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Tempel
José Lull
Zusammenfassung:
Unter allen ägyptischen Sternen und Sternbildern möchte ich mich konkret auf das Sternbild Meschetiu
beziehen, das unserem Großen Bären, oder genauer gesagt dem „Großen Wagen“ entspricht. Dieses Sternbild
hatte für die Ägypter eine besondere Bedeutung, die sich nicht nur in häuÞgen Erwähnungen in religiösen
Texten widerspiegelt, sondern auch in der Tatsache, dass bestimmte Bauten nach ihm oder nach einem seiner
Sterne orientiert wurden.
Abstract:
Of all the ancient Egyptian stars and constellations I like to discuss particularly the constellation of Meskhetiu
, which is the Egyptian version of our Great Bear, or more accurately, our “Big Dipper”. That constella-
tion had for the Egyptians a special signiÞcance that is not only proved by its numerous mentions in religious
texts but also by the fact that some Egyptian tempels were oriented to it or to one of its stars.
Lokalisierung von Meschetiu Dieser und andere religiöse Texte erlauben verschie-
Die alten Ägypter sprachen von einer Art Sterne, die dene Interpretationen. Tatsache ist, dass insbesonde-
sie Ikhemu-Seki1 nannten, was wort- re die Pyramiden-Texte immer abstrakt sind und au-
wörtlich bedeutet: „die, die nicht den Untergang ßerdem grammatisch und lexikalisch schwierig.
kennen”. Anscheinend handelt es sich um die Zir- Wichtig ist, dass PT 302 (§ 458: c) eine Beziehung
kumpolarsterne, die nicht unter dem Horizont ver- ausspricht zwischen Meschetiu einerseits und den
schwinden. In den Pyramidentexten (PT) werden Sternen, die den Untergang nicht kennen, anderer-
diese Sterne oft erwähnt. So kann man in PT 302 seits. Es lässt sich erschließen, dass die Sterne, die
(§ 458: a-c) lesen: das ägyptische Sternbild Meschetiu bilden, zu den
Ikhemu-Seki-Sternen gehören. Wir wissen aber
§ 458: a auch, dass die Ägypter diese Sterne für Götter hiel-
ten. So lesen wir zum Beispiel in PT 441 (§ 818 c):
§ 818: c
§ 458: b 3
85
Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008
§ 1222: c
§ 1222: d 5
„(c) Möge er zu der Seite hin gehen, auf der die sind,
die den Untergang nicht kennen (d), damit er sich Abb. 1: Meschetiu-Darstellungen auf Särgen der IX.-XI. Dynas-
unter ihnen beÞndet.” tie (EAT I, Taf. 4; 8; 9; 14).
In den Pyramidentexten wird an zahlreichen Stellen Im Schloss Hohentübingen wird der Sarg eines Man-
ein „Kanal” zitiert, genannt „Kha-Kanal”, nes namens Idi aufbewahrt, und hier lesen wir:
von dem gesagt wird, dass man ihn auf seiner Nord-
oder Südseite überqueren kann. Möglicherweise be- 9
5
K. Sethe, Die altägyptischen Pyramidentexte II (Leipzig 1910) 8
O. Neugebauer/R. A. Parker, Egyptian Astronomical Texts I
188. [EAT] (London 1960) Taf. 1–23.
6
Krauss (Anm. 4) 49–56. 9
Ebd. Taf. 8.
7
V. L. Davis, Identifying Ancient Egyptian Constellations. Jour- 10
É. Drioton, Le Livre du Jour et de la Nuit (Kairo 1942) 23.
nal History of Astronomy 16, 1985, 102.
