Torsten J. Gerpott*
Duisburg
27. August 2010
Inhaltsverzeichnis
Management-Zusammenfassung .......................................................................................III
1. Ausgangssituation und Untersuchungsfragen............................................................1
2. Analyse der Entwicklung der Wettbewerbsverhältnisse im deutschen
Mobilfunkmarkt bis zur Frequenzauktion 2010........................................................7
3. Anbieterkonzentration und Entwicklungsstand des deutschen Mobilfunk-
marktes im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern................................14
4. Markteintrittstiming und Frequenzlage als Einflussfaktoren des
betriebswirtschaftlichen Erfolgs von Mobilfunknetzbetreibern .............................21
4.1 Ausgangssituation ..............................................................................................21
4.2 Erfolgsunterschiede aufgrund versetzter Zeitpunkte von Vermarktungsstarts......22
4.3 Erfolgsunterschiede aufgrund von Abweichungen bei der Lage anfänglich
zugeteilter GSM-Frequenzen..............................................................................26
5. Auswirkungen der Frequenzversteigerung 2010 auf die Wettbewerbs-
verhältnisse im deutschen Mobilfunkmarkt.............................................................32
5.1 Darstellung der Versteigerungsergebnisse ..........................................................32
5.2 Ökonomische Erklärung der Versteigerungsergebnisse für die
800 MHz-Frequenzen.........................................................................................35
5.3 Auswirkungen der Versteigerungsergebnisse auf die zukünftige
Wettbewerbsentwicklung ...................................................................................40
6. Frequenzpolitische Maßnahmen zum Abbau von Wettbewerbsverzerrungen
infolge der diskriminierenden 900 MHz-Frequenzausstattungen...........................46
Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................49
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ...............................................................................51
Literaturverzeichnis ...........................................................................................................52
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – III – 27.08.10, Gerpott
Management-Zusammenfassung
1. Die von zwei im Oktober 2009 von der Bundesnetzagentur getroffenen Entscheidungen
(Vergaberegeln für Frequenzen für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von Tele-
kommunikationsdiensten, Flexibilisierung der Nutzungsrechte u.a. für die bisherigen
GSM-Frequenzen) ausgehenden Wirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs
im deutschen Mobilfunkmarkt werden unter Unternehmenspraktikern aus dem Telekom-
munikationssektor sowie Wirtschafts- und Rechtswissenschaftlern kontrovers diskutiert.
Gegenstände der Debatten sind die Veränderung der Wettbewerbsverhältnisse in diesem
Markt in der jüngeren Vergangenheit, die gegenwärtige Wettbewerbslage und deren ab-
sehbare Entwicklung in den nächsten Jahren. Dabei geht es insbesondere darum, inwie-
weit die zeitlich gestaffelte Vergabe von GSM-Lizenzen in den 1990er Jahren sowie die
ungleiche Ausstattung der Lizenznehmer in Deutschland mit Frequenzen im 900 MHz-
Bereich bis zur Gegenwart erhebliche Verzerrungen des Wettbewerbs zwischen den vier
Mobilfunknetzbetreibern nach sich ziehen.
3. Auswertungen von bis Anfang 2010 verfügbaren Marktdaten belegen, dass die deutsche
Mobilfunkdivision der Deutschen Telekom (= Deutsche Telekom Mobilfunkbereich
Deutschland [DT MD]) und die deutsche Tochter von Vodafone (= Vodafone D2 [VD2])
auch fast 20 Jahre nach dem Angebotsstart von digitalen Mobilfunkdiensten in Deutsch-
land den Endkundenmarkt gemeinsam beherrschen und sich wechselseitig allenfalls
schwach Konkurrenz machen.
7. Die Vorgehensregeln für die Versteigerung von 30 MHz gepaartem Spektrum im 800
MHz-Bereich, das die Errichtung von UMTS-/LTE-Netzen zum Angebot mobiler Breit-
bandzugänge zum Internet erleichtert, unter den vier Mobilfunknetzbetreibern in Deutsch-
land im zweiten Quartal 2010 waren ungeeignet, um bestehende regulierungsbedingte
Wettbewerbsnachteile der E-Netzbetreiber gegenüber den D-Netzbetreibern auszuglei-
chen.
8. Die Ergebnisse der Versteigerung der 800 MHz-Frequenzen verstärken die Beherrschung
des deutschen Mobilfunkmarktes durch die D-Netzbetreiber bzw. tragen erheblich zur
Verfestigung/Ausweitung ihrer Dominanz bei mobilen Breitbandzugängen und Daten-
diensten bei.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung –V– 27.08.10, Gerpott
9. Aufgrund der zuvor umrissenen Wirkungen verschlechtert die Gestaltung der Auktion
der 800 MHz-Frequenzen in Deutschland die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs im
Mobilfunk insgesamt und insbesondere bei breitbandigen mobilen Datendiensten. Die
Implikationen der 800 MHz-Auktion für die wahrscheinliche Entwicklung von Angebots-
strukturen im deutschen Mobilfunk laufen den Interessen der Endkunden zuwider. Die
drohende Reduktion der Wettbewerbsintensität führt u.a. dazu, dass mobile Datendienste
weniger schnell für die gesamte Bevölkerung verfügbar sein werden und ihre Preise lang-
samer und weniger stark sinken werden als es in einer Situation der Fall wäre, in der kei-
nem der Mobilfunknetzbetreiber eine hinreichende Ausstattung mit Frequenzen unterhalb
von 1 GHz verwehrt wird.
10. Zum Abbau der historischen Wettbewerbsbevorzugungen der D-Netzbetreiber und der
zusätzlich wettbewerbsverzerrenden Gestaltung der Versteigerung von 800 MHz-Fre-
quenzen ebenfalls zugunsten von DT MD und VD2 ist es geboten, dass die Bundesnetz-
agentur von sich aus aktiv ohne weitere Verzögerung die von der EU geforderte Nutzung
von 900 MHz-Frequenzen für UMTS-Angebote durch einen von der Behörde angeordne-
ten Frequenztausch zwischen D- und E-Netzbetreibern sicherstellt. Zur Stärkung des
Wettbewerbs insbesondere bei mobilen Breitbandzugängen in der Fläche genügt es, wenn
die Bundesnetzagentur die D-Netzbetreiber dazu verpflichtet, 3,4 MHz gepaartes Spekt-
rum im 900 MHz-Bereich an E-Plus und T O2 G abzugeben und es den E-Netzbetreibern
auferlegt, die gleiche Menge an 1800 MHz-Frequnzen DT MD und VD2 zur Verfügung
zu stellen. Um Planungssicherheit für Investitionen in UMTS-900- und andere innovative
Mobilfunknetztechniken zu schaffen, ist es sinnvoll, den Frequenztausch mit einer Ver-
längerung der bislang am 31.12.2016 auslaufenden Frequenznutzungsrechte bis zum
31.12.2025 zu verbinden.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung –1– 27.08.10, Gerpott
Die Ausstattung von Mobilfunknetzbetreibern (MFNB) mit Frequenzen hat enorme Bedeu-
tung für die Fähigkeit dieser Unternehmen, sich im Wettbewerb untereinander und gegenüber
Betreibern anderer Netztypen zur Telekommunikation (TK) wirtschaftlich erfolgreich zu be-
haupten. Frequenzen beeinflussen wesentlich die Art und Qualität der Mobilfunkdienste, die
ein Betreiber vermarkten kann, sowie dessen Netzkapazitäten, -investitionen und -betriebs-
kosten. Staatliche Entscheidungen im Hinblick auf Verfahren zur Ausstattung von MFNB mit
zusätzlichem Spektrum und zur Änderung der Einsatzmöglichkeiten von bereits vor längerer
Zeit an Betreiber vergebene Frequenzen werden deshalb zumindest in der Fachöffentlichkeit
mit großem Interesse verfolgt.
In Deutschland wurden im Jahr 2009 von der für die Frequenzregulierung zuständigen Behör-
de, der Bundesnetzagentur (BNetzA), zwei entsprechende Entscheidungen getroffen. Erstens
spezifizierte der Regulierer Regeln für die Zuteilung einer Frequenzmenge von insgesamt
358,8 MHz in den Bereichen 800 MHz, 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz für den drahtlosen
Netzzugang zum Angebot von TK-Diensten in einem integrierten Vergabeverfahren.1 Zwei-
tens traf die Behörde einen Entschluss „zur Flexibilisierung der Frequenznutzungsrechte für
drahtlose Netzzugänge zum Angebot von TK-Diensten in den Bereichen 450 MHz, 900 MHz,
1800 MHz, 2 GHz und 3,5 GHz“2. Beiden Vorgaben kommt sehr hohe Relevanz für die Ent-
wicklung der Angebotsstrukturen und Wettbewerbsintensität auf dem deutschen Mobilfunk-
markt zu, die sich wiederum auf das Preisniveau, die Vielfalt, die Innovativität und die räum-
liche Verfügbarkeit von Mobilfunkdiensten für Privatkunden und Unternehmen in Deutsch-
land auswirken.
1 Bundesnetzagentur (2009b). Zur Kritik dieses Vergabeverfahrens aus juristischer Sicht s. Koenig/Hasen-
kamp (2009a) und (2009b). Mit der Entschließung kam die Bundesnetzagentur im Hinblick auf die Bereit-
stellung von 800 MHz-Frequenzen für drahtlose TK-Netzzugänge der europäischen Kommissionsempfeh-
lung 2009/848/EG vom 28.10.2009 (s. Europäische Kommission 2009b) nach.
2 Bundesnetzagentur (2009a). Mit der zweiten Entscheidung beabsichtigt die Bundesnetzagentur die Richtli-
nie 2009/114/EG vom 16.09.2009 sowie die Kommissionsentscheidung 2009/766/EG vom 16.10.2009 (s.
Europäische Kommission 2009a) in Deutschland umzusetzen. Inwieweit diese Umsetzung als korrekt ein-
zustufen ist, ist strittig.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung –2– 27.08.10, Gerpott
den.3 Bei diesen Frequenzen, die infolge des Übergangs von der analogen zur digitalen Rund-
funkübertragung für TK-Dienste frei wurden und deshalb auch als „digitale Dividende“ cha-
rakterisiert werden, standen einerseits nur sechs gepaarte4 Blöcke a 2 x 5 MHz zur Verfügung.
Andererseits ist das 0,8 GHz-Spektrum für MFNB wirtschaftlich besonders attraktiv, weil es
ihnen aufgrund von Reichweitenvorteilen bei der Ausbreitung von Funkwellen die Errichtung
sowie den Betrieb von UMTS- oder LTE-Netzen der dritten oder vierten Mobilfunkgenerati-
on zum Angebot von Mobilfunkanschlüssen und -datendiensten mit größerer Raumabdeckung
pro Funkzelle bei gleicher Nutzerzahl als bei Spektrum um 2 GHz und damit zu signifikant
niedrigeren Kosten ermöglicht, als sie bei Einsatz der bislang für UMTS-Netze zur Verfügung
stehenden Frequenzen um 2 GHz anfallen würden.5
Konkret strittig war hier, ob die von der BNetzA vorgegebene Beschränkung der 0,8 GHz-
Bietrechte der zwei D-Netzbetreiber auf jeweils zwei Blöcke a 5 MHz gepaartem Spektrum
ausreichen würde, um den beiden E-Netzbetreibern jeweils eine faire Chance zur Ersteigerung
von mindestens zwei Frequenzblöcken im 0,8 GHz-Bereich zu eröffnen und damit ihre bishe-
rigen ökonomischen Nachteile infolge einer geringeren Ausstattung mit Spektrum unterhalb
von 1 GHz zu kompensieren. Während die D-Netzbetreiber nämlich schon seit 1990 über je-
weils 2 x 12,4 MHz-Frequenzen im 0,9 GHz-Bereich für ihre GSM-Netze verfügten, waren
den E-Netzbetreibern erst im Februar 2006 jeweils Nutzungsrechte von 2 x 5 MHz-Spektrum
im 0,9 GHz-GSM-Band zugeteilt worden (s. Tab. 1 zur Frequenzausstattung der vier MFNB
in Deutschland vor Beginn der Frequenzauktion im April 2010).
So äußerte die EU-Kommission in einem Schreiben vom 09.10.2009 Befürchtungen, dass sich
aus dem umrissenen Vergabeverfahren eine „eindeutige Diskrepanz“ zu Lasten der kleineren
E-Netzbetreiber ergeben und deshalb die Chancengleichheit auf dem deutschen Mobilfunk-
markt beeinträchtigt werden könnte. Angesichts dieser Bedenken vereinbarte die EU-Kom-
mission am 21.12.2009 mit der BNetzA, dass die Behörde drei Monate nach Abschluss der
Auktion eine Untersuchung der Wettbewerbsverhältnisse im deutschen Mobilfunkmarkt
durchführen würde, in der insbesondere Auswirkungen der Versteigerungsergebnisse auf die
Wettbewerbssituation sowie die zukünftige Frequenzregulierungspolitik in Deutschland zu
beleuchten sind.6
3 Drei der vier in Deutschland lizenzierten MFNB änderten nach ihrem Marktzutritt z.T. mehrfach ihren Un-
ternehmensnamen. Aus Vereinfachungsgründen wird hier nur der aktuelle Firmenname verwendet – auch
wenn sich die Ausführungen auf Zeiten beziehen, zu denen rechtlich eine abweichende Vorläuferfirmierung
gültig war.
4 Gepaart bedeutet hier, dass in einem Frequenzbereich die Hälfte des Spektrums zum Signaltransport aus
dem Funknetz hin zum mobilen Endgerät (= downlink) und die andere Hälfte zur Übertragung vom Endge-
rät in das Netz (= uplink) verwendet wird.
5 Alternativ machen es die 800 MHz- im Vergleich zu 2 GHz-3G-Frequenzen auch möglich, bei gleicher
Raumabdeckung pro Funkzelle und gleicher Nutzerzahl höhere Bandbreiten zur Verfügung zu stellen. Vgl.
OFCOM (2007), S. 41-46; Bundesnetzagentur (2009b), S. 3686-3689; Analysys Mason (2010), S. 49.
6 Vgl. European Commission (2010), Vol. 1, S. 195.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung –3– 27.08.10, Gerpott
Mobilfunknetzbetreiber
Frequenzbereich DT MD VD2 E-Plus T O2 G
1. 900 MHz gepaart 2 x 12,4 MHz 2 x 12,4 MHz 2 x 5 MHz 2 x 5 MHz
(GSM) [1/1990]a [2/1990] [2/2006] [2/2006]
2. 1800 MHz gepaart 2 x 5 MHz 2 x 5,4 MHz 2 x 17,4 MHz 2 x 17,4 MHz
(GSM) [10/1999] [10/1999] [4/1993] [5/1997]
3. 2000 MHz (UMTS)
– gepaart 2 x 10 MHz 2 x 10 MHz 2 x 10 MHz 2 x 10 MHz
[8/2000] [8/2000] [8/2000] [8/2000]
– ungepaart 1 x 5 MHz 1 x 5 MHz 1 x 5 MHz –
[8/2000] [8/2000] [8/2000] –
Gesamtes Spektrum 59,8 MHz 60,6 MHz 69,8 MHz 64,8 MHz
a) Angabe in eckigen Klammern = Monat/Jahr der Frequenzzuteilung.
