Jahrhundert
W
DE
G
Band 27
Geistesleben im 13. Jahrhundert
Herausgegeben
von Jan A. Aertsen und Andreas Speer
ISSN 0544-4128
© Copyright 1999 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin
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Wie kaum ein anderes prägt das 13. Jahrhundert das allgemeine Bild vom
Mittelalter. Auch in den gegenwärtigen Debatten um das Selbstverständnis
der mittelalterlichen Philosophie kommt dem 13. Jahrhundert eine Schlüssel-
stellung zu. Zwei Kölner Jubiläen verdeutlichen das Gesagte: 1998 war das
750. Jubiläumsjahr der Gründung des Studium generale Coloniense der Do-
minikaner, dessen Gründungsregens kein geringerer als Albertus Magnus
war, sowie der Grundsteinlegung zum gotischen Chor des Kölner Domes.
Auch wenn diese Jubiläen nicht im Mittelpunkt standen, so war das General-
thema der 31. Kölner Mediaevistentagung, die vom 8. bis 11. September 1998
in der Universität zu Köln stattfand, gleichwohl dem 13. Jahrhundert gewid-
met. Mehr als 200 Mittelalterforscher der verschiedensten Disziplinen aus
über 20 Ländern, darunter erneut eine namhafte Zahl aus Mittel- und Ost-
europa, kamen auf Einladung des Thomas-Instituts zusammen, um die durch
das Tagungsthema vorgegebenen systematischen und historischen Fragestel-
lungen zu erörtern und neue Perspektiven für die Mittelalterforschung auf-
zuzeigen 1 . Diesen Anspruch hatten die Veranstalter in der Formulierung des
Tagungsthemas ausdrücklich erhoben: „Geistesleben im 13. Jahrhundert —
Neue Perspektiven".
Im Titel des vorliegenden 27. Bandes der Miscellanea Mediaevalia, der
über die in den zwölf Sektionen gehaltenen Vorträge hinaus weitere Beiträge
umfaßt, welche die Diskussion ergänzen und weiterführen, fehlt der zweite
Teil des Tagungsthemas. Was für eine Tagung als herausfordernde These
seine Berechtigung hat, sollte mit Blick auf die publizierten Ergebnisse dem
Urteil des Lesers, nicht der Herausgeber anheimgestellt bleiben. Diese haben
gleichwohl versucht, in einleitenden Beiträgen auf einige solcher Perspektiven
hinzuweisen, die in den zehn Themenschwerpunkten dieses Bandes weiter
ausgefaltet werden. Bei der Auswahl der Beiträge und ihrer Verknüpfung zu
Themenbereichen kann es nicht um ein vollständiges Bild des 13. Jahrhun-
derts gehen — dieses wird bei den Kölner Mediaevistentagungen nicht zuletzt
durch die Themenvorschläge der Referenten mitbestimmt —, wohl aber um
die Signifikanz der historischen und systematischen Vermittlung. Angespro-
chen werden Fragen zur Erkenntnistheorie und praktischen Philosophie, zur
Deutschen Dominikanerschule und zum Selbstverständnis der Artes-Magi-
2 Cf. K. Emery, Jr. / Α. Speer, After the Condemnations of 1277: The University of Paris in
the Last Quarter of the Thirteenth Century. A Project between the Medieval Institute (Notre
Dame) and the Thomas-Institut (Köln), in: Bulletin de philosophie medievale 38 (1996),
119-124.
Unterstützung danken. Auch bei den redaktionellen Arbeiten für den vorlie-
genden Band der Miscellanea Mediaevalia konnten wir auf die zuverlässige
Unterstützung der Mitarbeiter des Thomas-Instituts rechnen. Ihnen gilt unser
Dank, namentlich Herrn Hermann Hastenteufel Μ. Α., der erneut für das
Register verantwortlich zeichnet, sowie insbesondere Dr. Frank Hentschel für
die Mithilfe bei der Drucklegung dieses Bandes.
Es bleibt der Dank an den Verlag Walter de Gruyter, namentlich an Frau
Dr. Gertrud Grünkorn und an Frau Grit Müller, in deren Händen die wie
stets umsichtige Betreuung des 27. Bandes der Miscellanea Mediaevalia lag.
Zur Einleitung
PASQUALE P O R R O(Bari)
Metaphysics and Theology in the Last Quarter of the Thirteenth
Century: Henry of Ghent Reconsidered 265
STEVEN P. M A R R O N E (Medford)
Literacy, Theology and the Constitution of the Church: Scholastic
Perspectives on Learning and Ecclesiastical Structure in the Late
Thirteenth Century 297
U L R I C H H O R S T (München)
Evangelische Armut und Kirche. Ein Konfliktfeld in der scholasti-
schen Theologie des 13. Jahrhunderts 308
SABINE SCHMOLINSKY (Hamburg)
Ordensprophetie nach Joachim von Fiore? Franziskaner und Domi-
nikaner im Apokalypsenkommentar des Alexander Minorita 321
PIERRE D R O G I (Orleans)
La crise amauricienne et ses repercussions en litterature (paradis et
enfer autour des annees 1215 — 1240 environ) 335
U L R I C H E R N S T (Wuppertal)
Die Auseinandersetzung mit häretischen Strömungen in der deut-
schen Literatur des 13. Jahrhunderts 362
F R A N K HENTSCHEL (Köln)
Der verjagte Dämon. Mittelalterliche Gedanken zur Wirkung der
Musik aus der Zeit um 1300 395
WOLFGANG SCHÖLLER (Regensburg)
Annäherungen an die Wirklichkeit des hochmittelalterlichen Kir-
chenbaues 422
STEFAN SCHULER (Münster)
Fabrica et ratiocinatio. Neue Perspektiven für die Bewertung der Zivi-
lisationstechniken in der wissensorganisierenden Literatur des
13. Jahrhunderts am Beispiel von Architektur und Enzyklopädik . . 438
ALEXANDRU CIZEK (Münster)
Voraussetzungen und Eigenart der „Poetria Parisiana" des Johannes
von Garlandia 454
Namenindex 639
2 W Dilthey, Die Geistige Welt. Einleitung in die Philosophie des Lebens. Erste Hälfte: Ab-
handlungen zur Grundlegung der Geisteswissenschaften (Gesammelte Schriften, V. Band),
Stuttgart-Göttingen 1974 (6. unveränderte Aufl.), 340.
3 W. Dilthey, Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung der Gesell-
schaft und der Geschichte (Gesammelte Schriften, I. Band), Stuttgart — Göttingen 1973 (7.
unveränderte Aufl.), 95.
4 E. Gilson, L'esprit de la philosophie medievale, Paris 2 1948, 32 — 33; cf. hierzu J. A. Aertsen,
Gibt es eine mittelalterliche Philosophie?, in: Philosophisches Jahrbuch 102 (1995),
1 6 1 - 1 7 6 , bes. 1 6 2 - 1 6 8 (cf. auch Kölner Universitätsreden 75 [nt. 13], 1 3 - 3 0 , bes. 1 5 - 2 1 ) .
5 F. Van Steenberghen, La philosophie au XHIe siecle, 2eme edition (Philosophes medievaux
28), Louvain-Paris 1991, 4 7 4 - 4 8 0 .
6 P. O. Kristeller, The Philosophical Significance of the History o f Thought, in: id., Studies in
Renaissance Thought and Letters (Storia e Letteratura - Raccolta di Studi e Testi, 54),
Roma 1956, 3 - 9 , bes. 7sq.
7 W. Dilthey, Die Geistige Welt (nt. 2), 342.
8 Cf. e.g. C. Steel, La philosophie medievale comme expression de son epoque, in: J. Follon /
J. McEvoy (eds.), Actualite de la pensee medievale (Philosophes medievaux 31), L o u v a i n -
Paris 1994, 7 9 - 9 3 . R. Imbach, Autonomie des philosophischen Denkens? Zur historischen
Bedingtheit der mittelalterlichen Philosophie, in: J. A . Aertsen / A. Speer (eds.), Was ist
Philosophie im Mittelalter? Akten des X. Internationalen Kongresses für mittelalterliche Phi-
losophie der S. I. E. P. M., 2 5 . - 3 0 . August 1997 in Erfurt (Miscellanea Mediaevalia 26), Ber-
l i n - N e w York 1998, 1 2 5 - 1 3 7 .
9 P. O. Kristeller, The Philosophical Significance of the History of Thought (nt. 6), 9.
10 G. W Ε Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Vorrede, Werke 7 (Theorie-Werk-
ausgabe, Frankfurt a.M. 1970), 26.
leicht andere (auch solche negativer Art) hinzufügen ließen — sind aber nicht
so spezifisch, daß mit ihrer Hilfe die eingeforderte Bestimmung des Geistes-
lebens im 13. Jahrhundert in hinreichender Distinktheit gelingen könnte. So
gibt es bereits im 12. Jahrhundert eine überaus rege Ubersetzertätigkeit und
die ältesten Universitäten wie Bologna haben sich bereits vor 1200 konstitu-
iert. Auch die gotische Kathedralarchitektur in Frankreich hat im 12. Jahr-
hundert ihre Wurzeln. Und am Ende des 13. Jahrhunderts kündigt sich mit
Dante in Italien bereits die Renaissance an.
Ich belasse es bei dieser Problemanzeige und füge eine zweite hinzu: Unser
bisheriger Blickwinkel ist derjenige des Lateinisch sprechenden Westens. Am
Beispiel der Philosophie wird aber deutlich, in welchem Umfang der Eintritt
in andere mittelalterliche Kulturkreise — in den arabischen, jüdischen, byzan-
tinischen und lateinischen — die Philosophie bestimmt und spezifiziert; ähn-
liches gilt auch für andere Bereiche der Kultur 11 . Doch eröffnet gerade der
Blick auf die inhaltliche und institutionelle Verschiedenartigkeit der translatio
studii oder translatio studiorumx2 im Mittelalter einen Zugang zum Verständnis
jenes Zeitabschnitts, dem in diesem Band das besondere Interesse gilt. Remi
Brague hat die mittelalterliche Kultur im lateinischen Abendland als eine
Kultur des Endeihens bestimmt und sieht darin den Schlüssel für eine einzig-
artige Rezeptivität und Dynamik 13 . Diese Dynamik entspringt, wie mir
scheint, nicht zuletzt der Notwendigkeit zu verstehen — und zwar Verstehen
in einem doppelten Sinne.
Zunächst Verstehen im Sinne der „translatio" als Ubersetzung. Im 13. Jahr-
hundert findet die Ubersetzung des corpus Aristotelicum ihren Abschluß und
durch die Revisionen und teilweise Neuübersetzungen Wilhelms von Moer-
beke eine verläßliche philologische Grundlage. Dies ist nur ein — allerdings
prominentes — Beispiel für die vielfältige Ubersetzertätigkeit. Ebenso be-
deutsam ist eine steigende philologische Bewußtheit: die Diskussion von
Ubersetzungsvarianten, die Suche nach einer besseren Textgrundlage, die
Auswirkungen philologischer Arbeit auf die systematische Interpretation —
wie im Falle der „Entdeckung" der proklischen Identität des „Liber de cau-
sis" durch Thomas von Aquin im Zusammenhang der Übersetzung der „Ele-
11 Cf. hierzu J. A. Aertsen / A. Speer (eds.), Was ist Philosophie im Mittelalter? (nt. 8); ferner
A. Speer, Qu'est-ce que la philosophie au Moyen Age? Bilan philosophiques du dixieme
congres international de philosophie medievale tenu a Erfurt du 25 au 30 aoüt 1997, in:
Recherches de Theologie et Philosophie medievales 65 (1998), 1 3 3 - 1 4 6 .
12 Diesen Begriff macht E. Jeauneau zu einem Leitbegriff in „La philosophie medievale" (que
sais-je?), Paris 3 1975, 4; cf. auch id., Translatio studii. The Transmission of Learning. A
Gilsonian Theme (PIMS —The Etienne Gilson Series 18), Toronto 1995. Diesen Gedanken
greift Alain de Libera auf in: La philosophie medievale (puf - Collection Premier Cycle),
Paris 1993, 8.
13 R. Brague, Das Studium der mittelalterlichen Philosophie als Teil einer Besinnung auf die
europäische Kultur, in: A. Speer (ed.), Philosophie und geistiges Erbe des Mittelalters (Köl-
ner Universitätsreden 75), Köln 1994, 5 3 - 6 5 , bes. 6 1 - 6 5 .
mentatio theologica" durch Wilhelm von Moerbeke 14 , einer Schrift, die in der
„deutschen Dominikanerschule" einige Bedeutung erlangt. Auch die massive
Kritik Roger Bacons an „der Verkehrtheit, der Unverdaulichkeit und grauen-
haften Schwierigkeit" insbesondere der Aristotelesübersetzungen, die kaum
jemand verstehen könne, was seinen Grund nicht zuletzt in dem Zusammen-
tragen verschiedener Interpreten und Texte aus verschiedenen Sprachen
habe, ist Ausdruck dieses philologischen Bewußtseins 15 .
Doch ist die geforderte Kenntnis der „gelehrten" Sprachen 16 — an erster
Stelle des Griechischen und Hebräischen, mit Einschränkungen gleichfalls
des Arabischen — auch für Bacon nur die Voraussetzung für eine andere
Form der Aneignung: Verstehen im Sinne des Begreifens und Durchdringens
des auf dem Wege der Sprache übermittelten Wissens. Dies ist der zweite, in
unserem Zusammenhang bedeutsamere Aspekt von Verstehen. Gerade in der
synthetischen Verstehensleistung gegenüber den vielfältigen Einflüssen und
Traditionen, den eigenen und den fremden, besteht — so scheint mir —
insbesondere aus der Sicht des lateinischen Westens die nachhaltige Bedeu-
tung des 13. Jahrhunderts. Hierzu gehört auch die Herausarbeitung kontro-
verser Problemstellungen. Diese synthetische Leistung, die über die Adapta-
tion bestimmter Einflüsse hinausgeht, wird vorzüglich in der spekulativen
Grundlegung des Denkens erbracht, die als Metaphysik in Konkurrenz zur
christlichen Theologie tritt. Daß die Universität sich gerade im 13. Jahrhun-
dert als der eigentliche institutionelle Ort dieser Verstehensleistung etabliert,
ist ebenso Teil einer geistesgeschichtlichen Annäherung wie die besondere
Aufmerksamkeit, die gerade den kritischen Reaktionen oder alternativen Be-
wegungen gilt.
III. Sind wir damit aber nicht wiederum bei einem sehr traditionellen Bild
des 13. Jahrhunderts angekommen — beschränkt vor allem auf das lateinische
Abendland, auf Philosophie und Theologie, und auf die Universitäten? Wo
liegen die „neuen Perspektiven", denen die besondere Aufmerksamkeit der
31. Kölner Mediaevistentagung galt? Sicherlich findet man sie nicht, so kann
festgehalten werden, indem man lediglich die Lücken anweist, die sich bei-
spielsweise in Fernand Van Steenberghens magistralem Standardwerk zur
14 Thomas de Aquino, Super librum de causis expositio, prooemium (ed. H. D. Saffrey, Fri-
bourg-Louvain 1954), 3; hierzu C. Steel, Moerbeke et Saint Thomas, in: J. Brams / W. Van-
hamel (eds.), Guillaume de Moerbeke. Recueil d'etudes ä l'occasion du 700 e anniversaire de
sa mort (1286), Leuven 1989, 5 7 - 8 2 , bes. 7 0 - 7 1 .
15 Roger Bacon, Opus Malus, pars III, cap. 1 (ed. J. H. Bridges, vol. III, repr. Frankfurt a.M.
1964), 82: „Nam tanta est perversitas et cruditas et hornbilis difficultas maxime in libris Aristotelis
translatis, quod nullus potest eos intelligere, sed quilibet alii contradiät, et multiplex reperitur falsitas, ut
patet ex collatione diversorum interpretum et textuum diversarum linguarum".
16 Roger Bacon, Compendium studii philosophiae, cap. VIII (ed. J. S. Brewer, Fr. Rogeri Bacon
opera quaedam hactenus inedita, vol. I, London 1859), 474: „Tertia deäma causa quare necesse
est studiosis Latinis, ut sciant linguas, est corruptio, quae accidit in studio propter ignorantiam linguarum
sapientialium his temponbus".
20 Cf. K. Emery, Jr. / Α. Speer, After the Condemnations of 1277: The University of Paris in
the Last Quarter of the Thirteenth Century, in: Bulletin de Philosophie medievale 38 (1996),
119-124.
21 J. LeGoff, Les intellectuels au Moyen Age, Paris 1957/1985.
22 Boethius de Dacia, De summo bono (ed. N. G. Green-Pedersen, Boethii Daci Opera VI,2),
374, 137 — 139: ,JB,t cum homo est in ilia operations, est in optimo statu qui est homini possibilis. Et
isti suntphilosophi, qui ponunt vitam suam in studio sapientiae".
23 Cf. hierzu den Beitrag von Sten Ebbesen in diesem Band (231 - 2 5 1 ) : Radulphus Brito. The
Last of the Great Arts Masters. Or: Philosophy and Freedom.
Blicken wir von hier zurück auf das in unserem ersten Punkt angespro-
chene Verhältnis zwischen dem engen und weiten Verständnis von Geistesge-
schichte, so erhebt sich die Frage, inwieweit dieser umfassende Prozeß einer
intellektuellen Neuorientierung von ungeheuren politischen Konsequenzen
an den intellektuellen Zentren der Zeit, den Universitäten, reflektiert oder
gar mitbestimmt wird. Welchen Beitrag vermag insbesondere die Philosophie
für das Verstehen dieser Vorgänge, für die Deutung der Welt bereitzuhalten?
Nicht zuletzt die Debatten um das Verhältnis von Theologie und Philoso-
phie, um die klare Bestimmung des jeweiligen Gegenstands- und Zuständig-
keitsbereiches, die im 13. Jahrhundert an Umfang und Bedeutung zunehmen
und einen nicht unwichtigen Teil der intellektuellen Auseinandersetzungen
ausmachen — auch dies ein charakteristischer Punkt für das Verständnis die-
ses Jahrhunderts — verweisen auf die sich vollziehende Wende im Philoso-
phieverständnis des 13. Jahrhunderts, die, so die These von Jan A. Aertsen
in dem nachfolgenden Beitrag, schließlich zu einer Neubestimmung des Sta-
tus der Philosophie führt. Auf diese Weise wird jenes kritische Potential frei-
gelegt, das der Philosophie in der Erklärung der sich verändernden Welt
einen legitimen Platz beläßt.
26 Roger Bacon, Opus Maius, pars IV (ed. J. H. Bridges, vol. I, repr. Frankfurt a.M. 1964),
399-402.
27 Roger Bacon, Opus Maius, pars VII (moralis philosophia), pars 4 (ed. J. H. Bridges, vol. II,
repr. Frankfurt a.M. 1964), 3 9 4 - 3 9 6 .
28 Cf. hierzu die Überlegungen bei R. Brague, Das Studium der mittelalterlichen Philosophie
(nt. 13), 6 3 - 6 5 .
J A N A . AERTSEN ( K Ö L N )
I. E i n l e i t u n g : N e u e r e D i s k u s s i o n e n
ü b e r den S t a t u s der m i t t e l a l t e r l i c h e n P h i l o s o p h i e
1 Cf. den Kongreßbericht von H. L. van Breda, in: L'homme et son destin d'apres les penseurs
du moyen äge. Actes du premier congres international de philosophie medievale
(Louvain - Bruxelles 28 aoüt - 4 septembre 1958), Louvain - Paris 1960, 801sq., 815sq.
2 C. Steel, Medieval Philosophy: An Impossible Project? Thomas Aquinas and the ,Averroistic'
Ideal of Happiness, in: J. A. Aertsen, A. Speer (eds.), Was ist Philosophie im Mittelalter?
Akten des X. Intern. Kongresses für mittelalterliche Philosophie der Soc. Intern, pour l'E-
tude de la Philosophie Medievale, 2 5 . - 3 0 . August 1997 in Erfurt (Miscellanea Mediaevalia
26), B e r l i n - N e w York 1998, 1 5 2 - 1 7 4 .
3 P. Hadot, Qu'est-ce que la philosophic antique?, Paris 1995, bes. 1 7 - 1 9 , 387 — 391 u.
408 — 410. Eine ähnliche Auffassung findet sich in J. Domanski, La philosophie, theorie ou
maniere de vivre? Les controverses de l'Antiquite ä la Renaissance, Paris 1996.
4 Cf. J. Leclercq, Pour l'histoire de l'expression ,philosophie chretienne', in: Melanges de
science religieuse 9 (1952), 221—226; H. M. Schmidinger, Zur Geschichte des Begriffs
,christliche Philosophie', in: E. Coreth e.a (eds.), Chrisdiche Philosophie im katholischen
Denken des 19. und 20. Jahrhunderts, Graz - Wien - Köln 1987, torn. 1, 2 9 - 4 5 .
5 P. Hadot, Qu'est-ce que (supra Anm. 3), 393.
6 Siehe insbesondere A. de Libera, Penser au Moyen Age, Paris 1991.
mene Realisierung dessen, was der Mensch wesentlich ist 7 . Die intellektuelle
Bestimmung des Menschen ist nach de Libera das, was man „den Geist der
mittelalterlichen Philosophie" nennen sollte8. Die Formulierung ist deutlich
gegen Etienne Gilson gerichtet, der in seiner klassischen Studie „L'esprit
de la philosophie medievale" die mittelalterliche Philosophie als „Christliche
Philosophie" gedeutet hatte 9 . Mit diesem Begriff wollte Gilson zum Aus-
druck bringen, daß die Eigenart der Philosophie im Mittelalter nicht erklärt
werden kann, ohne den Einfluß der christlichen Offenbarung zu berücksich-
tigen.
Zweitens: Hadots Mittelalterbild ist gewissermaßen von Gilson, oder ge-
nauer: durch ein Paradox in dessen Konzeption, beeinflußt worden. Der
Begriff der „Christlichen Philosophie", der ursprünglich dafür gedacht war,
die Originalität der mittelalterlichen Philosophie zu charakterisieren, ist bei
Gilson immer mehr zu einem Ausdruck der instrumentellen Funktion der
Philosophie im Dienst der christlichen Theologie geworden 10 . Andererseits
kritisiert Hadot Gilsons Konzeption. Jener versucht, „die Wirklichkeit der
christlichen Philosophie" dadurch nachzuweisen, daß die mittelalterliche Phi-
losophie das antike Denken unter dem Impuls des Christentums transfor-
miert hat; sie führt neue Konzepte und Lehren ein. Nach Hadot ist diese
Konzeption zu beschränkt, weil sie völlig die existentielle Dimension der
Philosophie ignoriert 11 . Gilsons Idee einer „Christlichen Philosophie" hat die
Frage nach der Philosophie als Lebensweise außer Betracht gelassen.
Wir sind jetzt gespannt auf Steels Stellungnahme. In seinem Erfurter Vor-
trag kritisiert er de Liberas Annäherung und lehnt dessen Behauptung ab,
die Professoren in der Artes-Fakultät verkörperten den wahren „Geist" der
mittelalterlichen Philosophie. Sie sind Steel zufolge von historischem, nicht
von philosophischem Interesse. Theologen wie Thomas von Aquin haben
einen unvergleichbar größeren Beitrag zur Geschichte der abendländischen
Philosophie geleistet als alle magistri in den Artes. Jedoch übernimmt Steel
nicht Gilsons Konzeption, zumal er ausdrücklich danach fragt, wie sich die
Theologen zum Philosophieideal verhalten haben.
7 Boethii Daci Opera ... Opuscula (Corpus Philosophorum Danicorum Medii Aevi 6.2), ed.
N. G. Green-Pedersen, Kopenhagen 1976, 377: „Philosophum autem vorn omnem homimm viventem
secundum rectum ordinem naturae, et qui acquisivit optimum et ultimum ftnem vitae humanae".
8 A. de Libera, La philosophie medievale, Paris 1989, 2 1992, 124.
9 E. Gilson, L'esprit de la philosophie medievale, Paris 1969 (1. Aufl. 1932). De Libera selbst
stellt den Gegensatz zu Gilson in einem Aufsatz dar: Les etudes de philosophie medievale
en France d'Etienne Gilson ä nos jours, in: R. Imbach, A. Maierü (eds.), Gli Studi di Filosofia
Medievale fra Otto e Novecento, Rom 1991, 21 - 3 3 .
10 Cf. J. F. Wippel, Thomas Aquinas and the Problem of Christian Philosophy, in: Metaphysical
Themes in Thomas Aquinas, Washington, D. C. 1984, 1 — 33; G. Prouvost, Les relations
entre philosophie et theologie chez E. Gilson et les thomistes contemporains, in: Revue
thomiste 94 (1994), 4 1 3 - 4 3 0 .
11 P. Hadot, Qu'est-ce que (supra Anm. 3), 388.
Thomas von Aquin verwirft radikal die Ansicht, es gebe einen philosophi-
schen Weg zur menschlichen Glückseligkeit. In langen Auseinandersetzungen
mit griechischen und arabischen Philosophen im dritten Buch der „Summa
contra Gentiles" legt er dar, daß alle ihre Versuche, in diesem Leben die
Glückseligkeit durch die Erkenntnis „der göttlichen Dinge" zu erreichen,
vergeblich sind. Das antike Ideal des philosophischen Lebens sei eine Un-
möglichkeit. In dieser Hinsicht, so schließt Steel, scheint mittelalterliche Phi-
losophie ein unmögliches Projekt zu sein 12 .
II. B o e t h i u s : D i e G r u n d l a g e n der l a t e i n i s c h e n P h i l o s o p h i e
Im 12. Jahrhundert hat Peter Abaelard Boethius als „den größten Philoso-
phen der Lateiner" („maximusphilosophus Latinorum") gefeiert 13 . Ein moderner
Historiker ist vielleicht zu denken geneigt, daß Abaelard wie üblich übertreibt,
aber seine Bezeichnung ist nicht unzutreffend, wenn man die Hinzufügung
„der Lateiner" in Rechnung stellt. Boethius hat die Grundlagen der mittelal-
terlichen, d. h. lateinischen Philosophie gelegt 14 .
Philosophie, nach Wort und Wesen griechisch, war im lateinischen Westen
ein Importgut. Remi Brague hat die interessante These vertreten, wesentlich
für Europa sei „die Kunst des Entleihens"; seine Quellen liegen außerhalb
seiner selbst 15 . Roger Bacon bestätigt im 13. Jahrhundert diese Sicht. „Die
16 Roger Bacon, Opus tertium cap. 28 (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores [Rolls
Series] 15) ed. J. S. Brewer, London 1857, 102.
17 Boethius formuliert sein Programm in der „In librum Aristotelis Peri hermeneias Commen-
tariorum secunda editio" (ed. K. Meiser, Leipzig 1880, tom. 2, 79). Er verweist auf Ciceros
Aufforderung in den „Commentaria in Ciceronis Topica" V (PL 64, 1152 B).
18 Boethius, De fide catholica, in: Boethius, The Theological Tractates. The Consolation of
Philosophy, eds. H. F. Stewart, Ε. K. Rand u. S. J. Tester, Cambridge, Mass. 1973, 53: „De
qua velut arce religionis nostrae ...".
19 De trinitate, prol. (eds. Stewart e.a., 2 - 4 ) .
20 Ibid., c. 2 (eds. Stewart e.a., 8).
Die Theologie erhält bei Boethius eine neue Aufgabe, von der Aristoteles
nie geträumt hatte, nämlich den intellectus fidei, das rationale Verständnis der
göttlichen Dreieinheit. Was bedeutet das für das Verhältnis zwischen der
philosophischen Theologie und dem christlichen Glauben? Boethius reflek-
tiert nicht auf diese Frage; die implizite Voraussetzung in seiner Abhandlung
ist jedoch, daß die Betrachtungsweise der philosophischen Theologie der
Lehre von der Trinität angemessen ist. Seine Darstellung suggeriert die Iden-
tität einer auf Offenbarung und einer auf Vernunft gegründeten Erkenntnis.
„Theologie" steht bei Boethius in Beziehung zum höchsten Vermögen der
menschlichen Vernunft.
Boethius hat durch sein einflußreichstes Werk „ D e consolatione philoso-
phiae" das Philosophiebild im Mittelalter nachhaltig geprägt 21 . Es ist ein per-
sönliches Dokument, aber zugleich eine summa der antiken Philosophie. Die
Trostschrift bezweckt eine Therapie, die auf die Heilung des Menschen zielt.
Frau ,Philosophie' erscheint als eine Ärztin, die eine Diagnose des Patienten
stellt und ihm das letzte Ziel aller Dinge und seine wahre Natur in Erinne-
rung bringen will 22 .
Wenn am Anfang des dritten Buches ,Philosophie' ankündigt, sie wolle
Boethius „zur wahren Glückseligkeit" führen, spricht sie das Hauptthema
der klassischen Philosophie an. Nach Hegel (in seinen Vorlesungen über die
Geschichte der Philosophie) ist das allgemeine Prinzip der gesamten Philoso-
phie vor Kant die Glückseligkeitslehre. Und Augustin schreibt in seinem
Werk „De civitate Dei": „Nichts anderes treibt den Menschen zum Philoso-
phieren als das Verlangen nach Glückseligkeit, und glückselig macht ihn nur
das höchste Gut" 2 3 . In Kontinuität mit dieser Tradition behauptet Boethius,
daß alle Bestrebungen des Menschen nur nach einem einzigen Ziel trachten,
der Glückseligkeit. Sie ist das höchste Gut, in dem alle andern Güter enthal-
ten sind 24 .
,Philosophie' legt dar, das vollkommene Gut sei nicht nur ein Konzept,
sondern eine Wirklichkeit. Ihr stark vom Piatonismus geprägtes Argument
lautet: Alles, was unvollkommen ist, heißt „unvollkommen" aufgrund einer
Minderung des Vollkommenen. Daher muß es in jeder Gattung, in der es
ein Unvollkommenes gibt, auch ein Vollkommenes geben. Nun ist klar, daß
es eine unvollkommene Glückseligkeit in einem vergänglichen Gut gibt. Also
muß es eine vollkommene und beständige Glückseligkeit geben. In einem
nächsten Schritt identifiziert ,Philosophie' dieses höchste Gut mit Gott. „ D a
sich nichts denken läßt, was besser wäre als Gott, wer könnte dann zweifeln,
daß dasjenige gut sei, über das hinaus es kein Besseres gibt?" Denn wäre
Gott nicht so beschaffen, so könnte er nicht der Ursprung aller Dinge sein.
Das höchste Gut und die wahre Glückseligkeit müssen deshalb in Gott gele-
gen sein; oder richtiger gesagt, sie sind Gott selber 25 .
Aus diesem Argument zieht Boethius einen weiteren Schluß. Da die Men-
schen durch Erlangen der Glückseligkeit glückselig werden, die Glückseligkeit
aber die Gottheit selber ist, so ist klar, daß sie durch Erlangen der Gottheit
glückselig werden. Jeder glückselige Mensch ist daher Gott, obwohl es von
Natur nur einen einzigen Gott gibt. Doch nichts hindert, daß es durch Teil-
habe mehrere Götter gibt 26 . Die Trostschrift des Boethius belegt eindrucks-
voll das platonische Philosophieideal, das in dem homo divinus besteht, der
Vergöttlichung des Menschen.
Boethius' Einfluß erreichte seinen Gipfel im 12. Jahrhundert, das von
M.-D. Chenu als die aetas Boetiana bezeichnet worden ist 27 . In diesem Zeitalter
wurden die „Consolatio philosophiae" sowie die Schrift „De trinitate" viel-
fach kommentiert, insbesondere in der Schule von Chartres. Gemäß der boe-
thianischen Dreiteilung der Wissenschaften versteht Thierry von Chartres die
„Theologie" als die philosophische Disziplin, welche „die Gesamtheit der
Dinge" betrachtet, insofern sie „einfach", d. h. im göttlichen Prinzip, sind 28 .
Die Kommentatoren des 12. Jahrhunderts teilten die Voraussetzung des Boe-
thius, daß die philosophisch-theologische Betrachtungsweise der Lehre von
der Trinität angemessen ist. Ihr Interesse gilt nicht der Abgrenzung einer
auf Offenbarung und einer auf philosophischer Argumentation beruhenden
Erkenntnis, sondern der Einheit beider.
Zusammenfassend: Boethius gab der mittelalterlichen Welt eine philoso-
phische Orientierung mit Bezug auf zwei grundlegende Themen, die Frage
nach der menschlichen Glückseligkeit und die rationale Begründung christli-
cher Lehren, wie der Dreieinheit Gottes. Sein Philosophieverständnis und
sein dauerhafter Einfluß zeigen, daß der Aufstieg des Christentums als sol-
cher nicht die Umformung der Philosophie im Mittelalter erklärt, wie Hadot
behauptet. Es ist nicht von ungefähr, daß in seiner Darstellung die boethiani-
sche Tradition völlig abwesend ist. Es stellt sich heraus, daß der Transforma-
tionsprozeß komplexer ist.
Das boethianische Zeitalter enthielt in sich den Anfang seines Endes in-
folge einer neuen Welle von Ubersetzungen, die neue philosophische Hori-
zonte — das ganze corpus anstotelicum und das arabische Denken — eröffnete.
Das 13. Jahrhundert stellt eine Wende in der Geschichte der mittelalterlichen
Philosophie dar. Ein äußeres Zeichen der Distanz zu Boethius ist die Tatsa-
che, daß dieses Jahrhundert keinen einzigen Kommentar zur „Consolatio"
hervorbrachte29. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts verfaßte Johannes von
Dambach eine Trostschrift nach dem Vorbild des Boethius, aber der Titel
seines Werkes ist aufschlußreich: „Consolatio theologiae" 30 .
Einen guten Einblick in die Wende des 13. Jahrhunderts bietet der Kom-
mentar des Thomas von Aquin zu Boethius' Abhandlung „De trinitate".
Diese Abhandlung war aus der Mode gekommen; Thomas war in diesem
Jahrhundert der einzige, der sie kommentierte31. In seinem Kommentar (in
der Form von quaestiones) zeigt sich ein anderes Philosophiekonzept als das
boethianische.
Was im Prolog des Kommentars des Thomas am meisten ins Auge springt,
ist seine Betonung des Gegensatzes zwischen den philosophi und theolog. Ihre
Betrachtungsweisen, so legt er dar, sind ganz verschieden. „Die Philosophen,
welche der Ordnung der natürlichen Erkenntnis folgen, stellen die Wissen-
schaft von den Geschöpfen dem Wissen von Gott voran [...]. Aber die
Theologen gehen in umgekehrter Ordnung vor in der Weise, daß die Betrach-
tung des Schöpfers der Betrachtung des Geschöpfs vorangeht". Der letzteren
Ordnung ist nach Thomas Boethius gefolgt, indem er den Ursprung aller
Dinge, nämlich die Trinität Gottes, zum Ausgangspunkt seiner Untersuchung
gemacht hat 32 . Thomas' Einschätzung des Boethius als Theologen ist überra-
schend, weil jener vielmehr von der aristotelischen Einteilung der Philosophie
ausgegangen war. Sie ist eine Umdeutung, zu der ein Denker des 13. Jahrhun-
derts genötigt war, wenn er dasjenige, was bei Boethius selbst noch eine
Einheit bildete, einander gegenüberstellt.
29 P. Courcelle, Etude critique sur les commentaires de la Consolation de Boece, in: Archives
d'histoire doctrinale et litteraire du moyen äge 14 (1939), 95 — 96.
30 Cf. A. Auer, Johannes von Dambach und die Trostbücher vom 11. bis zum 16. Jahrhundert,
Münster 1928.
31 M. Grabmann, Die theologische Erkenntnis- und Einleitungslehre des hl. Thomas von
Aquin auf Grund seiner Schrift ,In Boethium de trinitate'. Im Zusammenhang der Scholastik
des 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts dargestellt, Fribourg 1948.
32 Thomas von Aquin, Super Boetium De trinitate, prol. (Opera omnia 50), Ed. Leonina, Rom
1992, 75: „Philosophi enim, qui naturalis cognitionis ordinem sequntur, preordinant scientiam de creatuns
scientie diuine, scilicet naturalem metaphisice, set apud theologos proceditur econuerso, ut creatoris consideratio
consideratione, preueniat creature. Hunc ergo ordinem sequtus Boetius, ea que sunt ftdei tractare intendens,
in ipsa summa rerum origine principium sue considerationis instituit, sälicet trinitate unius simplicis dei".
Der Gegensat2 zwischen philosophi und theologi wirkt sich auf die zwei ein-
führenden Quästionen des Kommentars aus. Die erste quaestio, welche „die
Erkenntnis des Göttlichen" {de divinorum cognitione) zum Gegenstand hat, un-
tersucht kritisch die Möglichkeiten der philosophischen Gotteserkenntnis.
Der abschließende vierte Artikel diskutiert eine Frage, welche die Abhand-
lung des Boethius unmittelbar berührt: „Kann der menschliche Geist durch
sich selbst zur Erkenntnis der göttlichen Trinität gelangen?"
Thomas spricht der menschlichen Vernunft diese Möglichkeit ab. „Daß
Gott dreifaltig und eins ist, ist bloß Gegenstand des Glaubens". Es gebe
keine „notwendigen" Argumente (der Ausdruck Anselms von Canterbury),
welche die Trinität demonstrativ erweisen können 33 . Der Grund dafür ist die
Überlegung, welche Thomas in seiner „Summa theologiae" „die Grundlage"
seiner Betrachtung Gottes nennt, daß die menschliche Vernunft nur von den
Geschöpfen, das heißt von den Wirkungen, zur Erkenntnis von Gott gelan-
gen kann. Was also der menschlichen Vernunft zugänglich ist, ist die Ursäch-
lichkeit Gottes. Daraus kann jedoch die Dreiheit der göttlichen Personen
nicht erschlossen werden, da die Kausalität der ganzen Trinität gemeinsam
ist. Durch die Kraft seiner natürlichen Vernunft kann der Mensch deshalb
nicht zur Erkenntnis der Trinität gelangen 34 . Mit diesem Schluß steht Tho-
mas nicht allein; er vertritt die im 13. Jahrhundert allgemeine Auffassung 35 .
Eine Konsequenz dieser Auffassung wird in der zweiten einführenden
Quästion ersichtlich, welche die manifestatio der Gotteserkenntnis zum Gegen-
stand hat. Im zweiten Artikel erhebt Thomas die Frage: „Kann es eine Wis-
senschaft (scientia) des Göttlichen geben?" Er unterscheidet zwei Arten von
„göttlicher Wissenschaft", die eine ist die, welche von den Philosophen über-
liefert worden ist, die andere ist die Wissenschaft derjenigen, die durch Glau-
ben am göttlichen Wissen teilhaben36. Diese Unterscheidung bringt eine
grundlegende Erneuerung des 13. Jahrhunderts zum Ausdruck: Die christli-
che Theologie wird zu einer von der Philosophie verschiedenen scientia^1.
33 Ibid., q. 1, art. 4 (Ed. Leonina, 89): „Dicendum, quodDeum esse trinum et unum est solum creditum,
et ttullo modo potest demonstratim proban, quamuis ad hoc aliquales rationes non necessarie nec multum
probabiles nisi credenti haberi possint".
34 Ibid., q. 1, art. 4 (Ed. Leonina, 90). Cf. Summa Theologiae I, q. 32, art. 1.
35 Cf. A. Stohr, Die Trinitätslehre des heiligen Bonaventura. Eine systematische Darstellung
und historische Würdigung, Münster 1923, 7 — 24; M. Schmaus, Der Liber Propugnatorius
des Thomas Anglicus und die Lehrunterschiede zwischen Thomas von Aquin und Duns
Scotus, Münster 1930, 1 3 - 4 6 .
36 Thomas von Aquin, Super Boetium D e trinitate, q. 2, art. 2 (Ed. Leonina, 95): „Et secundum
hoc de diuinis duplex scientia habetur: una secundum modum nostrum, qui sensibilium prinäpia acäpit ad
notificandum diuina, et sie de diuinis philosophi säentiam tradiderunt, philosophiam primam säentiam
diuinam dicentes; alia secundum modum ipsorum diuinorum, ut ipsa diuina secundum se ipsa capiantur,
que quidem perfecte in statu uie nobis est impossibilis, set fit nobis in statu uie quedam illius cognitionis
partieipatio et assimilatio ad cogniüonem diuinam, in quantum per fidem nobis est infusam inheremus ipsi
prime ueritatipropter se ipsam".
37 Cf. M.-D. Chenu, La theologie comme science au X I I I e siecle, Paris 3 1957; U. Köpf, Die
Anfänge der theologischen Wissenschaftstheorie im 13. Jahrhundert, Tübingen 1974.
Im Zeitalter der Universität findet „eine Wendung zur Theorie" (G. Wie-
land) statt. Diese für die Scholastik eigentümliche Entwicklung scheint Ha-
dots These eines Theoretisierungsprozesses im Mittelalter zu entsprechen,
hat jedoch einen anderen Grund als den von ihm behaupteten. Mehrere
Untersuchungen haben darauf aufmerksam gemacht, daß sich die Wendung
zur Theorie zuerst in den weltlichen Wissenschaften, wie der Jurisprudenz
und der Medizin, vollzog 38 . Die Entstehung der christlichen Theologie als
einer säentia ist selbst ein Ergebnis dieser Tendenz zur Verwissenschaftli-
chung, die durch die Rezeption der „Analytica Posteriora" des Aristoteles
verstärkt wurde.
Thomas arbeitet die Grenzziehung zwischen der Theologie der Philoso-
phen und der christlichen Theologie in der fünften quaestio seines Kommen-
tars aus, wo er Boethius' Einteilung der Philosophie und dessen Charakteri-
sierung der Theologie — sie betrachte die unstoffliche Substanz Gottes —
erörtert. Das Göttliche kann zweifach betrachtet werden, als das Prinzip aller
Seienden und als eine Natur in sich selbst. Auf die erste Weise wird das
Göttliche von den Philosophen betrachtet, weil die menschliche Vernunft
das Göttliche nur durch seine Wirkungen erkennen kann. Deshalb wird das
Göttliche in jener Disziplin behandelt, die das, was allen Seienden gemeinsam
ist, betrachtet, und deren Subjekt das Seiende als Seiendes ist. Die philosophi-
sche Theologie ist die als Seinswissenschaft verstandene Metaphysik. Das
Göttliche, insofern es in sich selbst subsistiert, ist nur erkennbar, insofern es
sich selbst offenbart. Es gehört deshalb zu einer anderen Theologie, der
„Theologie der hl. Schrift", deren Subjekt Gott ist 39 .
Die Ausführungen des Thomas gründen in der aristotelischen Wissen-
schaftslehre, gemäß welcher die Einheit einer Wissenschaft und ihre Unter-
schiedenheit von anderen Wissenschaften in dem „eigentümlichen Subjekt"
(proprium subiectum) dieser Wissenschaft besteht. Seine Unterscheidung zweier
Arten von Theologie enthält eine implizite Kritik an Boethius. Die Vorausset-
zung von dessen Abhandlung, die philosophisch-theologische Betrachtungs-
38 Cf. A. Birkenmajer, Le röle joue par les medicins et les naturalistes dans la reception d'Ar-
istote aux XIIC et XIII® siecles, in: La Pologne au 6C Congres International des sciences
historiques, Warschau 1950, 1 — 15; P.O. Kristeller, The School of Salerno, in: Studies in
Renaissance Thought and Letters, Rom 1956, 4 9 5 - 5 5 1 .
39 Thomas von Aquin, Super Boetium De trinitate, q. 5, art. 4 (Ed. Leonina, 154): „Huiusmodi
ergo res diuine, quia sunt principia omnium entium et sunt nichilominus in se nature complete, dupliciter
tract an possunt: uno modo prout sunt prindpia communia omnium entium, alio modo prout sunt in se res
quedam. [...] Unde et huiusmodi res diuine non tractantur a philosophis nisi prout sunt rerum omnium
principia, et ideo pertractantur in ilia doctrina in qua ponuntur ea que sunt communia omnibus entibus,
que habet subiectum ens in quantum est ens. Et hec säentia apud eos säentia diuina diätur. Est autem
alius (modus') cognoscendi huiusmodi res non secundum quod per effectus manifestantur, set secundum quod
ipse se ipsas manifestant. [...] Sic ergo theologia siue säentia diuina est duplex: una in qua considerantur
res diuine non tamquam subiectum säentie, set tamquam principia subiecti, et talis est theologia quam
philosophi prosequntur, que alio nomine metaphisica diätur; alia uero que ipsas res diuinas considerat
propter se ipsas ut subiectum säentie, et hec est theologia que in sacra Scriptura traditur".
weise sei der christlichen Lehre von der Trinität angemessen, erweist sich als
unrichtig.
Noch in einer dritten Hinsicht tritt im Kommentar des Thomas der Ge-
gensat2 zu den philosophi zu Tage. Anläßlich der Aussage des Boethius, „in
der göttlichen Wissenschaft müssen wir die [göttliche] Form selbst betrach-
ten", stellt Thomas die Frage (q. 6.4): „Kann dies durch irgendeine theoreti-
sche Wissenschaft geschehen?" Wie tiefgreifend diese Frage ist, ergibt sich
daraus, daß Thomas sie mit der Frage nach der menschlichen Glückseligkeit
verknüpft. „Gemäß den Philosophen" besteht das Glück des Menschen in
der Erkenntnis der unstofflichen Substanzen. Die Glückseligkeit muß ja in
der Tätigkeit des höchsten menschlichen Vermögens, der Vernunft, mit Be-
zug auf die höchsten Gegenstände bestehen. Nun ist die Glückseligkeit, von
der die Philosophen sprechen, eine Tätigkeit, die aus der Weisheit hervorgeht,
und Weisheit gehört zu den theoretischen Wissenschaften. Es scheint also
möglich zu sein, durch die theoretischen Wissenschaften das Göttliche selbst
zu betrachten 4 0 .
Thomas' Erwiderung auf die Frage zeigt die Transformation des Philoso-
phieverständnisses im 13. Jahrhundert. Er versucht, durch eine Analyse der
Struktur und der Bedingungen der scientia den Anspruch der Philosophie zu
widerlegen. Die Wissenschaft geht, sowohl beim Beweis von Sätzen wie auch
beim Auffinden von Definitionen, immer von etwas aus, das zuvor bereits
bekannt ist. Diese Vorkenntnis kann das Ergebnis eines vorangehenden Be-
weises sein, aber es ist unmöglich, auf diese Weise bis ins Unendliche vorzu-
gehen, da sich dann jegliche Wissenschaft verlöre; das Unendliche läßt sich
ja nicht durchschreiten. Jede Betrachtung der theoretischen Wissenschaften
wird daher auf einige „Erste" (prima) zurückgeführt, die nicht mehr durch
etwas anderes bekannt sind. Von dieser Art sind die unbeweisbaren Prinzi-
pien des Beweises sowie die ersten Begriffe des Verstandes, wie „Seiendes"
und „Eines" 4 1 .
Es ist bemerkenswert — ich komme darauf im letzten Teil meines Vortra-
ges zurück —, daß sich dieses Argument auf dieselben Gedanken gründet,
die Thomas in der aus der gleichen Zeit stammenden Schrift „De veritate"
(q. 1.1) für seine Darstellung der Transzendentalien verwendet. Auch dort
42 Ibid., q. 6, art. 4 (Ed. Leonina, 170): „Ex quo patet quod nihil potest sein in säentiis speculatiuis
[...] nisi ea tantummodo, ad quepredicta naturaliter cognita se extendunt".
43 Ibid., q. 6, art. 4 (Ed. Leonina, 170): „Et ideo per nullam säentiam speculatiuam potest säri de
aliqua substantia separata quid est, quamuis per scientias speculatiuas possimus säre ipsas esse".
44 Ibid., q. 6, art. 4 ad 3 (Ed. Leonina, 171): „Duplex est feliätas hominis: una imperfecta, que est in
uia; de qua loquitur Philosophus, et hec consistit in contemplatione substantiarum separatarum per habitum
sapientie, imperfecta tarnen, et tali qualis in uia est possibilis, non ut säatur ipsarum quiditas. Alia est
perfecta in patria, in qua ipse Deus per essentiam uidebitur et alie substantie separate; set hec feliätas non
ent per aliquam säentiam speculatiuam, set per lumen glorie". Cf. H. Kleber, Glück als Lebensziel.
Untersuchungen zur Philosophie des Glücks bei Thomas von Aquin, Münster 1988; D. J.
M. Bradley, Aquinas on the Twofold Human Good. Reason and Human Happiness in
Aquinas's Moral Science, Washington, D. C. 1997.
IV. M i t t e l a l t e r l i c h e P h i l o s o p h i e : Ein u n m ö g l i c h e s P r o j e k t ?
45 Thomas von Aquin, In I Metaph., lect. 1, 2: „Cuius ratio potest esse triplex: Primo quidem, quia
unaquaeque res naturaliter appetit perfectionem sui. Unde et materia diätur appetere formam, sicut imperfec-
tum appetit suam perfecüonem. Cum igitur intellectus, a quo homo est id quod est, in se consideratus sit
in potentia omnia, nec in actum eorum reducatur nisi per säentiam, quia nihil est eorum quae sunt, ante
intelligere, ut diätur in tertio de Anima: sie naturaliter unusquisque desiderat säentiam sicut materia
formam".
46 Sentencia libri De anima I, c. 1 (Opera omnia 45, 1), Ed. Leonina, Rom 1984, 4.
Mit jenem Schluß stellt sich Thomas einer Tradition gegenüber, die in
monastischen Kreisen vorherrschend war. Diese auf Augustin zurückgehende
Tradition beklagt eine lasterhafte Wißbegierde im Menschen, die „Neugierde"
{curiositas). Bernhard von Clairvaux schreibt: „Es gibt Leute, die wissen wol-
len, nur um zu wissen, und das ist ekelhafte Neugierde" 47 . Curiositas ist die
Versuchung, Erkenntnis nur um der Erkenntnis willen zu suchen. Wissen ist
kein Ziel in sich, sondern soll dem menschlichen Heil und dem Glauben
dienstbar sein 48 .
Thomas, Aristoteles folgend, betrachtet jedoch das menschliche Verlangen
nach Wissen als „natürlich". Die Idee der lasterhaften Neugierde spielt in
seinem Werk keine Rolle. Im Teil der „Summa theologiae", der von der curiosi-
tas handelt, behauptet er, „das Studium der Philosophie sei an sich legitim
und lobenswert" 49 . Der Mensch wundert sich über die Dinge und verlangt
von Natur, ihre Ursachen zu erkennen.
(2) In seinem Kommentar zur Metaphysik führt Thomas noch weitere Argu-
mente für den Satz „Alle Menschen verlangen von Natur nach Wissen" an.
Das dritte Argument ist von besonderer Bedeutung, weil es das Wissenver-
langen mit einer Grundlehre des Neuplatonismus verbindet. Es ist für jedes
Ding erstrebenswert, mit seinem Prinzip oder Ursprung vereinigt zu werden,
denn darin besteht die Vollkommenheit jedes Dinges. Aus diesem Grund ist
die Kreisbewegung die vollkommenste Bewegung, weil sie das Ende mit dem
Anfang verbindet. Nun kann der Mensch durch seine Erkenntnistätigkeit mit
seinem Ursprung verbunden werden. Das letzte Ziel des Menschen, das heißt
seine Glückseligkeit, besteht mithin in dieser Einigung. Deshalb verlangt der
Mensch von Natur nach Wissen 50 .
Thomas gründet sein Argument auf die neuplatonische Lehre von der
Kreisbewegung der Wirklichkeit, die ein Grundmotiv seines Denkens dar-
stellt. Die Vollendung eines Dinges besteht in der Rückkehr zu demjenigen,
aus dem es hervorgegangen ist, dem Göttlichen. Ursprung und Ende, Prinzip
und Ziel sind identisch. In der Rückkehr der Dinge zum ersten Prinzip neh-
men die vernunftbegabten Geschöpfe eine Sonderstellung ein. Der Mensch
ist fähig, durch seine Tätigkeit sich selber Gott zuzuwenden. Seine Rückkehr
47 Bernhard von Clairvaux, Super Cantica Canticorum, Sermo 36 (S. Bernardi Opera II), eds.
J. Leclercq, C. H. Talbot u. H. M. Rochais, Rom 1958, 5: „Sunt namque qui sdre volunt eo fine
tantum, ut saant et turpis curiositas est".
48 Zum augustinischen Hintergrund dieses Wissenskonzeptes cf. J. A. Aertsen, Nature and
Creature. Thomas Aquinas's Way of Thought, Leiden — New York - Köln 1988, 3 3 - 4 0 .
49 Thomas von Aquin, Summa Theologiae I I - I I , q. 167, art. 1 ad 3.
50 In I Metaph., lect. 1, 4: „ Tertio, quia unicuique rei desiderabile est, ut suo prinäpio coniungatur; in
hoc enim uniuscuiusque perfectio consistit. Unde et motus anularis est peifectissimus, ut probatur octavo
Physicorum, quia finem coniungit principio. Substantiis autem separatis, quae sunt prinäpia intellectus
humani, et ad quae intellectus humanus se habet ut imperfectum ad perfectum, non coniungitur homo
nisi per intellectum: unde et in hoc ultima hominis felicitas consistit. Et ideo naturaliter homo desiderat
sdentiam".
51 Cf. Thomas von Aquin, Summa contra Gentiles III, 25. Zur wichtigen Rolle des Kreislaufge-
dankens im Denken des Thomas cf. J. A. Aertsen, Nature and Creature (supra Anm. 48),
4 2 - 4 5 , 3 7 4 - 3 8 4 ; id., Natur, Mensch und der Kreislauf der Dinge bei Thomas von Aquin,
in: A. Zimmermann, A. Speer (eds.), Mensch und Natur im Mittelalter (Miscellanea Media-
evalia 21), B e r l i n - N e w York 1991, 1 4 3 - 1 6 0 .
52 Super Boetium De trinitate, q. 6, art. 4 ad 5 (Ed. Leonina, 171).
53 Summa Theologiae I — II, q. 3, art. 1 ad 1; I — II, q. 112, art. 1: „Donum autem gratiae excedit
omnem facultatem naturae creatae: cum nihil aliud sit quam quaedam partiäpatio divinae naturae [...]
Sic enim necesse est quod solus Deus deificet". Cf. In De divinis nominibus c. 8, lect. 2, 761.
54 J. A. Aertsen, Medieval Philosophy and the Transcendentals. The Case of Thomas Aquinas,
Leiden —New York —Köln 1996. Cf. die Besprechungen von S.-Th. Bonino in: Revue Tho-
miste 105 (1997), 5 7 5 - 5 7 9 , und J.J. E. Gracia in: Recherches de Theologie et Philosophie
medievales 64 (1997), 4 5 5 - 4 6 3 .
55 Cf. J. A. Aertsen, What is First and Most Fundamental? The Beginnings of Transcendental
Philosophy, in: J. A. Aertsen, A. Speer (eds.), Was ist Philosophie im Mittelalter? (supra
Anm. 2), 1 7 7 - 1 9 2 .
56 Thomas von Aquin, In I Sententiarum 8, 1, 3: „Primum enim quod cadit in imaginatione intellectus
est ens, sine quod nihil potest apprehendi ab intellectu".
57 Super Boetium De trinitate q. 1, art. 3 (Ed. Leonina, 87): „Et inter hec ilia suntpriora, queprimo
intellectui abstraenti occurrunt; hec autem sunt que plura compreendunt [...]; et ideo magis uniuersalia sunt
primo nota intellectui". Cf. ad 3 (88): „illa que sunt prima in genere eorum que intellectus abstrait a
phantasmatibus sint primo cognita a nobis, ut ens et unum'\
(4) Schließt jedoch die Hervorhebung der kritischen Bedeutung der Trans-
zendentalien nicht in sich ein, daß Philosophie primär eine Sache des spekula-
tiven Denkens ist? Hat Hadot dennoch recht, daß im Mittelalter die Rolle
der Philosophie zu der eines rein theoretischen Diskurses herabgesetzt
wurde? Die Mittelalterforschung dürfte diesen Eindruck verstärkt haben, weil
ihr Hauptinteresse zuerst die Metaphysik, dann die Logik und Semantik war.
Seit der „Rehabilitation der praktischen Vernunft" hat sich das Bild aber
geändert, und mehrere Studien haben die mittelalterliche Ethik in den Mittel-
punkt gerückt 5 8 .
Aufschlußreich für den Ort der Ethik im mittelalterlichen Denken ist Bo-
naventuras Einteilung der Philosophie gemäß einem dreifachen Wahrheits-
verständnis: Die Veritas rerum bezieht sich auf die Ursache des Seins, die Veritas
sermonum oder vocum auf den Grund des Verstehens, die Veritas morum auf
die Ordnung des Lebens 59 . Im allgemeinen gilt, daß die Zentralstellung des
Handlungswissens erst vor dem Hintergrund des Gedankens der Kreisbewe-
gung der Wirklichkeit verständlich wird. Für den Menschen bildet die Rück-
kehr zu Gott eine Aufgabe, welche die Rechtheit {rectitude) seines Strebens
und Lebens erfordert.
Was das thomasische Denken angeht, ist dargelegt worden, „es habe zwi-
schen Aristoteles und Kant keinen gewichtigeren Beitrag zur praktischen Phi-
losophie gegeben als den des Thomas von Aquin" 6 0 . Ein originelles Moment
in seiner Ethik, das besondere Beachtung verdient, ist ihre „transzendentale"
Grundlegung. Während „Seiendes" das Ersterfaßte schlechthin ist, ist der
erste Begriff der praktischen Vernunft das „Gute", denn alles, was handelt,
handelt eines Ziels wegen, das den Charakter des Guten hat. Auf diesen
Begriff gründet sich das erste Prinzip der praktischen Vernunft, das erste
Gebot des Naturgesetzes: „Das Gute ist zu tun und zu erstreben, das Böse
zu meiden" 6 1 . Gerade im Denken des Thomas zeigt sich, daß die Grundle-
gungsfunktion der Transzendentalien die praktische Dimension der Philoso-
phie nicht eliminiert.
58 Cf. B. Kent, Virtues of the Will. The Transformation of Bthics in the Late Thirteenth
Century, Washington, D. C. 1995, 19-34.
59 Collationes in Hexaemeron IV, 2 - 5 (Opera omnia V, 349). Cf. A.Speer, Triplex Veritas.
Wahrheitsverständnis und philosophische Denkform Bonaventuras (Franziskanische For-
schungen 32), Werl/Westf. 1987, bes. 4 8 - 5 2 .
60 W. Kluxen, Philosophische Ethik bei Thomas von Aquin, Mainz 1964, 244.
61 Thomas von Aquin, Summa theologiae I —II, q. 94, art. 2: „Sicut autem ens est primum quod
cadit in apprehensione simpliciter; ita bonum est primum quod cadit in apprehensione practicae rationis,
quae ordinatur ad opus: omne enim agens agit propter finem, qui habet rationem boni. Et ideo primum
prinäpium in ratione practica est quod fundatur supra rationem boni, quae est,Bonum est quod omnia
appetunt'. Hoc est ergo primum praeceptum legis, quod bonum est faäendum et prosequendum, et malum
vitandum".
I.
1 D. Salman, Note sur la premiere influence d'Averroes, in: Revue Neoscolastique de Philo-
sophie 40 (1937), 2 0 3 - 2 1 2 . Cf. also id., Jean de la Rochelle et l'Averro'isme latin, in:
AHDLMA XVI ( 1 9 4 7 - 1 9 4 8 ) , 1 3 3 - 1 4 4 .
2 R.-A. Gauthier, Notes sur les dibuts du premier averroi'sme, in: Revue des sciences philos.
et theol. [RSPT] LXVI (1982), 3 2 1 - 3 7 3 ; id., Le traite ,De anima et de potenciis eius' d'un
maitre es arts (vers 1225), in: RSPT LXVI (1982), 3 - 5 5 (voir p. 18); id., Preface, in: S. Tho-
mae Aq. Sententia libri De anima, ed. Leon. t. XLV-1 (1984), 22*; id., Anonymi Magistri
artium (c. 1 2 4 5 - 1 2 5 0 ) Lectura in librum De anima, Grottaferrata 1985, 20*.
3 A. de Libera, La Philosophie Medievale, Paris 1993, 384.
4 B. C. Bazän, On First Averroism and its Doctrinal Background, in: On Scholars, Savants
and their Texts, New York 1989, 9 - 2 2 .
tor" par excellence cannot be denied, but it must be asked whether the
doctrine of the agent intellect as faculty of the soul can fairly be called „First
Averroism". The expression would be appropriate if the doctrine reflects an
averroistic thesis or, at least, if the Latin Masters, in expressing this doctrine,
thought naively to find unambiguous support for it in Averroes' Commen-
tary.
The search for an answer to this question must follow several lines of
inquiry. First of all, the authentic teaching of Averroes on the nature of the
agent intellect must be established; second, it must be asked whether the
doctrine in question was proposed by anyone prior to the Latin Masters, in
order to determine their originality; third, the arguments of the Latin Masters
should be analysed, distinguishing the theoretical foundation from the textual
evidence they advanced. Concerning the latter aspect, it must be determined
whether the doctrine was elaborated only after Averroes' writings were
known and it must be explained why and under what conditions some Latin
Masters put their thesis of the agent intellect as a faculty of the soul under
the sponsorship of Averroes. Finally, and together with this last question, it
must be asked whether the Latin Masters were aware of the authentic mean-
ing of Averroes' noetics or whether they were naive readers of his writings.
Concerning the first question, it is well known that for Averroes neither
the agent nor the material intellect is „ a n i m a " or „pars anime"b. Accordingly,
Aristotle's general definition of the soul, which can be predicated analogically
of the different species of soul, applies to the intellect(s) only equivocally6.
The properly human soul is the soul whose highest faculty is the imaginative
or cogitative power, called „intellect" by extension, because of its intrinsic
and necessary participation in abstractive knowledge 7 . The intellects (agent
and material), which are separate substances, have only an operational rela-
tionship with humans. They are, indeed, two distinct and equally eternal
separate substances, both unique for all humankind 8 , the difference being
that the material intellect is the lowest of all separate intelligences9. The
5
Averroes, In D e anima II 32, ed. Crawford, 178, v. 33 — 35: „non est anima neque pars anime".
Cf. II 21, 160 v. 9.
6
Ibid. II 7, 138 v. 18 — 19: „Perfectio enim in anima rationali et in aliis virtutibus anime fere dititur
pura equivocatione". Cf. II 21, 160 v. 25 — 27.
7
Ibid., III, 5, 387 v. 1 7 - 2 0 . In his interpretation of „De anima" 4 3 0 a 2 4 - 2 5 , Averroes hesi-
tates to say whether the intellectus passivus is the imaginative or the cogitative power, or
perhaps even the forms of imagination „secundum quod in eas agit virtus cogitativa hominis" (449
v. 173 — 175). In any case, it is the intellectus passivus, supreme sensitive faculty, which gives to
the human soul that is form of the body its specificity; cf. Ill 20, 454 v. 3 1 5 - 3 1 6 ; III 33,
4 7 6 - 4 7 7 v. 7 9 - 8 5 .
8
Ibid., III 18, 439 v. 73 — 74: „quamvis agens et reäpiens sint substanüe eterne"\ cf. 165, 87 v. 13 — 19;
III 4, 385 v. 57; III 5, 406 v. 5 5 6 - 5 6 5 ; III 18, 441 v. 3 0 - 3 5 ) . That Averroes held the unicity
of the agent intellect has never been questioned. The unicity of the material intellect is also
explicitly stated in the Long Commentary; cf. III 1, 380 v. 4 4 - 4 5 ; III 5, 401 v. 4 2 4 - 4 2 5 ;
III 5, 404 v. 5 1 4 - 5 1 7 ; III 5, 406 v. 576.
9
Ibid., III 19, 442 v. 63 — 64: „ultimus intellectus abstractorum in ordine est iste intellectus matenalis".
terms used by Averroes to refer to the agent intellect leave no room for
doubt: he called it „intelligentia agens" and assigned to it as object of knowledge
the realm of pure forms 10 . Whatever the discrepancies he had with his prede-
cessors concerning the best way to explain the operational relationship be-
tween the separate intellects and individual human beings, and to account for
our participation in the act of knowledge, Averroes accepted a key premise of
their teaching: the agent intellect is a separate substance. Averroes' originality
was to formulate the same thesis for the material intellect and to explain the
operational relationship by means of a sophisticated theory concerning the
intelligible object (intellectum speculativum)11. In this respect, the expression
„First Averroism" does not seem to define properly the teaching of the Latin
Masters who taught that the agent intellect is a faculty of the human soul,
because this teaching is not an authentic averroistic doctrine.
As for the second question, namely whether the doctrine of the agent
intellect as a faculty of the soul was developed prior to our Latin Masters, it
can be stated that all previous commentators unanimously held that the agent
intellect is a separate substance. This is true not only with respect to the
authors who were directly available to the Latin Masters around 1240, but
also with respect to authors whose thought was indirectly available to them
through Averroes' Commentary.
II.
10 Ibid., III 17, 436 v. 1 0 - 1 1 ; cf. Ill 19, 441 v. 2 5 - 2 6 . The agent intellect does not know the
inferior material forms (III 19, 441 v. 1 5 - 1 6 ) . Because its objects are pure forms, its intellec-
tual activity is pura actio (p. 442 v. 53 — 55), achieving perfect identity between knower and
object known (III 19, 443 v. 8 6 - 9 0 ) .
11 Cf. B. C. Bazän, Intellectum speculativum: Averroes, Thomas Aquinas and Siger of Brabant
on the Intelligible Object, in: Journal of the History of Philosophy, XIX, 4 (1981), 4 2 5 - 4 4 6 .
12 E. Barbotin, La theorie aristotelicienne de l'intellect d'apres Theophraste, Louvain 1954, 214.
Cf. also, B. C. Bazän, La etapa aporetica de la psicologia peripatetica, in: Cuadernos de
Filosofia, XII, 19 (1973), 6 1 - 8 9 .
13
Averroes, In De anima III 5, 389 v. 5 7 - 3 9 1 v. 116.
14
Cf. P. Moraux, Alexandre d'Aphrodise, exegete de la noetique d'Aristote, Paris 1942, and
B. C. Bazän, L'authenticite du De intellectu attribue ä Alexandre d'Aphrodise, in: Revue
Philosophique de Louvain LXXI (1973), 468-487.
15
Cf. Averroes, In De anima III 36, 481—487. Averroes underlined the differences between
Alexander's two treatises.
16
Themistius, In De anima VI (ed. Verbeke, 2 2 3 - 2 2 4 , v. 77-86).
