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Das Lateinische Phonem h: Herkunft und Schicksal

Fachbereich Lateinische Linguistik

Modul: Proseminar in Lateinischer Sprachwissenschaft: Einführung in die Lateinische


Sprachwissenschaft (6 ECTS-Punkte)

an der

Philosophischen Fakultät der Universität Zürich.

Proseminararbeit von

Julian Ronneberger
Sarbachstrasse 1
6345 Neuheim
s07-453-06

Verfasst im Rahmen des Proseminares in Lateinischer Linguistik von Dr. phil, Thomas Zehnder
im Herbstsemester 14 an der Philosophischen Fakultät Zürich.
Bibliographie

Zitierweise:
Die nachstehenden Werke werden, wenn nichts anderes angegeben ist, mit
Nachnamen des Autors bzw. der Autoren sowie mit Seitenzahl oder Randnummer
zitiert.
BALDI, PHILIP The Foundations of Latin [= Trends in Linguistics. Studies and
Monographs 117], Berlin/New York 1999

DIETH, EUGEN Vademekum der Phonetik. Phonetische Grundlagen für das


wissenschaftliche und praktische Studium der Sprachen. 2.
Auflage, Bern 1968.

LEUMANN, MANU Lateinische Laut- und Formenlehre. Neuausgabe. München.


1977.
LINDSAY W. M. Die Lateinische Sprache, Ihre Laute, Stämme und Flexionen in
sprachgeschichtlicher Darstellung, Leipzig 1897.
MEISER, GERHARD Historische Laut- und Formenlehre der lateinischen Sprache.
Darmstadt 2010.
MOMMSEN, THEODOR ET ALII Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL), http://cil.bbaw.de/
digitalisierte Form der Bände.
MYNORS, ROGER A.B. C. Valerii Catulli Carmina, Oxford 1980.

PALMER, LEONARD R. Die lateinische Sprache. Grundzüge der Sprachgeschichte und


der historisch-vergleichenden Grammatik, Hamburg 1990.

SIEVERS, EDUARD Grundzüge der Phonetik zur Einführung in das Studium der
Lautlehre der Indogermanischen Sprachen, 5. Auflage, Leipzig
1901.

SOMMER, FERDINAND / Handbuch der lateinischen Laut- und Formenlehre. Band I:


PFISTER, RAIMUND Einleitung und Lautlehre, 4., neubearb. Auflage, Heidelberg
1977.
Stolz Fr. Historische Grammatik der lateinischen Sprache. Erster Band.
Einleitung, Lautlehre, Stammbildungslehre, Leipzig 1894.
Stotz Peter Handbuch zur lateinischen Sprache des Mittelalters, 3. Band,
Lautlehre, München 1996.
WEISS MICHAEL Outline of the Historical and Comparative Grammar of Latin.
Ann Arbor/ New Yourk 2009.

1
Einleitung

Nachfolgend wird die Herkunft und das Schicksal des lateinischen Phonems h untersucht. Doch
was ist ein Phonem? In der strukturellen Linguistik ist ein Phonem ein Laut, durch dessen
Austausch Bedeutungen von sprachlichen Zeichen unterschieden werden.1 Im Lateinischen
Phoneminventar befindet sich das h bei den Hauchlauten.2 Gebildet wird das h über einen
Luftstrom, welcher als Atemstrom aus der Lunge kommt und je nach Stellung der Glottis als
eine Art Hauchstrom verlässt.3 Es stellt sich die Frage ob h überhaupt ein selbstständiger Laut
ist.4 In alten Inschriften wird das lateinische Phonem h noch geschrieben, hält sich schliesslich
nur noch in wenigen Worten und wird von den Gelehrten in der schriftlichen Überlieferung am
Leben gehalten. In dieser Arbeit wird zuerst auf den Ursprung, dann auf den Schwund und
schliesslich auf Beispiele, die das h oder dessen Schwund bezeugen, eingegangen. Dazu wird
auch Catulls Carmen 84 eine gewichtigere Rolle eingeräumt und daher eingehend interpretiert.