Quelle: Bundesnetzagentur, Prof. Gerpott Analysen
Hinsichtlich des zweiten Entscheidungskomplexes – der Öffnung von ursprünglich für GSM-
Netze reservierten Frequenzen für UMTS und nachfolgende Systeme zur mobilen Breitband-
kommunikation7 – wird darüber gestritten, ob und gegebenenfalls in welcher Weise die Aus-
weitung der Nutzungsmöglichkeiten speziell der 0,9 GHz-Frequenzen auf UMTS- oder LTE-
Systeme mit einer Umverteilung von Frequenzen in diesem Band zu verknüpfen ist, um die
Wettbewerbsintensität im deutschen Mobilfunkmarkt nicht zu verringern, sondern möglichst
zu erhöhen. Bei der bestehenden ungleichen Verteilung von bislang für GSM-Systeme reser-
vierten 0,9 GHz-Frequenzen auf die D- und E-Netzbetreiber (s.o. Tab. 1) eröffnet nämlich ein
„Refarming“ ohne Reallokation von 0,9 GHz-Spektrum allein DT MD und VD2 die Option,
einerseits Frequenzen in diesem Band weiterhin für GSM-Sprachdienste zu nutzen, anderer-
seits sie aber auch für UMTS-Datendienste einzusetzen. E-Plus und T O2 G haben diese
Möglichkeit nicht, weil die ihnen bisher zur Verfügung stehende Frequenzmenge von 2 x 5
MHz im 0,9 GHz-Bereich nur genügt, um GSM-Sprachdienste oder UMTS-Datendienste an-
zubieten. Durch die simultane Nutzbarkeit von 0,9 GHz-Frequenzen für GSM-Sprach- und
UMTS-Datendienste werden nur die D-Netzbetreiber, nicht aber die E-Netzbetreiber in die
Lage versetzt, eine flächendeckende und vielfach auch gebäudeinterne Bereitstellung von
mobilen Breitbandanschlüssen für Datendienste mit erheblich niedrigeren Investitionen und
Betriebskosten zu realisieren, als sie bei einem UMTS-Netz anfallen, das die im Jahr 2000
versteigerten Frequenzen im Bereich um 2 GHz einsetzt.8 Bei einer unveränderten 0,9 GHz-
Frequenzzuordnung können somit E-Plus und T O2 G nicht die Effizienzvorteile von UMTS-
Netzen in diesem Spektrumsbereich ausschöpfen und damit bei mobilen Breitbanddatendiens-
ten keinen starken Wettbewerbsdruck auf DT MD und VD2 ausüben. Hierdurch würde ge-
samtwirtschaftlicher Nutzen verschenkt.9 Der Wettbewerb im deutschen Mobilfunkmarkt
würde damit (weiter) durch einen Nachteil der E-Netzbetreiber verzerrt, der nicht aus einer
unterlegenen/schlechteren Unternehmensstrategie/-führung der Anbieter her rührt, sondern al-
lein strukturell durch die ungleiche Ausstattung der vier MFNB mit 900 MHz-Frequenzen
verursacht wird.
Somit machen sowohl die Bedenken der EU-Kommission im Zusammenhang mit den Regeln
der BNetzA vom Oktober 2009 zur Vergabe zusätzlicher Mobilfunkfrequenzen als auch die
Öffnung der Nutzungsrechte von 900 MHz-Frequenzen für UMTS-Angebote und vor allem
die von der BNetzA am 11.08.2010 offiziell angestoßene „Frequenzverteilungsuntersuchung“
Analysen der aktuellen Wettbewerbssituation im deutschen Mobilfunkmarkt erforderlich. Ei-
8 Diese Kostenunterschiede werden auch von der Bundesnetzagentur (2009a), S. 3600-3601 nicht bezweifelt
und vom Bundeskartellamt (2007), S. 38 hervorgehoben. Zur Quantifizierung der Höhe von Kostenunter-
schieden zwischen UMTS-Netzen bei 900 MHz und bei 2 GHz vgl. generell Ovum (2007), S. 31-47. Spe-
ziell für Deutschland bzw. Großbritannien s. Gerpott (2008a), S. 65-77 bzw. OFCOM (2007), S. 5 u. 47-60.
Hingegen sind mit dem Einsatz von (GSM) 1800 MHz-Frequenzen in UMTS-Netzen kaum Kostenvorteile
gegenüber herkömmlichen UMTS-Netzen bei 2 GHz verbunden. Vgl. Pratt/Bellis (2006), S. 30; OFCOM
(2007), S. 42-60.
9 Vgl. Bundesnetzagentur (2008), S. 3656-3657; Neumann (2008), S. 2.
10 Artikel 1, Absatz 2, Satz 1 der Richtlinie 2009/114/EG.
11 Bundesnetzagentur (2009a), S. 3600 u. 3606.
12 Bundesnetzagentur (2009a), S. 3606.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung –5– 27.08.10, Gerpott
Angesichts dieser unbefriedigenden Lage zielt die vorliegende Studie, die eigene frühere, den
Zeitraum von 1990 bis März 2007 abdeckende Untersuchungen in Teilen aktualisiert und in
Teilen erweitert,18 auf die empirisch abgesicherte Beantwortung folgender Fragen:
1. Wie haben sich die Wettbewerbsverhältnisse im deutschen Mobilfunk von Anfang 2007
bis zum Ende des ersten Quartals 2010 entwickelt?19
2. Wie ist die Wettbewerbssituation und der Marktentwicklungsstand im deutschen Mobil-
funk Ende 2009 relativ zu anderen westeuropäischen Ländern einzuordnen?
3. Inwiefern sprechen empirische Indizien dafür, dass bis zur Gegenwart signifikante Wett-
bewerbsverzerrungen durch die zeitlich gestaffelte GSM-Lizenzvergabe und die unter-
schiedliche Ausstattung von MFNB mit Spektrum im 900 MHz-Bereich wirksam sind?
4. Welche Auswirkungen werden die Ergebnisse der Frequenzversteigerung 2010 auf die
Wettbewerbsentwicklung im deutschen Mobilfunk speziell bei breitbandigen mobilen In-
ternetangeboten unter Berücksichtigung der Effekte einer Öffnung der bisherigen 900
MHz-GSM-Frequenzen zunächst für UMTS (a) ohne parallele sowie (b) mit gleichzeiti-
ger Veränderung der Verteilung dieser Frequenzen auf die vier MFNB in Deutschland mit
hoher Wahrscheinlichkeit haben?
5. Durch welche frequenzpolitischen Maßnahmen im 900 MHz-Bereich kann die BNetzA
zur Sicherung und Erhöhung des erreichten Niveaus der Wettbewerbsintensität im deut-
schen Mobilfunk beitragen?
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung –7– 27.08.10, Gerpott
Tab. 2 informiert über die Ausprägungen der umrissenen vier Marktanteilsindikatoren der
MFNB in Deutschland von 2007 bis Ende März 2010. Demnach bauten die beiden E-Netz-
betreiber im betrachteten Zeitraum ihren gemeinsamen Marktanteil bei allen SIM-Karten pro
Jahr durchschnittlich nur um 1,96 Prozentpunkte aus (s. Variable III in Tab. 2). Von Ende
2003 bis Ende 2006 belief sich der gemeinsame SIM-Kartenanteilszuwachs von E-Plus und T
O2 G noch auf 2,13 Prozentpunkte pro Jahr.23 Damit ging er im 27-Monatszeitraum von Ende
2007 bis Ende März 2010 um 7,8% gegenüber dem vorangehenden 36-Monatszeitraum zu-
rück.
Marktanteile in Prozenta
a) SIM-Kartenmarktanteile in den Jahren 2007 bis 2009 jeweils zum Jahresende und für 2010 zum 31.03.2010. Mobil-
funkdiensteumsätze jeweils für das Gesamtjahr 2007, 2008 und 2009. Die Umsatzangabe für 2010 beinhaltet nur das
erste Jahresquartal.
Quelle: Unternehmensangaben, Prof. Gerpott Analysen
I. Postpaid-Kunden/-SIM-Karten
– DT MD 31,0 30,0 30,0 30,0
– VD2 33,1 31,2 28,2 28,8
– E-Plus 30,3 28,6 25,9 25,4
– T O2 G 32,3 28,3 25,2 24,2
II. Prepaid-Kunden/-SIM-Karten
– DT MD 5,0 4,0 4,0 3,0
– VD2 5,5 4,4 4,8 4,2
– E-Plus 6,3 5,9 6,2 6,2
– T O2 G 6,4 5,8 5,8 5,7
III. Kunden/SIM-Karten insgesamt
– DT MD 17,0 15,0 15,0 15,0
– VD2 17,9 16,2 15,8 15,7
– E-Plus 16,6 14,5 13,3 12,7
– T O2 G 19,4 16,9 15,3 14,8
tungsquartalen sich bei DT MD auf 40,0% und bei VD2 auf 23,6% belief, war für E-Plus bzw.
T O2 G nur eine Reduktion um 1,6% bzw. 10,9% zu registrieren.
Insgesamt stützen die Daten in Tab. 2 und 3 die Schlussfolgerung, dass die E-Netzbetreiber in
der jüngeren Vergangenheit ihren SIM-Kartenmarktanteil nur noch geringfügig steigern
konnten. Diese Steigerung ist zurückzuführen auf die Ausrichtung ihrer Vermarktungsbemü-
hungen primär auf Prepaid-Kunden sowie auf stärkere Preissenkungen, als sie von den D-
Netzbetreibern vorgenommen wurden. Beim MFDUA sind die Anteilszuwächse von E-Plus
und T O2 G seit 2007 mit kaum mehr als einem halben Prozentpunkt pro Jahr noch niedriger:
Selbst wenn die E-Netzbetreiber zukünftig den Zuwachs von 0,5 Prozentpunkten pro Jahr
fortsetzen könnten, dauert es rechnerisch noch mehr als 35 Jahre, bis die beiden MFNB zu-
sammen einen MFDUA von 50% und damit die gleiche Anteilssumme wie DT MD und VD2
erreichen würden. Die von der BNetzA vertretene Meinung, dass die kleineren MFNB ihre
Marktanteile in Deutschland rasch und „kontinuierlich ausbauen“24 würden, wird somit durch
aktuelle Marktanalysen nicht gestützt.25
Abb. 1 weist die Ausprägungen der wie eben beschrieben ermittelten UGVI für die vier in
Tab. 2 enthaltenen Marktanteilsindikatoren aus. Demnach hat sich die Anbieterkonzentration
im deutschen Mobilfunkmarkt im Postpaid-Segment von Ende 2007 bis Ende März 2010 von
einem UGVI-Wert von 18,1% um 2,6 Indexpunkte auf 15,5% verringert (s. Abb. 1, oben
links). Bei Prepaid-Karten war der Konzentrationsrückgang mit 9 Indexpunkten im Betrach-
tungszeitraum deutlich stärker (s. Abb. 1, oben rechts). Für den UGVI der Mobilfunkdienste-
umsätze ist ebenfalls nur ein geringer Rückgang zu beobachten (s. Abb. 1, unten rechts). Be-
merkenswert bei den MFDUA ist, dass hier sogar im ersten Quartal 2010 eine leichte Erhö-
hung des UGVI gegenüber dem Vorjahr zu registrieren ist.
Die bislang vorgelegten Marktverhältnisstatistiken bezogen sich auf den digitalen Mobilfunk
in Deutschland insgesamt. Damit fehlt eine separate Betrachtung der UMTS-Marktsituation,
die insbesondere im Hinblick auf den Wettbewerb um Kunden, die mobile Internetanwendun-
gen nachfragen, von Bedeutung ist. Sie wird dadurch erschwert, dass die vier Netzbetreiber in
Deutschland kaum Daten zum Absatz von UMTS-SIM-Karten und zu UMTS-Umsätzen pub-
lizieren. Es existieren lediglich von Marktforschern vorgelegte Schätzungen zu SIM-Karten-
absatzzahlen der vier UMTS-Lizenzinhaber. Danach vermarkteten die Konkurrenten in
26 Der hier verwendete UGVI wird in meiner bis Anfang 2007 reichenden früheren Konzentrationsanalyse als
normierter UGVI bezeichnet; s. Gerpott (2008a), S. 40.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 11 – 27.08.10, Gerpott
10% 10%
Jahr Jahr
2007 2008 2009 Q1/2010 2007 2008 2009 Q1/2010
UGVIa UGVIa
Marktanteilsindikator = Marktanteilsindikator =
SIM-Karten insgesamt Mobilfunkdiensteumsätze
19,4% 18,9%
20% 20%
16,7% 17,0% 16,3%
15,7%
13,7%
12,8%
10% 10%
Jahr Jahr
2007 2008 2009 Q1/2010 2007 2008 2009 Q1/2010
a) UGVI = Ungleichverteilungsindex. Der Index wird wie folgt berechnet: (Summe der quadrierten Marktanteile / 0,25 – 1) •
100. Die Division durch 0,25 wird vorgenommen, da die Summe der quadrierten Marktanteile bei vier Netzbetreibern (und
Gleichverteilung) auf minimal 0,25 sinken kann. Der Index gibt somit die prozentuale Abweichung von dem Konzentra-
tionsindex an, der sich bei gleichen Marktanteilen aller Netzbetreiber ergibt. Höhere UGVI-Werte entsprechen einer höhe-
ren Anbieterkonzentration. Die UGVI für die SIM-Karten beziehen sich jeweils auf das Jahresende bzw. den 31.03.2010.
Die UGVI für die Umsätze decken jeweils ein Kalenderjahr bzw. das erste Quartal 2010 ab.
Quelle: Unternehmensangaben, Prof. Gerpott Analysen
Deutschland bis Ende September 2009, also in den ersten fünf Jahren nach dem Start ihrer
kommerziellen UMTS-Angebote zwischen Mai und August 2004 ca. 23,445 Mio. UMTS-
SIM-Karten. Hiervon entfielen 44,5% auf VD2, 25,5% auf DT MD, 21,8% auf T O2 G und
8,2% auf E-Plus.27 Im März 2007 beliefen sich bei 7,035 Mio. aktivierten UMTS-SIM-Karten
die entsprechenden Anteile auf 52,9% für VD2, 27,1% für DT MD, 13,3% für T O2 G und
6,7% für E-Plus.28 Demnach konnte vor allem T O2 G seinen UMTS-SIM-Kartenmarktanteil
in zweieinhalb Jahren deutlich erhöhen. Weiterhin sind VD2 und DT MD bei der UMTS-Ver-
marktung jedoch merklich stärker als die E-Netzbetreiber. Dieses Marktergebnis spricht da-
27 Die UMTS-SIM-Kartenzahl und -Marktanteile wurden aus Angaben von o.V. (2010), S. 23 berechnet. Vgl.
weiter Bundeskartellamt (2007), S. 36-37.
