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22.1.2019 Wer kann sich ein Eigenheim in den großen Metropolen leisten?

21.01.2019 - Aktualisiert: 22.01.2019, 07:03 Uhr


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Wer kann sich das leisten?

Der Traum vom Eigenheim in der Großstadt


Wer kann sich eigentlich ein Haus oder eine Wohnung in den großen
Metropolen kaufen? Unser Autor hat für Sie durchgerechnet, wie viel sie dafür
sparen und verdienen müssten.

Von VOLKER LOOMAN

© Gerd Kittel
Neubaugebiet in Frankfurt

Ich habe mich am Wochenende im Internet umgesehen, wie viel zur Zeit ein Eigenheim in
Frankfurt, München und Stuttgart kostet. Bitte hegen Sie jetzt nicht den Verdacht, ich wolle
mir in diesen Städten ein Reihenhaus mit Vorgarten und Zwergen kaufen. Erstens gäbe das
handfesten Ärger mit meiner professoralen Gefährtin aus dem Holsteinischen, die von einem
Landhaus mit Blick auf die Ostsee träumt, und zweitens hätte ich keine Lust, für eine
Wohnfläche von 150 bis 200 Quadratmetern eine Million auf den Tisch zu legen. Ich würde
aber, neugierig wie ich bin, schon gerne wissen, wer die Leute sind, die sich das leisten
können und wollen. Geht Ihnen das auch so? Dann folgen Sie mir doch bitte – unauffällig
und diskret – auf meiner Spurensuche.

Die Million muss, auch wenn es bitter ist, um die Nebenkosten erhöht werden. Da ist
zunächst die Grunderwerbsteuer. In Bayern sind 3,5 Prozent fällig, in Baden-Württemberg
fallen 5 Prozent an, und in Hessen werden die Käufer mit 6 Prozent zur Kasse gebeten. Hinzu
kommen die Gerichtskosten und Notargebühren in Höhe von 1 Prozent. Außerdem ist der
Immobilienmarkt in diesen Städten fest in der Hand von Maklern. Das hat zur Folge, dass
weitere 3 bis 4 Prozent anfallen. Insgesamt muss die Million, welche das Haus kostet, also
um mindestens 8 Prozent aufgerundet werden. Ich schlage 10 Prozent vor, so dass das Haus,
das ich nicht haben möchte, von dem aber Tausende in Frankfurt, um München und um
Stuttgart herum träumen, schätzungsweise 1,1 Millionen Euro kostet.

Haus bis zum 55. Geburtstag entschuldet

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22.1.2019 Wer kann sich ein Eigenheim in den großen Metropolen leisten?

Nun müssen wir einen Blick auf die Finanzierung des Hauses werfen. Da habe ich
„bestimmte“ Vorstellungen. Ich gehe davon aus, dass ein „normaler“ Mensch, also kein Erbe
und schon gar kein Lottospieler, rund zehn Jahre hat, um das Geld für das Dach über dem
Kopf anzusparen. Das ist in groben Zügen die Spanne zwischen dem 30. und 40. Geburtstag.
Es wird natürlich „Frühaufsteher“ geben, die diese Zeitspanne um fünf Jahre vorziehen, und
es wird „Langschläfer“ geben, welche diesen Zeitraum um fünf Jahre nach hinten verlegen,
im Schnitt werden es aber – über den Daumen gepeilt – zehn Jahre oder 120 Monate sein.

© Oliver Sebel
Volker Looman kennt sich aus mit Finanzen.

Nach der Aufnahme der Hypothek sollte das Haus bis zum 55. Geburtstag entschuldet
werden. Mir ist bewusst, dass diese „Forderung“ vielen Leuten nicht gefällt, doch ich werde
mich auf meine alten Tage von diesem Postulat nicht abbringen lassen, weil ich zu viel erlebt
und gesehen habe. Da ist zum Beispiel der Nachwuchs. Wer im Alter von 35 Jahren zwei
Kinder ansetzt, sollte sich darauf einstellen, dass die Herrschaften in 20 Jahren studieren
werden, und das wird ins Geld gehen. Hinzu kommt die Tatsache, dass der Ruhestand im
Alter von 55 Jahren bereits in Sichtweite ist, und das bedeutet, auch wenn Sie es nicht hören
und lesen wollen, dass es mit Mitte 50 höchste Zeit wird, einige Euro auf die Seite zu legen,
da die finanziellen Ansprüche höher als die gesetzlichen Renten sein werden. Kurzum:
Kinder und Zusatzrente kosten Geld, und da ist es von Vorteil, wenn das Eigenheim bis zu
diesem Zeitpunkt bezahlt worden sein wird – oder sehen Sie das anders?

Doppelverdiener, Erben und Spitzenverdiener!