17
Ibid., 225 v. 19. This fact of experience will play an important role in Averroes' efforts to
explain the operational relationship between the separate intellects and human individuals.
,8
Ibid., 2 3 3 - 2 3 4 v. 8 2 - 8 8 .
19
Ibid., 227 v. 4 3 - 5 1 .
20
Ibid., 226, v. 2 3 - 2 5 .
21
Ibid., 229 v. 81—91. An analogous reduction of the self to the intellectual substance is
found, mutatis mutandis, in Avicenna, De anima I 3: „ipsa verissime est ego".
22 Themistius, In De anima VI (ed. Verbeke, 235 v. 5). Cf. G. Verbeke, Themistius, Cora-
mentaire sur le Traite de l'äme d'Aristote, Louvain 1957, XLIII. Our expose follows Ver-
beke's.
23 Ibid., 235 v. 7—11: „primus quidem illustrans est unus, illustrati et illustrantes (personal agent intel-
lects) plures...".
24 Ibid., 240 v. 2 6 - 2 4 1 v. 28. The assimilation of the nous pathetikos to the superior part of
the sensitive soul became classic in later commentators, though differences remained as to
which faculty should be considered the highest (irascibilis, imaginativa, cogitativä).
25 Cf. Averroes, In De anima III 5, 3 8 9 - 3 9 0 ; cf. I l l 5, 406 v. 5 5 6 - 5 7 4 . Averroes' criticism is
based on the assumption that both the agent and receptive intellects are eternal and unique
substances.
could not escape the platonic consequence that addiscere est rememorari26.
Themistius, as presented by Averroes, cannot have been the source of the
Latin doctrine of the agent intellect as a faculty of the soul.
(d) The Arab philosophers and commentators will not hold our attention
for long, because the doctrine according to which the agent intellect is a
separate substance, unique for all mankind, was adopted by all of them. Such
is the case of al-Kindi (c. 800-866), whose „Letter on the Intellect" was
translated twice in the 12th century (by John of Seville and by Gerard of
Cremona) 27 ; it is also the case of al-Farabi (870 — 950), whose „De intellectu"
(transl. by D. Gundisalvi) states: „intelligencia agens, quam nominauit Aristoteles in
teräo tractatu libri de anima, est forma separata"28. For Avicenna (980—1037) the
agent intellect is a separate substance, unique for all mankind, and the last of
the Intelligences. Ibn Bajja's writings (Abubacher in Averroes' commentary;
Avempace for the Latins), were not directly known to the Latins, but in
Averroes' Commentary they could read that according to Ibn Bajja the agent
intellect was one and separate, and that he had problems concerning the
connection of this separate intellect with humans 29 . Finally, Gha2ali
(1058 — 1111), whose „Metaphysica" was translated around 1145, repeats Avi-
cenna's doctrine concerning a unique separate „intelligencia agens"30. Among
the Jewish thinkers, it is certainly not in the neoplatonic emanationism of
Isaac Israeli or Ibn Gabirol (Avicebron) that the Latin Masters would find
the doctrine of the agent intellect as a faculty of the soul. Had they known
the writings of Abraham Ibn Daoud (1110 — 1180), they would only have
found the same avicennian doctrine concerning the agent intellect 31 . Finally,
Moses Maimonides (1135 — 1204), whose „Guide for the Perplexed" was
translated in 1240, repeated the avicennian scheme of nine Intelligences plus
the agent intellect 32 . None of these authors could have provided the key to
interpreting the agent intellect as a faculty of the soul that is form of the
body. It can be added that, before the 13th century, even Latin thinkers,
as Dominicus Gundissalinus, embraced the avicennian notion of a Separate
intelligentia Agens33.
III.
The doctrine appeared during the first three decades of the 13th century,
even before Averroes' writings were known or had a decisive influence. Latin
Masters of Arts, such as John Blund, and Theologians, such as Philip the
Chancellor (whose „Summa de bono" was written between 1228 and 1236,
and who quotes Averroes only once), held that the agent intellect is a power
of the individual soul. The theoretical foundation of this original thesis was
that the soul is not only forma corporis, but also a spiritual substance in itself,
a hoc aliquid capable of giving ontological support to both the receptive and
the agent intellects 34 . This position would be widely accepted in the faculties
of arts between 1235 and 1260. The Franciscan theologians also embraced
the thesis of the agent intellect as a faculty of the soul. It is found in the
Summa fratris Alexandri (compiled before 1250), which, though a composite
of various Franciscan authors, certainly reflects Alexander of Hales' thought.
The Summa asserts that „intellectus agens et intellectuspossibilis sunt duae differentiae
in anima rationali", and that this soul is form and substance in itself 35 . Alexan-
der's student and successor, John of Rochelle, whose „Tractatus de divisione
multiplici potentiarum animae" was written between 1233 and 1239, proba-
bly on the basis of his even earlier teaching in the Faculty of Arts, stated that
the agent intellect is „vis anime suprema" without invoking Averroes in sup-
port 36 . The doctrine also received support among the Dominicans. Albert
the Great makes it his own as early as 1242 (cf. infra).
34 Iohannes Blund, Tractatus de anima, n. 341, ed. Callus-Hunt, London 1970, 93: „intellectus
agens est vis anime apprehensiva rerum universalium abstrahendo eas ab acadentibus". Philippus Can-
cellarius, Ex Summa Philippi Cancellarii Quaestiones de anima (ed. L. Keeler), Münster i.
W. 1937, 21 — 22. In the Summa Duacensis, which is a reportatio of Philip's previous teaching,
the immortality of the soul is proven by the fact that the soul is the subject of both the
agent and receptive intellects; cf. Summa Duacensis (ed. P. Glorieux), Paris 1955, 44 — 45.
Cf. also pages 31 and 59 — 60 which present a double consideration of the soul as both form
and substance.
35 Summa fratris Alexandri, q. 49 (ed. Quaracchi II, 452 and 385). Cf. J. Rohmer, La theorie
de l'abstraction dans l'ecole franciscaine d'Alexandre de Hales ä Jean Peckam, in: A H D L M A
III (1928), 1 1 4 - 1 1 8 .
3(1 Iohannes de Rupella, Tractatus de divisione multiplici potentiarum animae II 20 (ed.
P. Michaud-Quantin), Paris 1964, 91. Concerning the date and sources of the Tractatus, cf.
ibid. 23 et 29. Averroes is quoted on page 129 v. 57. God is also an active principle of
intellection, but only with respect to intelligibles that are beyond the range of our natural
abstractive knowledge.
(a) Reaction against the new doctrine was strong. Roger Bacon recounts
that at a general meeting of the University of Paris, the doctrine was de-
nounced as contrary to Aristode and to the teaching of both classical and
Christian thinkers: ,JBt sic intellectus agens, secundum majores philosophos, non est
pars animae, sed est substantia intellectiva alia et separata per essentiam ab intellectu
possibili... Non enim est dubium experto in philosophia quin haec sit sua [Aristotelis]
sententia, et in hoc omnes sapientes antiqui experti concordant. Nam universitate Parisiensi
convocata, bis vidi venerabilem antistitem dominum Gulielmum Parisiensem episcopum
felids memoriae coram omnibus sententiare quod intellectus agens non potest esse pars
animae, et dominus Robertus episcopus Uncolniensis etfrater Adam de Marisco et hujus-
modi majores hoc idem firmaverunt... Et sic nullo modo sequitur quod intellectus agens
sit pars animae, ut vulgus fingit"31. This quotation shows that the matter had
achieved enough importance to deserve public scrutiny by the whole corpo-
ration of masters before 1249 (the date of William of Auvergne's death); it
also shows that many masters were aware of the prevalent position in the
Aristotelian tradition, namely that the agent intellect is a separate substance,
and considered it to be Aristotle's authentic teaching (there is no mention
whatsoever of Averroes as supporting an opposite view). Bacon identified
some of the major Latin opponents to the doctrine of the agent intellect as
a faculty of the soul. William of Auvergne rejected it on the grounds of the
soul's simplicity and the identity between the essence of the soul and its
powers; but he also opposed Avicenna's theory of the Separate Intelligence
(which he considered to be the authentic Aristotelian teaching) on the
grounds that only God can be the agent intellect 38 . Robert Grosseteste also
rejected the doctrine of the agent intellect as a faculty of the soul and pro-
posed a theory of knowledge oriented „toward the Augustinian doctrine of
illumination" 39 . And, of course, there was Roger Bacon himself, who would
not have mentioned the incident had he not been himself an opponent
of the doctrine of the agent intellect as a faculty of the soul. It seems,
however, that Roger Bacon — according to Salman — went through a
first period during which he accepted that the agent intellect is a faculty
37 Roger Bacon, Opus majus, Pars II, cap. 5 (ed. J. H. Bridges), London 1900, t. Ill, 45, 47,
48; quoted by E. Gilson, Avicenne en Occident au Moyen Äge, in: AHDLMA XXXV
(1969), 1 0 2 - 1 0 3 ; cf. also Roger Bacon, Opus Tertium (cd. J. S. Brewer), London 1859,
74 — 75; quoted by T. Crowley, Roger Bacon. The problem of the soul in his philosophical
commentaries, Louvain-Dublin 1950, 25 nt. 43.
38 Guillelmus Alverniensis, De anima VII 4 (p. 2 0 7 - 2 0 9 ) ; VII 5 (p. 210); VII 6 (p. 2 1 1 - 2 1 2 ) ,
in Opera omnia, Paris 1674, t. II. The expression „augustinisme avicennisant" was proposed
(in 1929) by E. Gilson to characterize the symbiosis between Augustine's illumination and
Avicenna's noetics. Gilson was himself quite critical of the expression, cf. Avicenne en
Occident au Moyen Age, in: AHDLMA XXXV (1969), 99. Further criticism was presented
also by A. Masnovo, Da Guglielmo d'Auverge a S. Tommaso d'Aquino, Milan 1945, t. Ill,
128-147.
39 E. Gilson, History of Christian Philosophy in the Middle Ages, New York 1955, 264. No
writings of Adam de Marisco have yet been identified.
of the soul 40 , after which he reversed his position, attributed this doctrine
to Averroes, and opposed to it what he considered to be the authentic Aristo-
telian position, namely that the agent intellect is a separate substance 41 (later
Roger Bacon identified the agent intellect with God) 42 .
How accurate was Bacon when he attributed to Averroes the doctrine of
the agent intellect as a part of the soul? There are, in Averroes' Commentary,
some texts that could have induced Bacon to think that for the Arab Master
the agent intellect was part of the soul. For example: „Et ideo dicet Aristoteles
post quod necesse est ponere in anima rationalϊ has duas dijferentias, scilicet virtutem
actionis et virtutempassionis" [III 4, 385 v. 54—56; cf. also III 17, 437 v. 26 — 27;
III 18, 437 v. 8 — 9]. But in all these texts Averroes just repeats a terminology
borrowed from Aristode's De anima (430 al3 —14). This other text can also
be added: „in anima sunt due partes intellectus, quarum una est redpiens ... alia autem
agens" [III 5, 406 v. 557 — 559]. But this passage can hardly be considered a
source for the doctrine of the agent intellect as a faculty of the soul that is
form of the body. The immediate context of the statement shows that, accord-
ing to Averroes, those „two parts" of the „soul" are in fact two separate
substances, unique for all humankind [cf. ibid. 404 v. 514 — 517; 406 v. 5 6 9 -
574; 407 v. 5 8 4 - 5 8 5 et 602-603]. If indeed Bacon used this text as a basis
for attributing to Averroes the doctrine of the agent intellect as a faculty of
the soul (and nothing in Bacon's writings allows us to confirm this hypothe-
sis), he would have done so without taking into consideration the context.
And if that was the case, the reason is not because he was unable to under-
stand Averroes (he was not a naive reader!) or because Averroes' authentic
position was too foreign to Latin minds (the thesis of a Separate Agent
Intellect was well known), but because quoting isolated texts out of context
was not unusual practice in those times. In any case, since Bacon did not
subscribe to the doctrine of the agent intellect as a faculty of the soul, his
writings could hardly be proposed as proof of the existence of a „First Aver-
roism". Are there any other authors whose work would fit more accurately
into this category? The answer to this question requires careful examination
of two other cases treated by Salman in support of his notion of „First
40 Roger Bacon, Questiones supra undecimum Prime Philosophie Aristotelis, in: Opera Hac-
tenus Inedita (Ο. Η. I) VII (ed. R. Steele), Oxford 1926, 1 1 0 v. 1 - 1 8 . Cf. also T. Crowley,
op. cit. (nt. 37), 165 nt. 7. Gilson has proved, however (History [nt. 39], 304), that the agent
intellect that is called „pars" of the soul is, according to Bacon, not an abstractive faculty,
but the power the substantial soul has to turn itself back on its own essence. Bacon's agent
intellect has only the name in common with Aristode's.
41 These are the three texts quoted by Salman and Crowley: „intellectus agens secundum Commenta-
torem est pars animae, secundum Alpharabium et secundum Anstotelem et Avicennam est aliquid aliud"
(Ο. Η. I., Χ, 299); „quocumque modo ponatur ibi agens, sive sit intelligentia utponunt omnesphilosophi
excepto Commentatore, sive sit pars animae ut ipse Commentator ponit super tertium De anima" (Ο. H.
I., XII, 59 — 60); „ponamus agentem esse intelligentiam separatam, sicut ponunt theologi et verum est"
(Ο. Η. I., XII, 11).
42 Cf. T. Crowley, op. cit. (nt. 37), 166; E. Gilson, History (nt. 39), 304.
Averroism" (Albert and Adam de Bocfeld), and the analysis of the teachings
of the Masters of Arts up to 1260.
(b) Salman claimed that when Albert the Great proposed his doctrine of
the agent intellect as a faculty of the soul, he supported it on Averroes'
authority. For the claim to be legitimate, and for Albert's thought to fit into
the category of „First Averroism", two things are necessary: that Albert's
appeal to Averroes be neither ambivalent nor ambiguous, and that Albert not
be aware of Averroes' authentic position („First Averroism" being described
as a „naive reading" of Averroes). Neither of the conditions are met. When
Albert examined the nature of the agent intellect in his „Summa de creaturis"
(1242), he did place Averroes among those who were in favor of the doctrine
of the agent intellect as a faculty of the soul, but he also placed him among
those who supported the thesis of the separate agent intellect (the „videtur
quod sic" n. 20 is based on Averroes' Commentary on the „Metaphysics").
The appeal to Averroes is then ambivalent. Albert's own determinatio is, in
turn, ambiguous. He synthesized the different positions concerning the na-
ture of the agent intellect: some have denied its existence; some have iden-
tified it with a habitus·, others with the tenth Separate Intelligence, whose
relationship with our receptive intellect is similar to the one that exists be-
tween a superior Intelligence and the Cosmic Soul, „ita scilicet quod sicut anima
caeli movet caelum ita quod conformetur intelligentia agenti, ita etiam intellectus humanus
possibilis movet hominem ad hoc quod conformetur intelligentiae deämi ordinis: et hoc
modo fluunt bonitates ab intelligentia agente ad intellectum possibilem. Sed hoc nichil
horum dicimus; sequentes enim Aristotelem et Averroem, dicimus caelum non
habere animam praeter intelligentiam ... Similiter didmus intellectum agentem hu-
manum esse conjunctum animae humanae, et esse simplicem, et non habere intelligibilia,
sed agere ipsa in intellectu possibili ex phantasmatibus, sicut expresse dicit Averroes
in commento libri De anima"43. The first appeal to Averroes here is not ambigu-
ous, but it concerns only the animation of the celestial bodies. The second,
however, is ambiguous, because it is not clear whether Averroes is invoked
in support of all three claims — that the agent intellect is part of the soul,
that it is simple, and that it does not contain intelligibles in itself — or only
of the last. In my view, Averroes' authority is being invoked to support only
the abstractive function of the agent intellect [cf. In De anima III 18, 438
v. 36 — 46]. Proof of this is that when Albert formally asked, in the following
question, „utrum intellectus agens sit pars animae", the thesis is based exclusively
on theoretical grounds: the agent and receptive intellects derive from the two
ontological principles that constitute the rational soul considered as a spiritual
substance 44 . The human soul can be considered both in itself and in relation
43
Albertus Magnus, Summa de creaturis II (De homine), q. 55, a. 3 (ed. Borgnet, t. XXXV,
466 b).
44
Ibid., q. 55, a 4, part. 1 (ed. Borgnet, t. XXXV, 470): „intellectus agens est pars animaefluensab
eo quo est, sive actu; possibilis autem pars animae est fluens ab eo quod estt sive potentia
to the body. In itself, the soul is a spiritual substance. In relation to the body,
it is a form (or rather a „perfectio", a term of less hylomorphic com-
mittment)45. As a spiritual substance, it is incorruptible 46 and must be com-
posed, not of matter and form, as material substances are, but of quod est
and quo est, principles of potentiality and actuality respectively47. The first
principle is the root of the possible intellect, the second of the agent intellect.
Besides, Albert was no naive reader of Averroes: he was aware, already in
1242, that for Averroes the unity of the intelligible object requires the unicity
of the intellect48. Under these circumstances, it seems quite dubious that
Albert can be considered a representative of „First Averroism". All possibility
of doubt is eliminated by Albert's De anima (written between 1254 and 1257),
where he denounced and opposed Averroes' doctrine on the unicity and
separateness of the receptive and agent intellects49. Albert's anthropology,
centered on the double consideration of the soul as forma et hoc aliquid, and
its corollary, the agent intellect as a faculty rooted in the soul as substance,
does not fit into the category of „First Averroism".
(c) Another example of „First Averroism" given by Salman is Adam of
Bocfeld, whose „Sententia De anima" reveals a massive and almost exclusive
influence of Averroes' „Long Commentary" 50 . Averroes' influence began
around 1240 and continued throughout the 13th century, but in itself does
not grant legitimacy to the expression „First Averroism". For the expression
to have meaning it must be established that an authentic averroistic doctrine
was consciously adopted in opposition to an Aristotelian one; or that what
was naively considered to be an authentic and original averroistic doctrine
was adopted by a master as his own; or, at least, that Averroes' authentic
interpretation of an ambiguous Aristotelian text was preferred over the inter-
pretation of other commentators. It might be argued that, concerning the
nature of the intellect as part of the soul, Adam fulfills the second of these
conditions because, naively, he thought that this was Averroes' position. But
such is not the case. Commenting 4 1 5 a l l —12 („de speculative autem intellectu
altera ratio est"), Adam showed himself to be perfectly aware of Averroes'
45 Ibid., q. 4, a. 1 (ed. Borgnet, t. XXXV, 34); cf. also ad 6 (ed. Borgnet, t. XXXV, 35); ad 15
(ed. Borgnet, t. XXXV, 37); q. 61, a. 2, arg. 32 (ed. Borgnet, t. XXXV, 530), and Ε. Gilson,
L'ame raisonnable chez Albert le Grand, in: AHDLMA XVIII (1943-1945), 2 4 - 2 5 .
46 Ibid., q. 7, a. 1 (ed. Borgnet, t. XXXV, 94).
47 Ibid., q. 7, a. 3 (ed. Borgnet, t. XXXV, 102).
48 Ibid., q. 57, a. 3 (ed. Borgnet, t. XXXV, 492): „Tertio quaeritur, Utrum unus et idem numero
intellect.us sit in omnibus animalibus rationalibus? Et videtur, quod sic quia 1. Diät Averroes super
tertium de Anima, quod una est species intellectus speculativus apud omnes homines". Albert also quotes
Averroes among the arguments contra.
49 Albertus Magnus, De anima III, tract. 2, c. 7 (Ed. Colon, t. VII/1, ed. C. Stroick, Münster
1968, 186 v. 5 9 - 6 1 ) and III tract. 3, c. 11 (221, v. 1 1 - 1 4 ) .
50 Cf. R.-A. Gauthier, Preface, in: S.Thomas Sententia libri De anima...(1984), 2 4 7 * - 2 5 1 *
(concerning the authenticity of the different versions of the Sententia attributed to Adam
of Bocfeld).
51 Adam of Bocfeld, In De anima (ms. Bologna Univ. 2344, f. 35r; Urb. lat. 206, f. 274r). Cf.
supra, nt. 5.
52 Adam of Bocfeld, In De anima (ms. Paris Nat. lat. 6319 f. 130vb), quoted by D. Salman, op.
cit. (nt. 1), 2 1 0 - 2 1 1 .
of the agent and the recipient intellects faculties of the soul. Similar remarks
can be made concerning the substantial identity of the agent and material
intellects, for there are, in the „Long Commentary", passages that would
serve to support this thesis. For instance, III 20, 450 — 451 v. 214 — 222:
„quando quis intuebitur intellectum materiellem cum intellectu agenti, apparebunt esse duo
uno modo et unum alio modo. Sunt enim duo per diversitatem actionis eorum ... Sunt
autem unum quia intellectus materialis perfiritur per agentem et intelligit ipsum. Et ex
hoc modo diämus quod intellectus continuatus nobiscum, apparent in eo due virtutes,
quarum una est acüva et alia de genere virtutum passivarum". The context shows,
however, that the union is not a substantial one, but one between knower
and object known 53 . In short, Adam de Bocfeld, like many medieval authors,
quoted isolated passages for the sake of enriching the dispute. All these
passages needed to be interpreted; Adam's purpose, however, was not to
explain Averroes' commentary, but Aristotle's „De anima". In the economy
of his pedagogical approach, an isolated reference to Averroes could enrich
the discussion. No allegiance whatsoever to Averroes that would grant legiti-
macy to the expression „First Averroism" can be inferred from this practice.
IV.
(a) I will now argue that the doctrine stating the substantial unity of the
agent and receptive intellects as faculties of the soul was common doctrine
in the faculties of arts; that theoretical foundation of this doctrine was the
double consideration of the soul as forma et hoc aliquid, and that the appeal to
Averroes was only a tactical move at the textual level.
It has already been shown that at the very beginning of the 13th century,
even before Averroes was known to the Latins, John Blund (and John of la
Rochelle) taught the doctrine of the agent intellect as a faculty of the soul.
Later on, when Averroes was already known but the authority of Avicenna
was still predominant, Peter of Spain (who was Avicennian in many respects)
also taught (around 1240) that the agent intellect is a faculty of the soul,
without invoking in its support the authority of Averroes54. The Pseudo-
Peter of Spain, who knew Averroes quite well, wrote (before 1245?) a com-
mentary where he presented the doctrine of the agent intellect as a faculty
of the soul as deriving directly from Aristotle's „De anima", without making
53 R.-A. Gauthier (Anonymi, Lectura in librum De anima, Grottaferrata 1985, 471, nt. 350)
refers to this text as the source of the doctrine of the substantial identity between the agent
and material intellects. We have shown the equivocity of this reference; cf. B. C. Bazän,
Anonymi, Sententia super II et III De anima, Louvain 1997, 109*, nt. 308.
54 Petrus Hispanus, In I - I I De anima I 6 (ed. Alonso, Pedro Hispano, Obras filosoficas II,
Madrid 1944, 301 v. 7 — 11): „/» anima intellectiva sunt duepotentie ... Potentia autem qua est omnia
fieri appellatur intetlectus possibilis. Alia autem appellatur intellectus agens"\ cf. also ibid., 294 — 295;
II 8, 704 v. 6 - 1 1 .
55 Ps.-Petrus Hispanus, In II - III De anima (ed. Alonso, Pedro Hispano, Obras filosoficas III,
Madrid 1952, 326 v. 8 — 15): „... agens, possibile, sunt in ipsa anima secundum Aristotekm"\ cf. also
ibid. 327 v. 2 8 - 3 2 8 v. 3.
56 Anonymus, Sententia super II —III De anima, III 3 (ed. Bazän, Louvain 1997, 338
v. 158 — 163): „in quantum est forma, sic unitur corpori, et ex unione ipsius cum corpore contrahit
intellectum possibilem ... in quantum autem anima est hoc aliquid, sic est motor corporis et sic debetur
sibi intellectus agens".
57 R.-A. Gauthier, Le traite ,De anima et de potenciis eius' op. cit. (nt. 2), 17.
58 Ibid., 5 1 - 5 2 v. 4 5 3 - 4 5 8 .
the soul, because in it the true nature of the agent intellect as an eternal
substance, distinct from the material intellect, is apparent: „Et fuit necesse
attribuere has duas actiones anime in nobis, stilicet retipere intellectum et facere eum,
quamvis agens et redpiens sint substantie eterne" [III 18, 439 v. 71—74]. For the
word „copulatus", Gauthier refers to seven texts: in the first (III 5, 390,
v. 91—92) Averroes presents Themistius thought; in the second (III 5,
404 — 405, v. 512 — 527) Averroes does not speak of the „continuatio" of the
intellect {intellectus), but of the object known (intellectum), in perfect harmony
with his theory that the intellects are separate and human beings only partici-
pate in the activity of understanding by providing images; the same can be
said of the third text (III 5, 407 v. 592) except that it deals with the most
intelligible of the objects known (the first principles); the fourth and seventh
texts (ibid., 411 v. 703-705 and III 36, 499-500 v. 585-590, 596-598) are
classic passages where Averroes explains the relationship between the two
separate and unique intellects and our participation in (and consequent multi-
plication of) the activity of knowing by the intermediary of images; and the
sixth text (III 20, 444 v. 21 — 22) presents Alexander's noetics. In short, the
word „copulatus" as used by the Latin Master does not reflect any authentic
averroistic doctrine; it is simply a word taken out of context that the Master
did not hesitate in using to explain his own original doctrine of the agent
intellect as a faculty of the soul.
(c) Another ambiguous case is the Anonymous author of the „Lectura in
librum De anima" (1246—1247), edited by Gauthier. After explaining
430 alO, the Master examined the doctrine according to which the agent
intellect is God. He gave different arguments against this position, including
this one: „Item, Commentator uult quod intellectus possibilis corruptibilis est (in
quantum possibilis est, set separabilis est> secundum eius substandam, et idem est secun-
dum substandam cum intellectu agente". This again has been seen as an example
of „First Averroism". Averroes, however, is not quoted to support the
doctrine of the agent intellect as a faculty of the soul, but rather to oppose
the thesis that God is the agent intellect (for that purpose it suffices that the
agent intellect that is one in substance with the receptive intellect be a sepa-
rate substance). Besides, according to Averroes, the agent and the material
intellects are united not substantially, but by an act of knowledge, as has been
already shown. The dialectical nature of the quotation is confirmed by the
analysis of a second opinion according to which the soul is a hylomorphic
substance in which the receptive intellect plays the role of matter and the
agent intellect the role of form. The Master refuted this doctrine by recalling,
among other arguments, that „intellectus possibilis est quedam substanda completa,
et intellectus agens similiter"59. This is certainly closer to an authentic averroistic
doctrine than is the doctrine of the intellects as faculties of the soul, but it
59 Anonymus, Sententia super II —III De anima III 2, q. 5 (ed. Gauthier, Grottaferrata 1985,
470 v. 3 1 3 - 3 1 4 ) .
does not support the claim that the doctrine of the agent intellect as a faculty
of the soul finds its origin in Averroes. When he finally gave his own opinion,
the Master stated that there is, between the agent and receptive intellects, a
substantial unity (and Averroes is again quoted in support of this thesis), but
this does not imply that the agent intellect is a faculty (pars) of the soul. On
the contrary: „Mud autem agens per quod reducitur intellectus possibilis ad actum est
agens intellectus, et non est aliud extra animam nec est pars anime, ut probatum est;
quare est anima tota"60. This very personal position does not fit the description
of „First Averroism", defined as the doctrine that makes of the agent intellect
a faculty of the soul on the grounds of Averroes' authority. It is only an
ambiguous position that uses averroistic statements taken out of context to
support a doctrine that is neither averroistic nor even Aristotelian, and that
goes against the teaching of most masters of Arts of the time.
V.
(a) Three more witnesses will be called to illustrate the teachings of the
Masters of Arts on the nature of the agent intellect around 1250. The first
is the anonymous author of the „Questiones super librum De anima" of ms.
Siena, Bibl. Com. L 111.21, f. 134ra-177ra. According to Gauthier 61 , this
text, probably of English origin, should be dated around 1250, because it
uses Grosseteste's translation of the Nichomachean Ethics (1247) and seems
to have been used by Albert in his De anima (1254). The close textual links
between the Siena Questiones and the Admont Questiones published by Venne-
busch, which were written around 1260, might suggest that the texts were
closer in time than Gauthier suggests 62 . What is important to underline is
that, contrary to Gauthier's opinion, the author of the Siena questiones was
not a naive reader of Averroes and knew that for Averroes the Material
Intellect is a separate substance, unique for all mankind 63 , which did not
prevent him from making extensive use of Averroes' Commentary as his
main interpretive tool. This Master, however, is not an example of „First
Averroism" because his teaching on the agent intellect is a complex doctrine
which does not fit into the category and because he did not invoke Averroes
in support of it. The theoretical foundation of the doctrine is the same as
that found in Masters of Arts discussed above, namely the Avicennian con-
ception of the intellective soul as a substance in itself and a perfection of the
body [I, q. 2, f. 136va: „substantia in se ... actus et forma corporis"·, II, q. 2,
f. 154vb: „consideratio de anima duplex est sicut diät Avicenna: ... simplex essentia in
se ... actus etpetfectio corporis"}. Because it is a spiritual substance [„intellectus est
hoc aliquid in se", f. 172vb], the soul must be a composite of spiritual matter
and form [I, q. 30, 1, f. 148vb], or of quod est and quo est [II, q. 45, f. 172va];
it cannot be generated from matter but requires divine creation [I, q. 31
f. 149rb; II, q. 14, f. 160vb; III, q. 1 f. 177rb: „intellectus ...a potencia creatoris
eductus est"]. The human being is a complex entity: on one side there is a
hylomorphic composite of matter and lower souls (vegetative and sensitive),
generated by the parents [II, q. 12, f. 160ra]; on the other, there is the intellec-
tual soul, which, being a substance, moves the body {motor) and acts as a
„completive" perfection (forma) of the previous composite [I, q. 33, f. 151vb:
„anima unitur corpori ut actus materie sue ... et ut artifex instrumento uel motor mo-
bili"]. The term „homo" thus has two referents: „uno modo nominat sensitiuam
cum forma ilia ulteriori inducta per naturam, et sic dicitur quod homo generat hominem
et sol. Alio modo nominat illud totum cum anima intellectiua superaddita" [II, q. 15
f. 162rb], The union of these two substantial components of the human
being requires intermediaries [1, q. 6, f. 150vb]. The term „soul", then, refers
to an „aggregate" which includes the intellectual substantial soul that comes
from without, and the lower souls generated from matter [II, q. 9 f. 158va:
„ex istis diversis essenciis est una anima aggregata"]. This neoplatonic dualism is
mitigated by two theses: the animated body and the intellectual soul share in
one „esse" [I, q. 2, f. 136vb: „cum unum sit esse utriusque"; q. 31,1, f. 149rb: ,fit
unumper essentiam"]·, and the „aggregate soul" is one essence with three facul-
ties or powers [II, q. 10,1, f. 159ra: „anima hominis ... una essentia, non aggregata
ex tribus essenciis"]. The intellectual substantial soul has two parts: the agent
intellect, which plays the role of form in this spiritual substance, but which
does not relate to the body as „petfectio" and is not even „unibilis" to the body;
and the material intellect, which plays the role of matter, and is „unibilis" to
the body, although in itself it is something more than the act of the body [I,
Prologus, f. 135vb: „agens est pars formalis ipsius intellectiue ... alia est eius pars
materialis ... secundum primam non est actus corporis nec unibilis ei, set separata secun-
dum esse et substandam, sicut homo a capa sua; per secundam est unibilis et actus corporis,
non tamen solus actus set aliquid preter hoc quod est actus"; cf. II, q. 16, f. 147ra:
„(intellectus) ... est quedam substantia spiritualis habens exemplaria rerum sibi concreata
...et sub hac ratione < non > copulatur nobis, sicut dicit Averroys ... uel contingit
loqui de intellectu ut nobis copulatur, et dicitur iste intellectus materialis, ut dicit Aver-
roys, et intelligere istius non est sine jmaginatione, et licet secundum sui substandam sit
separabilis α corpore, sua tamen operatio desinit cum corpore"]. It can be said that,
while it is united to the body, the intellectual soul is „extra suam naturam" [II,
q. 52, 7e, f. 176va]. The central principle of this anthropology, namely that
the intellectual soul is both a spiritual substance and a perfection of the body
— from which derive all the other developments concerning the nature of
the intellects —, is basically Avicennian64, or, to be more precise, a syncretism
of Aristotelianism (Aristotle and Averroes) and Neoplatonism (Augustine and
Avicenna). For the purpose of our inquiry it is important to underline that,
once the intellectual soul has been declared a spiritual substance, many of
Averroes' statements can be repeated without having to adopt radical aver-
roistic consequences. There is no problem in saying that the soul is „sepa-
rate" and „incorruptible", that it is corruptible only „secundum esse quod habet
in homine" [III, q. 1, f. 177va], that its „unibility" to the body is not something
proper to its essence as such, but an accident that affects it „extra essentiam
suam". Briefly, it is within this neoplatonic dualistic theoretical framework
that the doctrine of the agent intellect as „part of the soul" must be under-
stood. There is no „Averroism" here — at least not yet: what there is is a
doctrine that is dangerously close to an averroistic conclusion that an Aristo-
telian could easily infer simply by purifying the notions at play. That is pre-
cisely what Siger did, five or so years later.
(b) The second witness is another Master of Arts whose „Questiones in
II et III De anima" are also contained in the ms. Siena, Bibl. Com. L III.
21, f. 177va—191ra. This text could be dated around 1260 and is a good
representative of „First Averroism" according to Gauthier65. There is no
doubt that Averroes is quoted literally and extensively by this master. Except
for a series of questions concerning the Separate Intelligences, where the
Liber De causis is often invoked as a main authority, Averroes' Commentary
is the main interpretive tool for the Master. The massive presence of Av-
erroes' terminology introduces in the text an obvious ambiguity, which de-
mands careful examination before deciding on its exact meaning. The Master,
however was not a naive reader of Averroes; he knew that Averroes had
stated, at least for the sake of discussion, that the intellect is not multiple
[f. 178rb: „Set tunc queritur an intellectus sit intentio indiuidualis uel non. Et dicunt
quidam quod non, secundum Commentator em, et hoc ad minus opponendo diät"], but
this does not deter him from using the texts and the authority of Averroes
for his own purposes.
The thesis that gives theoretical foundation to the Master's whole doctrine
has already been found in his predecessors: the intellectual soul is hoc aliquid
etforma. Because it is a spiritual substance, it must be composed of a receptive
part analogous to matter (the material intellect) and a formal part analogous
to form (the agent intellect) [f. 181va: „necesse est ponere intellectum esse formam
in se creatam et corpori infusam, scilicet quod est in se (hoc) aliquid et alteri coniunctum.
Prius secundum naturam (mensuram cod.) est hoc aliquid quam alteri infundatur. Set
quod causatum ens hoc aliquid et per se non est materia tantum ... nec estforma tantum
... quare necesse est in anima intellectiua (esse) partem intellectus receptiuam, et hec est
possibilis, et partem intellectus formalem, et est intellectus agens; (patet ergo quod tam
intellectus agens} quam possibilis sint partes anime"\. The intellectual soul can be
considered in itself and in relation to the body [f. 179rb: „intellectus potest
dupliciter considerari ... aut secundum quod unitur corpori et non intelligit nisi per
receptionem ab jmaginatione, et sic proprie est possibilis ... Vel potest considerari in se
et absolute, prout est aliquid in se et nonpotencia nisi ipsius efficientis creantis"]. Consid-
ered in itself, the soul, the substantial foundation of the intellectual faculties,
is neither universal nor particular, but a sort of intermediate nature [f. 178vb:
„inpossibile est quod substantia intellectus possibilis, ens in me et in te, sit intencio
indiuidualis in tantum contracta, sicut est hoc lignum uel iste homo. Vnde necesse est
ponere quod intellectus possibilis ... sit natura indiuidualis media inter uere uniuersale
et uere particulare"\. No Averroism should be read into this statement. The
soul cannot be universal because, according to a well known Avicennian
doctrine, the universal does not include any mode of being in its definition,
or exists only in the mind [f. 188vb]. It cannot be particular, because that
would imply that it is a material being. Considered as a substance, the soul,
though separate from matter, is neither unique nor eternal, but multiplied in
different subjects, being individuated by the act of creation that places it in
time [f. 178vb: „non causatur a principiis subiecti, set infunditur ab extra, et ideo
(non) multiplicatur a multitudine subiectorum in quibus est sicut albedo uel nigredo, uel
caliditas uelfrigiditas, set ab actione efficientis"·, cf. f. 182rb: „intellectus agens creatur
de nichilo et exit a non esse in esse; ergo non semper est"]. The intellectual soul is
also individuated by its operations, as has been shown by Averroes [f. 182va:
„intellectus potest dupliciter considerari: aut secundum operationem ad indiuiduum singna-
tum (sic) ut Sortem uel Platonem; aut prout est aliquid in se et absolute et in uniuersali.
Et hoc dicit (Averroes) de toto intellectu composite ex materiali etformali"]. The textual
foundation for the Master's doctrine is Aristotle, De anima I, 408bl8—19:
„Set intellectus uidetur esse substantia et non corrumpi ... ibi dicit Aristotiles quod
intellectus est corruptibilis secundum operationem quam habet in coniuncto, ipse tamen in
substantia sua consideratus non; et dititur intellectus possibilis secundum quod est in
coniuncto id idem quod dititur intellectus agens prout in se consideratur et homini dat
intelligere" [f. 182va], The doctrine of the agent and receptive intellects as
parts of the intellectual soul derives, then, direcdy from Aristode. Sometimes
it is supported exclusively on Aristode's authority [f. 180va: „secundum Aristo-
telem, intellectus agens est pars anime rationalis"\, sometimes on Aristode's author-
ity, accompanied by that of Averroes' Commentary [f. 179rb: „si totum composi-
tum esset intellectus possibilis, tunc intellectus agens non esset aliquid ipsius intellectus
humani, quod uidetur esse contra illam litteram Aristotelis: Quoniam autem fit in
omni natura, et eciam contra expositionem Commentatoris, quamuis quidam hoc con-
cedat"]. Of course, the Master did not miss the opportunity to repeat,
following his predecessors, that for Averroes the agent and material intellects
are „one in substance" [f. 181rb: „Commentator diät (In De anima III 20, 451
v. 215 — 222) quod intellectus agens et possibilis sunt unum in substantia et duo in
operationibus tantum"·, cf. f. 179rb]; but, as has been shown, this isolated quo-
tation does not reflect Averroes' theory. Besides, the appeal to Averroes'
authority is ambivalent, because the Master also quoted him in support of
the opposite thesis 66 . Finally, the thesis is also presented as a necessary con-
sequence of strong rational arguments elaborated by the master [f. 181rb:
„Et hoc potest confirmari demonstratione tali: nichil agit naturaliter nisi per suam for-
mam ..."; cf. f. 182vb: „inpossibile estponereprimam causam uel intelligendam esse
intellectum agentem, quia ex quo prima causa habet omnia intelligibilia penes se, inutile
et supeifluum esset ponere ipsum esse jmaginabile ad hoc ut intellectus per ipsum intelli-
gent ..."]. This doctrine is not only a strong endorsement of the Aristotelian
doctrine of abstractive knowledge, but also a clear statement of the autonomy
of human knowledge. The Master could not have been unaware that he
would encounter (as his predecessors did) formidable opposition, not only
from the „auctoritates" (Avicenna and the other commentators), but also from
those Theologians for whom only God can be the agent principle of human
knowledge. No doubt, then, the Master, like his predecessors, would not
mind appealing to isolated texts of the single author who could provide some
support, no matter how ambiguous, to the new interpretation of Aristotle's
„De anima". Passages from Averroes, taken in their literal meaning and out
of context, could serve to strengthen the exegesis that those Masters had
proposed for 430 al 0 — 14 against the thesis that made of God the agent
intellect [cf. f. 181ra]. Within the theoretical framework of the doctrine that
the intellectual soul is a spiritual substance and a form, these Masters could
repeat many of Averroes' words without accepting any further averroistic
consequences. The use of Averroes as an authority was a tactical move, and
a smart one, because, after all, Averroes' Commentary was the best inter-
pretive tool available; but this ambiguous appeal to Averroes does not grant
legitimacy to the expression „First Averroism". The Master's doctrine should
rather be understood strictly within the framework of his conception of the
soul as a spiritual, incorruptible created substance, individuated by the act of
creation that gave it being.
(c) The last witness is the Anonymous Master who wrote (around 1260)
the „Questiones in tres libros De anima" published by J. Vennebusch 67 . Its
author knew that for Averroes the agent and receptive intellects are two
66 Ibid., f. 180vb: „Item, secundum expositionem Commentatoris in ilia littera: ,Qui uero secundum poten-
ciam', etc. [430a20 — 21], uult dare differentiam talem inter inteilectum agentem etpossibikm ... ergo
intellectus agens et possibilis non sunt una et eadem substantia numero". This is proof that Averroes'
Commentary is a tool for many purposes.
67 Cf. supra, nt. 62.
separate substances, unique for all humankind 68 . The Master rejects not only
both theses, but also Averroes' inference concerning the analogical nature of
the general definition of the soul 69 . This disagreement on a fundamental
matter does not prevent the Master from using Averroes' Commentary exten-
sively and freely, wherever he deemed it useful to prove his own points of
view. To understand how this is possible, it is necessary to grasp the theoreti-
cal foundation of his whole doctrine on the intellectual soul and the noetics
that follows, namely the double consideration of the soul as hoc aliquid et
forma10. The soul, indeed, is a spiritual substance in itself, but is at the same
time the perfection that completes the human hylomorphic composite. The
metaphysician considers the soul in its esse absolutum\ the physicist, only per
relacionem ad corpus71. In itself the soul is incorruptible, as all spiritual sub-
stances are, and its function as a form is temporary 72 . The very name „anima"
does not express what this spiritual substance is absolute, but only its formal
causality, relatively to the body it animates 73 , or its efficient causality vis-a-
vis the body it moves 74 . The intellectual soul, being a substance below the
First Cause, must be composed of a potential principle and a principle of
actuality75. Within this dualistic anthropology of neoplatonic inspiration, the
composite of intellectual soul and body could not be considered a „natural
composite" 76 , because their union is not the immediate union that obtains
between a natural form and matter, but requires a series of intermediate
forms that prepare matter for the reception of the , forma completiva"11. As a
spiritual substance, the soul must be created 78 . The soul and the body maxime
distant, because they do not participate in the same genus of substance; but
as they are related to each other as „perfection" to „perfectible", they are
united by a relationship of proportionality based on the essential dispositions
that make the union possible, namely the „unibilitas" of the intellectual soul
68 Anonymus, Q. in tres libros De anima III q. 65 (ed. Vennebusch, 280 v. 3 8 - 3 9 ) : „ad hoc
autem sokbat respondere Averrois et Emphace et omnes sustinentes unitatem intellectus possibilis"·, III
q. 66 (ed. Vennebusch, 284 v. 8 2 - 8 3 ) : „Ydempatetper Averroym dicentem ibidem, quod agern et
possibilis sunt duo intellectus, et uterque est separatus". Cf. Ill, q. 67 (ed. Vennebusch, 301 v. 391 —
392).
69 Ibid., III, q. 61 (ed. Vennebusch, 267 v. 8 1 - 1 0 0 ) .
70 Ibid., I, q. 8 (ed. Vennebusch, 110 v. 6 2 - 6 4 ) .
71 Ibid., I, q. 11 (ed. Vennebusch, 1 1 6 - 1 1 7 v. 2 2 - 2 9 ) . Cf. also I, q. 1 (ed. Vennebusch, 9 3 - 9 4
v. 5 4 - 5 7 ) ; I, q. 3 (ed. Vennebusch, 99 v. 6 9 - 7 0 ) ; I, q. 18 (ed. Vennebusch, 132 v. 4 2 - 4 3 ) .
72 Ibid., I, q. 23 (ed. Vennebusch, 146 v. 7 8 - 8 3 ) .
73 Ibid., II, q. 29 (ed. Vennebusch, 163, v. 5 1 - 5 9 ) .
74 Ibid., II q. 33 (ed. Vennebusch, 181 v. 6 3 - 6 5 ) .
75 Ibid., III q. 62 ed. Vennebusch, 270 v. 85 — 89): „intellectus, cum recedat a pura simplicitate Primi,
aliquant habet composicionem, saltim ex forma incompleta et forma que est ipsius complementum ... in
quo aggregate incompletum est ipsum quod est, ipsum vero complementum est quo est"; for the rest
of this text, cf. infra nt. 81; cf. also III, q. 69 (ed. Vennebusch, 3 0 4 - 3 0 5 v. 1 2 - 1 6 ) .
76 Ibid., II, q. 29 (ed. Vennebusch, 165 v. 1 2 2 - 1 2 7 ) .
77 Ibid., II, q. 22 (ed. Vennebusch, 1 4 2 - 1 4 3 ) .
78 Ibid., III, q. 61 (ed. Vennebusch, 266 v. 7 4 - 8 0 ) .
and the inferior forms that prepare the body 7 9 . The intellectual soul that
comes from without is united to the inferior generated forms (the vegetative
and sensitive souls), in a single composite soul (aggregata), which in turn is
the single act o f the whole human composite (body and soul) 80 .
The nature of the intellects must be understood within this substantialistic
conception o f the soul and this anthropological dualism that are the doctrinal
foundations o f the Master's noetics. The soul, indeed, being a spiritual sub-
stance, must be composite. The two intellectual faculties are linked to the
formal and material principles of the composite soul {quod est/quo est): „et
secundum hoc, sicut intellectus hec duo habet in sui composidone, per hec duo habet duas
potencias in sua potencia completa: racione incompleti quod est ut materiale in ipso, habet
potendam qua didtur intellectus possibilis; radone complementi habetpotendam que didtur
intellectus agens"sl. This doctrine shows that the theoretical foundation for
considering the receptive and agent intellects as parts o f the soul is the con-
ception o f the soul as substance, a thesis that owes as much to Avicenna as
to Augustine, and that has been enriched by the addition o f an original (and
eclectic) interpretation of Aristotle's „De anima". The textual support o f the
doctrine is another question. Since the problem raised by the notion of „First
Averroism" concerns mainly the nature o f the agent intellect, I will focus
only on this particular faculty. The Master showed a comprehensive under-
standing o f previous interpretations. Following Albert, he classified them into
three categories: a) the agent intellect is a habitus (which he rejects with the
support o f Averroes); b) the agent intellect is a separate substance (which
he rejects on the basis o f Aristotle's De anima 430 al0—14 and Averroes'
interpretation o f this passage, though acknowledging that this is the position
held by most o f the Greek and Arab commentators); and c) the agent intellect
is a part o f the soul. This position, which is his own, is supported by the
same quotation from Averroes' „Long Commentary" that had been invoked
by his predecessors, namely III, 20 v. 220 — 222. Had we not seen that the
doctrinal foundation of the thesis owes more to Avicenna than to Averroes,
we would be tempted to see here an expression of „First Averroism". But
even at the textual level there are reasons to reject this qualification. The
Master, indeed, explained that among those who say that the agent intellect
is part o f the soul there are some who consider that the soul, of which the
agent intellect is a part, is in itself unique for all mankind: „ponentes vero
intellectum agentem esse partem eiusdem anime cum possibili, in hoc concorditer dicebant
idem, prefer quod diversificati sunt in substantia talis anime et in modo intelligendi,
quoniam quidam illorum huiusmodi animam posuerunt esse eandem in numero in omni-
bus"82, which is a thesis that the Master had previously attributed to Averroes
and rejected. Once his differences with Averroes had been established, he
could incorporate into his own conception of the soul as a spiritual substance
an isolated averroistic reference: „Propter quod 3a via videtur esse concedenda, cum
Averroy qui dicit, quod agens etpossibile sunt due virtutes unius anime"83. This merely
tactical quotation does not imply adherence to the whole theoretical complex
in which this quotation has its properly averroistic meaning. The appeal to
Averroes is the result not of an insufficient understanding of Averroes'
doctrine, but of an independent, pragmatic and lucid reading of the „Long
Commentary". The independence was again proven when the Master did
not appeal to Averroes' support on the question whether the agent and the
possible intellects belong to the same substance 84 . The Master's noetics is
just another expression of the original (though eclectic) anthropology elabo-
rated by the Latin Masters in their interpretation of Aristotle's „De anima".
VI.
Conclusion: The foregoing inquiry has shown the originality of the Latin
interpretation of Aristotle's „De anima". By stating that the agent intellect is
a faculty of the soul that is the form of the body, the Latin Masters proposed
an exegesis never advanced by previous commentators. The theoretical foun-
dation of this thesis is the double consideration of the soul as forma et hoc
aliquid. Being a substance, the soul must be composed of potential and actual
co-principles, to which the Latins linked the receptive and agent intellects.
The textual foundation of this doctrine was De anima 430 alO —14, although
some Latin Masters, for dialectical reasons, also appealed to Averroes in its
support, quoting him out of context, even if they were aware of the true
meaning of his own views. The doctrine is basically an eclectic neoplatonic
Aristotelianism. To call it „First Averroism" obscures not only its historical
originality, but also its doctrinal meaning.
83
Ibid., III, q. 67 (ed. Vennebusch, 297, v. 2 5 5 - 2 5 6 ) .
84
Ibid., III, q. 69 (ed. Vennebusch, 3 0 4 - 3 0 5 ) .
Daß „wir ... nicht das theoretische Bedürfnis des 20.Jahrhunderts einer
einheitlichen Anthropologie dem 13. Jahrhundert ansinnen [dürfen]" 1 , ist zu-
mindest in der mediaevistischen philosophiegeschichtlichen Forschung wohl
unbestritten. Auch die fortschreitende Aufarbeitung bislang noch unerschlos-
sener Quellenbestände bestätigt, daß es so etwas wie eine eigene, einheitliche
philosophische Disziplin vom Menschen im dreizehnten Jahrhundert nicht
gab und daß auch die gemeinhin als anthropologischer „Weiser" angesehene
explizit formulierte Frage „Was ist der Mensch?" in den Textzeugnissen nur
eine erstaunlich beiläufige Rolle spielt. Zugleich aber macht die Forschung
mehr und mehr Züge eines philosophischen Erkenntnisbemühens um den
Menschen sichtbar, das weitgefächert und vielschichtig war und von auf-
schlußreichen wissenschaftssystematischen Reflexionen begleitet wurde.
Diese sind — auf breiter Quellenbasis erfaßt — für uns maßgebliche Zeug-
nisse für das Selbstverständnis des philosophisch-anthropologischen Diskur-
ses dieser Epoche und seiner grundlegenden Perspektiven.
Zu diesen Perspektiven sind vor allem zwei zu zählen. Nach einer ersten
erscheint die Erkenntnis alles dessen, was ist, — vollzogen in den einzelnen
philosophischen Disziplinen — als Weg und Weise der Selbsterkenntnis des
Menschen, nach einer zweiten umgekehrt die Selbsterkenntnis des Menschen
als Weg und Weise der Erkenntnis von allem, was ist; nach der ersten kommt
der Mensch als Erkenntnisgegenstand in den Blick, nach der zweiten als
Erkenntnisprinzip; die erste ist objektivierend, die zweite bringt — ansatz-
weise — den Menschen als Subjekt zur Geltung.
Die erste Perspektive kommt am explizitesten in einer Wissenschaftseintei-
lung Robert Kilwardbys zum Ausdruck, die in dem zusammen mit seinem
Kommentar zur „Ethica nova et vetus" überlieferten Prolog — wohl aus der
Mitte der vierziger Jahre — enthalten ist 2 . In dieser divisio scientiae hat die den
nicht beachtet). Für die Cambridger Handschrift ist hier die Sigle Ca verwendet. Zur Zu-
schreibung an Robert Kilwardby und zur Datierung O. Lewry, Robert Kilwardby's Commen-
tary on the „Ethica nova" et „vetus", in: Ch. Wenin (ed.), L'homme et son univers au Moyen
Age, vol. II (Philosophes medievaux 27), Louvain-la-Neuve 1986, 799-807, hier: 806. Cf.
D. Luscombe, The Ethics and the Politics in Britain in the Middle Ages, in: J. Marenbon
(ed.), Aristode in Britain during the Middle Ages. Proceedings of the International Confe-
rence at Cambridge, 8 - 1 1 April 1994 (Rencontres de Philosophie Medievale 5), Turnhout
1996, 337-349, hier: 337. R.-A. Gauthier in der Einführung zu R.-A. Gauthier/J.Y. Jolif,
Aristote: L'Ethique ä Nicomaque. Introduction, traduction et commentaire (Aristote. Tra-
ductions et Etudes 1/1), Louvain — Paris 1970, 117, ging von einem anonymen Autor und
einer Datierung vor 1245 aus. G. Wieland, Ethica — Scientia practica. Die Anfänge der
philosophischen Ethik im 13. Jahrhundert (BGPhThMA N. F. 21), Münster 1981, 50,
äußerte noch Bedenken gegenüber der Zuschreibung an Robert Kilwardby. Celano hat sich
für die Echtheit entschieden (briefliche Mitteilung und mündlich); siehe auch A. J. Celano,
Robert Kilwardby and the Limits of Moral Science, in: R. J. Long (ed.), Philosophy and the
God of Abraham: Essays in Memory of James A. Weisheipl, OP (Papers in Mediaeval Stu-
dies 12), Toronto 1991, 3 1 - 4 0 .
3 Robert Kilwardby, Commentarius in ethicam novam et veterem Prol. (Cambridge, Peter-
house Library, 206, fol. 285ra): „Homo ergo, qui vultphilosophari, debet cognoscereprinäpia constituen-
äa ipsum et eciam proprieties consequentes esse eius. Sed prinäpia hominis sunt duo, sälicet natura
corporalis et natura incorporalis. Oportet ergo eum, qui vult esse philosophus, utramque istarum naturarum
cognoscere. Philosophia autem corporalis nature habetur in philosophia naturali; cogniäo autem nature
incorporalis, ut anime, habetur in quodam libro naturali, ut in libro de anima; magis tarnen habetur cogniäo
anime in methaphisica, ubi (nisi Ca) traditur cogniäoprinäpiorum inmaterialium (/.] et materialium Ca).
Ex hits patet, quod qui vult esse philosophus, oportet eäam, ut säat naturalem philosophiam propter
cogniäonemprinäpiorum naturalium ipsum constituencium, cuius(modi> sunt quatt(u)or elementa; oportet
eäam, ut säat (naturalem philosophiam ... ut säat Ce; om. Ca) methaphisicam propter cogniäonem
anime, que est prinäpium eius inmateriale. Item sicut pretactum est, oportet eum, qui vult esse philosophus,
{oportet add. CaCe) cognoscere proprietates consequentes esse suum et suas proprias passiones. Sedproprie
passiones sive proprietates quedam consequntur (consequenter Ca) esse hominis ex parte nature corporalis,
quedam autem ex parte nature incorporalis. Et adhuc passionum consequenäum esse hominis ex parte
virtutis corporalis quedam sunt simpliäter naturales, ut ilk, que habentur <secundum) formam naturalem
secundum quod naturalis est, quedam autem sunt non simpliäter naturales, sed consequentes ad naturam.
Passiones autem simpliäter naturales consequentes esse ipsius hominis ex parte virtutis corporalis, que sälicet
consequntur formam naturalem secundum quod naturalis est, sunt ut calidum, frigidum, humidum, siccum,
et istarum cogniäo traditur in libris naturalibus. Passiones autem antecedentes ipsam naturam sunt ut
quantitates, et de hiis traditur cogniäo in mathematica. Sic ergo patet, quod qui vult philosophari, oportet
eum scire philosophiam naturalem ad cogniäonem passionum simpliäter naturalium, que consequntur esse
hominis; oportet eciam eum scire mathematicam propter cogniäonem prinäpiorum non simpliäter naturalium,
cuiusmodi sunt quantitates. Adhuc autem, ut predictum est, sunt alie passiones consequentes (c. om. Ce)
I.
esse ipsius hominis ex parte nature incorporalis, ut ex parte anime. Sed hee dupliäter sunt. Quedam enim
sunt simpliciter a propositi, ut ea, quefiunt per operaäonem propositi, et talium cognicio (traditur) (traditur
om. CaCe) in moraliphilosophia; quedam autem non sunt simpliciter aproposito, sed sunt a propositi cum
adiutorio nature, ut coadunantibus (coadin- Ce) instrumentis naturalibus, et huiusmodi est sermoänaäo. ...
Et cogniäo huius (huiusmodi Ce) passionis, scilicet sermonis, traditur in sciencia sermoänali".
4 Isaak unterscheidet ausdrücklich zwischen definicio (philosophiae) und descripcio (philosophiae):
Isaak ben Salomon Israeli, Liber de definicionibus, ed. J. T. Mückle, in: Arch. Hist, doctr.
litt. M. A. 12/13 (1937/38), 2 9 9 - 3 4 0 , hier: 302, 1.13-20.
5 Zur Person C. Sirat, A History of Jewish Philosophy in the Middle Ages, Cambridge etc.
1985, 57 — 68; ferner I. Simon, L'influence hippocratique sur la medecine hebrai'que, surtout
chez Assaph, Isaac Israeli et Mai'monide, in: La collection hippocratique et son role dans
l'histoire de la medecine (Travaux du Centre de Recherche sur le Proche-Orient et la Grece
Antiques 2), Leiden 1975, 2 7 5 - 2 8 9 ; A. L. Ivry, Jewish Philosophers' Perceptions of the
Nature and Value of Philosophy, in: J. A. Aertsen/A. Speer (eds.), Was ist Philosophie im
Mittelalter? Akten des X. Internationalen Kongresses für mittelalterliche Philosophie ... 25.
bis 30. August 1997 in Erfurt (Miscellanea Mediaevalia 26), Berlin-New York 1998, 8 9 7 -
903, hier: 8 9 7 - 8 9 9 .
6 Isaak ben Salomon Israeli, Liber de definicionibus (ed. Mückle, 306 1.1—2 mit Varianten-
apparat zu dieser Textstelle). Cf. ibid., 331: „Descripcio philosophiae ex effectu suo. Philosophia est
cogniäo hominis sui ipsius".
7 A. Altmann/S. M. Stern, Isaac Israeli. A Neoplatonic Philosopher of the Early Tenth Cen-
tury, Westport 2 1979, 202 sqq. (Scripta Judaica 1). Cf. ferner Sirat, A History of Jewish
Philosophy, 60; A.-H. Chroust, The Definitions of Philosophy in the De Divisione Philoso-
sophiebeschreibung fand vor allem bei den Magistern der Pariser Artistenfa-
kultät ab der Jahrhundertmitte starke Beachtung und wurde vielfach — bald
ausführlicher, bald weniger ausführlich — kommentiert.
Dem Isaak Iudaeus selbst, den Albertus Magnus einen „Großen in der
Philosophie" nannte 8 , galt diese Philosophiebeschreibung als Erkenntnis
von besonderer Tiefe und Einsicht, und zwar im Hinblick darauf, daß die
Selbsterkenntnis des Menschen eine Erkenntnis der gesamten Weltwirklich-
keit mit sich bringe. Isaak erläuterte diesen Gedanken — auch hierin Alkindi
folgend 9 —, indem er des näheren darlegte, daß die Selbsterkenntnis des
Menschen sich auf seine geistige und seine körperliche Natur sowohl in sub-
stantieller als auch in akzidenteller Hinsicht erstrecke und somit in der
menschlichen Selbsterkenntnis die Erkenntnis der gesamten Weltwirklichkeit
beschlossen sei 10 . Die Magister, die den Iudaeus kommentieren, knüpfen in
ihren Auslegungen der Definition an diese Erläuterung an. Den Kern ihrer
Interpretationen bildet daher der stets wiederkehrende Gedanke, daß der
Mensch die geistige und körperliche Natur auf bestimmte Weise in sich ver-
einigt und somit in der Erkenntnis seiner selbst zugleich eine Erkenntnis der
Gesamtheit der Dinge erlangt. Ihr Bemühen richtet sich darauf darzulegen,
wodurch es in der Selbsterkenntnis des Menschen prinzipiell zu einer Er-
kenntnis der Gesamtheit der Dinge kommen kann. Die Leitidee ihrer Aus-
legungen bildet explizit oder implizit die traditionsreiche Idee vom Menschen
als Mikrokosmos, wonach die Weltdinge auf bestimmte Weise — nämlich
entweder im Sinne einer Realentsprechung oder einer Analogie oder einer
Finalbeziehung — im Menschen gegenwärtig sind. Im ersten Fall gehen die
Autoren davon aus, daß der Mensch sämtliche Naturen in bestimmter Weise
substanzhaft in sich vereinigt, die auch sonst in der Welt im großen existieren;
so heißt es beispielsweise in einem bisher nicht datierten De animalibus-Kom-
phiae of Dominicus Gundissalinus, in: The New Scholasticism 25 (1951), 253 — 281, hier:
281.
8 Albert der Große, Metaphysica XI tr.2 c.10 (Ed. Colon. XVI/2, 495, 1.71 - 7 3 ) .
9 Altmann/Stern, Isaac Israeli (Anm. 7), 202.
10 Isaak ben Salomon Israeli, Liber de definicionibus (ed. Mückle, 306, 1.1—23): „Philosophiae
vero desmpcio ex säenäa sua est quod pbüosophia est cognido hominis sui ipsius, et haec edam est longae
profunditatis et sublimis intelligendae; homo enim cum seit seipsum vera cognidone sui cum spiritualitate et
corporeitate sua, tunc iam comprehendit sdenciam tocius, scilicet sdendam substanciae spiritualis et substan-
dae corporeae; in homine enim aggregata sunt substantia et aeddens. Et substanda quidem est duae
substandae quarum una est spiritualis sicut anima et intelligenda, et altera est corporea sicut corpus longum,
latum, profundum; et similiter aeddens est secundum duos modos; aliud enim est spirituale et aliud est
corporeum; spirituale autem est sicut padencia et sdenda et reliqua aeddenda spiritualia existenda in
anima, et corporeum quidem est sicut nigredo et albedo et rubedo et dtrinitas et spissitudo et varietas et
reliqua aeddenda existenda in corpore. Cum hoc ergo ita sit, tunc iam manifestum est quod cum homo
sat seipsum cum spiritualitate et corporeitate sua, tunc iam comprehendit sdendam todus, sdlicet substan-
ciam spiritualem et substandam corpoream. Et sdt substandam primam creatam ex virtute creatoris absque
medio appropriatam subiectione diversitatis, et seit aeddens primum generale divisum in quantitatem et
qualitatem et reladonem, et sdt reliqua aeddenda sex composita, nata ex composidone substandae cum
aeddentibus tribus simplidbus". Cf. ibid., 331.
mentar in der Marciana zu Venedig, daß im minor mundus die Naturen aller
D i n g e des M a k r o k o s m o s z u s a m m e n k o m m e n 1 1 und somit anteilsmäßig gege-
ben sind. I m zweiten Fall n e h m e n sie an, daß der M e n s c h in einer A h n l i c h -
keitsbeziehung zu allen D i n g e n der W e l t steht und diese so in sich spiegelt;
eine traditionelle, beispielsweise v o n Engelbert Poetsch v o n A d m o n t in sei-
n e m „Tractatus de naturis animalium" (nach 1 2 8 7 ) a u f g e g r i f f e n e Vorstellung
ist, daß die Teile der Welt im g r o ß e n in A n a l o g i e zu denjenigen der Welt im
kleinen p r o p o r t i o n i e r t s e i e n 1 2 , oder die A u t o r e n h e b e n bestimmte Ä h n l i c h -
keiten i m A u f b a u (Organisation) oder in den Funktionen beider Welten und
ihrer Teile h e r v o r . I m dritten Fall schließlich sehen die Magister die G e s a m t -
heit des Seienden i n s o f e r n im M e n s c h e n präsent, als dieser das Ziel darstellt,
auf das alles in gewisser Weise hingeordnet sei; in diesem Sinne äußert sich
etwa Roger B a c o n in seinen Quaestionen zur aristotelischen Physik (wohl
1241/1247)13.
E n t s p r e c h e n d diesen Auslegungsweisen erklären die A u t o r e n die „Prä-
senz" der D i n g e im Menschen, die eine G e s a m t w e l t e r k e n n t n i s im Vollzug
der Selbsterkenntnis ermöglichen soll, gleichfalls entweder i m Sinne einer
Realentsprechung o d e r einer Analogie o d e r einer Finalbeziehung — nicht
selten nebeneinander o d e r miteinander vermischt. Z u n e n n e n sind u. a. Ps.-
A d a m v o n B o c f e l d im P r o l o g zu seinem spätestens in den fünfziger J a h r e n
entstandenen „Scriptum super librum de causis" 1 4 , A r n u l f v o n der P r o v e n c e
transcendit, continet causas, que supereminet\ sie intelkctus anime virtutes sensibiks, et sicut orbis primus
ex motore et mobili componitur, ut scribitur in octavo phisicorum:,Mobile primum dividitur in talia duo,
quorum unum movet et alterum movetur', sie intelkctus ex duabus differentiis iungitur; quarum una est,
qua est omnia facere, et bec est sicut motor; alia vero, in qua est omnia fieri, et hec est sicut mobile. Irradiat
enim agens luce spiritual! super possibikm fantasmata detegendo eaque uniendo sicut super colores.
Potenityie vero sensitive, que deforis sunt manifeste, quinque sunt sensus particulares. Que vero deintus
occulte in duas partiuntur: in sensitivam communem, que apprehendit ad rei presentiam, et fantasiam vel
ymaginationem, que sola ratione diffijnitioriyis ad rei absentiam apprehendit {-dunt cod.). Iste vero Septem
orbes inferiores eorumque motus configurant. Sicut enim spera spere e contrario movetur et revolvitur, sie
appetitus appetitui, ut patet in capitulo de movente; unde subditur; et sursum unum aliorum ärculorum
divisit in VII circulos, quatenus essent orbijum) motus anime motus. Unde dicit Ysaac: ,Homo cum se
ipsum cognoscit cognitione sui cum spiritualitate et corporeitate sua, tunc iam comprehendit scientiam totius,
scilicet säentiam substantie corporee et spiritualis; propter quodphilosophia est cognitio sui ab homine"'.
15 Arnulf von der Provence, Divisio scientiarum, ed. C. Lafleur, Quatre introductions ä la
philosophie au XHIe siecle. Textes critiques et etude historique, Montreal — Paris 1988,
2 9 5 - 3 5 5 , hier: 310, 1.139-142 (Universite de Montreal, Publications de l'Institut d'Etudes
medievales 23).