28 S. Gerpott (2008a), S. 46.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 12 – 27.08.10, Gerpott
für, dass es den beiden Früheinsteigern bislang gelungen ist, ihre Positionsvorteile im GSM-
Geschäft auf den UMTS-Markt zu übertragen.
Ein zuvor ebenfalls noch nicht analysierter Aspekt zur Charakterisierung der Wettbewerbs-
verhältnisse und Anbieterstärken auf dem deutschen Mobilfunkmarkt ist die Profitabilität der
Betreiber, die anhand der Kennzahlen EBITDA und EBITDA-Marge erfasst wird.29 Aus Tab.
4 ist zu entnehmen, dass es zumindest einem der beiden Späteinsteiger, nämlich E-Plus, seit
2007 gelungen ist, bei der EBITDA-Marge mit DT MD annähernd gleichzuziehen.30 Diese
Annäherung bedeutet aber nicht, dass E-Plus im Gesamtmarkt ähnlich profitabel agiert wie
DT MD. Vielmehr konnte E-Plus die EBITDA-Margenverbesserung primär dadurch errei-
chen, dass sich das Unternehmen auf Sprachdiensteangebote für das Prepaid-SIM-Kartenseg-
ment verbunden mit der Erschließung kostengünstiger Massenvertriebskanäle (z.B. ALDI)
über mehrere Marken (z.B. BASE, simyo) beschränkte. Für T O2 G ist hingegen unklar, inwie-
a) EBITDA = Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization. Telefónica O2 Germany weist statt der
EBITDA-Kenngröße nur das OIBDA (= Operating Income Before Depreciation and Amortization) für das gesamte
Geschäft in Deutschland aus, wobei im Betrachtungszeitraum etwa 75% (bzw. 25%) der Telefónica-Umsätze in
Deutschland auf den Mobilfunk-Bereich (Festnetz-Bereich) entfielen. Wegen der eingeschränkten Vergleichbarkeit
der Angaben für Telefónica O2 Germany mit den Werten der anderen drei Netzbetreiber sind die Daten für T O2 G in
Klammern gesetzt.
b) Vodafone berichtet seit 2008 die Kennzahl EBITDA für das deutsche Mobilfunkgeschäft nicht mehr. Die Werte für
Vodafone wurden daher dem „European First Tel Factsheet“ der Credit Suisse vom 08.07.2010 (dort S. 73) und vom
01.10.2008 (dort S. 65) entnommen.
c) EBITDA-Marge = (EBITDA/Mobilfunkumsatz) • 100.
Quelle: Unternehmensangaben, Credit Suisse, Prof. Gerpott Analysen
29 EBITDA = Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization. EBITDA-Marge (in %) =
EBITDA / Umsatz • 100. Diese Marge gibt an, inwieweit ein Unternehmen in der Lage war, über seinen
Auszahlungen für den laufenden Geschäftsbetrieb entsprechenden Umsätzen hinaus weitere Umsätze zu
erwirtschaften, die zur Deckung von Zins-, Steuer-, Investitions-, Dividenden- und Kredittilgungszahlungen
verwendet werden können. Diese Kennzahlen sind auch im Mobilfunksektor zur Profitabilitätsanalyse üb-
lich. Vgl. Credit Suisse (2010), S. 73.
30 Für die Jahre 1998 bis 2006 verfügbare Profitabilitätsdaten zeigen, dass in diesem Zeitraum die EBITDA-
Marge von E-Plus deutlich niedriger lag als die von DT MD. S. Gerpott (2008a), S. 38.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 13 – 27.08.10, Gerpott
weit die in Tab. 4 genannten EBITDA-Margen auch Anfang 2010 tatsächlich noch rund 20
Prozentpunkte niedriger als die Margen der D-Netzbetreiber sind, da das Unternehmen diese
Kennzahl nicht getrennt für sein Mobilfunkgeschäft in Deutschland, sondern nur für seine
deutschen Aktivitäten insgesamt ausweist.
Die von den beiden D-Netzbetreibern jeweils erzielten absoluten EBITDA-Beträge fallen im
gesamten Betrachtungszeitraum in jeder Periode etwa 2,4- bis 3-mal (3,5- bis 7-mal) höher
aus als die Werte von E-Plus (T O2 G). Auch im ersten Quartal 2010 erreichte der von E-Plus
erzielte gesamte Mobilfunkdiensteumsatz (729 Mio. Euro) nicht die Höhe der EBITDA-Be-
träge von DT MD und VD2. Somit erzielen die D-Netzbetreibern bis heute jeweils wesentlich
größere absolute Deckungsbeiträge als die E-Netzbetreiber. Dieser Gewinnvorsprung eröffnet
DT MD und VD2 die Möglichkeit, die beiden wesentlich später in das deutsche Mobilfunkge-
schäft eingetretenen Konkurrenten anzugreifen, um zumindest einen von ihnen aus dem
Markt zu drängen und so die Wettbewerbsintensität in Deutschland (weiter) zum eigenen
Vorteil und zu Lasten der Nachfrager zu verringern.
Als Gesamtergebnis der Betrachtung der aktuellen Wettbewerbsverhältnisse auf dem deut-
schen Mobilfunkmarkt und deren Entwicklung im Zeitablauf bis März 2010 ist festzuhalten,
dass DT MD und VD2 auch fast 20 Jahre nach dem Angebotsstart von digitalen Funktelefon-
diensten in Deutschland den Endkundenmarkt gemeinsam beherrschen und sich gegenseitig
allenfalls schwach Konkurrenz machen.31 Trends, die eine deutliche Veränderung dieser Situ-
ation in absehbarer Zeit wahrscheinlich machen, konnten nicht identifiziert werden.
31 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen für den Betrachtungszeitpunkt Anfang 2007 bzw. Anfang 2009 Bun-
deskartellamt (2007), S. 32, 36 u. 41 bzw. Höffler (2009), S. 232.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 14 – 27.08.10, Gerpott
Abb. 2 ordnet die nationalen UGVI-Werte für SIM-Karten am 31.03.2010 und für Mobil-
funkdiensteumsätze im ersten Quartal 2010 der 16 einbezogenen westeuropäischen Länder in
aufsteigender Reihenfolge.32 Der deutsche Mobilfunkmarkt nimmt hinsichtlich des Ausmaßes
der Ungleichverteilung der SIM-KMA zwischen den MFNB Rang 1333 und der Ungleichver-
teilung der MFDUA Rang 15 unter den 16 Vergleichsländern ein. Der deutsche UGVI-Wert
für SIM-Karten (Mobilfunkdiensteumsätze) ist 5,1-mal (3,7-mal) so hoch wie der entspre-
chende UGVI-Durchschnitt für die drei Länder mit der niedrigsten Anbieterkonzentration.
Die Befunde in Abb. 2 offenbaren, dass in Deutschland der Marktanteilsvorsprung der beiden
früh in den Markt eingetretenen und von Beginn an mit 900 MHz-Frequenzen ausgestatteten
Anbieter DT MD und VD2 auch Anfang 2010 noch viel größer war als der Vorsprung von
MFNB in anderen nationalen Märkten in Westeuropa. Die im internationalen Maßstab hohe
32 In sieben Ländern (Dänemark, Großbritannien, Irland, Italien, Österreich, Schweden und Spanien) wurde
bei den UGVI-Kalkulationen je ein MFNB ausgeschlossen, der ausschließlich über ein UMTS-Netz ver-
fügt. Diese „reinen“ UMTS-Netzbetreiber weisen wegen ihres im März 2010 erst fünf bis sechs Jahre zu-
rückliegenden Vermarktungsstarts geringe SIM-KMA und MFDUA auf. Ihr Einbezug hätte die UGVI der
sechs Länder stark erhöht und die inhaltliche Aussagekraft von UGVI-Vergleichen zwischen Ländern mit
versus ohne „reinem“ UMTS-Neueinsteiger erheblich verringert. Vgl. a. das entsprechende Vorgehen bei
Gerpott (2008a), S. 40-41.
33 Den gleichen Rangplatz belegte Deutschland bei einem Vergleich des UGVI für SIM-KMA zum Stichtag
31.03.2007. S. Gerpott (2008a), S. 41.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 15 – 27.08.10, Gerpott
1. Großbri-
1,1% 1. Dänemark 2,6%
tannien [4]b
2. Belgien [3] 3,1% 2. Finnland 4,1%
a) Zur Berechnung des UGVI (Ungleichverteilungsindex) und seiner inhaltlichen Bedeutung s. die Fußnote a in Abb. 1. Ab-
weichend von den dortigen Ausführungen wird die Summe der quadrierten Marktanteile bei zwei bzw. drei Netzbetreibern
durch 0,5 bzw. 0,33 dividiert, um die Abweichung von dem minimal bei dieser Anbieterzahl möglichen Indexwert zu bestim-
men.
b) In eckigen Klammern wird hinter jedem Land die Zahl der dort Ende März 2010 aktiven und fast durchweg in den 1990er
Jahren gestarteten GSM-Netzbetreiber angegeben. Bei den Marktanteilsindikatoren für die ursprünglich nur als GSM-Netzbe-
treiber agierenden Unternehmen wird nicht nach GSM- bzw. UMTS-SIM-Karten/-Kunden differenziert.
Quelle: Credit Suisse (European First Tel Factsheet vom 08.07.2010), ComReg Ireland, Unternehmensangaben, Prof. Gerpott
Analysen
Ungleichheit der Anbietermarktpositionen kann als ein Indiz dafür gesehen werden, dass in
Deutschland vergleichsweise ungünstige strukturelle und regulative Rahmenbedingungen den
Aufholfortschritt der beiden GSM-1800-Späteinsteiger bis heute enorm beeinträchtigt haben.
34 Abb. 3 enthält keine Angaben für Norwegen und die Schweiz, da die in Abb. 3 gezeigten Werte aus Daten,
die einer Publikation der EU-Kommission (European Commission 2010, Vol. 2, S. 12, 26 u. 112) entnom-
men wurden und die ausschließlich EU-Staaten einbezieht, berechnet wurden.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 17 – 27.08.10, Gerpott
Demnach belegte Deutschland am Ende des dritten Quartals 2009 bei der Postpaid-Karten-
verbreitung keinen Platz im ersten Drittel, sondern lediglich im Mittelfeld der 14 Staaten (s.
Abb. 3, linker Teil). Die Tatsache, dass der Anteil der aus Mobilfunknetzen abgehenden
Sprachminuten an sämtlichem in einem Land 2008 generierten Sprachverkehr in Deutschland
sehr viel niedriger ausfiel als in allen übrigen Vergleichsstaaten (s. Abb. 3, rechter Teil),
spricht ebenfalls dafür, dass die MFNB in Deutschland Sprachtelefonate von Mobilfunkan-
schlüssen generell und als Ersatz für Sprachverbindungen aus Festnetzen im Besonderen bis-
lang wesentlich weniger (preis-)aggressiv vorangetrieben haben als MFNB in anderen west-
europäischen EU-Mitgliedsstaaten. Für Deutschland gegenüber anderen EU-Staaten feststell-
bare niedrige monatliche Durchschnittsumsätze pro SIM-Karte (vgl. oben Tab. 3) sind somit
keineswegs Folge vergleichsweise niedriger deutscher Mobilfunkpreise, sondern der geringen
Nutzungsintensität von Mobilfunkanschlüssen in Deutschland.35
Alles in allem ist somit aufgrund der zuvor diskutierten Vergleichsbefunde festzustellen, dass
der deutsche Mobilfunkmarkt hinsichtlich der Nutzungsintensität von Mobilfunkdiensten/
-anschlüssen generell und von mobilen Sprachtelefonverbindungen im Speziellen als – relativ
zu anderen westeuropäischen Ländermärkten – bestenfalls mittelmäßig, eher aber als schwach
entwickelt einzustufen ist.
Abb. 4 stellt die Ausprägungen der zwei Indikatoren für die Vergleichsländer geordnet in ab-
steigender Reihenfolge dar. Demnach lag in Deutschland am Ende des dritten Quartals 2009
der Anteil der MFNB-Kunden, die ein 3G-fähiges Endgerät mit UMTS-SIM-Karte benutzen,
35 S. die Gegenüberstellungen von ARPU- und „Minutes of Use“-Statistiken für 16 westeuropäische Länder
bei ComReg (2010), S. 58-59.
36 Konkret wurden zur Erstellung von Abb. 4 Marktstatistiken aus folgenden Mobile Communications Europe
Ausgaben/Tabellen entnommen: Nr. 494 (22.06.2009), S. 12-17; Nr. 507 (19.01.2010), S. 14 u. 22-23; Nr.
508 (02.02.2010), S. 21 u. 23; Nr. 511 (16.03.2010), S. 24 u. 27; Nr. 512 (30.03.2010), S. 32; Nr. 513
(27.04.2010), S. 23; Nr. 514 (11.05.2010), S. 25 u. 28; Nr. 515 (25.05.2010), S. 26; Nr. 516 (08.06.2010),
S. 22 u. 28; Nr. 517 (22.06.2010), S. 17 u. 30. Diese Statistiken wurden zusätzlich mit von ComReg (2010),
S. 54 berichteten Daten abgeglichen.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 18 – 27.08.10, Gerpott
a) Mobiler Breitbandzugang = Mobiler Internetzugang mit Endgeräten (Smartphone, Laptop mit integrierter Datenkarte/UMTS-
Modem), die HSPA nutzen können.
b) Stand: 31.03.2009.
c) Schätzwert auf Basis von ComReg Ireland, Document 10/43 (17.06.2010), S. 54.
Quelle: Mobile Communications Europe, Prof. Gerpott Analysen
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 19 – 27.08.10, Gerpott
an sämtlichen aktivierten SIM-Karten bei 21,7%.37 Damit belegte Deutschland unter den 16
betrachteten Ländern den viertletzten Platz (s. Abb. 4, linke Hälfte). Sechs Länder wiesen bei
diesem Indikator im Vergleich zu Deutschland einen um mindestens 10 Prozentpunkte höhe-
ren Wert, also einen sehr großen Vorsprung hinsichtlich der Erschließung des Marktes mit
UMTS-fähigen Endgeräten/-Anschlüssen auf.
Insgesamt sprechen die Daten in Abb. 4 dafür, dass der deutsche Mobilfunkmarkt im Hinblick
auf die Verbreitung von UMTS-Zugängen und damit auch bezüglich der UMTS-Dienstenut-
zung sowie bezüglich der Ausschöpfung der HSPA-Fähigkeit von UMTS-Netzen für mobile
Breitbandzugänge zum Internet Anfang 2010 gegenüber der großen Mehrheit der übrigen
westeuropäischen Staaten weit zurückliegt. Dieses Resultat steht im Einklang mit Befunden
anderer Studien, die Angaben zum Entwicklungsstand des deutschen UMTS-/mobilen Breit-
band-Marktes im internationalen Vergleich zu verschiedenen Betrachtungszeitpunkten von
Ende 2007 bis Ende 2009 beinhalten.39 Weiter ist es konsistent mit Befunden einer Anfang
2010 durchgeführten Erhebung zur Nutzung von Mobilfunknetzen zum Zugriff auf Internet-
dienste, die zeigt, dass in Deutschland diese Nutzung deutlich weniger verbreitet ist und viel
seltener erfolgt als in Österreich und der Schweiz.40
37 Aus Angaben der Bundesnetzagentur (2010b), S. 90 u. 93 ergibt sich für Deutschland zum Stichtag 31.12.
2009 ein entsprechender Wert von 24,0%. Dieser Quervergleich spricht für die Genauigkeit/Qualität der in
Mobile Communications Europe veröffentlichten Marktstatistiken.
