobilien 100 Cash 100


Cash 10

2. Anfang Laufzeit

Immobilien 100 Darlehen 100 ImmoBond 100


Cash 110 (ImmoBond)

3. Während Laufzeit
Immobilienindex fällt um 7%

4. Verfall

Immobilien 93 Cash 93
Cash 17 <<< ImmoBond/Cash >>>

In der Abbildung 8.1 sind schematisch Teile der Bilanzen eines Immobilien-
eigners, der mittels ImmoBond ein Darlehen aufnimmt und sich gegen das
Marktrisiko versichert, sowie der entsprechenden Gegenpartei, des Bond-
investors, dargestellt.

Für wen eignen sich diese Instrumente?

Sowohl für private als auch für institutionelle Investoren (Pensionskassen,


Anlagestiftungen, Versicherungen), Immobilien-Gesellschaften, Anlagefonds
usw. können Immobilienindex-Instrumente interessante Vehikel sein. In der
folgenden Tabelle sind einige Beispiele für die verschiedenen Instrumente in
möglichen Anwendungen zusammengefasst.

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Tabelle 8.1: Zu jeder Situation das passende Derivat
Beispiele für den Einsatz von Immobilienderivaten

Situation Produkt Position


des Investors

– Private Investoren, die einen Teil ihres Vermögens in Immobilien anlegen ImmoBond Long
wollen, ohne gleich physisch ein Haus oder ein Stockwerkeigentum erwerben
und unterhalten zu müssen.

– Private, die auf eine eigene Immobilie sparen wollen und sich die Immobilien- ImmoBond Long
kaufkraft ihrer Ersparnisse erhalten wollen. Durch Investition der Ersparnisse
in einen ImmoBond ist gesichert, dass das gesparte Geld in Zukunft gleich
viel einer durchschnittlichen Immobilie kaufen kann wie heute.

– Private, die sich gegen einen Wertverlust ihres Eigenheims oder ihrer Immo- ImmoForward Short
bilienanlage absichern wollen. Durch «Verkauf» eines ImmoForward oder oder
durch den Kauf eines ImmoPut schützt sich der Private vor sinkenden Preisen ImmoPut Long
auf dem Immobilienmarkt und damit auch zu einem grossen Teil vor einem
sinkenden Preis seines Eigenheims. Denn von den allgemeinen Schwankungen
der Immobilienpreise – dem Marktrisiko – sind grundsätzlich immer sämtliche
Liegenschaften betroffen, wie im Kapitel 6 gezeigt wurde.

– Institutionelle Investoren, die einen Teil ihres Vermögens in Immobilien anlegen ImmoBond Long
wollen, ohne ein eigenes Portfolio aufbauen und bewirtschaften zu müssen.

– Institutionelle Investoren, die den Immobilien in ihrer Vermögensallokation ein ImmoForward Long
höheres Gewicht geben wollen, ohne andere Vermögensteile zu veräussern.

– Institutionelle Investoren, die den Immobilien in ihrer Vermögensallokation ImmoForward Short


ein niedrigeres Gewicht geben wollen, ohne Teile ihres Immobilienportfolios
veräussern zu müssen.

– Immobiliengesellschaften, die ihre Immobilien finanzieren möchten, ohne ImmoBond Short


den Hebel (Leverage) auf ihrem Eigenkapital zu verlängern.

– Anlagefonds, die eine ausgewogene Anlagestrategie mit einem gewissen ImmoBond Long
Anteil an Immobilienanlagen anstreben und das hohe Diversifikations- oder
potenzial von direkten Immobilienanlagen ausschöpfen möchten. ImmoForward Long

– Private Investoren, die aufgrund ihrer Marktkenntnisse und Prognosen eine ImmoCall Long
spekulative Exponierung gegenüber der zukünftigen Immobilienmarkt- oder
entwicklung suchen. ImmoPut Short

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Warum haben sich diese Instrumente bisher nicht durchgesetzt?