Die normale Finanzierung eines Hauses dauert also 25 Jahre und besteht wie beim Fußball
aus zwei Halbzeiten. Im ersten Jahrzehnt wird das Eigenkapital angespart, und im zweiten
Jahrzehnt plus der Nachspielzeit werden die Kredite getilgt. Nun müssen die meisten von
Ihnen tapfer sein, weil die folgenden Zahlen astronomisch hoch sind und Verdienste
erfordern, die sich gewaschen haben, wenn ich das einmal so ausdrücken darf. Fangen wir
mit dem Eigenkapital an. Nötig sind 25 bis 30 Prozent der Gesamtkosten. Das sind im
vorliegenden Fall zwischen 275.000 und 330.000 Euro. Die aktuellen Zinsen für
Banksparpläne und Bausparverträge bewegen sich um den Nullpunkt herum, so dass Sie von
Finanzmathematik nicht viel verstehen müssen. Es reicht in meinen Augen völlig aus, die
275.000 oder die 330.000 Euro durch 120 Monate zu teilen, um in aller Deutlichkeit zu
sehen, was die Stunde geschlagen hat. Sie müssen zwischen 2292 und 2750 Euro auf die hohe
Kante legen, um sich in zehn Jahren standesgemäß verschulden zu dürfen. Haben Sie dazu
noch Fragen?

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Die verrücktesten Häuser Europas

Monatsraten von 2500 Euro erfordern, wenn die Sparquote bei 50 Prozent liegt,
Nettogehälter von 5000 Euro pro Monat, und monatliche Nettolöhne von 5000 Euro setzen
jährliche Bruttoverdienste von 110.000 Euro voraus. Hand aufs Herz, liebe Leserinnen, werte
Leser. Wer kann sich das leisten? Hier ist die Antwort. Das sind ein paar Anwälte in
Wirtschaftskanzleien, wenige Jungmanager in Konzernstäben und jene Paare, die sich in
jungen Jahren finden und ein Leben lang an einem Strang ziehen, unter dem Strich also nicht
viele Leute. Hinzu kommen die Menschen mit wohlhabenden Eltern und Großeltern, und alle
zusammen sind der Grund, warum die Preise für Eigenheime in Frankfurt, München und
Stuttgart so hoch sind und mit hoher Wahrscheinlichkeit kaum sinken werden.

Büttel von Banken und Beton

Hauspreise von 1,1 Millionen Euro und Eigenkapital von 300.000 Euro erfordern Darlehen
von 800.000 Euro. Hypotheken mit einer Zinsbindung von 15 Jahren kosten im Moment
zwischen 1,5 und 2 Prozent pro Jahr, so dass für Zins und Tilgung monatliche Raten von
4966 bis 5148 Euro aufzuwenden sind, um die 800.000 Euro innerhalb von 15 Jahren
zurückzahlen zu können. Falls die monatlichen Raten von 5000 Euro die 40-Prozent-Marke
des monatlichen Nettoeinkommens nicht übersteigen sollen, sind jährliche Bruttogehälter
von rund 285.000 Euro nötig, um das Ziel zu erreichen. Das sind klare Ansagen, und wenn
Sie jetzt wieder wissen wollen, wer so viel verdient, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass es
die üblichen Verdächtigen sind: Doppelverdiener, Erben und Spitzenverdiener!

Die größte Gruppe dürften Doppelverdiener sein. Es gibt bei Audi, BMW, Bosch, Daimler,
Porsche und Siemens einige Tausendschaften, wo Paare soviel Geld verdienen. Der Klassiker
sind der Mann, der die Ellenbogen ausfährt und 200.000 Euro nach Hause bringt, und die
Frau, die den Kopf einzieht und sich mit 100.000 Euro begnügt. Zusammen sind es jedoch
300.000 Euro, und falls sich das Paar nicht trennt, wird es mit dem Häuschen in der
Großstadt auch klappen. Die zweitgrößte Gruppe sind nach meinen Beobachtungen die
Erben. Wenn diese Eigenheimer im Alter von 55 Jahren zwei „Zuwendungen“ von jeweils
200.000 Euro erwarten dürfen, genügen für die Tilgung der Hypotheken jährliche Raten von
39.000 Euro. Sie erfordern Bruttoverdienste von 180.000 Euro im Jahr, und das sind
Summen, die bei den süddeutschen Akademikern „schnell“ zusammenkommen. Die kleinste
Gruppe sind die Spitzenverdiener mit Jahresgehältern von mehr als 500.000 Euro.

Ich will Ihnen mit diesen Zahlen reinen Wein einschenken. Eigenheime in Großstädten sind
teure Vergnügen. Das ist für viele Menschen kaum zu ertragen, aber in meinen Augen nicht

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22.1.2019 Wer kann sich ein Eigenheim in den großen Metropolen leisten?

zu ändern. Es gibt genügend Menschen, die sich solche Häuser leisten können. Das ist
ungerecht, aber Gerechtigkeit ist ein so großes Wort, dass ich es lieber nicht in den Mund
nehme. Ich kann Ihnen, wenn Sie nicht in diesen Ligen spielen, wirklich nur den guten Rat
geben, sich nicht zum Büttel von Banken und Beton zu machen. Statt dessen will ich Ihnen
zurufen: Ein Leben ohne Haus ist möglich, aber durchaus sinnvoll, solange das notwendige
Kleingeld fehlt. Sonst wird aus dem Traum vom kleinen Eigenheim in der großen Stadt ein
wahrer Albtraum, und das muss ja nun wirklich nicht sein. Oder vielleicht doch?

Der Autor ist Finanzanalytiker in Stuttgart.

Quelle: F.A.Z.

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