38 S. Willmer (2010), S. 4. Vgl. ferner Bundesnetzagentur (2009c), S. 56; European Commission (2010), Vol.
2, S. 70 u. 90-91. Oft wird von mobilem Breitband schon gesprochen, wenn ein Kunde lediglich ein UMTS-
fähiges Endgerät verwendet, unabhängig davon, ob dieses Gerät auch mindestens die Spezifikationen des
UMTS Release 5 erfüllt; s. etwa ITU (2010), S. 94.
39 Vgl. Goldhammer et al. (2008), S. 27; ComReg (2010), S. 54; European Commission (2010), Vol. 2, S. 90-
91; ITU (2010), S. 105-106; Willmer (2010), S. 4.
40 Accenture (2010), S. 8-9.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 20 – 27.08.10, Gerpott
Der neben der Flächendeckung und der gebäudeinternen Verfügbarkeit von Mobilfunknetzen
wichtigste Einflussfaktor der Adoption und der Nutzungsintensität von mobilen Anschlüssen/
-diensten ist der Preis solcher Angebote.41 Nicht zuletzt aus diesem Grund veröffentlichen in-
terstaatliche Institutionen wie die Europäische Kommission, die ITU und die OECD, aber
auch nationale TK-Regulierer wie die irische ComReg häufig länderbezogene Vergleiche der
Preise/Kosten für Kundengruppen mit unterschiedlich umfangreicher Nutzung von Mobil-
funkdiensten. Die Durchsicht aktueller Vergleichsanalysen solcher Institutionen offenbart,
dass in den Jahren 2008 und 2009 sowie im Februar 2010 die Mobilfunkpreise/-kosten für
Prepaid-Kunden, die Mobilfunkdienste in geringem Ausmaß nachfragen, relativ zu den Ent-
gelten, die „low usage“ Kunden in anderen Ländern zu zahlen haben, in Deutschland tenden-
ziell eher niedrig ausfielen. Umgekehrt lagen die deutschen Preise für Kunden mit mittlerer
oder hoher Nutzungsintensität z.T. oder deutlich über den Kosten in den meisten anderen
OECD-Ländern.42 Dieses Ergebnismuster spricht dafür, dass im deutschen Prepaid-Markt (=
„low usage“ Kunden) der von den beiden E-Netzbetreibern ausgehende stärkere Wettbe-
werbsdruck (s.o. Tab. 2 und Abb. 1) zu niedrigeren Endkundenpreisen führt. Im deutschen
Postpaid-Markt (= „medium/high usage“ Kunden) trägt demgegenüber die geringe Wettbe-
werbsintensität zwischen den beiden in diesem Segment besonders dominierenden Anbietern
DT MD und VD243 sowie die deutlich schwächere Position der E-Netzbetreiber zu einem
Preisniveau bei, das relativ zu anderen Industriestaaten als hoch/teuer zu klassifizieren ist.
Weiter gibt es Anhaltspunkte dafür, dass in der jüngeren Vergangenheit die Mobilfunkpreise
in Deutschland weniger stark gesunken sind als typischerweise in den Ländern der EU: So be-
richtet die EU-Kommission, dass über alle EU-Mitglieder hinweg im Jahr 2009 die Kosten für
Mobilfunkdienste je nach Nutzungsausmaß/Kundengruppe und Methodik bei der Bildung von
Dienstekörben zwischen 4,9% und 14,9% gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen sind.44 In
Deutschland verringerte sich der Verbraucherpreisindex für Mobilfunkdienste lediglich von
87,4 Indexpunkten im Jahr 2008 um 2,2 Punkte bzw. 2,5% auf 85,2 Indexpunkte im Jahr
2009.45 Demnach scheint der wettbewerbsbedingte Preisdruck im deutschen Mobilfunk aktu-
ell weniger stark auszufallen als im Durchschnitt aller EU-Staaten.
Als Fazit der Vergleiche kann festgestellt werden, dass gegenwärtig die in Deutschland relativ
zu anderen westeuropäischen Ländern überdurchschnittliche Marktanteilskonzentration auf
einzelne Anbieter (DT MD und VD2) mit einer gegenüber anderen nationalen Märkten gerin-
gen Ausschöpfung der Nutzenpotenziale von 2G- und 3G-Mobilfunknetzen einhergeht.
Speziell für Deutschland vertritt die BNetzA im Hinblick auf das Markteintrittstiming der vier
MFNB47 die Position, dass „mit fortschreitendem Zeitablauf … die Kausalbeziehung zwi-
schen Markteintrittszeitpunkt und Markterfolg an … Überzeugungskraft [verliert]“ und des-
halb im Zusammenhang mit der Öffnung von GSM-Frequenzen im 900 MHz-Bereich für
UMTS- und LTE-Angebote aus der späten GSM-Lizenzerteilung an die E-Netzbetreiber re-
sultierende Nachteile „bei einer effizienzorientierten Betrachtung allmählich in den Hinter-
grund treten [müssen]“48. Weiterhin behauptet die Regulierungsbehörde, „dass die ursprüng-
lich durchaus vorhandenen Kostenunterschiede zwischen den Frequenzausstattungen der D-
und E-Netzbetreiber nach und nach zu einer Restgröße zusammengeschmolzen sind.“49 Leider
versäumt es aber die BNetzA, anders als etwa der britische TK-Regulierer OFCOM,50 detail-
lierte eigene empirische und modellökonomische Analysen zur Untermauerung ihrer Vermu-
46 Vgl. Gerpott (2005), S. 504-508; Gruber (2005), S. 107-108; Brinkmann et al. (2006), S. 13-27; Gerpott
(2008a), S. 27-28, 42, 44-45, 79, 91-92; Neumann (2008), S. 1; Höffler (2009), S. 234; Koenig/Hasenkamp
(2009b), S. 699.
47 Die formellen GSM-Lizenzerteilungszeitpunkte sind für jeden Anbieter Tab. 1 zu entnehmen. Mit der
GSM-Vermarktung startete VD2 im Juni 1992, DT MD im Juli 1992, E-Plus im Mai 1994 und T O2 G im
Oktober 1998. S. Gerpott (2008a), S. 32.
48 Bundesnetzagentur (2009a), S. 3607 (s.a. oben Fußnote 17).
49 Bundesnetzagentur (2009a), S. 3606 (s.a. oben Fußnote 16). Parenthetisch sei angemerkt, dass die Regulie-
rungsbehörde im Hinblick auf Kosteneffekte der Ausstattung von MFNB mit Frequenzen in unterschiedli-
chen Lagen widersprüchlich argumentiert: Einerseits verweist sie auf Kostenvorteile von Netzen im 900
MHz-Bereich gegenüber Infrastrukturen, die Frequenzen um 2 GHz nutzen. Andererseits bestreitet sie Kos-
tenvorteile von 900 MHz- gegenüber 1800 MHz-Netzen. S. Bundesnetzagentur (2009a), S. 3600 versus
3606.
50 S. OFCOM (2007).
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 22 – 27.08.10, Gerpott
Vor diesem Hintergrund ist es geboten, auf Basis aktueller Daten erneut zu untersuchen, in-
wieweit Erfolgsunterschiede zwischen MFNB auch Anfang 2010 noch signifikant durch his-
torische Regulierungsentscheidungen zum Markteintrittstiming und zur Erstausstattung mit
GSM-Frequenzen beeinflusst werden. Wenn sich entsprechende Effekte nachweisen lassen,
dann ist dies ein starker Anhaltspunkt dafür, dass die zitierten Thesen der BNetzA nicht sach-
gerecht sind und folglich frequenzpolitische Maßnahmen zum Abbau bislang fortbestehender
Wettbewerbsverzerrungen zwischen D- und E-Netzbetreibern bzw. zur Förderung von funkti-
onsfähigem Wettbewerb aus ordnungspolitischer Sicht erforderlich sind und aus gesamtwirt-
schaftlicher Sicht mehr Vor- als Nachteile aufweisen.
51 Vgl. etwa Brinkmann et al. (2006) und Gerpott (2008a), S. 48-62 sowie die in der zweiten Publikation ver-
arbeiteten weiteren Studien.
52 S. Gerpott (2008a), S. 51-52.
53 S. Gerpott (2008a), S. 52.
54 S. zum Konstrukt der Pfadabhängigkeit von Absatzprozessen allgemein und zur Anwendung dieses Kon-
struktes auf den deutschen Markt für kabelgebundene Breitbandanschlüsse Bach (2008), S. 49-62 u. 227-
229.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 23 – 27.08.10, Gerpott
70,0% Pearson-
Korrelation
=
60,0% 0,49b
(p < 0,001)
50,0%
40,0%
DT MD
30,0% VD2
20,0%
10,0% E-Plus
T O2 G
Monate seit
GSM-Vermark-
0,0%
tungsstart
100 120 140 160 180 200 220 (am 31.03.2010)
a) Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Niederlande,
Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz und Spanien. In diesen 16 Ländern waren Ende März 2010 ins-
gesamt 49 GSM-Netzbetreiber aktiv. Darüber hinaus gab es in Dänemark, Großbritannien, Irland, Italien, Österreich,
Schweden und Spanien Ende März 2010 je einen aktiven „reinen“ UMTS-/3G-Netzbetreiber, die in Abb. 5 (und 6)
nicht einbezogen sind. Insgesamt agierten zu diesem Zeitpunkt, also in den erfassten Ländern, 56 unabhängige Be-
treiber von Mobilfunknetzen.
b) Bezieht man die sieben „reinen“ UMTS-/3G-Netzbetreiber in die Analyse ein, so erhält man als Pearson-Korrelation
für den 31.03.2010 r = 0,71 (p < 0,001; n = 56).
Verwendet man anstelle des SIM-Kartenanteils den Serviceumsatzanteil eines Anbieters in einem Land als
Marktpositionsindikator, so ergibt sich ohne die „reinen“ UMTS-/3G-Netzbetreiber für das erste Quartal 2010 eine
Pearson-Korrelation von r = 0,49 (p < 0,001; n = 49). Berücksichtigt man zusätzlich die „reinen“ UMTS-/3G-
Netzbetreiber, so beläuft sich r auf 0,70 (p < 0,001; n = 56).
Quelle: Unternehmensangaben, Prof. Gerpott Analysen
lange Zeiträume nicht dazu in der Lage, den SIM-KMA-Vorsprung von Früheinsteigern weit-
gehend aufzuholen.
Ein früherer GSM-Markteintritt verschafft MFNB auch Vorteile im UMTS-Markt, da sie ihre
größere GSM-Kundenbasis sowie damit verbundene positive Netzeffekte und Reputations-
sowie Kostenvorteile aus dem GSM-Geschäft nutzen können, um eigene (GSM-)Bestands-
kunden auf UMTS-Anschlüsse/-Dienste zu überführen und um mit UMTS-Angeboten Neu-
kunden zu akquirieren. Dieser Transfer von Marktmacht und Timingvorteilen aus dem GSM-
in das UMTS-Geschäft spiegelt sich bei den erfassten 49 MFNB, die durchweg neben einer
GSM- auch über eine UMTS-Lizenz verfügen, darin wider, dass ihr prozentualer SIM-Kar-
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 24 – 27.08.10, Gerpott
tenanteil nur im UMTS-Markt55 mit r = 0,57 mit der GSM-Vermarktungszeitspanne, aber le-
diglich mit r = 0,45 mit der UMTS-Vermarktungszeitspanne korreliert.56 In einer multivaria-
ten Regression der UMTS-SIM-KMA erreicht das standardisierte Einflussgewicht (= Beta)
des GSM-Vermarktungszeitraums mit 0,46 (p < 0,001) einen um zwei Drittel höheren Wert
als die UMTS-Vermarktungszeitspanne (Beta = 0,28; p < 0,018). Dies bedeutet, dass GSM-
Lizenzinhaber unabhängig vom Timing ihres UMTS-Angebotsstarts die aus einer frühen bzw.
späten Aufnahme ihrer GSM-Vermarktung resultierenden Vor- bzw. Nachteile auch in gro-
ßem Umfang auf das UMTS-Geschäft in einem nationalen Markt übertragen.
Angesichts der eigenen aktuellen Resultate sowie der generellen wissenschaftlichen Befund-
lage zu Marktanteilseffekten des Eintrittstimings von MFNB ist die o.a. BNetzA-These einer
zumindest ab dem Jahr 2009 angemessenen Vernachlässigbarkeit von Wettbewerbsverzerrun-
gen infolge von zeitlich gestaffelten GSM-Lizenzerteilungsterminen als unhaltbar abzuleh-
nen.
Hohe SIM-KMA in einem nationalen Markt sind für einen MFNB kein Selbstzweck. Sie sind
vielmehr aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Mittel zur Erhöhung der Finanzkraft und Profi-
tabilität des Unternehmens, da eine große Kundenbasis Voraussetzung für die Ausschöpfung
von größenbedingten Potenzialen zur Senkung der durchschnittlichen Investitionen sowie Be-
triebs- und Akquisitionskosten pro SIM-Karte, Sprachverbindungsminute oder Megabyte
übertragener Daten ist. Außerdem erleichtert ein hoher SIM-KMA die Durchsetzung eines
überdurchschnittlichen Preisniveaus für eigene Angebote weitgehend unabhängig vom Ver-
halten der Wettbewerber mit niedrigen SIM-KMA, weil die marginalen Konkurrenten in ei-
nem hinsichtlich der Teilnehmergesamtzahl stagnierenden Markt aufgrund der Bindung von
Kunden an den oder die dominierenden MFNB allenfalls bei erheblich preisgünstigeren An-
geboten die Chance haben, Kunden von Wettbewerbern mit hohen SIM-KMA abzuwerben.57
Zum empirischen Nachweis der Profitabilitätseffekte des SIM-KMA von MFNB wurde die
Korrelation zwischen dieser Marktpositionskennzahl und der EBITDA-Marge als Indikator
der Betriebseffizienz und Innenfinanzierungskraft von Unternehmen herangezogen.58 Hierbei
ist zu beachten, dass dieses Kriterium zwar Anhaltspunkte für die Wirtschaftlichkeit der lau-
fenden Netzbetriebs-, Absatz-, Kundenbetreuungs- und Verwaltungsaktivitäten von MFNB,
nicht aber bezüglich ihrer Netz- oder Frequenzinvestitionen erlaubt, weil letztere den Zähler
(„Earnings“) der Beziehungskennziffer nicht verringern.
55 Dieser Indikator ist wie folgt definiert: Abgesetzte eigene aktivierte UMTS-SIM-Karten / Summe der von
allen MFNB in einem Land abgesetzten aktivierten UMTS-SIM-Karten • 100. Bezugszeitpunkt ist der
30.09.2009. Vgl. zu dieser Variablen auch Gerpott (2008a), S. 59.
56 Fallzahl n = 47, da Angaben für MFNB in Norwegen nicht verfügbar waren. Beide Korrelationen sind mit
einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,1% statistisch signifikant.