86
Lull, Meschetiu in der Mythologie ägyptischer Tempel
„(8) Es ist der Schenkel (Meschetiu) von Seth, der im rungen darüber, wie Meschetiu in den nördlichen
(9) nördlichen Himmel an zwei steinerne Landepfäh- Himmel geraten ist:
le angebunden ist (10) mit einer goldenen Kette. Sei- „Nachdem er (Horus) ihm (Seth) den Schenkel abge-
ne Bewachung ist Isis als Nilpferd (11) anvertraut“. schnitten hatte, hob er ihn in die Mitte des Himmels,
wo die Götter sind, um ihn (den Schenkel im
Meschetiu stellt also den Schenkel von Seth dar, je- Nordhimmel) zu bewachen und das große Nilpferd
nem Gott der als Mörder seines Bruders Osiris einen hält ihn fest, so dass er nicht zwischen den Göttern
bösartigen Aspekt repräsentiert. Es ist Isis, die wandern kann.”11
Schwester-Gemahlin von Osiris, die den abgeschnit- Auch in anderen Texten aus der gleichen Zeit wird
tenen Schenkel im nördlichen Himmel bewacht. Der erzählt, wie Horus den Seth besiegt und ihm den
Schenkel ist mit goldenen Ketten an Pfählen festge- Schenkel abgeschnitten hat. Danach platzierte Horus
macht. Isis hat hier die Form eines Nilpferdes ange- den abgeschnittenen Schenkel im nördlichen Him-
nommen. mel und sorgte dafür, dass das große Nilpferd ihn
Bildliche Darstellungen Þnden sich auf den astrono- angebunden hält. Auch wenn diese Texte aus viel
mischen Decken von einigen Gräbern, beispielswei- späterer Zeit sind, geht der Ursprung der Geschichte
se im Grab von König Sethos I. (Abb. 2) oder im zweifellos auf das Alte Reich zurück, denn in den
Grab von Pedamenope. Unter den Sternbilder des Pyramidentexten (PT 61 § 42) wird besagt: „Oh,
nördlichen Himmels sieht man auch Meschetiu und Osiris, der König, nimm den Schenkel von Seth, den
Isis sowie die Ketten und Pfähle. Meschetiu hat hier Horus ihm abgeschnitten hat”.12
die Form eines kompletten Stieres, nicht nur eines Der Gott Horus, in seiner Form von Harendotes, er-
Stierschenkels. hält den Beinamen “Horus, der Rächer sei-
Im Papyrus Jumilhac, aus der Zeit der griechischen nes Vaters”. Es war also der Gott Horus verantwor-
Herrschaft in Ägypten, stehen zusätzliche Erklä- lich dafür, dass der Schenkel an den nördlichen Him-
Abb. 2: Mythologie des Meschetiu im Grab von König Sethos I. Nach R. A. Parker, The Calendars of Ancient Egypt (Chicago 1950)
43.
11
J. Vandier, Le papyrus Jumilhac (Paris 1961) 108 und 129. inster 1969) 14.
12
R. O. Faulkner, The Ancient Egyptian Pyramid Texts (Warm-
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Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008
mel kam, und er war es, der seinen Onkel Seth von Typhon der Große Bär ist”15. Typhon ist natür-
vierteilte, womit er seinen verstorbenen Vater rächte lich der griechische Gott, der dem ägyptischen Seth
(der auch am Himmel erscheint in seiner Form von entspricht. Auf diese Weise erfahren wir aus der
Sah, die mit Orion übereinstimmt13). ägyptischen Mythologie, wie das Sternbild Mesche-
Die ägyptische Mythologie ist eine wichtige Quelle, tiu im Nordhimmel entstanden ist.
um zu verstehen, wie die Ägypter die Existenz dieses
Gestirns erklären. Jedoch scheinen die mytholo- Die Sterne des Meschetiu
gischen ägyptischen Texte manchmal widersprüch- Die Form von Meschetiu und die Anzahl der Sterne,
lich. So Þnden wir auf einem Stiersarkophag (Cairo die den Stierschenkel bilden, ist auf den Särgen der
JE 86723), der von Kom Abu Yasin stammt, 30. Dy- IX. bis XI. Dynastie am besten dargestellt. Es wur-
nastie, folgende Inschrift: den sieben Sterne, die sieben Sterne unseres Großen
Wagens, markiert16.