16 Anonymus, Sicut dicit Ysaac, zit. nach R. Imbach, Einführungen in die Philosophie aus dem
XIII. Jahrhundert, in: Freib. Z. Philos. Theol. 38 (1991), 471 - 4 9 3 , hier: 486 sq. und ergänzt
aus der Münchner Handschrift Clm 14460, fol. 167ra: „Teräa diffinitio est: Philosophia est cognitio
sui ipsius ab homine, secundum quod diät Alga^el, quod,cognosce te ipsum et cognosces omnia', quia in
homine est substanäa et accidens et omne, quod est, aut est substanäa aut accidens, ut diätur in istis
versibus: ,Summus Aristotiks trutinando cacumina rerum in duo divisit quiequid in orbe fuit', scilicet in
substanäam et aeädens. Hec autem omnia sunt in homine secundum speäem, quoniam substanäarum alia
corporea et corruptibilis, alia incorporea et incorruptibilis. Hec duo sunt in homine. Est enim ibi corpus,
quod est substanäa corporea et corruptibilis, et est ibi anima, que est incorporea et incorruptibilis. Item
non est ibi nisi duplex aeädens, sälicet aeädens spirituale et accidens sensibik. Ista enim duo sunt in
homine. Ibi enim est albedo et nigredo etc., et hec sunt aeeidenäa sensibilia. Ibi eäam est virtus et säenäa,
hec autem sunt aeädenäa spiritualia. Et sie patet, quod, qui se complete cognosceret, quodammodo
omnia cognosceret. Et dico ,quodammodo', quia non cognosceret omnia sub formis propriis, set sub
speäe, quia homo convenit cum omnibus, que sunt. Sic ergo patet, quod philosophia est cognitio sui
ipsius ab homine".
17 Anonymus, Secundum quod testatur Ysaac, zit. nach Imbach, Einführungen, 487, ergänzt
aus Brugge, Stedelijke Openbare Bibliotheek, 496, fol. 79ra: „Secunda diffinitio est: Philosophia
est cognitio sui ipsius ab homine, sälicet effectu, quia faät hominem se ipsum cognoscere. Unde diät Algayel:
,Cognoscere se ipsum est cognoscere omnia', quia in homine, sälicet in te, est substanäa et aeädens et
substanäa corporea et incorporea, sälicet corpus et anima et aeädens spirituale et intelligibile, et säenäa et
virtus in anima, et aeädens naturale et sensibile, ut album et tempus; et omne, quod est, aut est substanäa
aut accidens secundum illud: ,Summus Aristotiks speculando cacumina rerum in duo divisit, quiequid in
orbe fuit', id est in substanäam et aeädens. Et omnis substanäa est corporea vel incorporea, et omne
aeädens est spirituale vel naturale; et ita in homine sunt quodammodo omnia, sälicet in suo communi et
non sub propriis formis. Unde nos sumus quodammodo finis omnium. Ideo est, quod homo diätur microcos-
mus, id est minor mundus, quia in illo sunt omnes res, sicut in maiori mundo, non tarnen sub formis
propriis. Et ideo homo, qui se ipsum cognosät, cognosät quodammodo et omnia et estphilosophus".
18 Aubricus von Reims, Philosophia, ed. R.-A. Gauthier, Notes sur Siger de Brabant II. Siger
en 1272 — 1275, Aubry de Reims et la scission des Normands, in: Rev. Sc. philos. theol. 68
(1984), 2 9 - 4 8 , hier: 38, 1.212-213.
19 Petrus Hispanus, Sententia cum questionibus in libros de anima Probl.3 q.6 ctr.3, ed.
M. Alonso Alonso, Pedro Hispano: Obras filosoficas, II: Comentario al „De anima" de
Aristoteles (Istituto de Filosofia „Luis Vives", Serie A, num. 3), Madrid 1944, hier: 126,
1.1—7. Zu den kontroversen Fragen der Autorschaft und der Datierung R.-A. Gauthier,
Prolegomena, in: Thomas von Aquin, Sentencia libri de anima (Ed. Leon. XLV/1, 239*)
und J. F. Meirinhos, Petrus Hispanus Portugalensis? Elementos para uma diferenciapao de
autores, in: Rev. esp. Filos. med. 3 (1996), 51 - 7 6 , hier: 67 und 75.
20 Anonymus, Compilatio de libris naturalibus Aristotilis (Cambrai, Bibliotheque municipale,
A. 1008, fol. 88rb —va): „Intellectiva vero hominis descripte sunt omnes rationes omnium intelligibilium;
in ipsa etiam est vera similitudo dei. Unde et qui cognoscit hominis intelkctivam, omnium habet noütiam".
21 Johannes Pagus, Scriptum super Porphyrium (Cittä del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vati-
cana, Vat.lat. 5988 (= V), fol. 63ra — 81 va, hier: 63va; wir zitieren nach diesem Vaticanus,
wobei mit der Sigle Ρ Varianten des Codex Padova, Biblioteca Universitaria, 1589, fol.
3ra —22va vermerkt werden): „Si vero sit organica et animata, aut est animata anima vegetativa (est
... veg.] vegetabili P) tantum aut sensibili aut intellectiva (intelligibili P). Siprimo modo, sie est Uber de
plantis, secundo modo Uber de animalibus, tercio modo liber de anima". Zur Datierung und Zuweisung
an Johannes Pagus: M. Dunne, Magistri Petri de Ybernia expositio et quaestiones in Aristote-
lis librum de longitudine et brevitate vitae (Philosophes medievaux 30), Louvain-la-Neuve
etc. 1993, 4 - 5 .
22 Johannes Pagus, Scriptum super Porphyrium (Cittä del Vaticano, BAV, Vat.lat. 5988, fol.
63ra): „Et sic homo tarn (tarn] quam Ρ) α parte corporis quam α parte anime omnia in se quodam modo
comprehendit. Propter hoc (hoc\ quod V) fortasse diät Ysaac, quod philosophia est (est om. P) cognitio sui
ipsius ab (ab e corr. V) homine. Si enim homo peifecte se ipsum cognosceret, omnia quodam modo cognosceret.
Sed (omnia ... sed om. P) quia res cognostibiles (conditionales P) non sunt actu unite anime ipsi per
naturam, ideo indiget aliquo medio, per quod ille res eidem uniantur. Hoc autem est scientia, que est unio
scibilis cum sciente". Cf. Aristoteles, An. III 8 (431 b 2 2 - 2 3 ) .
II.
32 Petrus Johannis Olivi, Quaestiones in II librum Sententiarum q.76, ed. B. Jansen, Fr. Petrus
Iohannis Olivi O. F. M., Quaestiones in secundum librum sententiarum, III (Bibliotheca
Franciscana Medii Aevi 6), Ad Claras Aquas (Quaracchi) 1926, 1 4 5 - 1 4 9 .
33 Roger Marston, Quaestiones disputatae q.l, eds. PP. Collegii S. Bonaventurae (Bibliotheca
Franciscana Scholastica Medii Aevi 7), Quaracchi 1932, 201 — 227.
34 Zur Terminologie Thomas von Aquin, Summa contra gentiles III c.46 (Ed. Leon. XIV,
123 a).
35 So im anonymen Commentum in de anima Prol. (Erfurt, Wissenschaftliche Allgemeinbiblio-
thek, CA 2° 308, fol. 44vb): „Ideo dicit Commentator 3° de anima, quod quando homo cognosdt
omnia per animam et maxime se ipsum, tunc cognosdt deum et quodammodo omnia alia".
36 Algazel, Metaphysica I tr.3, ed. J. T. Mückle, Algazel's Metaphysics: A Mediaeval Translation,
Toronto 1933, 64,1.9 — 13. Zur Deutung dieses Textes ist sehr hilfreich die Ubersetzung von
M. Alonso Alonso, Algazel, Maqasid Al-Falasifa ο Intenciones de los filösofos. Traducciön,
prölogo y notas (Libros „Pensamiento", Serie: Difusiön 3), Barcelona 1963, 151.
37 Anonymus, De spiritu et anima c.6 (PL 40, 783); Aristoteles, An. III 8 (431 b20 sqq.).
von vornherein nicht. Den übrigen, mehr oder minder stark neuplatoni-
schem und augustinischem Gedankengut verpflichteten Magistern stand
prinzipiell der Weg zu einem Denkmodell offen, in welchem die Seele,
von sich selbst als Erkenntnisprinzip ausgehend, die Welt begreift. Manche
von ihnen haben diese Möglichkeit auch gesehen und sie als solche
artikuliert.
Den spekulativ fruchtbarsten Ansatz bot zweifellos Dietrich von Freiberg
mit seiner weit über die eigene Zeit hinausweisenden Konzeption des
menschlichen Intellekts40, der nicht nur naturhaft als geistiges Prinzip des
einzelnen Menschen, sondern vor allem als transempirische Intellektualität in
seinem Wesen als Intellekt zu denken ist. Das für das dreizehnte Jahrhundert
unerhört Neue von Dietrichs Ansatz, der zugleich durch eine gewisse Gedan-
kenähnlichkeit mit bestimmten Elementen des transzendentalphilosophi-
schen Ansatzes Kants überrascht 41 , besteht darin, — weit über Albert den
Großen hinaus — den menschlichen Intellekt als Intellekt auf seine innere
dynamische Struktur hin reflektiert zu haben. So wie der tätige Intellekt als
intellectus per essentiam sich erkennend selbst besitzt, erkennt er alles Andere
seiner selbst, das gesamte Seiende. Er erkennt es durch seine eigene Wesen-
heit, in derselben Weise, wie er sich selbst erkennt, und durch denselben
einfachen Erkenntnisakt. Er ist Urbild und Ähnlichkeit des Seienden als Sei-
enden42, in intellektueller Weise gewissermaßen das gesamte Seiende43 oder
— in der Formulierung von Kurt Flasch — „substantielle geistige Gegenwart
der Gesamtheit der Welt"44. In diesem Leben aber ist es nicht so, daß der
tätige Intellekt gänzlich zur Form des möglichen Intellekts, mit dem wir
40 Zu Dietrichs Intellektlehre insgesamt äußerten sich B. Mojsisch, Die Theorie des Intellekts
bei Dietrich von Freiberg (Beihefte zu Dietrich von Freiberg Opera omnia 1), Hamburg
1977; id., Dietrich von Freiberg, Abhandlung über den Intellekt und Erkenntnisinhalt. Über-
setzt und mit einer Einleitung herausgegeben (Philosophische Bibliothek 322), Hamburg
1980, XV-XXXIV; id., Dietrich von Freiberg: Tractatus de origine rerum praedicamentalium,
in: K. Flasch (ed.), Interpretationen, Hauptwerke der Philosophie, Mittelalter (Universal-
Bibliothek 8741), Stuttgart 1998, 3 1 8 - 3 3 2 ; K. Flasch, Das philosophische Denken im Mit-
telalter. Von Augustin zu Macchiavelli (Universal-Bibliothek 8342[8]), Stuttgart 1986,
397sqq.; id., Convert! ut imago - Rückkehr als Bild, in: Freib. Z. Philos. Theol. 45 (1998),
1 3 0 - 1 5 0 ; Putallaz, La connaissance (Anm. 23), 3 0 3 - 3 8 0 ; T. Suarez-Nani, Remarques sur
l'identite de l'intellect et l'alterite de l'individu chez Thierry de Freiberg, in: Freib. Z. Philos.
Theol. 45 (1998), 9 6 - 1 1 5 .
41 Cf. K. Flasch, Von Dietrich zu Albert, in: R. Imbach/Ch. Flüeler (eds.), Albert der Große
und die deutsche Dominikanerschule. Philosophische Perspektiven, Freiburg (Schweiz) 1985,
7 - 2 6 , hier: 9 sq. (Sonderdruck aus der Freib. Z. Philos. Theol., Band 32 [1985]); id., Kennt
die mittelalterliche Philosophie die konstitutive Funktion des menschlichen Denkens? in:
Kant-Studien 63 (1972), 1 8 2 - 2 0 6 ; Mojsisch, Die Theorie (Anm. 40), 77sqq.
42 Dietrich von Freiberg, De visione beatifica 1.1.5, 1 (Opera omnia I, 30, 1.62-69); ibid.,
1.1.4, 1 (28, 1.2-4); 1.2.1.1.7, 4 (43, 1.31-33); id., De intellectu et intelligibili II 1, 1 (Opera
omnia I, 146, 1.5-6); ibid., II 40, 1 (177, 1.62).
43 Dietrich von Freiberg, De visione beatifica 1.1.4, 1 (Opera omnia I, 2 8 - 2 9 , 1.10-13).
44 Flasch, Das philosophische Denken (Anm. 40), 400.
erkennen, wird und diesem die ganze Fülle der in ihm aufstrahlenden Wahr-
heiten mitteilt 45 . Unser gegenwärtiges Erkennen ist keine unmittelbare Schau,
sondern vollzieht sich schrittweise46.
III.
45 Dietrich von Freiberg, De visione beatifica 4.2.1., 4 (Opera omnia I, 107, 1.56-59). Cf.
E. Krebs, Meister Dietrich (Theodoricus Teutonicus de Vriberg). Sein Leben, seine Werke,
seine Wissenschaft (BGPhMA 5 / 5 - 6 ) , Münster 1906, 115 sq.; Albert der Große, De anima
III tr.3 c.l2 (Ed. Colon. VII/1, 224, 1.90 - 225, 1.15).
46 Cf. Krebs, Meister Dietrich (Anm. 45), 118; K. Flasch, Aufklärung im Mittelalter? Die Verur-
teilung von 1277 (excerpta classica 6), Mainz 1989, 195.
BURKHARD MOJSISCH ( B O C H U M )
1 Aristoteles, Kategorien, Hermeneutik ..., gr./dt., hrsg., übers., mit Einleitungen und Anm.
vers, von H. G. Zekl, Hamburg 1998, X (PhB 493).
2 Cf. Augustinus, Conf. IV 16, 28. - Diese Schrift erwähnte Augustins Rhetoriklehrer in
Karthago stets nur mit vor Dünkel aufgeblasenen Backen, was Augustin nach ihrer Lektüre
unverständlich war. - Zum Schicksal der aristotelischen Kategorienschrift vor Boethius cf.:
L. Minio-Paluello, Opuscula. The Latin Aristotle, Amsterdam 1972, 3 0 - 3 3 .
3. Weder bei Aristoteles noch bei Augustin noch bei Boethius findet sich
freilich eine derartige Theorie; Dietrich5 nennt gleichwohl diese Autoritäten,
um nicht gänzlich allein dazustehen; es bleibt jedoch: Dietrich war der
πρώτος εύρετής, der primus inventor, einer ausgearbeiteten intellekttheoretisch
fundierten Kategorialanalyse. Zu Recht verdient Dietrich daher den Titel „der
niuwe meister"6, der ihm allerdings von einem anonymen Autor des
XIV. Jahrhunderts aufgrund seiner aristotelisch-augustinisch-proklischen
3 Cf. B. G. Dod, Aristoteles Latinus, in: N. Kretzmann/A. Kenny/J. Pinborg (eds.), The Cam-
bridge History of Later Medieval Philosophy, Cambridge - New Y o r k - N e w Rochelle - Mel-
bourne—Sydney 1982 (first paperback edition 1988), 4 5 - 7 9 .
4 Cf. Theodoricus de Vriberch (Dietrich von Freiberg), Tractatus de origine rerum praedica-
mentalium, ed. L. Sturlese, Hamburg 1 9 8 3 , 1 3 5 — 201 (Corpus Philosophorum Teutonicorum
Medii Aevi II, 3). - Zur Interpretationsgeschichte cf.: Β. Mojsisch, Dietrich von Freiberg:
Tractatus de origine rerum praedicamentalium, in: K. Flasch (ed.), Hauptwerke der Philoso-
phie: Mittelalter, Stuttgart 1998, Anm. 1 sq.
5 Cf. Theodor., De orig. 5, 2; 181, 1 2 - 1 9 .
6 Anonymus, in: Fr. Pfeiffer (ed.), Meister Eckhart. Predigten, Traktate, Leipzig 1 8 5 7 (ND
Aalen 1962), 251 (Predigt 77); 622 sq. (Sprüche 65). - Cf. Dietrich von Freiberg, Abhand-
lung über den Intellekt und den Erkenntnisinhalt, übers, und mit einer Einl. hrsg. von B.
Mojsisch, Hamburg 1980, XXII u. XXXIII, Anm. 61 (PhB 322). - Cf. auch: K. Ruh,
Geschichte der abendländischen Mystik III, München 1996, 186 sqq.
Theorie 7 des tätigen Intellekts als des abditum mentis oder der hypostatischen
Vernunft zuerkannt worden ist; von mir erhält er diesen Titel gerade auch
wegen seiner neuartigen Theorie intellektualer Konstruktivität im Falle des
durch den tätigen Intellekt verwirklichten möglichen Intellekts, wobei er das
Bedingungsverhältnis zwischen tätigem und möglichem Intellekt jedoch erst
in späteren Schriften näher expliziert. Die Konzeption einer solchen Theorie
intellektualer Konstruktivität lag freilich gleichsam in der Luft.
4. Averroes 8 spricht von einer Form, die in der Seele, und einer Form,
die im Körper anzutreffen sei; die Form im Körper stamme aber von der
Form in der Seele, präziser: Beide Formen seien identisch. So sei die Gesund-
heit als Form oder Begriff in der Seele nichts anderes als die Gesundheit als
Form im Körper; denn wer weiß, was die Gesundheit ist, nämlich der Medizi-
ner, vermag sie am ehesten auch im körperlichen Bereich zu bewirken. —
Dieses Modell des Averroes gilt freilich nur im Rahmen der artifiziellen Ver-
nunft; Dietrich verwendet es translative, also im Bereich der theoretischen
Vernunft, des verwirklichten möglichen Intellekts.
Albert der Große 9 konstatiert in seiner „Metaphysica": „Sed hoc est non prae-
tereundum, quod in his formis quae nullo modo sunt in potentia materiae, intellectus est
formae prima causa". (,Dies aber darf nicht übergangen werden, daß im Falle
derjenigen Formen, die überhaupt nicht in der Möglichkeit der Materie anzu-
treffen sind, der Intellekt Erstursache für die Form ist'.) Diese nicht näherhin
explizierte Sentenz Alberts dürfte Dietrich aufgegriffen, mit der aristoteli-
schen Definitionstheorie verbunden und zu seiner eigenen Theorie intellek-
tualer Effizienzursächlichkeit bezüglich der wesentlichen Prinzipien des na-
türlichen Seienden ausgearbeitet haben. Schon bei Albert begegnet jedenfalls
das Theorem, daß der (theoretische) Intellekt Primärursache der Form (der
Washeit) des Naturgegenstandes ist; Albert sagt allerdings noch nicht, an
welche Art von Ursache er dabei denkt; vielleicht hat er Dietrich in Köln
sogar einmal aufgefordert, diese Theorie näher zu entwickeln; vielleicht war
es sogar Dietrich, der Albert entsprechende Gedanken vortrug und ihn zu
dieser singulären Bemerkung veranlaßte; das bleibt jedoch reine Spekulation.
Siger von Brabant 10 vertritt eine Mittelposition: Die Theorie, der intellectus
possibilis sei ein intellectus passivus, lehnt er ab; gleichwohl ist für ihn der Intellekt
7 Cf. zu dieser Theorie: B. Mojsisch, Die Theorie des Intellekts bei Dietrich von Freiberg,
Hamburg 1977, 4 6 - 7 1 .
8 Cf. Averroes, In Aristotelis Metaph. VII, in: Aristotelis Opera cum Averrois Commentariis,
vol. VIII, Venetiis 1562 (ND Frankfurt a. M. 1962), 173 ν I.
9 Albertus Magnus, Metaph. VII 2, 10; Ed. Colon. XVI/2, 353, 8 7 - 8 9 .
10 Cf. Siger de Brabant, Quaestiones in tertium De anima ..., ed. B. Bazän, Louvain — Paris
1972, 18, 25 — 28: „Cum igitur ,in' intellectu nulla sit transmutatio, vult AVERROES quod in eo
nulla sit materia et in intellectu nulla sit passio vel transmutatio, ut vult AVERROES, sed sola receptio".
Ibid., 40, 24 — 27: „Intelligas tarnen quod intellectus possibilis non est,naturae' materialis ad comprehen-
sionem intelligibilium, quia plus aguntur intelligibilia ab intellectu quam agatur,intellectus' ab intelligibili-
bus". Ibid., 43, 98 - 1 0 0 : „ Vel aliter dicendum quod plus videtur intellectus movere intelligibilia quam
moveri ab intelligibilibus".
nicht schlechthin aktiv; er ist rezeptiv, insofern aber bedingt aktiv: Der Intel-
lekt erkennt; insofern ist er aktiv; er erkennt aber nur aktiv, indem er seinen
universalen Erkenntnisinhalt rezipiert.
6. Das Neue bei Dietrich gegenüber Aristoteles: Die Form war bei Aristo-
teles stets ενέργεια, actus, Wirklichkeit; bei Dietrich ist sie nur potentiell
Wirklichkeit; erst dann, wenn sie durch den Intellekt als ihre Effizienzursache
aus ihrer Möglichkeit in die Wirklichkeit überführt wird — was insofern not-
wendig ist, als nichts sich selbst aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit ver-
setzt —, vermag sie ihre wirklichkeitsbegründende Funktion auszuüben.
Innovativ gegenüber Aristoteles ist bei Dietrich aber auch folgende Argu-
mentation: Die Form als die Washeit mit ihren vor dem Ganzen anzutreffen-
den Teilen, der Gattung und der spezifischen Differenz, wird vom verwirk-
lichten möglichen Intellekt konstituiert, aber nicht nur die Washeit, sondern
auch das Was selbst, die species, die dem Naturgegenstand immanent ist 14 .
Washeit und Was determinieren den Naturgegenstand als ganzen, dies unter
intellekttheoretisch-metaphysischer Perspektive. Für den Akt der Determina-
tion, in dem der Intellekt dem Naturgegenstand die ihm, nämlich diesem
Gegenstand, eigentümlichen Prinzipien, also die Teile der Form als Washeit,
zuerkennt, führt Dietrich folgendes Argument an: „Praeterea in hac hominis
ratione, quae est animal rationale, duplicem invenimus distinctionem. Unam, quae est
harum formalium partium, scilicet animal, rationale, inter se; aliam, quae est istius ratio-
nis ab ea re naturae, cuius ista est propria ratio, ut ab homine. Neutram autem istarum
facit natura: Operatio enim naturae non terminatur nisi ad rem naturae inquantum
huiusmodi. Hae autem partes inter se simul etiam cum re subiecta sunt una res naturae.
11 Cf. Theodor., De orig. 5, 15; 184, 100 — 103: „Forma enim se ipsam non determinat in matenam,
sed est in ratione potentiae respectu determinantis ipsam, cum ipsa secundum se non sit ens completum, sed
illud solum, quod componttur ex ipsa et subiecto".
12 Cf. Theodor., De orig. 5, 15; 184, 1 0 3 - 1 0 9 .
13 Cf. Theodor., De orig. 5, 45; 194, 450 — 452: „Relinquitur igitur secundumpraediäa, quod intellectus
respectu verum primo et per se intelligibilium habeat rationem et modum causae effiäentis". — Dies wird
nach längeren Analysen Dietrichs als Resultat festgehalten. Aufgeworfen wird das Problem
bereits: De orig. 5, 15.
14 Cf. Theodor., De orig. 5, 26; 187, 2 2 1 - 2 2 4 .
Sunt igitur huiusmodi ab intellectu distinguente et per hoc effiäente ea: Idem enim est in
huiusmodi distinguere et efßcere"15. (.Außerdem stoßen wir in der Bestimmung
des Menschen, nämlich .vernünftiges Lebewesen', auf eine doppelte Unter-
scheidung: die eine, die zwischen den formalen Teilen, nämlich ,Lebewesen'
und .vernünftig', untereinander besteht; die andere, die 2wischen dieser Be-
stimmung und demjenigen Naturding, für das dies die ihm eigentümliche
Bestimmung ist, so dem Menschen, anzutreffen ist. Keine dieser Unterschei-
dungen aber trifft die Natur; denn die Tätigkeit der Natur richtet sich nur
auf das Naturding als solches. Diese Teile untereinander aber bilden zusam-
men mit dem zugrundeliegenden Ding das eine Naturding. Derartiges
stammt folglich vom Intellekt, der es unterscheidet und dadurch bewirkt: Bei
derartigem sind nämlich das Unterscheiden und das Bewirken identisch'.)
Der Intellekt wirkt somit in seinem Unterscheiden auf den Naturgegenstand
und verbindet auf diese Weise Differentes zu dem einen Naturgegenstand,
freilich stets und ausschließlich so, daß der Naturgegenstand ein Was ist und
washeitliches Sein besitzt: „ . . . in eo, quod est quid et habet esse quiditativum'nb.
Hinsichtlich der Differenz zwischen Natur und Intellekt als solchen kon-
statiert Dietrich, daß alle Formen, die im Bereich der entsteh- und vergehba-
ren Natur anzutreffen sind, nichts anderes sind als bestimmte Formen, indivi-
duelle Formen. Der Gegenstand des Intellekts ist hingegen kein bestimmtes
Seiendes als bestimmtes, kein ens hoc ut hoc, sondern Seiendes schlechthin, ens
simpliäter. Da somit die Natur im Bereich der entsteh- und vergehbaren Dinge
nur bewirkt, daß bestimmte Seiende, individuelle Seiende, der Wirklichkeit
nach existieren, bringt sie Seiendes schlechthin nur dadurch hervor, daß sie
Individuen hervorbringt und deren sukzessiven Zusammenhang bewirkt. In-
sofern begegnet im Naturbereich Seiendes schlechthin als ganzes allerdings
nur der Möglichkeit nach, wobei unter ,Seiendem schlechthin' Allgemeines
im Sinne der Art als ganzer zu verstehen ist. Seiendes schlechthin als Gegen-
stand des Intellekts ist aber nicht Seiendes der Möglichkeit, sondern der
Wirklichkeit nach, sonst wäre dieser Gegenstand gar nicht Gegenstand in
strengem Sinne des Wortes. Daher verdankt die Form als reale Form diese
ihre Seiendheit der Tätigkeit des Intellekts. Wenn die allgemein anerkannte
Sentenz, daß der Intellekt in den Dingen das allgemeine Wesen hervorbringe,
nach Dietrich einen Sinn ergeben soll, dann nur insofern, als der Intellekt
dieses allgemeine Wesen real begründet und zugleich auch den Naturgegen-
stand als Was durch die Washeit konstituiert und dadurch Realität gewinnen
läßt 17 .
Es bleibt jedoch noch ein möglicher Einwand: Mag der Intellekt auch dem
Naturgegenstand die diesem Gegenstand eigentümlichen Prinzipien zuerken-
nen, so geschieht dies freilich nur auf die Weise des Erkennens, so daß gar
de veritate III 3, 7.
2 1 Cf. Theodor., De orig. 5, 30; 189, 2 6 4 - 2 6 9 .
2 2 Cf. Theodor., De orig. 5, 36 sq.; 191, 3 4 6 - 1 9 2 , 383. - Cf. K. Flasch, Kennt die mittelalterli-
che Philosophie die konstitutive Funktion des menschlichen Denkens? Eine Untersuchung
zu Dietrich von Freiberg, in: Kant-Studien 63 (1972), 182 — 206. Flasch prägte in bezug auf
den hier vorliegenden Zusammenhang geglückterweise den Begriff „Simultankausalität" in
dem Sinne, daß jeder Naturgegenstand drei Ursachen besitzt, von denen er zugleich und als
ganzer hervorgebracht wird: das primum principium, Gott, die Natur und den verwirklichten
möglichen Intellekt. Diese Simultankausalität hat jedoch nur bedingt Geltung, nämlich im-
mer dann, wenn der Intellekt seine Aktivität ausübt. Dietrich formuliert entsprechend: „ . . .
quamvis huiusmodi res etiampraeter intellectum inveniri potest in natura . . . " (Theodor., De orig. 5,
37; 192, 382). Ein Naturgegenstand ist demnach auch dann Naturgegenstand, wenn er nicht
erkannt wird. Dietrich war somit nicht Kant, was Flasch aber selbst bereits 1972 angezeigt
hat: „Die Lehre von der Simultankausalität hätte also den Sinn, eine Berufung auf die konsti-
tutive Funktion unseres Denkens dann abzuweisen, wenn nach der empirischen Ursache
eines Naturvorgangs gefragt wird" (Flasch, 193). Gleichwohl bewegte sich Dietrichs Philoso-
phie hinsichtlich ihres Theorems konstitutiv-konstruktiver, effizient-kausaler, nicht durch
Passivität ausgezeichneter Intellektualerkenntnis in der Nähe der Philosophie Kants. Dietrich
sprach freilich stets von res (Dingen) — eine Kant fremde Redeweise, da in Kants theoreti-
scher Philosophie die Dinge durch Erscheinungen ersetzt werden. Cf. zur Theorie der Er-
scheinung in der Philosophie des Mittelalters: B. Mojsisch, Phänomen, in: J. Ritter/K. Grün-
der (eds.), Historisches Wörterbuch der Philosophie 7, Basel 1989, 4 6 4 - 4 7 1 .
bile inquantum tale in eo, quod in ipso invenitur ratio, qua intelligatur: Et hoc est, inquantum habet esse
quiditativum. (43) Cum igitur hi duo ultimi modi habeant se ex parte rei extra intellectum, cum etiam
res non capiat esse quiditativum nisi per determinationem intellectus ex propriis pnnäpiis eo modo, quo
dictum est, patet, quod intellectus habet aliquo modo rationem causalispnncipii respectu rerum". — Anders
als Berthold differenziert Dietrich übrigens zwischen den res primae intentionis und den res
secundae intentionis; für beide Arten von res ist der Intellekt jedoch konstitutiv, nicht passiv
(cf. die §§ 55 und 56 des 5. Kapitels). - Cf. zu all dem: Th. Kobusch, Die modi des Seienden
nach Dietrich von Freiberg, in: K. Flasch (ed.), Von Meister Dietrich zu Meister Eckhart,
Hamburg 1984, 4 6 - 6 7 ; A. de Libera, La problematique des „intentiones primae et secun-
dae" chez Dietrich de Freiberg, in: K. Flasch (ed.), Von Meister Dietrich zu Meister Eckhart,
Hamburg 1984, 68 - 94; J. Halfwassen, Gibt es eine Philosophie der Subjektivität im Mittelal-
ter? Zur Theorie des Intellekts bei Meister Eckhart und Dietrich von Freiberg, in: Theologie
und Philosophie 72 (1997), 3 3 7 - 3 5 9 ; B. Mojsisch (ed.), Tractatus de origine rerum praedica-
mentalium, cap. V, lat./dt., in: Bochumer Philosophisches Jahrbuch für Antike und Mittelal-
ter 2 (1997), 1 2 7 - 1 8 5 .
25 Cf. Boethius, De consolatione philosophiae V, prosa 4: „... omne enim, quod cognoscitur, non
secundum sui vim, sed secundum cognoscentium potius comprehenditurfacultatem".
26 Bertholdus, Expositio ..., prop. 171 Β (im Druck).
Bewußtseins als auch Theorie des Selbstbewußtseins ist, und dies nicht etwa
aufgrund dogmatischer Setzung, sondern einsehbarer Begründung. Dazu nur
folgende Reflexion: Als Möglichkeit ist der Intellekt Bewußtsein, als Möglich-
keit der Möglichkeit aber Selbstbewußtsein, das sich bei der Begründung aller
möglichen Erkenntnisinhalte seiner Funktion als eines Prinzips, nämlich der
Möglichkeit, bewußt ist, ferner als Möglichkeit der Möglichkeit aber sich
selbst als Ursache seiner selbst begreift. Sowohl die antike Philosophie als
auch die des Mittelalters kannten eine Theorie der Selbstverursächlichung 28 .
Aber allein im Rahmen einer Theorie der Möglichkeit ist eine solche Theorie
auch zufriedenstellend legitimierbar. Die Frage nach der Möglichkeit der
Möglichkeit hat zur Antwort: nichts anderes als Möglichkeit; wenn der Intel-
lekt aber Möglichkeit und zugleich Möglichkeit der Möglichkeit ist, begreift
er als Möglichkeit der Möglichkeit sich als Möglichkeit; der Intellekt als Mög-
lichkeit der Möglichkeit erkennt somit sich als Möglichkeit und ist gleichwohl
nichts anderes als er selbst, nämlich Intellekt, da auch die Möglichkeit der
Möglichkeit nichts anderes ist als Möglichkeit. Daher begreift der Intellekt
als Möglichkeit der Möglichkeit sich als Möglichkeit, begreift somit sich
selbst und ist insofern Ursache seiner selbst, dies deshalb, weil die Mög-
lichkeit der Möglichkeit Ursache der Möglichkeit ist. Im Bereich der Mög-
lichkeit sind Ursache und Verursachtes — will man sich dieser Termini
überhaupt noch bedienen — identisch, nämlich Möglichkeit; somit ist auch
der Intellekt Ursache und Verursachtes, aufgrund ihrer Identität aber Ursa-
che seiner selbst.
Dietrichs verwirklichter möglicher Intellekt vermag zu konstruieren, also
washeitliches Sein in der Naturwirklichkeit zu konstituieren, und zwar so, daß
dadurch etwas nicht bloß intramentale, sondern am und im Naturgegenstand
als solchem extramentale Realität gewinnt. Diese Dietrichsche Theorie ist
gewiß ein wichtiger Schritt hin auf eine Theorie intellektualer Konstruktivität
schlechthin. Der Begriff der Möglichkeit wurde von ihm jedoch nicht so
durchdacht, wie er hätte durchdacht werden können. Nikolaus von Kues 2 9
war es, der am Ausgang des Mittelalters 30 in seiner Schrift „De apice theo-
28 Cf. B. Mojsisch, Die neuplatonische Theorie der Selbstverursächlichung (causa sui) in der
Philosophie des Mittelalters, in: L. G. Benakis (ed.), Neoplatonisme et philosophie medievale,
Turnhout 1997, 2 5 - 3 3 .
29 Cf. Nicolaus Cusanus, De apice theoriae; Ed. Heidelbergensis XII. — Cf. G. Santinello,
Novitä nel pensiero del tardo Cusano, in: L. Hagemann/R. Glei (eds.), EN KAI ΠΛΗΘΟΣ.
Einheit und Vielheit, FS für K. Bormann, Würzburg—Altenberge 1993, 161 —173 (Religions-
wissenschafdiche Studien 30).
30 Der Begriff .Mittelalter' findet sich zum ersten Mal in einer in Rom besorgten Apuleius-
Edition aus dem Jahre 1469. Giovanni Andrea Bussi, von 1458 bis 1464 Sekretär des Niko-
laus von Kues, sprach in dieser Ausgabe von den „mediae tempestatis homines", den .Leuten
aus dem Mittelalter', dies in dem Bewußtsein, daß eine neue Zeit angebrochen sei. Cf. loannis
Andreae episcopi Aleriensis epistola ad Paulum IIpontificem maximum, in: M. Miglio (ed.), Giovanni
Andrea Bussi. Prefazioni alle edizioni di Sweynheym e Pannartz prototipografi romani, Mi-
lano 1978, 18 (cf. auch: 17).
STEPHEN F. B R O W N ( B O S T O N )
G o d f r e y , H e n r y and S c o t u s
on the U n i v e r s i t y S t u d y of T h e o l o g y
Most studies of the period immediately after Thomas Aquinas begin with
Thomas Aquinas. This is especially the case when one discusses the scientific
nature of theology. In the „Summa theologiae", Aquinas used Aristotle's ex-
ample of a subalternated science to show the manner in which theology
could be scientific. A subalternated science receives its principles from a
1 S. J. Day, Intuitive Cognition: A Key to the Significance of the Later Scholastics, St. Bonaven-
ture, Ν. Υ. 1947. For a list of articles after the appearance of Day's book, see S. D. Dumont,
Theology as a Science and Duns Scotus's Distinction between Intuitive and Abstractive
Cognition, in: Speculum 64 (1989), 5 7 9 - 5 8 0 , nt. 2.
2 Dumont, Theology as a Science (cf. nt. 1), 579 — 599.
higher science in the way that optics borrows its principles from geometry
or music from arithmetic. Following Aristotle's subalternated form of science,
theology receives its principles from the higher knowledge or science that
God and the blessed have3. These principles have also been revealed by God
to men and men accept them on faith because God neither deceives nor is
deceived. So even though men here in this life do not see the divine realities
in the way that God and the blessed contemplate them, still believing way-
farers are certain of their truth, since the divine authority guarantees them.
No matter how familiar students might be with these texts of Aquinas and
Aristotle, quite likely they will never be as familiar with them as Henry of
Ghent was. In q. 4 of article VII of his „Summa quaestionum ordinariarum",
Henry analyses this section of Aristode's „Posterior Analytics" with a micro-
scope and discusses at length the four examples the Philosopher gives of
subalternated sciences. He then argues that not only do these examples not
fit the case of theology, but also that these four modes of subalternation are
the only possible modes of subalternation if we follow the strict sense of
Aristotle's conception of science4. So, theology, according to Henry, is not a
subalternated science. It is important to note, however, that Henry is not
saying that the study of sacred doctrine is not a science. For him, it is just
not a subalternated science, as Aquinas portrays it, based on the Aristotelian
principles and examples of subalternation.
If Henry is critical of Thomas, Godfrey of Fontaines is even more so. In
question 10 of Quodlibet IV (1287), he criticized Aquinas's model of theology
on the ground that science in the proper sense of the term requires as its
principal condition evidence for the objects it studies. If, he argued, a theolo-
gian does not have evident knowledge of the revealed truths he believes, he
can, of course, as a believer assent firmly to these truths. He has the kind of
certitude that makes him adhere unwaveringly to the truths God has revealed
in the Scriptures. Yet, he lacks the type of certitude characteristic of science,
the certitude of evidence 5 . Godfrey does not deny that there is some form
of evident knowledge that men can obtain about God, even if they are not
believers who accept divine revelation. Philosophers throughout the centuries
have argued for the existence of God and have attempted to demonstrate
6 Thomas Aquinas, Summa theologiae, II-II, q. 2, a.l. On the history of this question, see
M. Grabmann, D e quaestione ,Uttum aliquid possit esse simul creditum et scitum' inter
scholas Augustinismi et Aristotelico-Thomismi medii aevi agitata, in: Acta hebdomadis Au-
gustinianae-thomisticae ab Academia Romana S. Thomae Aquinatis indictae, Romae 1930;
Turin 1931, 1 1 0 - 1 3 9 .
7 Godfrey does not make this assumption explicit, but it is made explicit by William of
Alnwick in his Scriptum in I Sententiarum, pro!., q. 1 (cod. Padova, Biblioteca Nazionale,
291, f. 14ra): >&uia negantes tbeologiam esse proprie sciendum sive sapientiam hoc praedpue nituntur
probare ex incompossibilitate fidei ad sdentiam, ideo, antequam quaeratur de tbeologia an sit sdentia,
quaeratur utrum ab eodem intelkctu eadem obiecta possint simul esse credita per fidei adhaerentiam et scita
per evidentiam".
8 Henricus de Gandavo, Quodlibet XII, q. 2 (ed. I. Badius, 1518), t. 2, f. 485v: „Et est magnum
mirabile quod in quacumque alia jacultate peritus nititur sdentiam suam quantum potest extollere, soli
autem theologi quidam, ut philosophiam videantur exaltare, theologiam deprimunt, asserentes ipsam non
esse vere sdentiam, nec credibilia posse fieri vere intelligibilia in vita ista. Tales sibi viam sriendi et intelligendi
credibilia praecludunt, et aliis desperationem intelligendi ilia incutiunt, quod valde perniriosum est et damno-
sum Ecclesiae etpericulosum dicere".
9 Godfrey holds this stricter dichotomy in his Quodlibetum IV, q. 10 and Quodlibetum VIII,
q. 7, but he attenuates his position in Quodlibetum IX, q. 20 when he admits that theology
is a science according to the common sense of the term. See below, nt. 27.
10 Henricus Gandavensis, Summa quaestionum ordinariarum, a. XIII, q. 6 (ed. Parisiis, 1520),
t. 1, f. 94rv: „Dicendum ad hoc quod sicut in dsidplinis drca idem triplex est modus cognoscendi disdpulo
possibilis: unus ex solo auditu, quo credit dictis magistri et eius auctoritati, puta quia luna eclipsatur, si
hoc dicat ei magister eius. Alius ex aspectu corporali quo cernit oculis quia luna eclipsatur; sed propter
quid ignorat. Tertius ex ratione sola, qua certis temporibus et certis sitibus ex motibus so/is et lunae drca
terram noverit lunam necessario eclipsari, licet non videat quia nunc eclipsatur neque aliquis hoc ei dicat.
Consimiliter, in notitia eorum quae sunt fidei in hac sdentia triplex est modus cognoscendi: unus qui
est solius fidei, quasi ex auditu assentiendo divinae auctoritati, quia in scriptum sua ilia asserit (Rom.
X: ,Fides ex auditu1). Alius est ex rei creditae apparentia, quo modo cognoscunt earn sancti in patria.
Tertius modus est medius quo cognoscuntur credita non solum auditu nec apparentia rei quasi visu, sed ex
rationis evidentia qua intellectui conspicuum est naturam rei sic se habere sicut fides tenet. Quemadmodum
enim cognoscendo naturam solis et lunae et discursus eorundem drca terram per intelledus investigationem
adiutorio luminis naturalis cum generali illustratione divina potest homini notum fieri quomodo contingit
In regard to this question, we have to say that in all disciplines a student has three
possible ways of knowing the same things. One way is rooted in hearing alone:
the student simply believes what the teacher says, or in other words, accepts the
teacher's authority. For example, he believes that the moon is eclipsed just because
the teacher tells him that it is. A second way of knowing derives from physical
vision: in this case the student discerns with his eyes that the moon is eclipsed,
even though he does not know why. A third way of knowing comes from reason
alone, through which he would know at certain times and in certain situations,
based on the movements of the sun and the moon around the earth, that an
eclipse must be taking place, even though he does not presendy see that there is
an eclipse, nor does anyone tell him than an eclipse is taking place.
Likewise, in our knowledge of those realities we believe by faith there is a threefold
way of knowing. One arises from faith alone, — from hearing, as it were, — by
which someone assents to these realities on divine authority, because this authority
asserts these things in the Scriptures. As ,The Letter to the Romans' declares:
„Faith is from hearing." A second way of knowing comes from the vision of that
in which a person believes, as is the case in heaven with the saints who know the
realities in which they at one time believed. A third way of knowing is the way of
coming to know the truths of our faith, not just by hearing, nor by the presence,
as it were, to sight of the things in which we believe, but by evidence of reason
whereby it becomes clear to our intellect that the reality of that in which we believe
is just as our faith believes it to be. For just as by knowing the nature of the sun
and the moon and their movement around the earth, a man can by the intellect's
search, with the aid of his natural light and with general divine illumination, come
to know how the moon comes to be eclipsed, so, in regard to the divine world,
by knowing the realities pointed to by the terms of faith, such as .Father,' ,Son'
and ,Holy Spirit', he can, by his intellect's search, with the aid of supernatural light
and with special divine illumination, come to know that the Holy Spirit proceeds
from the Father and the Son, and not from the Father alone 1 1 . And the same
holds for other realities that are proper to the science of theology and that pertain
to faith.
lunam eclipsari, sic cognoscendo natural terminorum credibilium, ut Patris, et Filii, et Spiritus Sancti in
divinis, per intellectus investigationem adiutorio luminis supernaturalis et divinae illustrationis spetialis potest
ei notum fieri quia Spiritus Sanctus procedit a Patre et Filio et non a Patre solo, et sie de caeteris quae
sunt huius scientiae propria et adfidem pertinentia".
11 Beyond faith and beyond general illumination, a special illumination is necessary because of
the supernatural character of the objects considered.
12 Henricus de Gandavo, Summa quaestionum ordinariarum, a. 13, q. 6 (ed. cit.), f. 94v: „Unde
ad talem intellectual promerendum, primo credendum est auctoritati sacrae saipturae; deinde studio sacrae
saipturae diligenti investigatione insistendum ad hoc quod creditum est intelligendum, assistente nobis super-
naturali illustratione divina, quae nobis numquam deest in cognoscendis supernaturalibus sicut numquam
deest in cognoscendis naturalibus, secundum quod habitum est supra: si faäamus quod in nobis est et ad
eius susceptionem nos praeparemus". Cf. Quodlibet VIII, q. 14 (ed. 1518), t. II, f. 325rv.
13 Henricus de Gandavo, ibid. (ed. cit.), f. 94r. Cf. supra, nt. 3.
Nor did they appreciate Henry's seeming presumption that God gave this
theological light only to a favored few theologians, and that theologians who
did not experience it were not among the chosen:
When it is said that the reason why there are not many who have developed a
scientific habit of the objects of faith is because of the general lack of a disposition
on the part of those hearers of God's word who deny the existence of this special
light, and that it is thus not without fault that they lack this light, and that they
are not,those who are able to be taught by God' — such an explanation is intolera-
ble 1 6 .
14 Henricus de Gandavo, ibid. (ed. cit.), f. 94v: „Et patet plane, quia in omnibus huiusmodi dictis
Augustinus loquitur de intelligere huius vitae contra eos qui exponunt illud Isaiae ,Nisi credideritis non
intelligetis' solummodo de intellectu juturae vitae ad quem necessano praeambula est fides huius vitae.
Quamvis enim hoc verum sit, tamen non solum hoc verum est. Verum enim simul est et pro intelligere
praesentis vitae...".
15 Godefridus de Fontibus, Quodlibet VIII, q. 7 (ed. cit., t. 4), 80: „ Videtur inductivum desperationis
profectus in hac scientia, cum secundum cursum communem ad huius notitiam nullus videatur pervenire".
16 Ibid., 71: ,J^Juod autem diatur quod hoc, stilicet quod non inveniuntur sic perfecte habentes habitum
saentificum de his quae fidei sunt, provenit ex universali indispositione in auditoribus aliis qui hoc lumen
negant, et ideo non immerito lumine carent et non sunt dodhiles Dei (loan. 6, 45), non videtur tolerabile".
17 Cf. Ioannes Duns Scotus, Reportata Parisiensia III, d. 24, q. unica (ed. Vives, 1894), t. 23,
453: „Si dicatur quod non dat illud lumen communiter, sed sicut vult, et quibus vult, sicut Apostolis, tunc
frustra quis laboraret in studio inquirendi ventatem, et esset melior via acquirendi theologiam sedere in
ecclesia, et orare pro isto lumine habende".
claim no such special light? Does the proof for the existence of such a light
exist solely on the basis of the authorities of those who claim it 18 .
Even more practically and in the concrete setting of a university where
theology is a study that prepares students for teaching a discipline, there are
more questions to be answered. How can the competence to teach theology
be measured? If we admit Henry's special light, how can a student who
cannot offer an argument for a truth of the faith, or cannot explain the
meaning of technical terms, such as ,nature' and ,person', or is unable to
show the incorrectness of a certain heresy, claim to have a special theological
light that provides understanding of the realities of the faith? How do we
judge the legitimacy of a claim to such a special understanding when the
ability to explain and defend the faith remains unmanifested? 19
Even more, when professors are training students of theology, they are
interested in having them develop a certain habitus, a habit that does not
provide us in this life with an evident knowledge of the realities of the faith.
How can they claim that they are successful teachers if their students do not
have and are not able to show an evident knowledge of the truths of the
faith? Therefore, concludes Godfrey:
...In the present life, there is no properly scientific habit concerning the realities
of the faith. W h a t we do have is only a knowledge by which the meaning of the
Scriptures is known, that is, we can know what the Scriptures wish to signify in
this or that case, not a knowledge by which we know in themselves those things
which are handed down to us in the Scriptures 20 .
For sure, not all of these objections to Henry's position are well-grounded.
Henry himself, for instance, never viewed this theological or middle light as
a substitute for classroom effort or academic excellence. His theological light
involved an understanding that Henry viewed as dependent upon the recipi-
18 Godefridus de Fontibus, ibid., 71: ,Quantum enim ipsi qui in dido famine gloriantur excedunt alios
in habendo habitum sic vere säentißcum de his quae fidei sunt et quomodo dare docent veritatem sacrae
dodrinae evidentem prae aliis qui non ponunt nec babent tale lumen, non solum Deus novit, sed est apud
homines manifestum".
19 Godefridus de Fontibus, Quodlibet IX, q. 20 (ed. cit., t. 4), 2 8 9 - 2 9 0 : „Immo etiam cum aliquis
debet licentiari, de hoc debet magister testimonium dare licentiando. Quomodo ergo honeste potest dicere
magister huiusmodi säentiae banc sdentiam esse veram scientiam solum ex hoc, quia sancti videntur hoc
dicere? Hx hoc enim solum potent vere dicere se credere hoc esse verum, sed nesäet ita esse, quia etiam
nesdent se habere talem notitiam, quia in nulla conclusione hoc posset ostendere. Debet enim ille, qui
huiusmodi säentiae reputat se esse magtstrum, scire se competenter habere evidenüam notitiae quae in hac
sdentia convenienter est nata haben; licet ex humilitate debeat dicere se illam habere minus suffiäenter
quam haberi possit et quam habet esse in aliis. Alioquin dicere quod theologia est vere et proprie dicta
sdentia, quia sancti hoc dicunt, sed ilia qui magistri dicuntur non habent, qui tanto tempore in ea laboraver-
unt, derisibiles videntur et per hoc mags retrahentur homines ab amore huius säentiae et ab audiendo earn
quam dicendo quod non est proprie dicta sdentia".
20 Godefridus de Fontibus, ibid., 79: „Ideo in vita ista non est aliquis habitus säentificus proprie de
credibilibus, sed habetur tantum notitia qua scitur intellectus Scripturae, id est quid voluit Scriptum signifi-
care in hoc vel in hoc, non autem quae in se sduntur ea quae traduntur in Scriptura".
ent's efforts to do all that was within his abilities — as Augustine and Richard
of Saint Victor had done. And when Henry spoke of those who had or did
not have this light, it was not a matter of self-congratulations at being blessed
or at being transfixed, but a matter of acknowledging all the special gifts
given by God for the benefit of the Christian community that have been
recorded throughout Christian tradition beyond man's own efforts.
Still, if we are looking for a middle ground here in the present life between
a faith that does not offer evidence and the vision that accords evidence to
the blessed in the next life, what evidence does the faith or the divine sources
provide for the realities of the faith? We are thus forced to ask: What evi-
dence do we have for Henry's special gifts or for this privileged light? One
might make the claim that Isaiah spoke of such a light, and so did the Fathers
that Henry calls upon. Yet, these Scriptural and Patristic authorities, with all
the confidence we might have in them, are still authorities. Our confidence
is based on their authority, not on any direct evidence that they themselves
provide for the existence of such a light 21 .
Duns Scotus, who took both Henry of Ghent and Godfrey of Fontaines
very seriously, rejected Henry's lumen medium, at least in the sense of a special
light. Like many others, Scotus followed and accepted the strong critiques
that Godfrey had leveled against it. To a great extent, for Scotus, Henry's
view of theology and its special component took a back seat as a significant
positive portrait of the nature of theology that should be pursued within the
regular structures of university training.
S c o t u s ' s A l t e r n a t i v e to H e n r y ' s M i d d l e L i g h t
21 Godefridus de Fontibus, ibid., 289: Jtem, videtur quod multum sit irrationabile et verecundum,
praecipm ei qui magister Met esse huiusmodi scientiae, dicere quod in ilia haben potest notitia evidentiae
supradicta propter quod debet did sdentia proprie dicta, et non hoc ostendere rationibus, sed dicendo ita
esse, quia auctoritates sanctorum hoc dicere videntur, quae tamen a dicentibus contrarium convenienter
exponuntur et sufficienter dissolvuntur; et quod habita sit talis evidentia a sanctis qui hoc dicunt et ab Ulis
potent haben quos Deus lumine suo speciali voluit illuminare. Haec autem ponuntur et in facto consistunt,
sed nihil probant. Unde nisi aliter hoc declararetur sicut nec fuit hactenus declaratum, talia dicere nihil
aliud est quam dicere quod credendum est theologiam esse veram et proprie dictam sdentiam propter auctorita-
tem sandorum et non habere de hoc aliam certitudinem, quod est insuffidenter dictum. Si tamen possibile
est de istis habere evidentem certitudinem non quidem solum per gratiam specialem quam Deus potest
aliquibus facere per miraculosam aliquam revelatiomm, sed per Studium et humanam investigationem, qualis
est modus communis sdentiam acquirendi: cum enim communiter homines dent se studio theologiae sicut
studio aliarum sdentiarum et plus sint orbati vel defidentes quam alii qui dent se studio in aliis scientiis,
in his quae ex parte discipulorum requiruntur, nec debet supponi quod Deus eis defidat in his quae ad
hanc sdentiam habendam secundum cursum communem ad ipsos sunt exhibenda, licet ex speciali privilegio
possit illam et etiam alias scientias sine studio aliter infundere, sicut feat Apostolis vel Salomoni et uni plus
quam alii; supponendum tamen est quod saltern hi qui digni reputantur magistrari in tali sdentia habent
and vision. He replaced Henry's special theological light or lumen medium with
abstractive cognition. How did Scotus develop and alter Henry's position,
and why did he do so? Henry's theory of a lumen medium or theological light
attempted to explain how some theologians here in the present life have
some kind of evidence, though not vision, of the realities of the faith. Scotus
denied such an actual knowledge as the ordinary type of knowledge a theolo-
gian enjoys. In Book III, d. 24, after rejecting Henry's lumen medium as a
theological light that theologians in the university classroom could attain, he
speaks of a special knowledge that Paul had when he was rapt to the third
heaven and that the Apostles had, a middle type of knowledge between the
faith that ordinary believers have and the vision that the blessed enjoy. Yet,
when Scotus speaks of this middle knowledge that the prophets and Aposdes
possessed, the accent is on its certitude, not on its evidence. He argued that
it was not the beatific vision. Their certainty was so great that they could
not doubt what they believed, and, it seems, they were more strongly resolved
than later believers would be to bear the sufferings the early martyrs un-
derwent for their faith. Yet, even in this case of the stronger faith in the
Apostles and martyrs, we have no proof that their more sure assent is due
to evidence. God could give this greater certitude to the Aposdes with evi-
dence or without evidence 22 . It does not necessarily imply evidence.
The shift of focus to the habits developed by the students and teachers in
the university theology faculty in contrast to the appreciation of the divine
realities associated by Henry with St. Augustine and Richard of St. Victor
will be noticeable in particular if we look at the phrasing of the prologue
questions after Henry's, Godfrey's and Scotus's time. Generally, they follow
the pattern: Does a theologian in the present life ordinarily acquire through
his studies a habit distinct from faith? One can sense, if he has studied
Henry and Godfrey, that such a question comes after their time. Questions
concerning the nature of theology are just not phrased in this manner prior
de credibilibus saltern competenter illam evidentem notitiam, quae nata est haben secundum cursum com-
munem".
22 Ioannes Duns Scotus, Reportata Parisiensia, III, d. 24, q. unica (ed. cit.), t. 23, 456 — 457:
„De tertio, dico quod omnem effectum potest Deus facere sine causa secunda effectiva, quare ut objectum
potest facere certitudinem, quae includit aliquam evidentiam, Deus potest facere illam certitudinem cum
evidentia, et sine evidentia illius causae, quae nata est causare illam evidentiam. Unde tantam certitudinem
de theologicis in aliquibus creavit, ut in Apostolis, quod non potuerunt dubitare; et Worum cognitio respectu
fidei in nobis potest dici scientia, vel magis intellectus principiorum. Non enim potuerunt non assentire
creditis, sicut nec ego prinapiis demonstrationum, ita quod ista cognitione stante, impossibile erat illos
dubitare, et talis scientia erat in montibus, scilicet in Apostolis, et tantum assensum habuerunt, quod non
potuerunt dubitare; et ideo certiores et firmiores fuerunt ad sustinendum passiones, quam si de credibilibus
scientiam demonstrativam habuissent. Et iste habitus certiorfuit fide, et dicitur aliquo modo scientia, sdlicet
media inter scientiam proprie dictam et fidem, quia habet certitudinem aliquo modo majorem quam fides
in nobis, inquantum excludit omnem motum quemcumque subreptitium de contrario fidei. Per hoc convenit
in certitudine cum scientia, in qua scientia determinatur de necessitate ad unum, ita quod non potest judicare
oppositum; hujusmodi forte fuit fides infusa majorum, qui primo Ecclesiam fundabant".
to them. They follow the form: Is sacred doctrine science? (Utrum sacra
doctrina sit sciential) or: Is sacred doctrine argumentative? (Utrum sacra doctrina
sit argumentative^). Duns Scotus's answer to the question proper to his time is
that the theologian in the ordinary context in which he does university studies
will not through his schoolroom efforts develop a habit concerning the su-
pernatural truths of the Christian faith that goes beyond faith and arrives at
vision. Even if in comparison with the simple believer the theologian devel-
ops further cognitive habits, still these are not habits producing the evidence
that causes his assent to these supernatural realities. His assent is due to faith,
not due either to the evidence of beatific vision or the lesser, more indirect,
,vision' of Henry's intellectus or lumen medium.
Scotus's abstractive cognition of supernatural realities makes no claim to
be a form of actual experiential knowledge attained by theologians in their
university exercises. What it does establish is the possibility of some knowl-
edge of these realities from another source than from classroom teaching. In
other words, man has the capacity here in this life to receive abstractive
cognition — in the sense that a human soul in the present life has the capacity
for knowledge of the supernatural objects of the Christian faith that is not
beatific vision. In effect, Scotus's theory of abstractive cognition keeps open
the door to the possibility of the kind of knowledge that Henry finds as
actual in the treatises „De Trinitate" of Augustine and Richard of St. Victor,
and that Scotus the Franciscan perhaps could find portrayed in the „Itinerar-
ium mentis in Deum" of St. Bonaventure. It should be pointed out that the
Seraphic Doctor does not claim that the journey to God that he presents is
the actual path that St. Francis followed at the time of the Stigmata. Rather,
he declares: „As I reflected on this marvel, it immediately seemed to me that
this vision might suggest the rising of St. Francis into contemplation and
point out the way by which that state of contemplation may be reached" 23 .
Yet, Francis's route, as Bonaventure imagines it, is not the ordinary route of
Franciscans, even of Franciscan theologians. That such contemplation is be-
yond our normal reach is presented as a fraternal caution to false expecta-
tions in the exhortation Bonaventure gives in „Sermon I on Holy Saturday" .
There he urges the friars not to despair if they do not experience the
contemplations of the divine realities found in the writings of Brother
Giles or Bernard of Clairvaux or Richard of St. Victor. He exhorts
them to strive to develop the necessary dispositions required for such
contemplations and await God's response: „You could have them later...
If you wish to be a tabernacle of wisdom, strive to have these dispositions
that ready you to receive it. And if a man does not wish to arrive at
A L a t e r M y s t i c ' s R e s p o n s e to S c o t u s
24 S. Bonaventura, Sabbato sancto: Sermo I (Opera omnia, t. IX; Quaracchi: Collegium S. Bo-
naventurae 1901), 268: ,JAodo non debetis desperare, vos simplices, quando auditis ista, quia simplex
non potest ista habere, sed poteritis postea habere. Nos non farimus nisi dicere. Sed quando anima sancta
habet ista sex (j>udor, timor, dolor, clamor, rigor, et ardor}, tunc disponitur ad videndum gloriam. Haec
est requies, quam quaerere debemus. Ht didt Sapientia aeterna (Eccli. 24, 11): In his omnibus requiem
quaesivi et in hereditate Domini morabor etc. Si vis esse tabernaculum sapientiae, studeas istas dispositiones
habere; et si homo non velit ad istam perfectionem pervenire, magnum tamen est, quod lex Christiana habet
tales. Omnes alii α Christianis sunt sied ab ista gratia".
25 Dionysius Carthusiensis, In III Sententiarum, d. 24, q. unica (ed. Tornaci, 1904), t. 23,
425 — 426: „Hanc lucem negare, irrisorie examinare, et tamquam fictum quid reputare, non est aliud
quam propriam imperititiam demonstrare; nec alicuius subtilitatis signum id reor". On Deny's critique
of Scotus, see K. Emery, Jr., Theology as a Science: The Teaching of Denys of Ryckel
(Dionysius Cartusiensis, 1402-1471), in: Knowledge and the Sciences (nt. 4), III, 385 — 386.
26 Godefridus de Fontibus, Quodlibet VIII, q. 7 (ed. cit., t. 4 ), 80: „De spedalibus enim et
privilegiatis illustrationibus quas Deus fadt velfacere potest privatis personis non loquor".
27 Here, Scotus follows the later position of Godfrey's Quodlibet IX, q. 20 (ed. cit., 282-283):
„Sed area theologiam est etiam hoc atiqualiter suppomndum, scilicet, quod ultra notitiam quae fides proprie
diätur et solum auctoritati innitur, studentes in theologia acquirunt sibi aliquem habitum cognitivum ulteri-
orem, qui non solum auctoritati in sua obscuritate, sed rationi aliqualem evidentiam facienti ex aliquibus
notioribus ex ipsis rebus acceptam innituntur. Et hocpatet in quaestionibus theologiäs a sanctis et doctoribus
diligenti inquisitione tractatis, in quibus ex aliquibus rebus et similitudinibus et proportionibus aliquarum
rerum tanquam magis notis sumuntur rationes per quas ea, quae sub obscuritate nudae scripturae sola fide
tenentur, aliqualiter nota et evidenßa fiunt intellectui, ut iam intellectus talibus assentiat, non solum quia
scripta sunt et auctoritate scripturae et ratione actoritatis scribentis tradita, sed etiam quia per rationem
quae area talia nota sunt haberi aliquo modo facta evidentia. Frustra enim laboraretur tantum in studio
et expositione in sacra scriptum ut ea quae scripta sunt et fide obscura tenentur aliquo modo evidentia fiant,
et ratione intelligantur. Et hie habitus sic per Studium acquisitus etiam communi nomine scientia diätur,
prout diät Augustinus, Super Iohannem, vigesimo primo: ,Conari debemus ut säamus verba Dei: quare
enim dicta sunt nisi ut audiantur; quare audita sunt nisi ut intelligantur,' etc.".
Die Mediävistik des 20. Jahrhunderts hat die Philosophie der Hochschola-
stik bis vor wenigen Jahren unter dem Zeichen eines eindeutig bestimmbaren,
immanenten Fortschritts dargestellt. So bezeichnet E. Gilson diese Periode, de-
ren geistige Vielfalt inzwischen entdeckt war, als „Siecle de saint T h o m a s " 1 . Für
F. van Steenberghen weist die „Bilanz des 13. Jahrhunderts" zwar beträchtliche
Konflikte der verschiedenen Schulen auf, aber diese sind sämtlich vom „Tri-
umph der Philosophie" getragen, und das Zeitalter vollbringt infolge der Re-
zeption der heidnischen Philosophie und Wissenschaft geradezu eine „revolu-
tion culturelle" 2 . Für beide Autoren und für viele andere ihrer Zeit stand fest,
daß das Denken des Thomas von Aquin den Höhepunkt der Epoche darstelle
und daß die Jahrzehnte nach Thomas durch die vorläufige Wiederkehr konser-
vativer Positionen in Theologie und Philosophie gekennzeichnet seien. Beide
Interpreten stimmen jedoch auch darin überein, daß der zeitweilige Verlust an
Ansehen, den Thomas am Ende seines Jahrhunderts erfuhr, von der epochen-
übergreifenden Bedeutung seines Denkens wettgemacht wurde 3 . Die neuscho-
lastische Präokkupation beider Autoren, die sich hier kundtut, gilt zwar heute
selbst als obsoleter Konservatismus, aber es zeigt sich auch, daß sie — womög-
lich ganz unwillkürlich — einer zeitgenössischen Idee von Fortschritt folgen,
indem sie das Thomasische Denken als den Höhepunkt der mittelalterlichen
Philosophie ansehen, zu dem die meisten früheren Objektivationen der Epo-
che unvollkommene Vorstufen sind. Mit aller notwendigen historischen Diffe-
renzierung ist hieraus der Gedanke aufzunehmen, es gebe eine trotz aller Epo-
chenbrüche kontinuierlich fortschreitende Erfahrung des Bewußtseins, die sich
in der Philosophie reflektiert.
Ziel dieses Beitrages ist es, ein Moment aus den zahlreichen und thema-
tisch miteinander verschlungenen Kontroversen des letzten Drittels des
4 Daß Heinrich von Gent und andere Autoren, die dem Minoritenorden nicht angehören,
ähnliche Lehrmeinungen vertraten wie die hier besprochenen Franziskanertheologen und
deren Positionen auch beeinflußt haben, soll im Rahmen dieses Beitrages um der Deutlich-
keit der zu reflektierenden Kontroverse willen unberücksichtigt bleiben, zumal die Franziska-
ner dabei dominant waren.
5 Diese Theorie hat sich im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts bei den Franziskanern erst
zu der Schärfe entwickelt, die sie bei Duns Scotus und noch mehr bei Wilhelm von Ockham
zeigt. Matthaeus ab Aquasparta setzt den Willen Gottes mit dem Prinzip seiner Identität
gleich: „Ista autem necessitate necessario vult se et creaturam, quia immutabiliter respectu actus volendi,
sed mutabiliter respectu obiecti voliti, nisi respectu mcessanorum" (Quaestiones disputatae de produc-
tione rerum et de Providentia, ed. G. Gäl, Quaracchi 1956, 200). Nach Matthaeus ist das in
der Natur Notwendige durch den unwandelbaren Willen Gottes notwendig, das Kontingente
untersteht seinem Eingriff. Bei Roger Marston tritt bereits die für Scotus charakteristische
These der Indifferenz des göttlichen Willens hervor: „Essentia divina est indijferens, quantum
est ex se, ad creandam praevisa et non praevisa" (Quaestiones disputatae de emanatione aeterna,
de statu naturae lapsae et de anima, Quaracchi 1932, 100).
logie, die dem Willen und damit der Freiheit ein bis dahin unübliches Ge-
wicht zumißt 6 . In dieser Thematik sind sich die hier untersuchten Autoren
bei einigen Nuancen einig. Bei Duns Scotus wird die franziskanische Willens-
lehre aufgenommen, aber zugleich ganz eigenständig variiert.
