Draganovici
07.12.2018
In uns allen steckt eine natürliche Abwehr gegen Tumore, man muss nur die natürlichen Bremsen
im Immunsystem lösen. James P. Allison und Tasuku Honjo haben gezeigt wie das geht und
Für Krebsmediziner Peter Brossart war die heutige Verkündung keine große Überraschung. "Viele
hatten damit gerechnet", versichert der Direktor der Abteilung für Onkologie, Hämatologie,
Denn die Entdeckung von James P. Allison und des Japaners Tasuku Honjo seien wirklich
"bahnbrechend". Stefan Laufer, Pharmazeut an der Universität Tübingen und Präsident der
auszeichnungswürdig".
Unter der neuen Therapie hört nicht nur der Tumor auf zu wachsen, sondern bildet sich in vielen
Fällen sogar zurück. Die Behandlung hilft selbst bei Tumoren, die bereits Metastasen gebildet
haben. Nach Ende der Therapie bleiben viele Patienten krebsfrei - auch das ist nicht
selbstverständlich. "Die Überlebensraten betragen über fünf Jahre, das hat man mit keiner
Peter Brossart lernte James Allison und seine Forschung während eines zweijährigen
niemand geahnt, welche herausragenden Erfolge seine Arbeiten einmal bringen sollten. "Mäuse
haben wir ja alle geheilt", sagt Brossart. "Aber man glaubt es erst, wenn man das dann auch in
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M. Draganovici
07.12.2018
Die Selbstheilungskräfte des Körpers gegen Krebs zu aktivieren ist der Traum jedes Naturheilers.
Aber gleich vorweg: So einfach ist das nicht: Man muss schon ganz genau wissen, wo man angreift.
Eine mögliche Angriffsstelle entdeckte James Allison in den 1990er Jahren während seiner Zeit an
Allison untersuchte ein Eiweiß namens CTLA-4. "Es ist Teil der Immunzellen in unserem Körper und
erscheint auf ihrer Oberfläche, wenn die Immunzelle scharf gestellt wird", erklärt Pharmazeut
Stefan Laufer. Über dieses Eiweiß kann das Immunsystem die Zelle wieder abschalten und so die
Immunantwort des Körpers schnell wieder runterregulieren. "Das ist absolut notwendig", sagt
Laufer, "denn wenn das Immunsystem überschießt, zum Beispiel bei einer Erkältung, könnte man
daran sterben."
Krebszellen nutzen diese Kontrollstellen zu ihrem Vorteil. Sie schalten die Immunzellen über diesen
Mechanismus aus und schützen sich so vor dem Immunsystem, um sich unbehelligt weiter
auszubreiten. James Allison zeigte damals: Blockiert man das CTLA-4-Eiweiß mit einem
Tasuku Honjo entdeckte - ebenfalls in den 1990er Jahren - eine weitere natürliche Bremse im
Immunsystem, das Eiweiß PD-1. Auch dieses lässt sich mit einem Antikörper ausschalten. Die
Antikörper lassen sich im Labor herstellen und dem Patienten intravenös verabreichen.
Inzwischen haben Forscher gut 50 solcher Kontrollstellen im Immunsystem entdeckt. Man nennt
sie auch "Checkpoints". Die Medikamente, die auf sie wirken und das Immunsystem
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Oft wird dem Nobelpreiskomitee vorgeworfen, viel zu lange abzuwarten und wichtige
Errungenschaften erst viele Jahrzehnte nach ihrer Entdeckung auszuzeichnen. Das ist diesmal nicht
der Fall. Die Grundlagenexperimente fanden in den 1990er Jahren statt, die Medikamente selbst
Die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (Food and Drug Administration, FDA) ließ im Jahr
2014 den ersten Checkpoint-Inhibitor zu und zwar gegen schwarzen Hautkrebs. Ein Jahr später
der EU inzwischen fünf Krebsmedikamente aus der Klasse der Checkpoint-Inhibitoren zugelassen.
Sie werden unter anderem gegen bestimmte Formen von Hautkrebs, Lungenkrebs, Lymphomen
Die Schattenseiten
Wie alle Medikamente haben auch die Checkpoint-Inhibitoren Nebenwirkungen. "Es kommt zu
Peter Brossart fügt hinzu, dass diese Nebenwirkungen auch nach Absetzen des Medikaments nicht
einfach so wieder verschwinden, wie es etwa bei einer Chemotherapie der Fall ist. Diese Art der
Krebstherapie gehöre daher in die Hände von Medizinern, die sich gut damit auskennen, um
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Außerdem wirkt die Behandlung nicht bei allen Patienten. Warum nicht, sei bis heute ein Rätsel,
sagt Brossart. Auch einige Krebsarten scheinen gegen die Medikamente immun zu sein, etwa viele
"Wir versuchen herauszufinden, welche Patienten von der Therapie profitieren und welche nicht."
Stefan Laufer bedauert vor allem einen Nachteil der Therapie: Dass die Medikamente so teuer
sind. "Unter 100.000 Euro pro Jahr läuft nix", sagt er der DW.
Das liege wie so oft nicht an den Herstellungskosten des Medikaments, sondern an der Kalkulation
der Pharmaindustrie und des Gesundheitssystems: Ein Lebensjahr eines Patienten wiege
umgerechnet 50.000 Euro auf. Da die Medikamente so gut wirken und viele zusätzliche
Aber egal wie viel die Medikamente kosten, wie viele Nebenwirkungen sie haben und dass sie
nicht bei allen Krebspatienten wirken - die Forschungen der beiden Nobelpreisträger haben bereits
jetzt viele Menschen vor einem frühzeitigen Tod bewahrt. Damit bedeuten sie tatsächlich einen
Durchbruch.