Ursprung

Das lateinische h setzt in hiems und hostis indogermanisch g’h und gh anlautend, inlautend
zwischen Vokalen in veho fort.5 In griechischen Namen und Erbwörtern wird der Spiritus asper
durch h wiedergegeben.6 Möglicherweise ging das h im klassischen Latein als Kehlkopfaspirant
aus dem Uritalischen spirantischen χ hervor.7 Ob das h bei Beginn der literarischen Periode
überhaupt noch einen phonetischen Wert hatte, z.B. den eines „gehauchten Vokaleinsatzes"8 ist
fraglich.9 Es lässt sich für einzelne andere italische Sprachen jedenfalls eine spirantische
Geltung des h nachweisen, wie im oskisch-umbrischen –ht- = lateinisch –ct- in Uhtavis
(Octavius), ehtrad = extrā, umbrisch rehte= lateinisch rēctē.10 Lindsay meint, das in
vorgeschichtlicher Zeit das h wie ein deutsches ch in „ach“ oder schottisches ch in „loch“
geklungen hat, in der literarischen Zeit dann zu einem blossen spiritus fortis (deutsches h und
eglisches h) reduziert wurde.11 Im klassischen Latein wird h anlautend und inlautend in der
Schrifttradition fortgesetzt, doch ist es, soweit man dies durch schriftliche Zeugnisse beurteilen
kann, in der Aussprache sehr gefährdet.

Schwund

Im Vulgärlateinischen war der Laut h ziemlich sicher bereits im 3. Jh. V. Chr. geschwunden,
da sich in keiner, nicht einmal in der ältesten der romanischen Sprachen, von anlautendem oder
inlautendem h, eine Spur mehr findet.12
Zur Art des h und dessen Schwund in Schrift und Aussprache finden sich bei Grammatikern
wie Quintilian (ca. 35-100 n. Chr.) (Inst. 1, 5, 19ff.) bereits einige Hinweise:

1
Meiser 2010, S. 13.
2
Meiser 2010, S. 52.
3
Dieth 1950, S.92 ff.
4
Dieth 1950, S. 101.
5
LEUMANN 1977, S. 173, §178, I.
6
LEUMANN 1977, S. 124, §135, 3.
7
SOMMER 1977, S. 147.
8
Dieth 1950, S. 103.
9
SOMMER 1977, S. 147.
10
Stolz 1894, S 292.
11
Lindsay 1897, S. 62, 56.
12
Lindsay 1897, S. 62, 56.
2
XIX. Illa vero non nisi aure exiguntur quae fiunt per sonos: quamquam per adspirationem, sive
adicitur vitiose sive detrahitur, apud nos potest quaeri an in scripto sit vitium, si h littera est,
non nota. cuius quidem ratio mutata cum temporibus est saepius. XX. Parcissime ea veteres usi
etiam in vocalibus, cum "aedos" "ircos"que dicebant. Diu deinde servatum ne consonantibus
adspirarent, ut in "Graccis" et "triumpis". Erupit brevi tempore nimius usus, ut "choronae"
"chenturiones" "praechones" adhuc quibusdam inscriptionibus maneant, qua de re Catulli
nobile epigramma est.13
Fehler im Klang andererseits können vom Ohr alleine bemerkt werden; obgleich man bei der
Aspiration, ob sie nun fälschlich hinzugefügt oder weggelassen wird, fragen kann, ob es nicht
auch ein Schreibfehler ist, wenn h ein Buchstabe und nicht nur ein Zeichen ist Der Gebrauch
hat sich mehrmals über die Zeiten hinweg geändert. Ältere Urheber haben es selten vor Vokalen
benutzt, sagten aedus oder ircus, während die Konjunktion mit Konsonanten lange Zeit
umgangen wurde, wie in den Wörtern Graccus oder triumpus. Dann brach für kurze Zeit ein
exzessiver Gebrauch aus, wie in „chorona“, „chenturia“ oder „praecho“, die man immer noch
in gewissen Inschriften lesen kann, in dieser Sache ist das berühmte Catull Epigramm
bekannt.14 Auf dieses wird später noch näher eingegangen.