Die Ägypter beobachteten auch die Bewegung dieses
. [...] (...) Sternbilds und die daraus resultierende Veränderung
seiner Stellung am Himmel im Laufe eines Jahres.
. Das beste Beispiel stammt von einem Sarkophag aus
Kom Abu Yasin (Abb. 3). In zwei Registern erscheint
. der Stierschenkel in wechselnder Orientierung. Die
Bilderfolge beginnt in der rechten oberen Ecke. Das
. 14
besagte Feld entspricht dem ersten Monat von Achet.
„Grüße an Osiris, erster Stier, du bist Osiris Stier Von dort aus muss man nach links folgen, sodass di-
des Himmels [...] (...) / Die Sterne des nördlichen ese ersten drei Felder sich auf die Stellung beziehen,
Himmels, sie sind dein Meskhet-Schenkel, sie ver- die das Stierbein am Himmel während dieses ersten
bergen sich nie im westlichen Himmel / wie die De- Monats Achet zu Beginn der Nacht ( ), an Mit-
kanal Sterne, (sie) reisen entgegengesetzt in der ternacht ( ) und bei Morgengrauen ( ) ein-
Nacht, sowie am Tage. / Sie stehen hinter dem groß- nimmt. Weiter nach links folgend, Þnden wir den
en Nilpferd des nördlichen Himmels, wie dein Mesk- Stand von Meschetiu für diese gleichen Zeitpunkte
het-Schenkel, wenn es zum südlichen Himmel wan- der Nacht bis zum zweiten Monat von Peret. Die
dert, in die Nähe der Seelen der Götter, die in Orion Reihe geht weiter im zweiten Register, im Feld rechts
sind“. außen, und vervollständigt so den Rest des Jahres.
Laut letzterem Text wäre also das Stierbein eine Ein einziger Blick zeigt, dass diese Darstellung der
Form von Osiris, etwas absolut inkohärentes mit den verschiedenen Positionen des Mesechtiu im Laufe
vorhergehenden Texten. Aber noch der klassische einer Nacht wesentliche Fehler enthält. Aber inso-
Schriftsteller Plutarch berichtete in „De Iside et Osi- fern sich die Darstellung auf einem Sarkophag beÞn-
ride“ „dass nach ägyptischer Auffassung die Seele det, sollte sie ja auch keinen vollen astronomischen
Abb. 3: Bewegung des Meschetiu in einem Sarkophag aus Kom Abu Yasin, XXX. Dynastie (EAT III, Taf. 24).
13
K. Locher, New Arguments for the Celestial Location of the (Plates) (London 1969) Taf. 24.
Decanal Belt and for the Origin of the $3h-hieroglyph. In: VI 15
Plutarco, Isis y Osiris (Barcelona 1996) 58.
