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Schon hier wie in allen folgenden Teilen herrscht die Strategie der Exkursion, des
Ausweichens, des Abschweifens vor: Das Vernünftigste wäre ... möglichste keine voreiligen
Schlüsse zu ziehen.
Der vordergründige Plot ist nur ein banaler Aufhänger für unzählige kleine Geschichten,
Anekdoten, Phantasien, Witze ...
Viele dieser Geschichten enden abrupt, nach landläufiger Vorstellung ohne Schluss. Wie
Momentaufnahmen.
Es wird sehr genau, konkret und ausführlich erzählt, auch die banalsten Dialoge werden
nicht ausgespart, da sie die Beteiligten entsprechend charakterisieren oder Ungesagtes
unvermittelt sichtbar machen.
In all diesen Punkten erinnert der Autor an Jean Paul.
Der Erzähler schaltet sich – und dies allerdings sehr anders als bei Jean Paul - immer wieder
diskret ein, doch erweckt er gleichzeitig Zweifel an seinem Wissen über die Figuren.
Der Philosophieprofessor aus Chile ist mit Hilfe einer Kollegin, Frau Pérez, die diesen Dienst
mit gewissen Absichten verknüpft hat, von Barcelona, wo er im Exil lebte, nach Santa Teresa
verpflichtet worden. Ihn begleitet seine Tochter Rosa, um die er, wegen der Serienmorde an
jungen Frauen, beständig Angst hat.
Er erinnert sich an Rosas Mutter, Lola, die ihn verlässt, als Rosa noch ein Kleinkind ist. Sie ist
in einen verrückten Dichter (ein flüssiger Stern aus kochendem Wasser) verliebt, dem sie
vor langer Zeit auf einem Fest intim begegnet ist, dem aber stets nachgesagt wurde, er sei
schwul und werde von einem Philosophen ausgehalten. Lola will der lebendige Beweis des
Gegenteils sein. Der Dichter ist jedoch inzwischen in die Irrenanstalt eingeliefert worden.
Sie reist zu ihm mit Hilfe Immas, einer Lesbierin, die ihr hörig ist und versprochen hat, ihr
zu helfen, den Dichter zu befreien und nach Paris auszuschmuggeln. Als sie endlich
vorgelassen werden, zeigt sich der Dichter unbeeindruckt von Lolas Bekenntnissen,
während ein behandelnder Arzt ihre Pläne ermuntert. Doch sie werden danach nicht mehr
vorgelassen. Imma lässt Lola zurück, um Geld zu beschaffen, kommt aber nie zurück. Lola
übernachtet auf der Straße oder im Friedhof. Dort lernt sie einen LKW-Fahrer kennen, der
sie eine Zeitlang aushält. Sie hofft weiterhin, noch einmal Zutritt zur Anstalt zu erlangen.
Sie beobachtet eine Schlägerei unter den Irren, an der auch der Dichter beteiligt ist, und die
in eine Masturbation mündet, vergleichbar mit dem, was der Blick zu Boden offenbart: ...
das Leben, das auf dieser Höhe tobte, zwischen Gräsern und unter herumliegenden
Erdklumpen. Ein blindes Leben, in dem alles sonnenklar war. Lola scheint danach zu
resignieren. Sie geht nach Lourdes, dann nach Paris, arbeitet als Putzfrau. All das erfährt
Amalfitano durch sporadische Briefe, Botschaften aus der kältesten, eisigsten Zone der
Leidenschaft.
Als sie heimkehrt, muss sie ihren Mann, der inzwischen umgezogen ist, suchen. Sie bleibt
nicht lange. Sie wird bald an Aids sterben und verlässt die Familie nach wenigen Stunden
wieder.
Als Amalfitano nach seiner Übersiedlung nach Santa Teresa in seiner Bücherkiste ein
unbekanntes Buch findet, ein Geometriebuch eines galicischen Dichters, beginnt er an
seinem Verstand zu zweifeln. Er hängt das Buch nach dem Vorbild eines ready-made von
Duchamp auf die Wäscheleine. Es wirft einen sargähnlichen Schatten.
Der Professor muss die Bekanntschaft Guerras, eines jungen Schnösels, machen, es ist der
Sohn des Universitätsdekans, der ihn immer wieder anquatscht und in Kneipen schleppt.
Er hört eine Stimme, die sich als die seines Großvaters oder Vaters ausgibt, dies aber dann
widerruft. Sie leugnet, dass es Freundschaft, Liebe und Dichtung gebe, die etwas anderes
wäre als das Brabbeln oder Brummeln von Egoisten, das Zwitschern von Schwindlern,
Brausen von Verrätern, Blubbern von Emporkömmlingen ...