57 Vgl. zu den beschriebenen Zusammenhängen auch Brinkmann et al. (2006), S. 22-26.
58 S. zur Interpretation dieses Erfolgsmaßes zusätzlich die Erläuterungen oben in Fußnote 29.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 25 – 27.08.10, Gerpott
Aus Abb. 6 geht hervor, dass zwischen dem SIM-KMA Ende März 2010 und der EBITDA-
Marge im ersten Quartal 2010 bei den einbezogenen 49 GSM-Netzbetreibern eine hohe posi-
tive Korrelation r von 0,60 besteht, die mit einer Irrtumswahrscheinlich von 0,1% als statis-
tisch signifikant einzustufen ist. In einer Regressionsanalyse, in der die EBITDA-Marge
gleichzeitig durch die in Abb. 5 und 6 enthaltenen x-Variablen vorhergesagt wird, weist der
SIM-KMA ein hoch signifikantes Beta-Gewicht von 0,53 (p < 0,001) auf, wohingegen das
50,0% VD2 DT MD
E-Plus
40,0%
30,0%
(T O2 G)
20,0%
10,0%
SIM-Karten-
anteil Ge-
0,0%
samtmarkt
10,0% 20,0% 30,0% 40,0% 50,0% 60,0% 70,0%
31.03.2010
a) Zu den berücksichtigten Ländern und der Zahl der einbezogenen GSM-Netzbetreiber s. Fußnote a in Abb. 5.
b) EBITDA-Marge (in %) = Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization / Umsatz • 100. Die Be-
schriftung für T O2 G ist eingeklammert, weil das Unternehmen eine entsprechende Kennzahl nicht getrennt für seine
Mobilfunkaktivitäten, sondern nur für sein gesamtes TK-Geschäft in Deutschland berichtet; s. Fußnote a in Tab. 4.
c) Bezieht man die „reinen“ UMTS-/3G-Netzbetreiber in die Analyse ein, so erhält man als Pearson-Korrelation für den
31.03.2010 r = 0,73 (p < 0,001; n = 54).
Verwendet man anstelle des SIM-Kartenanteils den Serviceumsatzanteil eines Anbieters in einem Land, so ergibt sich
bei Ausschluss „reiner“ UMTS-/3G-Netzbetreiber für das erste Quartal 2010 eine Pearson-Korrelation von r = 0,65
(p < 0,001; n = 49), realisiert man diesen Ausschluss nicht, so beläuft sich r auf 0,75 (p < 0,001; n = 54).
Quelle: Unternehmensangaben, Prof. Gerpott Analysen
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 26 – 27.08.10, Gerpott
Beta-Gewicht der Zeitspanne seit GSM-Vermarktungsstart mit 0,14 so niedrig ausfällt, dass
es keine signifikante Erklärungskraft (p < 0,317) mehr erlangt.59
Die Zusammenhangsanalysen bestätigen eigene frühere Befunde zur Existenz erheblicher ge-
winnzuträglicher Skalen- und Marktmachteffekte im Geschäftsbetrieb von MFNB für ver-
schiedene Stichtage/Zeitfenster vom dritten Quartal 2004 bis zum ersten Quartal 2007.60 Je
länger die Zeitspanne zwischen dem Vermarktungsstart von GSM-Pionieren und dem Markt-
eintritt von GSM-Folgern ausfällt, desto besser sind die Chancen der Früheinsteiger, zunächst
mehr Kunden(marktanteile) zu akquirieren als die Folger und auch später die Kunden zu bin-
den sowie auf UMTS-Angebote zu migrieren. Konsequenz dieser Marktanteilseffekte ist wie-
derum, dass Pioniere bis heute höhere Gewinnmargen (und absolut höhere Gewinne) realisie-
ren können als Folger, was wiederum z.B. über Investitionen in den Netzausbau eine kreis-
laufhafte stabilisierende Rückkopplungswirkung auf den SIM-KMA der Früheinsteiger hat.
Dabei wirkt sich die Zeitspanne seit dem GSM-Vermarktungsstart ausschließlich mittelbar
primär über ihren Einfluss auf den SIM-KMA (r = 0,49; s.o. Abb. 5) und nachrangig über ih-
ren Effekt auf die absolute Kundenbasis/Auslastungsverbesserung61 von MFNB, die als
GSM-Anbieter gestartet sind, auf deren EBITDA-Marge bzw. Betriebseffizienz aus.
4.3 Erfolgsunterschiede aufgrund von Abweichungen bei der Lage anfänglich zugeteil-
ter GSM-Frequenzen
Bei der Vergabe von nationalen GSM-Lizenzen ab Ende der 1980er Jahre war zunächst in den
westeuropäischen Ländern nur Spektrum im 900 MHz-Bereich verfügbar. GSM-Marktein-
trittspioniere in einem nationalen Markt wurden deshalb mit 900 MHz-Frequenzen ausgestat-
tet. Bei später realisierten GSM-Lizenzzuteilungen stand dann kein 900 MHz-Spektrum mehr,
aber dafür Spektrum um 1800 MHz zur Verfügung, das pro Land an zumeist ein bis zwei
Folger vergeben wurde. Die Unterschiede in der Lage der GSM-Frequenzen von MFNB wir-
ken sich auf die Netzbetriebskosten und die Qualität der Angebote der Unternehmen aus. Auf-
grund der größeren Ausbreitungsreichweite von Funkwellen im Bereich 900 MHz im Ver-
gleich zu 1800 MHz haben GSM-900-Lizenzinhaber – selbst wenn ihre Kundenzahlen und
Geländebedingungen denen der GSM-1800-Wettbewerber entsprechen – i.d.R. vor allem in
dünn besiedelten Regionen eine kleinere Basisstationszahl zu betreiben und mit ihrem Trans-
portnetz zu verbinden als GSM-1800-MFNB. Außerdem sind 900 MHz-Frequenzen gegen-
über 1800 MHz-Frequenzen „better at penetrating deeper into buildings.“62 Daher können
59 Materiell übereinstimmende Ergebnisse erhält man, wenn die zeitliche Ausrichtung der Analysen vom ers-
ten Quartal 2010/31.03.2010 auf das Jahr 2009/den 31.12.2009 verlagert wird.
60 S. Gerpott (2005), S. 506-507 und (2008a), S. 53-55.
61 Die Korrelation zwischen der Zeitspanne seit GSM-Vermarktungsbeginn und der absoluten SIM-Karten-
zahl am 31.03.2010 beläuft sich auf r = 0,23 (p ≤ 0,06, n = 49).
62 OFCOM (2007), S. 43.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 27 – 27.08.10, Gerpott
GSM-1800-MFNB, die – wie in Deutschland (s.o. Tab. 1) – über eine absolut größere Anzahl
von Frequenzen verfügten, auch in Ballungszentren mit hohen Netzkapazitätsanforderungen
aus diesem Mengenvorsprung nur schwer einen Netzinvestitionsvorteil realisieren, weil sie
zur gebäudeinternen Funkversorgung von GSM-1800-Endgeräten, die mit niedrigerer Sende-
leistung als GSM-900-Terminals operieren, schon bei nicht ausgeschöpfter Kapazität einer
Funkzelle zusätzliche Basisstationen zur Gebäudedurchdringung aufzubauen haben. Folglich
benötigen sie auch in dicht besiedelten Regionen zumeist mindestens die gleiche Menge an
Basisstationen wie GSM-900-Wettbewerber.63
Die Ergebnisse in Tab. 5 bestätigen die Befunde früherer Arbeiten für aktuellere Betrach-
tungszeitpunkte/-räume. Unterstützt durch einen früheren Vermarktungsstart (s. Variablen 1
und 2 in Tab. 5) erreichten GSM-900-Wettbewerber im Vergleich zu GSM-1800-Anbietern
einen signifikant
– um 16,5 Prozentpunkte höheren MFDUA im ersten Quartal 2010 (s. Variable 3 in Tab.
5),
– um 14,5 Prozentpunkte höheren SIM-Kartenanteil an der Gesamtzahl aller aktivierten
GSM- und UMTS-SIM-Karten am 31.03.2010 (s. Variable 4 in Tab. 5),
– um 22,5 Prozentpunkte höheren SIM-Kartenanteil an der Gesamtzahl aller aktivierten
UMTS-SIM-Karten am 30.09.2009 (s. Variable 6 in Tab. 5),
– um 9,3 Prozentpunkte höheren UMTS-Anteil an sämtlichen eigenen aktivierten SIM-
Karten am 30.09.2009 (s. Variable 7 in Tab. 5).
GSM-900-Netzbetreibera GSM-1800-Netzbetreibera
Netzbetreibermerkmale M S n M S n
b) Die Merkmale Nr. 2, 6, 7 und 8 konnten für Netzbetreiber in Norwegen nicht bestimmt werden. Deshalb reduziert
sich die Fallzahl von 49 auf 47 Netzbetreiber.
Quelle: Unternehmensangaben, Prof. Gerpott Analysen
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 29 – 27.08.10, Gerpott
Hingegen unterschied sich die mittels des monatlichen ARPU im ersten Quartal 2010 erfasste
allgemeine Qualität der Kundenbasis zwischen den beiden Teilgruppen in der Stichprobe
nicht signifikant (s. Variable 8 in Tab. 5). Für 17 als GSM-900-Anbieter und 10 als GSM-
1800-Netzbetreiber gestartete Unternehmen konnte als spezieller Kundenqualitätsaspekt der
Anteil des mit Datendiensten (SMS, mobiler Internetzugang) erzielten ARPU am gesamten
ARPU im ersten Quartal 2010 ermittelt werden (s. Variable 9 in Tab. 5). Auch hier war der
Unterschied zwischen den beiden Anbietertypen mit 3,7 Prozentpunkten zugunsten der GSM-
900-Frequenzinhaber relativ klein, erreichte aber mit einer 10%igen Irrtumswahrscheinlich-
keit noch statistische Signifikanz.
Aufgrund der Marktmachtunterschiede in Tab. 5 und der zuvor nachgewiesenen Effekte der
relativen Wettbewerbsposition von MFNB auf deren EBITDA-Marge überrascht es nicht,
dass von den GSM-900 MHz-Lizenzinhabern im ersten Quartal 2010 bei der EBITDA-Marge
ein hoch signifikanter (p < 0,001) Vorsprung von 9,5 Prozentpunkten erzielt wurde (s. Variab-
le 10 in Tab. 5).
Offen bleibt bei den bivariaten Vergleichen in Tab. 5 allerdings, inwieweit für die ursprüngli-
che Frequenzlage von GSM-MFNB auch dann noch eigenständige Effekte auf Markterfolgs-
indikatoren nachweisbar sind, wenn man zuvor die Wirkungen von Unterschieden im Markt-
eintrittstiming (s. Variable 1 in Tab. 5) auf Marktanteilskriterien sowie zusätzlich von unter-
schiedlichen Marktanteilen und absoluten Kundenbeständen (s. Variablen 4 und 5 in Tab. 5)
auf die EBITDA-Marge statistisch neutralisiert. Um zu klären, ob solche zusätzlichen Wir-
kungen nachweisbar sind, wurden vier Regressionsgleichungen für Marktanteilsindikatoren
(s. Modelle I bis IV in Tab. 6) und zwei Regressionen für die EBITDA-Marge in unterschied-
lichen Zeitabschnitten (s. Modelle V und VI in Tab. 6) für die Stichprobe der 49 als GSM-
Netzbetreiber gestarteten Unternehmen geschätzt.
Aus den Regressionsmodellen I bis IV in Tab. 6 ergibt sich, dass die GSM-Frequenzlage von
MFNB (s. dort Variable 4) auch dann, wenn die Anbieter einen identischen Vermarktungs-
zeitraum haben, sich dergestalt auf Marktanteilskriterien auswirkt, dass GSM-900-Betreiber
jeweils signifikant (p < 0,001) höhere Marktanteile als ihre GSM-1800-Konkurrenten errei-
chen. Weiter belegen die Regressionsmodelle V und VI, dass die GSM-Frequenzlage eines
Unternehmens selbst nach Neutralisierung von Profitabilitätseffekten des Vermarktungszeit-
raums, des absoluten SIM-Kartenbestands als Betriebsgrößenmaß und des SIM-KMA als
Marktmachtindikator einen signifikanten (p < 0,05) zusätzlichen Einfluss auf die EBITDA-
Marge im Jahr 2009 sowie im ersten Quartal 2010 hat: Gemäß den Regressionsgleichungen
lag die EBITDA-Marge eines MFNB, der anfänglich mit GSM-1800-Frequenzen ausgestattet
wurde, im Jahr 2009 bzw. ersten Quartal 2010 auch dann im Durchschnitt um 6,3 Prozent-
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 30 – 27.08.10, Gerpott
Abhängige Erfolgskriteriena
SIM-Karten- Mobilfunk-
marktanteil diensteumsatzanteil EBITDA-Marge
GSM plus Nur Erstes Erstes
UMTS UMTS Quartal Quartal
31.03.2010 30.09.2009 2009 2010 2009 2010
Erklärende Variablen [Modell I] [Modell II] [Modell III] [Modell IV] [Modell V] [Modell VI]
b) Zeitspanne seit GSM-Vermarktungsbeginn in den Modellen I und III–VI. Zeitspanne seit UMTS-Vermarktungsbeginn im
Modell II.
c) Absolute Zahl der aktivierten SIM-Karten am 31.12.2009 in Modell V bzw. am 31.03.2010 in Modell VI.
d) Prozentualer Anteil der aktivierten SIM-Karten an sämtlichen in einem nationalen Markt aktivierten SIM-Karten am 31.12.
2009 in Modell V bzw. am 31.03.2010 in Modell VI.
e) 0 = MFNB, der mit 900 MHz-Frequenzen gestartet ist. 1 = MFNB, der mit 1800 MHz-Frequenzen gestartet ist.
Quelle: Unternehmensangaben, Prof. Gerpott Analysen
punkte bzw. 5,4 Prozentpunkte unter der Marge eines GSM-900-Wettbewerbers, wenn die
Unternehmen ansonsten hinsichtlich ihres Vermarktungszeitraums, Bestands an aktivierten
SIM-Karten und SIM-KMA sich nicht unterschieden hätten.
fügbarkeitsgründen nicht umgehbaren Rückgriff auf die EBITDA-Marge als Kennzahl be-
triebswirtschaftlicher Effizienz.
Alles in allem sprechen die hier vorgelegten empirischen Fakten klar dafür, dass – anders als
von der BNetzA unterstellt65 – von einem merklichen Abschmelzen von Kosten- und Umsatz-
nachteilen aufgrund der Erstausstattung von GSM-MFNB mit 1800 MHz-Frequenzen relativ
zu GSM-900-Wettbewerbern bis heute nicht die Rede sein kann.