Congresso Internazionale di Egittologia, Atti II (Torino 1993) 16
J. Lull/J.A. Belmonte, A Firmament Above Thebes: Uncover-
280. ing the Constellations of Ancient Egyptians. Journal History of
14
O. Neugebauer/R.A. Parker, Egyptian Astronomical Texts III Astronomy 37, 2006, 377–378.
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Lull, Meschetiu in der Mythologie ägyptischer Tempel
Nutzen haben. Wichtig bleibt die Tatsache, dass die könnte bedeuten, dass mit den ursprünglich sieben
verschiedenen Positionen des Meschetiu durch das Sternen andere Sterne kombiniert wurden, um das
Jahr hindurch dargestellt wurden, denn daraus folgt, Bild eines kompletten Stiers zu erhalten. Vielleicht
dass dieses Sternbild für die alten Ägypter eine be- hat man sich damit begnügt, gewisse Sterne einzube-
sondere Bedeutung hatte. ziehen, die sich als Stierhörner deuten ließen. Der
Ein klares Beispiel dafür bietet die astronomische eiförmige Stierkörper könnte das Produkt der ikono-
Decke von Senenmut, aus der Zeit der Königin Hat- graphischen Verschmelzung des Stierschenkels mit
schepsut. Wie in anderen Beispielen aus der gleichen dem Stierleib sein. Auf jeden Fall ist an verschie-
Epoche ist statt des Stierschenkels ein eiförmiger denen Decken, wie beispielsweise bei Pedamenope,
Stier mit vier kleinen Beinen dargestellt. Das Beson- das Gehörn des Stieres durch eine Reihe von Sternen
dere an dieser Darstellung ist jedoch die Bildung des markiert. Aber es könnte sich auch um einen Zufall
Stierschwanzes aus drei Sternen von denen der letzte handeln, da die Ägypter die gegenseitige Lage von
rot ausgemalt, mit einem roten Kreis umgeben und Sternen nicht genau wiedergegeben haben. In der
überdies durch ein spitzes Objekt markiert ist. Mei- Regel scheint es sich nur um eine dekorative Anord-
ner Meinung nach ist hier der Stern Alkaid hervorge- nung zu handeln, ohne Rücksicht darauf, wie man
hoben. die die Sterne tatsächlich am Himmel sieht.
Ich halte es für möglich, dass das spitze Objekt kein Trotzdem ist Folgendes wahrscheinlich: Wenn man
Gestirn darstellt, sondern ein Gerät zur Beobach- die Orientierung des Stierschenkels berücksichtigt
tung17. Genauer lässt sich das auf der astronomischen und wenn das Stiergehörn bestimmte Sterne abbil-
Decke von Pedamenope (Abb. 4) erkennen, die fast den soll, dann muss es sich um die Sterne 1, 23, 29,
ein Jahrtausend jünger ist als die Darstellung im Se- 30, 25 und 9, 12 von UMa handeln.
nenmut-Grab. Bei Pedamenemope wird das spitze Es lässt sich also nachvollziehen, wie die Ägypter
Objekt als eine Art Pfosten wiedergeben. Es scheint das Sternbild Meschetiu, sowohl in seiner Form als
kein Zufall zu sein, dass die erste der Gottheiten, die Stierschenkel als auch in seiner Form als kompletter
sich links davon beÞnden, ihren rechten Arm erhebt Stier, gesehen und dargestellt haben. (Abb. 5)
und in der Hand etwas fest hält was ein bay sein
könnte, das heißt, ein altägyptisches Visiergerät. Astronomische Orientierung nach Meschetiu
Wenn wir das bay-Gerät mit dem Pfosten und dem Es ist möglich, dass das Sterbild Meschetiu schon
im Grab von Senenmut rot markierten Stern in Ver- während des Alten Reiches dazu diente, Bauwerke
bindung bringen, dann scheint es eindeutig zu sein, zu orientieren. Das Beispiel, um das am meisten ge-
dass der Stern Alkaid anvisiert wurde. Der Zweck stritten wurde, ist die Große Pyramide von Cheops
dieser Visuren könnte die Orientierung von Gebäu- aus der IV. Dynastie.
den gewesen sein; auch die Bestimmung von Meri-
diandurchgängen von Alkaid ist denkbar.
Seit der Epoche um 1500 v.Chr. wurde der Mesche-
tiu anders dargestellt als früher. Diese Tatsache
Abb. 4: Astronomische Decke von Pedamenope, XXVI. Dynas- Abb. 5: Meschetiu und seine Form als Stierschenkel und Stier.
tie. Nach R. H. Wilkinson, JARCE 28, 1991, 154 Abb. 4. GraÞk von J. Lull mit Sky Astronomy Software.