Während die Aufwertung der profanen Naturerkenntnis durch das Stu-
dium der libri naturales des Aristoteles und ihrer arabischen Interpreten beför-
dert wurde, stellte sich ein Teil der franziskanischen Gelehrten gegen die
hieraus entspringenden Neuerungen. Besonders einige theologische Folge-
rungen, die sich aus der Aristotelesinterpretation der lateinischen Averroisten,
aber auch aus der des Thomas von Aquin herleiten ließen, setzten sich der
franziskanischen Kritik aus. So hat bereits Bonaventura mehrfach eindringlich
vor den unheilvollen Folgen der weltlichen Philosophie für Theologie und
Religion gewarnt. Unter Berufung auf Bernhard von Clairvaux bezeichnet er
die Neugier als primum vitium1, dem schon einige Engel und Adam zum Opfer
gefallen seien. Eine Beschäftigung mit der Welt, die in der Natur nicht überall
das Werk Gottes wiederfindet, sondern ihre Erscheinungen in einer imma-
nent notwendigen kausalen und womöglich ewigen Verknüpfung konstruiert,
macht sich eines Verstoßes gegen das Bilderverbot schuldig, denn sie hält
ihre adinventiones für die Realität selbst: „Prohibentur omnes falsae superstitiosae
adinventiones errorum, [.. .quae]proveniunt [...] ex improbo ausu investigationsphiloso-
phicae. [...] Ex improbo ausu investigationis philosophicae procedunt errores in philoso-
phis, sicut est ponere mundum aeternum et quod unus intellectus sit in omnibus. Ponere
enim mundum aeternum, hoc est, pervertere totam sacram Suipturam et dicere quod Filius
Dei non sit incarnatus. Ponere vero, quod unus intellectus sit in omnibus, hoc est dicere,
quod non sit Veritas fidei, nec salus animarum, nec observantia mandatarum"*.
Ist die Welt nämlich ein geschlossener Kausalprozeß, so sind die Handlun-
gen den Individuen nicht moralisch zuzurechnen, denn sie hätten als Glieder
dieser Kette determinierter Ereignisse bei aller Einsicht in deren Notwendig-
keit ja keine Freiheit der Entscheidung. Nach der Verurteilung von 1277, die
sich in ganz ähnlichem Sinne äußert 9 , wird das Problem des Verhältnisses
von freiem Willen und Intellekt auf neue Weise akut. Das „Correctorium
6 Ein anderer wichtiger Punkt, an dem sich die anthropologischen Differenzen der aristote-
lisch-thomasischen und der franziskanischen Position zeigen, ist die umstrittene Einheit der
metaphysischen Form im Menschen. Die Geschichte der Kontroverse ist von diesem Punkt
aus zuletzt eingehend dargestellt worden von Th. Schneider, Die Einheit des Menschen. Die
anthropologische Formel „anima forma corporis" im sogenannten Korrektorienstreit und bei
Petrus Johannis Olivi. Ein Beitrag zur Vorgeschichte des Konzils von Vienne (BGPhThMA
NF 8), Münster 1973.
7 Bonaventura, Collationes in Hexaemeron (Illuminationes Ecclesiae), Sermo 19,4, in: Opera
omnia, t. 5, Quaracchi 1891, 420.
8 Bonaventura, Collationes de decern praeceptis, Collatio 2,25, in: Opera omnia, t. 5, Quarac-
chi 1891, 514.
9 So wird etwa folgende These verurteilt: „Dens non potest irregulariter, id est, alio modo quam
movet, movere aliquid, quia in eo non est diversitas voluntatis" (R. Hissette, Enquete sur les 219
articles condamnes ä Paris le 7 mars 1277, Louvain/Paris 1977, 56).
fratris Thomae" des Wilhelm de la Mare, in gewisser Weise das Manifest der
franziskanischen Gegenposition zu den Dominikanern, spricht die Kritik am
thomasischen Intellektprimat deutlich aus: „Diamus quod si intellectus dicitur
optima potentia, id est valde bona, verum est; nec obstat quod voluntas est melior vel aeque
bona. Si autem dicatur optima, id est bona super omnes potentias sie dieimus quod falsum
est. Quod patet ex quatuor f...]. Primo modo nobilior est voluntas tum quia imperat
omnibus [...]; tum quia ratio deservit sibi, scilicet voluntati, ut comespedissequa [.. .]"w.
Die Souveränität des menschlichen Willens wird hier bereits mit der Meta-
pher der Herrschaftsgewalt belegt. Der Wille entspricht nur dann seinem
Begriff, wenn er nicht einem anderen Vermögen untersteht: „Ergo si ratio
it?iperat voluntati, voluntas subditur rationi. Sed quod alii imperat ut subdito, sibi non
dat libertatem operandi. Ergo voluntas non est libera nec domina suorum actuum.
[ . . . ] " u . Gegen Thomas wird eingewendet, daß seine Theorie den Willen
geradezu knechte.
Mit ihrer Insistenz auf der menschlichen Freiheit wollen die Franziskaner
freilich nicht eine moderne Freiheitsbewegung initiieren, vielmehr entspricht
ihre Willenslehre zunächst einer sich wandelnden Theologie, in der das göttli-
che Wesen primär als unbedingt freier Wille bestimmt ist. Gnade und Präde-
stination erhalten hier ein weit größeres Gewicht als in einer aristotelisch
fundierten Theorie. Die Konstellation der Positionen in dieser Kontroverse
ist also prima facie paradox: Während die an Thomas orientierten Dominika-
ner dem Willen nur unter der Leitung eines Intellekts Freiheit zuschreiben,
der das zu Wollende im voraus erkannt hat 12 , reklamieren die Minoriten die
menschliche Willensfreiheit ausschließlich für ihre Theorie und werfen der
Gegenpartei vor, sie mutwillig zu negieren, weil diese dem improbus ausus
investigationis philosophicae folge und den Willen einem Intellekt unterwerfe, der
seinerseits nur die in sich determinierte Ordnung der physischen Natur wie-
dergeben könne. Zugleich aber soll der menschliche Wille nicht etwa in sich
seine Autonomie finden, sondern dem absoluten göttlichen derart entspre-
chen, daß seine Freiheit und die Gnade sich wechselweise bedingen. Für die
Willensfreiheit im modernen Sinne ist hierbei scheinbar kein Platz.
Diese Lehre entstammt der augustinischen Orientierung der franziskani-
schen Theologie und läßt sich schon an deren Quelle studieren. Augustinus
hat bereits die wechselseitige Beziehung von Wille und Selbstgewißheit darge-
stellt, die im 13. Jahrhundert unter veränderten Bedingungen wieder aktuell
wird. Auf die scheinbar cartesianische Motive vorwegnehmende Lehre von
der untrüglichen Selbstgewißheit, die durch den Zweifel sich herstellt, ist oft
13
Augustinus, De duabus animabus contra Manichaeos, c. 10,13, in: Opera omnia, ed. Mon.
Ord. S. Benedicti e Congr. S. Mauri, t. 8, Paris 1886, 104.
14
Augustinus, De libero arbitrio, 1. 3, c. 8, in: Opera 11,2, Turnhout 1970, 280 (CCSL XXIX).
15
Cf. Augustinus, De Civitate Dei, 1. 12, c. 6, in: Opera XIV,2, Turnhout 1955, 359 sqq. (CCSL
XLVIII).
16
Augustinus, De Trinitate, 1. 14, c. 18, in: Opera, pars XVI,2, Turnhout 1968, 445 sq. (CCSL
L,A.)
Das Thema der Selbsterkenntnis der Seele hat im 13. Jahrhundert neue
Aktualität erhalten, freilich aus gegenüber Augustinus sehr gewandelten Moti-
ven. F.-X. Putallaz hat in einer eingehenden Studie die Lehre von der unmit-
telbaren Selbsterkenntnis der Seele bei drei wichtigen franziskanischen und
einigen anderen Autoren des 13. Jahrhunderts untersucht 17 . Dabei wird deut-
lich, in welcher Weise die Theorie der Selbsterkenntnis in die fundamentale
Kontroverse zwischen den aristotelisch-thomistischen Dominikanern und
den augustinisch argumentierenden Minoriten einbezogen ist 18 . Während
nach Thomas die Selbstreflexion der Seele nur unter der Bedingung möglich
ist, daß sie sich zugleich auf äußere Gegenstände bezieht, also intellektiv
tätig ist, setzen die Franziskaner und einige Autoren außerhalb dieses Ordens
hiergegen die unmittelbare Selbsterkenntnis. Vor aller Beziehung auf empiri-
sche Gegenstände verhält sich der Intellekt zu sich selbst. Dies ist geradezu
die Bedingung für die Erkenntnis endlicher Dinge.
Petrus Johannis Olivi hat das unmittelbare Selbstverhältnis der Seele ohne
Vermittlung von species, die auf Objekte außer ihr bezogen sind, als ihr Wesen
bestimmt. Gegen die „cultores Aristotelis" stellt er fest, daß die Seele keine
Phantasmata benötige, um sich selbst zu erkennen. Da die Phantasmata nach
der aristotelischen Theorie aus den sinnlichen Gegenständen abstrahierte Bil-
der sind, wäre die Selbsterkenntnis der Seele letzthin von den materiellen
Objekten abhängig, was für ein geistiges Seiendes nicht zutreffen kann. Olivi
interpretiert hier die aristotelische Position in einem empiristischen Sinne, so
als wäre die Selbstgewißheit des Denkens Resultat von Erfahrung an empiri-
schen Gegenständen. So wird es ihm leicht, hiergegen die Apriorität des sich
selbst erkennenden Erkenntnisvermögens zu setzen: „Cum ergo quaeritur an
anima sciat se per essentiam, si per hoc intenditur an sua essentia teneat vicem spedei
repraesentativae adem informantis: sie est impossibile et etiam ridiculosum quaerere, quam-
vis hoc quidam crediderint. St vero intendatur quod sua essentia sit per se obiectum suae
scientiae, ita quod non obiciatur sibi per intermediam spedem memorialem: sie in primo
modo sciendi seit se per essentiam, id est per aspectum et actum in suam essentiam
immediate deßxum"19.
Roger Marston teilt die augustinische These von der unmittelbaren Selbst-
erkenntnis der Seele und läßt darüber hinaus den Zusammenhang deutlich
werden, den sie mit dem Theorem vom indeterminierten Willen hat. Die
species in der Seele entstehen nicht etwa durch die Einwirkung der sinnlichen
Dinge, die Seele bildet sie vielmehr aus eigenem Vermögen: „f...] species qua
intellectus cognoscit, originata non est a re, sed ab ipsa anima effective et ab ipsa potentia
sensitiva ut excitante ipsum et movente quoquo modo"20. Der Intellekt, der die Be-
griffe nicht als Abbilder der Dinge in sich aufnimmt, sondern aus sich selbst
schafft, ist von der Materialität der Natur frei 21 . Nur in dieser Freiheit kann
sich die erkennende Seele auf sich selbst beziehen: „[...] ordopotentiarum ani-
mae ad invicem non permittit quod in sensu particulari acquirat anima spedem qua
cognosät, propter materialitatem et impuritatem speciei et modi sub quo res cognoscitur
mediante speäe"22.
Die Autoren der Franziskanerschule haben die Einsicht in die unmittelbare
Selbstbeziehung der erkennenden Seele mit der These der Reflexivität des
Willens verbunden. Dies ist zum einen gegenüber Thomas von Aquin ein
ganz verändertes Verständnis von Reflexivität der Vernunft, zum anderen
gibt sich eine neue Anthropologie zu erkennen. Freiheit und Unfreiheit wer-
den aus einander genau entgegengesetzten Gründen bestimmt.
Gemeinsam ist beiden Seiten der Kontroverse, daß die Menschen ihr Telos
in der Glückseligkeit haben, die ihnen vollkommen erst durch göttliche
Gnade zuteil werden soll. Gegensätzlich ist bei beiden aber die Bestimmung
der beatitudo. Nach Thomas von Aquin besteht das letzte Ziel in der Erkennt-
nis Gottes, die mit der wissenschaftlichen in Kontinuität gesetzt wird: „Natu-
raliter inest omnibus hominibus desiderium cognoscendi causas eorum quae videntur. [...]
Nec sistit inquisitio quousque perveniatur ad primam causam; et tunc perfecte nos scire
arbitramur quando primam causam cognoscimus. [...] Prima autem omnium causa Deus
est. Est igitur ultimus finis hominis cognoscere Deum"23. Das Ziel wird zwar auch
vom Willen erstrebt, aber: „[...] velle nonpossumus quod non intelligimus. Est igitur
ultima felicitas hominis in cognoscendum Deum per intellectum substantialiter, et non in
actu voluntatis"2"'.
Für Thomas ist die Hierarchie der Seelenvermögen deshalb eindeutig.
Dem Menschen gemäß ist die Tätigkeit der Vernunft, deshalb ist sie sein
oberstes Vermögen, auf das der Wille abgestimmt ist: „[...] quae vero habent
cognitionem intellectivam, et appetitum cognitioni proportionatum habent, sälicet volunta-
tem. Voluntas igitur, secundum quod est appetitus, non est proprium intellectualis naturae
20
Roger Marston, I.e. (nt. 5), 429.
21
Im Kontext der franziskanischen Lehre von der Selbsterkenntnis der Seele, die mit der
Theorie des Willens und der Freiheit eng zusammenhängt, wird deudich, wie sehr Wilhelm
von Ockham mit seiner voluntaria institutio terminorum in der Tradition seines Ordens steht.
Die Bedeutung der Begriffe, derer der Verstand sich bedient, leitet sich hiernach aus dem
Willen her. Hier wird nach der Selbstbestimmung des Willens im Handeln nun auch die
begriffliche Erkenntnis als von der Determination durch den Gegenstand unabhängig konzi-
piert. Die freie Einsetzung der signa rerum setzt das reine Selbstverhältnis der Seele voraus,
das die Autoren des 13. Jahrhunderts für den Willen dargelegt hatten.
22
Roger Marston, I.e. (nt. 5), 429.
23
Thomas von Aquin, s.c.g., III, 25.
24
L.c.
sed solum secundum quod ab intellectu dependet; intellectus autem secundum se proprius
est intellectuals naturae"2S Dieses Verhältnis gilt auch für Gott: „Id autem quod a
Deo prinäpaliter intelligitur est divina essentia [...] Divina igitur essentia est id de quo
principaliter est divina voluntas"26.
Für die Franziskaner ist die beatitude hingegen eine Bestimmung des Wil-
lens: „[•••] beatitude est actus voluntatis, non qui est desiderare, sed qui est amare,
perfecte inhaerere et quietari"21.Von hierher gelangt Matthaeus ab Aquasparta
dazu, die intellektive Bestimmung von Zielen als Willensakt zu begreifen:
„[...] intellectus non assequitur nec comprehendit finem sine voluntate, quia nec finem sub
ratione finis respicit. Finis enim importat perfectam quietationem, quae non est sine actu
voluntatis"29,. In der Setzung eines vernünftigen Zweckes ist der Wille frei von
der eindeutigen Bestimmtheit der Natur, die keine Alternative kennt. Der
Wille aber ist bereits bei den Franziskanertheologen das Vermögen der
Selbstbestimmung, das zu den denkbaren Zielen zugleich die Möglichkeit des
jeweiligen Gegenteils voraussetzt: „[...] uno modo ,natura' sumitur multum stricte
prout dividitur contra rationem et voluntatem, et,naturale' contra rationale vel volunta-
rium, prout dicitur quod voluntas vel ratio ad opposita se habent, natura autem ad unum
tantum"29 Dies gilt, ohne daß es ausdrücklich gesagt würde, auch von der
beatitude, die dem Menschen nicht zwangsweise die Richtung seines Handelns
vorschreibt, sondern durch einen spontanen Akt dessen Gesetz bestimmt.
Er kann sich nämlich der Glückseligkeit, die in der Schau Gottes besteht,
willentlich verweigern, d. h. der Sünde verfallen.
Wird die Willensfreiheit des Menschen im Zusammenhang der Sünden-
lehre so stark betont 30 , so konnte sich dieses theologische Lehrstück auf
Augustinus berufen, in der Absicht, die für ihre Sünden verantwortlichen
Menschen der göttlichen Strafgewalt zu unterstellen. Die Aristoteliker um
Siger von Brabant hatten die Tendenz, die Willensfreiheit und damit die
Möglichkeit der Sünde überhaupt zu bestreiten. Die zahlreichen Sätze zu
diesem Thema, die 1277 verurteilt wurden 3 1 , zeigen die Besorgnis der „kon-
servativen" Theologen, daß der Glaube an die Bestrafung der Sünder verlo-
ren gehen könnte.
Uber diese moraltheologische Bedeutung hinaus präludiert die franziskani-
sche Willenslehre eine zu ihrer Zeit noch zukünftige Bestimmung des Men-
25 L.c.
2<i L.c.
27 Matthaeus ab Aquasparta, Quaestiones de anima beata, in: id., Quaestiones disputatae de
anima separata, de anima beata de ieiunio et de legibus, Quaracchi 1959, 316.
28 L.c., 317.
29 Matthaeus ab Aquasparta, QQ. disp de legibus, in: op.cit., 460.
30 Cf. Petrus Johannis Olivi, I.e., t. 3, 695 sqq.: In der responsio zu Quaestio 41 (Art potentia
peccandi sit pars nostras libertatis) setzt Olivi der menschlichen Freiheit die Fähigkeit zu sündigen
immanent. Schärfer noch äußert sich Roger Marston: „Nullum siquidem peccatum est quod non
sit voluntarium, in ipsa voluntate existens formaliter; eo quod ipsius [est] quidquid per vires inferiores
suggentur vel imperare ut fiat vel respuere ne procedatur" (Roger Marston, op. dt. [nt. 5], 440).
31 Cf. Hissette, op.cit. (nt. 9), 230 sqq.
sehen. Sie legt die Autonomie in ein Vermögen, das sich von der Natur
emanzipiert, welche in den Theorien der Franziskaner mehr als früher zur
spezifisch menschlichen Subjektivität in Gegensatz tritt. Da der Intellekt in
der Erkenntnis äußerer Gegenstände von deren eindeutiger Bestimmtheit
abhängt und ihm daher seine introspektiv zu gewinnende Selbstgewißheit nur
in der Betrachtung dieser heteronom bestimmten Tätigkeit gegeben ist, kann
es nur das primär selbstbezügliche, sich von allen äußeren Gegenständen
unterscheidende Vermögen des Willens sein, das Zwecke setzt. Dieser souve-
räne weil indeterminierte Akt geht der intellektiven Erkenntnis voraus, welche
die Bedingungen für die Verwirklichung der Zwecke zu erforschen sucht und
dazu vom Willen die entsprechenden Weisungen erhält: „Patet quod non cogitur
voluntas ab obiecto ex auetoritate imperii. Ipsa enim sicut imperatrix omnibus viribus
tamquam sibi subiectis imperat"32. Der Intellekt ist demgegenüber nur der Ratge-
ber des Willens, der folglich den Primat über den Intellekt hat: „Unde ratio,
licet ostendat connexionem, non potest sicut consiliatrix dictare boc esse eligendum, et
voluntatis est respuere vel admittere"^.
Das vom Gegenstande unabhängige Selbstverhältnis des Willens ist also
nicht ein defizienter Modus von Reflexivität. Dieser These ist vielmehr die
Entdeckung zu verdanken, daß die Freiheit der Einzelnen nicht allein der
Erkenntnis der objektiven Bedingungen bedarf, um dem Handeln ein be-
stimmtes Ziel zu geben, sondern im einzelnen Menschen zugleich immer
schon eine Instanz voraussetzt, vermöge derer er das als richtig Erkannte
auch zur eigenen Sache macht und seine Verwirklichung betreibt. Soll dies
Vermögen mehr als ein blindes Streben und zugleich von der Naturnotwen-
digkeit frei sein, so bleibt ihm als Bestimmung die gegenstandslose Reflexivi-
tät, die eine spezifisch menschliche Eigenschaft ist. Nur als absoluter ent-
spricht, strenggenommen, der Wille seinem Begriff. Er macht den Kern der
menschlichen Person aus, deren Wesen folglich in der Freiheit der Zweckset-
zung besteht. Demgegenüber ist die intellektive Erkenntnis, die nach Thomas
der Grund der Freiheit ist, an die unausweichliche Eindeutigkeit des zu Er-
kennenden gebunden und kann deshalb aus franziskanischer Perspektive
keine Garantie der Freiheit bieten. Die Lehre, daß der unbestimmte, weil
aller Beziehung auf einen Gegenstand ledige Wille frei sei, sich eine Bestim-
mung zu setzen, macht indessen den Willensakt grundlos. Sein Ergebnis ist
kontingent. Deshalb wurde dieser Theorie auch der Vorwurf gemacht, ein
irrationales Agens in den Rang des höchsten Vermögens der menschlichen
Seele zu erheben. Das „Correctorium corruptorii ,Quare"' kritisiert in diesem
Sinne die franziskanische Position, indem es ihr die wechselseitige Beziehung
der beiden Vermögen entgegenhält: „[...] nec ratio nec voluntas est causa sui ita
quod ad nihil aliud debeat ordinari; unde licet ratio habeat ordinem ad voluntatem ut ad
primum movens per modum efficientis, [...] ex hoc tarnen non concluditur quod non sit
32
Roger Marston, I.e. (nt. 5), 444.
33
L.c., 448.
causa libertatis; sicut licet voluntas ordinetur ad bonum apprehensum a ratione, et per
consequens ad rationem tamquam ad principium movens per modum finis, nihilominus
tarnen est subiectum illius libertatis"^.
Nach der franziskanischen Lehre ist der Einzelne, der sich durch seinen
freien Willen bestimmt, primär mit sich selbst allein. Weder die intellektive
Erkenntnis noch der artikulierte Wille anderer Personen ist ein zureichender
Bestimmungsgrund, der dem Handeln das Gesetz vorschreiben kann. Diese
Theorie des vollkommen indeterminierten Willens hat theologisch die Uber-
zeugung von der individuellen Verantwortlichkeit des Sünders vor Gott nach-
haltig geprägt. Das Gegenstück zum freien menschlichen Willen ist deshalb
der absolute göttliche, dessen Entschlüsse immer weniger als erkennbar gel-
ten. Die spätere Lehre von Gott als der voluntas absoluta bereitet sich in der
Franziskanertheologie vor. Die Generation nach Duns Scotus hat weit über
den Orden hinaus den Gottesbegriff geprägt, der schon lange vor der Recht-
fertigungslehre Martin Luthers ein neues Selbstverständnis des religiösen
Subjekts gegenüber der Kirche und sich selbst in sich schloß.
Außerhalb des engeren theologischen Kontextes schärfte die minoritische
Lehre den Blick für den Innenraum, als welcher die einzelmenschliche Seele
nun zunehmend verstanden wird. Phänomene ziehen die Aufmerksamkeit
auf sich, die in der aristotelischen Seelenlehre nicht erörtert worden waren
und sich mit deren Mitteln auch nicht erklären lassen. Daß der Wille eines
einzelnen Menschen keineswegs stets und in jeder Hinsicht mit sich wider-
spruchsfrei einig ist, sich vielmehr in vielen Fällen aus gegenläufigen inneren
Strebungen erst als jeweils dominante Intention herausarbeiten muß, hat etwa
Walter von Brügge vor Augen geführt 35 . Die Seele als Innenraum, dem eine
intimitas eignet, wird von Olivi darüber hinaus als ein minor mundus verstan-
den 36 . Hier gibt es wie in der Außenwelt die Instanz der Herrschaft, die vom
Willen ausgeübt wird. Olivi spricht fast bewundernd von der imperiositas, mit
der sich der Wille gegenüber den anderen seelischen Instanzen Geltung ver-
schafft und ihnen gegenüber ausdrücklich den Primat ausübt 37 . Unabhängig
von der strengen theologischen Absicht, die Philosophie von der Zuwendung
zur profanen Außenwelt zurückzuholen, hat die Insistenz auf der reflexiven
Innerlichkeit der Seele und des Willens die Kraft des Selbstbewußtseins ge-
stärkt, die sich in den folgenden Epochen nicht nur religiös, sondern auch
politisch zu verwirklichen suchte. Die auf augustinischem Boden gewachsene
Wendung in das Innere bringt unter den Bedingungen des ausgehenden
13. Jahrhunderts nicht unbedingt die von ihren Verfechtern gewünschte De-
mut, sondern eine weitere Aufwertung des Individuums, das sich selbst mit
seinem Willen und den ihm zum Teil widerstrebenden Gefühlen und Neigun-
gen wichtig wird.
Zudem hat die minoritische Willenslehre ein politisches Motiv ins Spiel
gebracht, das seit dem späten Mittelalter einander entgegengesetzte Implika-
tionen zu Tage förderte 38 . Sind die Einzelnen mit ihrer sich selbst unmittel-
bar gewissen Seele und dem indeterminierten Willen primär auf sich und ihre
Innenwelt bezogen, dann müssen sie als in Gesellschaft lebende Wesen durch
einen besonderen Prozeß über sich hinausgehen und einen kollektiven Willen
bilden, oder anderenfalls von außen zum Gehorsam gezwungen werden. Die
Modelle, die hierzu in der auf das 13. Jahrhundert folgenden Zeit erwogen
worden sind, haben teils die Apologie von fürstlicher oder kirchlicher
Zwangsgewalt betrieben, teils die Idee der Volkssouveränität antizipiert. In
beiden Fällen hätte die franziskanische Willenslehre nicht die alte Frömmig-
keit gegenüber einer profan gewordenen Philosophie wiederhergestellt, son-
dern Neues befördert. Der Absolutismus, dessen historisch erste Gestalt im
beginnenden 14. Jahrhundert mit dem Kurialismus hervortrat, brachte eine
bis dahin unbekannte Konzentration der politischen Gewalt und zugleich
einen neuen Grad der Verrechtlichung der gesellschaftlichen Verhältnisse.
Die Idee der Volkssouveränität ist allen Versuchen immanent, den einzel-
menschlichen Willen nicht durch eine politische Monopolgewalt zu brechen,
sondern in einem allgemeinen überhaupt erst zu verwirklichen.
Diese folgenreichen Neuerungen, die der eigentlich konservativen Absicht
der Franziskanerschule entwachsen sind, haben der gegnerischen Position
freilich nicht alle Evidenz genommen. Daß die menschliche Freiheit sich
nicht im gegenstandslosen Wollen verwirklicht, sondern die Erkenntnis ihrer
objektiven Bedingungen voraussetzt, stellt sich für den Einzelnen nach man-
chen gefühlsbestimmten Entscheidungen heraus und wird politisch jedesmal
klar, wenn der mächtigste Wille für die Begründung seines Handelns sich
selbst genug ist.
38 Cf. hierzu auch G. Mensching, Der Primat des Willens über den Intellekt. Zur Genese des
modernen Subjekts im Mittelalter, in: R. L. Fetz et al. (eds.), Geschichte und Vorgeschichte
der modernen Subjektivität (European Cultures. Studies in Literature and the Arts 11), Berlin
1998, 487 sqq.
1. I n t r o d u c t i o n : De T e m p i e r ä O c k h a m (1277— 1326)
II faut commencer par un petit detour dans le XIVe siecle. Le 12 mai 1325,
le roi Edouard II ecrit ä Jean Lutterell a Avignon, lui enjoignant de rentrer
au plus vite en Angleterre. Mais les evenements ne se deroulent pas comme
prevu: Jean XXII, qui a encore besoin du chancelier d'Oxford a Avignon,
repond lui-meme au roi d'Angleterre, le priant d'excuser le sejour prolonge
de Lutterell a la curie: il doit y rester encore a cause de „la poursuite, devant
le pape, de sa cause ä lui contre une doctrine pestilentielle" 1 .
II est certain que cette doctrina pestifera est celle de Guillaume d'Ockham.
Mais pourquoi merite-t-elle une critique si grave?
Si Ton regarde la liste des articles incrimines par la commission d'enquete,
on constate qu'elle a subi une modification par rapport au premier inventaire
dresse par Lutterell: ce ne sont pas les theses philosophiques qui comptent, 2
mais bien les neuf premiers articles qui tous visent la meme erreur: le pelagia-
nisme d'Ockham.
Voici un extrait de la premiere these censuree: „Reprobando communem modum
quo ponunt quod habitus caritatis requiritur ad actum meritorium, diät [Ockham] sic:
Istud repute falsum simpliciter, quia bonum motum voluntatis ex puns naturalibus elid-
tum potest Deus acceptare de gratia sua (...). — [Quod] est erroneu[m] et sapit heresim
Pelagianam velpeius"3.
C'est essentiellement ä cause du naturalisme pelagien implique par la pen-
see d'Ockham que cette doctrine est traitee de ,pestilentielle'. Or la concep-
tion ockhamienne de la liberte met en jeu deux themes importants. Premiere-
ment, Ockham defend une conception typiquement franciscaine, selon la-
1 A. Pelzer, Les 51 articles de Guillaume Occam censures, en Avignon, en 1326, in: Revue
d'histoire ecclesiastique 18 (1922), 2 4 6 - 2 4 7 .
2 Les theses philosophiques n'ont en effet qu'une importance secondaire. Contrairement ä ce
que preconisait Lutterell, la commission ne pense pas que la doctrine ockhamienne puisse
trouver son intelligibilite dans sa structure philosophique: „(...) sed quia sunt mere philosophia,
non reputamus eos continere aliquid erroneum [contra]fidemau! bonos mores (•••)", J. Koch, Neue
Aktenstücke zu dem gegen Wilhelm Ockham in Avignon geführten Prozess, in: Kleine
Schriften, t. II, Roma 1973, 347, 1. 8 - 1 1
3 II s'agit lä d'un extrait du second rapport de la commission avignonnaise, qu'on peut lire
dans J. Koch, ibid., 3 1 2 et 315.
quelle la volonte est une faculte active4. Deuxiemement, Ockham refuse l'opi-
nion courante selon laquelle un habitus de charite est indispensable pour
poser un acte meritoire. De par sa toute-puissance absolue, Dieu peut accep-
ter un acte volontaire et libre sans aucun habitus de grace 5 .
Si Ton en vient maintenant au XIIIe siecle et qu'on remonte une cinquan-
taine d'annees plus tot, on constate que la critique adressee contre le pelagia-
nisme visait alors un courant de pensee diametralement oppose a celui des
franciscains: en ce temps-lä, on s'en prenait ä l'intellectualisme des maitres
de la faculte des arts. On se souvient par exemple que la these 166 de la
condamnation du 7 mars 1277 (si ratio recta et voluntas recta) avait ete censuree
notamment parce qu'elle etait de tendance pelagienne: on pouvait faire l'eco-
nomie de la grace puisque la science etait censee suffire ä la rectitude de la
volonte, quod est error Pelagiib.
Ainsi done, en 1277, pour faire piece au pelagianisme, il fallait s'opposer
de toutes ses forces ä la tendance intellectualiste et defendre une conception
active de la libre volonte, celle meme qui sera plus tard condamnee chez
Ockham pour etre ,pelagienne' justement. Autrement dit, aux yeux des cen-
seurs d'Avignon, la these qui avait servi ä refuter le pelagianisme devenait
elle-meme le vehicule de cette heresie.
Que s'est-il done passe durant ces 50 ans, pour qu'on assiste a un tel
renversement des attitudes philosophiques? C'est un chapitre de cette longue
histoire de la fin du XIIIe siecle que je voudrais raconter: il est constitue par
les deboires de ce fascinant franciscain, Pierre de Jean Olivi, dont nous fetons
le 700e anniversaire de la mort en cette annee 1998.
2. Pierre de J e a n Olivi
Pour Olivi, c'est la liberte qui donne a l'homme toute sa dignite; c'est
eile, et eile seule, qui rend l'homme incomparablement superieur aux
4 Cf. par exemple Guillelmus de Ockham, Quodlibet I, q. 16 (Opera theologica IX, ed. J. Wey,
St. Bonaventure, Ν. Y. 1980), 88, 1. 30.
5 „Praeterea nihil est //tentorium nisi quod est in potestate nostra; sed ilia Caritas non est in nostra potestate;
igitur actus non est meritorius principaliter propter illam gratiam sed propter voluntatem libere causantem,
igitur posset Deus talem actum elidtum a voluntate acceptare sine tali gratia". Guillelmus de Ockham,
Quodlibet VI, q. 2 (Opera theologica IX, ed. J.Wey, St. Bonaventure, Ν. Y. 1980), 588,
1. 6 8 - 7 2 .
6 Art. 166: ,J2.uod si ratio recta, et voluntas recta. — Error (...) quia secundum hoc, ad rectitudinem
voluntaßs non esset necessaria gratia, sed säentia solum, quod est error Pelagii." R. Hissette, Enquete
sur les 219 artciles condamnes ä Paris le 7 mars 1277, Louvain-Paris 1997, 257. Pour cette
question et la bibliographie qui s'y refere, on pourra se reporter ä F.-X. Putallaz, Insolente
liberte. Controverses et condamnations au XIIIC siecle, Fribourg—Paris 1995.
animaux7. En comparaison, toute existence n'est pour ainsi dire que du neant
{quasipurum nihil)9,. De plus, la volonte est une faculte exclusivement active,
qui produit ses actes totalement par elle-meme; la foi catholique est engagee
dans cette these philosophique, car admettre la position contraire et suivre
Aristote sur ce point conduit tout droit ä l'heresie9. Enfin, nos diverses activi-
tes sont soumises ä la volonte qui domine toutes les facultes, comme un roi
regne sur ses sujets10.
Je completerai seulement ce dossier bien connu par un texte qui servira
de resume: „Dicendum igitur quod liberum arbitrium, quantum ad hoc quod diät
facultatem liberam et dominium habentem super totam animam, essentialiter est voluntas
rationalis. Quod patet, tum quia ilia sola a se movetur. Tum quia ilia sola compelli non
potest. Tum quia ilia sola dominatur alijs viribus; unde quando volo intelligo, quando
volo ambulo etc. (...). Tum quia in ea sola est potestas ad opposita secundum se, sälicet
nolle et velle in eodem nunc et pro eodem nunc; in alijs vero potentijs non nisi per ipsam,
prout sälicet ab ipsa possunt moveri ad opposita" n .
7 „Sed omnis existentia non libera nec personalis est incomparabiliter minor quacumque libera vet personali
(...)." P. I. Olivi, II Sent., q. 1 (I, 11) (= Petrus Iohannis Olivi, Quaestiones in Secundum
librum Sententiarum, ed. B.Jansen, 3 vol., Quaracchi 1922-1926).
8 Si par impossible quelqu'un devait etre reduit ä quelque realite inferieure, et qu'on lui donnait
le choix entre devenir un animal sans liberie ou s'ecrouler dans le neant, il voudrait plutöt
n'etre rien, comme si son sens intime clamait que, compare ä son etre libre, tout n'est pour
ainsi dire que du neant: „(...) quodam intimo sensu sentimus cor nostrum quasi in infinitum excedere
omnem alium modum existendi. Unde si cui daretur optio in quod minus vellet redigi, sälicet, in unum
animal aut in purum nihil tantum: unusquisque vellet esse nihil, acsi intimo sensu clamet quod omne esse
comparatum ad suum est quasi purum nihil". P. I. Olivi, II Sent., q. 57 (II, 334).
9 ,,/ίd decimum tertium dicendum quod in praedictis verbis Aristoteles non solum est mentitus, sed etiam
sequi eum in hoc est haereticum. (...) Sed Aristoteles tarn ibi quam in 111 De anima videtur sensisse quod
voluntas necessario determinaretur ad agendum vel non agendum ab intellectu aut ab imaginatione et appetitu
inferiori. Unde sicut in sequenti quaestione plenius tangetur, videtur sensisse quod de se esset solummodo
potentia pure passiva et quod non posset movere nisi mota ab aliis, et tarnen nihil horum Aristoteles
unquamprobat, quodsi hocfarit, eiusprobationem audire desidero et tunc respondebo ad earn." P. I. Olivi,
II Sent., q. 57, ad 13 (II, 356).
10 Cf. P. I. Olivi, De perfectione evangelica, q. 2, eds. A. Emmen/F. Simoncioli, in: La dottrina
dell'OIivi sulla contemplazione, la vita attiva e mista, in: Studi Francescani 61 (1964), 127.
E. Stadter, Psychologie und Metaphysik der menschlichen Freiheit. Die ideengeschichtliche
Entwicklung zwischen Bonaventura und Duns Scotus, Munich-Paderborn-Vienne 1971,
176sq.
11 P. I. Olivi, Commentarius super Sententias, II, d. 24, a. 2 (Padova, Bibl. Univ., cod. 637,
f. 156va -156vb). La suite de ce texte est particulierement interessante pour qui veut com-
prendre les rapports entre l'intellect et la volonte: „Dicendum quod pro quanto actus Uber est cum
deliberatione et discursu ac iudicio que sunt α parte intellectus, pro tanto exigit aliquid ab intellectu;
nichilominus tarnen libertas essentialiter est voluntas, et libere consentire est actus eius immediatus et totalis,
ad quem nichil fatit intellectus nisi per accidens, sälicet presentare obiectum; nec est necesse quod semper ad
omnem liberum actum concurrat deliberatio et iudiüum ac discursus, licet aliquando fiat. Posset tarnen did
quod liber actus est proprie illud quod a voluntate tantum est; quod autem est in intellectu non. Liberias
autem voluntatis aliquando vult inquirere et deliberare, et tunc premittit disquisitionem intellectus ante
quam libere consentiat."
12 On en signalera quelques courts extraits publies par F. Simoncioli, II problema della libertä
umana in Pietro di Giovanni Olivi e Pietro de Trabibus, Milano 1956, 183 —185.
13 Cf. par exemple: „Si ergo Dei dona sunt bona merita tua, non Deus coronat merita tua tanquam merita
tua, sed tanquam dona sua." Augustinus, Liber de gratia et libero arbitrio, VI, 15.
14 P. I. Olivi, Commentarius super Sententias, II, d. 27, a. 4 (Padova, Bibl. Univ., cod. 637,
f. 157va-157vb).
15 Une question se pose: l'homme peut-il accomplir les commandements divins sans le don
de la grace? Cette question, qui reviendra inlassablement dans les debats du XIV® siecle, est
dejä explicitement traitee par Olivi dans un texte inedit, dont quelques extraits sont repro-
duits ci-dessous: „Utrum sine gratia gratum faciente possit homo implere precepta dei". P. I. Olivi,
Commentarius super Sententias, II, d. 28, a. 2 (Padova, Bibl. Univ., cod. 637, f. 157vb-158ra).
16 Olivi donne les raisons de ce fait: „Tum quia in implendo precepta, homo facit omne illud ad quod
obligatur de necessitate et quod s u f f i d t ad salutem. Impossibile autem est sine caritate habere ea que suffidunt
ad salutem et que necessarie est habere\ alias esse extra caritatem non esset mortale peccatum nec dampnabile
(...). Tum quia implendo precepta implet homo voluntatem dei. Impossibile est autem impleri quicquid
deus vult nos facere, et vitare propter eius reverentiam quicquid vult nos vitare, quin talis placeat deo et
quin sit in eius gratia; ymo hoc negare est manifesta contradictio. Tum quia hereticum esset negare hominem
non esse in statu salutis implentem dei precepta. Sine caritate autem est in mortali peccato. Si enim non est
in peccato mortali\ ideo est in caritate vel gratia gratum faciente." P. I. Olivi, Commentarius super
Sententias, II, d. 28, a. 2 (Padova, Bibl. Univ., cod. 637, f. 157vb).
17 P. I. Olivi, Commentarius super Sententias, II, d. 28, a. 2 (Padova, Bibl. Univ., cod. 637,
f. 158ra).
18 On peut dejä s'en rendre compte en lisant une petite objection dans son interminable
question An voluntas libera sit activa. P. I. Olivi, II Sent., q. 58, obj. 6 (II, 396).
19 P. I. Olivi, II Sent., q. 58, ad 6 (II, 422).
20 Ibid.
21 Ibid.
22 ..) sumopere enim debet caveri m aut unus modus veritatem libertatis tollat aut alius gratiae necessitatem
et utilitatem et nobilitatem evacuet." Ibid. (II, 424). Olivi le dit ailleurs encore: „Et bene scio quod
arduissimum est sic gratiam salvare quod libertas non destruatur et sic libertatem astruere quod Dei gratiae
nihil adimatur." P. I. Olivi, II Sent., q. 57, ad 26 (II, 374). En realite, les principes les plus
decisifs de la philosophie olivienne le conduisaient inexorablement ä penser Taction de Dieu
et celle de l'homme comme deux forces concurrentes; cf. F.-X. Putallaz, Pierre de Jean Olivi
ou la liberte persecutee, in: B. C. Bazän/E. Andüjar/L. G. Sbrocchi (eds.), Les philosophies
role de la grace creee dans l'ame humaine? Olivi serait-il done contraint ä
soutenir que la grace divine ne produit rien d'absolu dans l'homme? En fin
de compte, pour laisser le libre champ ä la volonte humaine, lui fallait-il nier
que la grace fut un habitus?
C'est en tout cas ce qu'on lui a reproche.
2.4. La censure
morales et politiques au Moyen Age, New York - Ottawa - Toronto 1995, t. II, 9 0 3 - 9 2 1 .
Pour une etude philosophique du sens medieval de la causalite qui commande le lien entre
la grace et la liberte, cf. A. de Muralt, La toute-puissance divine et la participation dans la
theologie occamienne de la grace. Analyse structurelle des metaphysiques qui regissent la
theologie de la grace chez Thomas d'Aquin, Jean Duns Scot et Guillaume d'Occam, in:
R. Bäumer/J. H. Benirschke/T. Guz (eds.), Im Ringen um die Wahrheit, Weilheim - Bier-
brunnen 1997, 5 3 - 8 2 .
23 P. I. Olivi, Epistola ad R., in: P. I. Olivi, Quodlibeta, Venise 1509, f. 51(63)va-53(65)rb; on
en trouve une autre edition de fr. Gratien, Littera quam misit Parisius rescribendo fratri
Raymundo Gaufridi et soeiis ejus nondum generali ministro, in: Etudes franciscaines 29
(1913), 416 — 422. Une nouvelle edition est attendue dans l'Archivum Franciscanum Histori-
cum de 1998.
24 nim dicunt me dicere quod gratia nihil ponat in anima absolute, nunquam credidi nec credo, immo
scripsi et docui contrarium; aliquando tarnen temponbus retroactis opinionem quae ab Innocentio in decretali
ponitur de parvulis bapti^atis, dixi non faciliter aut temere a quolibet reprobari; cuius rationes et vias
multifanas non euro nunc dicere; maxime cum ego in scholis nunquam asseruerim earn, immo propter
reverentiam ordinis mei ac divinissimi patris mei Franäsä, iudiäo vicani suae sedis universaliter me subdidi,
et tarn in hoc quam in aliis totis viribus meam intelligentiam captivavi, quamvis scirem quod non habeat
pknam auetoritatem de fide, et maxime ubi romanus pontifex in suis authenticis decretalibus hominem
relinquit in dubio". P. I. Olivi, Epistola ad R., f. 51(63)vb.
25 II s'agit des articles 17, 18, 19, 21 reproduits dans la Lettre des sept sceaux.
26 Littera Septem sigillorum, art. 17, in: G. Fussenegger, ,Littera septem sigillorum' contra
doctrinam Petri Ioannis Olivi edita, in: Archivum Franciscanum Historicum 47 (1954), 52.
27 „[Alii articuli] non me tangunt, quia semper contrarium docui, sequens communem opinionem", et il
ajoute: „ E t semper credidi quod gratia ponat in anima aliquid absolutum (...)•" D. Laberge (ed.),
Responsio quam fecit Petrus [Ioannis] ad litteram magistrorum, praesentatam sibi in Avi-
nione, in: Archivum Franciscanum Historicum 28 (1935), 130.
28 Dans un article que publiera l'Archivum Franciscanum Historicum, S. Piron rappelle que, si
Ton en croit le temoignage d'Ubertin de Casale, le volume des ouvrages d'Olivi aurait repre-
sente plus de dix-sept fois l'equivalent des Sentences de Pierre Lombard; cf. Ubertino de
Casale, Sancdtati apostolicae, F. Denifle (ed.), in: Archiv für Litteratur- und Kirchenge-
schichte des Mittelalters 2 (1886), 406.
interet considerable 29 . Helas! elles sont perdues, aussi bien que le premier
livre du Commentaire des Sentences, et la plus grande partie des Quaestiones
in I Sententiarum (Summa).
On peut en revanche regarder de plus pres quelques questions inedites du
IVe livre du Commentaire des Sentences que nous possedons dans un ma-
nuscrit de Padoue, le cod. 2094 30 .
Pour ce qui est de l'intention d'Olivi tout d'abord, celui-ci affirme que la
grace suffit a la justification, et qu'elle ne necessite aucune preparation preala-
ble de la part de celui qui la refoit.
Pour assurer sa position, Olivi rejette vigoureusement l'opinion contraire
qui pretend que lorsque Ton fait tout son possible {in habentibus liberum usum
fadendo quod in se est)3X, la volonte coopere de maniere naturelle: Facte volon-
taire pourrait etre suffisamment intense pour que celui qui le produit se
prepare ä etre justifie: ,^4ctus voluntatis (...) in principio potest esse sic intensus quod
sufficit ad debitam preparationem " 32.
Olivi rejette cette idee (hec autem positio stare non potest)33, car une telle
disposition humaine ä faire le bien est de ja un effet de la grace, et la double
reference au De gratia et libero arbitrio d'Augustin denote une nouvelle fois
son intention explicite d'echapper au pelagianisme.
Mais voici que notre franciscain montre le bout de l'oreille quand, afin de
laisser toute la place a la grace, il est contraint d'affirmer aussitot que la
volonte se comporte de maniere passive: si la volonte collabore avec la grace,
eile ne le fait jamais que passivement: „(...) ipsa voluntate nichil cooperante nisi
tantum passive, non enim ponit active [cooperationem] sine aliquo vigore tali", et il
precise: „(••.) vigorem ilium (...) non habet voluntas a se,jmopassive tantum"34.
29 On y lit une allusion dans les Quaestiones d'Olivi sur les Sentences: Jr An omnis creatura
rational'is de iure naturali teneatur diligere Deurn propter se et super omnia" et „an ex puris naturalibus
absque dono caritatis seu virtutis possit autpotuent hoc implere", P. I. Olivi, II Sent., q. 42 (I, 710),
cf. aussi P. I. Olivi, II Sent., q. 110 (III, 263).
30 „ Utrum ad iustificationem sit necessaria preparatio aliqua vel dispositio ex parte suscipientis". Commen-
tarius super Sententias, IV, d. 17, a. 1, q. 1 (Padova, Bibl. Univ., cod. 2094, f. 179v-180r).
31 Sur le sens de cette expression au XIV e siecle, cf. H. A Oberman, Facientibus quod in se est
Deus non denegat gratiam. Robert Holcot, Ο. Ρ and the Beginnings of Luther's Theology, in:
Harvard Theological Review 55 (1962), 3 1 7 - 3 4 2 .
32 Les tenants de cette position (qu'on qualifier;) plus tard de semi-pelagienne) alleguent ce
premier mouvement cooperatif de la libre volonte active, sans quoi la volonte serait inexora-
blement soumise ä la violence d'un agent exterieur: „(...) alias per violentiam subiretur tali
perfectioni ab extrinseco agente'\ P. I. Olivi, Commentarius super Sentenüas, IV, d. 17, a. 1, q. 1
(Padova, Bibl. Univ., cod. 2094, f. 179v).
33 Ibid.
34 Ibid., f. 179v et 180r.
35 „(...) omnes catholici dicunt et secundum rectam fidem dicere tenentur quod voluntas, in quantum est libera,
est potentia activa, et hoc ita quod excedit in hoc omne aliud genus potentiae activae." P. I. Olivi, II
Sent., q. 58 (II, 409).
36 Certes, puisqu'elle est libre par essence, il faut bien que la volonte consente et ne resiste pas
ä l'influx de la grace, mais „quantum ad primordiale principium istorum quo incepit a deo inclinari et
vigorari ad honum, solum se habuit receptive et passive". Olivi ajoute egalement ceci: primum
dicendum quod quamvis gratia sufficienterjustificet hominem, non [enim] nisi voluntarie gratie assentientem,
quia assensus actualis est a libera voluntate elliritus, non [enim] sine virtute et vigoregratie." P. I. Olivi,
Commentarius super Sententias, IV, d. 17, a. 1, q. 1 (Padova, Bibl. Univ., cod. 2094, f. 180r).
37 „[Notandum] etiam quod ad iustificationem exigitur quadruplex gratia. Primo divinum beneplacitum ex
summa bonitate remittens culpam et dans omne donum gratuitum. Secundo [effectus] eius [aliquis] quo
voluntas applicetur, inclinetur et moveatur ad odium mali et ad velle boni. Tertio meriti Christi communicatio
sine quo non [meritur] apud deum recondliatio habens se per modum [promerentis] et recondliantis inter
nos et deum. Quarto habitus charitatis reddiens mentem deo acceptam etgratam. "P. I. Olivi, Commenta-
rius super Sententias, IV, d. 17, a. 1, q. 1 (Padova, Bibl. Univ., cod. 2094, f. 180r).
38 Vat. lat. 4986, f. 136r ; cf. D. Burr, L'histoire de Pierre Olivi, franciscain persecute, Fribourg-
Paris 1997, 133.
petits enfants, l'habitus de grace n'est pas necessairement requis pour la justi-
fication.
Dans la Summa 39 enfin, il ne reste plus que deux types de grace: d'une
part, la grace qui est Dieu lui-meme (voluntas deigratuita)·, d'autre part, la grace
qui est un habitus informant les facultes de l'äme (habitus potentiarum).
Prenons la grace dans ce deuxieme sens. Entendue au sens d'un habitus
qui informe reellement la volonte, qui la dirige, la rectifie et lui donne formel-
lement de poser des actes bons, il est impossible qu'elle mette en mouvement
le libre arbitre en tant qu'il est libre: „Sic autem sumpta [seil, in quantum habitus]
gratia nunquam proprie potest diet movere liberum arbitrium, prout est liberum, cum in
quantum tale, non possit moveri nisi a se et tanquam a se"40.
Si vraiment la grace est un habitus de charite informant reellement la
volonte, alors, puisque la grace ne nous dirige que vers le bien et n'est pas
libera ad opposita, il faut conceder que la grace ainsi entendue detruit la libre
disposition de la volonte elle-meme: „Unde et quantum ad banc sumptionemgratiae
credo quod optime concludat argumentum nos non habere liberam potestatem ad oppo-
sita"41. En clair, jamais un tel habitus de charite ne peut mouvoir le libre
arbitre en tant qu'il est libre.
Olivi mesure exactement la portee de la difficulte: comment voulez-vous
qu'un accident puisse mouvoir un sujet, en tant meme que ce sujet pose un
acte libre et meritoire? Et le franciscain finit par avouer son embarras: „Je
ne comprends pas", dit-il sans ambages: „Si igitur libertas, in quantum libertas,
formam dicit et virtutem activam et in activis praecipuam, quomodo, in quantum talis,
poterit ab aliquo habitu vel a quocunque alio moveri, ut sic, in quantum talis, sit subiectum
motus, non video"42.
Je crois que nous entendons la le dernier mot d'Olivi sur la question: Non
video. Puisque etre libre, e'est se mouvoir par soi-meme (a se), la gräce-habitus
ne saurait jouer de role directeur dans la production de Facte libre. La seule
maniere d'echapper ä une consequence aussi desastreuse consiste done ä nier
que la grace produise quelque chose de reel dans l'äme ä la fapon d'un habitus
ou d'un accident. On se souvient que e'est exactement ce que les censeurs
avaient reproche ä Olivi.
Alors que faire? Devons-nous admettre que la commission de censure et
Arnaud Gaillard avaient eu raison de critiquer Olivi? Faut-il supposer qu'Olivi
ait sciemment menti ä ses superieurs lorsqu'il dit n'avoir jamais enseigne
cela 43 ? Devons-nous plus radicalement conclure ä un echec de l'analyse oli-
39 Certes la Summa date des dernieres annees de la vie d'Olivi, mais les questions qui nous
Interessent (II, q. 57 et q. 58) ont ete tenues bien auparavant, probablement vers 1277—1279.
40 P. I. Olivi, II Sent., q. 57, ad 27 (II, 374).
41 Ibid.
42 Ibid. (II, 375).
43 „Et paeterea, quaero quomodo aeddens suum subiectum quod injormat moveat aut movere possit et maxime
motu libero, qualis est motus meritonus." Ibid. (II, 374). On en arrive en fait ä une conclusion
deja pressentie: la commission de censure avait raison aussi bien qu'Olivi lui-meme. D'un
cote, la commission avait raison d'insister sur le fait que la pensee de notre franciscain devait
le conduire ä refuser que la grace produise une realite accidentelle dans l'äme (art. 17); d'un
vienne? Cela semble bien etre le cas, puisque notre franciscain nous a con-
duits ä une impasse. Mais je voudrais montrer en conclusion qu'il y avait une
maniere de sortir d'embarras 44 .
3. Conclusion
II fallait en effet concevoir la grace d'une autre maniere. Une fois eliminee
la conception de la gräce-habitus, il lui restait l'autre sens, ού la grace, cette
fois, est compatible avec la liberte. La grace s'identifie avec Dieu lui-meme:
„(...) dicendum quod nomine gratiae surnit Augustinus saepe Dei gratuitam voluntatem
et pietatem secundum quam gratis nos amat et regit, et sic nihil inconveniens, si gratia
regat liberum arbitrium ut sessor iumentum (.. .J"45.
Si Ton reduit la grace a la pure gratuite divine, qui n'est autre que Dieu
lui-meme, alors la compatibilite entre le createur et la creature est possible.
Mais il y a un prix a payer pour cela: c'est que l'acte meritoire ne soit pas
reellement informe par la gräce-habitus. II en decoule logiquement qu'un acte
pose sans cet habitus, c'est-a-dire un acte pose ex puris naturalibus peut fort
bien etre accepte par la volonte divine.
En d'autres termes, il faudra rompre tout lien entre un ordre naturel, celui
de la volonte libre et active, et la grace confinee ä la seule liberte divine. Bref,
un acte libre et bon (comme le respect des commandements divins) pourra
etre pose en un sens strictement naturel, independamment de toute presence
vivifiante de la charite creee, puisque, quel que soit l'acte libre commis, Dieu
pourra bien l'accepter de par sa grace, c'est-a-dire sa liberalste infinie.
On reconnait ici la position de Guillaume d'Ockham que j'evoquais au
debut.
E t c'est ainsi que, pour echapper au pelagianisme intellectualiste des annees
1277, Olivi s'est employe ä preserver l'ordre naturel de toute immixtion de
la grace entendue comme un habitus de charite creee. Ce faisant, il s'est
autre cote Olivi, qui avait en effet refuse de concevoir la grace ou la charite ä la fapon d'un
accident, la concevait neanmoins c o m m e quelque chose de reel, ä savoir une relation, et
meme une participation aux merites du Christ; en ce sens, lui aussi se sentait justifie dans
ses denegations. Autrement dit, si Ton prend les quatre significations du mot .grace' que
presente le Commentaire sur les Sentences, on comprend pourquoi d'une part la commission
de censure avait raison de soutenir qu'Olivi avait enseigne que la grace ne produit aucune
realite dans l'äme (ä savoir un habitus), mais seulement une relation aux merites du Christ
(c'est le troisieme sens du terme), et pourquoi d'autre part Olivi ne mentait pas quand il
soutenait qu'il avait toujours enseigne le contraire de ce qu'on lui reprochait.
44 II n'y a qu'une seule solution dans une pensee de ce type, et c'est elle qui m'interesse,
sans prejuger d'autres modeles doctrinaux possibles, lesquels semblent etrangers ä la pensee
franciscaine de la fin du XIII C siecle. Ces differentes lignes doctrinales sont appelees ,structu-
res de pensee' par A. de Muralt, L'enjeu de la philosophie medievale. Etudes thomistes,
scotistes, occamiennes et gregoriennes, Leiden-New York-Kobenhavn-Köln 1991.
45 P. I. Olivi, II Sent., q. 57, ad 27 (II, 374).
engage dans une ligne doctrinale que developpera Guillaume d'Ockham, mais
au prix cette fois d'une nouvelle forme de pelagianisme autrement temeraire,
qu'on ne manquera pas de reprocher au Venerabilis InceptorM\ C'est pour cette
raison notamment que le pape Jean XXII demandera ä Jean Lutterell de
rester un peu plus longtemps a la curie d'Avignon, afin de mener ä terme la
cause du pape „contre une doctrine pestilentielle".
46 II va de soi que la position d'Ockham est plus complexe, car c'est vraisemblablement la
volonte de preserver la liberte transcendante de Dieu qui commande sa doctrine de la grace:
nul ordre cree naturel (Pelage) ou surnaturel (Pierre d'Auriole) ne peut necessiter la volonte
divine. Ce qui autorisera Ockham ä pretendre que sa doctrine est on ne peut plus eloignee
du pelagianisme: „Et sic ista opinio maxime recedit ab errore Pelagii." Guillelmus de Ockham, I
Sent., d. 17, q. 1 (Opera theologica III, ed. G. Etzkorn, St. Bonaventure, Ν. Y. 1977), 455,
1. 1 7 - 1 8 .
Bernard oppose ä sa morale de Pintention une morale des actes qui depasse
la difficulte par une mise en perspective eschatologique, mais n'en integre pas
explicitement le progres au plan strictement ethique. La difficulte ä laquelle se
trouvent confrontes les theoriciens de l'ethique ä la fin du Xlle siecle nous
semble pouvoir etre ainsi resumee: l'emergence de la loi naturelle met en
avant une exigence morale d'universalite et d'interiorite que le concept de
conscience n'est pas pret ä assumer.
Dans ces conditions, l'apport de la reflexion du X l l l e siecle en matiere
ethique semble done pouvoir etre pense principalement ä partir du role joue
par un concept nouveau et d'abord obscur dans son emergence a la fin du
Xlle siecle: celui de synderese. Charge de sens differents par les traditions
volontariste et intellectualiste au X l l l e siecle, il focalise en tout cas les aspira-
tions de la conscience morale ä l'universite. Mais en ouvrant necessairement
cette exigence au-delä des limites de la raison discursive, soit vers la volonte
soit vers une intuition des premiers principes ethiques, il fonde une auto-
critique de la raison la plus pure en son usage pratique 3 .
Apres avoir trace a grands traits a partir de l'opposition entre Bernard
et Abelard, l'aporie ethique ä laquelle conduisait l'emergence d'une con-
science morale en sa subjectivite au Xlle siecle, nous voudrions rappeler
la place prise a cette epoque par le concept de synderese et le sens
ethique dont il se charge au X l l l e siecle. Nous pourrons ainsi examiner
comment il permet un depassement non seulement theologique, mais
philosophique du probleme de la conscience erronee permettant d'assumer
a la fois universalite et subjectivite en ethique. Mais cela ne va pas sans
difficultes noetiques dont nous voudrions finalement evoquer la fecondite
ethique dans la modernite.
I. L ' a p o r i e de l ' e m e r g e n c e de la c o n s c i e n c e m o r a l e
au X l l e s i e c l e
3 En cela l'ethique de la synderese qui se deploie au X l l l e siecle nous semble meme suscepti-
ble de proposer une alternative aux fermetures de la conscience moderne. Le debat ethique
contemporain nous semble pris dans l'aporie suivante: soit la conscience est depuis K a n t
consideree c o m m e seule source de l'exigence d'universalite ethique, et l'universalite des va-
leurs devient difficilement justifiable, soit ce sont les valeurs qui sont mises en avant, mais
le risque est alors de postuler non sans ethnocentrisme l'universalite de Celles d'une commu-
naute particuliere. Faute d'une reference transcendante, le relativisme subjectiviste ou socio-
logique peut justifier tous les laxismes et tous les integrismes.
l'un comme pour l'autre, la liberte qui est ä l'origine du peche reside dans le
consentement 4 .
II convient ici de rappeler la source trop souvent negligee de cette analyse
de la liberte dans le peche chez Augustin, notamment dans le commentaire
du sermon sur la montagne 5 . II y distingue trois degres: la suggestion repre-
sentee par le serpent, la delectation de l'esprit charnel, evoquee par Eve, et
le consentement de la raison: celle d'Adam. C'est dans le consentement que
reside le principal peche. Mais Augustin ajoute immediatement que lorsque
l'acte auquel il est consenti est commis, la delectation qui suivra la prochaine
suggestion sera beaucoup plus forte, ce qui l'amene a distinguer trois especes
de peche: du coeur, de Taction, de l'habitude. A tout peche misericorde,
Augustin fait correspondre ä ces trois degres, les trois resurrections, de la
jeune fille, du jeune homme, et de Lazare, cette derniere exigeant toutefois
que le Seigneur crie d'une voix forte.
Laissant de cote cette seconde classification des degres de peches, Abelard
s'en tient ä l'analyse psychologique qui precede. II la modifie quelque peu, en
n'insistant pas d'abord sur les suggestions diaboliques exterieures mais sur
les vices de l'esprit plus interieurs. Toutefois le mauvais desir, la volonte du
mal due a cette nature viciee ou vicieuse, n'est pas le peche qui reside dans
le seul consentement ä l'acte 6 . Lä seulement il y a mepris de Dieu, et non
dans la delectation accompagnant naturellement l'acte. Ainsi Abelard reagit-
il sainement contre le puritanisme de son temps: le peche n'est pas dans le
seul acte, mais dans Tintention de la volonte qui y consent, il n'est pas dans
le plaisir qui suit l'acte, sinon il serait aussi dans ceux legitimes du mariage.
II n'est pas dans le desir dont la force ne rendra que plus meritoire la resis-
tance de la raison.
Lors, la faute ne reside que dans le consentement a l'acte que la conscience
denonce comme ne convenant pas. II n'y a done de peche que contre la
conscience. Des lors qu'il ignore l'inconvenance de son acte, l'homme ne
peche pas. Et Abelard deploie des tresors d'arguties pour excuser les persecu-
teurs du Christ et d'Etienne. Ceux-ci n'ont-ils pas demande que cet acte
4 „Is ergo talis consensus ob voluntatis inamissibilem libertatem, et rationis, quod secum semper et ubique
portat, indeclinabile iudicium, non incongrue dicetur, ut arbitror, liberum arbitrium, ipse liber sui propter
voluntatem, ipse iudex sui propter rationem. Et merito libertatem comitatur iudidum, quoniam quidem
quod liberum sui est, profecto ubi peccat, ibi se iudicat. Est autem iudidum, quia iuste profecto, si peccat,
patitur quod nolit, qui non peccat nisi velit", Bernard de Clairvaux, De Gratia et libera arbitrio,
I, 4, Paris 1993, 252 (Sources Chretiennes 393 — desormais S. C.); „Ut ergo brevi conclusione
supradicta colligam, quattuor sunt quae premissus ut ab invicem ipsa diligenter distinguemus, vidum, sdlicet
animi quod adpeccandum pronos e j f i d t , acpostmodum ipsum peccatum quod in consensu malt vel contemptu
Dei statuimus, deinde malt voluntatem malique operationem", Pierre Abelard, Scito teipsum, I, III,
D. E. Luscombe (ed.), Peter Abelard's Ethics, Oxford 1971, 32; trad. M. de Gandillac, Paris
1993, 226.
5 Augustin, Commentaire du Sermon sur la Montagne, I, 12, 3 4 - 3 5 , A. Mutzenbecher (ed.),
1967, 3 6 - 3 9 (Corpus Christianorunm Series Latina 35 - desormais C. C. S. L.).
6 Abelard, Scito teipsum, I, I - I I I , ed. cit., 2 - 3 7 , trad, cit., 206-228.
peuse, Paul le rappelle lui-meme, que Bernard aime ä citer: „ma conscience
ne me reproche rien, cependant, je ne suis pas justifie pour autant" (I Cor.
4, 3). Ainsi Bernard se plait-il a dissocier l'une de l'autre en distinguant quatre
etats de conscience 11 : bonne sans etre tranquille, transquille sans etre bonne,
bonne et tranquille ä la fois, enfin ni bonne ni tranquille. Les deux etats
extremes ne posent guere de problemes: remords du pecheur, tranquillite du
juste, encore que celle-ci ne saurait concerner le futur mais seulement le
passe, et le present; les deux cas intermediaires sont plus interessante: scru-
pule du penitent ou presomption de l'insouciant.
Enfin, il aborde le probleme de la conscience erronee ä partir d'une glose
de l'Evangile de Matthieu (10, 16): „Soyez prudents comme des serpents,
candides comme des colombes".
„Ainsi le Christ a mis la prudence en premier lieu, sachant que, sans eile, on ne
peut etre veritablement simple. Comment pourrait-on l'etre en effet si Ton ignore
la verite? Cette simplicite louable en effet et louee par le Seigneur, ne peut exister
sans ces deux choses: la bonne volonte et la prudence. Ainsi l'oeil de coeur ne
sera pas seulement assez bon pour ne pas tromper, mais il sera encore assez pru-
dent pour ne pas etre trompe 1 2 ."
II. Le c o n c e p t de s y n d e r e s e et ses i n t e r p r e t a t i o n s
Le terme sjnteresis devenant chez les auteurs latins synderesis, provient rappe-
lons-le du commentaire de Jerome sur Ezechiel. Les trois premiers vivants
vus par le Prophete sont rapproches des trois parties de l'ame platonicienne:
le concupiscible (epithumia) pour le taureau, l'irascible (thumos) pour le lion, la
raison {logos) pour l'homme, mais il faut une quatrieme instance pour cor-
respondre ä l'aigle: ce sera cette etincelle inextinguible de la synderese ou de
la conscience. Car il semble que les manuscrits les plus anciens aient suneidesis
et non sunteresis, comme le precise l'edition critique 13 . Faut-il accuser une
erreur de copiste, ou considerer qu'il y eut d'emblee deux traditions? Quand
la modification est-elle intervenue? Seulement au moment de la glose par
l'Ecole de Laon ou dejä bien plus tot puisque Raban Maur par qui le texte
transite semble avoir lui-aussi sjnteresis14P Historiens et philologues ne s'accor-
dent pas sur ce point. Mais le fait significatif pour le philosophe est que les
premiers scolastiques se soient empares de ce terme etrange pour le charger
de si riches valeurs conceptuelles en mystique comme en ethique.
Bien que ce soit essentiellement le sens ethique du concept de synderese
qui nous interesse ici, nous ne pouvons passer completement sous silence le
sens mystique qu'il prend, essentiellement dans la tradition dionysienne de
Thomas Gallus. Au sommet de son ascension vers Dieu, l'äme voit son
intelligence se dedoubler en une faculte qui reste plus purement intellectuelle
dans la contemplation et une faculte qui sera par la suite interpretee comme
affective et capable d'union ä Dieu. Cette derniere par laquelle le sommet de
l'äme plongee dans la tenebre parvient ä s'unir ä Dieu en ses clartes suressen-
tielles en sera la disposition principale assimilee par ailleurs a la synderese 15 .