Er kann nicht schlafen und fühlt sich trotzdem sehr gut: Mit schwer zu bändigendem Glück
fragte er sich, in was für einen Schlamassel er da geraten war.
Er beschäftigt sich mit den Theorien Lonko Kilapáns, eines Araukaniers, der behauptete, der
chilenische Nationalheld O’Higgins habe über seine Mutter indianische Wurzeln. Überdies
phantasiert dieser Autor von einer Wanderung seines Stammes rund um die Welt, was eine
Verwandtschaft mit den Indogermanen, besonders den Griechen impliziere.
Im Traum hört Amalfitano Boris Jelzin sagen: Ich will dir erklären, was das dritte Bein des
menschlichen Tisches ist. ... Das Leben ist Nachfrage und Angebot ... so kann man nicht
leben. Es braucht ein drittes Standbein, damit der Tisch nicht auf den Müllhaufen der
Geschichte kippt, der seinerseits permanent auf den Müllhaufen der Leere kippt. ... Das ist
die Gleichung: Angebot + Nachfrage + Magie. ... Magie ist Epik und Sex und dionysischer
Nebel und Spiel.
Programmatisch scheint es, wenn der Arzt in der Irrenanstalt über die Biografie sinniert, die
er über den Dichter veröffentlichen wird: ... Namen und Daten zusammentragen,
Anekdoten überprüfen ... Geschichten, die jetzt um ein chaotisches Gravitationszentrum
kreisen, ... (sind eine) scheinbare Ordnung, eine Ordnung verbaler Natur, die mittels einer
Strategie, die ich zu verstehen glaube, deren Ziel mir jedoch schleierhaft ist, eine verbale
Unordnung verbirgt, die uns ... bis zu einem schwer erträglichen Grade erschrecken würde
...
Ähnlich programmatisch könnte die Stelle gelesen werden, an der Amalfitano über die
Wahrnehmung der Zeit und die Erinnerung reflektiert: (Derlei Gedanken) ... verwandelten
eine barbarische Geschichte von Ungerechtigkeiten und Übergriffen, ein
unzusammenhängendes Geheul ohne Anfang und Ende, in eine gut strukturierte
Geschichte, in der die Möglichkeit, sich umzubringen, gewahrt blieb. ... Verwandelten das
Chaos in Ordnung, wenngleich um den Preis dessen, was man gemeinhin Vernunft nennt.
Eine dritte Stelle äußert angesichts der Lektüren eines Apothekers, der für eine
Reinkarnation von Georg Trakl gehalten werden könnte, folgendes:
Nicht einmal die belesenen Apotheker wagen sich mehr an die großen, die
unvollkommenen, die überschäumenden Werke, die Schneisen ins Unbekannte schlagen.
Sie geben den perfekten Fingerübungen der großen Meister den Vorzug. ... Sie wollen ...
nichts wissen von den wahren Kämpfen, in denen die großen Meister gegen jenes Etwas
kämpfen, das uns allen Angst einjagt, jenes Etwas, das gefährlich die Hörner senkt, und es
gibt ein Blutvergießen, tödliche Wunden und Gestank.
Oscar Fates Mutter ist gestorben. Das bringt ihn immer wieder ins Grübeln. Das Interview
mit Seaman, einem Gründungsmitglied der Black Panthers, der nach seiner Haft
Kochbuchautor, danach Prediger geworden ist, fällt ihm schwer. Seaman hält Vorträge über
sein Leben und das seines Weggefährten Newell, aus dem er allgemeine moralische Schlüsse
zieht (oder auch nicht). Die Predigt gliedert sich in die Hauptteile Gefahr – Geld – Essen –
Sterne – Nützlichkeit und ist völlig chaotisch mit wilden assoziativen Sprüngen (Die
Metaphern sind unsere Art, uns in den Erscheinungen zu verlieren oder reglos im Meer der
Erscheinungen zu verharren. In diesem Sinn ist eine Metapher wie ein Rettungsring. Man
darf nur nicht vergessen, dass es Rettungsringe gibt, die schwimmen, und Rettungsringe, die
wie Blei auf den Grund sinken). Während ein Bericht über eine in Sonora verschwundene
Amerikanerin im Fernsehen läuft, träumt Fate von seinem ersten Interview mit Anthony
Jones, dem letzten Kommunisten New Yorks, der ihm zum Abschied ein Buch über den
Sklavenhandel schenkt. Dieses Buch, das er nie gelesen hat, kauft er sich jetzt, als er
aufwacht und sich an den Traum erinnert. Da ein Kollege der Sportredaktion verstorben ist,
wird er gegen seinen Willen dazu verdonnert, an dessen Stelle von einem wichtigen
Boxkampf in Santa Teresa zu berichten. In einer Raststätte belauscht er ein Gespräch des FBI
- Experten Kessler mit einem anderen Mann über Serienmorde und Mordperversionen:
Diese habe es immer gegeben, doch sei früher ein großer Teil der Gesellschaft vom
öffentlichen Leben, d.h. auch von der Kommunikation, ausgeschlossen gewesen, d.h. solche
Serienmorde wie der Sklavenhandel oder die Massenhinrichtungen während der Commune
de Paris seien als Verbrechen überhaupt nicht wahrgenommen worden. Sein Fazit: Alle,
wirklich alle dort (in Santa Teresa) sind wie die ersten Christen im Zirkus. diese Verbrechen
(d.h. die Frauenmorde in Serie) tragen verschiedene Handschriften. Diese Stadt wirkt vital,
wirkt irgendwie fortschrittlich, aber das Beste wäre, ihre Bewohner würden eines Nachts
hinaus in die Wüste und über die Grenze gehen, alle, ohne Ausnahme.