17
J. Lull, La astronomía en el antiguo Egipto (Valencia 2006) 235–241.
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Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008
Unlängst von Dorner18 vorgenommene Messungen von Cheops die gleichzeitige untere Kulmination der
haben ergeben, dass die Abweichung von der Nord- Sterne Megrez (δ UMa) und Phecda (γ UMa) ein
Süd-Achse der Pyramide durchschnittlich –3’06” ausgezeichneter Indikator für die Nordrichtung ge-
beträgt, sodass die Ostseite –3’24” abweicht und der wesen wäre. Vor sechs Jahren machte Spence21 den
Westen –2’48”. Diese Fehler sind an der Grenze der Vorschlag, dass die Nordrichtung aus der oberen
technischen Möglichkeiten mit dem bloßen Auge. Kulmination von Mizar (ζ UMa) und der gleichzei-
Eine Reihe von Löchern, die längs der Pyramide von tigen unteren Kulmination von Kochab (β UMi) ab-
Cheops drei Meter von der Grundßäche entfernt ge- gelesen wurde. (Abb. 6)
graben wurden, scheinen eindeutig zu beweisen, Wenn beide Methoden durch Jahrhunderte hindurch
dass sie dazu benutzt wurden, um Pfosten und Seile angewendet wurden, dann musste es zu einem mit
zu befestigen19, die helfen sollten, die Grundlinien der Zeit anwachsenden Fehler kommen, da sich die
der Pyramide festzulegen, nachdem die genauen Koordinaten der beobachteten Sterne aufgrund der
Himmelsrichtungen bestimmt worden waren. Es ist Präzession änderten. Unter dieser Voraussetzung hat
offensichtlich, dass die Ägypter einzig durch astro- man mit Hilfe von verschiedenen GraÞken versucht,
nomische Kenntnisse die große Pyramide orientie- die Abweichungen in den Nord-Süd-Achsen mit
ren konnten. einer absoluten Chronologie der Pyramiden zu ko-
Es gibt zahlreiche Vorschläge, wie die Ägypter die rellieren22. Aber wenn wir die Orientierungsfehler
Große Pyramide orientiert haben könnten. Bei zwei bei einer größeren Gruppe von Pyramiden betrach-
von diesen Vorschlägen spielt Meschetiu eine Rolle. ten, dann kommen wir zu dem Schluss, dass sie sich
Im Jahr 1952 verwies Pólak20 darauf, dass in der Zeit nicht durch die einheitliche Anwendung einer ein-
Abb. 6: Die Orientierung der Cheops-Pyramide nach Meschetiu, nach Pólak und Spence. Nach Lull (Anm. 17) 296; 299.
18
J. Dorner, Die Absteckung und astronomische Orientierung orientation of pyramids. Nature 408, 2000, 320–324
ägyptischer Pyramiden. Ungedr. Ph.Dr. Dissertation (Innsbruck 22
S. C. Haack, The Astronomical Orientation of the Egyptian
1981) 71 ff. Pyramids. Archaeoastronomy 7, 1984, 119–124; K. Gadré, La
19
M. Haase, Eine Stätte für die Ewigkeit. Der Pyramidenkom- signiÞcation astronomique des pyramides d’Égypte (Château-
plex des Cheops (Mainz 2004) 22. Gontier 1998) 93–114; Spence (Anm. 21) 320–324; ders., An-
20
B. Polák, Astronomická orientace egyptských chrámú a pyra- cient Chronology: Astronomical Orientation of the Pyramids.
mid. Rÿ íše hveÿ zd 33, 1952 (nach J.-Ph. Lauer, Observations sur Nature 412, 2001, 699–700; J.A. Belmonte, On the orientation
les pyramides [Kairo 1960] 117). of the Old Kingdom pyramids. Archaeoastronomy 26, 2001, 1–