(Inst. 1, 4, 9.) IX. an rursus aliae redundent, praeter illam adspirationis, quae si necessaria est,
etiam contrariam sibi poscit, et k, quae et ipsa quorundam nominum nota est, et q, cuius similis
effectu specieque […] non quaerimus?15

Oder zur Frage, ob wiederum andere Buchstaben überflüssig sind, wie z.B. ausser dem
Buchstaben zur Aspiration (h!), der, falls er nötig ist, doch auch einen gegengesetzten
Buchstaben verlangt, sowohl das k, das auch alleine schon ein Zeichen für bestimmte Nomina
ist, wie auch das q, dessen Effekt und Art […].16

Gellius (125- 180) führt folgendes an:

Qua ratione verbis quibusdam vocabulisque veteres immiserint "h" litterae spiritum. 1 "H"
litteram sive illam spiritum magis quam litteram dici oportet, inserebant eam veteres nostri
plerisque vocibus verborum firmandis roborandisque, ut sonus earum esset viridior
vegetiorque; atque id videntur fecisse studio et exemplo linguae Atticae. 2 Satis notum est
Atticos hichthyn et hippon et multa itidem alia contra morem gentium Graeciae ceterarum
inspirantis primae litterae dixisse. 3 Sic "lachrumas", sic "sepulchrum", sic "ahenum", sic
"vehemens", sic "incohare", sic "helluari", sic "halucinari", sic "honera", sic "honestum"
dixerunt. 4 In his enim verbis omnibus litterae seu spiritus istius nulla ratio visa est, nisi ut
firmitas et vigor vocis quasi quibusdam nervis additis intenderetur.17

« Aus welchem Grund unsere Vorfahren den Aspirat h in gewissen Verben und Wörtern
einfügten. 1. Der Buchstabe h (oder vielleicht sollte man es eher als ein Atmen,denn als
Buchstaben nennen) war von unseren Vorfahren hinzugefügt worden, um Stärke und

13
http://www.thelatinlibrary.com/quintilian.html , besucht am 19.12.2014.
14
Freie Übersetzung: Julian Ronneberger.
15
http://www.thelatinlibrary.com/quintilian/quintilian.institutio1.shtml#4, besucht am 19.12.2014.
16
Freie Übersetzung: Julian Ronneberger.
17
http://www.thelatinlibrary.com/gellius/gellius2.shtml#3 , besucht am 20.12.2014.
3
Nachdruck zur Aussprache vieler Wörter um damit einen frischen und lebendigen Klang zu
haben; und das scheinen sie in Nachahmung und Anlehnung an die attische Sprache getan zu
haben 2. Es war wohl bekannt, dass die Bewohner Atticas, im Gegensatz zu den übrigen
Völkern Griechenlands, hichthyn (ἱχθύς Fisch),hippon (ἵππος Pferd) und daneben viele andere
Wörter mit einem rauhen Atmen auf der ersten Silbe betonten.3. So haben auch unsere
Vorfahren „lachrumas“ (Tränen), „sepulchrum“ (Grab), „ahenum“ (ehern), „vehemens“
(gewalttätig), „incohare“ (beginnen), „helluari“ (gormandize), „hallucinari“ (träumen),
„honestum“ (Lasten) und „honestum“ (belastet) gesagt. 4. In all diesen Wörtern scheint es
keinen Grund für diesen Buchstaben oder Atmen, ausser um die Kraft und Nachdruck des
Klangs durch bestimmte Verbindungen (Nerven) zu erhöhen, zu geben.18