Da nun im Mai 2010 zusätzliches Spektrum im Umfang von insgesamt 358,8 MHz an die vier
MFNB in Deutschland per Auktion vergeben wurde, stellen sich die Fragen, inwieweit die
BNetzA durch die Gestaltung der Auktionsregeln den bis Anfang 2010 klar nachweisbaren
Wettbewerbsstörungen entgegengewirkt hat und welche Auswirkungen die durch die Wahl
der Auktionsregeln von der BNetzA weitgehend vorher bestimmten Versteigerungsergebnisse
auf die zukünftige Evolution der Wettbewerbsverhältnisse im deutschen Mobilfunkmarkt
wahrscheinlich haben werden. Dabei sind von den im Mai 2010 zugeteilten Frequenzblöcken
in erster Linie die sechs gepaarten 5-MHz-Blöcke aus der digitalen Dividende im 800 MHz-
Bereich aufgrund ihrer physikalischen Funkwellenausbreitungseigenschaften dazu geeignet,
die zugunsten der beiden D-Netzbetreiber bestehenden Wettbewerbsdiskriminierungen abzu-
bauen (vgl. oben Kap. 1). Deshalb konzentriert sich die nachfolgende ökonomische Erklärung
der Auktionsergebnisse und Analyse ihrer Wettbewerbsimplikationen auf das Spektrum um
800 MHz.
66 Einstufig bedeutet hier, dass stets für sämtliche zur Disposition stehenden Frequenzblöcke geboten werden
kann und nicht erst das Endergebnis für eine Teilmenge von Blöcken abgewartet wird, bevor verbleibende
Blöcke auktioniert werden. Eine Mehrrunden-Auktion ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder Teilnehmer
sich in Kenntnis des bisherigen Höchstgebots anderer Konkurrenten wiederholt um einen Frequenzblock
mit ansteigenden Geboten bemühen kann. Für eine Höchstgebotsauktion ist charakteristisch, dass so lange
gesteigert wird, bis keine höheren Gebote mehr eingehen und dass für das zu vergebene Gut als Preis der
Betrag des Höchstgebots (und nicht etwa wie bei verdeckten Auktionen des zweithöchsten Gebots) vom
Erwerber zu zahlen ist.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 33 – 27.08.10, Gerpott
diglich die vier bereits in Deutschland aktiven und mit GSM- sowie UMTS-Lizenzen ausge-
statteten Unternehmen auf. Ein Unternehmen, das im Vorfeld der Versteigerung sein Teil-
nahmeinteresse signalisiert hatte, verzichtete letztlich auf die Beteiligung an der Frequenzauk-
tion. Ein weiterer Bewerber, die Airdata AG, wurde von der BNetzA nicht zur Versteigerung
zugelassen, weil es nach Meinung der Behörde nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für ei-
ne Frequenzzuteilung erfüllte.67 Die Tatsache, dass lediglich die vier etablierten MFNB als
Bieter bei der Auktion auftraten, zeigt, dass im Mobilfunkgeschäft hohe Markteintrittsbarrie-
ren bestehen und es deshalb auch bei zukünftigen Frequenzvergaben für den Mobilfunk in
Deutschland keine Wettbewerbsintensivierung durch neue Anbieter geben wird.
Die Zuteilungslaufzeit wurde für alle Frequenzen unabhängig von ihrer Lage bis zum 31.12.
2025 befristet. Die Frequenzen in den Bereichen 1,8 GHz, 2 GHz und 2,6 GHz wurden mit
einer Versorgungsauflage von mindestens 25% der Bevölkerung ab dem 01.01.2014 und von
mindestens 50% ab dem 01.01.2016 versehen. Für die 800 MHz-Frequenzen wurde die Ver-
pflichtung vorgegeben, in allen Bundesländern einen Versorgungsgrad von mindestens 90%
der Bevölkerung in von den Ländern benannten Städten und Gemeinden, die als bislang nicht
hinreichend mit Breitbandzugängen versorgt gelten, mit 800 MHz-Netzen ab dem 01.01.2016
zu erreichen. Diese Ausbauverpflichtung reduziert sich um den Anteil der Bevölkerung in den
relevanten Orten, den bis Ende 2015 durch andere Unternehmen oder Technologien ein Breit-
bandanschluss angeboten wird, der dem mobilen Zugang über 800 MHz-Technik mindestens
gleichwertig ist. Zudem ist ab dem 01.01.2016 ein bundesweiter Versorgungsgrad der Bevöl-
kerung von mindestens 50% von jedem Inhaber von 800 MHz-Frequenznutzungsrechten zu
realisieren. Keine der Frequenzzuteilungen wurde mit nationalen Roaming-Auflagen oder
weiteren Verpflichtungen zur Gewährleistung eines offenen Netzzugangs für andere TK-Un-
ternehmen verknüpft.68
Die ersteigerbare Spektrumsmenge je Bieter (= „spectrum cap“) wurde im Bereich 800 MHz
auf zwei gepaarte Blöcke a 5 MHz für jeden D-Netzbetreiber, auf drei Blöcke für jeden E-
Netzbetreiber und vier Blöcke für etwaige weitere Auktionsteilnehmer begrenzt. Damit stan-
den de facto zu Beginn der Versteigerung Bietrechte für zehn 800 MHz-Blöcke sechs zu ver-
gebenden 800 MHz-Frequenzpaketen gegenüber. Spektrumskappen für die übrigen Bereiche
wurden nicht festgelegt.69
Tab. 7: Ergebnisse der Versteigerung von Frequenzen für den drahtlosen Netzzugang zum
Angebot von Telekommunikationsdiensten am 20.05.2010 (in Tsd. Euro)
Ersteigernder Mobilfunknetzbetreiber
Zeilen-
Frequenzbereicha DT MD VD2 E-Plus T O2 G gesamt
0,8 GHz Absoluter 1.153.798 1.210.322 – 1.212.355 3.576.475
[60,0 MHz] Preis [20 MHz] [20 MHz] [20 MHz]
Preis pro 57.690 60.516 – 60.618 59.608
MHz
Die Versteigerung begann am 12.04.2010. Sie endete nach 27 Versteigerungstagen und 224
Auktionsrunden am 20.05.2010. Für die zur Disposition stehenden Frequenzen wurden von
den vier MFNB insgesamt 4,38 Mrd. Euro gezahlt.70 Tab. 7 informiert über die Frequenz-
menge, die von den Bietern in den Bereichen 800 MHz, 1800 MHz, 2 GHz und 2,6 GHz je-
weils ersteigert wurden. Sie zeigt außerdem die Preise, die von den MFNB jeweils für das von
ihnen ersteigerte Spektrum absolut und pro MHz entrichtet wurden. Demnach erwarben die
D-Netzbetreiber DT MD bzw. VD2 Nutzungsrechte für insgesamt 95 MHz bzw. 94,9 MHz. T
O2 G ersteigerte 99,1 MHz. E-Plus erhielt den Zuschlag für 69,8 MHz und akquirierte damit
eine deutlich kleinere Spektrumsmenge als die übrigen drei Konkurrenten. In jedem der vier
Frequenzbereiche gab es mindestens einen Bieter, der eine größere Menge an Spektrum als E-
Plus erwarb.
70 Zur Einordnung der Höhe der Auktionserlöse 2010 pro MHz und Einwohner in Deutschland im Vergleich
zu anderen Ländern s. Thillien (2010), S. 5.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 35 – 27.08.10, Gerpott
81,6% der gesamten Auktionserlöse entfielen auf die Spektrumsmenge von 60 MHz aus der
digitalen Dividende im 800 MHz-Bereich. Diese Frequenzen werden als besonders geeignet
zur kostengünstigen Versorgung dünn besiedelter Regionen mit mobilen Breitbandzugängen
eingestuft. Sie haben außerdem in UMTS-/LTE-Infrastrukturen den Vorteil, dass sie es in
städtischen Gebieten ermöglichen „to offer higher data rate services to a much wider coverage
area (particularly out-doors in built-up areas or inside buildings) when using the same number
of cell sites as an operator using higher frequencies.“71 Der pro MHz-Spektrum aus der digita-
len Dividende durchschnittlich von den erfolgreichen Bietern gezahlte Preis liegt um den Fak-
tor 9,7 bis 32,9 höher als der Erlös pro MHz in den drei anderen Frequenzfenstern oberhalb
von 1 GHz. Dieser Preisunterschied spiegelt die hohe Bedeutung wider, welche die MFNB
den 800 MHz-Frequenzen für die Sicherung und den Ausbau von Wettbewerbsvorteilen bei-
messen.
Wie aus Tab. 7 hervorgeht, schöpften die D-Netzbetreiber jeweils die ihnen auferlegte 800
MHz-Spektrumskappe von zwei Blöcken a 5 MHz gepaarten Frequenzen voll aus. Die nicht
von den D-Netzbetreibern ersteigerbare restliche 800 MHz-Spektrumsmenge von zwei ge-
paarten 5 MHz-Blöcken sicherte sich T O2 G. Der zweite in Deutschland agierende E-Netzbe-
treiber, E-Plus, gab zwar bis zur Auktionsrunde 220 auf mindestens einen 800 MHz-Block
ein Höchstgebot ab, konnte letztlich jedoch keine 800 MHz-Frequenzen ersteigern.
Erstens verfügen DT MD und VD2 infolge ihrer Bevorzugung bei den GSM-Frequenzver-
gabeterminen und bei der Ausstattung mit 900 MHz-Frequenzen im Vergleich zu den E-Netz-
betreibern über eine deutlich größere Kundenzahl sowie bessere Kundenqualität und insbe-
sondere über einen Vorsprung im Geschäft mit mobilen Breitbanddatendiensten. Deshalb ha-
ben die D-Netzbetreiber auf der Marktseite im Vergleich zu E-Plus und T O2 G die Möglich-
keit, eine absolut größere Zahl von Bestandskunden, die relativ zum Marktdurchschnitt einen
hohen, oft geschäftlich hervorgerufenen mobilen Kommunikationsbedarf, eine daraus resul-
tierende hohe Preistoleranz und einen hohen Umsatz aufweisen, auf 800 MHz-Netze zu über-
führen, und eine größere Chance zusätzliche Kunden mit Interesse an mobilen Internetdiens-
ten zu akquirieren. Folglich dürfen sie aus 800 MHz-Netzen höhere Umsätze und
Deckungsbeiträge erwarten als die E-Netzbetreiber. Auf der Netzseite ergeben sich für DT
MD und VD2 durch Verteilung der Kosten einer 800 MHz-Infrastruktur, die von der
Kundenzahl und der Verkehrsmenge unabhängig anfallen, aus den größeren
Marktanteilen/Kundenzahlen niedrigere Durchschnittskosten pro Kunde, als sie von den E-
Netzbetreibern zu tragen sind. Vergleichsweise höhere Umsatz- und niedrigere
Kostenerwartungen für 800 MHz-Netze führen dazu, dass der Barwert der Zahlungsströme
dieser Netze für die D-Netzbetreiber größer ist als für die E-Netzbetreiber. Anders formuliert
fällt der gerade noch vertretbare Maximalpreis für 800 MHz-Frequenzblöcke für die D-
Netzbetreiber höher aus als für die E-Netzbetreiber, wenn man strategische Bietmotive wie
die Verdrängung eines Mitbewerbers im nachgelagerten Mobilfunkendkundengeschäft außer
Acht lässt.76
Zweitens eröffnete sich exklusiv für die D-Netzbetreiber durch Ersteigerung von je zwei Blö-
cken a 5 MHz gepaartem Spektrum im 800 MHz-Bereich die Möglichkeit, darauf hinzuwir-
ken, dass nach der Auktion ein Wettbewerber nicht über eine Frequenzmenge von mehr als 5
MHz im Bereich unterhalb von 1 GHz verfügen würde. Da aber deutlich mehr als 5 MHz an
„Flächenfrequenzen“77 technisch erforderlich sind,78 um mit diesen Frequenzen parallel
Sprach- und Datendienste anbieten zu können, waren die D-Netzbetreiber durch die Aus-
schöpfung ihrer 800 MHz-Bietrechte dazu in der Lage, auch Anreize für die E-Netzbetreiber
zu schaffen, jeweils auf die verbleibenden zwei 800 MHz-Blöcke zu bieten, um durch Erstei-
gerung des Restspektrums den anderen E-Konkurrenten komplett aus dem 800 MHz-Fre-
quenzbereich herauszuhalten. Ein solches Auktionsergebnis hat für die drei erfolgreichen 800
MHz-Bieter den Vorteil, dass sie es einem der GSM-Späteinsteiger stark erschweren, eine
signifikante Marktposition im Geschäft mit mobilen Datendiensten aufzubauen. Die E-Netz-
betreiber hatten diese Option nicht. Selbst wenn E-Plus und T O2 G jeweils drei der sechs zu
vergebenden 800 MHz-Blöcke ersteigert hätten, wären die D-Netzbetreiber durch ein Refarm-
ing ihrer 900 MHz-Frequenzen für UMTS dazu in der Lage gewesen, UMTS-900-Netze auf-
zubauen und so eine Netzkosten- und -abdeckungsposition zu erreichen, welche derjenigen
der kleineren Konkurrenten mindestens ebenbürtig ist.
76 Vgl. auch die etwas pauschalere, aber im Ergebnis übereinstimmende Argumentation von Höffler (2009), S.
233.
77 Vgl. Bundesnetzagentur (2008), S. 3657 und (2009a), S. 3590.
78 S. Gerpott (2008a), S. 77. Vor der Auktion verfügten die E-Netzbetreiber jeweils nur über 5 MHz gepaartes
Spektrum im 900 MHz-Bereich. S. oben Tab. 1.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 37 – 27.08.10, Gerpott
Für jeden der beiden D-Netzbetreiber war es aus den zuvor dargelegten Gründen nicht nur
ökonomisch rational, ihre Spektrumskappen bei 800 MHz auszuschöpfen. Sie besaßen dar-
über hinaus neben der Motivation auch die Fähigkeiten zu einem solchen Bietverhalten. Ers-
tens konnten sie durch ihren früheren Markteintritt und die bessere Ausstattung mit 900 MHz-
Frequenzen erheblich höhere Gewinne akkumulieren als die E-Netzbetreiber.79 Zweitens sind
DT MD und VD2 jeweils Tochterunternehmen großer international tätiger Konzerne mit einer
absoluten Finanzkraft, die sie in die Lage versetzt, auch hohe Beträge zur Frequenzersteige-
rung aufzubringen. Zwar werden auch die beiden E-Netzbetreiber von Muttergesellschaften
gesteuert, die nicht nur in Deutschland aktiv sind. Wie aus Tab. 8 entnommen werden kann,
ist aber zumindest die niederländliche E-Plus-Muttergesellschaft, KPN, deutlich kleiner als
die Konzerne, in die DT MD und VD2 integriert sind. Damit durften die beiden D-Netzbe-
treiber erwarten, dass sie allein schon aufgrund ihrer überlegenen Finanzkraft dazu fähig sein
würden, bei den 800 MHz-Blöcken in einem eventuellen Bieterwettstreit mit E-Plus zu obsie-
gen.