Für die Schweiz stellen die aufgezeigten Produktideen Innovationen dar, für
die sich bisher noch kein Markt etablieren konnte. Die Tatsache, dass bereits
seit einigen Jahren ähnliche Konstruktionen in Grossbritannien und in den
USA erfolgreich angeboten werden, zeigt zwar, dass eine potenzielle
Nachfrage vorhanden ist und dass es wahrscheinlich nicht mehr allzu lange
dauern dürfte, bis auch hierzulande die ersten Immobilienindex-Instrumente
eine Nachfrage finden. Allerdings lässt sich auch eine Reihe von Gründen
ausmachen, warum sich diese Produkte bis heute noch nicht durchgesetzt
haben:

– Zunächst einmal handelt es sich um eine fundamentale Innovation:


Immobilien als gewöhnliche Anlageklasse zu sehen und in die
Vermögensallokation einzubeziehen, Preisindizes von Immobilien zu
konstruieren und zu kennen sowie Derivate auf diese Preisindizes
zu verstehen, sind Kenntnisse, die erst in der jüngsten Vergangenheit
Eingang in die Denk- und Arbeitsweise von Immobilienbesitzern und
Asset-Managern gefunden haben.
– Die Transparenz auf dem Schweizer Immobilienmarkt ist nach wie vor
recht dürftig – auch wenn es in letzter Zeit verstärkte Bemühungen zur
Steigerung dieser Transparenz gibt –, die vorliegende Broschüre versteht
sich als Teil dieser Bemühungen. Insbesondere kann häufig nicht zwi-
schen objektspezifischen Risiken und Marktrisiken getrennt werden. Bei
einer unklaren, durch subjektive Einschätzungen bestimmten Sachlage ist
es schwierig, einen allgemein anerkannten Standard zu etablieren. Für
die Produktklasse der Immobilienindex-Instrumente ist es aber notwendig,
dass ein solcher Standard – in Form allgemein anerkannter Indizes –
existiert. Bisher konnte sich im Markt kein solcher «Benchmark» etablieren.
– Viele der vorliegenden Indizes sind tatsächlich zu einem grossen Teil
nur sehr beschränkt als Standard für eine breite Lancierung von
Immobilienindex-Instrumenten geeignet: Sie beruhen auf einer relativ
spärlichen Datenlage; sie haben erst eine kurze Historie aufzuweisen,
ihre Berechnung ist kompliziert; sie beruhen teilweise nicht auf tatsächlich
realisierten Transaktionspreisen, sondern auf Schätzungen, Mieten oder
Angebotspreisen.
– Die institutionellen Immobilien-Investoren, die das vordringlichste
Bedürfnis und auch das entsprechende Know-how zum Einsatz solcher
Instrumente haben, erhalten durch die geltenden regulatorischen
Vorschriften einen negativen Anreiz dazu. Die modernen
Rechnungslegungsvorschriften, wie z.B. IFRS, fordern zwar dazu auf,
Immobilien zu ihrem fairen Marktwert («fair value») auszuweisen.
Tatsächlich findet die Bewertung der Immobilienportfolios aber aufgrund
einer Expertenschätzung statt, die nur indirekt auf die momentan gelten-
den Marktbedingungen schliesst. Die Konsequenz ist, dass die Wert-
schwankungen der Immobilien in den Büchern der institutionellen
Investoren einen relativ geglätteten Verlauf aufweisen – ein Effekt, der

107
bei den Anlageklassen Aktien und Obligationen aufgrund eines
laufenden und öffentlich beobachtbaren Handels nicht mehr vorkommt.
– Selbst wenn der Asset Manager eine Neigung zu einer konsequenten
finanzökonomischen Sichtweise hat und sieht, dass die wahren Risiken
seines Immobilienportfolios tendenziell höher sind als die ausgewiese-
nen, so hat er dennoch nur wenig Anreiz, diese Risiken abzusichern.
Der Grund liegt darin, dass er die Wertschwankungen seines
Absicherungsinstruments (z.B. Short ImmoForward) erfolgswirksam aus-
weisen müsste, während die entsprechenden Wertschwankungen seines
Immobilienportfolios erst nach einer fundamentalen Umstellung seiner
Bewertungspraxis nach aussen sichtbar würden.
– Derivate in anderen Anlagekategorien konnten erfolgreich durch die
Finanzindustrie entwickelt und lanciert werden. Für die Begrenzung des
Risikos ist es dabei ausserordentlich wichtig, dass sich das Finanzinstitut
gegen Wertschwankungen der emittierten Derivate absichern kann. Bei
Aktien beispielsweise ist dies denkbar einfach: So kann die Wert-
steigerung einer Call-Option – und damit die steigende Verpflichtung der
emittierenden Bank – dadurch abgesichert werden, dass die Bank eine
entsprechende Menge der zugrunde liegenden Aktien hält. Eine solche
Absicherungsstrategie ist im Immobilienbereich aber ungleich schwieriger,
da Immobilien weder homogen noch leicht handelbar, noch in einer fast
beliebig kleinen Stückelung erhältlich sind. Damit ist es für die Finanz-
industrie sehr schwierig, die Innovation im Alleingang durchzuführen und
einen Markt für Immobilienindex-Instrumente zu etablieren.
– Bei den wichtigen Akteuren auf dem Immobilienmarkt gibt es derzeit kein
dringendes Bedürfnis nach Absicherung der Immobilienmarktrisiken.
Nach der Boom-Bust-Phase Ende der achtziger und anfangs der
neunziger Jahre hat sich der Immobilienmarkt langsam erholt, scheint
aber weit entfernt von einer erneuten Überhitzung. Die meisten wichtigen
Marktteilnehmer sind eher optimistisch für die mittel- bis langfristige
Entwicklung in sämtlichen Segmenten des Immobilienmarktes.
– Hinzu kommt, dass bei den meisten institutionellen Anlegern wie auch
bei den Immobiliengesellschaften zurzeit eine «Buy and Hold»-Strategie
praktiziert wird. Wenn nicht davon ausgegangen wird, dass einmal
erworbene Immobilien in absehbarer Zeit wieder abgestossen werden
sollen oder müssen, besteht wenig Anlass, sich gegen die Risiken eines
(vorübergehenden) Preiszerfalls zu schützen.