Wortanlaut

Im Wortanlaut war h schon vorhistorisch geschwunden, wie sich bei anser (Gans) welches aus
dem Griechischen χήν enstanden ist und damit h- verlangt, zeigt.19 Des Weiteren fehlt es bereits
auf Inschriften: DANAII ANCILLA NOCI HANC (H)OSTIAM ACCIIPTAM HABIIAS IIT
CONSVMAS DANAII NII HABIIS IIVTYCHIAM SOTIIRICHI VXORIIM.20 Ebenso das
Grusswort „ave“, welches aus dem Punischen kommt und eigentlich „have“ hiess, verlor das h
im Volksmund.21

Die gehobenen Schichten bemühten sich um den Erhalt des gesprochenen h-, durch die
Schreibung desselbigen. Sie bezweckten damit, es den Griechen gleichzutun, die ebenfalls
versuchten den toten „Spiritus asper“ für die Hochsprache zu erhalten. Ihn richtig zu setzen war
sowohl in Griechenland als auch in Rom zu Postulat für eine gehobene Redeweise. 22 Dazu
auch der Ausspruch des Nigidius Figus: rusticus fit sermo, si adspires perperam.23 Augustinus
(354-430) tätigt noch in seinen Confessiones folgenden nicht ganz ernst gemeinten Ausspruch:
vide, domine deus, et patienter, ut vides, vide quomodo diligenter observent filii hominum pacta
litterarum et syllabarum accepta a prioribus locutoribus, et a te accepta aeterna pacta perpetuae
salutis neglegant, ut qui illa sonorum vetera placita teneat aut doceat, si contra disciplinam
grammaticam sine adspiratione primae syllabae hominem dixerit, magis displiceat hominibus
quam si contra tua praecepta hominem oderit, cum sit homo.24 Siehe, o Herr, und siehe es nach
deiner Gewohnheit mit Geduld an, wie sorgfältig die Menschenkinder die Gesetze der
Buchstaben und Silben, die ihnen von den früheren Redenden überliefert sind, beobachten und
dagegen die von dir empfangenen dauernden Gesetze des ewigen Heils vernachlässigen, so dass
der, welcher jene alten Lautgesetze weiss und lehrt, grösseren Unmut bei den Menschen erregt,
wenn er gegen die grammatische Regel ohne Aspiration der ersten Silbe omo anstatt homo
sagen würde, als wenn er deinen Geboten zuwider selbst ein Mensch, seinesgleichen hasste.25

18
Freie Übersetzung Julian Ronneberger.
19
LEUMANN 1977, S. 173, § 178, III.
20
CIL I2 1013 (=819).
21
LEUMANN 1977, S. 174, §178, 3.
22
SOMMER 1977, S. 147.
23
Freie Übersetzung: Julian Ronneberger „Die Aussprache wird bäuerlich, wenn du an verkehrter Stelle
behauchst.“.
24
http://www.thelatinlibrary.com/augustine/conf1.shtml, besucht am 22.12.2014.
25
Freie Übersetzung: Julian Ronneberger
4
Hyperkorrekte (falsche) Setzung eines h- findet in der Aussprache durch die Schrifttradition,
die durch gebildete Schichten und Rhetorikschulen weiterlebte, jedoch auch statt. Das wohl
berühmteste Beispiel ist HINSIDIAS (Catulls Carmen 84) Über den Erhalt des h in der
gebildeten Sprache26 machte sich der Dichter Catull (1. Jhd. v.Chr.) lustig:

Catullus carmen 84

Chommoda dicebat, si quando commoda uellet


dicere, et insidias Arrius hinsidias.
et tum mirifice sperabat se esse locutum,
cum quantum poterat dixerat hinsidias.
Credo, sic mater, sic liber auunculus eius.
sic maternus auus dixerat atque auia.
Hoc misso in Syriam requierant omnibus aures:
audibant eadem haec leniter et leuiter.
nec sibi postilla metuebant talia uerba,
cum subito affertur nuntius horribilis:
Ionios fluctus, postquam illuc Arrius isset,
iam non Ionios esse sed Hionios.27