A ce niveau qui correspond dans la hierarchie des puissances celestes ä celui
des seraphins, seul Γ a f f e c t u s peut aller a la rencontre de Dieu en sa nuee pour
recevoir l'inondation de sa lumiere. La synderese est en quelque sorte l'etin-
celle et le lieu psychique de ce contact mystique. Cette vision hierarchique et
mystique aura son importance pour un auteur comme Bonaventure ou ce
,6 „Nobis itaque videtur quod ius naturale est superior pars anime, ipsa uidelicet ratio que sinderesis appella-
tor, que nec in Chain potuit, scriptura teste, extingui", Simon de Bisiniano, Ms. Bamberg, Staats-
bibliothek, can. 38, f. 2ra, cite par O. Lottin, Psychologie et morale aux Xlle XHIe siecles,
III, I, Louvain - Gembloux 1949, 74, n. 3.
17 Pierre Lombard, Libri IV Sententiarum, lib. 2, dist. 39, Grottaferrata 1971, 556.
18 E. Langton, cite par O. Lottin, op. cit. (nt. 16), 1 1 2 - 1 1 5 .
19 Guillaume d'Auxerre, Summa aurea, II, Χ, VI, J. Ribailler (ed.), Paris - Grottaferrata 1982,
2 9 7 - 3 0 8 (Spicilegium Bonaventurianum, 17, I).
contraire eile essaiera de remonter a partir des donnees sensibles, eile sera
sujette ä l'erreur, comme la raison inferieure. Cette adhesion ä la Verite pre-
miere n'est-elle pas par definition la foi? Nullement pour Guillaume qui y
voit une capacite naturelle de Pintelligence ä saisir les premiers principes, tant
dans l'ordre speculatif que dans l'ordre pratique.
De cette identification de la synderese avec la raison superieure, Guillaume
d'Auvergne ne voudra nullement, preferant y voir une fonction de la raison
et non la faculte elle-meme 20 . II ouvre ainsi le debat sur le Statut de la synde-
rese par la premiere question que Ton trouvera en tete de la plupart des
traites qui lui seront consacres: est-elle une faculte ou un habitus? Nous
avons done vu le concept de synderese pris dans son acception ethique et
non plus mystique par les premiers scolastiques, se charger de cette con-
science infaillible et de cette aspiration indefectible ä l'egard du bien. Mais la
faculte ä laquelle elle doit etre rapportee sera-t-elle l'intellect ou la volonte?
Les deux ecoles vont progressivement voir le jour pour culminer respective -
ment avec Thomas d'Aquin et Bonaventure.
20 Guillaume d'Auvergne, De anima, Opera Omnia, Aureliae 1674, t. II, sup., 219 — 220.
21 Philippe le Chancelier, Summa de Bono, Ν. Wicki (ed.), Berne 1985, I, 1 9 2 - 1 9 8 .
22 Comprenons qu'il ne s'agit pas ici d'excuser la violence du bras arme de l'inquisition, pas
plus que celle des bourreaux du Christ et des martyrs, mais de considerer la difficulte morale
de la conscience erronee qui reste identique, meme si le bourreau a change de camp.
23 Gauthier de Chateau-Thierry, Ms. Toulouse 737, cite par O. Lottin, op. cit. (nt. 16), 1 8 7 - 1 9 6 .
24 Bonaventure, II Sent., dist. 39, a. 1, q. 1, Quarrachi II, 9 0 9 - 9 1 0 .
De meme que le volontarisme prend source avant les ecrits des premiers
franciscains chez Philippe le chancelier, de meme, on peut reconnaitre en
Guillaume d'Auxerre l'ancetre des positions intellectualistes. Les choix de
l'ecole dominicaine vont aussi se preciser progressivement avec Albert et
Thomas. Ce qui frappe d'emblee dans la „Summa de homine", c'est a la
fois la penetration d'Aristote et son immediate christianisation. Albert retient
pourtant la definition heritee du Chancelier Philippe d'une „potentia cum ha-
bitu". Mais c'est le rapprochement de son infaillibilite avec l'adage aristoteli-
cien: „intellectus semper verus", qui conduit ä identifier la synderese avec l'intel-
lect pratique 25 . Dans ces conditions, son habitus propre portera sur les pre-
miers principes du droit naturel et constituera un reliquat de la rectitude
originelle de l'homme.
L'heritage chretien du Chancelier Philippe se trouve ainsi assume dans
une definition formulee en termes aristoteliciens: „synderesis est vis cum habitu
principiorum iurus naturalis". Ces premiers principes correspondent dans l'ordre
pratique ä ceux existant dans l'ordre speculatif. La synderese constitue done
le substrat anthropologique de ces principes premiers du droit naturel. Elle
fournit ainsi la majeure des raisonnements de la raison pratique dont la mi-
neure vient de la raison superieure et inferieure qui l'applique au particulier,
mais dont la conclusion n'est autre que le dictamen de la conscience. Celle-ci
n'est done ni une puissance ni un habitus, mais bien un acte. Si la conscience
est faillible dans ses conclusions pratiques, l'etincelle de la synderese en sa
generalite restera, eile, infailiible et inextinguible.
Les principaux elements de la theorie que Thomas developpe dans le Com-
mentaire des Sentences et dans les Questions „De veritate", tres secondaire-
ment dans la Somme, se trouvent done en substance chez Albert. Comme
lui, Thomas ne critique pas explicitement le compromis herite de Philippe le
Chancelier faisant de la synderese une potentia habitualis. Jusque dans les Ques-
tions „De veritate", il ne tranche pas entre cette theorie et sa tendance ä en
faire avec Aristote un simple habitus. C'est seulement dans la Somme, peut-
etre mu par un souci de simplification, qu'il ne voit plus dans la synderese
qu'un habitus inne des premiers principes de la raison pratique, connus par
eux-memes. Ces principes, comme ceux qui constituent le moteur immuable
de la raison en son ordre speculatif, fondent les raisonnements qu'elle met
au service de Taction.
25
Albert le Grand, Summa de creaturis, II, Borgnet, 35, 5 9 0 - 5 9 4 .
III. P r o b l e m e s n o e t i q u e s et leur l e g s ä la m o d e r n i t e
28 „Coeur, instinct, principes. Nous connaissons la verite, non seulement par la raison, mais
encore par le coeur; c'est de cette derniere sorte que nous connaissons les premiers principes,
et c'est en vain que le raisonnement qui n'y a point de part essaye de les combattre", Pascal,
Pensees, 281 - 2 8 2 , 961 - 9 6 2 (edition de la Pleiade).
29 Cf. E. Brehier, Les lectures malebranchistes de Rousseau, Revue internationale de Philoso-
phie, oct. 1938, 9 8 - 1 2 0 .
30 Cf. Ch. Trottmann, La vision en Dieu chez Malebranche, Thomas d'Aquin et Suarez, dans
La legerete de l'etre, B. Pinchard (ed.), Paris 1998, 7 3 - 9 3 .
31 „... saint Augustin et quelques autres Peres assurent comme une chose indubitable, que les
impies voient dans Dieu les regies des moeurs et les verites eternelles", N. Malebranche, De
la recherche de la verite, III, II, 6, G. Rodis Lewis (ed.), Paris 1964, 4 4 3 - 4 4 4 , (CEuvres
completes I); cf. aussi, Xe Eclaircissement, G. Rodis Lewis (ed.), Paris 1964, 138 (CEuvres
completes, III).
32 R. Derathe, Le rationalisme de J.-J. Rousseau, Paris 1948.
* Aus Platzgründen wurden die Anmerkungen auf das Minimum reduziert. Da ich von Anfang
an auf eine umfangreichere Dokumentation verzichten mußte, beschränken sich die Nach-
weise darauf, die allernotwendigsten Belege meiner Behauptungen anzugeben. Christoph
Flüeler bin ich für unentbehrliche und wertvolle Hilfe sowohl auf der sprachlichen als auch
auf der inhaltlichen Ebene sehr dankbar.
1 A. Dempf, Sacrum Imperium. Geschichts- und Staatsphilosophie des Mittelalters und der
Gegenwart, ed. H.-J. Lieber, Bonn 1991, 90: „Aegidius' Werk ist als große Vermitdungslei-
stung vielleicht eher dem Umfang als seiner Originalität nach wirklich bedeutend..."; R. Im-
ger zu sein als einer, der den Wert des meistgelesenen Buches mittelalterlicher
Politiktheorie an modernen, abstrakten Originalitätskriterien messen möchte.
Es muß aber unterstrichen werden, daß im Falle des Aegidius die obenge-
nannte Vermittlungsfunktion sich keineswegs auf eine vereinfachende Wie-
dergabe des aristotelischen Gedankenganges beschränkt. Meines Erachtens
sollte man vielmehr Aegidius' Leistung als eine Phase eines komplexen Re-
zeptionsprozesses der aristotelischen Texte verstehen, wo mehrere Faktoren
zusammenwirken. In diesem Prozeß haben sich nämlich traditionelle An-
schauungen und neue Ansätze gegenseitig beinflußt, so daß ein adäquates
Bild der Entwicklung erst dann möglich wird, wenn die verschiedenen Rezep-
tionsbedingungen mitberücksichtigt werden.
Als Beispiel für diesen Prozeß wird in diesem Beitrag ein verhältnismäßig
nebensächliches Problem der scholastischen Tugendlehre angeführt. Ich
werde nämlich meine Aufmerksamkeit auf die auch von vielen anderen Auto-
ren vor Aegidius angeschnittene Frage konzentrieren, ob eine Art der Ge-
rechtigkeit, und zwar die iustitia generalis, mit der Gesamtheit der Tugenden
identisch sei. Die Ausführungen des Augustinertheologen zu diesem Thema,
das an der Grenze zwischen Ethik und Politik liegt, lassen sich aber am
besten einschätzen, wenn man sie vor dem Hintergrund der Rezeption der
„Nikomachischen Ethik" vor allem durch Albert den Großen und Thomas
von Aquin betrachtet. Die Auslegung der Stellungnahme des Aegidius zur
Frage der iustitia legalis setzt deshalb eine Darstellung der Transformation
des aristotelischen Gerechtigkeitsbegriffes durch seine früheren Interpreten
voraus. Auf diese Weise dient eine Analyse der aegidianischen iustitia-hehtc
auch als Beitrag zum Verständnis des Wandels des Gerechtigkeitsbegriffes in
der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts.
1. Zu den R e z e p t i o n s b e d i n g u n g e n der a r i s t o t e l i s c h e n L e h r e
der iustitia legalis
bach, Laien in der Philosophie des Mittelalters. Hinweise und Anregungen zu einem vernach-
lässigten Thema, Amsterdam 1989, bes. 36 — 41.
4 Ethica Nicomachea. Translatio Roberti Grosseteste Lincolniensis sive „Liber Ethicorum".
B. Recensio Recognita, V, 1, (1129 a 2 5 - 3 2 ) , ed. R.-A. Gauthier, Leiden - Bruxelles 1973
(Aristoteles latinus XXVI, 1 - 3 , fasc. IV), 453 sq.
5 O. Lottin, Psychologie et morale aux XIIC et XIIIC siecles, Problemes de morale, seconde
partie, I, t. III, Louvain - Gembloux 1949, 2 8 3 - 2 9 9 .
6 Alexander Halensis, Glossa in quatuor libros sententiarum Petri Lombardi, III, d. 33, ed.
P. Collegii S. Bonaventurae, Quaracchi - Florentiae 1954, 3 9 0 - 3 9 1 : „Nota quod hoc nomen ,ius-
titia' accipitur pluribus modis. Et generalissimus modus est quando dicitur iustitia in iustißcato, et cum de
impio fit pius; et sie comprehendit omnes virtutes. Specialius diätur iustitia cum consistit in dilectione Dei
et proximi. Adhuc magis spedaliter, prout est una cardinalium virtutum, et sie est ,reddere unieuique quod
suum est'; et sie comprehendit fidem, spem et cantatem sub se. Adhuc specialius dicitur, scilicet reddere
proximo quod suum est; et sie comprehendit caritatem sub se penes dilectionem proximi. Sed diligi potest
proximus ratione imaginis Dei in ipso, et sie est opus caritatis; vel ratione communis boni in nobis et in
illo, et sie est opus iustitiae".
7 Es sei hier nur beispielsweise auf Philippus Cancellarius Parisiensis, Summa de bono, IUI,
De iustitia, q. II, ed. N. Wicki, pars II, Bernae 1985, 950 sqq. und auf Jean de la Rochelle,
Tractatus de divisione multiplici potentiarum animae, III, xvi, ed. P. Michaud-Quantin, Paris
1964, 1 7 3 - 1 7 5 , hingewiesen.
8 Stephanus Langton, Quaestiones Theologiae, zitiert nach Lottin, Psychologie et morale
(nt. 5), t.III, 287. Zu diesem Werk cf. R. Quinto, „Doctor Nominatissimus". Stefano Langton
(|1228) e la tradizione delle sue opere, Münster 1994, 9 1 - 1 6 6 .
9 Zur Herkunft des Begriffes einer virtus generalis, welche andere Tugenden umfasst, cf. e. g.
R.-A. Gauthier, Magnanimite. L'ideale de la grandeur dans la philosophic pai'enne et dans la
theologie chretienne, Paris 1951, bes. 3 6 4 - 3 6 7 .
2. Die d o p p e l t e L ö s u n g A l b e r t s des G r o ß e n :
rectitudo und lex
Wie wir gesehen haben, erforderte die Identifikation von legalis und generalis
die Lösung neuer Probleme. Vor allem drohte die Gleichstellung von iustitia
legalis mit der Gesamtheit aller Tugenden die Gerechtigkeit in diesem Sinne
zu einer bloßen Bezeichnung der virtutes zu machen, welche jedes selbständi-
gen Inhalts entbehrte. Wohl aus diesem Grund bemüht sich Albert zu bewei-
sen, daß die iustitia legalis mit der Gesamtheit aller Tugenden zwar „der Sache
nach", nicht aber schlechthin zu identifizieren ist, obwohl sie nicht alle Unter-
scheidungsmerkmale der iustitia aequalis besitzt. Aristoteles selbst war sich des
Problems bewußt, hatte sich aber dazu nur knapp geäußert. An zwei Stellen
betonte er, daß die Gerechtigkeit sich von den übrigen Tugenden durch ihre
„Bezogenheit auf den anderen" unterscheidet. Eine genaue Bestimmung die-
15 Albertus Magnus, De Bono, tr. V, q. IV (addita), in: id., Opera Omnia instruenda curavit
Institutum Alberti Magni coloniense, B. Geyer Praeside, t. XXVIII, ed. H. Kühle, C. Feckes,
B. Geyer, W. Kübel, Monasterii Westfalorum 1951, 301: „Dicttur enim uno modo iustitia generalis,
secundum quod est quaedam rectitudo universalis, qua aliquis ordinatur in statu debito, secundum quam
aliquis de impio fit pius, et sie sumitur Rom. VIII ,quos voeavit et iustifieavit' ... Dicitur alio modo
iustitia generalis, quae est genus virtutum, et haec est iustitia, quam intendit legislator in civitate. Non enim
intenditperficere cives secundum unam virtutem tantum, sed secundum omnes".
16 Albertus Magnus, Super Ethica commentum et quaestiones, lib. V, lectio III, in: id., Opera
Omnia, t. XIV/2, ed. W Kübel, Monasterii Westfalorum 1987, 3 1 9 - 3 2 0 : „Secundo videtur,
quod haec iustitia sit ilia generalis de qua loquuntur theologi".
17 Ibid., 319.
ser Unterscheidung blieb aber aus, weil der Stagirit sich darauf beschränkte
zu bemerken: „est quidem enim eadem, esse autem non idem, set secundum quod ad
alterum quidem iustida, secundum autem quod talis habitus simpliciter virtus"18. Nach
der Interpretation des anonymen griechischen Kommentars zum V. Buch
(Grosseteste hatte nämlich zwei Kommentare zu diesem Buch übersetzt)
behauptete Aristoteles, iustitia und virtus seien dem Subjekt nach identisch,
unterschieden sich aber der ratio nach. Diese ratio sei nämlich die obenge-
nannte „Bezogenheit auf den anderen" 19 . Michael von Ephesus stimmte
grundsätzlich mit dem Anonymus überein. Seiner Auslegung nach sind Ge-
rechtigkeit und Tugend subiecto et substantia völlig gleich, während ein Unter-
schied secundum quid darin bestehe, daß die Gerechtigkeit durch ihre Dimen-
sion ad alterum gekennzeichnet sei. Michael von Ephesus präzisiert aber seine
Interpretation, indem er den Worten „ad alterum" eine wichtige Bemerkung
hinzufügt: „id est, adpermanendum et salvandum urbanitatemii7a. Demnach erhält
die Gerechtigkeit eine ausgeprägte politische Konnotation, da jede Tugend
zur iustitia wird, sofern sie ihre Akte auf das Wohl der politischen Gemein-
schaft richtet. Wie schon bemerkt, konnten die mittelalterlichen Kommenta-
toren seit 1240 auch auf die lateinische Ubersetzung des Ethikkomentars des
Averroes zurückgreifen. Dort fanden sie ebenfalls die auch von den griechi-
schen Kommentatoren vertretene These, nach der iustitia legalis und virtus im
Subjekt {subiecto) identisch seien, der ratio nach aber verschieden 21 . Origineller
war allerdings Averroes' Auslegung des aristotelischen Ausdrucks „prös hete-
ron": Nach seiner Meinung, welche auch von Gauthier und Jolif geteilt
wird 22 , wollte Aristoteles mit seiner knappen Bemerkung darauf hinweisen,
daß die Gerechtigkeit im Unterschied zu den anderen Tugenden (welche als
Haltungen zu den Qualitäten zählen) ontologisch eine Relation darstellt 23 .
secundum subiectum eadem. Ambe enim sunt tota uirtus et ex omnibus aggregatio; secundum rationem
autem et esse dijferunt ab inuicem secundum quantum tota et uniuersalis uirtus est habitus anime rationalis
optimus, iustitia autem usus est talis habitus ad alterum".
20 Michael Ephesius, Enarracio in quintum moralium, ms. cit., fol. 98vb: „Secundum omnes enim
uirtutes operacio in salute facta politice communicationis est nunc dicta perfecta quidem uirtus, sed non
simpliciter, sed ad alterum, id est ad permanendum et saluandum urbanitatem. Quare manifestum factum
est quoniam uniuersalis uirtus et uniuersalis iusticia subiecto et substantia eedem sunt; dijferunt autem
secundum quid, ut dictum est. Quando quidem enim simpliater ut habitus consideratur anime, uirtus solum
dicitur, quando autem ut constitutiua//99ra//poliäe, id est urbanitatis, iustitia appellator".
21 Averroes Cordubensis, In Moralia Nichomachia Expositio, 1. V, 1, Venetiis 1562, 65 H: „...
et est quidem distinctio inter ipsam et virtutem: eo quod ipsa est ad aliquid, et virtus non est ad aliquid
est ergo ipsa et virtus unum in subiecto, diuersum in ratione".
22 Gauthier - Jolif, L'Ethique, 344.
23 Averroes Cordubensis, In Moralia Nichomachia Expositio, 1. V, 1, ed. cit., 65 E: „... ista
iustitia est iustitia communis, et est simpliciter aequalis virtuti universali, nisi quod ipsa, quando accepta
fuent per modum, quo est virtus, est in capitulo qualitatis, et diätur absolute, non ad aliquid: et quando
accepta fuerit secundum quod iustitia est in capitulo relationis et ad aliquid".
24 Albertus Magnus, Super Ethica commentum et quaesüones, V, lectio III, ed. cit., 321: „Iustitia
autem de qua hie loquitur, maxime confert ad bonum communitatis".
25 Ibid., 319: „... in qualibet virtute est duo considerare, sälicet materiam, area quam operatur, et Jormam
vel rationem, secundum quam operatur in materia illa. ... bona, quae sälicet veniunt in emptiones et
venditiones, erunt matena propria iustitiae. Forma autem ipsius erit rectitudo communicando ad alterum
secundum proportionem geometricam vel arithmeticam. Unde iustitia, quae erit area hanc materiam, erit
speäalis et quoad materiam et quoad Jormam, et est ilia quae opponitur avaritiae ... haec forma poterit
adaplan in omnibus actibus aliarum virtutum, secundum quod referuntur in communitatem, ut non relin-
quere aciem et huiusmodi, quae sunt elementa civilitatis, et tunc erit quaedam specialis forma iustitiae et
materia generalis. Et sie erit iustitia legalis per conformitatem ad legem speäalis quaedam virtus propter
formam iustitiae speäalem, sed erit iustitia generalis propter materiam generalem".
26 Albertus Magnus, Ethica, 1. V, tract. I, cap. III, in: id., Operum tomus quartus, ed. P. Jammy,
Lugduni 1651, 191.
eigentlich nicht aristotelisch ist, sondern spätestens von Philipp dem Kanzler
in die mittelalterliche Tradition eingeführt wurde 27 , wird aber vom Text des
Aristoteles hergeleitet. Der enge Zusammenhang zwischen iustitia und lex,
der schon in der aristotelischen Bezeichnung „iustitia legalis" hervortritt, legt
nahe, daß die Gerechtigkeit nur die Handlungen und nicht die Leidenschaften
als Gegenstand haben kann, sowie das Gesetz nur das äußere Verhalten der
Menschen regelt 28 . Dieser Sachverhalt kann als weiteres Beispiel der Wechsel-
wirkung von traditionellen Ansichten und neuen Ansätzen gelten, welche die
Rezeption der aristotelischen praktischen Philosophie weitgehend bestimmt
hat 29 . Bei Albert besitzt die iustitia generalis nunmehr wesentliche Merkmale
der iustitia legalis des Stagiriten; nichtdestoweniger wird ihr Gegenstand noch
gemäß der Tradition bestimmt, und das unter Berufung auf Stellen aus der
„Nikomachischen Ethik".
27 R.-A. Gauthier, Besprechung von O. Lottin, Psychologie et morale aux XIF et XIII C sie-
cles, t. II-III, Problemes de morale, in: Bulletin thomiste 8 (1947-1953), 6 0 - 8 6 , bes.
71-75.
28 Albertus Magnus, Ethica, 1. V, tract. I, cap. III, ed. cit., 190: „...caeterae virtutes legales non sunt
nisi secundum opera et ideo iustitiae generalis formam non redpiunt ut virtutes sunt, sie enim priuatae sunt,
sed potius prout sunt in openbus et haec est causa quare virtutes spedales α iustitia generali secundum
formam sunt disünetae et differentes. Attendendum etiam est, quod iustitia non est nisi area commune per
aliquem modum conciui debitum et a due reddendum. Propter quod circa passiones duilis ordinatio esse
non potest aliquando enim in potestate non sunt. Non enim est in potestate hominis non timere in periculis
et non concupiscere delectabilia et ideo si hocpraedperetpoliticus, impossibilia cuilibet requireret".
29 Cf. zu diesem Thema die Bemerkungen von G. Wieland, Ethica — Scientia practica. Die
Anfänge der philosophischen Ethik im 13. Jahrhundert, Münster 1981, bes. 275.
30 Lottin, Psychologie et morale (nt. 5), t. III, 185.
(d. h. die actus der anderen Tugenden) gemäß einer besonderen ratio gestaltet.
Thomas folgt somit den früheren Kommentatoren, insbesondere Albert 31 .
Thomas führt aber schon hier eine Neuerung ein, welche auch in der
„Summa Theologiae" der Angelpunkt seiner Gerechtigkeitsheorie sein wird:
Die ratio, welche die iustitia kennzeichnet, ist weder eine rectitude communicando
ad alterum noch eine ordinatio legis, wie es in den Lösungsversuchen des Albert
hieß, sondern die Orientierung auf das bonum commune32. Die Verwendung
dieses Ausdrucks in diesem Kontext war schon potentiell im Text des Aristo-
teles enthalten, weil die lateinische Ubersetzung vom communiter conferens als
Ziel des Gesetzes gesprochen hatte. Die lateinische Übertragung des Aver-
roes hatte in der Tat schon „bonum commune" in Verbindung mit der Zielset-
zung des Gesetzes gebraucht 33 . Thomas scheint mir aber der erste gewesen
zu sein, der das Gemeinwohl, oder besser die Orientierung auf das bonum
commune, zum Unterscheidungsmerkmal der iustitia generalis gemacht hat. In
seiner Interpretation hat die „allgemeine" Gerechtigkeit keine eigenen Hand-
lungen. Es sind vielmehr die Handlungen der anderen Tugenden, welche zu
Handlungen der iustitia generalis werden, sofern sie auf das Gemeinwohl der
politischen Gemeinschaft ausgerichtet sind. Um das Beispiel des Thomas
zu benutzen, „nicht ehebrechen" ist ein Akt der Mäßigung, der auch zur
Gerechtigkeit gehören kann, wenn ein solcher actus um des Gemeinwohls
willen vollzogen wird.
Die Relevanz des bonum commune für die Gerechtigkeitstheorie bei Thomas
tritt in der „Summa Theologiae" besonders klar hervor. In der 58. Quaestio
der Secunda Secundae stellt sich die Frage, ob iustitia eine virtus generalis sei.
Die bejahende Antwort des Aquinaten geht davon aus, daß die iustitia wesent-
lich in comparatione ad alium sei. Diese Eigenschaft der Gerechtigkeit kann sich
aber auf zweierlei Weise entfalten. Die Bezogenheit „ad alium" kann nämlich
den anderen entweder als einzelnen oder als Gemeinschaft betreffen. Im
ersten Fall haben wir die iustitia particulars, welche mit der iustitia aequalis des
Aristoteles identisch ist. Die iustitia, welche auf die Gemeinschaft orientiert
ist, wird generalis genannt und ordnet die actus der einzelnen Tugenden auf
31 Thomas de Aquino, Sententia libri Ethicorum, 1. V, cap. 2, in: id., Opera Omnia iussu Leonis
XIII edita, t. XLVII, 2, Romae 1969, 270: „Et ditit quod ex dictis manifestum est in quo differant
virtus et iustitia legalis, quia secundum substantiam est eadem, sed secundum rationem non est idem, sed
per comparationem ad alterum dicitur iustitia, in quantum autem est habitus operativus talis boni, est
simpliciter virtus".
32 Ibid.: „Hoc autem intelligendum est quantum ad ipsum actum iustitiae et virtutis; actus enim idem subiecto
producitur α iustitia legali et a virtute simpliater dicta, puta non moechari, tarnen secundum aliam et aliam
rationem; verum, quia ubi est speäalis ratio obiecti etiam in materia generali oportet esse speäalem habitum,
inde est quod ipsa iustitia legalis est determinata virtus babens speäem ex hoc quod intendit ad bonum
commune".
33 Cf. Averroes Cordubensis, In Moralia Nichomachia Expositio, 1. V, 1, Venetiis 1562, 65 C.
Einige Autoren des XII. Jahrhunderts hatten sich in ihrer Definition der iustitia auf den
Begriff der communis utilitas bezogen, cf. Lottin, Psychologie et morale (nt. 5), t. III, 283 — 285.
Cf. auch oben, nt. 6.
das bonum commune hin 34 . Da die Funktion des Gesetzes im „ordinäre in bonum
commune'''' besteht, heißt die iustitia generalis nach Thomas auch legalis. Das
bonum commune stellt konsequenterweise das obiectumproprium der iustitia legalis/
generalis dar 35 .
Diese neue Bestimmung der iustitia generalis hat aber einige Folgen. Am
meisten fällt auf, daß Thomas dem Wortlaut der „Nikomachischen Ethik"
nicht mehr treu sein kann. Die Tatsache, daß die iustitia generalis einen eigenen
Gegenstand, nämlich das bonum commune, hat, unterscheidet diese Art der
Gerechtigkeit von den anderen Tugenden so sehr, daß nach Thomas von
einer, wenn auch „abgeschwächten", Identität zwischen iustitia generalis (oder
legalis) und den anderen Tugenden kaum die Rede sein kann. Im Gegenteil
ist die iustitia legalis nach seiner Auffassung von den anderen virtutes nicht nur
der ratio nach, sondern auch dem Wesen nach verschieden. Die Frage „utrum
iustitia, secundum quod est generalis, sit idem per essentiam cum omni virtute" muß der
Aquinate verneinend beantworten. Die aristotelische Unterscheidung „secun-
dum esse", welche im Ethikkommentar als Unterscheidung „secundum rationem"
interpretiert wurde, scheint Thomas offensichtlich zu schwach. Er muß Ari-
stoteles willkürlich deuten, um den Widerspruch abzuschwächen 36 . Auf der
anderen Seite ist er genötigt zu präzisieren, daß der Ausdruck generalis" in
diesem Kontext auf keine eigentliche Beziehung zwischen einer Gattung und
seinen Arten hinweist, was eine Identität voraussetzen würde, sondern viel-
mehr auf eine Beziehung zwischen Ursache und Wirkung. Die iustitia sei den
anderen Tugenden gegenüber generalis", insofern als sie ihre actus auf ihr
Ziel lenkt. Bezeichnenderweise ist nach Thomas die Gerechtigkeit, welche
Aristoteles legalis nennt, nicht nur generalis, sondern auch specialis, da sie ein
obiectum proprium besitzt. Die iustitia aequalis, die von Albert als specialis bezeich-
net wurde, wird in der „Summa theologiae" konsequenterweise „particularis"
genannt 37 .
34 Thomas de Aquino, Summa Theologiae, IIa —IIae, q. 58, a. 5, ed. De Rubels et al., t. III,
Taurini — Romae 1948, 303: „Respondeo dicendum quod iustitia, sicut dictum est\ ordinat hominem in
comparatione ad alium. Quod quidem potest esse dupiiäter. Uno modo, ad alium singulariter consideratum.
Alio modo, ad alium in communi: secundum scilicet quod ilk qui servit alicui communitati servit omnibus
hominibus qui sub communitate ilia continentur. Ad utrumque igitur se potest habere iustitia secundum
propriam rationem ... Secundum hoc igitur bonum cuiuslibet virtutis, sive ordinantis aliquem hominem ad
seipsum sive ordinantis ipsum ad altquas alias personas singulares, est referibile ad bonum commune, ad
quod ordinat iustitia. hit secundum hoc actus omnium virtutum possunt ad iustitiam pertinere, secundum
quod ordinat hominem ad bonum commune. Et quantum ad hoc iustitia dicitur virtus generalis".
35 Ibid.: „Et quia ad legem pertinet ordinäre in bonum commune, ut supra habitum est\ inde est quod talis
iustitia, praedicto modo generalis, dititur iustitia legalis: quia sälicet per earn homo concordat legi ordinanti
actus omnium virtutum in bonum commune". Cf. auch ibid., a. 6, 304: „iustitia legalis est spedalis
virtus secundum suam essentiam, secundum quod respidt commune bonum ut proprium obiectum".
36 Ibid.: „Potest tarnen quaelibet virtus, secundum quod a praedicta virtute, spedali quidem in essentia,
generali autem secundum virtutem, ordinatur in bonum commune, did iustitia legalis. Et hoc modo loquendi
iustitia legalis est idem in essentia cum omni virtute, dijfert autem ratione. Et hoc modo loquitur Philoso-
phus".
37 Ibid., aa. 7 - 8 , 304-305.
Bei Thomas löst sich die Spannung zwischen Identität und Verschiedenheit
zugunsten der Selbständigkeit der iustitia generalis auf. In seiner Interpretation
wird zugleich der politische Charakter dieser Tugend noch stärker hervorge-
hoben. Als Tugend der operationes und nicht der passiones, aber auch als Tugend
des bonum commune wird sie zur virtus des politischen Zusammenlebens über-
haupt und unterscheidet sich dadurch wesentlich von virtutes, welche eher das
Leben des Einzelnen regeln. Diese „Politisierung" der iustitia wird auch durch
eine scheinbar nebensächliche Bemerkung des Thomas bestätigt, in der er
behauptet, daß die iustitia legalis·. „... est in principe prinapaliter, et quasi architecton-
ice; in subditis autem secundario et quasi ministrative"^.
4. A e g i d i u s R o m a n u s : Ü b e r n a h m e u n d T r a n s f o r m a t i o n
d e r T h e o r i e des T h o m a s v o n A q u i n
Daß die thomasische Lösung Zustimmung fand, ist schon von den soge-
nannten „averroistischen" Ethikkommentaren ausreichend bezeugt 39 , welche
in den einschlägigen Quaestionen die Grundgedanken des Aquinaten wieder-
holen 40 . Noch wichtiger für die Verbreitung dieser Theorie ist die Tatsache,
daß Aegidius Romanus sie in seinem Fürstenspiegel übernommen hat. Es
gibt selbstverständlich nichts Banaleres, als daß ein mittelalterliches speculum
princtpis einige Kapitel der iustitia des idealen Fürsten widmet 4 1 . Wären die
Ausführungen im „De regimine" nur Wiederholung, weckten sie freilich nur
tödliche Langeweile. Wenn wir aber die einschlägigen Seiten des Aegidius vor
dem Hintergrund der vorhergehenden Rezeption der aristotelischen iustitia-
Lehre lesen, so stellen wir deutlich fest, daß der Augustinertheologe ver-
38 Ibid., a. 6, 304.
39 Cf. die noch unveröffentlichten Ethikkommentare, welche vor allem M. Grabmann,
R.-A. Gauthier, O. Lottin, R. Hissette und A. J. Celano untersucht haben. Die einschlägige
Quaestio liest man nicht nur in dem hypotetisch Radulphus Brito zugeschriebenen Quaestio-
nenkommentar, cf. Utrum iustitia legalis sit eadem essentialiter cum aliis virtutibus moralibus, Cittä
del Vaticano, Bibl. Ap. Vat., Vat. lat. 832, fol. 29va-b, sondern auch in den folgenden Hand-
schriften, welche stark zusammenhängende Quaestionensammlungen enthalten: Erfurt,
Wiss. Bibl. der Stadt, C.Ampi. 2° 13, fol. 104rb-va; Erlangen, Universitätsbibliothek 213,
fol. 65rb-vb; Paris, Bibl. Nat. 16089, fol. 214va-b; Paris, Bibl. Nat., lat. 16110, fol. 260vb.
40 Der fortdauernde Einfluß der Lösung des Thomas ist u. a. auch in der im Jahre 1310
vollendeten Sententia libri Ethicorum Heinrichs von Friemar bezeugt. Trotz einiger Meinungs-
verschiedenheiten ist Heinrichs Behandlung dieser Frage deutlich von derjenigen des Tho-
mas abhängig. (Ich habe die Kopie dieser Sententia benutzt, welche in der Hs. Bologna, Bibl.
Univ., 1572 erhalten ist; cf. bes. fol. 112ra-114ra.) Dasselbe gilt auch für den fragmentarisch
erhaltenen Quaestionenkommentar zur Nikomachischen Ethik des Guido Terreni (cf. die
Hs. Bologna, Bibl. Univ., 1625, fol. 30rb-33ra).
41 Für eine zusammenfassende Ubersicht der mittelalterlichen Fürstenspiegelliteratur cf.
D. Quaglioni, II modello del principe cristiano. Gli „specula principum" fra Medio Evo e
prima Etä moderna, in: Modelli nella storia del pensiero politico, I, ed. V. 1. Comparato,
Firenze 1987, 1 0 3 - 1 2 2 .
sucht hat, den von Thomas erreichten Stand der philosophischen Reflexion
über die iustitia in sein Werk einzuarbeiten. Der Fürstenspiegel ist Philip
dem Schönen gewidmet, was Aegidius aber nicht daran hindert, auch
einige Feinheiten der gelehrten Diskussion in Betracht zu ziehen 42 . In
„De regimine" findet man nicht nur die von Thomas in Ubereinstimmung
mit der vorhergehenden Tradition vertretene These, daß die iustitia primär
operationes (und nicht passiones) regelt, sondern auch die vom Aquinaten
eingeführte Neuerung, nach welcher der Wille als Inhärenzsubjekt der
iustitia betrachtet werden soll 43 .
Der Einfluß des Thomas ist auch dort unverkennbar, wo Aegidius zur
Analyse der Unterteilungen der iustitia kommt. Schon in den ersten Zeilen
werden auf einer Seite iustitia legalis und generalis, auf der anderen iustitia aequalis
und spedalis (oderparticulars) gleichgestellt 44 . Es ist aber vor allem die Bestim-
mung der Unterscheidungsmerkmale der iustitia legalis, welche sehr stark an
die „Summa Theologiae" erinnert. Von Thomas stammt die Orientierung auf
das bonum commune, welche die iustitia legalis kennzeichnet, während die iustitia
spedalis mit dem bonum speäale, proprium oder auch privatum zu tun hat 45 . Der
künftige Generalprior der Augustiner hat aber auch eine weitere These, und
zwar diejenige der Nicht-Identität zwischen iustitia legalis und der Gesamtheit
der Tugenden von Thomas übernommen. So schreibt Aegidius: „Non est
autem simpliciter legalis iustitia omnis virtus, quia est virtus distincta a qualibet virtute.
Sed didtur esse quodammodo omnis virtus, quia non determinat sibi spedalem iustitiam
(pro: materiam)"4b. Diese Terminologie ist derjenigen von Albert und Thomas
sehr ähnlich, die Stellungnahme bleibt aber ohne Zweifel diejenige von Tho-
mas: Die iustitia legalis ist eine von allen anderen virtutes deutlich verschiedene
Tugend.
Die Übernahme der thomasischen These erfolgt aber nicht ohne Ak-
zentverschiebung, welche letzten Endes der aegidianischen Theorie der
42 Zur Frage der Methode in „De regimine principum" cf. Imbach, Die Laien in der Philoso-
phie (nt. 3), 36 — 41, aber auch U. Staico, Retorica e politica in Egidio Romano, in: Documenti
e studi sulla tradizione filosofica medievale 3 (1992), 1 - 7 5 , bes. 1 2 - 2 2 .
43 Cf. R. Lambertini, II filosofo, il principe e la virtü. Note sulla ricezione e l'uso dell'Etica
Nicomachea nel De regimine principum di Egidio Romano, in: Documenti e studi sulla
tradizione filosofica medievale 2 (1991), 239 — 279, bes. 2 5 7 - 2 6 0 . Zur philosophischen Be-
deutung der Debatte über das Inhärenzsubjekt der Tugenden cf. jetzt B. Kent, Virtues of
the Will. The Transformation of Ethics in the Late Thirteenth Century, Washington D. C.
1995, bes. 1 9 9 - 2 4 5 .
44 Aegidius Romanus, De regimine principum libri tres, 1. I, pars II, 10, ed. H. Samaritanius,
Romae 1607 (Nd. Aalen 1967), 71: „Philosophus in 5. Ethicorum distinguit duplicem iustitiam,
legalem et aequalem. Legalis enim iustitia est quid generale, et quodammodo omnis virtus. Iustitia vero
aequalis, est quid speäale, et est quaedam particulans virtus".
45 Ibid., 71 —72: „Nam (ut scnbitur Ethicorum 5.) iustitia est in ordine ad alterum ... Nam in ipsis
ciuibus, ex eo quod habent huiusmodi ordinem, vel quaeritur bonum commune, vel bonum speäale et
proprium. Si quaeritur commune bonum, sie est in eis iustitia legalis. Si autem quaeritur in ipsis aliquod
bonum priuatum, erit in eis iustitia aequalis".
46 Ibid., 72.
47 Ibid., 72: „...licet eadem opera agat iustus legalis, quae agitfortis, et temperatus, non tarnen agit ea
secundum eandem intentionem, vel secundum eandem rationem formalem. Nam qui agit opera fortia, quia
delectatur in talibus, fortis est, et agens temperata, quia delectatur in ipsis, temperatus est. Sed agens talia,
non quia delectatur in eis, sed quia ea lex praeäpit, et vult implere legem, iustus legalis est. Iustus ergo
legalis, per se, et secundum quod homo, delectatur in impletione legis".
48 Ibid., 75: „Iustitia legalis habet esse area totam materiam moralem, et ärca omnia opera virtutum: non
secundum se aeeepta, sed prout per ea est impletio legis".
49 Cf. etwa G. Zanetti, La nozione di giustizia in Aristotele, Bologna 1993, bes. 2 0 - 2 1 .
50 Aegidius Romanus, De regimine prineipum libri tres, 1. III, pars II, 27, ed. cit., 526: „omnes
leges, quae ordinant nos in commune bonum, condendae sunt α principe, cuius est ordinäre et dirigere alios
in tale bonum, vel condendae sunt α toto populo, si totus populus prineipetur et sit in potestate eius eligere
prineipantem".
51 Ibid., 532 — 533: „... oportet regem in regendo alios sequi redam rationem, et per consequens sequi
naturalem legem, quia in tantum rede regit, in quantum a lege naturali non deviat; est tarnen supra legem
positiuam, quia illam sua auetoritate constituit ... quare positiua lex est infra prinäpantem, sicut lex
naturalis est supra".
5. S c h l u ß b e m e r k u n g
zieht sich auch eine andere Akzentverschiebung, wodurch „iustus" (im allge-
meineren Sinne) nicht so sehr den moralisch guten Menschen, sondern viel-
mehr den guten, gehorsamen Bürger bezeichnet. Die Tugend aller Tugenden
ist zur Tugend des Gesetzes geworden 55 .
II" — II ac , q. 58, a. 6, ed. cit., 304: „ E t in III Polit. diät quod non est simpliciter eadem virtus boni
viri et boni avis. Sed virtus boni dvis est iustitia generalis, per quam aliquis ordinatur ad bonum commune.
Ergo non est eadem iustitia generalis cum virtute communi, sed una potest sine alia haberi".
55
Das heute vor allem in Anlehnung an A. Maclntyre vieldiskutierte Problem des Verhältnisses
zwischen Tugendethik und Gesetzesethik ist nicht mit der in diesem Beitrag analysierten
Frage identisch, obwohl einige Berührungspunkte existieren, die übrigens vor vorschnellen
Verallgemeinerungen warnen sollten. Cf. dazu die wichtigen Ausführungen von W Kluxen,
Philosophische Ethik bei Thomas von Aquin, Mainz 1964, bes. 218 sqq.
1. D i e G r ü n d u n g des Studium g e n e r a l e
Im Herbst 1998 — genauer: am 14. September — jährt sich zum 750. Mal
die Gründung des Generalstudiums der Dominikaner in Köln 1 . Albertus
Magnus wurde zu dessen erstem Leiter berufen und setzte sogleich Akzente,
die diese Studienstätte zu der damals bedeutendsten in Deutschland machten.
erfordert nicht nur eine gute Kenntnis der Glaubenslehre, sondern auch Fä-
higkeit zur Argumentation. Deshalb wurde noch unter dem Eindruck der
Praxis des Gründers Dominikus selbst bereits in den ersten Konstitutionen
nahegelegt: „qualiter intenti debeant esse [fratres] ut de die, de node, in domo, in itinere,
legant aliquid vel meditentur, et quidquid potuerunt retinere cordetenus nitantur; quam
ferventes esse debeant in predicatione tempore opportuno"A. Albertus Magnus nannte
unter Berufung auf Titus 1,9 zwei Ziele: die Festigung der Gläubigen (exhor-
tari in doctrina sana) und die Uberzeugung der Widersprechenden (contradicentes
revincere)5. Zu ersterem ist das Mittel die Auslegung der HL Schrift mittels
der vier Schriftsinne 6 , zu letzterem das Aufweisen des Irrtums und das Er-
weisen der Wahrheit 7 . Um zur so verstandenen Predigt zu qualifizieren, ge-
nügte nicht mehr die private und konventuale lectio divina und auch nicht die
collatio des Klostervorstehers — auch wenn beide Formen der Vermittlung
geistlicher Weisheit bei den Predigerbrüdern keineswegs entfielen 8 . Konse-
quent baute der Orden von Beginn an eine Ausbildungsstruktur auf, in der
für jeden Konvent ein lector vorgesehen war, an dessen Hauptvorlesung alle
anwesenden Mitglieder teilnehmen sollten, in der also jedes einzelne Kloster
zu einer Stätte kontinuierlicher Aus- und Weiterbildung wurde. Bald — erst-
mals als bereits verwirklicht faßbar 1221 in der Einladung zu einer Gründung
in Metz durch den dortigen Bischof — dienten diese Konventsstudien auch
Externen 9 , zunächst dem Klerus, aber auch Laien; der bekannteste dieser
externen Klosterschüler war Dante, der im Florentiner Konvent Maria No-
vella bei Remigio de Girolami gehört hat 10 .
Spätestens mit öffentlichen Vorlesungen stellt sich auch das Problem der
Ausbildung der Ausbilder. Bereits in den ältesten Konstitutionen der Domini-
kaner wurde dazu festgelegt: „nullus fiat publicus doctor, nisi per quatuor annos
ad minimum theologiam audierit". 1229 und 1230 hatte der Predigerorden zwei
Lehrstühle an der theologischen Fakultät der Pariser Universität erworben 11
und nutzte sie als Schule zur Qualifizierung seines wissenschaftlichen Nach-
wuchses. Doch mit der geradezu explosionsartigen Ausbreitung der Mendi-
kanten in ganz Europa war deren Ausbildungskapazität bald ebenso überfor-
dert, wie die Aufnahmekapazität des Pariser Konvents: jede der zwölf Or-
Der Begriff Studium generale ist im Mittelalter seit der ersten Hälfte des
13. Jahrhunderts auch die gängige Bezeichnung für die Universitäten gewe-
sen 20 . Wie bereits Heinrich Suso Denifle nachgewiesen hat, ist damit nicht
unbedingt eine Lehrinstitution gemeint, die alle Fakultäten besitzt (Artes,
Theologie, Kanonistik, römisches Recht, Medizin) 21 , sondern er bezeichnet
eine Schule, die allen, ohne Unterschied ihrer Nationalität, offensteht 22 und
die — nach dem Vorbild von Paris und Bologna — mit bestimmten Privile-
gien ausgestattet ist 23 . Das wichtigste von diesen ist, daß mit dem an einem
Studium generale erworbenen akademischen Grad, der licentia docendi, auch die
Lehrbefahigung für alle anderen Schulen an jedem Ort der (westlichen) Chri-
stenheit verbunden war 24 .
Eine solche Lehrbefähigung haben die dominikanischen Generalstudien
nicht verliehen — außer wenn sie, wie in Paris und Oxford und später in
Montpellier 25 und in Köln — einer Universität inkorporiert waren. Da sie
aber Studienhäuser ,für alle', das heißt hier in eingeschränktem Sinn: für
Studenten aus allen Provinzen des Ordens waren, können sie in abgeleitetem
Sinn durchaus als studia generalia bezeichnet werden.
Auf diese Weise wurde eine solide scholastische Ausbildung der Lektoren
sichergestellt und damit der Ubergang zur scholastischen Studienweise auch
für die theologische Grundbildung aller Ordenspriester ermöglicht — ein
ungeheuerer Vorsprung der Mendikanten gegenüber dem Weltklerus fast all-
gemein.
„In libris gentilium et philosophorum non studeant, etsi ad horam inspiciant. Seculares
scientias non addiscant, nec etiam artes quas liberales vocantur"26. Dieses Philosophie-
verbot der ersten dominikanischen Konstitutionen war Ausdruck einer be-
reits im Neuen Testament angelegten Abneigung: „Gebt acht, daß Euch nie-
mand täusche durch Philosophie und leeren Trug" 27 — das einzige Vorkom-
men des Wortes philosophia in der Bibel. Die in Anlehnung an die für monasti-
sche Spiritualität klassischen „Vitae patrum" von Gerardus de Fracheto
gesammelten „Vitae fratrum" enthalten für diese Haltung charakteristische
Beispiele. So träumte ein englischer Dominikaner, Christus überreiche ihm
20
H. Denifle, Die Entstehung der Universitäten des Mittelalters, Berlin 1885, 2 - 4 .
21
Op. cit., 18sq.
22
Op. cit., 14 und 21.
23
Op. cit., 19sq.
24
Op. cit., 21 sq.
25
Op. cit., 348sq.
26
Const, ant. d. II, c. 28, 361,7-9.
27
Kol. 2,8; nach der Vulgata: „ 1Adete ne quis vos deäpiatperphilosophiam et inanem fallaäam".
eine ganz beschmutzte Bibel und erkläre ihm: „Ihr habt sie mit euren Philo-
sophen so befleckt" 28 .
Bei Humbertus de Romanis ist diese philosophiefeindliche Haltung einem
abgewogeneren Urteil gewichen. In seiner Erklärung der Augustinusregel 29
behandelte er auch die Frage, wie für einen Dominikaner die Philosophie
einzuschätzen sei und ob er sich damit befassen solle.
Die heidnischen Philosophen, so Humbert, haben zwar manche Irrtümer
gelehrt, doch finden sich bei ihnen auch die wirksamsten Mittel, viele davon
zu korrigieren 30 . Die Werke der Philosophen enthalten also sowohl Nützli-
ches als auch Schädliches31. Wer zwischen Gutem und Schlechtem nicht zu
unterscheiden vermag, sollte sich deshalb nicht mit ihnen befassen 32 . Im
Orden soll demzufolge denjenigen Brüdern, die keinen Nutzen aus philoso-
phischer Lektüre ziehen können („fratres omnino inepti adprofitendum in Ulis"),
deren Studium nicht gestattet werden. Denjenigen, die zwar etwas, aber nicht
viel damit anfangen können („apti ad proßciendum in Ulis in aliquo, sed non mul-
tum"), soll diese Beschäftigung in Maßen zugestanden werden {„cum discretione
et rare"). Von ihrer Begabung her für die Theologie vielversprechenden Brü-
dern aber („ex quorum aptitudine magna ad ista speratur magnus profectus et fructus
circa Divinam Scripturam") sind keinerlei Beschränkungen aufzuerlegen 33 . Die
Philosophie wird also in ihrer ,hilfswissenschaftlichen' Bedeutung gesehen
und geschätzt; da der Umgang mit ihr aber, wie bei einem überdosiert gifti-
gen Medikament, auch Gefahren mit sich bringt, kann er nur mit Vorsicht
und nicht jedem gestattet werden.
Der erste Pariser Magister aus dem Dominikanerorden, Roland von Cre-
mona, hat eine theologische Summe hinterlassen, die — vor 1234 entstanden
— nur in Teilen ediert ist 34 . Im Prolog des ersten Buches berührt er die
Frage des Verhältnisses von Philosophie und Theologie zueinander:
28 IV, 20, ed. B. M. Reichert, Rom 1896, 208 (Monumenta Ordinis Praedicatorum Historica
1)·
29 Ediert in: Humbertus de Romanis, Opera de vita regulari I, ed. J. J. Berthier, Paris 1888,
426 — 472. Zur Bedeutung dieses ,offiziösen' Regelkommentars cf. R. Creytens, Les commcn-
tateurs dominicains de la regle de Augustin, in: Archivum Fratrum Praedicatorum 33 (1963),
121-157.
30 ,y4pud phUosophos enim sunt errores multi et ventates multae, sicut in serpents venerium et thiriaca. Et
sicut thiriaca est effectior omnibus aliis contra venenum, ita et ventates eorum, qui istas non recipiunt".
Expositio regulae B. Augustini, IV, 144, op. cit., I, 436.
31 „Sunt in Ulis libris quaedam bona, et quaedam mala, sicut in horto quaedam herbae bona et quaedam
malae". Op cit., 438sq.
32 „His qui nesciunt bene discernere non est securum mixta bonis et malis legere, ne forte malum et bonum
colligant". Op cit., 439.
33 Op cit., 435.
34 Zu den Handschriften und Editionen cf. T. Kaeppeli, Scriptores Ordinis Praedicatorum
medii aevi III, Rom 1980, 331, Nr. 3551. Eine vollständige Handschrift ist nicht erhalten.
Anders als von Kaeppeli angegeben, enthält Paris, Bibliotheque Mazarine, Ms. 795, jedoch
alle vier Bücher, wenn auch mit Lücken. Cf. E. Filthaut, Roland von Cremona OP und die
Anfänge der Scholastik im Predigerorden, Vechta i.O. 1936, 41 sq.
„... solent ergo deapere heretiä et demonesfideles in scripturis sophisticis argumentis. Scriptum
autem sacra non dignatur descendere ad solutionem illarum inuolutionum ... mittat unam de
anällis suis, logicam, in suo strepitu et ueritate ab infestinatione domine sue fugat inimicos"^.
Deutlicher kann die bloß ,hilfswissenschaftliche' Verwendung der Philoso-
phie als ,ancilla theologiae' nicht mehr ausgedrückt werden.
Daß aber noch nicht einmal ein solches theologisches Interesse an Philoso-
phie im Dominikanerorden allgemein akzeptiert wurde, läßt der heftige Aus-
fall ahnen, den Albertus Magnus an den Schluß seines Kommentars zur Poli-
tica, und damit an das Ende seiner aristotelischen philosophisch-naturwissen-
schaftlichen Enzyklopädie stellt:
„Nec Aristoteles dicit de se hoc, sed reatat qualiter tales gentes politias suas ordinaverunt. Nec
ego dixi aliquid in isto libro, nisi exponendo quae dicta sunt, et rationes et causas adhibendo.
Sicut enim in omnibus libris physids, numquam de meo dixi aliquid, sed opiniones Peripatetico-
rum quanto fidelius potui exposui. Et hoc dico propter quosdam inertes, qui solatium suae
inertiae quaerentes, nihil quaerunt in scriptis, nisi quod reprehendant et cum tales sint torpentes
in inertia ne soli torpentes videantur, quaeruntponere maculam in electis. Tales Socratem occide-
runt, Platonem de Athenis in Academiam fugaverunt, in Aristotelem machinantes etiam eum
exire compulerunt... Sed hoc tantum de talibus. Qui in communicatione studii sunt quod hepar
in corpore: in omni autem corpore humor fellis est, qui evaporando totum amaricat corpus, ita
in studio semper sunt quidem amarissimi et feilet viri, qui omnes alios convertunt in amaritudi-
nem, nec sinunt eos in dulcedine soäetatis quaerere veritatem"36.
Das schreibt nicht ein lebensferner Außenseiter, sondern einer, der so viel
Vertrauen seiner Mitbrüder genossen hat, daß sie ihn 1254 zum Provinzial
wählten 3 7 . Schon zu Lebzeiten galt Albert der Große als Wunder an Gelehr-
samkeit; und seine Glaubenshaltung ist nie in Zweifel gezogen worden 3 8 .
Albert kommt das Verdienst zu, der Philosophie einen Platz in der kirchli-
chen Bildung erkämpft und damit nicht nur einen Standard für Rationalität,
Argumentation und Dialog etabliert, sondern auch eine wirkliche Synthese
von griechisch-arabischer Wissenschaft und christlicher Weisheit ermöglicht
zu haben. Das bedeutet allerdings nicht, daß damit auch nur in seinem eige-
nen Orden die Kritiker der Philosophie ein für allemal zum Schweigen ge-
bracht worden wären 3 9 .
2. A l b e r t s W i r k s a m k e i t in K ö l n
Es ging hierbei offenbar nicht nur um die „reine Lehre", sondern darum,
daß auf Bitten des Kölner Klerus Albertus Magnus sein bewährtes Verhand-
lungsgeschick einsetzen sollte, um den Frieden zwischen Erzbischof Engel-
bert II. von Valkenburg und der Stadt mit ihren Verbündeten wiederherzu-
stellen, der nach der Gefangennahme des kriegerischen Kirchenfürsten am
18. Oktober 1267 in der Schlacht bei Zülpich durch ein von dem päpstlichen
Nuntius Bernhard von Castaneto über Köln verhängtes Interdikt (dem Ver-
bot des Gottesdienstes und der Sakramentenspendung) nicht gerade geför-
dert wurde 43 . Albert durfte den Gebannten nicht zur Hilfe kommen, ohne
selbst die Kirchenstrafe auf sich zu ziehen. Der Ausweg war, daß der Gene-
ralmeister den als Bischof nun nicht mehr seiner Befehlsgewalt Unterstehen-
den bat, eine ordensinterne Lehraufgabe zu übernehmen, die von dem Inter-
40 Ms. Lat. Oct. 109 (nach jetziger Zählung fol. 39). H. Finke, Ungedruckte Domjnikanerbriefe
des 13. Jahrhunderts, Paderborn 1891, 51, Nr. 1. Zur Geschichte der Handschrift und der
Bibliothek des Soester Dominikanerkonvents, in die sie vermutlich durch Jakob Schwefe
von Soest OP kam, cf. N. Eickermann, Miscellanea Susatensia, in: Soester Zeitschrift 86
(1974), 23 — 45. L. Sturlese, Dokumente und Forschungen zu Leben und Werk Dietrichs
von Freiberg, Hamburg 1984 (Corpus philosophorum Teutonicorum medii aevi, Beih. 3).
B. Michael, Die mittelalterlichen Handschriften der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek
Soest, Wiesbaden 1990, 22sq.
41 H. C. Scheeben, Albert der Große, zur Chronologie seines Lebens, Vechta i.O. 1931 (Quellen
u. Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland 27). H. Stehkämper
(Bearb.), Albertus Magnus, Ausstellung zum 700. Todestag, Historisches Archiv der Stadt
Köln, Köln 1980, 9 7 - 1 0 1 .
42 H. Finke, Ungedruckte Dominikanerbriefe (Anm. 40), 51.
43 W.Janssen, Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter 1 1 9 1 - 1 5 1 5 I, Köln 1995, 1 7 5 - 1 7 9
(Geschichte des Erzbistums Köln 11,1).
dikt nicht betroffen war. Augenzwinkernd wurde dabei vermerkt, daß neben
dem genannten Zweck der (wissenschaftlichen) Förderung der Brüder, auch
andere Nutzen haben würden — fürwahr eine politische Berufung. Albertus
Magnus gelang es tatsächlich, im April 1271 eine Einigung zwischen dem
Erzbischof, der Stadt und dem Grafen Wilhelm IV. von Jülich zu vermitteln.
Auch wenn wir also keine Quelle haben, aus der wir direkt erfahren, warum
1248 gerade Albertus Magnus, als Magister Parisiensis bereits zu jenem Zeit-
punkt einer der profiliertesten Gelehrten des Predigerordens, als Gründungs-
regens des Generalstudiums nach Köln berufen wurde, können wir davon
ausgehen, daß schon die Tatsache zeigt: es sollte eine Studienstätte von nicht
bloß untergeordneter Bedeutung entstehen. Eine bewußte „Kulturpolitik" ist
also durchaus anzunehmen — sie sollte aber nicht isoliert von den Ausbil-
dungsbedürfnissen und von deren Gründen betrachtet werden.
Nach der „Ystoria sancti Thome de Aquino" des Wilhelm von Tocco kam
Thomas von Aquin von Paris nach Köln, wo Albertus Magnus lehrte. Dort
hörte er, offenbar nicht als erstes, dessen Vorlesung über „De divinis nomini-
bus" des Pseudo-Dionysius. Als er, anfänglich stumm für sich lernend, einem
Mitstudenten eine nicht verstandene Lektion noch besser als der Meister
erklären konnte, wurde sein Talent entdeckt 44 . Albertus Magnus gab dem —
zunächst aus Demut Widerstrebenden — besonders schwierige Aufgaben als
Respondens in Disputationen, die er so glänzend löste, daß er ihm sagte: „Frater
Thoma, tu non uideris tenere locum respondentis, sed determinantis"45. Hier folgt nun
der berühmte Ausspruch Alberts: „Nos uocamus istum bouem mutum, sed ipse
adhuc talem dabit in doctrina mugitum quod in tot mundo sonabit!"46 Nach diesen
Ereignissen las Albertus Magnus über die Ethik des Aristoteles, was Thomas
mitschrieb und selbst redigierte 47 . Auf Nachfrage des Generalmeisters nach
geeigneten Bakkalaren für Paris empfahl Albert Thomas schließlich zu dieser
Aufgabe 48 .
Auch wenn Wilhelm von Tocco mit etwa 70 Jahren Abstand zu den hier
berichteten Ereignissen schreibt 49 und in der deutlichen Absicht, mit seinem
50
Op. cit. [Einl.], 34sq. Cf. W. P. Eckert, Stilisierung und Umdeutung der Persönlichkeit des
hl. Thomas von Aquino durch die frühen Biographen, in: Freiburger Zeitschrift für Philoso-
phie und Theologie 18 (1971), 7 - 2 8 .
51
Ed. Paris., 30 (1894), 354 a.
52
Kritische Studien zum Leben und zu den Schriften Alberts des Großen, Freiburg i. Br. 1920
(Ergänzungshefte zu den Stimmen der Zeit, 2,4), 114sq. P. Simon, Prolegomena, in: Albertus
Magnus, Opera omnia, ed. Colon., 37,1 (1972), vi, schließt sich ihm an.
53
Ed. Paris. 13, 1892, 508b; cf. In IV Sent., d. 14, a. 9: ed. Paris., 29, 422sq.; F. Pelster, op.
cit., 129; P. Simon, I. c.
54
Erscheint als tom. 36,2 der Editio Coloniensis, ediert von Maria Burger unter Benutzung der
Vorarbeiten von Paul Simon, voraussichtlich 1999. Der Editorin verdanke ich den Hinweis,
daß es laut allen Handschriften im angeführten Zitat prioritate heißen muß, nicht proprietate,
wie in Ed. Paris.
55
H. F. Dondaine, Le corpus dionysien de l'universite de Paris au Xllle siecle (Storia e lettera-
tura 44), Rom 1953, 117-119.
56 „Nunc autem transibimus deo duce ad symbolicam theologiam, in qua agitur de nominibus sensibilium in
deum translatis, quem librum nos non habemus. Et ideo eo praetermisso transibimus ad exponendum
librum de Mystica theologia". In De div. nom., c. 1, n. 34, ed. Colon., 37,1 (1972), 4 5 1 , 6 8 - 7 3 .
Diese Annahme Alberts dürfte auch die Erklärung für die Zuschreibung dieses Werkes
durch Petrus de Prussia liefern (H. C. Scheeben, Les ecrits d'Albert le Grand d'apres les
catalogues, in: Revue Thomiste 36 [1931], 2 6 0 - 2 9 2 , hier: 287, n. 44), bzw. eines „De symbo-
lica hierarchia" im Stamser Katalog (Laurentii Pignon Catalog! et Chronica, accedunt Cata-
log! Stamensis et Upsalensis Scriptorum OP, cura G. Meersseman, Rom 1936 [Monumenta
Ordinis fratrum Praedicatorum Historica 18], 58; H. C. Scheeben, op. cit., 274, n. 66; cf. 292,
n. 110) und durch Laurentius Pignon (Laurentii ..., 23). Cf. G. Meersemann, Introductio in
opera omnia Β. Alberti Magni OP, Brugge 1931, 103.
57 P. Glorieux, L'enseignement au moyen age. Techniques et methodes en usage ä la faculte de
theologie de Paris au XHIe siecle, in: Archives d'histoire doctrinale et litteraire du moyen
age 43 (1968), 6 5 - 1 8 6 , hier 1 0 9 - 1 1 1 .
58 L. c.; J. Verger, L'exegese, parente pauvre de la theologie scolastique? in: Manuels, pro-
grammes de cours et techniques d'enseignement dans les universites medievales, ed. J. Ha-
messe, Louvain-la-Neuve 1994, 31 — 56, hier 41 —45. Auf diese zentrale Stellung der Bibelaus-
legung in der scholastischen Theologie machte bereits aufmerksam: H. S. Denifle, Quel livre
servait de base ä l'enseignement des maitres en theologie dans l'universite de Paris?, in:
Revue Thomiste 2 (1894), 1 4 9 - 1 6 1 .
59 Kritische Studien ... (Anm. 52), 128.
60 Albert der Große. Zur Chronologie ... (Anm. 41), 28.
61 Ms. I Β 54. Hierzu immer noch grundlegend: G. Thery, L'autographe de s. Thomas conserve
ä la Biblioteca Nazionale de Naples, Archivum Fratrum Praedicatorum 1 (1931), 15 — 86
(Nachweis der Authentizität der Schrift 72 sq.). Cf. P. Simon, Prolegomena, in: Albertus
Magnus, Opera omnia, ed. Colon., 37,1 (1972), viiisq.
62 Op. cit., 2 4 - 4 6 .
63 P. Simon, Prolegomena ... (Anm. 61), vii. Es dient nicht gerade der Übersichtlichkeit, daß
die Prolegomena zum Kommentar von „De caelesti hierarchia" (ed. Colon. 36,1, 1993) nichts
darüber enthalten, umgekehrt in denen zu „De divinis nominibus" die Handschriften, die
dort besprochen werden, aber das Werk nicht enthalten, und ihre Siglen nicht vorgestellt
werden. Auch bei dieser nur angedeuteten Uberlieferungslage — und den weitreichenden
Hypothesen, die er darauf baut, verzichtet Simon auf eine genauere Rekonstruktion der
Textgeschichte. Eine Kontrollierbarkeit seiner Edition ist somit nicht gegeben.
64 Op. cit., visq.
65 Thomas de Aquino, Opera omnia (ed. Leonina) 13, Rom 1918, xix-xxvii; zu der hier ange-
sprochenen Problematik auch besonders A. Pelzer, Etudes d'histoire litteraire Sur la scolasti-
que medievale, Louvain et al. 1964, 3 4 9 - 3 5 1 , 354sq., 3 6 3 - 3 6 5 . Aus jüngerer Zeit: R.-
A. Gauthier, Saint Thomas d'Aquin, Somme contre les gentils, Introduction, Paris 1993,
7-35.
neinteilung keinen absolut sicheren Schluß auf Paris als Entstehungsort zu.
Die Bearbeitung des Pergaments in der Neapler Handschrift scheint nicht
der in Paris üblichen Weise zu entsprechen 66 . Überdies bleibt bei Simons
Hypothese eine Erklärungslücke für den Umstand, daß einige Handschriften
„Super De caelesti hierarchia" in der ersten Rezension und zusätzlich andere
Schriften des Corpus enthalten. Auch die Vermutung, wegen der (postulierten)
Abfassung in Paris, kurz vor Alberts Aufbruch nach Köln, seien gegen Ende
Zeichen wachsender Eile zu erkennen, läßt sich für den Kommentar zur
himmlischen Hierarchie nicht erhärten 67 . Insgesamt erscheint mir die Hypo-
these, Alberts Kommentar zu „De caelestis hierarchia" sei bereits vor dem
Herbst 1248 in Paris entstanden, weniger sicher als es auf den ersten Blick
scheint, wenn diese Möglichkeit auch nicht auszuschließen ist. Die größere
Wahrscheinlichkeit spricht jedoch für eine Entstehung des gesamten Kom-
mentarwerks zum Corpus Dionysiacum in Köln ab September 1248.