Sein erster Eindruck von Mexiko sind die Zopilote-Geier. Er lernt einige Mexikaner kennen,
darunter Chucho Flores und Charly Cruz. Chucho vergleicht die Frauenmorde mit Streik,
weil sie als Dauergesprächsthema die Leute am Arbeiten hinderten. Fate interessiert sich für
das Thema und beantragt eine Reportage darüber verfertigen zu dürfen, was seine
Redaktion aber ablehnt. Er erinnert sich an eine ebenso abgelehnte frühere Reportage über
die Mohammed-Brüder aus Harlem. Er reflektiert darüber, warum die Spanier, obwohl sie
so viele Indianerinnen vergewaltigten, die Gene ihrer Rasse in Amerika nicht durchsetzen
konnten. Eine Frau spricht ihn in Santa Teresa an, Guadelupe, eine Journalistin aus der
Hauptstadt, die über die Frauenmorde recherchiert, weil wir Frauen keinen Auftrag
ablehnen können. Ihr Vorgänger wurde ermordet. Ihr steht ein Interview mit dem
Hauptverdächtigen (Haas) bevor, der im Gefängnis sitzt. Sie hat Angst (... als wäre das
Gefängnis selbst lebendig. ... Es ähnelt ... einer zerstückelten, aber noch lebenden Frau. Und
im Innern dieser Frau wohnen die Gefangenen) und bittet Fate, sie zu begleiten. Er sagt zu.
Der Boxkampf endet mit vorzeitigem K.O. zugunsten des amerikanischen Meisters. Danach
verbringt Fate den Abend mit Chucho und Cruz, dabei lernt er Rosa, Amalfitanos Tochter
kennen und verliebt sich in sie. Er diskutiert mit dem Videoladenbesitzer Cruz über den
Film als religiöse Erfahrung, eine Eigenschaft, die er seit langem verloren habe. Fate denkt
darüber nach, was für ihn heilig sein könnte: Der undeutliche Schmerz, den ich angesichts
des Todes meiner Mutter empfinde? ... Oder die Art, wie sich mir der Magen
zusammenkrampft, wenn ich diese Frau anschaue? Im Lauf der Nacht bemerkt er, dass Rosa
Kokain schnupft. Er befreit Rosa mit Gewalt aus der Gesellschaft dreier Männer. Sie erzählt
ihm später, wie sie in diese Clique hineingeraten war. Als die Polizei sich nach ihm
erkundigt (er hat einen er Männer niedergeschlagen), bereitet er die Rückreise in die USA
vor. Rosas Vater, den sie aufsuchen, bestärkt ihn und seine Tochter darin abzureisen, er gibt
ihr Geld.
Sie verlassen Mexiko. Oder begleiten sie Guadelupe, die Journalistin aus der Hauptstadt,
nun beide ins Gefängnis (Rosa dringt darauf dabei zu sein)? Was ist vorher, was ist
nachher? Was ist wahr und was ist wirklich? In den USA ist Guadelupe jedenfalls nicht
mehr bei Fate und Rosa. Niemand schenkt den Morden Beachtung, dabei liegt in ihnen das
Geheimnis der Welt verborgen, hatte sie vor ihrem Interview im Gefängnis gesagt.
Dies ist eine Variation der Taktik des Verschweigens, die der Autor sehr häufig anwendet.
Der Leser erfährt z B nur, dass jemand einer anderen Person etwas offenbar Wichtiges ins
Ohr flüstert, aber nicht was. Ein Traum wird als wegweisend oder abschreckend
dargestellt, doch der Träumende erzählt ihn nicht. Usw.