Chommoda sagte Arrius, wenn er einmal Commoda sagen wollte und für Insidias sagte er
Hinsidias und dann hoffte er, dass er wunderbar gesprochen hat, wenn er, so viel er konnte
Hinsidias gesagt hatte. Ich glaube, so hat die Mutter, dessen freier Onkel, der mütterliche
Großvater (mütterlicherseits) und die Großmutter gesprochen. Nachdem dieser nach Syrien
geschickt war, kamen die Ohren für alle zur Ruhe: diese hörten dasselbe leichter und sanfter
und sie fürchteten für sich nicht in Zukunft solche Worte, bis auf einmal die schreckliche
Botschaft überbracht wurde, dass die Ionischen Fluten, nachdem Arius dorthin gegangen war,
nicht mehr die Ionischen waren, sondern die Hionischen.28

Eigene Interpretation

In diesem Carmen spottet Catullus über die Aussprache gewisser Wörter durch Arrius. Catull
war für seine Schmähschriften gegen Einzelne bekannt. Doch wer ist dieser Arrius? Aus dem
Gedicht geht hervor, dass dieser in offizieller Mission nach Syrien geschickt wurde, das heisst,
er muss eine höhere Stellung innegehabt haben noch dazu wenn es weiter heisst „kamen die
Ohren für alle zur Ruhe“ was auf häufige öffentliche Reden schliessen lässt. Möglicherweise
ist es jener Quintus Arrius, den Cicero beschreibt:

« quod idem faciebat Q. Arrius, qui fuit M. Crassi quasi secundarum. is omnibus exemplo debet
esse quantum in hac urbe polleat multorum oboedire tempori multorumque vel honori vel

26
BALDI, S. 291.
27
MYNORS 1980, S. 94.
28
Freie Übersetzung: Julian Ronneberger
5
periculo servire. His enim rebus infimo loco natus et honores et pecuniam et gratiam consecutus
etiam in patronorum—sine doctrina, sine ingenio—aliquem numerum pervenerat. »29

Weiter dafür spräche, dass jener Arrius gemeint ist, dass Crassus 55. v. Chr. gen Osten zog (und
wenn jener Arrius wie Cicero schreibt, die Rechte Hand Crassus‘ war, dieser ihn evtl.
mitgenommen habe, was wieder zur Syrien Zeile passen würde).

Catull bemängelt primär nur Arrius‘ mangelhafte Aussprache, durch das Aspirieren von
eigentlich unaspirierten Wörtern, was durch h wiedergegeben wird. Catull zeigt auf, das Arrius
einer anderen gesellschaftlichen Gruppe als er selbst angehört und dazu einer niederen. Er stellt
ihn bloss und zeigt, dass er nicht dazugehört. Denn die sichere Beherrschung und Wiedergabe
eines bestimmten Idioms gilt auch heute noch als Erkennungsmerkmal einer Bildungs- und
eventuell auch einer Gesellschaftselite. Es muss jedoch nicht zwingend heissen, dass Arrius
nicht der Aristokratie angehört hat. Catull erweckt zumindest den Eindruck, dass er es nicht tut,
indem er einerseits auf den Sprachfehler, andererseits auf den „freien“ Onkel hinweist, d.h. eine
vorhergehende Unfreiheit hindeutet. Nun kommt der oben bei Quintilian angeführte nimius
usus zur Geltung, denn dieser ist es der Arrius bezeichnet: Erstens die Bemühung um die
Aussprache „quantum poterat“, zweitens der falsche Stolz auf das vermeintlich prächtig
gelungene „mirifice sperabat se esse locutum“. Es ist auch genau dieser Stolz auf den sich Catull
einlässt um Arrius zu schmähen: Nicht nur, dass Arrius sich durch seine Aussprache wirklich
lächerlich macht, sondern dies auch noch mit völliger Inbrunst und Eigenüberzeugung tut. Es
geht um Unbildung und vorgespielten Intellekt, denn wie bereits erwähnt, war die korrekte
Aspiration bei den dafür geeigneten Wörtern ein Kennzeichen der gebildeten und Griechisch
kundigen.