Albertus Magnus' (erster) Kommentar zur Nikomachischen Ethik des Ari-
stoteles ist, wenn wir Wilhelm von Tocco Glauben schenken können, nach
der Vorlesungsreihe zum Corpus Dionysiacum anzusetzen und ebenfalls durch
Thomas von Aquin mitgeschrieben und redigiert worden. Für letzteres haben
wir ein weiteres Zeugnis in einer Glosse einer Handschrift der Vatikanischen
Bibliothek: „Iste sunt questiones ffratris [!] Alberti ordinis predicatorum quas collegit
ffrater tomas de aquino"68.
Die zeitliche Nachordnung wird etwas in Frage gestellt durch die Beobach-
tung Franz Pelsters, daß im Corpus Dionysiacum zahlreiche Verweise auf die
Nikomachische Ethik des Aristoteles zu finden seien 69 . Eine Durchsicht der
Register und der dort verzeichneten Stellen in den entsprechenden Bänden
der Editio Coloniensis ergibt jedoch kein eindeutiges Resultat: ausdrückliche
Selbstverweise gibt es zwischen dem Corpus Dionysiacum und „Super Ethi-
cam" nicht, 58 implizite Zitate von 55 Stellen aus dem Ethikkommentar sind
sachliche Parallelen, die keine direkte literarische Abhängigkeit konstituieren;
auch die 153 expliziten Zitate von 82 Stellen aus der Nikomachischen Ethik
des Aristoteles erfordern nicht, daß Albertus Magnus dieses Buch zuvor
66 Diesen Hinweis verdanke ich einer freundlichen Mitteilung von Robert Wielockx, Rom, dem
ich für die Gelegenheit zum Gespräch über die Traditionsgeschichte von Alberts Corpus
Dionysiacum herzlich danke.
67 Bei Zugrundelegen der ed. Colon. 36,1 ergibt sich eine (Pseudo-Dionysius) Texdänge von
1522 Halbzeilen (Textzeilen doppelt angerechnet, da einspaltig gedruckt) und eine Kommen-
tarlänge von 18171 Zeilen (so gezählt, da zweispaltig gedruckt). Die minimale Kapitellänge
beträgt 14 Texthalbzeilen (c. 14) bzw. 264 Kommentarzeilen (c. 5). Die maximale Kapitel-
länge beträgt 352 Texthalbzeilen (c. 13) bzw. 2604 Kommentarzeilen (c. 15). Der Kommentar
ist im Verhältnis zum Text am kürzesten in c. 4 (3,69) und am längsten in c. 14 (79,14), das
durchschnitdiche Verhältnis ist 11,94 und wird in den letzten Kapiteln nur in c. 13 mit 6,85
deutlich unterschritten.
68 Vat. Lat. 722, fol. 209 r. Cf. W. Kübel, Prolegomena, in: Albertus Magnus, Opera omnia (ed.
Colon.), 14,1 (1968), viii.
69 Kritische Studien ... (Anm. 52), 129.
kommentiert hätte. Umgekehrt lassen sich auch nur zwei, eher allgemeine
Verweise auf seine Schriften über Pseudo-Dionysius in Alberts erster Ethik-
Vorlesung finden70.
Weiterhin hat Auguste Pelzer bemerkt, daß in diesem Ethik-Kommentar
für eine Definition von Gerechtigkeit die auctoritas „in commento super librum de
divinis nominibus, capitulo viii" angegeben wird 7 1 . Die Quelle hierfür scheint
aber nicht Alberts eigener Kommentar zur Stelle 72 zu sein, wo diese Defini-
tion nicht wörtlich vorkommt, sondern in ihrer Geltung eingeschränkt
wird 73 . Vielmehr hat Albertus Magnus diese Definition einem anonymen
Kommentar entnommen 7 4 , der als Glosse dem Opus alterum, der neueren
Redaktion des Pariser Corpus Dionysiacum beigegeben war 7 5 . Im Ergebnis las-
sen sich also keine hinreichenden Gründe finden, in diesem Fall Wühlern
von Toccos relative Chronologie abzulehnen.
Von den zum großen Teil vor wenigen Jahren von Albert Fries erstmals
edierten Quaestionen des Albertus Magnus 7 6 , sind wahrscheinlich nicht we-
nige in seiner Kölner Zeit entstanden. Das Vorgehen des Editors, sie nach
den behandelten Gegenständen den systematischen und Kommentarwerken
als ,Nebenprodukte' zeitlich zuzuordnen, erscheint allerdings nicht überzeu-
gend 7 7 . Eine etwas größere Sicherheit dürfte erreicht werden, wenn zu die-
sem Kriterium die handschriftliche Uberlieferung dazugenommen wird, ins-
besondere die Herkunft aus der Sammlung des Thomas von Aquin 7 8 , die
nicht unwahrscheinlicherweise auf sein Kölner Studium und Bakkalaureat
zurückgeht.
das Corpus Dionysiacum und dann über die Nikomachische Ethik des Ari-
stoteles. Vor dem angerissenen Hintergrund eines deutlichen Mißtrauens ge-
genüber Philosophie ist das letztere umso erstaunlicher. War der Doctor univer-
salis etwa nun eher Philosoph als Theologe geworden? 7 9 War ,Theologie' für
ihn ein Kernthema der Metaphysik 80 — und nichts als das?
Eine Antwort durch Verweis auf die später entstandenen Bibelkommentare
wäre zu einfach. Es bliebe dann immer noch die Möglichkeit, daß er sich in
seinen reifen Jahren bewußt nicht nur dem großen Werk der philosophischen
Enzyklopädie zu und von der Theologie abgewandt hätte, sondern die späten
Schriftkommentare als Werk eines sich auf den Tod vorbereitenden frommen
alten Mannes zu sehen sind.
Doch bevor wir uns der Frage zuwenden, ob Albertus Magnus mehr oder
gleichermaßen oder weniger Philosoph als Theologe war, müssen wir uns
einer Vorfrage stellen, von der aus dieses Unternehmen fraglich erscheint.
Was ist Philosophie? Wer ist ein(e) Philosophen)? Der Versuch, hierauf eine
umfassende Antwort zu finden, wäre — fürchte ich — zum Scheitern verur-
teilt. Denn unser Jahrhundert ist ja gerade dadurch gekennzeichnet, daß es
eine einheitliche, allgemein akzeptierte Konzeption davon, was Philosophie
sei, nicht gibt 8 1 . Weder eine Einteilung in eine Reaktionäre' und eine fort-
schrittliche' 82 , noch die Eliminierung bestimmter Denkrichtungen aus dem
als ,Philosophie' anerkannten Bereich 83 kann als ein adäquates und auf die
Philosophiegeschichte anwendbares Vorgehen gelten. Auch wenn nicht uni-
versale Geltung beansprucht wird, sondern nur deskriptive für eine be-
stimmte Periode und einen bestimmten Kulturkreis, ist über eine Minimalde-
finition nicht hinauszukommen. Ohne Alleingeltungsanspruch läßt sich an
De Raeymaeker angelehnt formulieren: „Philosophie [im lateinischen Mittel-
alter] ist eine Zusammenfassung methodisch erworbener und systematisch
geordneter Erkenntnisse im Bestreben, die grundlegende Erklärung aller
Dinge zu liefern" 8 4 . Für den hier gegebenen Zusammenhang ist dabei auch
die Abgrenzung wichtig: „Philosophie ist auf die natürliche Ordnung der
Dinge und die natürlichen Erkenntnisvermögen beschränkt. Sie ist darin von
85 L.c.
8( ' Cf. Historisches Wörterbuch der Philosophie IV, Basel 1976, 1 2 4 9 - 1 2 8 2 .
87 I. Kant, Uber eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine
ältere entbehrlich gemacht werden soll, II, Akademie-Ausg. V I I I , Berlin 1912, 226sq.
88 K . Marx, Thesen über Feuerbach: K. Marx, F. Engels, Werke III, Berlin 1958, 5 - 7 .
89 J. Habermas, Erkenntnis und Interesse, Frankfurt a.M. 1968, 9.
90 J. Derrida, Grammatologie (dt.), Frankfurt a. M. 4 1 9 9 2 , 79sq. et passim.
91 Prol., 4, sol., ed. Colon. X l l a , 3, 56sq.
92 L.c., 3,55sq.
93 L.c., 3,59sq.
94 Prol., 1, 1 , 6 - 2 3 . Z u m Wissenschaftscharakter der Ethik cf. M. Dreyer, Ethik als Wissen-
schaft nach Albertus Magnus, in: Was ist Philosophie im Mittelalter? Akten des X . Interna-
tionalen Kongresses für mittelalterliche Philosophie der Societe Internationale pour l'Etude
de la Philosophie Medievale 25.— 30. August 1997 in Erfurt (Miscellanea Mediaevalia 26),
eds. J. A. Aertsen/A. Speer, B e r l i n - N e w York 1998, 1 0 1 7 - 1 0 2 3 .
95 Prol. 5, sol., 4, 19.
96 L. I, lect. 1, 5,31 sq.
97 L. I, lect. 8, n. 40, resp. 6, 3 9 , 8 0 - 8 7 .
98 L. I, lect. 7, n. 36, 3 4 , 2 6 - 3 1 .
werden, sie sei „finis operationisponens hominem in quodam divino statu"". Erfül-
lender ist die „contemplativa felicitas", die durch das geglückte „bonum commune"
erst möglich gemacht werden soll. Denn wirklich erfüllt sein kann der sich
durch „intellectus", d. h. nicht nur durch die Fähigkeit zu zweckrationalem
Denken, sondern durch das Verlangen nach universaler Einsicht von anderen
irdischen Lebewesen unterscheidende Mensch erst durch das Verstehen der
Letztbegründung. Die „contemplativa felicitas" vollendet sich darin — ja Albert
sagt um das zu unterstreichen sogar: „et quia intellectus est acceptio principiorum,
est simillima acceptio cognitioni deorum, qui simplici intellectu cognitionem de rebus habent
per ipsarum principia"wo.
Den Bereich philosophischer Untersuchung schränkt Albertus Magnus
aber, wie schon Georg Wieland bemerkt hat 101 , gerade in diesem Werk be-
sonders stark ein: „quod animae defunctorum remaneant post mortem, non potest de
philosophiam suffiäenter sciri. Et supposito quod remaneant, de statu earum et qualiter
se habeant ad ea quae circa nos fiunt, omnino nihil sciri per philosophiam potest"102.
Das ist kein agnostisches Abgrenzen des Wißbaren, denn er fährt unmittelbar
fort: „sed haec cognoscuntur altiori lumine infuso non naturali, quod est habitus fidei.
Sed tarnen contra ea quae fide determinata sunt, nihil potest demonstratio esse, eo quod
fides non est contra rationem, quia nulla Veritas alii discordat, sed est supra rationem,
Ps[almus]: ,Mirabilis facta est scientia tua' (Ps. 138,6) Et ideo indiget luminefidei"xm.
Der Glaube wird also für Albert nicht durch Philosophie ersetzt, erst recht
gibt es für ihn keine .doppelte Wahrheit' 104 , sondern bei voller Respektierung
der natürlichen Vernunft eine klare Uberordnung der Offenbarung.
Wie wir gesehen haben, kennzeichnet auch ein anderes, noch größeres
Projekt die Gründungsphase des Kölner Studium generale: die Kommentie-
rung des Corpus Dionjsiacum. Auch die bewußt philosophisch angelegte erste
Ethik-Vorlesung enthält Verweise darauf, die die Annahme ausschließen, es
handle sich um ein bloß zeitlich paralleles aber inhaltlich unverbundenes Vor-
haben: „intellectus secundum dicta beati Dionysii elevatur ad videndum deum per theo-
1 0 3 L. c., 7 1 , 7 8 - 8 4 .
104 ρ y a n Steenberghen, Une legende tenace: la theorie de la double verite, in: Ders., Introduc-
tion ä l'etude de la philosophie medievale (Philosophes medievaux 18), Louvain [u. a.] 1974,
555-570.
105
L. X, lect. 11, n. 894, ad 2, 749,41 sq.
106
L. c., n. 896, ad 1, 752,15-21.
107
Tractatus logico-philosophicus, 6.522, Ausg. Frankfurt a. M. 1963 (edition Suhrkamp 12),
115.
108
Ed. Colon. 36,1 (1993), 1,1 sq.
109
L. c., l,29sq.
110
L. c., 1,37-39.
111
L. c., 2,1 sq.
112
L. c., 2,12-15.
113
L. c., 2,24-27.
114 Alberts Magnus, Ep. 7, ed. Colon., 37,2 (1978), 5 0 1 - 5 1 3 , hier 501,68sq. (der von Albert
benutzte Pseudo-Dionysius-Text).
115 Op. cit., 502,29sq.
116 Op. cit., 5 0 2 , 3 8 - 4 1 . Cf. Aristoteles, De caelo et mundo, 11,9: 291 a 7 - 2 8 .
117 „Et ideo etiam nunc videtur de quibusdam quorum tota intentio et, ut contradicant dictis aliorum, quicquid
sit itlud, quod ad veritatem, quam non quaerunt, numquid attingant, sed detineantur in quibusdam apparen-
tibus". Op. cit., 502,41 - 4 6 .
118 Op. cit., Dubitatio, sol., 5 0 2 , 7 7 - 8 3 . Cf. Aristoteles, Metaphysica, V,5, 1015b 6 - 1 5 .
119 L.c., 502,83 — 503,1. Ein deutlicher Rückschritt gegenüber dem im Sentenzenkommentar
erreichten Reflexionsstand; cf. W Senner, Zur Wissenschaftstheorie der Theologie im Sen-
tenzenkommentar Alberts des Großen, in: Albertus Magnus Doctor universalis 1280/1980
(Walberberger Studien, Phil. R. 6), eds. G. Meyer/A. Zimmermann, Mainz 1980, 323 — 343.
Wir müssen freilich bedenken, daß der — für Albert mit der Autorität des Apostelschülers
Dionysius Areopagita ausgestattete — zu kommentierende Text ihn zu dieser Aussage gera-
dezu nötigt.
120 „Theologia ... non est principalis universalitate subiecti, sub quo ordinentur subiecta aliarum scientiarum
sicut sub universali; et ideo non est suum probare principia aliarum saentiarum, sed metaphysice, sed aliae
famulantur ei, inquantum utitur eis ad suum obsequium". L. c., ad 4, 503,33 — 39. Das Konzept der
ancilla theologiae ist hier unschwer auszumachen, es ist aber nicht auf die Metaphysica bezogen
— im übrigen die Ausdrucksweise des Redaktors Thomas von Aquin, während Albert selbst
prima philosophia vorzieht — sondern auf aliae scientiae.
121 Op cit., 5 0 4 , 1 1 - 2 6 .
122 „Per admirationem, dumprobatur aliquid in cuius comprehensionem ratio nonpotest". L.c., 504,28 — 30.
123 L.c., 505,34-40.
124 M. Burger, Das Verhältnis von Philosophie und Theologie in den Dionysius-Kommentaren
Albertus des Großen, in: Was ist Philosophie im Mittelalter? (Miscellanea Mediaevalia 26)
eds. J. A. Aertsen/A. Speer (cf. Anm. 94), 5 7 9 - 5 8 6 .
125 Op. cit., 585.
>2ή L. c.
127 Das Schlüsselwerk hierzu ist Alberts „De causis et processu universitatis a prima causa", ed.
Colon. 27,2 (1993), in dem Albert den auf Proklos zurückgehenden „Liber de causis" für
den krönenden Abschluß der prima philosophia des Aristoteles hält (60, 1 —5).
3. E i n e p h i l o s o p h i s c h q u a l i f i z i e r t e T h e o l o g i e
und eine a u t o n o m e P h i l o s o p h i e
Für die ersten Autoren der Dominikanerschule, wie Roland von Cremona,
war Philosophie noch eine bloße ancilla theologiae, die bei Bedarf herangezogen
wurde, aber keine eigenen Forderungen an die Herrin, die Schrift- und Got-
tesgelehrsamkeit zu stellen hatte 128 . Albertus Magnus führte als erster in sei-
nem in Paris entstandenen und wahrscheinlich — das vierte Buch — erst in
Köln fertig redigierten Sentenzenkommentar die methodischen Erfordernisse
der aristotelischen Wissenschaftstheorie in die Theologie ein 129 . Daß er die
Theologie dabei als säentia affectiva charakterisiert, bedeutet keineswegs, diese
hehren methodischen Prinzipien würden unter der Hand gleich wieder aufge-
geben: Säentia affectiva bedeutet nicht einen Primat des Wollens vor dem Er-
kennen, sondern das Ubersteigen der Trennung von säentia theoretica und säen-
tia practica hin zu einem ganzheitlichen, nicht anderen Zwecken untergeordne-
ten, sondern auf das durch Gott geschenkte, den Menschen umfassend bese-
ligende Heil hin ausgerichteten Wissen 130 . Auch wenn bei ihm ein
Universalitätsanspruch von Philosophie seine Grenzen im Bereich geoffen-
barter Wahrheit findet, erklärt der Doctor universalis die Autonomie der Philo-
sophie, hingeordnet auf die prima philosophia, die Metaphysik, im Bereich der
natürlichen Erkenntnis 131 . Trotz der Widerstände — auch in seinem eigenen
Orden — hörte er nicht auf zu philosophieren, philosophisch zu schreiben
und zu lehren — und das neben seinem theologischen Werk, methodisch und
thematisch eigenständig — aber nicht unverbunden 132 : er sondert gerade
nicht eine Wissenschaft der opera reparationis als Sacra scriptum oder theologia ab,
wobei die opera conditionis den weltlichen Wissenschaften überlassen wären 133 .
Für ihn ist auch die ganze Schöpfung Thema der Theologie, und zwar in
ihrer Heilsbedeutsamkeit.
Albertus Magnus: Philosoph oder Theologe ist eine falsche Alternative.
Zur Theologie ist Philosophie nötig — nicht um den verborgenen Gott ans
Licht der Vernunft zu ziehen, sondern um das Staunen über das Wunderbare
der Schöpfung und Erlösung zu vertiefen und um — gerade angesichts dieses
Wunderbaren, das die natürliche Vernunft übersteigt, sie jedoch nicht außer
Kraft setzt, sondern überhaupt erst begründet — von Gott sprechen zu kön-
nen. Umgekehrt ist für die Philosophie Theologie nötig als Kernstück und
Ziel der prima philosophia — nicht aber als jener Versuch, über Gott zu spre-
chen, der durch die Heilige Schrift begründet und ermutigt ist. Wohl aber
braucht auch der philosophierende Mensch das Licht des Glaubens. Das ist
jedoch eine Glaubens frage, die uns Albertus Magnus von philosophischen
Fragen zu unterscheiden lehrt; seine persönliche Antwort ist dadurch nicht
weniger deutlich.
„De modo ergo huius motus, licet iam in libra De Motibus Ani-
malium hoc quod sensimus, tradiderimus, tarnen quia postea in
Campania iuxta Graeciam nobis agentibus pervenit ad manus
nostras libellus Aristotelis de motibus animalium, etiam hie ea quae
tradidit, interponere curavimus, ut sciatur, si in aliquo ea quae ex
ingenio proprio diximus, deviant a Peripateticorum principis subtili-
tate"2.
Introduction
1. T h e d i s a p p e a r a n c e and r e d i s c o v e r y of A r i s t o t l e ' s
„De Motu A n i m a l i u m "
Within the framework of Aristotle's natural science the rather short trea-
tises „De Motu Animalium" and „De Progressu Animalium" both deal with
1 This research was carried out within the framework of the „Research Fund K. U. Leuven".
The author gratefully acknowledges a.o. Jozef Brams and Fernand Bossier of the Katholieke
Universiteit Leuven for their helpful criticism during the preparation of this article, as well
as David E. Cohen for his kind assistance in revising the English.
2 Albertus Magnus, Liber de principiis motus processivi, ed. B. Geyer, Köln 1955 (Alberti
Magni Opera Omnia XII, 2) (= Geyer, ed. Köln 1955).
locomotion. Whereas the „De Progressu Animalium" deals with the organs
necessary for movement and therefore is more a biological treatise stricto
sensu, the „De Motu" is concerned with the general principles of locomotion,
with „motus localis in se et absolute". The „De Progressu" thus deals with the
matter, the „De Motu" with the form 3 . An indication of the philosophical
relevance of the „De Motu" may be seen in the fact that Martha Nussbaum
wrote her doctoral dissertation about it, providing also the best critical edi-
tion4.
Not all of Aristotle's writings were studied with equal intensity. In antiquity
his biological works, and by consequence also the „De Motu" did not receive
much attention. Indeed, the only writer known to have studied them is Nico-
laus Damascenus. This philosopher, active in the reign of Augustus, included
compendia of the zoological works and of the „De Plantis" in his summary
of Aristotle's philosophy 5 . Thus it is not very surprising that the integral text
of „De Motu" seems to have passed into oblivion after antiquity. The Arabic
philosophers knew the text only through the aforementioned abbreviation
by Nicolaus Damascenus, as Averroes testifies in his commentary on the
„De Anima" 1.3. comm. 54: ,ßt ipse locutus fuit in hoc tractatu quem fedt de motu
animalium: sed iste tractatus non venit ad nos, sed quod transferebatur ad nos, fuit
modicum de abbrevatione Nicolai". This abbreviation has been lost too, but re-
cently Mauro Zonta has traced a fragment of a Hebrew translation of it,
probably dealing with the „De Motu Animalium" 6 .
The western philosophers did not know the text either. After Michael Scot
had finished his translation of the „De Animalibus" (i. e. HA, PA and GA)
about 1220, they were acquainted with the rest of the Stagirite's natural sci-
ence. The „De Motu", however, remained lost 7 . Moreover, since no refer-
ences to the „De Motu" and only a few to the „De Progressu" occur in
3 As Petrus de Alvernia (+ 1304) says in his commentary on the „De Motu": „Sed consideratio
de motu locali duplex potest esse. Potest enim motus consideran in se et absolute, alio modo quantum ad
Organa et partes, mediantibus quibus exercetur. Aliter potest did quod motus potest considerari ratione
jormae νel ratione matenae". fText as found in: S. Thomae Aquinatis commentaria quae extant
in eos qui Parva Naturalia dicuntur libros (...), Venetiis apud Iuntas 1551, fol. 46r. No
modern edition of this text exists). The commentary by Petrus was probably the most
influential one written in the Middle Ages and it remained a standard work in the Renais-
sance.
4 M. Craven Nussbaum, Aristotle's De Motu Animalium, Princeton 1978.
5 Cf. Η. B. Gottschalk, The earliest Aristotelian commentators, in: R. Sorabji (ed.), Aristode
transformed. The ancient commentators and their influence, New York 1990, 68.
6 M. Zonta, The zoological writings in the Hebrew tradition. The Hebrew approach to Aris-
tode's zoological writings and to their Ancient and Medieval Commentators in the Middle
Ages, in: Proceedings of the colloquium on Aristotle's Animals in the Middle Ages and
Renaissance (Leuven, 15 — 17 may 1997), in press.
7 Cf. C. Burnett, The introduction of Aristotle's natural philosophy into Great Britain: a pre-
liminary survey of the manuscript evidence, in: J. Marenbon (ed.), Aristode in Britain during
the Middle Ages (Rencontres de Philosophie Midievale 5), Turnhout 1996, 34.
other Aristotelian treatises, it was impossible to form a clear idea about the
content of it by collecting such references8.
Albert the Great did try to reconstruct the text. Within the framework of
his „Parva Naturalia", he wrote a work on the motion of animals, which he
called the „De Motibus Animalium". The work is divided into two books,
each of them subdivided into two treatises, and discusses at length all aspects
of the motion of animals9.
Albert however was always looking for new texts „per diversas mundi
regiertes"10. During one of these journeys he found a graeco-latin transla-
tion of the „De Motu Animalium" and wrote a paraphrase of it, entided
„De Principiis Motus Processivi"11. In the introduction to this paraphrase
he recounts his discovery as follows: „De modo ergo huius motus, licet iam in
libro De Motibus Animalium hoc quod sensimus, tradiderimus, tamen quia postea
in Campania iuxta Graedam nobis agentibus pervenit ad manus nostras libellus
Aristotelis de motibus animalium, etiam hie ea quae tradidit, interponere curavimus,
ut sciatur, si in aliquo ea quae ex ingenio proprio diximus, deviant a Peripateticorum
principis subtilitate"12.
In this passage Albert clearly indicates the difference between his former
work and the present one. The „De Motibus Animalium" is based on the
author's own knowledge, it is written „ex ingenio proprio", whereas the „De
Principiis" is based on Aristode's genuine text. By writing a paraphrase of
the „De Motu" Albert enables his readers to compare his own thoughts,
8 Cf. Aristote, Marche des animaux. Mouvements des animaux. Index des traites biolo-
giques, texte etabli et traduit par P. Louis (Collection des Universites de France), Paris
1973, Xlsq.
9 Cf. Albertus Magnus, De Motibus Animalium, ed. A. Borgnet, Paris 1890 (B. Alberti
Magni ... Opera Omnia IX), 257 — 300: Lib. I tr. 1: „De eo unde anirna habet movere hum
malum", tr. 2: „De primo organo motus". Lib. II tr. 1: „De ipsis motibus et proprietatibus
ipsorum", tr. 2: „De dispositiom eorum quae moventur motu processivo". The text was never
thoroughly studied. S. D. Wingate, The mediaeval Latin versions of the Aristotelian
scientific corpus with special reference to the biological works, London 1931, 91,
considered the work falsely as a commentary on the „De Progressu Animalium".
According to the „Index Textorum Commentatorum", found in R. Schönberger / Β. Ki-
ble, Repertorium edierter Texte des Mittelalters aus dem Bereich der Philosophie und
angren2ender Gebiete, Berlin 1994, 881-882, the „De Motibus Animalium" is a com-
mentary on the „De Motu Animalium" and the „De Principiis Motus Processivi" on
the „De Progressu Animalium" (in the index s. v. „De incessu animalium", which is the
renaissance tide).
10 Cf. Albertus Magnus, Mineralium libri V, ed. A. Borgnet, Paris 1890 (Alberti Magni Opera
Omnia V), 59.
11 Modern editions of the „De Principiis Motus Processivi": 1) Albertus Magnus, De Motibus
Progressivis, ed. A. Borgnet, Paris 1891 (Alberti Magni Opera Omnia X), 321-358; 2) Al-
berti Magni liber de principiis motus processivi ad fidem Coloniensis archetypi. Programm
des Königl. Maximilians-Gymnasiums für das Schuljahr 1908/09, ed. H. Stadler, München
1909; 3) Albertus Magnus, Liber de principiis motus processivi, ed. B. Geyer, Köln 1955
(Alberti Magni Opera Omnia XII, 2).
12 Geyer, ed. Köln 1955, 48.
found in the „De Motibus Animalium", with the sophistication of the Stagi-
rite's, and to see potential divergences.
Albert follows his usual working method in presenting Aristotle's text. He
does not give lemmata of the text and then comment on them. (Thomas
Aquinas seems to have been the first to produce ,real' commentaries of this
sort, in which Aristotle's text is presented lemma by lemma, even word for
word, in strict conformity with the sequence of the Stagirite's argument 13 .)
On the contrary, Albert composes paraphrases, into which the Aristotelian
text, mutatis mutandis, is tightly interwoven 14 .
The translation of the „De Motu Animalium" that is incorporated in this
way into Albert's „De Principiis", is not the one made by the famous flemish
translator William of Moerbeke (Guillelmus de Morbeka, ca. 1215 — 1286).
Hence a new problem arises, for no manuscript of the adopted translation
seems to have survived. More than one hundred and seventy manuscripts of
the „De Motu" are mentioned in the catalogue of the „Aristoteles Latinus" 15 ,
but all contain the Dominican's Greco-Latin translation.
The working method of Albert, that is writing paraphrases, on the one
hand, and our familiarity with the Moerbeke translation, on the other hand,
are responsible for the fact that some scholars have failed to see that Albert
did not use the Moerbeke translation 16 . Bernhard Geyer was the first scholar
to adduce convincing evidence for this thesis. In the introduction of his
edition of the „De Principiis Motus Processivi", published in 1955, he com-
pared some fragments of the two translations and clearly showed the differ-
ences between them 17 . More than a century before Geyer, Charles Jourdain
13 I agree with Carlos Steel on the tradition by which Thomas is said to have developped this
new way of commenting: C. Steel, „Moerbeke et Saint-Thomas", in: J. Brams / W. Vanhamel
(eds.), Guillaume de Moerbeke. Recueil d'etudes ä l'occasion du 700e anniversaire de sa
mort (1286), Leuven 1989 (Ancient and Medieval Philosophy De Wulf-Mansion Centre
Series I, VII).
14 See: P. Hossfeld, Die Arbeitsweise des Albertus Magnus in seinen naturphilosophischen
Schriften, in: G. Meyer / A. Zimmermann (eds.), Albertus Magnus Doctor Universalis 1280/
1980 (Walbeberger Studien. Philosophische Reihe Band 6), Mainz 1980, 197sqq.; id., Alber-
tus Magnus als Naturphilosoph und Naturwissenschaftler, Bonn 1983, 7sqq.
15 G. Lacombe / A. Birkenmajer / M. Dulong / A. Francescini, Aristoteles Latinus. Pars prior,
Roma 1939; idd., Aristoteles Latinus. Pars posterior, Cambridge 1955; L. Minio-Paluello,
Aristoteles Latinus Codices. Supplementa Altera, Brugge-Paris 1961.
16 E.g. Wingate, op. cit. (nt. 9), 82: „It was almost certainly the translation of William of
Moerbeke of the De Motu Animalium which Albertus utilized"; 89: „... it would have to
be shown that Albertus used the version of William of Moerbeke for the other books <viz
of Albert's ,De Animalibus'). This has not been established except for the De Motu Ani-
malium, a work which did not exist in the translation from the Arabic".
17 Cf. Geyer, ed. Köln 1955, X X I V - X X V I . Compare, e.g., the translation of a citation of
Homer: (Moerbeke) „Sed non utique amovebunt e celo in terram Iovem suppremum omnium neque
si valde multum laborent apprehendere omnes dii omnesque dee"; (Albert) „Sed non retrahetis a celo
ad terram Iovem, magistrum omnium, neque si multum fatigabimini, omnes autem trahentes et dii et
dee".
2. W h e r e did A l b e r t f i n d the t r a n s l a t i o n ?
18 A. Jourdain / C. Jourdain, Recherches critiques Sur l'äge et l'origine des traductions latines
d'Aristote et Sur des commentaires grecs ou arabes employes par les docteurs scolastiques,
Paris 2 1843, 322: „La traduction dont Albert s'est servi etait evidemment faite du grec, mais
je ne saurais affirmer si cette traduction est la meme que celle dont j'ai offert un specimen
<i. e. the translation by Moerbeke)".
19 E. g. B. G. Dod, Aristoteles Latinus, in: N. Kretzman / A. Kenny / J. Pinborg (eds.), The
Cambridge History of Later Medieval Philosophy from the rediscovery of Aristode to the
disintegration of Scholasticism 1 1 0 0 - 1 6 0 0 , Cambridge 1982, 77 and 63 where is said that
„William was the first to translate into Latin the De Motu Animalium ...".
20 Albertus Magnus, De Natura Loci, ed. P. Hossfeld, Köln 1980 (Alberti Magni Opera Omnia
V, Pars II), 33 (= Hossfeld, ed. Köln 1980).
21 Geyer, ed. Köln 1955, XXIV: „Cum Albertus solam Campaniam in Italia sitam cognoverit,
videtur haec verba ,iuxta Graeciam' addidisse, ut eluceret, quomodo ibi translatio ex Graeco facta
potuisset invemri".
22 J. A. Endres, War Albertus Magnus in Griechenland?, in: Historisch-politische Blätter für
das katholische Deutschland 166 (1920), 645 — 651. He was supported by Garreau and Man-
donnet: A. Garreau, Saint Albert le Grand. Preface du R. P. Mandonnet O. P., Paris 1932,
114.
tury 23 . In fact, at that time the name Campania, also called Kastrion, was
indeed still in use, though not as an equivalent for Epirus but as the name
of a By2antine episcopate, dependant on Thessaloniki 24 . The name occurs
in Byzantine episcopal lists from the tenth century onwards. Thessaloniki
itself was seized by Theodoros Angelos, the Byzantine despot of Epirus in
1224 A. D.25 The translation ,Kastrion near Greece' seems therefore theore-
tically not unlikely.
I do not believe that one can use Geyer's argument — that Albert knew
only one Campania — to reject Endres's theory. The third treatise („tractates")
of the „De Natura Loci", in which the name „Campania" occurs, is mainly
based on the „Cosmographia" of Pseudo-Aethicus (fifth century A. D.). Al-
bert's own contribution in this part is limited to 65 additions of various
length. The passage in which Campania is mentioned has its origins com-
pletely in the aforementioned „Cosmographia"26. Thus this text does not
necessarily reflect Albert's own geographical knowledge. Moreover the „De
Natura Loci" is assumed to have been written in 1251 —1254, a period during
which Albert was teaching in Cologne27. Albert would therefore have subse-
quently had the opportunity to get to know other places called „Campania".
According to Endres the journey to Greece took place in 1256 — 1257. More-
over, I believe Albert would likely have known more than one .Campania'
even before the completion of the „De Natura Loci". For ,Campania' is also
the proper Latin translation for the French region Champagne.
It is worth recalling, however, that Endres's hypothesis that Albert travelled
in Greece rests on nothing more than the words „iuxta Graeciam", which
modify only the place-name „Campania". Against this hypothesis the lack of
any other documentary evidence must therefore weigh heavily. Why, for in-
stance, would Albert—who seems to have made a point of having a good
reason for all that he did —have undertaken such a journey? The words „nobis
agentibus" may suggest a professional activity, and one might assume on this
basis that Albert was sent to Greece by the pope or by the general of his
23 Endres, op. cit. (nt. 22), 649: „... eine Landschaft die dereinst Kampanien hieß, nämlich
Epirus ... Der Name Campania für Epirus muß nun offenbar noch im 13. Jahrhundert in
Gebrauch gewesen sein".
24 A. Baudrillart / A. De Meyer / E. Van Cauwenbergh (eds.), Dictionnaire d'Histoire et de
Geographie Ecclesiastiques XI, Paris 1949, 628, s. v. „Campania": „... Le nom de Campania
n'est pas celui d'une ville, mais d'une region, la plaine qui s'etend au sud-ouest de Thessalo-
nique. L'eveche est menüonne dans les listes episcopales byzantines depuis le Xe siecle sous
Ie nom de Campania ou Castrion". A map can be found in: J. Martin, Atlas zur Kirchenge-
schichte. Die christlichen Kirchen in Geschichte und Gegenwart, Freiburg 1970, 30.
25 Cf. J. W. Barker, Thessaloniki, in: J. R. Strayer (ed.), Dictionary of the Middle Ages, vol. XII,
New York 1989, 2 6 - 2 7 .
26 Cf. Hossfeld, ed. Köln 1980, VII and 33.
27 Cf. Hossfeld, ed. Köln 1980, V; J. A. Weisheipl, Albert's Works on Natural Sciences {Jibri
naturales") in Probable Chronological Order, in: J. A. Weisheipl, Albertus Magnus and the
Sciences. Commemorative Essays 1980, Toronto 1980, 566 — 567.
order; this assumption, however, is not supported by any hard evidence. Why
would they have sent Albert, who knew no Greek, to look for unknown
manuscripts, as Garreau suggests? 28 A mission to Dominican convents, as
could be postulated, is also unlikely, for in the region of Thessaloniki no
convents of this order were found 29 .
If one assumes, as I do, that Albert did not travel in Greece, which ,Cam-
pania' is meant? I do not believe one must credit the meaning .Champagne',
as Heribert Scheeben seems to do 30 , because in that case the addition „iuxta
Graedam" cannot be explained at all.
It seems probable that after all a region in Italy is meant. But a look in the
„Orbis Latinus" suffices to show that three translations can be considered:
1) C a m p a n i a (regio): La C a m p a g n a , Landsch. zw. C a s t e n e d o l o u. G h e d i , Pr. Brescia
(Lombardia), Italien; 2) C a m p a n i a R o m a n a (regio), C a m p a n i a , Canpania, R o m a n i a :
die C a m p a g n a di R o m a , L a n d s c h . sdl. u n d östl. v o n R o m . Hst. ν. Italien; 3) C a m -
pania (regio), C a m p a n i a n a regio, C a m p a n i e n s i s regio, C a m p a n i a : C a m p a n i a ( K a m -
panien), L a n d s c h . u. Region in Italien, u m f a s s t die Pr. A v e l l i n o , B e n e v e n t o , Caserta,
N a p o l i u. S a l e r n o 3 1 .
I do not think that one must credit the first meaning. Albert could indeed
have travelled through this region, when he went to the papal court both in
1256—1257 and in 1261 —1263 (see infra). However, the addition „iuxta Grae-
dam" remains obscure. With regard to the second meaning, one would sup-
pose that Albert would have written ,iuxta Romam' or ,Campania Romana'
instead of „iuxta Graedam".
I am inclined to accept the third meaning, which is the most traditional
one and is found in the „De Natura Loci". Anagni, Viterbo and Orvieto,
where Albert stayed during his journeys in Italy (cf. infra), are not faraway
from this region. But what about the addition „iuxta Graedam"? In my view,
this addition had a double function, that is a geographically distinctive one
and geographically explicative one:
28 Garreau, op. cit. (nt. 22), 1 1 4 - 1 1 5 : „En 1256, envoye soit par le Saint-Siege, soit par le
maitre general de l'Ordre, Albert fait un voyage en Grece ä la recherche de manuscrits
inconnus d'Aristote". Garreau has even suggested that William of Moerbeke accompanied
Albert on his journey.
29 See: J. Engel (ed.), Großer Historischer Weltatlas. Zweiter Teil: Mittelalter, München 2 1979,
30 („Die Verbreitung der Dominikaner bis 1303").
30 Cf. H. C. Scheeben, Albert der Große. Zur Chronologie seines Lebens, Vechta 1931 (Quellen
und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens in Deutschland XXVII), 71: „Ob
nicht die Champagne gemeint ist, die Albert 1259 auf seine Reise nach Valenciennes berüh-
ren konnte?" Scheeben rejects radically the translation ,Greece': „Die Deutung, die Pelster
gibt <(see nt. 32>, ist wohl kaum haltbar, denn Kampanien wird man nie mit Griechenland
in Verbindung bringen dürfen".
31 J. G. T. Graesse / F. Benedict / S. Plechl, Orbis Latinus. Lexikon lateinischer geographischer
Namen des Mittelalters und der Neuzeit I, Braunschweig 3 1972, 398.
a) I suggest that the Latin word .Campania' reminded Albert and his con-
temporary intellectual readers in the first place not o f Campania in Italy but
o f the French region Champagne. After all this region was situated near to
Cologne, where Albert lived and taught, and near to the intellectual centre
o f Paris. Hence Albert may have felt the need to add a geographically distinc-
tive element to avoid confusing his readers.
b) But why did he use such a rudimentary indication as „iuxta Graeciam",
and not a phrase such as ,iuxta Neapolim' or ,iuxta Romam'P Apparently the
addition was also meant to be geographically explicative. By adding ,near
Greece' Albert explains the occurrence o f a translation o f a Greek text by
pointing at the, indeed, relative closeness o f Campania and G r e e c e 3 2 . Albert
owed his readers such an explanation, since he was writing a paraphrase o f
a text which had previously been unknown. Moreover, the words o f the
addition could have been inspired by the Greco-Latin character o f the trans-
lation.
For the sake o f completeness, I would like to suggest two other possibili-
ties. First o f all one might wonder whether ,Graecia' was a designation for
southern Italy. T h e Greek colonies in Sicily and southern Italy were called
,Magna Graecia' in ancient times. Moreover, from the fifth until the tenth
century there was a very influential Byzantine colonisation in this region.
Even today Greek-speaking communities are found in Otranto and Calabria,
although they are rather limited 3 3 . T h e Byzantines in southern Italy are also
responsible for many manuscripts o f major interest.
T h e main objection against this translation is that I have found no medi-
eval texts in which southern Italy is explicitly called .Graecia'. In the „ O r b i s
Latinus" southern Italy is only mentioned under the entry „Graecia Magna,
Graecia Exotica, Graecia Maior, Graecia Parva, Graecia Subsiciva, Grecia
Maior, Hesperia", i. e., never without an additional specification 3 4 . O n e could
suggest that ,Graecia' was a name commonly used to denote this region, not
only in Italy itself but also, for instance, in France and Germany. If ,Graecia'
was not used in this sense in the latter regions, Albert used a specification
that was very misleading and ambiguous for many o f his readers. O n the
other hand, if it was generally used, it would be surprising if it was used only
by Albert and only in this text and not by any other medieval writer.
Albert travelled twice to Italy. He was there for the first time from October
1256, when he stayed with pope Alexander IV in Anagni, until the General
Chapter of Florence in June 1257. Seeking release from his episcopate in
Regensburg, he left for Italy for a second time in December 1260 and arrived
at the papal curia in Viterbo in July 1261. He stayed there until autumn 1262,
moved then to Orvieto and finally returned in February 1263 to preach the
crusade in all German speaking countries36. Which of these two periods,
1256-1257 or 1261-1263, is the more Ukely?
It is clear that theories such as that of Franz Pelster must be rejected.
This scholar thought that Albert had paraphrased the Moerbeke translation.
Considering the fact that this translation was made about 1260, he concluded
35 Cf. C. Marcato, Greci, in: Dizionario di Toponomastica. Storia e significato dei nomi geo-
grafici Italiani, s.l. s.a., 316.
36 During his first stay Albert represented the Dominican Order with Humbert of Romans,
the master-general (1254—63) in its struggle against the attacks of William of Saint-Amour.
In January 1260 he was appointed bishop by pope Alexander IV, but he considered this
episcopate as an unwanted burden: cf. Weisheipl, The Life and Works of St. Albert the
Great, in: Weisheipl (ed.), op. cit. (nt. 27), 3 4 - 3 8 .
that the „De Principiis" was written after that time and that the discovery
took place during Albert's second journey 37 . But since Geyer has convin-
cingly proved that Albert did not use the Moerbeke translation, the „De
Principiis" does not need to be dated after 1260.
Bernhard Geyer has gone further in the rejection of Pelster's theory and
has changed this potential ,does not need to' into a fact. He postulates that
Albert found the text during his first stay in Italy, excluding the possibility
that Albert's translation could have been made at the same moment or even
later. His argument is the following: „Cum non sit verisimile eum, quamvis nova
Wilhelmi translatio iam nota esset, vetere usum esse, licet concludi libellum nostrum inter
annos 1256 et 1262 — 63 esse scriptum".
There are several problems with this argument. First of all Geyer here
assumes the truth of a premise that is actually part of his own hypothesis, viz.,
that the anonymous translation is older („vetere") than Moerbeke's translation
(„nova"). Furthermore his argument is based on a twofold supposition: 1)
during his second stay in Italy, i. e., in 1261 —1263, Albert would have known
Moerbeke's translation, and 2) if he had known it, he would have used it. It
is the first supposition in particular that is dubious, since it is possible that
the translation by Moerbeke was not yet circulating when Albert was in
Italy38. An indication that Albert could have known Moerbeke's translation
is that he may have met Thomas Aquinas during his second stay. At that
time Thomas was writing his „Summa contra Gentiles", in which he refers
to Moerbeke's translation of the „De Animalibus" 39 . One can imagine that
the two scholars, both of them interested in the Stagirite's works, would have
spoken about the discovery of such a text, which had been lost for so long 40 .
But it is clear that it is dangerous to postulate such a conversation, and even
more so to pretend to know its content.
37 Pelster, op. cit. (nt. 32), 151sqq. To date the translation of the „De Motu" this scholar refers
to a colophon found in the Cesena manuscript, Bibl. Malat., Cod. Plut VII 4, according to
which the translation of all books of the „De Animalibus" (= HA, IA, MA, G A , PA) was
finished in 1260. It may be noticed that Fernand Bossier has rejected convincingly the
content of this colophon. By a study o f lexical equivalents this scholar has shown that not
all treatises of the „De Animalibus" were translated at the same time. But also according to
his investigations the „De Motu" was translated about 1 2 6 0 (F. Bossier, Methode de Traduc-
tion et Problemes de Chronologie, in: Brams / Vanhamel [eds.], op. cit. [nt. 13], 257 — 299).
38 As has been pointed out by Steel, op. cit. (nt. 13), in: Brams / Vanhamel, op. cit., 65 (nt.
22).
39 For the dating of the „Summa contra Gentiles", see the introduction of A. Gauthier in:
Saint Thomas d'Aquin, Summa contra Gentiles. Livre premier. Texte de l'edition Leonine,
introduction de A. Gauthier, traduction de R. Bernier et Μ. Corvez, Paris 1961, 20 — 59.
40 This argument was deduced from Weisheipl's biography of Albert the Great. In this bio-
graphy he suggests that (the revision of) the „De Principiis Motus Processivi" was based
on Moerbeke's translation and that Albert had learned from Thomas that Moerbeke had
made a translation of the „De Motu". About Weisheipl's theory and the difficulties in it,
see infra, nt. 44 and 45.
To understand this thesis one must know that the autograph manuscript
of Albert's „De Animalibus", which is still extant (Köln, Historisches Archiv
W 258 a) contains 28 books (fig. 1, arable num.). This manuscript was used
by Herman Stadler to make his edition of the „De Animalibus", published
in 1916 — 1921 (fig. 1, roman num.) 42 . In this edition two books, which are
physically present in the autograph, are lacking, viz. the „De Natura et
Origine Animae" (= Book 20) and the „De Principiis Motus Processivi"
(— Book 22). This omission was inspired by Albert himself, since he consid-
ered these books no longer part of his „De Animalibus", at the latest when
he had finished writing the autograph. For Albert changed the numbering of
the books, adapted references in the extracted books and wrote a new,
general introduction to the „De Animalibus", in which this work is said to
contain only 26 books 43 .
Before I give my own interpretation of the composition of this autograph
I will first evaluate Weisheipl's theory. Apart from the fact that he has some
41 Weisheipl, Albertus' Works, in: Weisheipl (ed.), op. cit. (nt. 27), 5 7 4 - 5 7 5 .
42 Albertus Magnus, De Animalibus libri XXVI. Nach der Cölner Urschrift, ed. Η. Stadler,
Münster 1 9 1 6 - 1 9 2 1 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters. Texte und
Untersuchungen XV-XVI) (= Stadler, DA).
43 Cf. Stadler (ed.), DA, 4: „Sic igitur in viginti sex libris (...) totam istius Seriem trademus, addentes
hiis que ab Anstotele de hac säentia bene digesta sunt, libros Septem". This general introduction was
written after the completion of the autograph. It replaced an older introduction, which was
not an introduction to all books of the „De Animalibus", but only to the paraphrase of
Aristode's „De Animalibus" (= Books 1/1 —19/XIX). This older text was physically ex-
tracted, but it has been conserved in an apograph, viz. Vaticano, Β. Α. V., Vat. lat. 718
(edited by F. Pelster, Die beiden ersten Kapitel der Erklärung Alberts des Großen zu de
Animalibus in ihrer ursprünglichen Fassung, in: Scholastik 10 [1935] 228 — 240). About the
manuscript Vat. Lat. 718 see also: Dondaine, Les secretaires de Saint Thomas, Roma 1956,
passim.
Figure 1
44 Note that Weisheipl is incorrect in stating that the „De Principiis" was intended as Book
XXII after the extraction of the „De Natura et Origine Animae". If this were true, the „De
Principiis" would have been Book XXI and not Book XXII of the „De Animalibus". The
„De Principiis" and the „De Natura" were probably extracted at the same time.
45 Weisheipl's exposition in his biography of Albert is even more confused. In regard to Al-
bert's first stay in Italy he says: „At this time however, when he was in Italy („/'» Campania
iuxta Graedam"), Albertus chanced upon a previously unknown work by Aristotle entided
„De Motibus Animalium", which he proceeded to call „De Principiis Motus Processivi"
and to comment upon" (Weisheipl, „The life", in: Weisheipl [ed.], op. cit. [nt. 27], 36).
Weisheipl seems to refer here to Geyer's theory. However, when he speaks about Albert's
second stay in Italy, he says: „Much to his surprise, Albert learned from Thomas that William
of Moerbeke had just finished a new translation of Aristotle's „De Motu Animalium", dif-
ferent from the one he had found on his previous visit to Italy. Interesting enough, Albert
had to write a new commentary on it in the same style as he had been using in his other
works" (Weisheipl, op. cit., in: Weisheipl [ed.], op. cit. [nt. 27], 39). In a footnote he provides
two references: 1) to Geyer, who says the opposite; 2) to his own biography of Thomas
Aquinas. In this biography he says: „at that time <i. e. the second stay in Italy), discovering
the Aristotelian treatise ,De Motu Animalium' in the Moerbeke translation, Albert published
it with a commentary in the same style as he had in his earlier works" (Weisheipl, Friar
Thomas d'Aquino. His life, Thought, and Work, New York 1974, 148-149), without men-
tioning a previous stay in Italy, a thesis which seems to refer to Pelster's theory. When
Weisheipl refers in this context also to the „De Principiis Motus Processivi" as a distinct
But what to say about Weisheipl's ,internal' argument? It is true that the
text as found in the autograph presupposes most of Albert's paraphrases,
such as the paraphrase of Aristotle's „De Animalibus" (i. e. book I —XIX in
the autograph) 46 . Therefore it seems plausible that the „De Principiis" was
written after this paraphrase, viz. after 1261 47 .
A further point, however, demands consideration. As A. Dain has justly
pointed out, „dans les cas tres rares ού le fait {seil, that we possess an
autograph) se presente (...) il est ä presumer que l'exemplaire autographe
que nous avons entre les mains n'est qu'une transcription faite par l'auteur
lui-meme de ses papiers et de ses brouillons" 48 . The possibility cannot be
excluded that some or even much time elapsed between the writing of a draft
and the final redaction of a text. Albert could have added references, when
he composed the autograph, based on drafts, to make the different works,
found in this manuscript, more coherent 49 .
Weisheipl's argument can therefore be used to date the writing of the
autograph, to be sure, but not to date a possible draft, and certainly not to
date the discovery. Even if Albert wrote the autograph of the „De Principiis"
after 1261, he could still have discovered the translation in 1256—1257. If
we assume this date, there are two possibilities. First, it is possible that Albert
read the text but waited a few years before he wrote his paraphrase. Second,
he could have written a draft shortly after the discovery; some years later,
when he wrote the autograph, he decided to give this draft its final redaction.
Our problem therefore is to determine how much time elapsed between
the discovery of the text, the possible writing of the draft, and the writing
of the autograph. I shall try to solve this problem by a study and interpreta-
tion of the composition of the autograph of the „De Animalibus" 50 .
work, he suggests that this separate work would be based on Moerbeke's translation, some-
thing that he explicidy denies in the survey of Albert's works on natural science!
46 Viz. Geyer, ed. Köln 1955, 49 11. 1—2, a general reference to the previous books; 67 11. 5 —6
and 72 11. 2 6 - 2 7 , both reference to Book I tr. 3 c. 4 n. 575 and Book XIII tr. 1 c. 4 n. 23sqq.;
72 1. 38, a reference to Book III tr. 1 c. 5 n. 43sqq. and the „De Spiritu et Respiratione"; 73
1. 14 and 1. 31, a reference to Book III tr. 1 c. 3sqq. n. 29sqq.; 74 1. 1 4 - 1 5 , a reference to
Book XVI tr. 1 c. 11 n. 60sqq.
47 About this dating see infra.
48 A. Dain, Les Manuscrits (Collection d'etudes anciennes), Paris 2 1964, 15.
49 The existence of a draft of the „De Principiis", consisting of a paraphrase of the Aristotelian
text itself without the introduction and „digressioms", seems to be accepted by Weisheipl. He
has stated that „the ,De Principiis Motus Processivi' presupposes all of Albert's paraphrases
at least prior to ,De Animal.' XIII inclusive". In this way he has not considered a reference
to Book XVI of the „De Animalibus", which is found in the „dtgressio" at the very end of
the text, viz. after the paraphrase of the aristotelian text.
50 An interesting article about the composition of the autograph is B. Geyer, Die ursprüngliche
Form der Schrift Alberts des Großen DE ANIMALIBUS nach dem Kölner Autograph, in:
A. Lang / J. Lechner / M. Schmauss (eds.), Beiträge zur Geschichte der Philosophie und
Theologie des Mittelalters. Texte und Untersuchungen, Supplementband III, 1. Halbband:
Aus der Geisteswelt des Mittelalters, Münster 1935, 5 7 8 - 5 9 0 . Much of the information
The formulation „in sequentibus" suggests that the bestiary was meant by
Albert to be part of his „De Animalibus". Moreover the first reference is so
specific that the existence of a draft of the bestiary may be assumed.
But what is to be said about the „De Natura et Origine Animae" and the
„De Principiis Motus Processivi", to which no references are found in the
paraphrase of the „De Animalibus"? It is not clear to what extent they were
integrated in Albert's concept of the latter work when he started writing the
autograph. In Book 16/XVI § 44 we find an indication that Albert, when he
wrote this passage, considered the „De Natura et Origine Animae" as an
about the autograph that I give is based on this article, although Geyer's interpretation of
some facts is sometimes different.
51 Dain, op. cit. (nt. 48), 12.
52 A clear exposition about the composition is found in the introduction. However, as I have
already mentioned, this introduction is useless for our purpose, since it was written after
the extraction of the „De Principiis" and the „De Natura et Origine Animae" (see nt. 43)
and our purpose is to determine the place of the „De Principiis" in the autograph.
53 Viz., Book I § 444 a reference to Book XVIII; Book I § 596 a reference to Book III; Book
XIV § 60 a reference to Book XVI and XVII; Book XIV § 75 a reference to Book XV.
Where have these considerations led us? At the latest when Albert wrote
Book 7/VII of the autograph, probably already when he started writing it,
he intended to add a bestiary to his Aristotelian paraphrase of the „De Ani-
malibus". When he had finished this paraphrase, he decided to integrate into
it the „De Natura et Origine Animae" as well, if not from the beginning of
this work, then at least from chapter five onwards. But what about the place
of the „De Principiis" in the autograph? The „De Principiis" seems to be
well imbedded. In contrast with the „De Natura" the „De Principiis" as
54
E.g. Geyer, ed. Köln 1955, 6 11. 12 — 13: „ ... dictum est in nostro libro de animalibus quinto decimo
i. e. without an addition of e. g. ,superius'.
55
E.g. Geyer, ed. Köln 1955, 13 11. 7 1 - 7 2 : „ . . . in antehabitis huius saentiae ..."; 17 1. 63: „In
sequentibus tarnen ubi sigillatim de naturis singulorum generum animalium dicemusa clear reference
to the bestiary.
56
In the first five chapters references are found but to Books VI, X V and XVI, not to any
of the next books.
Book 22 of the „De Animalibus" 57 , does not contain any references to the
latter as to an independent work. Moreover it is announced in Book 21 / X X
§ 75 58 , and in Book 21/XX § 90 Albert clearly indicates how the „De Princi-
piis" is linked with it 59 . These observations suggest that the „De Principiis",
together with the bestiary, was intended to be part of the „De Animalibus"
when Albert started composing the autograph. In this case the time between
the writing of the draft and the redaction of the autograph could have been
rather long.
But is an early imbedding of the „De Principiis" within the framework of
the „De Animalibus" likely? Such an imbedding presupposes that Albert had
a clear scheme in mind about which texts he wanted to insert into his „De
Animalibus". Yet Albert extracted the „De Principiis", and perhaps at the
same time the „De Natura", while he was still writing the autograph. The
first reference to the „De Principiis" as to an independent work is found in
Book 23/XXI § 46 60 . Another one occurs in Book 25/XXIII § 2 61 . More-
over the new numbering of the books is already present at the beginning of
book 24/XXII 6 2 .
If Albert had integrated the „De Principiis" quite early in the general
scheme of his „De Animalibus", he certainly could be blamed for indecisive-
ness, since he decided to extract the work shortly after he wrote it down. Is
it possible to explain this ,indecisiveness? I would like to suggest a solution,
fully aware of its hypothetical nature. Perhaps Albert found the translation
of the „De Motu Animalium" while he was composing his „De Animalibus",
a work which was meant to contain (at least) the paraphrase of Aristode's
„De Animalibus" and a bestiary. In the euphoria of this discovery—after all
he had discovered an unknown text— he decided to insert a paraphrase of
this newly-discovered text, perhaps based on a draft, into the work that he
was writing at that moment. But very soon he realized that the new para-
phrase did not fit well in this context and extracted it. At the same time he
extracted the „De Natura et Origine Animae", a work that was also not
present in the original plan of his „De Animalibus".
This interpretation is supported by Albert's own words in the introduction
of the „De Principiis". There he says: „Quia postea in Campania iuxta Graeciam
nobis agentibuspervenit admanus nostras libellus etiam hie ea quae tradidit, interpo-
57
This specification has to be made, because Albert changed the references to the „De Ani-
malibus" as being the same work into references to an independent treatise after the extrac-
tion of the work. He did the same thing in the „De Natura et Origine Animae".
58
21/XX § 75: „... sicut in libro de Motibus animalium, et iterum inferius determinabimus".
59
Another, rather vague, parallel concerning content is found in 21/XX § 9.
60
23/XXIII § 46: „Causa autem huius est quod sicut ostendimus in libro de prinäpiis motus animalium
...", i. e. without the addition of e. g. ,superius'.
61
25/XXV § 2: „... patetper ea quae in de Anima et de Motibus animalium et in de Prinäpiis motuum
animalium dicta sunt...".
62
24/XXIV (incipit): „Inäpit liber animalium vicesimus secundus, qui est ...".
63 The interpretation of this sentence is accepted by scholars, such as Weisheipl and Geyer (cf.
Albertus Magnus, Metaphysica, ed. B. Geyer, Köln 1960, VIII [Alberti Magni Opera Omnia
XVI,1]). Other scholars, such as Pelster (op. cit. [nt. 32], 1 4 3 - 1 4 4 ) and, more recently,
Bernhard Schmidt (cf. Albertus Magnus, Super Matthaeum Capitula I - XIV, ed. B. Schmidt,
Köln 1987, XV [Alberti Magni Opera Omnia XXI,1] [= Schmidt, ed. Köln 1987]), have
argued that it refers not to the episcopal castle of Donaustauff but to Lauingen.
64 The fact that Albert stayed during his first stay in Anagni, which was part of Campania
Romana (cf. J. Fraikin, Anagni, in: A. Baudrillart, Dictionnaire d'Histoire et de Geographie
Ecclesiastiques II, Paris 1914, 1421-1429), while Viterbo and Orvieto, where he stayed
during his second visit, are more distant from „Campania iuxta Graedam", does not refute
my thesis, since the distance between Viterbo and Orvieto, on the one hand, and Campania,
on the other hand, is relatively short.
65 Schmidt, ed. Köln 1987, X V - X V I . Schmidt explicitly says that the early dating of the „De
Animalibus" is probable but not imperative: „Concedendum quidem est nos neque illo codice Vati-
cano lat. 718 neque Quaestionibus super De animalibus ad certitudinem perfectam pervenire, quo tempore
libri De animalibus ab Alberto scripti sint, sed ex dictis apparet certe contingere potuisse, ut Albertus
libros De animalibus iam anno 1258 conficeret ...".
Albert extracted this introduction from the autograph after its completion.
Consequently, the autograph has to have been completed before 1260.
The first consequence of Schmidt's thesis is that the discovery took place
during the first Italian journey, that is, in 1256 — 1257. Moreover, if one ac-
cepts my fundamental point, viz., that Albert found the text while he was
composing the autograph (cf. „hie ... interponere curavimus"), one has to accept
that the paraphrase of the „De Animalibus" was written even earlier than
Schmidt said, that is, (shortly) before 1256.
S u m m a r y and c o n c l u s i o n
66 On this subject, see Steel, op. cit., in Brams / Vanhamel, op. cit. (nt. 13).
67
I shall attempt such a reconstruction as part of my edition of Moerbeke's translations of
the „De Motu Animalium" and „De Progressu Animalium", forthcoming in the series „Aris-
toteles Latinus".
68
Two illustrations, a positive and a negative one. In the anonymous translation the Greek
word ,αυτόματα' (701 b2), casu quo ,αΰτομάτοις' (701 blO) is not transliterated as in the
Moerbeke translation but is translated as „ea quae subito moventur" (Geyer, ed. Köln 1955, 61
11. 8 8 - 8 9 ) , casu quo „subitis" (Geyer, ed. Köln 1955, 62 1. 17). In the „Rhetorica Anonyma",
which has to be dated before the middle of the thirteenth century, the expression ,άπό τοΰ
αυτομάτου' is rendered by „subito" (Schneider, B. Rhetorica. Translatio anonyma sive vetus
et translatio Guillelmi de Moerbeka, Leiden 1978 [Aristoteles Latinus XXXI 1 - 2 ] , 380).
Whereas this example could suggest a parallel between the anonymous translation of the
„De Motu" and the „Rhetorica", the second example may take the edge off this argument.
The anonymous translator rendered the word ,ήρεμέο' by ,sto' (e. g. Geyer, ed. Köln 1955,
passim), a translation that does not occur, as far as I know, in any other translation.
69
Cf. Vanhamel, Biobibliographie de Guillaume de Moerbeke, in: Brams / Vanhamel (eds.),
op. cit. (nt. 13), 333: „... il est incertain si eile <i. e. the translation by Moerbeke) precede
ou suit une autre traduction greco-latine utilisee par Albert le Grand dans son Liber de
principiis motus processivi".
1 Albertus Magnus, Commentum super librum sex principiorum tr. 1 c. 1, cf. Albertus Magnus
„Liber sex principiorum". Auf handschriftlicher Grundlage ed. B. Sulzbacher, Teildruck der
Diss. Wien 1955, 48 v. 17. Der 1. Traktat dieses Kommentars wird in diesem Beitrag unter
der Sigle „Sulzb." nach dieser semikritischen Ausgabe zitiert. Für die weiteren Traktate cf.
die unter Anm. 2 angegebene Ausgabe.
2 Opera omnia Alberti Magni ed. A. Borgnet, Parisiis 1899, torn. 1, 2 0 5 - 3 7 2 . Der Text wird
an fehlerhaften Stellen nach der Neuedition korrigiert, die zur Zeit innerhalb der „Editio
Coloniensis" entsteht. Diese Neuedition zeigt, daß der Text der Borgnet-Ausgabe an einigen
Stellen, so z. B. im 8. Traktat, stark verderbt ist. Daher kommt z. B. M. F. Manzanedo in
seiner Studie: Doctrina de San Alberto Magno sobre los seis ultimos predicamentos, in:
Angelicum 57 (1980), 4 3 3 - 4 7 6 , zu Recht zu dem Urteil, daß die von ihm erhobenen Un-
stimmigkeiten in Alberts Text auf der Borgnet-Ausgabe beruhen könnten.
3 Aristoteles Latinus 1.6 — 7: Categoriarum supplementa Porphyrii Isagoge translatio Boethii
et anonymi fragmentum vulgo vocatum „Liber sex principiorum" accedunt Isagoges frag-
menta M. Victorino Interprete et specimina translationum recentiorum categoriarum edidit
L. Minio-Paluello, B r ü g g e - P a r i s 1966, 3 5 - 5 7 .
sen sieben Traktaten geht als tractatus primus eine eingehende Untersuchung
des im „Liber sex principiorum" definierten Formbegriffes voran, „secundum
quod logicus de forma loqui debet" (Sulzb. p. 51 v. 23).
Der Kommentar des doctor universalis gilt in der Forschung vor allem für
die Frage nach der Autorschaft des „Liber sex principiorum" als wirkungsge-
schichtlich bedeutsam, hat er doch wesentlich dazu beigetragen, daß dieser
bis in unsere Zeit für ein Werk des Gilbertus Porretanus gehalten wurde 4 .
Unerforscht ist bislang die Wirkungsgeschichte der Inhalte von Alberts Kom-
mentar, der für die Deutung des „Liber sex principiorum" immerhin als so
repräsentativ gegolten haben muß, daß er in der Inkunabelzeit (ca. 1475) in
eine kommentierte Ausgabe des „Organon" (GW 2390) aufgenommen
wurde5. Die Untersuchung der durchwegs aus dem 15. Jahrhundert stam-
menden Benutzerspuren in den Codices des Albertschen Kommentars wie
Anstreichungen, Nota-bene-2,e.ichcn und TVo&z-Hände sind ein erster Schritt
zur Erforschung der Wirkungsgeschichte, denn sie sind augenscheinliche
Zeugnisse spätmittelalterlichen Leseinteresses. Was der Leser Besonderes in
Alberts Kommentar finden konnte, läßt sich im Vergleich mit anderen Ausle-
gungen des „Liber sex principiorum " herausarbeiten, die wie Alberts Kom-
mentar in der Kontinuität einer Gesamtkommentierung des „Organon" ste-
hen, näherhin der des Robert Kilwardby (ca. 1240 verfaßt) 6 , des Martin von
Dacien (vor 1288) 7 und des Magister Vitalis (Ende des 13. Jahrhunderts)8.
Schon eine erste Sichtung der Gebrauchsspuren bestätigt, daß von den
Benutzern des 15. Jahrhunderts zwei wohlbekannte Eigenheiten des doctor
4 Cf. LSP, op. cit., xliii sq. und O. Lewry, The „Liber sex principiorum", a supposedly Porreta-
nean Work. Α study in Ascription, in: Gilbert de Poitiers et ses Contemporains aux Origines
de la Logica modernorum. Actes du septieme symposium europeen d'Histoire de la Logique
et de la Semantique medievales, ed. par J. Jolivet et A. de Libera (History of Logic 5), Neapel
1987, 2 5 1 - 2 7 8 , spec. 251 sq.
5 Weitere Ansatzpunkte zur Erhebung der Wirkungsgeschichte des Kommentars wären Glos-
sen und indirekte Zitate. Unter den Codices des „Liber sex principiorum" finden sich bislang
nur zwei, die mit Glossen aus Alberts Kommentar versehen wurden. Da zahlreiche, meist
anonyme Kommentare und Quaestionenreihen über den „Liber sex principiorum" bislang
ungedruckt sind, muß vorerst auf eine Einbeziehung solch indirekter Zeugnisse der Rezep-
tion des Albertschen Kommentars verzichtet werden.
