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ANDRÉ MILEWSKI
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EINS
DIE MAPPE
BOSTON, 16. OKTOBER 1961
»Geht ihr jetzt endlich da rein oder muss ich das für
euch machen?«
»Das ist nicht so einfach«, setzte Max mit leicht
stockender Stimme an, aber da drängte sich Jody auch
schon zwischen ihm und Joe hindurch, drückte die
Türklinke herunter, drehte den Schlüssel im Schloss
herum und betrat das verwaiste Büro, das in einem
entlegenen Flügel im Hauptgebäude des Elliott Colleges
lag.
Max seufzte kurz, warf Joe einen traurigen Blick zu
und folgte seiner Freundin in das kleine vollgestellte
Büro. Eine bedrückende Stille empfing sie. Jody ging zum
einzigen Fenster in dem Raum und öffnete es.
»Ziemlich stickig hier drinnen.«
»Kein Wunder. Seit Pats Tod hat niemand mehr
diesen Raum betreten«, sagte Max leise und blickte auf
das Namensschild, das am Rand auf der blank gescheu‐
erten Schreibtischplatte stand. »Dr. Patrick O’Malley«
war darauf zu lesen. Daneben stand noch ein leeres
Wasserglas und es lagen einige Bücher auf dem Tisch
verteilt herum. Alles wirkte so, als ob ihr Freund nur kurz
den Raum verlassen hätte und jeden Augenblick wieder
durch die Tür zurückkommen würde. Dann würde er sie
mit erfreuter Stimme begrüßen, sich kurz mit Joe kabbeln
und schließlich laut lachen. Aber Max wusste, dass dies
nie wieder passieren würde. Ihr gemeinsamer Freund
Patrick lag tot und begraben in den Ruinen von Uxmal,
der alten Mayastadt in Yucatán. Er hatte sein Leben gege‐
ben, um seines zu retten. Die Traurigkeit, die Max schon
vor der Tür verspürt hatte, stieg jetzt noch stärker in
ihm auf.
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GEHEIMAKTE CÍBOLA
gehabt? Das wäre ja was ganz Neues«, sagte Joe, der die
aufgehobenen Hefte zu den anderen auf den Stapel legte.
»Keine Ahnung.« Max zögerte, die Mappe aufzu‐
schlagen.
»Was ist, willst du nicht wissen, was für Patrick so
geheim gewesen ist? Ist mit Sicherheit nur sein üblicher
Kram gewesen.«
Max schlug die Mappe auf. Gleich der Blick auf das
oberste Blatt, das hinter dem Aktendeckel zum Vorschein
kam, ließ ihn stutzen. Es war eine alte Buchseite, hand‐
schriftlich beschrieben in spanischer Sprache. Aber es
war auch eine Zeichnung darauf zu sehen, die mehrere
Städte auf einer Landkarte darstellte. Darunter stand ein
Wort, welches Max gut bekannt war.
Cíbola.
»Was ist?«, fragte Jody, der nicht entgangen war, wie
Max’ Gesichtsausdruck sich verändert hatte.
Aber Max gab keine Antwort, sondern blätterte mit
der rechten Hand durch die Unterlagen, die Patrick
zusammengesammelt hatte. Nach der alten Buchseite
waren noch einige vergilbte Briefe, ebenfalls in Spanisch
in der Mappe. Und immer wieder tauchte der Name der
legendären Stadt Cíbola dort auf.
»Wie es aussieht«, setzte Max langsam an, während er
weiter durch die Unterlagen blätterte, »hat unser Freund
Patrick sich mit der Legende um Cíbola und den Sieben
goldenen Städten befasst.« Er zog ein Blatt Papier mit
Patricks Handschrift aus der Mappe hervor, das dem
Anschein nach eine Übersetzung der spanischen Texte
enthielt.
»Ich sag’s doch, nur das Übliche. Jeder weiß doch,
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