21
K. Spence, Ancient Egyptian chronology and the astronomical 20.
90
Lull, Meschetiu in der Mythologie ägyptischer Tempel
zigen Methode erklären lassen. Nach meiner Mei- Teil eines sehr alten Rituals, genannt , das
nung haben die Ägypter bei der Nord-Süd-Ausrich- heißt das „Spannen des Strickes”. Ein gespanntes
tung der Pyramiden nicht immer die gleiche Orien- Seil, sei es nach den Sternen orientiert oder nicht,
tierungsmethode angewendet. diente dazu, die Grundachsen des Tempels festzule-
Meiner Meinung nach gibt es verschiedene Erklä- gen. Wenn wir jetzt auf das schon besprochene Bild
rungsmöglichkeiten für die Nord-Süd-Ausrichtung an der Decke von Pedamenopes Grab zurückkom-
einer Pyramide23. Es kann sich um eine sekundäre men, können wir sehen, wie sich die wichtigsten Be-
Orientierung nach Norden handeln, durch Ausrich- standteile des Rituals zu wiederholen scheinen: eine
tung an einer älteren Pyramide, die ihrerseits bereits Person mit einem bay, ein langer Stab und die astro-
nach Norden orientiert war. Es kann sich um eine nomische Orientierung zum Meschetiu.
primäre Nordorientierung handeln durch Beobach- Der Text von Edfu lässt keine Zweifel: Das Gestirn
tung der Kulmination von bestimmten Zirkumpolar- von Meschetiu, bestehend aus den wichtigsten Ster-
sternen (wie die von Meschetiu). In Frage kommt nen unseres Großen Wagens, diente zur Orientierung
auch die Orientierung aufgrund der Beobachtung der des Tempels. Durch die Messungen, die Belmonte25
Sonne, usw. Die ganz verschiedenen Orientierungs- vor kurzem im Rahmen des Projektes Orientatio ad
Werte beweisen auf jeden Fall, dass es nicht nur eine sidera vorgenommen hat, wissen wir, dass der ptole-
einzige Methode zur Ausrichtung der Pyramiden mäische Horus-Tempel von Edfu eine Ausrichtung
nach den Himmelsrichtungen gab. von 1º 45’ N hat. Dieser Wert kann in verschiedener
Aus der längsten Zeit der altägyptischen Geschichte Weise zustande gekommen sein:
sind keine Texte erhalten, die sich ausdrücklich auf a) eine Ausrichtung nach Norden wurde vorgenom-
die stellare Orientierung von Tempeln und Gräbern men, wobei man sich nach der Flucht eines bereits
beziehen. Aber das muss nicht heißen, dass es keine vorhandenen Gebäudes richtete. Wir wissen, dass
stellaren Orientierungen gegeben hat. Erst in sehr
späten Texten Þnden wir Bemerkungen über die Ori-
entierung von Tempeln in Richtung auf das Sternbild
Meschetiu. So lesen wir zum Beispiel im ptolemä-
ischen Tempel von Edfu, den Ptolemaios III. im Jah-
re 237 v.Chr. gegründet hat (Edfu II, 31):
24
„Ich halte den Stab und nehme den Griff des Schlä-
gels. Ich messe mit Seshat. Ich wende mein Gesicht
zum Lauf der Sterne und mache, dass meine Augen
sich zu Meschetiu richten, / indem Sek-Aha (der In-
dikator der Zeit: Thot) bei seinem Merkhyt ist. Ich
bestimme die vier Ecken des Tempels”.
23
J. Lull, Métodos de alineación astronómica aplicados a la précession de l’axe du monde (Praga 1953) Taf. II.
la orientación de la pirámide de Khufu. Boletín de la Aso- 25
M. Shaltout/J.A. Belmonte, On orientation of ancient
ciación Española de Egiptología 12, 2002, 27–43. Egyptian Temples I: Upper Egypt and Lower Nubia. Jour-
24
Z. Zaba, L’orientation astronomique dans l’ancienne Égypte et nal History of Astronomy 36, 2005, Tab. 1.
91
Acta Praehistorica et Archaeologica 40, 2008
26
Lull (Anm. 17) 336. 28
Hannig (Anm. 1) 11.
27
Zaba (Anm. 24) 59. 29
Shaltout/Belmonte (Anm. 25) 289-291; Lull (Anm. 17) 339.
92