6 Der Kommentar ist bislang unediert. Die in der Dissertation von O. Lewry (Robert Kilward-
by's Writings on the „logica vetus" studied with regard to their teaching and method. Oxford
masch. 1978) enthaltene Teiledition aus der lectio 1 war mir nicht zugänglich. Daher wurde
für diesen Beitrag der Text verwendet, der sich in der Handschrift Madrid, Universitätsbiblio-
thek, Ms. 73, ff. 6 7 r a - 8 5 r a , befindet (zitiert als „Kilw. f."). Für die sehr zuvorkommende
Bereitstellung der dazu nötigen Kopien danke ich Sr. Reyes Carmona.
7 Martinus de Dacia, Quaestiones super librum Sex principiorum, ed. H. Roos, Kopenhagen
1961 (Corpus Philosophicum Danicorum Medii Aevi 2), 1 6 5 - 3 1 5 , zitiert als „Mart. p.".
8 Vitalis de Furno, Commentum super Librum de sex principiis, ed. A. Gondras, in: Arch.
Hist, doctr. litt. Ma 50 (1975), 1 9 6 - 3 1 7 , zitiert als „Vit. p.". Dieser Text ist teils bis in die
Formulierung hinein identisch mit einer „Ars-vetus"-Kommentierung, die 1507 unter dem
Namen des Aegidius Romanus gedruckt wurde (Aegidius Romanus Expositio in artem vete-
rem, Venedig 1507, Nachdruck Frankfurt a. M. 1968, ff. 3 1 v - 4 7 v ) .
nislehre zu einem breiten Exkurs nutzt. Er geht besonders auf den Einfluß
der Jahreszeiten auf das spekulative Denkvermögen ein. So fördert z. B. bei
den Melancholikern der Frühling das Denkvermögen, „eo quod tunc spiritus,
quio dejerunt formas speculations subtiliantur et mobiles fiunt ex calido" (Ed. Paris,
p. 343a). Der Choleriker hingegen braucht die Kälte des Winters, damit sein
Geist die intellektiven Formen aufnehmen kann (ibid.). Martin von Dacien
berücksichtigt in seinen Quaestionen die Temperamentenlehre überhaupt
nicht. Robert Kilwardby widmet dem Einfluß der Jahreszeiten auf das
menschliche Gemüt eine kurze Quaestio (f. 79va —b), wendet diese physiolo-
gischen Vorgänge aber ebensowenig auf das spekulative Denkvermögen des
Menschen an, wie Magister Vitalis (p. 250 v. 20sqq.). Auch hier scheinen die
Benutzer des 15. Jahrhunderts in Alberts Kommentar eine lebensnahe Aus-
deutung des im „Liber sex principiorum" nur exemplarisch Behandelten ge-
schätzt zu haben, die nachfolgende andere Kommentare in solcher Detail-
liertheit nicht boten.
Eine zweite Gruppe von Anstreichungen im Text des Kommentars betrifft
den Umgang der Leser mit Alberts Kommentierungsweise, näherhin mit der
für einen „Organon"-Kommentar einmaligen Auslegung mittels Paraphrasie-
rung. Die Kommentare des Robert Kilwardby und des Magister Vitalis sind
Litteralexpositionen mit zusätzlichen Quaestionen, das Werk Martins von
Dacien ist ein reiner Quaestionenkommentar. Albert verwendet weder eine
divisio noch eine expositio textus und verzichtet weitgehend auf Quaestionen,
nur in Traktat 2 Kapitel 2 und Traktat 4 Kapitel 4 und 5 findet er zu einer
quaestionenähnlichen Struktur. Das vom „Liber sex principiorum" sprachlich
vorgegebene Material wird von Albert so sehr assimiliert, daß sich der ent-
standene Text wie ein eigenständiges Werk liest 9 . Einzelne Benutzer haben
nun versucht, durch Rubrizierungen und Anstreichungen den mit Alberts
Ausführungen so eng verwobenen Text des „Liber sex principiorum" wieder
kenntlich zu machen, um deutlicher zwischen dem kommentierten Text und
den kommentierenden Ausführungen Alberts unterscheiden zu können. An-
dere haben, wo es möglich war, am Rande die aus der Quaestionenkommen-
tierung vertrauten Begriffe wie argumentum, obiectio und solutio angebracht, um
sich den ungewohnten Kommentar optisch zu gliedern und mit vertrauten
Kategorien auch formal zu erschließen.
Die Argumentationsweise unterscheidet sich aber nicht nur formal durch
die Paraphrasierungstechnik von allen hier berücksichtigten Kommentaren.
Sie ist auch in besonderer Weise davon geprägt, daß der „Organon"-Kom-
mentar nur Teil einer umfassenden Erklärung des corpus Aristotelicum ist. Dies
fördert für die Kommentierung des thematisch nicht nur auf die Logik fixier-
ten „Liber sex principiorum" einen interdisziplinären Ansatz, wie ihn kein
anderer Kommentar bietet. Diese Interdisziplinarität erlaubt es Albert zum
9 D e r so hohe Assimilationsgrad könnte dazu beigetragen haben, daß sich kaum Glossen aus
Alberts K o m m e n t a r in Handschriften des „Liber sex principiorum" finden.
10 Der Text lautet in Traktat 5 Kapitel 1: „sicut nos (om. Ed. Paris.) probavimus demonstrative (Ed.
Paris: determinative) in IV Physicorum" und verweist auf 1. 4 tr. 2 c. 8 des Physikkommentars
(Ed. Colon, torn. 4.1 p. 251 v. 85sqq.).
11 Kilw. f. 69 r; Vit. q. VI p. 204 v. 17sqq.; Mart. p. 285 v. 20sqq.
der von Menschen herstellbaren Formen zu, betont aber im selben Kapitel,
daß das im „Liber sex principiorum" gleichermaßen diskutierte okkulte Wir-
ken natürlicher Formen zu erklären nicht Sache der Naturkunde oder der
Logik sei, sondern Gegenstand der „Metaphysik" (Sulzb. p. 59 v. 111 sqq.).
Robert Kilwardby hingegen stellt durchaus eine eigene Untersuchung darüber
an, inwieweit im Schöpfer für jedes Geschaffene ein universale ante rem vorhan-
den sein muß, damit sich in der Natur eine Form entwickeln kann, die diesem
Vorbild entspricht (f. 70vb). Diese auffallende Zurückhaltung Alberts gegen-
über metaphysischen Fragestellungen dürfte nicht nur ein Hinweis darauf
sein, daß zur Zeit der Entstehung des Kommentars zum „Liber sex principio-
rum" die „Metaphysik"-Paraphrase noch nicht begonnen war, sie ist auch ein
deutliches Zeichen dafür, daß es Albertus Magnus in seinem Kommentar
darauf ankommt, stets präsent zu halten, in welchem größeren Kontext einige
Themen des „Liber sex principiorum" stehen. Wie keine andere Schrift aus
der Logik verfügt der „Liber sex principiorum" über eine weit über die Logik
hinausgehende Vielfalt an Themen, die Alberts Bemühen um Interdisziplina-
rität und besonders seinem Interesse an naturkundlichen Fragestellungen ent-
gegenkam. Da die anderen Autoren sich aber mehr auf die Darlegung logi-
scher Sachverhalte konzentrierten, dünnte die Auslegung des „Liber sex prin-
cipiorum" inhaltlich offenbar zunehmend aus, weshalb vielleicht gerade der
Kommentar Alberts für die Benutzer des 15. Jahrhunderts die inzwischen in
diesen Bereichen entstandenen Defizite der Erklärung ausglich. So sind z. B.
im Form-Traktat des Albertus Magnus breite Ausführungen über Ursache
und Verlauf generativer Prozesse zu finden, die ganz vom aristotelischen
Erklärungsmodell geprägt sind, wie es auch in „De generatione et corrup-
tione" entfaltet wird, während Martin von Dacien und Magister Vitalis dieser
Detailfrage ausweichen, wohingegen Robert Kilwardby sie wenigstens streift
(f. 72rb—va).
Neben dieser Vielfalt an Querverweisen auf andere Disziplinen, finden
sich nur bei Albertus Magnus ausdrücklich Hinweise auf das genuin der Lo-
gik Zukommende am Text des „Liber sex principiorum", indem er z. B. be-
tont, etwas sei nun logice dicendum oder komme darzulegen nur dem logicus zu.
Dies kann zum einen damit erklärt werden, daß die anderen Autoren von
vornherein stärker als Albert das genuin Logische im Blick hatten und es
daher nicht ausdrücklich sprachlich zu signalisieren brauchten, wenn sie dar-
auf zu sprechen kamen. Zum anderen war es aufgrund der thematischen
Vielfalt, die Alberts Kommentar bot, und aufgrund seines durchgängigen
Anliegens, einen Sachverhalt interdisziplinär unter verschiedenen Perspekti-
ven zu betrachten, klug, die Perspektivenwechsel immer wieder deutlich
kenntlich zu machen. Die Benutzer seines Kommentars haben sich gerade
solche Stellen mit Nota-Händen versehen, weil es bei der Lektüre offenbar
hilfreich war, wollte man z. B. rasch das spezifisch der Logik Zugehörige
auffinden.
12 Cf. „De quinque universalibus" tr. 1 c. 3, ed. J. Blarer, De antecedentibus ad logicam, in:
Teoresi 9 (1954), 204 v. 40sqq.
13 Eine Auflistung der Bedeutungsmöglichkeiten des /'»fe»to-Begriffes bietet U. Dähnert, Die
Erkenntnislehre des Albertus Magnus gemessen an den Stufen der Abstractio. Mit einem
ausführlichen systematischen Sachverzeichnis und einer monographischen Bibliographie Al-
bertus Magnus (Studien und Bibliographien zur Gegenwartsphilosophie 4), Leipzig 1934,
190.
14 Cf. U. Dähnert, op. cit. (Anm. 13), 96 sqq. Einen Problemaufriß aus der Perspektive des
Metaphysik-Kommentars Alberts des Großen bietet G. Wieland, Untersuchungen zum
Seinsbegriff im Metaphysikkommentar Alberts des Großen (BGPhThMA NF 7), Münster
2 1992, 2 7 - 3 1 .
esse totius hominis potentielle (p. 51 v. 29sq.). Die Vernunftbegabtheit des Men-
schen als das spezifisch Menschliche wird mit dem rationale ausgedrückt,
<quod> dicit esse totius hominis actuale (v. 30). Von akzidenteller Natur sind
Eigenschaften wie das album esse und das risihile esse. Beide Eigenschaften
unterscheiden sich aber dahingehend, daß die weiße Farbe nicht wesentlich
dem Menschen zukommt, wohl aber seine Fähigkeit zum Lachen, die, selbst
wenn sie niemals aktuiert werden sollte, dennoch den Menschen von jedem
anderen Lebewesen unterscheidet und ihn als Menschen ausweist. Daher
nennt Albert das Lachenkönnen eine Eigenschaft, die zwar dem Ganzen nur
akzidentell zukommt, aber immer accidente (Sulzb.: actuatae) naturae et speciei
<hominis> (p. 51 v. 32sq.). Die Variante accidente/actuatae geht auf eine unter-
schiedliche handschriftliche Tradition zurück, deren Ursache in der großen
graphischen Ähnlichkeit der Schreibweisen (accnte/acfe) zu suchen ist, deren
Entstehung aber auch dadurch begünstigt wurde, daß sich im Laufe der
Uberlieferung das Textverständnis an dieser Stelle offenbar zum nicht not-
wendig aktuierten Zustand der Eigenschaft des Lachenkönnens hin verändert
hat. Einigkeit herrscht indes in allen Handschriften darüber, daß Albert der
Auffassung ist, daß der Begriff „Mensch" das aus „Lebewesen" und „Ver-
nunftbegabtsein" Zusammengesetzte kennzeichnet und daher immer das esse
totum compositum ex utroque (p. 51 v. 31) meint.
Dieses esse kommt nun nur als Zusammengesetztes vor {non est nisi composi-
tioni contingens p. 51 v. 34). Weil ein Zusammengesetztes immer aus Teilen
besteht, scheint es unmöglich, vom Ganzen eine vollständige Erkenntnis zu
haben. Die Eigenschaft des contingens esse aber hilft aus diesem scheinbaren
erkenntnistheoretischen Dilemma. Denn gerade weil das Sein wesenhaft von
einer Form bestimmt ist, die das Zusammengesetzte nur „berührt", aber
eben nicht semper contingit, sed aliquando est substantia (ν. 40), und weil diese
Form durch Abstraktion erkannt werden kann, deshalb ist eine vollständige
Kenntnis des Zusammengesetzten möglich, auch wenn dieses Zusammenge-
setzte in seinen akzidentellen Eigenschaften verschieden und im Ganzen ver-
änderlich ist durch generative und rezessive Prozesse. Diese notio totius nun
beruht auf der intentio, die der Intellekt im Abstraktionsvorgang erwirbt, und
diese intentio läßt sich nach Albert in einem das Ganze erfassenden universale16
ausdrücken (p. 51 v. 35 — 42). Damit kann Albert zusammenfassend schrei-
ben: „Hoc modo forma dicta est universale, quod intellectus ordinat in genere et specie et
cuius coordinationem reduät ad praedicamentum vel prineipium. Et hoc modo forma est
formale esse totius, aeeeptum per intellectum, ... forma in communi, ad esse substantiate
16 Albertus Magnus geht in seinem Kommentar zum „Uber sex prineipiorum" nicht näher
darauf ein, was er hier unter universale versteht, sondern verweist auf das in „De quinque
universalibus" Dargelegte. Eine Deutung des Universalienbegriffes bei Albertus Magnus un-
ter Berücksichtigung seiner komplexen Geschichte bieten ζ. Β. A. de Libera, Albert le Grand
et la philosophie, Paris 1990, 179sqq., und Einleitung und Anmerkungen zu: Texte zum
Universalienstreit, übersetzt und hg. v. H.-U. Wöhler, tom. 2, Hoch- und spätmittelalterliche
Scholastik: Lateinische Texte des 1 3 . - 1 5 . Jahrhunderts. Berlin 1994, 266sq.
vel accidentale totius accepta, praedicabilis de toto et non de parte" (p. 51 v. 49sqq.).
Die vom „Liber sex principiorum" vorgegebene Form-Definition bezeichnet
diese Form auch als simpliä essentia consistens, was von Albert abschließend
dahingehend deutet, daß diese Form die Funktion einer causa esse totius hat,
weshalb sie einfach, essentiell und unveränderlich ist (p. 51 v. 58sqq.). Das
harmonische Zusammenspiel logischer (intentio/universale), ontologischer (sub-
stantia/ essentia) und erkenntnistheoretischer (acceptio/intentio/notio) Kompo-
nenten wird vor allem durch den sowohl in erkenntnistheoretischem wie auch
in sprachphilosophischem Kontext gleichermaßen verwendeten Begriff der
intentio ermöglicht. Seine Verwendbarkeit in beiden Kontexten erlaubt Alber-
tus Magnus eine Erklärung des Formbegriffes, die zwar im Spannungsfeld
von Logik und Ontologie steht, aber letztlich hier besonders auf den für die
Logik bedeutenden Bereich der Begriffs- und Definitionsfindung abzielt. Er
kann forma, intentio und universale in so enge Beziehung setzen, weil für ihn,
unter ontologischem Aspekt gesehen, die Form das Wesen des Seienden be-
stimmt, das unter erkenntnistheoretischem Aspekt in der intentio ganz erfaßt
wird und unter sprachphilosophischem Aspekt unter Verwendung der intentio
in einem ihm entsprechenden universale adäquat prädizierbar ist.
Weil Albertus Magnus schon zu Anfang die Frage der Substantialität der
in der Form-Definition des „Liber sex principiorum" angesprochenen For-
men klärt, kann er sich im 4. Kapitel, bei der Auslegung des 6. Abschnittes
des „Liber sex principiorum" (LSP p. 36 v. 7sqq.) dem subtilen Fall zuwen-
den, wenn Eigenschaften von ihrer Natur her Akzidentien sind, aber den
Modus von Substanzen annehmen und umgekehrt, wenn es eigentlich sub-
stantielle Eigenschaften sind, die den Modus von Akzidentien annehmen
(Sulzb. p. 55 v. 5sqq.). Diese Darlegungen fanden wohl deshalb reges Inter-
esse, weil sich dieses Problem bei keinem der zum Vergleich herangezogenen
Autoren diskutiert findet. Zudem entgeht er damit der Schwierigkeit, daß der
„Liber sex principiorum" von seinem Gehalt her nicht nur über substantielle
Formen handelt, wie die Form-Definition vermuten ließe.
Robert Kilwardby stellt wie Albert in seinem gut zehn Jahre früher entstan-
denen Kommentar bei der Auslegung der im „Liber sex principiorum" gege-
benen Form-Definition eine Beziehung zwischen den Begriffen forma, univer-
sale und intentio her, ist aber nicht von vornherein bereit, alle Begriffe gleichzu-
setzen. Das universale gibt nach seiner Ansicht nur die intentio einer Sache
wieder, die Form hingegen dicit rem cum intentione. Daraus folgert er: „Propter
hoc ergo ea de quibus est intentio, in parte illa magis recipiunt intentionem formae quam
entis ut unius vel universale" (f. 68va). In der Frage, ob es sich bei der im „Liber
sex principiorum" definierten Form um eine substantielle oder akzidentelle
Form handelt, entscheidet sich Robert Kilwardby wie Albertus Magnus zu-
gunsten substantieller Formen und fügt begründend hinzu, daß diese Form
„est intentio universalis, qualis est generis vel speäei sive differentiae. Et quae sic se
habent, habent modum substantiae, forma ergo hic difßnita estforma, quae diätur essentia
scilicet forma universalis" (f. 68 va). Betrachtet man nun die Form nicht secundum
esse quod habet in materia, sondern secundum esse eius esse abstraction^ dann kann
man sie als essentia simplex bezeichnen, denn essentia nominat esse abstractum
(f. 68vb). Im sprachphilosophischen Kontext sind also für Robert Kilwardby
Universalien- und Formbegriff nicht identisch, mit Blick auf die ontologi-
schen Voraussetzungen aber kann er wie Albertus Magnus den im „Uber sex
principiorum" definierten Formbegriff als substantiell und essentiell ansehen.
Weil sich auch Robert Kilwardby schon zu Beginn seines Textes ausführlich
mit der Frage der Substantialität auseinandergesetzt hat, thematisiert er in
seinen Ausführungen den 6. Abschnitt des „Liber sex principiorum" nicht
nochmals eigens.
Magister Vitalis widmet sich der im „Liber sex principiorum" gegebenen
Formdefinition in lectio 1 seines Kommentars, allerdings greift er zunächst
nur zwei Bestimmungen auf, die in der Definition gegeben werden: die Ein-
fachheit und die Unveränderlichkeit. Magister Vitalis zeigt, daß alle Formen
als einfach zu bezeichnen sind (q. II p. 202 v. 3sq.), und daß alle Formen
unveränderlich sind, weil sie per se genommen keine Subjekte irgendeines
Akzidens sind und daher selbst keinerlei Veränderlichkeit unterworfen sein
können (q. IV p. 203 v. 12sq.). In Quaestio V kommt er dann eigens auf die
Definition des „Liber sex principiorum" zu sprechen und interpretiert sie
dahingehend, daß sie mehr auf substantielle denn auf akzidentelle Formen
zutreffe (q. III p. 204 v. 5sqq.). Zu Beginn der 2. lectio indes betont er, daß der
Autor des „Liber sex principiorum" in den zuvor behandelten Abschnitten —
welche ja auch die Form-Definition enthalten — über akzidentelle Formen
habe handeln wollen, während er sich erst im weiteren Text den substantiellen
Formen zuwende (p. 207 v. 3sq.). Dieses schon im „Liber sex principiorum"
angelegte Nebeneinander von Bestimmungen über Substantialformen und
akzidentellen Formen setzt sich im weiteren Verlauf des Kommentars fort
und kann leicht widersprüchlich gedeutet werden. So basiert z. B. die Argu-
mentation des Magister Vitalis in Quaestio IV der ersten lectio auf der traditio-
nellen Lehre, daß substantielle Formen generell unveränderlich, akzidentelle
hingegen veränderlich sind (cf. p. 203 v. 6sqq.). Dann aber dürfte er nicht zu
Beginn von lectio 2 behaupten, der ganze erste Teil des Textes sei akzidentel-
len Formen gewidmet, denn die im ersten Teil enthaltene Form-Definition
beinhaltet ja ausdrücklich die Bestimmung der Unveränderlichkeit, welche
nur substantiellen Formen zukommt. Dieses Nebeneinander von Bestim-
mungen läßt vermuten, daß Magister Vitalis in seinem Kommentar gar keine
in allen Teilen stringente Auslegung des „Liber sex principiorum" unter der
konsequenten Anwendung der dort gegebenen Form-Definition anstrebt,
sondern vor allem darum bemüht ist, möglichst viel Wissenswertes zum
Formbegriff allgemein zusammenzutragen. Nach Konsequenzen der Deu-
tung einer Stelle für andere Kontexte wird dabei nicht weiter gefragt. Das
zeigen auch die weiteren Ausführungen zum 6. Abschnitt des „Liber sex
principiorum", in denen Magister Vitalis auf das Problem der forma universalis
nur insofern zu sprechen kommt, als diese Form ontologisch gesehen in
pluribus habet esse (p. 208 v. 28sqq. u. q. VII p. 213 v. 5sqq.). Ob das Auswir-
kungen hat auf die Möglichkeit, einen Allgemeinbegriff zu bilden, wird von
ihm nicht weiter thematisiert. Verglichen mit solch einer thematisch eher
offen zu nennenden Kommentierung des „Liber sex principiorum", muß
gerade die argumentative Stringenz, wie sie sich bei Robert Kilwardby und
Albertus Magnus findet und bei beiden Autoren aus einer konsequenten An-
wendung des schon im „Organon"-Kommentar Erarbeiteten resultiert, für
ihre Leser besonders attraktiv gewesen sein. Dafür könnten die zahlreichen
Gebrauchsspuren der Leser des 15. Jahrhunderts in Alberts Ausführungen
zum Formbegriff ein Zeichen sein.
Die gegenüber einer Paraphrasierung und einer Litteralexposition für eine
Auswahl an zu behandelnden Themen noch offenere Struktur eines Kom-
mentars in Quaestionenform enthebt Martin von Dacien der Schwierigkeit,
im Kontinuum seines Kommentars sich dem Verlauf des zum Teil redundan-
ten „Liber sex principiorum" anpassen zu müssen. Daher konzentriert er
sich von Anfang an nur auf die grundsätzliche Frage nach Substantialität
oder Akzidentialität der im „Liber sex principiorum" gegebenen Definition
und betont, diese könne eher auf akzidentelle denn auf substantielle Formen
angewandt werden (p. 273 v. 7sqq. und p. 274 v. lsqq.). Die Formen sind nun,
auch wenn sie in Zusammengesetztem vorkommen, dennoch „perprivaüonem
compositionum ex materia et forma" als einfach zu bezeichnen (p. 277 v. 13) und
unveränderlich, weil sie selbst immateriell sind (p. 279 v. 7sqq.). Nicht das
Weißsein an sich oder die Rede an sich verändere sich, sondern der aus
Materie und Form zusammengesetzte Gegenstand, der diese Eigenschaft
trägt oder der mit dieser Rede bezeichnet wird, sei der Veränderung unter-
worfen. Daher sei eine Form nicht per se veränderlich, sondern nur per accidens
(p. 280 v. 14sq.). Die Ausführungen Martins von Dacien sind, was die Zuord-
nung zu substantiellen und akzidentellen Formen angeht, zu denen Robert
Kilwardbys und Alberts des Großen different und verdeutlichen nur an weni-
gen Punkten sprachphilosophische Implikationen, eine Einbeziehung des
Universalienbegriffes z. B. entfällt ganz. Verglichen mit den Ausführungen
des Magister Vitalis, bleibt der Kommentar Martins von Dacien in sich völlig
widerspruchsfrei, erreicht aber argumentativ nicht dieselbe Stringenz, die den
Kommentar Alberts des Großen auszeichnet.
Am Beispiel des Formbegriffes zeigt sich, daß man sich offenbar nach
Albertus Magnus nicht nur zunehmend von einer stringenten Ausdeutung
der inhaltlichen Vorgaben des „Liber sex principiorum" entfernt, sondern
sich auch mehr und mehr eher allgemeinen Darlegungen zuwendet, ohne die
sprachphilosophischen Implikationen des Gesagten weiter zu berücksichti-
gen, obwohl es sich beim „Liber sex principiorum" ja um einen Text handelt,
der innerhalb des „Organon" rezipiert wird. Alberts Text dürfte dann wohl
gerade deshalb noch im 15. Jahrhundert großes Interesse gefunden haben,
weil er das spezifisch Logische ebenso wieder ins Bewußtsein hebt, wie er
der inhaltlichen Vielfalt des zu kommentierenden Textes gerecht zu werden
versucht. Daher darf wohl postuliert werden, daß sein in der Geschichte der
Logik einmaliger Versuch einer möglichst umfassenden Interpretation eines
Textes des „Organon" auf dem Hintergrund der Kommentierung des gesam-
ten corpus Aristotelicum offenbar nicht nur dem 13. Jahrhundert neue Perspekti-
ven eröffnet hat. Weder vor noch nach Albert scheint es eine wissenschaftssy-
stematisch so klar fundierte Deutung des „Liber sex principiorum" von sol-
cher inhaltlicher Weise und gleichzeitiger argumentativer Geschlossenheit zu
geben. Wie kein anderer Autor stellt Albertus Magnus die kleine Schrift des
„Liber sex principiorum" in einen weiten Verstehenshorizont, und wie kein
zweiter verknüpft er die Lehrinhalte unterschiedlichster Disziplinen mittels
Querverweisen derart, daß der Leser sich nicht nur bei der Lektüre des Kom-
mentars selbst auf eine umfassende Sicht der Dinge einlassen muß, sondern
sich letztlich vor die gewaltige Aufgabe gestellt sieht, auch die anderen Werke
Alberts des Großen zu studieren, will er zu einem schlüssigen Gesamtbild
kommen. Ob das die mittelalterlichen Leser getan haben, verraten die Benut-
zerspuren, die hier erfolgreich als Lotsen zu einer ersten Charakterisierung
der Eigenheiten des Albertschen Kommentars gedient haben, nicht. Es sollte
uns heutigen Interpreten nur eine Mahnung sein, daß sich letztlich für die
Logik ein adäquates Verständnis der Lehrmeinungen Alberts nur auf der
Basis einer interdisziplinären Lektüre ergeben wird, bei deren Deutung die
philosophischen, naturkundlichen und theologischen Konnotationen glei-
chermaßen zu berücksichtigen sind. Gerade der Beitrag Alberts zur Ge-
schichte der Logik könnte dann in einem anderen Licht erscheinen, als es
bislang der Fall ist.
Es dürfte im Laufe der Untersuchung zum einen deutlich geworden sein,
wie wichtig für das Verständnis des Albertschen Kommentarwerkes die Be-
rücksichtigung seines Perspektivenreichtums ist, zum anderen dürfte sich
aber auch gezeigt haben, daß der interdisziplinäre Ansatz Prämissen unter-
liegt und Konsequenzen zeitigt. Die von Albertus Magnus in bezug auf den
Formbegriff der Logik versuchte Synthese der ontologischen, erkenntnis-
theoretischen und sprachphilosophischen Perspektive kann nur gelingen,
wenn man voraussetzt, daß der Mensch das Sein und das Wesen einer Sache
erfassen und in einem Begriff adäquat wiedergeben kann, und wenn man
davon ausgeht, daß sich Fachtermini, die aus unterschiedlichen philosophi-
schen Disziplinen stammen, in Analogie setzen lassen. Dieses Bemühen um
eine Synthese kennzeichnet nun nicht nur seine Darlegungen zum Formbe-
griff, sondern ließe sich für den Kommentar zum „Liber sex principiorum"
insgesamt zeigen. Es hat zur Konsequenz, daß immer wieder präsent gehal-
ten werden muß, in welcher Bedeutungsperspektive ein Begriff gerade ver-
wendet wird, damit es nicht zu Mißverständnissen kommt. Albert gibt des-
halb in seinem Kommentar zum „Liber sex principiorum" immer wieder an,
welcher Wissensdisziplin das gerade Dargelegte angehört, damit dem Leser
mitzudenkende Konnotationen und Grenzen eines verwendeten Begriffes
oder Beispiels präsent bleiben. Je mehr nun die Logik zu einer autarken
Ist Johannes Tauler und sein Werk einer Schule zuzurechnen? Wie steht
es mit Eckhart von Hochheim, geht sein Denken aus derselben, älteren
Schultradition hervor? Und wie hat man sich die Situation im Falle Heinrich
Seuses und Dietrichs von Freiberg vorzustellen? Sind diese Figuren, allesamt
Dominikaner aus dem deutschsprachigen Raum, Vertreter einer sie verbin-
denden Schule? Gewiß, das Denken dieser in ihren Texten so verschiedenen
spätmittelalterlichen Autoren ist auf Schultraditionen zu beziehen. Und zwei-
fellos müssen, dies hat die Forschung der letzten Jahre im Anschluß an ältere
Untersuchungen vor allem Martin Grabmanns deutlich gemacht, Eckhart,
Tauler und Seuse im Kontext, das heißt, im Blick auf die zeitgenössische
Einbettung ihrer Texte gelesen werden. Dabei spielt die Schule, aus der sie
kommen, eine wichtige Rolle. Bei den deutschsprachigen Dominikanern ist
dies in den meisten Fällen zunächst das Studium generale des Ordens in
Köln, wo Albert der Große Mitte des 13. Jahrhunderts gelehrt hat und Tho-
mas von Aquin sein Student war. So gehören denn die genannten Figuren,
insofern sich ihr Studiengang, ihre Texte oder ihre Tätigkeit auf Köln bezie-
hen läßt, zur ,deutschen Dominikanerschule' 1 , oder, wie man früher sagte,
zur „deutschen Dominikanerscholastik" 2 . Wir wissen denn auch, daß Alber-
tus Magnus, Johannes Picardi von Lichtenberg, Berthold von Moosburg und
Heinrich de Cervo dort gelehrt, daß Ulrich von Straßburg, Johannes von
Dambach, Konrad von Halberstadt und Heinrich Seuse dort studiert haben.
Bei anderen, etwa Heinrich von Lübeck, Nikolaus von Straßburg, Johannes
und Gerhard von Sterngassen, Dietrich von Freiberg und Meister Eckhart
1 Zur .deutschen Dominikanerschule' siehe neben den in den folgenden Anmerkungen zitier-
ten Studien von L. Sturlese: R. Imbach et al. (eds.), Albert der Große und die deutsche
Dominikanerschule, Freiburg 1985; M. J. F M. Hoenen / A. de Libera (eds.), Albertus Mag-
nus und der Albertismus. Deutsche philosophische Kultur des Mittelalters, Leiden etc. 1995.
— Ich verzichte hier auf ausführliche Literaturangaben und verweise auf die folgenden For-
schungsberichte: N. Largier, Meister Eckhart. Perspektiven der Forschung, 1980 — 1993, in:
Zeitschrift für deutsche Philologie 114 (1995), 2 9 - 8 9 ; id., Recent Work on Meister Eckhart.
Positions, Problems, New Perspectives, in: Recherches de Theologie et Philosophie medieva-
les 65 (1998), 1 4 7 - 1 6 7 .
2 M. Grabmann, Der Einfluß Alberts des Grossen auf das mittelalterliche Geistesleben, in:
id., Mittelalterliches Geistesleben, München 1936, vol. 2, 3 2 5 - 4 1 3 .
sind wir auf Vermutungen und mehr oder weniger klare Indizien angewiesen,
da sichere Belege fehlen 3 . Die Uberlieferung ist oft zu karg, die Quellenlage
ist schlecht, und man wird wohl auch in Zukunft hier kaum klare Umrisse
einer Schule zeichnen können 4 . Dennoch ist es historisch in verschiedener
Hinsicht legitim, von der ,Albertschule' zu sprechen, die in Köln ihren Aus-
gangspunkt besitzt und zu der die genannten Dominikaner in einem mehr
oder weniger engen Kontakt stehen.
Nun impliziert das Wort,Schule' in der Philosophiegeschichte nicht nur eine
nominelle Provenienz, sondern weit mehr, nämlich einen bestimmten Stil zu
denken, eine Vorliebe für bestimmte Fragen und Konzepte, in der Regel auch
ein intellektuelles Programm. Zudem denkt man bei .Schulen' an Gründerfigu-
ren, hier natürlich an Albert den Großen, die das intellektuelle Zentrum und
den Duktus anfangs bestimmen und auf deren Intention sich die Hermeneutik
der Nachfolger ebenso wie ihre Distanzierung bezieht. Oft spricht man von
Schülern denn auch nicht nur im anerkennenden Sinne, sondern als Charakteri-
sierung einer Abhängigkeit, die im Auge der Moderne ebensogut einen Mangel
an Selbständigkeit wie eine Anerkennung auszudrücken vermag. Schüler sind
oft die Kleineren, die neben den Großen bestenfalls auf ihren Schultern stehen.
,Schule' ist damit eine durchaus ambivalente Bezeichnung, die, wo sie Gemein-
samkeiten hervorhebt, gleichzeitig zum Verdrängen der Differenzen und zur
Privilegierung gewisser Aspekte neigt, deren Gewicht oft weniger von den Tex-
ten als von den Interpreten diktiert ist.
So ist denn ,Schule' ein Begriff, der auch angesichts der Theologen und
Philosophen, die aus dem Kölner Studium generale hervorgingen, mit Vor-
sicht zu verwenden ist. Ich möchte ihn, dies sei hier vorweggenommen,
durch ein Konzept von Intertextualität ersetzen, das den Texten eine größere
Offenheit zugesteht, als dies der Begriff der Schule tut; ein Konzept von
Intertextualität, das — wie ich hinzufügen möchte — durchaus offen ist für
die historische Konturierung spezifischer Interessen, Dependenzen und re-
gionaler Konfigurationen 5 , gleichzeitig aber im Gegensatz zum Begriff der
.Schule' vermeidet, in diesen das konstitutive Element und damit die Erklä-
rungsgrundlage der Texte zu sehen. Der Blickpunkt der Intertextualität und
damit einer Forschung, die primär an der ideengeschichtlich komplexen Ver-
knüpfung der Texte interessiert ist, meint einen praktischen historischen Zu-
gang, der die Privilegierung eines ideologischen Momentes (der ,Schule' bzw.
eines programmes') und einer ,Intention' oder .Strategie' durch eine Lektüre
3 Cf. L. Sturlese, Die Kölner Eckhartisten. Das Studium generale der deutschen Dominikaner
und die Verurteilung der Thesen Meister Eckharts, in: A . Zimmermann (ed.), Die K ö l n e r
Universität im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 20), B e r l i n - N e w York 1 9 8 9 , 1 9 2 - 2 1 1 ,
bes. 193sq.
4 Cf. da2u: W Senner, Johannes von Sterngassen, Pars 1, Berlin 1 9 9 5 , 1 2 6 - 1 4 1 .
5 Cf. hier besonders L. Sturleses K o n z e p t einer „regionalen Philosophiegeschichte": id., Die
deutsche Philosophie im Mittelalter. V o n Bonifatius bis zu Albert dem Großen, 7 4 8 - 1 2 8 0 ,
München 1 9 9 3 , 9 - 1 4 .
ersetzt, die zunächst von der Diversität und von Elementen gegenseitiger
Reflexion in den Texten ausgeht und diesen gerecht zu werden sucht, ohne
dabei zu suggerieren, korrekt zu rekonstruieren, was ein Autor ,wollte'. Damit
soll auch versucht werden, nicht primär von ,Einflüssen' und ^Abhängigkei-
ten' — sei es im gegebenen Fall von Albert oder von Thomas — zu sprechen,
sondern zu untersuchen, wie sich Konzepte und Gedanken in verschiedenen
Texten spiegeln und wie sie gegebenenfalls weiterverwendet und kontrovers
behandelt werden.
Gerade die Erforschung der Texte, die heute der ,deutschen Dominikaner-
schule' im weiteren Sinne zugerechnet werden, hat denn auch einerseits ge-
zeigt, wie fruchtbar ein solches Verfahren ist. Dies belegen vor allem die
Studien von Kurt Flasch, Loris Sturlese, Burkhard Mojsisch, Ruedi Imbach
und Alain de Libera. Gleichzeidg hat sich die Forschung mit der Privilegie-
rung des Konzeptes der ,Schule' und des Blickes auf Linien der Abhängigkeit,
wie ich meine, zum Teil der Möglichkeiten beraubt, in den Texten auch an-
dere, heterogene Reflexe zu entdecken. Dies ist etwa bei einer heute zum
Teil süllschweigend vorausgesetzten Identität des Eckhartschen Begriffs vom
Seelengrund mit Dietrichs Intellektbegriff der Fall.
Solche eigentliche historische ^Abhängigkeit' — etwa im Blick auf den Be-
griff des Intellekts — und damit die Konstruktion einer homogenen Linie
der Dependenz ist im Rahmen einer intertextuellen Perspektive höchstens als
ein spezieller Fall der Verküpfung zu betrachten, der in den Texten vielleicht
gelegentlich aufzuspüren, aber nicht — schon gar nicht als ,Programm' oder
als .Intention' — vorauszusetzen ist. Im Verhältnis Eckharts zu Dietrich etwa
hat die Entdeckung des Bezuges, der differenzierter wahrgenommen werden
müßte, dazu geführt, daß hier in einer Verengung des Blickes Eckhart oft
nur noch aus dieser Perspektive wahrgenommen wird.
I.
Doch wenden wir uns nach dieser methodischen Vorbemerkung der deut-
schen Dominikanerschule' und der in den letzten Jahren vor allem im An-
schluß an die Editionen des ,Corpus Philosophorum Teutonicorum Medii
Aevi' vieldiskutierten Frage zu, ob und wie sich am Kölner Generalstudium
eine „deutsche Dominikanerphilosophie" 6 entwickelte und ob das General-
studium damit wirklich durch seine philosophische Identität auch zu einem
kulturpolitischen Zentrum werden konnte. Inwiefern man im Anschluß an
diese These mit Loris Sturlese „von einem deutschen philosophischen Leben
mit autonomen Zügen bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
sprechen" kann und ob der „kulturelle Primat der Dominikaner in Deutsch-
land, wenigstens bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts" 7 darin gründet, kann
hier nur am Rande gefragt werden. Zweifellos wären — soll wirklich von
einem solchen Primat ausgegangen werden — weitere historische Faktoren
zu berücksichtigen. Ich denke vor allem an die cura monialium, an die Beginen-
spiritualität und an die freigeistigen Häresien, deren kulturprägende Kraft vor
allem dem Rhein endang nicht zu übersehen ist. Das Gewicht der „schrift-
stellerischen Produktion der Dominikaner", auf das Loris Sturlese in diesem
Zusammenhang zu recht hingewiesen hat 8 , ist hier indes nicht schlechthin als
Kulturmonopol zu betrachten, unterschätzt das ausschließlich auf schriftliche
Dokumente abhebende Argument doch die — in der Uberlieferung schwer
rekonstruierbare — Mündlichkeit ebenso wie die kulturelle Bedeutung der
visuell-piktoralen Traditionen, die etwa in den Schriften Seuses deutlich greif-
bar werden. Gerade diejenigen Dominikanerprediger, deren kulturelle Aus-
strahlung über die Grenzen des philosophischen und theologischen Fachdis-
kurses hinaus historisch überhaupt faßbar ist, standen im engen Kontakt mit
den Beginen und mit einer vor allem in den Städten immer deutlicher sich
abzeichnenden Laienspiritualität. In Ansätzen in den Texten faßbar ist dies
beim späten Eckhart, deutlich wird es bei Seuse und Tauler. Historisch zu
belegen ist eine Beziehung zu Beginenkreisen auch bei Dietrich von Freiberg,
dem nach legendarischer Uberlieferung in einer Vision eine Begine über Al-
bert den Großen berichtete 9 . Petrus de Dacia, der mit Christina von Stom-
meln im Briefwechsel stand, Berthold von Moosburg, der als Testamentsvoll-
strecker der Begine Bela Hardevust fungierte, und Henricus de Hunnis stan-
den ebenfalls in engem Kontakt mit Beginen.
Man ist traditionsgemäß seit der Wiederentdeckung der einschlägigen
Texte im 19. Jahrhundert geneigt, die Bedeutung dieser Beziehungen für die
Konstitution philosophischer Konzepte herunterzuspielen, doch wird gerade
dies dem Anliegen eines am Kontext orientierten Verständnisses nicht ge-
recht, soll dieses den breiteren kultur- und ideengeschichtlichen Horizont
reflektieren. Läßt sich vielleicht die Bedeutung der Traktate Dietrichs von
Freiberg aus einer fachspezifisch begrenzten philosophischen und theologi-
schen Perspektive erschließen, bedeutet dies jedoch gerade bei Eckhart, Seuse
und Tauler eine unzulässige Verengung des Blickwinkels. Angesichts der hi-
storischen Querbezüge fällt denn auch, dies sei hier vorausgeschickt, die Be-
grenztheit einer Untersuchung auf, die sich gewissermaßen auf die konstitu-
tive Funktion des philosophischen Diskurses beschränkt, erweist sich doch
dessen kulturpolitische Bedeutung (um dieses moderne Konzept hier noch-
mals zu verwenden) — wenn überhaupt — im Mittelalter nur durch die Refle-
xion in anderen Texten, in der bildenden Kunst und in der Musik. Dies
7 Ibid.
8 Ibid.
9 L. Sturlese, Dokumente und Forschungen zu Leben und Werk Dietrichs von Freiberg (Cor-
pus philosophorum Teutonicorum medii aevi, Beiheft 3), Hamburg 1984, 12 — 15.
belegt vor allem das Werk Heinrich Seuses, der im Blick auf die kulturelle
Ausstrahlung im Spätmittelalter wohl bedeutendsten Figur aus dem Kreis der
deutschen Dominikaner. Demgegenüber scheint die Ausstrahlung, die sich
etwa im Falle Dietrichs von Freiberg rekonstruieren läßt, ja selbst die Aus-
strahlung Eckharts auf seine Zeitgenossen gering.
II.
Doch blenden wir hier zurück und versuchen wir, die anfänglichen Leitele-
mente der deutschen Dominikanerphilosophie und -theologie zu identifizie-
ren, gehört doch Seuse, der in Köln studiert hat, bereits zu einer späteren
Generation, die durch Meister Eckhart und den Prozeß gegen ihn geprägt
ist. Zudem hat sich hier — auch dies ist ein kulturgeschichtlich sehr wichtiges
und für die Geschichte der Philosophie bedeutsames Element — das sprachli-
che Umfeld verändert, schreibt Seuse doch — abgesehen vom „Horologium
sapientiae" — seine wichtigsten Texte in der Volkssprache.
Dies ist bei Dietrich von Freiberg, dem oft eine Schlüsselstellung in der
,deutschen Dominikanerschule' zugeschrieben wurde, noch nicht so. Sein
überliefertes Werk, dessen Edition und Interpretation das Verdienst vor allem
von Kurt Flasch, Loris Sturlese, Burkhard Mojsisch, Ruedi Imbach und Alain
de Libera ist, besteht aus Traktaten, in denen er philosophische, theologische
und naturwissenschaftliche Fragen behandelt. Dietrich kommt bei der Dar-
stellung der Philosophie der deutschen Dominikanerschule in den Studien
der genannten Forscher in der Regel deshalb eine Schlüsselstellung zu, weil
er Konzepte Alberts in entscheidender Weise weiterdenkt und zudem in ver-
schiedener Hinsicht als Quelle des Denkens Meister Eckharts, zum Teil über
Eckhart vermittelt auch Heinrich Seuses und Bertholds von Moosburg gilt.
Es fehlt hier die Zeit, um auf die Argumente im einzelnen einzugehen,
doch möchte ich wichtige Punkte stichwortartig festhalten, die von der For-
schung herausgestellt wurden: Hinzuweisen ist zunächst auf Alberts Verarbei-
tung des „Liber de causis", dann auf die „Elementatio theologica" des Pro-
clus, die bei Albert, Dietrich und Eckhart zitiert wird und die Berthold von
Moosburg vollständig kommentiert hat. Dieser Traditionsstrang verbindet
sich bei Albert mit der wichtigen Rolle, die Dionysius und Avicenna spielen,
bei Dietrich zusätzlich mit seiner Auseinandersetzung mit Averroes. Hervor-
zuheben ist dabei vor allem das intellektuell-spekulative Moment, das als
charakteristisches Merkmal der deutschen Dominikaner bezeichnet werden
kann. Darauf baut denn auch Dietrich von Freiberg mit seiner Intellekttheo-
rie in einer Weise auf, die — hier auch im Blick auf Eckhart — etwas zuge-
spitzt folgendermaßen zusammengefaßt wird: „Alberts und Ulrichs göttli-
cher Intellekt' (intellectus divinus als aliquid divinum in nobis) wies die Richtung
— größtmögliche (partizipative) Annäherung an die göttliche Vernunft —,
Dietrichs .tätiger Intellekt' (intellectus agens) war progressiver konzipiert — in
10 A. de Libera / Β. Mojsisch, Einleitung, in: Ulrich von Strassburg, De summo bono, Liber I, ed.
Β. Mojsisch (Corpus philosophorum Teutonicorum medii aevi 1), Hamburg 1989, XXII.
11 So K. Flasch, Predigt Nr. 52: ,Beaü pauperes spiritu', in: G. Steer / L. Sturlese (eds.), Lectura
Eckhardi, vol. 1, Stuttgart etc. 1998, 169.
12 R. Imbach, Die deutsche Dominikanerschule: Drei Modelle einer Theologia mystica, in:
M. Schmidt (ed.), Grundfragen christlicher Mystik. Wissenschaftliche Studientagung Theolo-
gia Mystica in Weingarten vom 7 . - 1 0 . November 1985 (MGG 1/5), Stuttgart-Bad Cannstatt
1987, 1 5 7 - 1 7 2 . - Cf. L. Sturlese, Meister Eckharts Weiterwirken. Versuch einer Bilanz, in:
H. Stirnimann / R. Imbach (eds.), Eckardus Theutonicus, homo doctus et sanctus. Nach-
weise und Berichte zum Prozeß gegen Meister Eckhart (Dokimion 11), Freiburg 1992,
1 6 9 - 1 8 3 ; id., Die Kölner Eckhartisten (n. 3), 1 9 2 - 2 1 1 .
13 L.c. (n. 10), XII.
werden darf 14 . Wie Jan Aertsen in einem Beitrag über .Albertus Magnus und
die mittelalterliche Philosophie' gezeigt hat 15 , ist Albert und die Albertschule
weder im Schatten des Thomas, noch in schroffer Entgegensetzung, sondern
durchaus eigenständig zu verstehen.
Angesichts dieser die Diversität betonenden Feststellungen wird man denn
die .deutsche Dominikanerschule' wohl eher als ein heuristisches Konzept
sehen wollen — wie es zu Grundmanns Zeiten die .deutsche Dominikaner-
scholastik' war —, das es möglich macht, gewissen Argumenten in verschie-
denen Verwendungskontexten zu folgen und gewisse Aspekte in einer
Gruppe von Texten, die in verschiedenster Weise zweifellos aufeinander Be-
zug nehmen, klarer zu fassen. Gleichzeitig verdeckt die Idee der Schule indes
— etwa dort, wo man nun schon gewohnheitsmäßig dazu übergeht, Dietrich
und Eckhart im selben Atemzug zu nennen — auch, daß die Differenzen
zwischen den Texten durchaus gravierend sind und daß dadurch oft für die
Ermittlung ihrer kulturhistorischen und ideengeschichtlichen Relevanz doch
ganz entscheidende Faktoren eliminiert werden. Wie Alain de Libera zu recht
betont, ist die Besonderheit der „theologie rhenane" denn auch nicht ihre
spezifisch .philosophische' Natur, wie sie sich einer aus der Aufklärungsper-
spektive argumentierenden Geschichtsschreibung seit dem 19. Jahrhundert
zum Teil darstellt, sondern die charakteristische Verbindung eines philosophi-
schen, eines theologischen und eines spirituellen Interesses 16 .
Dies zeigt sich gerade in denjenigen Werken, die — in durchaus unter-
schiedlicher Art — im 14. Jahrhundert eine Art Synthese bieten und einen
bestimmten Weisheitsbegriff entwickeln: im Prokloskommentar Bertholds
von Moosburg und im Werk Heinrich Seuses. In vollkommen verschiedener
Weise begegnen wir hier zwei Versuchen, einen Begriff von Weisheit zu ent-
werfen, in dem Philosophie, Theologie und Spiritualität konvergieren. Seuse
spricht in diesem Zusammenhang von einer spiritualis philosophia, die mit der
Weisheit der Wüstenväter eins ist und gleichzeitig den Eckhartschen Gelas-
17
Cf. L. Sturlese, Tauler im Kontext. Die philosophischen Voraussetzungen des ,Seelengrun-
des' in der Lehre des deutschen Neuplatonikers Berthold von Moosburg, in: Beiträge zur
Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 109 (1987), 3 9 0 - 4 2 6
18
Cf. N. Largier, Von Hadewijch, Mechthild und Dietrich zu Eckhart und Seuse? Zur Historio-
graphie der .deutschen Mystik' und der .deutschen Dominikanerschule', in: W. Haug /
A. Haas (eds.), Deutsche Mystik im abendländischen Zusammenhang, Tübingen (im Druck).
— Den Begriff „vernacular theology" führt Bernard McGinn in die Diskussion ein. Cf. id.,
Introduction: Meister Eckhart and the Beguines in the context of Vernacular Theology, in:
id. (ed.), Meister Eckhart and the Beguine Mystics. Hadewijch of Brabant, Mechthild of
Magdeburg, and Marguerite Porete, New York 1994, 1 - 1 4 .
19
Siehe dazu jetzt das Nachwort in: Paradisus anime intelligentis. Paradis der fornuftigen sele,
ed. Ph. Strauch, Berlin 1919. 2. Aufl. ed. N. Largier / G. Fournier, Hildesheim 1998 (DTM
30), 173-190.
20
Cf. N. Largier, Spiegelungen. Fragmente einer Geschichte der Spekulation, in: Zeitschrift für
Germanistik (1999, im Druck).
21 L. Sturlese, Einleitung, in: Heinrich Seuse, Das Buch der Wahrheit, ed. L. Sturlese / R. Blum-
rich, Hamburg 1993, XIII.
22 K. Flasch, Einleitung, in: Dietrich von Freiberg, Opera omnia I, mit einer Einleitung von
K. Flasch, ed. B. Mojsisch, Hamburg 1977, XXV.
23 Sturlese, Einleitung (n. 21), XIII.
24 Ich habe an anderer Stelle versucht, die Bedeutung der Hermeneutik und der Verbindung von
Hermeneutik und negativer Theologie zu rekonstruieren: N. Largier, Intellekttheorie, Herme-
neutik und Allegorie: Subjekt und Subjektivität bei Meister Eckhart, in: Reto L. Fetz et al. (eds.),
Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität, Berlin etc. 1998, 4 6 0 - 4 8 6 ; id., Fi-
gurata locutio. Hermeneutik und Philosophie bei Eckhart von Hochheim und Heinrich Seuse,
in: K.Jacobi (ed.), Meister Eckhart: Lebensstationen - Redesituationen (Quellen und For-
schungen zur Geschichte des Dominikanerordens 7), Berlin 1997, 303 — 332.
25 Cf. Sturlese, Einleitung (n. 21), XXVIII.
26 A. de Libera / Β. Mojsisch, Einleitung (n. 10), XXII.
wie ich meine, gerade bei Seuse und bei Eckhart Versuche vor, in der Verbin-
dung des Motivs der Endlichkeit der menschlichen Vernunft mit der negati-
ven Theologie und der Hermeneutik diese permanente — und immer auch
unmögliche — Selbstaufhebung zu denken.
Dabei greifen Eckhart und Seuse indes auf Theoriebestände zurück, die
so nicht der .deutschen Dominikanerschule', sondern der theologischen Her-
meneutik und im unmittelbaren Kontext vor allem der volkssprachlichen
Theologie entspringen. Gleichzeitig ist hervorzuheben, daß gerade an diesem
Punkt, der auch mit der stärker werdenden Bedeutung der Volkssprache zu
tun hat, eine theologisch und philosophisch bedeutsame Konfiguration —
eine longue duree — sich ankündigt, die sich über ein weites Feld volkssprach-
licher Texte zu Paracelsus, Weigel und Böhme, über Paracelsus auch zu Gior-
dano Bruno fortsetzt.
Wer sich bei der Lektüre Eckharts und Seuses zu stark auf die .deutsche
Dominikanerschule' bezieht, vermag denn auch gerade diese Aspekte einer
.deutschsprachigen philosophischen Kultur der frühen Neuzeit' und einer
das Spätmittelalter überschreitenden Kontinuität nicht zu fassen. In dieser
Hinsicht restauriert die Rede von der .deutschen Dominikanerschule' ein
überholtes Konzept von Epochenschwellen vor allem dort, wo vom ,Ende'
der ,deutschen Mystik' bei Berthold von Moosburg gesprochen wird.
III.
Was bedeuten diese hier bloß skizzierten Einwände und Fragen für die
heutige Forschungssituation? Zunächst ist festzuhalten, daß die Oppositions-
paare .Mystik und Scholastik' oder .Theologie und Philosophie' untauglich
sind, viele Texte zu ordnen, mit denen wir es hier zu tun haben. Dies gilt
mutatis mutandis auch für Aspekte des Oppositionspaares thomistisch-anti-
thomistisch, das eh öfter von Diskussionen des 19. als des 13. und M.Jahr-
hunderts inspiriert ist. In der Tat ist es wichtig, Argumente und Gegenargu-
mente herauszuarbeiten, wie es vor allem die Forschergruppe um das „Cor-
pus Philosophorum Teutonicorum Medii Aevi" getan hat. Flasch, Mojsisch,
Sturlese, Imbach und Libera haben hier auf einen denkerischen Reichtum
hingewiesen, der weitgehend vergessen war. Selbstverständlich gibt es dabei
spezifisch philosophische Traktate und philosophische Interessen — etwa bei
Dietrich von Freiberg —, aber bei Ulrich von Straßburg, Eckhart, Seuse,
Berthold von Moosburg und Johannes Tauler sind diese doch immer auch
verbunden mit theologischen Denkformen, die in ihrer Bedeutung zu respek-
tieren und zu rekonstruieren sind. Von einer eigentlichen Autonomie der
Philosophie oder einer „Autonomie der Vernunft" kann hier nicht — oder
doch nur in sehr mißverständlicher Weise — die Rede sein. Dies ist festzuhal-
ten, obwohl die Geschichtsschreibung seit Franz von Baaders Wiederentdek-
kung Eckharts und vor allem seit den Forschungen Franz Pfeiffers und Mar-
tin Grabmanns dieses Moment herausstreicht. Es handelt sich hier, wenn ich
dies zugespitzt formulieren darf, weit mehr um ein seit dem 19. Jahrhundert
tradiertes Motiv forschungsgeschichtlicher Legitimation als um ein historisch-
deskriptives Moment.
Das heißt indes nicht, daß wir in den zur Diskussion stehenden Texten
nicht genuin philosophischen Interessen begegnen, doch sind diese Interes-
sen darauf gerichtet, auch mit philosophischen Mitteln die Gültigkeit des
Anspruchs aufzuweisen und zu durchdringen, den die Theologie im Blick
auf die beatitude hat. Eine Autonomie im aufgeklärten Sinne ist hier nur zu
finden, wo ganze Textbestände und Argumentationszusammenhänge ausge-
blendet werden.
Damit sollen die Texte nicht in einen theologischen Bereich zurückverwie-
sen werden, sondern aus einem verfänglichen Gegensatz von Philosophie
und Theologie herausgelöst werden. Eine notwendige Rekonstruktion der
philosophischen Bedeutung der zeitgenössischen Diskussionen um die Be-
griffe Weisheit und Glückseligkeit, die indes wiederum den Horizont der
,deutschen Dominikanerschule' sprengen wird, ist hier vor allem im Blick auf
die volkssprachlichen Texte wichtig. In diesen Diskussionen geht es, wenn
ich recht sehe, immer wieder um die Endlichkeit der menschlichen Vernunft
und um den Begriff der beatitudo, wobei von Eckhart, Seuse und Berthold
von Moosburg verschiedene Denkmodelle vorgelegt werden, wie die Ratifika-
tion der Endlichkeit 27 als Selbstvollzug der Vernunft zu denken ist. Auf die-
sen Zusammenhang beziehen sich Eckharts Lehre von der Gelassenheit, Seu-
ses spiritualisphilosophia und Bertholds divinalis supersapientia in je eigener Weise,
wobei alle drei das Überschreiten der Endlichkeit als ein Überschreiten der
eingeschränkten, diskursiven Weise des menschlichen Erkennens und als spe-
zifische Form der Weisheit fassen.
An dieser Problematik arbeitete schon der Albertschüler Ulrich von Straß-
burg, der die Endlichkeit des menschlichen Intellektes betont und das Über-
schreiten als fidei cognitio, als übernatürliches Erkennen im Glauben faßt 28 .
Bei Ulrich ist wahre Erkenntnis der natürlichen Vernunft denn auch nicht
zugänglich, sondern als mystische Erleuchtung zu denken. 29
Dies ist in der Tat ein Paradigma, das so bei Dietrich, Eckhart, Seuse oder
auch Berthold nicht — man möchte sagen: nicht mehr — begegnet, versuchen
diese doch, das Transzendieren der Endlichkeit als Konvergenzpunkt zu den-
ken, an dem Philosophie und Theologie zusammenfallen. Dies heißt, zumin-
dest für Eckhart, Seuse und Berthold indes nicht, daß die Theologie vollständig
in der Philosophie aufgehoben und damit die beatitudo vollständig als Selbstvoll-
zug der Vernunft qua Vernunft zu denken ist. Es bedeutet vielmehr, daß der
Punkt, an dem die beatitudo im Vollzug des intelligere als höchster Vollkommen-
heit der Seele ihren Ort hat, sich der Sprache des Philosophen ebenso entzieht
wie der des Theologen. Wenn diesbezüglich denn — im Blick auf Eckhart,
Seuse und Berthold wie ich meine durchaus korrekt — von ,Mystik' die Rede
ist, so in einem Sinne, der philosophisch und theologisch erläutert werden
kann, der also nicht davon ausgeht, daß Mystik immer einen Ubergang von der
Philosophie zur Theologie bedeutet, sondern auch eine philosophische Mystik
in Betracht zieht. Diese darf in Kürze als ein .Ubersteigen' der Vernunft be-
zeichnet werden, das im Selbstvollzug der Vernunft insofern angelegt ist, als
diese darin — gewissermaßen in einem Moment notwendiger Dekonstruktion
— ihre Endlichkeit erkennt und damit die Preisgabe an ein Moment der Konsti-
tution vollzieht, das ihr immer schon vorangeht.
Dieser systematische philosophische Gedanke wird bei Eckhart, bei Seuse,
bei Tauler und bei Berthold von Moosburg in verschiedener Weise gedacht,
wobei in der Tat die intellektuell-spekulative Tradition der Albertschule eine
zentrale Rolle spielt, gleichzeitig aber das Gespräch mit anderen Traditionsbe-
ständen großes Gewicht besitzt. Im Blick auf das ,Ubersteigen' des Intellekts,
das ja wohl kaum jemand dinghaft verstehen will, ist dieses philosophisch
und theologisch engagierte Gespräch geprägt von der Procluslektüre, von
Dionysius, aber auch von der hermeneutischen Tradition mittelalterlichen
Denkens mit dem Konzept des ,sensus mysticus' der Schrift.
Angesichts der Dimensionen dieses Gesprächs, das sich seit dem 13. Jahr-
hundert immer stärker auch auf volkssprachliche Texte ausweitet, die nur
schwer einer bestimmten Richtung zuzuordnen sind, scheint mir der Rekurs
auf schulische Abhängigkeiten und Einflüsse den Erkenntnisgewinn heute
eher zu erschweren — obwohl gerade dieser Rekurs die Forschung während
der letzten zwanzig Jahre durchaus beflügelt hat. Spannender als dieser Re-
kurs ist heute, wie ich meine, ein Blickpunkt der Intertextualität, der einerseits
durchaus regionale Philosophiegeschichte (Loris Sturlese) 30 betreibt und da-
mit verbundene Abhängigkeiten rekonstruiert, gleichzeitig aber den breiteren
zeitgenössischen Diskussionen in den universitären Zentren sowie denjenigen
Elementen gegenüber offen ist, in denen heterogene Momente — im Blick
auf die deutschsprachigen Dominikaner vor allem die volkssprachlichen
Texte 3 1 und die allegorische Theologie der Beginen — innerhalb des theologi-
schen und philosophischen Diskurses bedeutsam werden.
1 Cf. Siger de Brabant et l'averro'isme latin au XIII" siecle, II partie (Les philosophes beiges
7), Louvain 2 1908, 175, Anm. 1. In der Reorganisation des Syllabus kommt vor allem Man-
donnets Uberzeugung zum Ausdruck, die Verurteilung von 1277 sei gegen den „peripatisme
en general, avant tous dans sa forme averroi'ste" (Siger de Brabant et l'averrolsme latin au
XIII C siecle, I partie, Louvain 2 1911, 219 — 220 [Les philosophes beiges 6]) gerichtet gewesen.
Im folgenden zitiere ich den Syllabus entsprechend der historisch verbürgten Numerierung
wie sie im Chartularium Universitaüs Parisiensis (CUP), eds. H. Denifle / A. Chatelain, Paris
1891, I, Nr. 473, 543 — 558 ediert ist. Mandonnets Numerierung, die R. Hissette in seiner
grundlegenden Untersuchung Enquete sur les 219 articles condamnes ä Paris le 7 mars 1277
(Philosophes medievaux 22), Louvain / Paris 1977 übernommen hat, setzte ich jeweils in
Klammern dazu.
2 Cf. e t w a j . Le Goff, Les intellectuels au Moyen Age, Paris 1985, 127; L. Bianchi, II vescovo
e i filosofi, Bergamo 1990, 164 — 165; A. de Libera, Penser au moyen äge, Paris 1991, 147;
R. Imbach, Dante, Ia philosophie et les la'fcs, Fribourg / Paris 1996, 3 1 - 3 2 .
Seit M. Grabmann im Jahr 1924 die Existenz bis anhin unbekannter Texte
des Siger von Brabant und des Boethius von Dacien publik gemacht hat 3 ,
gilt des letzteren Schrift „De summo bono" 4 als mehr oder weniger unmittel-
bare Quelle des im Syllabus als vierzigste These verurteilten Satzes: ,£uod
non est excellentior status, quam vacarephilosophie"^. Tatsächlich erklärt Boethius
in seiner kurzen Schrift: „Und wenn es unter den Tätigkeiten der geistigen
Erkenntniskraft (operationes virtutis intellectivae) eine gibt, welche die beste und
vollkommenste ist, so sind alle von Natur aus um ihretwillen da. Und wenn
der Mensch jene Tätigkeit ausübt, dann ist er in der besten Verfassung, die
dem Menschen möglich ist (optimus status, qui est homini possibilis). Und dies
sind die Philosophen, die ihr Leben in das Studium der Weisheit (Studium
sapientiae) setzen" 6 . In dieser Passage — wie überhaupt in „De summo bono"
— erscheint weder die Wendung excellentior status noch die Ausdrucksweise
vacare philosophie. Wenn man dennoch davon ausgeht, daß für Tempier und
seine Kommission dieser Text des Boethius die im verbotenen Satz in den
Blick genommene Mentalität verkörpert 7 , kommt man nicht umhin festzu-
stellen, daß der Syllabus die Aussage des Boethius deutlich zuspitzt: Erstens
ersetzt er die unspezifische sapientia durch die bereits im Prolog des Syllabus
deutlich als dem Glauben entgegengesetzt bestimmte und damit negativ kon-
notierte philosophia und zweitens verwandelt er das seriöse Studium in ein groß-
zügiges vacare.
Damit ist nicht gesagt, daß die für den Syllabus verantwortliche Kommis-
sion der Mentalität von „De summo bono" nicht gerecht geworden ist. Daß
Boethius trotz der versöhnlichen Schlußformel seines Textes 8 eine überaus
3 Cf. Neu aufgefundene Werke des Siger von Brabant und Boethius von Dacien, in: id.,
Gesammelte Akademieabhandlungen, Paderborn 1979, I, 129 — 176, bes. 175.
4 Der Text wird nach der Ausgabe Boethius Dacus, Opera, VI, ii, Topica-Opuscula, ed. N. G.
Green-Pedersen, Hauniae 1976, 369 — 377 zitiert.
5 CUP, Nr. 473, 545; cf. dazu grundlegend R. Hissette, Enquete (wie Anm. 1), 1 5 - 1 8 .
6 Die zitierte deutsche Ubersetzung von „De summo bono" findet sich in: K. Flasch (ed.),
Geschichte der Philosophie in Text und Darstellung, Bd. 2, Mittelalter, Stuttgart 1982,
3 6 3 - 3 7 1 , hier 368.
7 Es sei darauf hingewiesen, daß These 154 (2) des Syllabus ,^Quod sapientes mundi suntphilosophi
tantum" in einem Text des Boethius eine deutlich textnähere Entsprechung hat, als dies bei
der vorliegenden These der Fall ist. In „De aeternitate mundi" (Boethius Dacus, Opera,
Topica-Opuscula, VI, ii, ed. N. G. Green-Pedersen, Hauniae 1976, 335-366), 365 heißt es:
„Ideo nulla est contradictio inter fidem et philosophum. Quare ergo murmuras contra philosophum, cum
idem secum concedis? Nec credas quodphilosophus, qui vitam suam posuit in studio sapientiae, contradixit
veritatifidei catholicae in aliquo, sed magis studeas, quia modicum habes intellectum respedu philosophorum
qui fuerunt et sunt sapientes mundi, utpossis intellegere sermones eorum". Geht man davon aus, daß
ein Text erst dann als Vorlage der These 40 (1) angesehen werden darf, wenn er der These
40 (1) sprachlich derart genau entspricht wie die zitierte Stelle aus „De aeternitate mundi"
der These 154 (2), dann ist „De summo bono" nicht die Quelle der These 40 (1).