Muttergesellschaft
Deutsche
Telekom Vodafonea KPN Telefónica
Kennzahl (Deutschland)b (Großbritannien) (Niederlande) (Spanien)
a) Zeitraum 01.04.2009–31.03.2010. Die Kennzahlen 1, 2, 5 und 6 wurden mit dem Mittelwert der Wechselkurse vom
01.04.2009 (1 GBP = 1,09 EUR) und vom 31.03.2010 (1 GBP = 1,12 EUR) von britischen Pfund in Euro umgerechnet.
b) Angabe in runden Klammern in dieser Zeile: Herkunftsland der Muttergesellschaft.
c) Angaben in eckigen Klammern = Indexierte Werte für die Kennzahlen 1 bis 4. Index 100 = Maximalwert der jeweiligen
Kennzahl in den vier Muttergesellschaften.
d) Jahresendwerte (Vollzeitäquivalente) außer für Vodafone, dort Durchschnitt für Zeitraum 01.04.2009–31.03.2010.
e) EBITDA = Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization. Angabe in runden Klammern für Kennzahl 5
= (EBITDA / Umsatz) • 100.
f) EBIT = Earnings Before Interest and Taxes. Angabe in runden Klammern für Kennzahl 6 = (EBIT / Umsatz) • 100.
Quelle: Unternehmensangaben, Prof. Gerpott Analysen
Der Erwerb der für die D-Netzbetreiber nicht verfügbaren zwei 800 MHz-Frequenzblöcke al-
lein durch T O2 G ist ökonomisch ebenfalls logisch, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das
von der BNetzA gewählte Auktionsdesign für T O2 G stärkere Bietanreize beinhaltete als für
E-Plus, die durch die überlegenen finanziellen Fähigkeiten der spanischen T O2 G-Mutterge-
sellschaft im Vergleich zu KPN als E-Plus-Eigentümerin noch verstärkt wurden.
Hinsichtlich des für die Bietbereitschaft entscheidenden Barwerts des durch den Einsatz von
800 MHz-Frequenzen zu erwartenden Mobilfunkgeschäfts ist festzustellen, dass dieser Kapi-
talwert für T O2 G größer sein dürfte als für E-Plus. Zum einen verfügt T O2 G aufgrund der
höheren Qualität seiner Kundenbasis80 relativ zu E-Plus über eine bessere Ausgangsposition
zur Verstärkung des Geschäfts mit mobilen Datendiensten, für das die 800 MHz-Frequenzen
prädestiniert sind. Darüber hinaus kann T O2 G auf der Netzseite Kosten- und Qualitätsvortei-
le erzielen, weil das Unternehmen, anders als E-Plus, über gut ausgebaute eigene Festnetze,
die zum Transport des von Mobilfunkkunden erzeugten Verkehrs oberhalb der Basisstations-
ebene erforderlich sind, verfügt. Schließlich kann T O2 G gegenüber E-Plus Verbundvorteile
auf der Vermarktungsseite ausschöpfen, weil man aufgrund eines eigenen Festnetzgeschäfts
dazu in der Lage ist, Mobilfunk- und Festnetzdienste gemeinsam über die gleichen Vertriebs-
kanäle zu vermarkten.
Alles in allem zeigt die Analyse, dass die BNetzA mit den Vergaberegeln für die 800 MHz-
Frequenzen den über zwei Jahrzehnten zugunsten der D-Netzbetreiber wirksamen Wettbe-
werbsstörungen nicht hinreichend entgegengewirkt hat. Die Regeln boten den E-Netzbetrei-
bern keine materiell gegenüber DT MD und VD2 diskriminierungsfreie Zugangschance zum
Spektrum aus der digitalen Dividende.81 Selbst T O2 G verfügt nach der Auktion mit 20 MHz
gepaarten Frequenzen unterhalb von 1 GHz noch über weniger Flächenspektrum als die D-
Netzbetreiber mit einer entsprechenden gepaarten Frequenzmenge von 22,4 MHz. Zwischen
80 Am 31.03.2010 (30.06.2010) entfielen 49,5% (48,8%) der aktivierten SIM-Karten von T O2 G auf Post-
paid-Kunden, bei E-Plus lag der entsprechende Wert bei 35,1% (34,8%). Die absolute Zahl der Postpaid-
Kunden von T O2 G überstieg an diesem Stichtag diejenige von E-Plus um 1,09 Mio. (1,12 Mio.). Vgl.
auch oben Tab. 2.
81 Diese Schlussfolgerung steht im Einklang mit der schon im Oktober 2009 geäußerten Kritik der EU-Kom-
mission an der Ausgestaltung der 800 MHz-Auktion in Deutschland; s. Monopolkommission (2009), S. 99.
S. zu weiteren übereinstimmenden Beurteilungen der Regeln noch im Vorfeld der Auktion Gerpott (2009),
S. 38; Höffler (2009), S. 233-234; Koenig/Hasenkamp (2009a), S. 68-73 und (2009b), S. 701.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 39 – 27.08.10, Gerpott
E-Plus und den D-Netzbetreibern vergrößerte sich der Abstand hinsichtlich der Ausstattung
mit Frequenzen unterhalb von 1 GHz von 7,4 MHz auf 17,4 MHz. Damit wurden die Mög-
lichkeiten von E-Plus, sich als aggressiven Wettbewerber auch im Interesse der privaten und
gewerblichen Mobilfunkkunden im Markt für mobile Datendienste zu positionieren, stark
eingeschränkt.
An dieser Stelle lässt sich zum einen einwenden, dass für E-Plus die fehlende Verfügbarkeit
von 800 MHz-Frequenzen deshalb nicht zu einer wesentlichen Verschlechterung der Wettbe-
werbsposition des Unternehmens im Markt für mobile Datendienste führen könnte, weil die
im Vergleich zu den drei übrigen Bietern eingesparten Auszahlungen für den Erwerb von
Frequenzen in Höhe von rund 1 Mrd. Euro (vgl. Tab. 7) E-Plus für Investitionen in den Auf-
bau von mobilen UMTS-/LTE-Datennetzen zur Verfügung stehen. Dieser Einwand überzeugt
jedoch nicht. Sämtliche Studien, die Kosten von UMTS-/LTE-Netzen, die im Spektrum un-
terhalb von 1 GHz operieren, mit denen von 3G-Netzen, die Frequenzen von 1,8 GHz oder
höher verwenden, vergleichen,82 deuten übereinstimmend darauf hin, dass die Kostenerspar-
nisse durch den Einsatz von 800 oder 900 MHz-Frequenzen bereits nach drei bis fünf Jahren
den Betrag von rund 1 Mrd. Euro übersteigen, den E-Plus bei der Auktion 2010 weniger für
Spektrum ausgegeben hat. Damit wird die Position von E-Plus zumindest im Markt für mobi-
le Datendienste zwar nicht kurzfristig, aber doch mittel- und langfristig durch das Versteige-
rungsergebnis bei den 800 MHz-Frequenzen eher signifikant geschwächt als gestärkt.83
Zum anderen kann man vortragen, dass die Schwächung oder gar Verdrängung eines MFNB
durch die Auktion der 800 MHz-Frequenzen gesamtwirtschaftlich unproblematisch oder gar
vorteilhaft sei, weil die höhere Zahlungsbereitschaft der erfolgreichen Bieter darauf beruht,
dass ihre Geschäftskonzepte besser sind und ihre betriebswirtschaftliche Effizienz höher ist
als die des unterlegenen Wettbewerbers.84 Diese Position lässt jedoch außer Acht, dass in ei-
nem Markt, in dem, wie im deutschen Mobilfunk, sehr wenige Anbieter präsent sind und die
Wahrscheinlichkeit des Zutritts neuer Wettbewerber gegen Null geht, keineswegs sicherge-
stellt ist, dass die erfolgreichen Bieter nach einer Auktion ihre überlegenen Geschäftskonzepte
und Effizienzvorsprünge auch zum Vorteil der Mobilfunkendkunden zur Geltung bringen.
Vielmehr liegt es nahe, dass die erfolgreichen Bieter bei einer engen Oligopolkonstellation
ohne Bedrohung durch neue Wettbewerber ihren Marktmachtgewinn bzw. die Schwächung
oder Verdrängung eines Konkurrenten nutzen, um ihre Renditen zu Lasten der Kunden auf
ein Niveau zu heben, das in einem Markt mit nachhaltig funktionsfähigem Wettbewerb nicht
möglich ist. Diese wahrscheinlichen Effekte des Ergebnisses der Versteigerung von 800
Durch die Vertagung der Entscheidung über eine etwaige Umverteilung von 900 MHz-Fre-
quenzen auf die Zeit nach der Auktion der zusätzlich für den Mobilfunk einsetzbaren Fre-
quenzen86 erzeugte die BNetzA bei den vier MFNB eine Unsicherheitssituation, die den Wert
der zu vergebenden 800 MHz-Frequenzen und damit die Höhe der wahrscheinlichen Aukti-
onserlöse für dieses Spektrum gegenüber einer Situation steigerte, in der den Unternehmen
bereits bekannt gewesen wäre, über welche 900 MHz-Frequenzausstattung sie mittelfristig
verfügen würden: Für die D-Netzbetreiber wurden die 800 MHz-Frequenzen wertvoller, weil
sie nicht ausschließen konnten, dass sich infolge des anstehenden GSM-Refarming ihre 900
MHz-Ausstattung verschlechtert; umgekehrt stieg für die E-Netzbetreiber der Wert der 800
MHz-Frequenzen, da sie nicht gewiss sein konnten, dass sich ihre 900 MHz-Ausstattung ver-
bessert.
Nach Abschluss der Versteigerung der zusätzlichen Mobilfunkfrequenzen im Mai 2010 be-
wirken die durch die Verfahrensgestaltung fast zwangsläufig hervorgerufenen Auktionser-
gebnisse bei den 800 MHz-Frequenzen, dass es voraussichtlich bis zum Auslaufen der derzei-
tigen GSM-Lizenzen der vier Netzbetreiber am 31.12.2016 nicht zu einer Nutzung von 900
Für E-Plus sind nach dem Ergebnis der Versteigerung der 800 MHz-Frequenzen die Anreize
gering, eine Öffnung des eigenen GSM-900-Spektrums für UMTS-Angebote zu beantragen.
Für das Unternehmen ist die Möglichkeit, den eigenen gepaarten 5 MHz-Block im 900 MHz-
Bereich für UMTS zu nutzen, insofern praktisch irrelevant, als dass es nicht über genügend
900 MHz-Spektrum verfügt, um den noch über viele Jahre anfallenden GSM-Sprachverkehr
in dünn besiedelten Regionen im 900 MHz-Bereich abzuwickeln und parallel UMTS-Daten-
dienste, die hinsichtlich ihrer Bandbreite wettbewerbsfähig sind, zu realisieren. Damit ist
selbst ein Signal der BNetzA, eine z.B. bis Ende 2016 befristete Flexibilisierung der GSM-
900-Nutzungsrechte exklusiv für die E-Netzbetreiber vornehmen zu wollen, ungeachtet der
damit verbundenen juristischen Probleme, nicht geeignet, bei E-Plus eine starke Motivation
herbeizuführen, ein GSM-900-Refarming zu beantragen. Auch dieses „partielle“ Refarming
von 900 MHz-Frequenzen würde nicht dazu führen, dass E-Plus über genügend Spektrum im
900 MHz-Bereich verfügt, um parallel GSM-Sprach- und UMTS-Datendienste anbieten zu
können.
Insgesamt haben die Gestaltung der Frequenzvergabe 2010 und die Umsetzung der GSM-
Flexibilisierungsrichtlinie der EU in Deutschland dort ohnehin vorhandene Wettbewerbsstö-
rungen infolge einer gestaffelten GSM-Lizenzvergabe in den 1990er Jahren sowie diskrimi-
nierender Ausstattungen mit 900 MHz-Frequenzen verstärkt. Die Wettbewerbschancen der E-
Netzbetreiber vor allem auf dem Markt für mobile Datendienste wurden durch die beiden fre-
quenzpolitischen Entscheidungen der BNetzA erheblich beeinträchtigt. Die Entscheidungen
bergen deshalb die Gefahr, die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs im deutschen Mobilfunk
zu verschlechtern.
Zumindest für E-Plus ist damit zu rechnen, dass das Unternehmen aufgrund seiner unzurei-
chenden Ausstattung mit Frequenzen unterhalb von 1 GHz und der daraus resultierenden we-
sentlich höheren Investitionserfordernisse für den Aufbau eines flächendeckenden UMTS-/
LTE-Netzes auf die Errichtung eines solchen Netzes verzichten muss, da es wegen seiner hö-
heren Kosten nur zu nicht wettbewerbsfähigen Preisen vermarktet werden könnte. Die Flä-
chendeckung von Mobilfunkdiensteangeboten ist aber nicht nur bei Sprachtelefonie, sondern
auch bei mobilen Datendiensten neben dem Preis das wichtigste Kriterium bei Auswahlent-
scheidungen von Endkunden zugunsten oder zuungunsten eines MFNB.88 Deshalb wird sich
das E-Plus-Manko eines nicht flächendeckend verfügbaren Netzes für mobile Breitbandda-
tendienste auch auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens in Städten/Ballungszentren
negativ auswirken, selbst wenn dort eine im Vergleich zu den anderen Mobilfunkkonkurren-
ten gleichwertige Raumabdeckung realisiert wird.89
Es ist äußerst unwahrscheinlich, das E-Plus den frequenzpolitisch bedingten Nachteil, ein flä-
chendeckendes mobiles Breitbanddatennetz nur zu nicht wettbewerbsfähigen Kosten aufbau-
en zu können, durch ein nationales UMTS-/LTE-Roaming-Abkommen mit einem der übrigen
Wettbewerber ausgleichen kann. Das Unternehmen befindet sich bei Verhandlungen zu einem
solchen Vertrag in einer wirtschaftlich viel schwächeren Position als die übrigen MFNB, de-
ren Frequenznutzungsrechte keine Roaming-Auflagen beinhalten. Für sie hat nationales Roa-
ming mit E-Plus den Nachteil einer Kannibalisierung eigener Endkundenumsätze bei mobilen
Datendiensten, so dass kein Anreiz besteht, Roaming-Leistungen zu einem kostenorientierten,
niedrigen Preis an E-Plus abzugeben. Darüber hinaus könnte E-Plus keine eigenständigen re-
gionalen Ausbauprioritäten setzen oder technische Maßnahmen zur qualitativen Dienstediffe-
renzierung im Wettbewerb treffen.90
über wettbewerbsfähige integrierte Angebote aus Sprach- und Datendiensten zusätzlich einen
wesentlichen Anteil am Geschäft mit mobilen Breitbanddatenanschlüssen sichert.