Weiter ist zu beobachten, dass bei den germanischen Lehnwörtern mit anlautendem h- das h im
Italienischen, Spanischen und Portugiesischen bald verloren gegangen war, jedoch konnte es
sich im Französischen, das im Mittelalter noch reich an konsonantischen Endungen war, noch
eine Zeitlang erhalten bleiben.30

Cicero sagte, dass er sich das Wissen um die Aussprache bewahrte, jedoch dem Volk und
dessen Redeweise nachgegeben habe:

Quin ego ipse, cum scirem ita maiores locutos esse, ut nusquam nisi in vocali aspiratione
uterentur, loquebar sic, ut pulcros, Cetegos, triumpos, Cartaginem dicerem; aliquando, idque
sero, convicio aurium cum extorta mihi veritas esset, usum loquendi populo concessi, scientiam
mihi reservavi. Orcivios tamen et Matones, Otones, Caepiones, sepulcra, coronas, lacrimas
dicimus, quia per aurium iudicium licet.31

29
http://www.thelatinlibrary.com/cicero/brut.shtml#242, besucht am 19.12.2014. Freie Übersetzung: Julian
Ronneberger: Von der selben Sorte war Q. Arrius, den man als rechte Hand des M. Crassus ansehen kann. Er ist
das Beispiel für Alle, welche folgen es in seiner Stadt wie der unseren ist, sich den für die Anliegen der Vielen
einzusetzen und ihrer Ehre und Sicherheit zu dienen. Denn durch diese Dinge, trotz der niederen Abstammung,
hat er sich selbst in höhere Ränge erhoben und zu ansehnlichem Wohlstand und Einfluss gebracht, hat er doch den
Ruf unter den Patronen erhalten, ohne zu Lernen noch Fähigkeiten
30
Lindsay 1897, S. 66.
31
http://www.thelatinlibrary.com/cicero/orator.shtml#48.
6
Sogar ich selbst redete so, dass ich pulcri, Cetegi, triumpi, Cartago sagte, weil ich wusste, dass
die Vorfahren so gesprochen haben, dass sie nur bei Vokalen die Aspiration verwendeten; eines
Tages und zwar spät, habe ich, as ich durch die Qualen der Ohren dazu gezwungen wurde, die
richtige Aussprache aufzugeben, dem Volk in der Redeart nachgegeben und mir selbst das
Wissen um die Richtigkeit erhalten. Trotzdem sagen wir Orcinii, Matones, Otones, Caepiones,
sepulcra, coronae, lacrimae, weil das nach dem Urteil der Ohren immer erlaubt ist.32

Velius Longus stellte im 2. Jhd.n. Chr. Dann noch einige Regeln zur Aspiration auf uund
versuchte diese teils etymologisch zu begründen:

et de h littera quaeritur, quae se [cum his] aut inseruit uocalibus |aut praeposuit: inseruit, ut in
his, uehemens reprehendit, cum elegantiores |et uementem dicant et reprendit secundum
primam positionem; prendo |enim dicimus, non prehendo. [at] praeposuit, ut cum dicimus
[hostis |harena harenae] halicam et haliculam, cum ab alendo possit alica dici et |aliculam
existiment dictam, quod alas nobis iniecta contineat. hortus |quoque non desiderabat
adspirationem, quod ibi herbae oriantur, id est |nascantur; sed tamen a consuetudine accepit. et
cohortes aeque a cooriendo |ex eodem loco dictae sunt; sed tamen differentiam quidam esse
maluerunt, |ut cohortes militum cum adspiratione a mutua hortatione dicantur. |item non nulli
harenam cum adspiratione, siue quoniam haereat, siue |quod aquam hauriat, dicendam
existimauerunt; aliis sine adspiratione uidetur |enuntiandam. nos non tam propter illas causas
quas supra proposuimus |<harenam dicimus>, quam propter originem uocis, siquidem, ut testis
est |Varro, a Sabinis fasena dicitur, et sicut s familiariter in r transit, ita |f in uicinam
adspirationem mutatur. similiter ergo et haedos dicimus cum |adspiratione, quoniam faedi
dicebantur apud antiquos: item hircos, quoniam |eosdem aeque fircos uocabant. nam et e
contrario quam antiqui habam |dicebant, nos fabam dicimus. |cilonem quoque et cocleam et
cocleare sine adspiratione scribemus, |et quicquid per consuetudinem aurium ita licuerit
enuntiare. non enim |firmum est catholicum grammaticorum, quo censent adspirationem
|consonanti non esse iungendam, cum et Carthago dicatur et pulcher et Gracchus |et Otho et
Bocchus.33