8 Cf. 377: „Philosophum autem voco omnem hominem viventem secundum rectum ordinem naturae, et qui
acquisivit optimum et ultimum finem vitae humanae. Primum autem prinäpium, de quo sermo factus est,
est deus gloriosus et sublimis, qui est benedictus in saecula saeculorum. Amen".
den homo felix erst folgen, nachdem er, den Text der Vorlage bewußt umge-
staltend, bereits formuliert hat: „In philosopho autem, qui vere felix est [.,.]"15.
Diese Umstellung belegt nicht nur, wie aufmerksam Gottfried „De summo
bono" gelesen hat. Sie zeigt überdies auch, daß Gottfried die in „De summo
bono" entwickelte Kon2eption des philosophus derart interessant gefunden
hat, daß er sie sich, wenige Jahre bevor er im Jahr 1285 Magister der Theolo-
gie wurde, durch eine punktuelle Reorganisation des Textes angeeignet hat.
Während Gottfrieds abbreviatio für eine zustimmende Lektüre von „De
summo bono" steht, kann ein Text aus dem Jahr 1298 mindestens als Zei-
chen einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber der Syllabusthese vom excel-
lentior status gedeutet werden. Jedenfalls fällt angesichts des Stellenwertes, der
in der modernen Sekundärliteratur der These 40 (1) des Syllabus eingeräumt
wird, auf, daß Raimundus Lullus in seiner „Declaratio per modum dialogi
edita contra aliquorum philosophorum et eorum sequacium opiniones erro-
neas et damnatas a venerabili Patre Domino Episcopo Parisiensi" die fragli-
che These keiner speziellen Erörterung für würdig erachtet hat. In diesem
Text hat Lull alle 219 von Tempier verurteilten Thesen entsprechend der
Ordnung des Syllabus zum Gegenstand einer Diskussion zwischen seiner
Person und einem „philosophus, Socrates nomine"16 gemacht. Nachdem Sokrates
die These ausgesprochen hat „quod non est excellentior status quam vacare philoso-
phiae", sagt Raimundus nur: „Gehe zu Kapitel 24, wo du die Antwort fin-
dest" 17 . Im fraglichen Kapitel weist Lull die These zurück, alle Wissenschaf-
ten außer den philosophischen Disziplinen seien überflüssig [preternecessa-
rie)x%. Er tut dies, indem er jene Wissenschaft zur notwendigeren erklärt, die
15 Bei dieser Zeile handelt es sich um einen Zusatz in margine, der gemäß der kritischen Edition
ebenfalls von Gottfried selbst zu stammen scheint. An der Bedeutung der herausgestellten
Umstellung würde sich allerdings nichts ändern, wenn man diese Randbemerkung nicht in
den Text integrieren würde.
16 Cf. Raimundus Lullus, Opera omnia, t. XVII, ed. Th. Pindl-Büchel, 253 (CCCM LXXIX).
17 Ibidem, 303. Die These 40 entspricht bei Lull dem 39. Kapitel. Dies ist darauf zurückzufüh-
ren, daß Lull in den Kapiteln 3 5 - 4 2 die Ordnung der entsprechenden Thesen des Syllabus
umstellt und sie in der Reihenfolge 36, 37, 38, 39, 40, 42, 41, 35 bringt, cf. O. Keichler,
Raymundus Lullus und seine Stellung zur arabischen Philosophie. Mit einem Anhang, enthal-
tend die zum ersten Mal veröffentlichte Declaratio Raymundi per modum dialogi edita
(BGPhMA VII, 4 - 5 ) , Münster 1909, 137.
18 Die These 24 (7) lautet: ,xQuod omnes sdentie suntpreternecessane, preterphilosophicas disaplinas, et
quod non sunt necessarie, nisi propter consuetudinem hominum". Zu Diskussion und Rekonstruktion
des Wordauts der These, cf. Bianchi, II vescovo (wie Anm. 2), 2 0 4 - 2 0 5 , der allerdings
übersehen hat, daß eine der vier noch aus dem 14. Jahrhundert stammenden Handschriften
der „Declaratio" ebenfalls praeternecessariae liest. Schon Keichlers Edition der „Declaratio"
war zu entnehmen, daß der Zeuge (Paris, B. N., lat. 16117) mit der lectio difficilior „säentiae
sunt preternecessane" ursprünglich Thomas le Myesier gehört hat, der nicht nur ein persönli-
cher Freund Lulls, sondern auch der Verfasser und Initiator des wunderbaren „Breviculum
ex Artibus Raimundi electum" gewesen ist. Es ist nicht recht nachvollziehbar, weswegen
Pindl-Büchel in der neuen Edition daraus keine Konsequenzen gezogen und die These 24
(7) wie bis anhin falsch wiedergegeben hat. Für weiterführende Literatur zu Lull und Thomas
le Myesier, cf. Th. Pindl, Ramon Lull, Thomas le Myesier und die Miniaturen des Breviculum
ex Artibus Raimundi electum, in: Aristotelica et Lulliana magistro doctissimo Ch. H. Lohr ...
mehr beiträgt zur Erkenntnis und Liebe der Wahrheit der ersten Ursache als
zur Erkenntnis und Liebe der Wahrheit der Wirkung. Die entsprechende
Wissenschaft ist die Theologie. Aber selbst der Ethik kommt mehr Notwen-
digkeit zu als der disciplina philosophiae, denn sie ist notwendiger zum Erwerb
jener Tugenden, mittels derer sich der Mensch auf die Seligkeit hinordnet
und die Höllenstrafen flieht.
Es geht hier nicht darum zu prüfen, ob Lull mit Kap. 24 seiner „Declara-
tio" die mindestens indirekt in den Blick genommene Argumentation von
„De summo bono" wirklich trifft. Umgekehrt möchte ich aus der Tatsache,
daß Gottfried von Fontaines diesen Text ohne heute noch wahrnehmbare
Irritadon hat lesen können, nicht den Schluß ziehen, der Bischof und seine
Kommission hätten „De summo bono" falsch verstanden. Interessanter
scheint mir eine andere Erkenntnis, die sich anhand dieser beiden unter-
schiedlich unmittelbaren Reaktionen auf „De summo bono" formulieren läßt:
Die Rede vom Philosophen als Verkörperung des besten status hat selbst bei
Rezipienten, die gewiß nicht als radikale Aristoteliker gelten können, nicht
zwangsläufig eine heftige Reaktion ausgelöst. Wenn der Syllabus aber die
vehementeste negative Reaktion auf diese Bestimmung des philosophus gewe-
sen ist, dann ist der heuristische Verdacht begründet, daß vielleicht weniger
der philosophus-Begriff des Boethius als die Zurückweisung dieser Konzeption
durch eine kirchliche Instanz das wesentliche Element dieser Auseinanderset-
zung darstellt.
Boethius von Dacien selbst erweckt in „De summo bono" — anders als
etwa in „De aeternitate mundi" — nirgends den Eindruck, um eine allfällige
Problematik seiner Argumentation zu wissen. Wie sicher er seiner Argumen-
tation ist, läßt sich nicht zuletzt daran ablesen, daß er nur gerade vier explizite
Autoritätszitate anführt. Drei dieser Stellen hat der Herausgeber ohne
Schwierigkeiten bestimmen können. Keine direkte Vorlage hat sich hingegen
für das erste Autoritätszitat des Textes eruieren lassen. Zwar hat J. Duin 1 9 im
Anschluß an A. Pattin 20 gemeint, der Satz „Vae vobis homines qui computati estis
in numero bestiarum ei quod in vobis divinum est non intendentesV stamme ursprüng-
lich aus dem Prolog des Avendeuth zu seiner Ubersetzung von Avicennas
„Liber de anima" und finde sich auch bei Albert dem Großen. Während der
Hinweis auf Avendeuth sich leider nicht rechtfertigen läßt, findet sich bei
Albert mindestens ein ähnlicher Weheruf. So führt er in „Metaphysica", I, ii,
9 einen Avenzoreth an, der gesagt haben soll, ,jere omnes homines, exceptispaucis
dedicata (Instrumenta Patristica 26), eds. F. Dominguez / R. Imbach / Th. Pindl / P. Walter,
Steenbrugis 1995, 5 0 1 - 5 1 6 .
19 Cf. A la recherche du commentaire de Boece de Dacie sur la Metaphysique d'Aristote, in:
P. Wilpert (ed.), Die Metaphysik im Mittelalter (Miscellanea Mediaevalia 2), Berlin 1963,
446 - 453, 448.
20 Cf. Over de schrijver en de vertaler van het Liber de causis, in: Tijdschrift voor philosophie
23 (1961), 5 0 3 - 5 2 6 , 514.
nach der Vernunft, wenn anders die Vernunft am meisten der Mensch ist.
Mithin ist dieses Leben auch das glückseligste. An zweiter Stelle ist dasjenige
Leben glückselig, das der sonstigen Tugend gemäß ist" 26 . Bei Aristoteles fehlt
nicht nur der explizite Begriff des Philosophen, auch die politischen Führer
spielen in diesem Passus keine Rolle, entsprechend unmotiviert erscheint so-
mit Alberts Bemerkung. Diese Unmotiviertheit gewinnt zweitens an Signifi-
kanz, wenn berücksichtigt wird, daß Albert den Begriff philosophus in seinem
Kommentar „Super Ethica" überaus zurückhaltend verwendet 27 . Drittens
schließlich zeigt das entsprechende Kapitel (X, ii, 3) des vielleicht zwölf Jahre
nach dem Kommentar „Super Ethica" entstandenen zweiten, kurz „Ethica"
genannten Kommentars, wo der Begriff des Philosophen fehlt, daß Albert
der Große die fragliche aristotelische Passage kommentieren kann, ohne den
Gegensatz zwischen politischen Führern und Philosophen in sie hineinzutra-
gen.
Die zur Diskussion stehende Aussage Alberts in „Super Ethica" verliert
indes ein wenig ihrer Singularität, wenn wir ihr kontextuelles Feld weiter
fassen und einen Text in die Erörterungen einbeziehen, der, so weit ich sehe,
noch nicht Eingang gefunden hat in die Forschungsliteratur zum Status des
philosophus in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. In seinen „Commenta-
rii in somnium Scipionis" hatte Macrobius das Axiom aufgestellt: „Allein die
Tugenden machen glückselig". Sofort anschließend hatte er dann noch er-
klärt, daß jene, die der Ansicht seien, nur die Philosophen verfügten über die
Tugenden, auch die Meinung vertreten würden, niemand außer den Philoso-
phen sei glückselig 28 . In unserem Zusammenhang ist vor allem interessant,
daß Macrobius diese erhabene Definition nicht anerkannte, weil aus ihr fol-
gen würde, die „rerumpublicarum rectores" könnten nicht glückselig sein 29 . Die
Widerlegung dieser Schlußfolgerung organisierte Macrobius unter ausdrück-
licher Indienstnahme der Tugendlehre Plotins, der die vier Kardinaltugenden
prudentia, fortitudo, temperantia und iustitia auf vier verschiedenen Stufen je un-
terschiedlich definiert hatte. Der untersten dieser Stufen entsprach die Gat-
tung der politischen Tugenden, worauf dann die Gattung der reinigenden
26 Nikomachische Ethik, X, 7 - 8 , 1178a 4 - 9 , ed. G. Bien, Hamburg 1985, 251. In der von
Albert kommentierten Ubersetzung des Robert Grosseteste (Aristoteles Latinus, XXVI,
1 — 3, fasc. tertius, Textus purus, ed. R. A. Gauthier, Leiden 1972) lautet die Stelle: ,^)uod et
dictum prius congruet et nunc. Proprium enim unicuique natura, optimum et delectabilissimum est unicuique;
et bomini utique que secundum intellectum vita, si quidem maxime hoc homo. Iste ergo et feliässimus.
Secundo autem, qui secundum aliam virtutem".
27 Im Index der Edidon werden bezeichnenderweise nur gerade fünf Vorkommen angeführt.
Nebst der uns hier interessierenden Stelle sind dies X, i, 656, 15; X, xi, 753, 95 und 754,
46; X, xv, 767, 82.
28 Cf. Commentarii in somnium Scipionis, I, 8, 3 (ed. J. Willis, Leipzig 1970): „Solae faäunt
virtutes beatum, nullaque alia quisquam via hoc nomen adipiscitur. Unde qui aestimant nullis nisi philoso-
phantibus inesse virtutes, nullos praeterphilosophos beatos esse pronuntiant".
29 Cf. ibidem, 4: „Atque ita fit ut secundum hoc tarn rigidae definitionis abruptum rerum publicarum
rectores beati esse non possint".
Tugenden folgte, während die dritte Gattung den Tugenden der gereinigten
Seele gleichgesetzt war und die vierte Gattung schließlich mit den exemplari-
schen Tugenden übereinstimmte. Daß Macrobius trotz seiner Ausführungen
zur vierfachen Aus formung der Kardinaltugenden nur an der Frage interes-
siert war, ob nebst den Philosophen auch die Staatsmänner glückselig sein
könnten, wird am Ende seiner Argumentation deutlich, wo er den Schluß
zog, daß, da die Existenz politischer Tugenden gegeben sei, auch um das
öffentliche Wohl besorgte Männer glückselig sein könnten 30 . Angesichts der
Tatsache, daß Albert der Große die „Commentarii" des Macrobius in seinem
Kommentar „Super Ethica" ausdrücklich als philosophisches Werk aner-
kennt 31 und er — eine bereits im anonymen Kommentar von Avranches zur
„Ethica nova et vetus", im Kommentar des Pseudo-Peckham sowie in der
Quaestionensammlung der Pariser Artistenfakultät (Ms. Ripoll 109) sich ab-
zeichnende Diskussion 32 weiterführend — mindestens neunmal Aussagen des
Tugendkapitels unter Angabe der Quelle zitiert und diskutiert 33 , ist es nur
legitim, davon auszugehen, daß ihm auch das Bemühen des Macrobius nicht
entgangen ist, die Fähigkeit der Politiker zur Glückseligkeit zu beweisen und
diese dadurch dem exklusiven Stand der Philosophen anzugleichen. Zumal
Macrobius ganz am Schluß seiner „Commentarii" die Problematik nochmals
aufgegriffen und zur Behauptung zugespitzt hatte, daß Rom die Figur des in
otium lebenden Philosophen gar nicht gekannt habe 34 . Daraus ergibt sich
dann als eigentliche, wenn auch nicht ausgesprochene Aussage seines Textes,
daß in der lateinischen Welt die „rerum publicarum rectores" die einzigen der
Glückseligkeit fähigen Männer seien. Diese Aussage aber kommt der These
beachtlich nahe, „quodfelicitas civilis sitprincipalior", anläßlich deren Diskussion
Albert den Philosophen über den Staatsmann setzt.
Es ist schon fast ein Paradox, daß Macrobius dank eines Werkes, das die
Inexistenz des Philosophen in der lateinischen Welt behauptet, selbst den
Ruf eines „non mediocris philosophus"35 erlangt hat. Wesentlich zu diesem Ruf
beigetragen hat auch seine Plotinische Tugendlehre, der selbst ein Philoso-
30
Cf. ibidem, 12: „[...] constat autem etpoliticas esse virtutes: igitur etpolitiäs effiäuntur beati".
31
Cf. I, xiii, 71 a: ,^Quod m'm diätur in libris philosophiae, est säbile per philosophiam; sed status post
mortem diätur α Piatone, qui diät, quod animae revertuntur in compares stellas et quod iterum incorporan-
tur, et Macrobius in somnio Säpionis multa diät et similiter Isaac et etiam Alga^el; ergo potest sän per
philosophiam".
32
Zur Diskussion der Tugendlehre des Macrobius in den drei genannten Texten, siehe G. Wie-
land, L'emergence de l'ethique philosophique au X H I e siecle avec une attention speciale
pour le „Guide de l'etudiant parisien", in: C. Lafleur (ed.), L'enseignement de la philosophie
au X H I e siecle, Autour du „Guide de l'etudiant" du ms. Ripoll 109, Actes du colloque
international (Studia Artistarum 5), Turnhout 1997, 1 6 7 - 1 8 0 , besonders 1 7 8 - 1 8 0 .
33
Cf. Super Ethica, II, ii, 100, 2 7 - 3 0 ; IV, xii, 272, 7 1 - 7 3 ; V, iü, 320, 3 6 - 3 9 ; V, vi, 336,
5 7 - 5 9 ; VII, i, 514, 31 - 3 3 ; VII, xi, 567, 7 0 - 5 6 8 , 28; X, xi, 752, 8 3 - 8 6 ; X, xv, 769, 8 6 - 8 7 .
34
Cf. Commentarii in somnium Scipionis, II, 17, 8: „[...] soli enim sapientiae otio deditos, ut abunde
Graeäa tulit, ita Roma nesävit".
35
Abaelard, Theologia christiana, ed. E. M. Buytaert, Turnhout 1969, I, 103 (CCCM XII).
36 Cf. Liber contra Wolfelmum, ed. W. Hartmann, Weimar 1972, xxii, 93.
37 Ms. Bamberg, Staad. Bibl. Class. 40 (Η.J. IV, 21), fol. 13rb. Zu dieser aus dem 13. / H.Jahr-
hundert stammenden Handschrift cf. F. Leitschuh / H. Fischer, Katalog der Handschriften
der königlichen Bibliothek zu Bamberg, t. I, Abt. 1 + 2, Bamberg 1 8 9 5 - 1 9 0 6 , 41 und
speziell E. Jeauneau, Gloses de Guillaume de Conches Sur Macrobe, Note sur les manuscrits,
in: Archives d'histoire doctrinale et litteraire du moyen äge 27 (1960), 17 — 28, 20. Zur Frage,
wozu man geboren sei, cf. Calcidius, Commentarius (Plato Latinus IV), ed. J.-H. Waszink,
London - Leiden 1962, § cclxvi, 271.
38 Cf. Theologia Christiana, II, 66: ,JAaions quippe menti solitaria vita est contemplationis qua nos
nimius divini amons fervor ad contemplationem divinae visionis suspendit, omni iam mundanarum necessita-
tum solliätudine postposita, et quasi in caelestibus nostram tenet conversationem. Quod nec ipsa Macrobii
expositio notarepraetermisit, activam rectorum vitam per hoc a contemplationephilosophorum distinguens".
39 Cf. ibidem, 67: „Duos itaque continentium ordines in philosophis concluserunt, cum alios adhuc purgari
per abstinentiae ac studii assiduitatem dicunt, — qui fortasse philosophantes rectius quam philosophi dicendi
sunt, — et communi habitatione studiorum, formam coenobitarum tenent monachorum [...] — alios iam
purgati ac defecaü animi esse in quorum came iam per diutinam abstinentiam mortificata nullus iam
irrepere vel dominari concupiscentiae motus valet, qui iam solitana habitatione viventes, suo ipsi sujfidant
praesidio". Siehe dazu auch P. Michaud-Quantin, Nouvelles precisions Sur les philosophantes,
in: id., Etudes sur le vocabulaire philosophique du moyen age, avec la collaboration de
M. Lemoine, Rom 1970, 1 0 3 - 1 1 1 .
40 Cf. dazu grundlegend J. Jolivet, Doctrines et figures de philosophes chez Abelard, in: R. Tho-
mas (ed.), Petrus Abaelardus (1079 — 1142). Person, Werk und Wirkung (Trierer theologische
Studien 38), Trier 1980, 1 0 3 - 1 2 0 .
41 Cf. e. g. Bianchi, II vescovo (wie Anm. 2), 156.
42 Cf. ed. P. Scheffer-Boichorst, Hannover 1874, 842 (MGH Scriptores 23).
43 ,^4it enim [Philosophia] beatas esse res publicas si aut philosophis regende tradantur aut earum rectores
philosophie adhibeantur". Cit. nach Ch. Burnett, The Introduction of Arabic Learning into
England, London 1997, 92, Anm. 72. Die zitierte platonische Maxime findet sich bei Lactan-
tius, Divinae institutiones, III, 21, 6 (ed. S. Brandt, Wien 1890 [CSEL XIX]); Cicero, Ad
Quintum fratrem, Ep. XXX, x, 29 (ed. L.-A. Constans, Paris 1969) und Apuleius, De Piatone
et eius dogmate (ed. J. Beaujeu, Paris 1973), II, xxiv.
körperliche Substanz sowie die aus dem Vermögen des Schöpfers unmittelbar
geschaffene erste Substanz, die selbst das der Verschiedenheit Zugrundelie-
gende ist, und er erkennt, das in Quantität, Qualität und Relation geteilte erste
allgemeine Akzidens und er erkennt die übrigen sechs aus der Verbindung der
Substanz mit den drei einfachen Akzidentien hervorgegangenen, zusammen-
gesetzten Akzidentien. Wenn er aber all dies versteht, dann versteht er ganz
gewiß die Wissenschaft von allem, was ist, und so verdient er es, Philosoph
genannt zu werden" 47 . Gundissalinus hat diese Beschreibung der Erkenntnis,
über die jemand verfügen muß, damit er es verdient, philosophus genannt zu
werden, direkt und beinahe wörtlich aus dem „Liber de definicionibus" des
jüdischen Arztes und Philosophen Isaac Israeli übernommen 48 . Dennoch
darf man aufgrund dieser Passage davon ausgehen, daß ihm, als er seinem
Mitübersetzer den Titel philosophus zusprach, bewußt war, ihm nicht einfach
eine Berufsbezeichnung zuzuerkennen, sondern daß er damit zum Ausdruck
brachte, daß Avendeuth einen außergewöhnlichen Status erreicht hatte, der
nur dank einer bestimmten Form des Wissens erlangt werden kann. Eine
ähnlich anerkennende Haltung dürfte auch einer Bemerkung Alfreds von
Sareshel zugrunde liegen, der in seinem Kommentar zu den „Metheora"
einem „magister meus Salomon Avenra^a, et Israelita celeberrimus, et modernorumphilo-
sophorumpreäpuus"49 die Referenz erweist.
Nicht anders als die Beispiele aus der Feder Wilhelms von Conches, Abae-
lards und Adelards von Bath belegen die angeführten Passagen aus dem
iberoarabischen Ubersetzermilieu, daß lateinische litterati bereits mehrere
Jahrzehnte ehe die entsprechenden Aussagen des Averroes 50 nördlich der
Pyrenäen bekannt wurden, über eine bewußte Konzeption des Status des
wahren Philosophen verfügt und im Umgang mit Zeitgenossen auch verwen-
det haben. Da die Texte dieser Autoren zu einem guten Teil in Handschriften
des 13. Jahrhunderts überliefert sind, steht außer Frage, daß die Vorstellung
vom außerordentlichen Status des Philosophen dem 13. Jahrhundert nicht
erst durch Averroes und Aristoteles vermittelt worden ist. Bedenkt man zu-
dem, daß der literarische Ort dieser Konzeption in der lateinischen Tradition
primär Macrobius ist und sich die Spuren seines Tugendkapitels nicht erst
im anonymen Kommentar von Avranches zur „Ethica nova et vetus" wieder-
finden, sondern beispielsweise auch in „De summo bono" des Philippus
Cancellarius 51 und in der „Summa aurea" Wilhelms von Auxerre 52 , ist der
Schluß noch zwingender, daß die in eben diesem Kapitel sich findende
These, nur Philosophen könnten glückselig sein, nicht ganz in Vergessenheit
geraten sein konnte.
Angesichts dieses Befundes kommt den eingangs untersuchten Texten eine
neue Bedeutung zu. Die Tatsache, daß bei Boethius von Dacien kein Bewußt-
sein davon zu verzeichnen war, daß er eine umstrittene These aufstellte; der
Umstand, daß Gottfried von Fontaines sich diese These zustimmend aneig-
nen konnte; sowie schließlich die Beobachtung, daß die fragliche These für
Lull keinen Moment größerer Irritation darstellte, bedeutet nichts anderes,
als daß diesen Autoren das Konzept vom edelsten Status des Philosophen in
keiner Weise neuartig erschienen ist. Wenn diese im Horizont der longue
duree erarbeitete Interpretation richtig ist, dann präsentiert sich indes auch
das Verbot der Aussage in einem anderen Licht, es gäbe keinen hervorragen-
deren Status, als sich frei der Philosophie zu widmen. Neu an diesem Verbot
ist jetzt nicht mehr der inkriminierte Inhalt, das Ereignis besteht vielmehr
darin, daß dieser Inhalt verboten wird. Das Verbot der These 40 (1) ist inso-
fern ein signifikantes Ereignis, als eine schon lange vor der sog. Entdeckung
des neuen Aristoteles und seines Kommentators Averroes in der lateinischen
Kultur bezeugte Vision des Status, der dank der Philosophie erreichbar ist,
nun erstmals mit einem kirchlichen Verbot belegt wird. In diesem Sinn ist es
denn auch nicht weiter überraschend, daß, wie Alain de Libera es formuliert
hat, die Krankheit wirklich existierte, nachdem das Symptom erst einmal
beschrieben worden war 53 . Die Vorstellung eines excellentior status des Philoso-
phen, dessen Symptom Etienne Tempier entdeckt haben soll, existierte in
den Texten und im Bewußtsein einiger magistri bereits mehr als ein Jahrhun-
dert früher, nur hatte im 12. Jahrhundert darin niemand eine Krankheit in
der vom Syllabus beschriebenen Form gesehen.
Damit soll freilich nicht in Abrede gestellt werden, daß es in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts in Paris zu überaus wichtigen philosophischen
Entwicklungen gekommen ist und daß diese auch im Syllabus ihren Nieder-
schlag gefunden haben. Die Rückführung des Konzepts des besonderen Sta-
tus des Philosophen in einen weiteren historischen Raum relativiert nur die
These, daß der Philosoph als Inbegriff des dank seines Wissens der Glückse-
ligkeit fähigen Menschen präzis zu diesem Zeitpunkt für die lateinische Kul-
tur des Mittelalters entdeckt worden sei. Wie wir gesehen haben, haben die
54 Die einzige Ausnahme bildet, so weit ich sehe, P. Glorieux s. v. Etienne Tempier in: Diction-
naire d'histoire et de geographie ecclesiastiques, sous la direction de R. Aubert et E. van
Cauwenbergh, t. XV, Paris 1963, 1 2 6 7 - 1 2 7 3 .
55 Cf. CUP, Nr. 396, 438.
56 Cf. ibidem, Nr. 399, 440sq.
57 Cf. ibidem, Nr. 400, 441 sq. und Nr. 404, 444sq.
58 Cf. ibidem, Nr. 471, 541: „ Volumus itaque tibique auctoritate presentium districts precipiendo manda-
mus quatinus diligenter facias inspici vel inquiri, a quibus personis et in quibus locis errores huiusmodi
dich sunt vel scripti, et quae didiceris sive inveneris, conscripta fideliter nobis per tuum nuntium transmittere
quamcitius non omittas". Siehe dazu R. Wielockx in seinem eindrücklichen Kommentar in:
Aegidius Romanus, Apologia (Opera omnia III. 1), ed. et comm. par R. Wielockx, Florenz
1985, 98sq.
S T E N EBBESEN (Kopenhagen)
1. I n t r o d u c t i o n . T h e arts f a c u l t y
„As Seneca says in his 36th letter to Lucilius: Come over to her — and he
is speaking of philosophy — if you wish to be safe, unworried, happy, and
— what is the greatest of all — if you wish to be free".
With those words Radulphus Brito sometime in the 1290s welcomed his
students to a course on a book called „Sophistical Refutations". He promised
them freedom through knowledge. Let us look a little at the man who made
those promises and at his environment.
Brito gave his course at the Parisian faculty of arts, he was an „artist".
Whereas the theological society had a collective memory worthy of an ele-
phant, that of the arts faculty did not reach many decades back. Thirteenth-
century theologians remembered Anselm of Canterbury and continued to
read some of the original works by their 12th-century predecessors as well
as comprehensive digests such as William of Auxerre's „Summa Aurea". Thir-
teenth-century artists seem to have been blissfully ignorant of their predeces-
sors of a century ago. Even Abelard was not read. The only books from the
twelfth century commonly read were Peter Helias' commentary on Priscian
and the anonymous „Liber Sex Principiorum".
The artists' short memory span was compensated for by a flurry of activity
at their faculty. At any time there would be enough well-trained men to be
the bearers and developers of philosophical knowledge. In the fourteenth
century the faculty began to have longer memories, but also to be less dy-
namic; although it could still produce some remarkable masters, it had clearly
past its acme. The thirteenth century had been the great time. Jean le Page,
Roger Bacon, Robert Kilwardby, John of Secheville, Siger of Brabant, Boe-
thius of Dacia, Peter of Auvergne, Simon of Faversham all taught at Paris
during that century, and so did several other reputable philosophers of lesser
stature. The century's last great arts master was Radulphus Brito, who started
his teaching career in the 1290s and continued it some years into the next
decade 1 .
1 For a survey article about Brito, with bibliography, see S. Ebbesen, Brito, Radulphus, in:
Routledge Encyclopedia of Philosophy 2, L o n d o n - N . Y. 1998, 2 1 - 2 3 .
Brito was the last in more than the chronological sense. He was the last
to try to save the philosophical vision of his century. The vision of a universe
consisting of a finite number of types of things, all of them fundamentally
knowable, and of man obtaining his freedom by acquiring a genuine under-
standing of the universe he is part of. By the 1270s a series of interrelated
doctrines linking the theories of language, mind, being and happiness had
been created. Philosophers would fight fiercely over the details, but they
shared a certain approach to the problems and a faith in the possibility of
success in the philosophical enterprise.
1277 had no appreciable effect on the way the artists did philosophy. The
arts masters themselves, however, were much more dangerous to their own
enterprise than any external authority. For they went in for genuine critique.
By the 1290s they themselves had found so many weak spots in their own
theories and they had mended them with provisional patches in so many
places that the whole philosophical project looked a lot less healthy than
before. People did not start to talk of a crisis, and probably no one saw it
that way, but Brito acted as if he saw there was a crisis. He gave the system
an overhaul, trying to save its foundations. Below, I shall concretize this
abstract description somewhat.
Brito became famous in his own day and his ideas were intensely discussed
in the early fourteenth century. As late as the early fifteenth century works
of his were used in Italian schools with Thomist leanings and some were
even translated into Greek 2 . But then oblivion set in. When the printing
press came, one of his works on logic was transferred to the new medium,
but that was the last anyone heard of him. For some four hundred years
afterwards he was almost totally forgotten. His come-back only began in the
1960s. Now, thirty years later, it is generally recognized that he was an impor-
tant figure, but actually modern scholarship has only studied a few aspects
of his thought and only two of his works have been edited in their entirety 3 .
It will be a long time before anyone can write the much-wanted book „The
Philosophy of Radulphus Brito".
It is unlikely that we now have all the works that Brito wrote, but even
so, the extant ceuvre is of vast dimensions 4 . It comprises over five hundred
2 See S. Ebbesen & J. Pinborg, Gennadios and Western Scholasticism. Radulphus Brito's Ars
Vetus in Greek Translation, Classica et Mediaevalia 33 ( 1 9 8 1 - 8 2 ) , 2 6 3 - 3 1 9 .
3 Questions on Boethius' Topics by N. J. Green-Pedersen in Cahiers de l'lnstitut du Moyen
Age Grec et Latin (henceforward CIMAGL) 26 (1978), and on Priscian Minor (see next
footnote).
4 See list in Radulphus Brito, Quaestiones super Priscianum Minorem, ed. Η. W. Enders &
J. Pinborg, Stuttgart-Bad Cannstatt 1980 (Grammatica Speculative 3 . 1 - 2 ) , 1 5 - 1 9 ; list of
published extracts ibid, with supplements in Ebbesen & Pinborg, op. cit., 318 n. 3 —5. Fur-
ther extracts published by S. Ebbesen in CIMAGL 53 (1986), 55 (1987), 63 (1993), 64
3. K n o w l e d g e
Some accounts of late 13th-century philosophy leave one with the impres-
sion that the artists' main occupation was speculating about the possibility
of being united with some supra-human intellect.
While it is undeniable that such speculation was around, this certainly was
not what the artists spent most of their philosophical time on. But they did
spend almost all of it on seeking knowledge and securing the possibility of
knowledge. I shall give a couple of examples of the type of work that occu-
pied so much of their time.
Central to the sort of philosophy („modism") Brito inherited from his
predecessors was the Avicennian notion of common natures, each with sev-
eral expressions called „modes of being". The common nature of man ex-
presses itself universally as well as particularly, for instance, and those are
two of its modes of being. Under their various modes of being, common
natures can be grasped by the human mind, and whatever we can conceptual-
ize we can express in words. Of course, we can misuse language, but we have
the capability not only of naming all fundamental realities, but also of indicat-
ing their modes of being; in fact, the grammar of human languages is a
reflection of the structure of nature's system of modes of being 11 .
Old Gorgias had said that there is nothing, and if there were something
we should not be able to know it, and even if we could know it, we should
not be able to communicate our knowledge to anyone else 12 . Modism em-
phatically asserts the opposite: There is something, we can know it and we
can communicate it.
Being real philosophers, the men of the late 13th century subjected their
own beliefs to questioning under torture. It was soon discovered that the
modistic approach runs into difficulties if linguistic analysis uncovers a dif-
ferent structure from the one we suppose reality has. Homonymy turns out
to be problematic. I shall use the English word „archer" as an example. It
has at least three meanings: (a) a bowman, (b) the zodiacal constellation
Sagittarius, (c) the fish toxotes jaculator, „which shoots water at insects rest-
ing near" 13 . Now, suppose the choice of the same sounds [α:φ] to mean all
three things was a matter of pure coincidence. Then „archer" cannot really
be one noun: it must be three nouns disguised as one. But why, then, does
it not construe as a plural? 14
11 For recent work on modism, see S. Ebbesen & R. Friedman, eds., Medieval Analyses in
Language and Cognition, Copenhagen 1999 (Det Kongelige Danske Videnskabernes Sel-
skab, Historisk-filosofiske Meddelelser 77).
12 Gorgias frgm. B3 Diels-Kranz (from Sextus Empiricus, Adversus Mathematicos 7.65).
13 The Shorter Oxford English Dictionary, 3 r d edition, Oxford 1965, 93 s.v. Archer. The
standard medieval example is ,canis' = (1) dog, (2) dog-fish, (3) Sirius.
14 For discussion, see S. Ebbesen, Is „canis currit" ungrammatical? Grammar in Elenchi com-
mentaries, Historiographia Linguistica 7.1/2 (1980), 5 3 - 6 8 ; C. Marmo, Semiotica e linguag-
gio nellla scolastica: Paris, Bologna, Erfurt 1 2 7 0 - 1 3 3 0 , Roma 1994. The complete text of
Brito, Quaest. S E 1.12 „Utrum terminus aequivocus sit una pars oratioms" is found in C I M A G L
68 (1998), 1 9 4 - 1 9 7 .
15 See Ebbesen, Is „canis currit" ungrammatical ... (nt. 14).
16 See Brito, Quaest. S E 18 in C I M A G L 68 (1998), 2 1 5 - 2 2 2 . D. Davidson, What Metaphors
Mean, Critical Inquiry 5 (1978), 3 1 - 4 7 , rp. in id., Inquiries into Truth and Interpretation,
Oxford 1984.
17 Texts edited in C I M A G L 68 (1998), 1 8 5 - 2 2 7 .
18 The notion of bonitas intelligentis was not Brito's invention. It was also used by Anonymus
Pragensis in his Quaest. SE 16 — 17, which probably date from the 1280s. See text in
D. Mure, Anonymus Pragensis on Equivocation, CIMAGL 68 (1998), 6 3 - 9 7 . For recent
discussions of the notion, see I. Rosier-Catach and C. Marmo in: S. Ebbesen & R. Fried-
mann, eds., Medieval Analyses ... (nt. 11).
19 Brito, Quaest. Metaph. IV.10 „Utrum nomen significet rem vel intellectum rei"\ Quaest. Periherm.
3 „Utrum voces significant conceptus rerum" (text in J. Pinborg, Bezeichnung in der Logik des
XIII.Jahrhunderts, in: Miscellanea Mediaevalia 8 (1971), 2 3 8 - 2 8 1 ; rp. in id., Medieval Se-
mantics, London 1984).
4. F r e e d o m
The generation preceding Brito had made some extravagant claims about
what philosophy can do for its servants. Because of the 1277 condemnations
scholarship has had a tendency to focus on claims to the effect that the
ultimate reward for good study is some sort of union with an impersonal
super-intellect.
It would be foolish to deny that such claims occur. But I think the atten-
tion paid to this particular piece of doctrine tends to make us blind to the
bigger picture. Some arts masters believed in a union with a super-intellect,
some did not, and those who did believe in it did not all believe in the same
sort of union or, for that matter, in the same sort of super-intellect. But they
all believed in the salutary effects of knowledge, and most or all of them
believed that a total or almost total knowledge of the created world is pos-
sible, at least in principle21.
Introductory lectures to university courses was the right place for pro-
grammatic statements about the salutary effects of knowledge, and we find
Brito's in the prefaces to his various sets of questions. Presumably, the ques-
tions were composed in connection with oral teaching, and each preface
reflects an introductory lecture. They are very similar one to another, Brito
obviously did not bother to make a brand-new introduction to each course.
He followed the same policy of copying himelf also on other occasions 22 ,
but he had a considerable flair for systematic consistency, so self-copying
should usually be taken not only as a sign of laziness but also as a sign that
he had not changed his mind on anything of importance. In short: I think
we can use the prefaces as one text which shows us what Brito believed in
throughout his career in the arts.
Now, you may object that people do not always quite believe in or even
think much about the fine words they say on festival occasions. Right. But
Brito not only repeats himself, and in many ways repeats others, he also has
a personal angle on the question of the fruits of philosophy, so at least he
must have thought about the matter; quite probably, he even believed in the
things he told his students.
Now, what did he tell them? This:
„Knowing, dear students, is the natural goal of human beings, but there are obsta-
cles which may prevent you from arriving safely — salvi — at the goal: sensual
delights which engulf your rational capacities and make you live the life of beasts;
worries about wordly things; lack of confidence in your own ability to reach knowl-
edge. Philosophy provides you with the means to overcome such obstacles and
live a virtuous life in which your reason blossoms while worries and diffidence
dissappear. Philosophy can render you capable of facing the vicissitudes of fortune
with calm. Philosophy can make you happy — beat! — for human happiness
consists in the full development of human nature and your human nature will
be fully actualized when you come to know the primary realities, which is what
philosophy is all about. In fact, philosophy can make you god-like (pares deo,
ad infinitum, sed potest poni in actu completo. Quia si erit potentia ad infinitum, cum ratio potentiae
sumitur ex obiecto et ex actu, oporteret quod obiecta potentiae essent infinita, et similiter operationes sive
modi cognitionis. Sed obiecta intellectus non sunt infinita quia spedes rerum non sunt infinitae, quae sunt
obiecta intellectus. Item, duo modi sunt quibus intellectus intelligit, et quando habet istos modos, non potest
clanus cognoscere rem quam secundum istos modos, et isti modi sunt definitio et demonstratio, ita quod per
definitionem sdtur quid est esse rei, per demonstrationem quia hoc inest huic. Sed in demonstrationibus non
est procedure in infinitum, ut didtur libro Postenorum, quia necesse est devenire ad prima indemonstrabilia,
et quando ad ista devenitur, tunc clanssime cognosdtur res. Alio modo cognosdt intellectus per definitionem,
et definitio est in essentia in demonstratione. Si ergo in demonstrationibus non estprocedere in infinitum, ergo
nec in definitione, quae est principium demonstrations vel tota demonstratio, ut didtur libro Posteriorum. Et
ideo quando perfecte cognosdt quod quid est esse rei, non est potentia in intellectu ad ulteriorem cognitionem,
quia res non habet petfectius esse quam per suam definitionem. Ideo cognitionis potentia non est ad infinitum
sed ad aliquid finitum
22 See S. Ebbesen & I. Rosier-Catach, Le trivium et la Faculte des Arts, in: O. Weijers & L. Holtz
(eds.), L'enseignement des disciplines ä la Faculte des arts (Paris et Oxford, XIVe-XVe
siecles), Tournhout 1997 (Studia Artistarum 4), 97-128, esp. 119 sq.
quodammodo dii). Of course, it takes hard work, but with the help of a good
teacher you can do it"23.
Brito did not promise too little on behalf of philosophy! On the other
hand, there is nothing really novel in those promises. Masters who were his
elders by a generation had said much the same — and some of them got
into trouble for so doing. But it does not look like Radulphus worried much
about sensitive theological ears to whom such declarations might sound jar-
ring. There is no carefully hedging phraseology explaining how this must not
be misunderstood. There is no hint that there might be other views about
the goal of human existence.
Some way, however, into his Metaphysics commentary Brito shows his
awareness of this possibility, and with youthful vigour he lunges at pious
obscurantism:
„The next question is whether metaphysics is for its own sake. [...] To this question
some say that the good of man is not in this life but in another one - happiness
(beatitude), that is. And therefore they say that every sort of knowledge is for the
sake of virtue, because we do not attain to that beatitude except through the
virtues; and so knowledge is good. And they say that knowing for the sake of
knowing is unseemly curiosity, but seeking knowledge for the sake of virtue is not
so, because we can attain to beatitude via virtue, and that is good in an unqualified
sense. But although this is the truth for those who place happiness in another life,
yet the Philosopher did not posit that, nor did he believe that there is any happi-
ness except in this life" 24 .
After which Brito happily continues to ignore those who say that happi-
ness is only to be found in another life. Theoretical knowledge, he contends,
is valuable irrespective of its contribution to virtue, though, of course, a
virtuous life is an automatic companion of knowledge 2 5 . But Brito is not just
a brash youth fighting obscurantist. Though his message is much the same
as that disseminated by the masters of the 1260s and 70s, he has formulated
it importandy differently by stressing the notion of freedom. In good philo-
sophical fashion, he does not stop at the panegyrical praise of liberty, he
holds his own notion of liberty up to the light for examination and discovers
its limits.
Brito dwells unusually long on the passage in the beginning of the Meta-
physics in which Aristotle argues that first philosophy is for no ulterior pur-
pose. After the question just quoted follows one „Whether metaphysics is
23
This is not a literal quotation, but a paraphrase based o n Brito's proems to his questions
on Posterior Analytics, Topics, Sophistici Elenchi (cf. appendix 1, below), Physics, Metaphys-
ics and Mathematics (ed. Weijers, op. cit., nt. 4).
24
Radulphus Brito, Quaest. Metaph. 1.11; see text in appendix 2, below.
25
This was a commonplace, o f t e n supported with a reference to Alexander of Aphrodisias as
quoted in Averroes' preface o n Physics 8.
free" 2 6 . Not unsurprisingly, we are told that indeed it is free, exactly because
it is for no ulterior purpose. But we are also told that there is a sense in which
both natural science and metaphysics are unfree: in the sense, namely, that we
are not quite free to know what we want. Two things limit our freedom:
prime matter and pure act. The indeterminacy o f prime matter means that
some natural phenomena can only be described statistically; nature is not
totally predictable. Pure act is beyond our understanding. We can only hope
for some sort o f intuitive cognidon (intellectus) of the first principles.
Undeniably, this is a severe limitation of our possibilities of understanding.
But certainly no ground for despair. Radulphus is only spelling out something
that the likes o f Boethius of Dacia had realized a generation before him: if
our description of reality is built on the potency/act model, pure potency or
matter at one end o f the scale and pure act at the other are limiting concepts
which cannot be subjected to a full causal definition, for if they could, they
would not represent the limits.
Then, o f course, one might dream o f some mystical union with pure act
which would also grant full insight into prime matter. But that is mysticism,
not philosophy; and Brito was no mystic, nor were the majority of arts mas-
ters of the late thirteenth century, though many felt attracted by the notion.
With this important limitation knowledge is freely accessible to humans
and knowledge makes a man free. Now it is time to return to Brito's introduc-
tory lectures. Part o f their originality consists in the fact that all the benefits
that he claims philosophy bestows on its adepts are presented in the frame-
work o f a discourse on liberty.
„As Seneca says in his 36th letter to Lucilius: Come over to her — and he is
speaking o f philosophy — if you wish to be safe, unworried, happy, and — what
is the greatest o f all — if you wish to be free".
about, and for their anxiety to secure the links between outside reality, human
understanding and human communication, with the two latter tied not only
to each other, but also directly, each of them, to outside reality.
The finer details of noetic theory are of minor importance in this connec-
tion.
I have called Brito the last of the great masters of his century. And I have
claimed that he expresses what most of his predecessors thought. This should
be understood in the sense that I think most of them would have agreed
that he was good at formulating what they themselves believed in. But part
of his personal greatness was exactly his ability to find a striking formulation
of the common creed. He borrowed his words from Seneca, and he com-
bined the old Stoic's sermons on the liberating function of philosophy with
Aristotle's disquisition into the intimate relation between wisdom and free-
dom. But, come to think of it, this is not a bad combination at all. Out of it
came a concept of freedom that could be used to structure a discourse about
what human life is really about.
Everybody knows that knowledge is power. And so what? If you want a
more interesting alternative, you might consider „Knowledge makes free".
A p p e n d i x 1.
T r a n s l a t i o n of the f i r s t p a r t of the p r o e m
to R a d u l p h u s B r i t o ' s Q u e s t i o n s on the S o p h i s t i c a l R e f u t a t i o n s 2 7
27 For the Latin text, see Ebbesen & Pinborg, Gennadios and Western Scholasticism (nt. 2),
279-285.
lights many are prevented from dedicating themselves to knowledge and the
contemplation of truth. As Armonius says in his abbreviation of the Ethics:
„Sometimes one must fight one's desires, for desires" — that is sensual de-
lights — „engulf our rational capacities, and such men as pursue those sensual
delights are like beasts, having chosen the life of catde". Now, through philos-
ophy this obstacle is removed, for philosophy teaches how to keep away
from such sensual delights, according to Boethius in the Consolation and the
Commentator in the prologue to Physics VIII; the latter says that a philo-
sopher is also a virtuous man (and shows this with respect to the single
virtues). Now, such a man stays at a distance from those sensual delights.
Ergo etc.
There are others who cannot reach the proper goal of man (to know, that
is) because of their worry about wordly things, for, as Ptolemy says in the
beginning of the Almagest among the proverbs, „That man is the wisest who
worries least about whose hand the world is in". Now, through philosophy
a man is liberated from such worry about wordly things. Ergo etc.
Yet others cannot reach the proper goal (to know) because of lack of
confidence. They lack confidence and believe they can know nothing. Now,
this obstacle is removed through philosophy, for anyone with philosophical
experience knows that it is not impossible to come to know the truth. So,
through philosophy man overcomes all obstacles and arrives at his due goal,
and thus man becomes safe through philosophy.
Philosophy also makes a man unworried, for unworriedness is a kind of
steadfastness or immoveability. Now, a philosopher is steadfast and immove-
able in the face of any circumstance, whether favourable or adverse, and
remains in the same state, according to the Philosopher in Ethics I, where
he claims that a philosophical and virtuous man remains in the same state in
face of anything that fortune may bring; and just as a square remains in the
same state wherever it is projected, in the same manner it is with the philo-
sophical and virtuous man: he always remains in the same state whether
faced with favourable or adverse situations. This is also clear from Boethius
in the Consolation, when he claims that a sage does not squirm in the face
of bad fortune, for he is always in a state of equilibrium, being neither elated
by good fortune nor depressed or saddened by adversity. There is a relevant
story in the Consolation about a philosopher who had been arrested by a
tyrant. They tried to force him to speak and reveal the secrets of his city, but
out of consideration for the common good he was not willing to do so, and
instead he spat in the tyrant's face. In this way, then, philosophy makes a
man unworried.
Philosophy also makes a man happy, for according to the Philosopher in
Ethics X human happiness consists in acting according to the intellect. Now,
such action according to the intellect is simply philosophy, since philosophy
consists in getting to know the things that really are and especially the first
realities. Therefore philosophy makes a man happy. As Seneca puts it: „This
A p p e n d i x 2.
Extracts from {Radulphus Brito's) Questions
on the Metaphysics.
Ms F = F i r e n z e , B N C , Ε . 1 . 2 5 2 : 2 6 5 r - 3 1 0 r
{Prooemium)
31 faciant] faciunt F.
32 sunt] sint F.
33 Arist. Pol. 1.2.1252a31-34. Cf. Auctoritates AristoteUs 15.1, 252.
34 intellectui — hominibus] potius intellectum — rationibus F.
35 per] prae F.
36 Cf. Arist. Metaph. 1.2.982 b 2 4 - 2 8 ; cf. Auctoritates AristoteUs 1.22, 116.
37 Simplicius, Cat. 6.6 — 9.
38 Seneca, Ep. 16 (II.4) 1.
39 sapientia inchoata] sapientiae inchoatam F.
40 possimus ob] possemus ad F.
41
Numeratio quaestionum secundum indicem qui in fine codicis extat.
42
Arist. EN 2.2.1103b26-28.
43
comitatur] consequitur F.
<Ad 1 y Ad id quod dicitur quod omnis scientia est propter virtutem: non
est verum /268rB/. Et tu dicis quod plures sunt naturaliter virtuosi; dico
quod verum est — sed hoc non est quia ilia scientia speculativa quam habent
sit propter virtutem sed quia ad ipsam consequuntur virtutes.
<Qu. 1.12)
Consequenter quaeritur utrum ista scientia sit libera.
<1 > Arguitur quod non.
<(1.1) Quia ista scientia quae servit aliis <non est libera; sed ista servit
aliis)>. Probatio, quia considerat 44 et declarat principia aliarum scientiarum
specialium; ergo eis servit; et per consequens non est libera.
<(1.2)> Item, omnis scientia liberalis vel est sub quadruvio vel sub trivio;
ista autem non est sub aliqua istarum, ut patet per inductionem; ergo non
est liberalis.
<1.3) Item, ista scientia indiget logica; ergo non est liberalis. Probatio
antecedentis per Commentatorem septimo Metaphysicae, quia dicit quod
dupliciter ista scientia utitur logica: uno modo quia accipit aliquas propositi-
ones declaratas in logica, alio modo in quantum logica dat modum proced-
endi isti scientiae et aliis.
(2) Oppositum vult Philosophus.
<3> Dicendum quod ista sola est libera. Ad cuius evidentiam sciendum
quod libertas primo invenitur in hominibus, et ex hominibus transfertur ad
scientias. Liber autem homo est ille qui est gratia sui ipsius, servus autem qui
est gratia alterius, sc. domini; ergo ilia scientia quae est propter se non ordi-
nata ad aliud est libera; ilia est huiusmodi, quia considerat entia quae sunt
finis entium omnium, et hoc dicit Simplicius supra Praedicamenta 45 , qui dicit
quod „finis philosophiae secundum morem", i. e. moralis philosophiae, „est
perfectio secundum virtutem; finis autem philosophiae Aristotelis speculati-
vae est ascensus in unum primum principium"; nunc autem per istam sci-
entiam et per nullam aliam humanitus inventa devenitur in unum primum
principium; ergo est propter se et aliud ordinatur ad ipsam, quia ad ipsum
primum omnia alia ordinantur; ergo est sola libera.
Sed quare non continetur sub quadruvio vel trivio, neque etiam naturalis,
mathematicae autem continentur? Intelligendum est quod liberalis ars potest
intelligi tripliciter:
Uno modo potest intelligi scientia liberalis vel dicitur scientia liberalis
\quae/ non ordinatur ad commoda vitae. Et sic omnes scientiae speculativae
sunt liberales, et sic mechanicae solum sunt serviles.
Alio modo dicitur scientia liberalis quia inventa est a liberie. Et sic mathe-
maticae scientiae et naturalis et ista scientia essent liberae quia inventae sunt
a liberis, quia inventis necessariis ad vitam illae scientiae coeperunt inquiri,
prout Philosophus dicit in littera46.
Alio modo dicitur scientia liberalis quia habet medium per quod possit
sciri libere. Et hoc modo ista scientia et naturalis non sunt liberae, quia ista
scientia habet medium non liberum nobis, immo est supra intellectum
nostrum, nec naturalis, quia naturalis seit per causam, una autem causarum
non est libera, sc. causa materialis, quia est subiectum motus et transmuta-
tionis, et ideo per ipsam potest sciri aliter et aliter. Defectus autem libertatis
istius scientiae ex parte medii secundum se non est, sed ex parte nostra, quia
medium istius scientiae est purus actus et pura forma, sed propter infirmita-
tem intellectus nostri <***) Aliquid enim dicitur invisibile vel quia non potest
videri, <vel) quia est ita excellens visibile quod non potest bene videri ab
oculo, sicut medium istius scientiae dicitur non liberum non quia in se sit non
liberum, sed quia est non liberum intellectui. Etiam neque naturalis dicitur
libera(lis), quia habet aliquod medium non liberum intellectui, sc. materiam
primam. Et sic ista scientia erit libera et non liberalis, mathematicae autem
sunt liberales et non liberae. Et ideo ista scientia non solum erit scientia
sed intellectus, sc. habendo habitum primorum principiorum, sed scientia in
demonstrando aliquid per ipsa.
<Ad 1.1) Ad illud quod arguitur in contrarium, quod ilia scientia quae servit
aliis est servilis, verum est — si serviat eis servitio quod deroget libertati. Sed
cum 47 tu dicis quod subministrat aliis scientiis principia et declarat earum prin-
cipia, dico quod talis servitus non derogat libertati, sed magis auget.
<Ad 1.3) Ad aliud. Cum dicitur quod indiget logica, conceditur. Et tu dicis
„Ergo est serva"; dico quod sicut tu male argueres si diceres „Dominus
indiget servis, ergo non est liber", ita si sic argueres 48 „Ista scientia indiget
aliis sicut sibi famulantibus, ergo non est libera".
<Ad 1.2) Ad aliud. Verum est quod est libera et non liberalis, quia est
solum gratia sui ipsius. Ideo non valet.
A p p e n d i x 3.
Radulphus Brito and Seneca
46
Arist. Metaph. 1.2.982 b 2 2 - 2 4 .
47
cum] et F.
48
argueres] arguentes F.
49 Frgm. 199 in H. Usener, Epicurea, Leipzig 1887. The Senecan passage is our only source
for this saying by Epicurus.
50 J. Hamesse, ed., Les Auctoritates Aristotelis, Louvain-Paris 1 9 7 4 (Philosophes Medievaux
17)·
veritate, si inde velis53 aliquid trahere quod <[in) anima insedeat fideliter, Et subdit:
Idem enim accidit Ulis54 quod peregrinantibus qui nullius ingenio, id est hospiti, se
applicant, sed omnia transcurrunt cursim et properantes^ et nulli hospiti plus ad-
haerent quam alten. Et sic tales qui assimulantur peregrinantibus currunt de
libro in librum, de conclusione in conclusionem, et in fine nihil reportant,
sed in tota vita sua remanent ignorantes. Et subdit ibidem quod nihil est quod
aeque et tantum impediat sanitatem56 quam remediorum crebra mutatio. Et subdit
etiam ibidem quod planta multotiens transmutata sive transplantata non germinat.
Et subdit: Cum multa volumina perlegas, unum accipias ex illis, illud decerpe, et
illud illo die decoquis, quasi dicens quod oportet hominem habere artem per
quam ex multis visis possit ad determinatam conclusionem perveniere, aliter
enim erit ignorans.
1.2. Seneca, Ep. 2 (1.2) 2 — 4: Certis ingeniis immorari et innutriri oportet, si velis
aliquid trahere quod in animo fideliter sedeat. Nusquam est qui ubique est. Vitam
in peregrinatione exigentibus hoc evenit ut multa hospitia habeant, nullas amicitias;
idem accidat necesse est its qui nullius se ingenio familiariter applicant, sed omnia
cursim etproperantes transmittunt. § 3 Non prodest cibus nec corpori accedit qui
statim sumptus emittitur; nihil aeque sanitatem impedit quam remediorum crebra
mutatio; non venit vulnus ad cicatricem in quo medicamenta temptantur; non
convalescitplanta quae saepe transfertur. [.. .§ 4...] et cum multa percurreris, unum
excerpe quod illo die concoquas.
1.3. Auctoritates 21.4, 274: „Peregrini multa habent hospitia, nullas ami-
citias." 21.8, 274: Nihil impedit ita sanitatem sicut crebra remediorum tentatio
aut immutatio.
2.1.1. Brito, Quaest. APo., Β 372rA: Est etiam summe liber, sicut apparet
per Senecam octava epistula ad Lucillum, qui dicit sic: „Si vis ut vera libertas
tibi contingat, oportet57 te philosophiae servire".
2.1.2. Brito, Quaest. Math., ed. Weijers, 162 (my punctuation and orthogra-
phy): Sicut dicit Seneca octava epistula ad Lucillum, servire philosophiae oportet
si tibi vis ut vera libertas contingat, et hoc est quod subdit ibidem: Hoc enim, servire
philosophiae, vera libertas est.
2.1.3. Brito, Quaest. Metaph.: Sicut dicit Seneca in quadam epistula ad
Lucillum: „Philosophiae servias ut tibi contingat libertas".
2.2. Sen. Ep. 8 (1.8) 7: adhuc Epicurum compilamus, cuius hanc vocem
hodierno die legi: „Philosophiae servias oportet, ut tibi contingat vera libertas"'. Non
differtur in diem qui se illi subiecit et tradidit: statim circumagitur; hoc enim
ipsum philosophiae servire libertas est.
53
velis] velit P.
54
illis] aliis P.
55
cursim et properantes] cursum et prope canem P.
56
sanitatem] sapientem P.
57
oportet] offer B.
2.3. Auctoritates 21.55, 277: Philosophiae servias, quia ipsi servire libertas
est.
3.1.1. Brito, Quaest. Metaph.: Item, secundum Senecam ad Lucillum, qui
dicit sic: „Uquere tibi volo, Latcilli, neminem bene posse wvere sine studio sapientiae et
beatam vitam e f f i c i ceterum tolerabilem sapientia inchoata^".
3.1.3. Brito, Quaest. Top., Ρ l l r A : Hoc est idem quod dicit Seneca XVIII.
epistula ad Lucilium, dicit enim: Nemo potest bene tolerabiliter vivere sine studio
sapientiae vel philosophiae.
3.2. Sen. Ep. 16 (II.4) 1: Uquere hoc tibi, Luciii, scio, neminem posse beate vivere,
ne tolerabiliter quidem, sine sapientiae studio, et beatam vitam perfecta sapientia e f f i c i ,
ceterum tolerabilem etiam inchoata.
3.3. Auctoritates 21.29, 275: Scio neminem beate vivere sine studio sapi-
entiae. 21.30, 275: Bonam vitam perfecta sapientia efficit.
4.1.1. Brito. Quaest. SE: Sicut dicit Seneca 36a epistula ad Lucillum: , A d
banc te confer" — et loquitur de philosophia — „si vis esse salvus, si securus, si
beatus, et denique, quod maximum est, si vis esse liber".[...] secundum quod dicit
Seneca in tricesima sexta epistula ad Lucillum !TMultos reges si ratio te rexerit",
unde dicit: „Si vis omnia subicere, te subice rationi, multos enim reges, si ratio te
rexerit.
4.1.2. Brito, Quaest. Ph., F IrA: Sicut dicit Seneca trigesima septima epis-
tula ad Lucillum: Ad philosophiam te transfer, si vis esse salvus, si securus, si beatus,
denique, quod maximum est, si vis esse liber. [... lrB ...] quia dicit Seneca in
epistula praeallegata, sc. trigesima septima, postea dicit quod „si vis omnia
regere, te subice rationi, nam mulfa reges si ratiom sis subiectus(P)".
4.2. Sen. Ep. 37 (IV.8) 3: Effugere non potes necessitates, potes vincere.
Fit via <vi>; et hanc tibi viam dabit philosophia. Ad banc te confer si vis
salvus esse, si securus, si beatus, denique si vis esse, quod est maximum, liber; hoc
contingere aliter non potest. (§ 4) Humilis res est stultitia, abiecta, sordida,
servilis, multis adfectibus et saevissimis subiecta. Hos tamen graves domi-
nos, interdum alternis imperantes, interdum pariter, dimittit a te sapientia,
quae sola libertas est. Una ad hanc fert via, et quidem recta; non aberrabis;
vade certo gradu. Si vis omnia tibi subicere, te subice ratiom; multos reges, si
ratio te rexerit.
4.3. Auctoritates 21.76, 278: Ad philosophiam te transfer, si vis esse sanus,
si securus, si beatus, si liber. 21.77, 278: Si vis omnia tibi subici, subice te
rationi; multos enim reges si ratio te rexerit.
5.1.1. Brito, Quaest. SE: Unde Seneca dicit: Hoc mihi philosophia promittit ut
parem deo me faciat
5.1.2. Brito, Qu. Ph., F lrB: sicut dicit Seneca quinquagesima epistula ad
Lucillum „hoc mihiphilosophia promittit utparem deo me faciat"
5.2. Sen., Ep. 49 (V.8) 11: Hoc enim est quod mihi philosophia promittit, ut parem
deo faciat
5.3. Auctoritates 21.82, 278: Philosophia hoc mihi promittit ut me deo
parem faciat.
1 Voir Z. Kuksewicz, Le probleme de l'averro'isme de Gilles d'Orleans encore une fois, dans
Medioevo 20 (1994), 1 3 2 - 1 3 7 .
2 La quaestio „ Utrum generatio est aeterno" (ms Paris, Bibl. Nat., lat. 15805, f. 36rb - 36va) et la
quaestio „ Utrum redeuntibus corporibus ad eundem situm in supracaekstibus, in quo sunt nunc; oporteat
istum mundum redire similem quantum ad omnes suas dispositiones" (ibidem, f. 36va —36vb).
3 La quaestio „ Utrum hoc sit verum quod idem manens idem natum est facere idem" (ibidem, f. 35va—
35vb) et la quaestio „ Utrum latio vel revolutio caelestis vel primi mobilis sit aeterna vel perpetua"
(ibidem, f. 35rb).
4 „Utrum hoc sit verum quod idem martens idem natum estfacere idem" (ibidem, f. 35va).
5 „Sed quia ista opinio est erronea et contra fidem et veritatem, ideo dicamus quod prima causa est agens
producens et causa effectiva omnium" (ibidem).
6 Voir „Utrum latio vel revolutio caelestis velprimi mobilis sit aeterna velperpetua" (ibidem, f. 35rb).
7 Voir ibidem.
8 Ibidem.
9 La quaestio I, 11 „Utrum aliquidgenerator ex nihilo", la quaestio II, 10 „Utrum idem manens semper
idem et similiter se habens natum estfacere idem", la quaestio 14 „ Utrum accidenspossit esse sine subiecto"
et la quaestio 15 „ Utrum generatio sitperpetua et sempiterna secundum naturam materiae". Voir Aegi-
dius Aurelianensis, „Quaestiones super De generatione et corruptione", (Bochumer Studien
zur Philosophie 18), ed. Ζ. Kuksewicz, Amsterdam - Philadelphia 1993, 1 - 4 7 , 2 1 5 - 2 1 8 ,
54-60.
10 La partie „orthodoxe" de la quaestio 11 commence comme suit: ,-Quod autem aliquid fiat ex
nihilo, hoc tenemus secundum viam fidei, scilicet per creationem. Et etiam probatur sie". Cette declaration
est suivie par quelques arguments. Aegidius Aurelianensis, „Quaestiones De generatione",
44. Plus loin, on lit: „Notandum tarnen quod secundum viam philosophorum ipsi dicerent quod illud
quodfit ex nihilo, non fit de novo..." (ibidem). A la fin de l'opinion dite „secundum viamphilosopho-
rum" figure la remarque suivante: „Sed secundum viam fidei omnia alia a primo sunt producta in esse
de novo ex nihilo sine transmutatione et motu, sed per creationem". Ensuite, on lit une preuve d'Aver-
roes qui nie la creation, terminee par la remarque suivante: „Et per hoc destruitur fides nostra.
Si quis fatuus huic rationi debili consentire, tunc fieret infidelis et fide carens" (ibidem, 45). Le premier
argument du corpus de la quaestio 10 du livre II est suivi par une preuve de la solution
heterodoxe qui commence par ['information sur l'opinion des philosophes: „Ista quaestio
difßcilis est, quia philosophi secundum prindpia philosophiae tenerent quod idem inquantum idem sive
manens idem [...] natum est semperfacere idem" (ibidem, 216). Ensuite, Gilles d'Orleans discute
deux opinions et il donne sa solution definitive prouvee par deux arguments. Cette partie
commence par la phrase suivante: „Et propter hoc dicendum est secundum veritatem quod causa
prima..." (ibidem, 218).
11 Ibidem, 45.
12 Voir Aegidius Aurelianensis, „Quaestiones De generatione", 54—60.
13 Voir „Utrum accidenspossit esse sine subiecto" (ibidem, 54—56).
14 „Ad quaestionem est intelligendum quod dato quod generatio non sit perpetua respectu voluntatis divinae
(quae voluntas divina omnia in esse producit ex nihilo), tamen dicendum quod secundum viam philosopho-
rum generatio est perpetua per naturam materiae". „ Utrum generatio sit perpetua et sempiterna secundum
naturam materiae" (ibidem, 57).
15 „Sed secundum fidem nostrum catholicam est dicettdum, quod generatio non est perpetua, sed potest dtftcere
et deficiet quia materia prima deficiet" (ibidem, 59).
16 ,Jstam viam tenentesphilosophi respondent ad rationes sic" (ibidem).
17 Voir les quaestiones I, 14 „Utrum acddens possit existere sine subiecto" (ms Paris, Bibl. Mazarine
3493, ff. 6va —7ra ), I, 21 „Utrum omne quod fiat, fit ex aliquo sui" (ibidem, f. 9va— lOra), I, 22
„Utrum omne quod est factum, est factum ex aliquo sui" (ibidem, f. lOra — lOvb), 1,25 b „Utrum
infinitum secundum quod infinitum sit innotum intellectui divino" (ibidem, f. l l r b —llvb), I, 40
„ Utrum materia sit generabilis et corruptibilis" (ibidem, f. 18rb), VI, 22 „ Utrum sit dare primum
mutatum esse ex parte prinäpii in motu sicut ex parte finis" (ibidem, ff. 70va — 71 rb), VIII, 3 „ Utrum
omne quod fit necesse est fieri ex aliquo praesupposito" (ibidem, ff. 85vb —86va), VIII, 4 „ Utrum
motus sit aeternus" (ibidem, ff. 86vb — 87rb) VIII, 7 „ Utrum mundus sit aeternus" (ibidem,
ff. 8 9 r a - 9 0 v b ) .
18 Voir les quaestiones I, 45 „ Utrum materia sit producta per generationem vel quo modo" (ibidem, f.
2 0 r a - 2 0 v b ) et III, 9 „Utrum in perpetuis differet esse et posse" (ibidem, ff. 36va-37ra).