Ein nicht völlig abwegiges Ausscheiden des Wettbewerbers E-Plus aus dem deutschen Mobil-
funk würde nicht dazu beitragen, „die Interessen der privaten und gewerblichen Nutzer (güns-
tige Preise, schnelle Bereitstellung der Dienste und Bereitstellung der Dienste in der Fläche)
zu wahren.“92 Es gibt keinerlei empirische Evidenz oder theoretisch überzeugende Gründe da-
für, dass mit abnehmender Zahl der Wettbewerber bzw. Erhöhung der SIM-Karten-/Umsatz-
konzentration auf der Anbieterseite in einem Mobilfunkmarkt eine Verbesserung der Markt-
ergebnisse für die Endkunden einhergeht. So lassen sich weder in Österreich noch in den Nie-
derlanden nach Zusammenschlüssen von MFNB signifikante Reduktionen der EBITDA-Mar-
gen der Anbieter infolge von verschärfter Preis- oder Innovationskonkurrenz beobachten. 93
Umgekehrt sprechen theoretische Argumente und zahlreiche empirische Indizien dafür, dass
eine hohe Anbieterkonzentration im Mobilfunk mit hoher Wahrscheinlichkeit negative Kon-
sequenzen für Endkunden hat. Beispielsweise weist die Schweiz als nationaler Markt mit ei-
ner sehr hohen Anbieterkonzentration im Mobilfunk (s.o. Abb. 2)94 bei länderübergreifenden
Vergleichen von Mobilfunktarifen selbst nach Ausgleich von unterschiedlichen nationalen
Kaufkraftparitäten regelmäßig weit über dem Durchschnitt liegende, hohe Preise auf.95 Zu-
dem konnte in über Einzelfallstudien hinausgehenden empirischen Untersuchungen, die eine
große Zahl nationaler Mobilfunkmärkte betrachten, wiederholt gezeigt werden, dass eine hö-
here Anbieterkonzentration nicht lediglich mit einem höheren nationalen Mobilfunkpreisni-
veau einhergeht, sondern auch mit einer niedrigeren Ausschöpfung von Nachfragepotenzia-
len, einem langsameren Aufbau von 3G-Netzen und einem höheren Durchschnittswert der
EBITDA-Margen der in einem Land tätigen MFNB.96
Angesichts dieser Befundlage ist davon auszugehen, dass eine zusätzliche Steigerung der be-
reits hohen Anbieterkonzentration im deutschen Mobilfunk (s. Abb. 2) durch eine nachhaltige
Schwächung oder gar Verdrängung eines Wettbewerbers mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit
dazu führen wird, dass sich die ohnehin schon nicht sonderlich gute internationale Position
Deutschlands hinsichtlich des Entwicklungsstandes seines Mobilfunksektors relativ zu ande-
ren Ländern weiter verschlechtern wird. Damit stellt sich die Frage, welche frequenzpoliti-
schen Möglichkeiten existieren, um der sich nach der Spektrumsversteigerung 2010 drohen-
den Verringerung der Wettbewerbsintensität im deutschen Mobilfunk entgegenzuwirken.
Da zusätzliches Spektrum unterhalb von 1 GHz auf absehbare Zeit nicht zur Ausstattung von
MFNB in Deutschland verfügbar ist, besteht die einzige Option darin, die europäische GSM-
Flexibilisierungsrichtlinie 2009/114/EG rasch zu nutzen, um einen Abbau der wettbewerbs-
verzerrenden Ungleichheit zwischen den vier MFNB hinsichtlich ihrer Ausstattung mit Fre-
quenzen im 900 MHz-Bereich herbeizuführen. Völlig im Einklang mit dieser Schlussfolge-
rung stellt auch die britische Mobilfunktochter der Deutschen Telekom fest:
“However, numerous econometric studies have found that 2 player mobile
markets are highly unlikely to deliver effectively competitive outcomes.
Further, the Article 7 reviews by national regulators of the competitiveness
of their national markets for mobile access and outgoing calls found that the
presence of only 2 operators (and even in some cases 3 operators) is not suf-
ficient to achieve effectively competitive outcomes. These findings are con-
sistent with the UK experience in which it was only with the development of
the third and fourth mobile players in the mid to late 1990s that mobile
prices fell substantially, thereby spurring the growth of the overall market. It
follows that the reallocation of 900 MHz spectrum is essential to ensuring
continued and increasing competition in the long run.”97
Eine Öffnung von GSM-900-Frequenzen für UMTS-Angebote, verknüpft mit einer Verbesse-
rung der Ausstattung der E-Netzbetreiber mit 900 MHz-Spektrum durch Transfer von 900
MHz-Nutzungsrechten von den D-Netzbetreibern, trägt mit hoher Wahrscheinlichkeit zur
Korrektur bestehender Wettbewerbsverzerrungen und zur Verbesserung der Wettbewerbsver-
hältnisse im deutschen Mobilfunk bei. Eine solche Maßnahme stärkt aller Voraussicht nach
die Wettbewerbsfähigkeit von E-Plus und von T O2 G. Insbesondere wirkt sie einer Verdrän-
gung von E-Plus durch die drei anderen internationalen TK-Konzerne, die im deutschen Mo-
bilfunksektor operieren, entgegen. Es liegt nahe anzunehmen, dass E-Plus, so wie in der Ver-
gangenheit im Bereich der mobilen Sprachtelefonie, auch auf dem Markt für mobile Breit-
banddatendienste die Rolle des „Herausforderers“ übernimmt, der durch niedrige(re) Preise,
Angebotsinnovationen und neue Vertriebswege/Vermarktungskonzepte vor allem die bislang
in geringem Binnenwettbewerb stehenden D-Netzbetreiber unter Druck setzt. Von der Ver-
besserung der Funktionsfähigkeit des Mobilfunkwettbewerbs profitiert aber keineswegs ein-
seitig E-Plus. Voraussetzung für E-Plus-Erfolge bei mobilen Breitbanddiensten ist vielmehr,
dass das Unternehmen den größten Teil der Vorteile, die es durch die Verbesserung seiner
GSM-Frequenzausstattung erfährt, an die Endkunden über niedrigere Preise, innovative Leis-
tungen und rasche Diensteverfügbarkeit mit mindestens gleicher Flächenverfügbarkeit, wie
sie von Wettbewerbern geboten wird, weitergibt. Damit trägt ein Abbau der Diskriminierung
bei der MFNB-Ausstattung mit 900 MHz-Spektrum verbunden mit einer Öffnung dieser Fre-
quenzen für UMTS-/LTE-Angebote wesentlich dazu bei, den Erreichungsgrad zentraler Ziele
der TK-Regulierung in Deutschland98 merklich zu erhöhen.
98 Einschlägige Ziele sind hier (1) die Wahrung der Nutzer-/Verbraucherinteressen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG),
(2) die Sicherung eines chancengleichen Wettbewerbs und die Förderung nachhaltig wettbewerbsorientier-
ter Märkte der Telekommunikation (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG), (3) die Förderung effizienter Infrastrukturin-
vestitionen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG) und (4) die Sicherung einer effizienten Frequenznutzung (§ 2 Abs. 2 Nr.
7 TKG).
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 46 – 27.08.10, Gerpott
Bei beiden Wegen liegt eine Befristung der Nutzungsrechte der betroffenen 900 MHz- und
1800 MHz-Frequenzen bis zum 31.12.2025 nahe. An diesem Stichtag enden die in der Aukti-
on 2010 zugeteilten Frequenzen (s.o. Kap. 5.1), so dass mit dem Termin ein Zeitpunkt ge-
schaffen wird, für den über die weitere Nutzung sämtlicher früherer GSM-Frequenzen und
des 2010 zusätzlich vergebenen Spektrums zu befinden ist.99 Gleichzeitig erhalten die MFNB
durch eine Neuvergabe/Verlängerung der ursprünglichen GSM-Frequenzen bis Ende 2025 die
Planungssicherheit, die für Investitionsentscheidungen in UMTS-/LTE-Netze erforderlich ist.
Betrachtet man den ersten Weg, Neuvergabe der bisherigen GSM-Frequenzen ab 2017 durch
eine wohl spätestens 2014 stattfindende Auktion, näher, so ist festzustellen, dass er ungeeig-
net ist, um einen Abbau der zuungunsten der E-Netzbetreiber wirkenden bisherigen Wettbe-
werbsverzerrungen auch nur halbwegs sicherzustellen. Wenn die BNetzA diese Versteigerung
prinzipiell so gestaltet, dass deutlich mehr Bietrechte bei den vier MFNB vorhanden sind, als
Frequenzblöcke zu vergeben sind, um so zu einer Wettbewerbssituation zwischen den Unter-
nehmen zu gelangen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu hohen Auktionserlösen für den
Staat führt, dann eröffnet ein solches Design – wie in Kap. 5.2 dargelegt – für die ohnehin be-
reits unfair durch (unumgängliche) frühere Regulierungsentscheidungen bevorzugten D-
Netzbetreiber DT MD und VD2 die Möglichkeit, sich so zu verhalten, dass die Frequenzaus-
stattung mindestens eines E-Netzbetreibers sich gegenüber der Situation vor der Auktion ver-
schlechtert und sich ihre eigene Ausstattung nicht verringert. Damit steigt die Wahrschein-
lichkeit, dass die Wettbewerbskraft mindestens eines Anbieters (voraussichtlich E-Plus) wei-
ter geschwächt und die Konkurrenzintensität noch mehr abnehmen wird. Folglich würden die
dominierenden D-Netzbetreiber bei einer solchen Auktion ihre Bietrechte voll ausschöpfen.
99 Die Nutzungsrechte der im Jahr 2000 versteigerten UMTS-Frequenzen um 2 GHz enden nach den aktuell
gültigen Lizenzbedingungen am 31.12.2020 (vgl. Bundesnetzagentur 2009a, S. 3616; Gerpott 2008a, S. 33).
Es spricht einiges dafür, gemeinsam mit der Entscheidung über die früheren GSM-Nutzungsrechte eine fris-
tenkongruente Verlängerung für diese UMTS-Frequenzen um 2 GHz ebenfalls bis zum 31.12.2025 vorzu-
nehmen.
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 47 – 27.08.10, Gerpott
Stellt die BNetzA dagegen beim Beschreiten des ersten Wegs durch Bietrechtsbeschränkungen
der D-Netzbetreiber sicher, dass die E-Netzbetreiber bei der Auktion ihre Frequenzausstat-
tung im 900 MHz-Bereich verbessern und im 1800 MHz-Bereich nicht wesentlich ver-
schlechtern, so kann es kaum mehr zu einem Bieterwettstreit kommen. Die Auktionserlöse
werden in dieser Konstellation die Mindestgebote nicht wesentlich übersteigen. Wenn aber
durch Bietrechtsbeschränkungen eine verbesserte (zumindest nicht schlechtere) Ausstattung
der E-Netzbetreiber mit 900 MHz-(1800 MHz-)Spektrum sichergestellt wird, dann ist auch
keine Versteigerung mehr sinnvoll. Die Zahl/Identität der erfolgreichen Bieter wird hier nicht
mehr in der Auktion selbst (endogen), sondern von vorneherein weitgehend von außen (exo-
gen) bestimmt.100
Als Ergebnis ist festzuhalten, dass der o.g. erste Weg ungeeignet ist, um die Wettbewerbs-
struktur und -intensität im deutschen Mobilfunk zu verbessern. Die BNetzA sollte deshalb den
zweiten Weg einer unverzüglichen Umverteilung von 900 MHz-Frequenzen zwischen den
GSM-Lizenzinhabern auf eigene Initiative hin verbunden mit einer Verlängerung der vor
2010 zugeteilten 900 und 1800 MHz-Frequenznutzungsrechte aller vier MFNB beschreiten.101
Nach technischen Untersuchungen von Wiesbeck (2007) benötigen die E-Netzbetreiber je-
weils 3,4 MHz gepaartes 900 MHz-Spektrum, um parallel GSM-Sprach- und UMTS-Daten-
dienste/-netze in diesem Frequenzbereich realisieren zu können. Folglich genügt es, den
Transfer von 900 MHz-Frequenzen von den D- zu den E-Netzbetreibern auf diese Spektrums-
menge zu begrenzen und im Gegenzug die E-Netzbetreiber zu verpflichten, 2 x 3,4 MHz im
1800 MHz-Band an die D-Netzbetreiber zu übertragen.102
Netzkapazitätsanalysen lassen erkennen, dass nach einer Veränderung der Zuordnung von
900 MHz-Frequenzen in diesem Umfang das bei DT MD und VD2 jeweils verbleibende 900
MHz-Spektrum unter extrem pessimistischen Annahmen bei maximal 7% ihrer GSM-900-
Je rascher die BNetzA eine Umverteilung von 900 MHz-Frequenzen verbunden mit einer Öff-
nung dieses Spektrums für UMTS-Angebote sicherstellt, desto größer ist der Nutzen dieser
Maßnahme, da so die Kostensenkungspotenziale von UMTS-900-Netzen zügiger erschlossen
und der politisch erwünschte Ausbau von mobilen Breitbandinfrastrukturen gerade im ländli-
chen Raum forciert werden können. Deshalb spricht viel dafür, dass die BNetzA den MFNB
auferlegt, spätestens am 01.07.2011 mit dem Frequenztausch zu beginnen und ihn innerhalb
von zwei Jahren abzuschließen. Auf eine Verbesserung der Effizienz der Nutzung von 900
MHz-Frequenzen kann anlässlich der Umverteilung dadurch hingewirkt werden, dass die Be-
hörde über die Frequenzmenge von 3,4 MHz gepaartem Spektrum hinaus den MFNB die
Möglichkeit eröffnet, freiwillig weitere Frequenzen zu tauschen, um die bislang bestehende
Zersplitterung der DT MD und VD2 im 900 MHz-Bereich zugeordneten und von 200 kHz-
Kanälen ausgehenden Frequenzblöcke zu überwinden.105
Die BNetzA hat derzeit nicht zuletzt durch die EU-Richtlinie zur Flexibilisierung der GSM-
Frequenznutzungsrechte die Chance, die beim 900 MHz-Spektrum vorhandene (unvermeid-
bare) Asymmetrie weit zurückliegender Regulierungsentscheidungen zu verringern und so die
Wettbewerbsbedingungen im deutschen Mobilfunkmarkt nachhaltig zu verbessern. Bislang
hat die Behörde diese Gelegenheit nicht ergriffen. Es gibt keinen überzeugenden Grund dafür,
warum sie die Chance jetzt nicht zügig nutzen sollte.
Abkürzungsverzeichnis
o. oben
OECD Organisation for Economic Co-Operation and Development
o.Jg. ohne Jahrgang
O.V./o.V. Ohne/ohne Verfasser
p Probability/Irrtumswahrscheinlichkeit (bei statistischen Signifikanztests)
Q Quartal
r Pearson’scher Produkt-Moment-Korrelationskoeffizient
S. Seite (bei Quellenangaben) oder Satz (bei Paragraphenangaben)
s. siehe
S Standardabweichung
SIM Subscriber Identity Module
TK Telekommunikation
TKG Telekommunikationsgesetz (vom 22.06.2004)
T O2 G Telefónica O2 Germany
Tsd. Tausend
u.a. unter anderem
UGVI Ungleichverteilungsindex
UMTS Universal Mobile Telecommunications System
VD2 Vodafone D2
vgl. vergleiche
vs. versus
z.T. zum Teil
Implikationen 900 MHz-Frequenzausstattung – 51 – 27.08.10, Gerpott
Literaturverzeichnis