Es stellt sich auch die Frage nach dem Buchstaben h, der zwischen Vokalen oder vor diesen
auftritt: zwischen ihnen bei uemens, reprehendit, obwohl die eleganteren Sprecher uemens und
reprendit nach der ersten Person sagen; wir sagen nämlich prendo, nicht prehendo.
Voranstehend sagen wir , wenn wir hostis, harena, harenae, halica und halicula sagen, obgleich
man es von alere herleiten und alica sagen könnte und obwohl man meint, man sage darum
alicula, weil darin enthalten ist, dass wir damit gleichsam Flügel bekommen. Auch hortus
müsste nicht aspiriert werden, weil dort die Gräser (oriri) entstehen aber dennoch hat es sich so
eingebürgert. Auch hiessen die Kohorten so, weil sie von demselben Ort kommen aber trotzdem
wollten einige lieber einen Unterschied machen, so dass man Soldatenkohorten wegen des
gemeinsamen Befehls (hortatio) mit Aspiration sprechen sollte. Auch glaubten einige, man
müsse harena mit Aspiration sprechen, da der Sand hängen bleibt (haerere) oder weil er das
Wasser aufsaugt (haurire); andere meinen, man müsse es ohne Aspiration aussprechen. Wir

32
Freie Übersetzung: Julian Ronneberger.
33
http://kaali.linguist.jussieu.fr/CGL/text.jsp?topic=de%20orthographia&ref=7,54,1-81,12, besucht am
31.12.2014.
7
sagen aber nicht wegen der obigen Gründe harena, sondern wegen der Herkunft des Wortes,
weil es ja wie Varro bezeugt, von den Sabinern fasena ausgesprochen wird und wie s leicht in
r wechselt, so wird auch aus f leicht die naheliegende Aspiration. Gleichfalls sagen wir also
auch haedi mit Aspiration, weil die Alten faedi sagten und hircos, da dieselbigen fircos riefen.
Und auch umgekehrt sagen wir faba, wo die Alten haba sagten. Wir werden auch cilonem,
cocleam und cocleare ohne Aspiration schreiben und was immer man nach der Gewöhnung der
Ohren so sagen kann. Es ist nämlich keine feste allgemeingültige ansicht der Grammatiker, dass
man keinen Konsonanten aspirieren dürfe, wo es doch Carthago, pulcher, Gracchus, Otho,
Bocchus heisst.34

Weitere Etymologisch ungerechtfertigte h im Wortanlaut zeigen: humor (umor), humerus


(umerus)35.

Intervokalischer Schwund des h

Tatsächlich ist das h in Intervokalischer Stellung auch bei einigen Wörtern graphisch nicht
mehr nachzuweisen, wie z.B. vorhistorisch in lien aus *(sp)lihen zu altind. Plihán- „Milz“.
Weiter wurde der Schwund in der Aussprache in der Kompositionsfuge bestätigt durch eine
Vokalkürzung oder Kontraktion, die das h nicht verhindern konnte:36 (nēmō < *nehemo,
dēbeo < *dĕhibeo, bīmus < *dṷi-himos). Es gibt auch Indirekte Zeugnisse für ein
ursprünglich vorhandenes h. Z.B. Silbentrennungszeichens, wie in AHENAM37 aus dem
senatus consultum de Bacchanalibus (ca. 186 v. Chr.).