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Wird sich ein Markt für Immobilienindex-Instrumente etablieren?

Wenn man bedenkt, dass es sich bei Immobilien um die mit Abstand grösste
Vermögenskategorie der Schweizer Wirtschaft handelt – grob geschätzte 2,5
Billionen Schweizer Franken sind die Immobilien auf Schweizer Boden wert
– dann ist es nicht vorstellbar, dass die Betrachtungsweise und die Behandlung
dieser Werte nicht einen ähnlichen Weg nehmen sollten wie z.B. die Unter-
nehmensbeteiligungen und -finanzierungen in Form von Aktien und Krediten
bzw. Obligationen. Mit zunehmender Transparenz des Immobilienmarktes
werden mehr und mehr Investoren ihr Interesse an der Anlageklasse Immobilien
bekunden und die finanzökonomisch-nüchterne Sicht auf Renditen und Risiken
auch in diesem Segment durchsetzen.

Mit der Verallgemeinerung der Immobilien als Anlage und mit der Sophisti-
zierung der Anlagestrategien wird das Interesse an Immobilienderivaten bei
allen momentanen und potenziellen Investoren steigen. Ausserdem wird es
für viele Investoren, die sich heute durch ihre Kaufen-und-Halten-Strategie
keine Sorgen um allfällige Abwärtsrisiken auf dem Immobilienmarkt machen
müssen, irgendwann absehbar, dass sie Teile ihres Immobilienportfolios
liquidieren müssen. Spätestens dann wird sich die Wahrnehmung der
Marktrisiken und das Bedürfnis nach einer teilweisen oder vollständigen Ab-
sicherung bis zur Deinvestition verstärken. Beispielsweise dürfte dies bei vielen
Pensionskassen in nicht allzu ferner Zukunft der Fall sein, wenn sich aufgrund
der demographischen Entwicklung ein Überhang an finanziellen Verpflichtungen
gegenüber dem Zufluss an Mitgliederbeiträgen ergibt und ein Netto-Abbau
von Vermögensbestandteilen zur Finanzierung laufender Renten stattfinden
muss.

Was bietet die ZKB an?

Die Zürcher Kantonalbank war in der Schweiz führend bei der Entwicklung
von transaktionspreis-basierten Immobilienpreisindizes. Bereits 1996, als erst-
mals eine Reihe solcher Indizes publiziert wurde, war die Möglichkeit von
neuartigen derivaten Produkten, die mit Hilfe dieser Indizes konstruiert werden,
erörtert worden. Seither hat die ZKB zum einen die Technologie im Bereich
Indexberechnung ständig verfeinert, zum anderen wurde die Idee der Immo-
bilienindex-Produkte so weit entwickelt, dass die ZKB heute in der Lage ist,
Produkte wie den ImmoForward oder den ImmoBond in die Tat umzusetzen.
Interessierten institutionellen Anlegern, kommerziellen oder privaten Immobilien-
besitzern bietet die ZKB einen umfassenden Beratungsservice, der von der
Strukturierung des Produkts bezüglich Volumen, Indexwahl, Laufzeit usw. über
die Suche einer geeigneten Gegenpartei bis hin zum Aufsetzen und Abwickeln
des Vertrages reicht.

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Der Reiz von Immobilienanlagen liegt
im regelmässigen Ertrag und der
Diversifikation. Ihre Risiken sind aber
höher, als man denkt.
209 871

Die nahe Bank

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