Dieses „ahenus“ beweist, die Stellung des h als Silbentrennungszeichens, da es etymologisch


an dieser Stelle nicht gerechtfertigt werden kann (< *ayes-nos)38 sondern das h dient hier zu
Verhinderung (Hiat)39 der Lesung (ae) und führt damit zur Lesung aë.40 oder in weiteren
Inschriften:
DEHE (deae): DEHE SANCTE IVNONI EX REG MARCIANOPOLITA NI CIVES
POSVERVN…41
Hinweise auf die Setzung eines h zwischen gleichen Vokalen für Länge42 finden sich wiederum
bei Quintilian: Inde durat ad nos usque "vehementer" et "comprehendere" et "mihi": nam
"mehe" quoque pro "me" apud antiquos tragoediarum praecipue scriptores in veteribus libris
invenimus.
Bis zu uns hält sich die [Schreibweise] fort „vehementer“, „comprehendere“ und „mihi“ und
unter den frühen Schreibern, besonders von Tragödien, finden wir „mehe“ für „me“ in den
alten Büchern.43 Vor allem findet sich auch im Umbrischen das h als Längenzeichen, wenn es

34
Freie Übersetzung: Julian Ronneberger.
35
LEUMANN 1977, S. 255.
36
WEISS 2009, S. 63.
37
CIL I2 581.
38
PALMER, S. 255.
39
Stotz 1996, S. 162.
40
LEUMANN 1977, S. 174, §178, III b.
41
CIL VI 2808.
42
LEUMANN 1977, S. 174, §178, III b.
43
Freie Übersetzung: Julian Ronneberger.
8
zwischen zwei Vokalen eingeschoben wurde (comohota= lateinisch commōta). 44
Möglicherweise wurde dies im Lateinischen übernommen.
Später (um 400 n. Chr.) finden sich Belege für das Wiedererwecken des h in der Aussprache in
den Wörtern michi und nichil in verschiedenen Handschriften und Inschriften.45
Rhotazismus

H verhinderte den Rhotazismus nicht: *dis-habeō > diribeō 46

Aussprache für die Prosodie

Vom Altlatein (vorklassische Zeit bis zur ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr.)47 an wurde
in der Metrik h durchaus prosodisch dem griechischen spiritus asper48 entsprechend behandelt,
dem griechischen Vorbild gleich, das heisst nichtexistent behandelt.49 Vor anlautendem h- wird
Vokal und –um getilgt. Inlautend h hinter einem Konsonant bildet keine Position: ădhūc ănhēlus
ĭnhaeret, gleichfalls anlautend h hinter einem einfachen Schlusskonsonant.50 Spätlateinische
Dichter zeigten ein positionsbildendes h, nach falscher Interpretation von Vergilstellen.51

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das lateinische Phonem h schon sehr früh aus der
Alltagssprache verschwunden ist. Graecophile Gelehrte versuchten, vor allem während der
Kaiserzeit beinahe zwanghaft, das h zumindest in der Schrift weiter am Leben zu erhalten. Dies
gelang ihnen jedoch nur bedingt. Eine Wiederbelebung fand erst wieder durch Grammatiker
statt, jedoch aus der Not heraus, verwendeten sie das spätgriechische χ, da die Spätlateiner das
h nicht mehr sprechen konnten, als lateinisches ch. (michi). Diese Formen sind auch im
Mittelalter noch durchgeführt.52 Ansonsten hat das h als Phonem seine Bedeutung im
Lateinischen und den folgenden romanischen Sprachen verloren.

44
Lindsay 1897, S. 62, 56.
45
LEUMANN 1977, S. 174, §178, III b.
46
WEISS 2009, S. 63.
47
MEISER 2010, S. 2, § 2.
48
SIEVERS 1901, 392.
49
SOMMER 1977, S. 148.
50
LEUMANN 1977, S. 175, §178, IV.
51
LEUMANN 1977, S. 175, §178, IV.
52
LEUMANN 1977, S. 175, §178, III.
9

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