Der Teil von den Verbrechen
Im Stil von Polizeiprotokollen (die sachlich und mitleidlos sind und daher einen kalten
Zynismus ausstrahlen) werden die Morde an einer großen Anzahl von Frauen in Santa
Teresa und Umgebung aufgezählt. Wo wurden sie gefunden und von wem, womit waren
sie bekleidet, konnte man ihren Namen, ihr Alter und ihre Lebensumstände ermitteln, was
war die Todesursache, wann trat der Tod ein etc etc ?
Es handelt sich in allen Fällen um junge Frauen, sehr viele minderjährig, manche noch
halbe Kinder. Fast alle wurden vorher vergewaltigt, oft mehrmals, auch anal. Die meisten
wurden erwürgt, viele erstochen, oft mit kaum mehr zählbaren Einstichen, in selteneren
Fällen erschossen, einige wenige verstümmelt. Praktisch alle wurden vor ihrem Tod schwer
misshandelt oder sogar regelrecht gefoltert. Die meisten Fundorte sind Ödland, Wüste,
Müll- und Abfallhalden, in wenigeren Fällen auch Wohnungen, meistens die eigene
Wohnung. Die Opfer sind überwiegend Arbeiterinnen in den aus dem Boden gestampften
Niedriglohnfabriken, Zweigstellen von global player - Firmen, aber auch Schülerinnen,
Prostituierte, Kellnerinnen etc. Nicht identifizierte Opfer (viele sind schon teilweise oder
ganz verwest) werden in Massengräbern bestattet oder den Medizinstudenten überlassen.
Häufig erscheinen in Zeugenaussagen schwarze Luxuslimousinen mit getönten Scheiben,
die Opfer abtransportiert haben. Auch Schüsse auf andere Opfer wurden von ihnen aus
abgegeben.
Die meisten Fälle werden sehr rasch ad acta gelegt, da es keine Anhaltspunkte gibt, wer der
Täter gewesen sein könnte oder weil verdächtige Personen unauffindbar bleiben.
Nur in sehr wenigen Fällen (Trittbrettfahrer?) wird der Schuldige gefunden (der
eifersüchtige Ehemann, der Freund, der nicht Vater werden will etc), bzw es gibt eine
Person, die das Verbrechen gesteht.
Die Arbeit der Polizei ist schlampig bis dilettantisch. Spuren am Fundort werden nicht
gesichert, Zeugen nur sporadisch befragt (lieber sofort als Schuldige verdächtigt und brutal
verhört), gerichtsmedizinische Gutachten gehen ebenso verloren wie biologisch-chemische
Analysen, die in einem Labor der Gebietshauptstadt Hermosillo vorgenommen werden
müssen. Die Polizei versucht Geständnisse zu erzwingen, um Schuldige vorweisen zu
können, wobei sie ihrerseits vor Folter nicht zurückschreckt. Natürlich lassen sich einzelne
Polizisten auch bestechen. Sie sind ohnehin der Ansicht, dass all diese Ermordeten
Prostituierte gewesen seien, was stillschweigend bedeutet, sie hätten den Tod verdient. Sie
witzeln über die Toten (z B über die diversen Kanäle von Vergewaltigungen) und beklagen
sich über Überstunden. Sie lassen sich bei ihren privaten Feiern und beim Kollegensport
nicht von Leichentransporten oder neugierigen Journalisten stören. Menschen, die
Vermisstenanzeigen aufgeben wollen, hält man stundenlang hin. Die Fahndung nach den
schwarzen Luxuslimousinen verläuft rasch im Sand, da sich die Reichen von Santa Teresa
Ermittlungen verbieten und die Polizei notgedrungen argumentiert, schließlich könne
jedermann ein solches Fahrzeug klauen. Allerdings ist keines je gestohlen gemeldet worden.
Im Falle einer ermordeten US-Touristin verweist die Polizei sofort auf das amerikanische
Konsulat, das jedoch nur mit Beschwichtigungen tätig wird (Besser keine Scheiße
aufwühlen, sagt ein Konsulatsangestellter bei anderer Gelegenheit).
Der Sheriff aus der Heimatgemeinde des Opfers stellt auf eigene Faust Ermittlungen an. Er
verschwindet ebenso wie später ein Journalist eines Lokalblattes, der eine große Reportage
über die Fälle plant.
Eine Lehrerin bringt sich um, weil sie Mordserie nicht mehr erträgt.
Die Polizeispitze arbeitet direkt mit Mitgliedern des Drogenkartells zusammen. Der
Polizeipräsident besorgt Rengifo, einem Drogenboss, einen Leibwächter, einen jungen
Dörfler, Lalo Cura. Als dieser sich in seiner Aufgabe bewährt, rekrutiert er ihn für den
Polizeidienst. Lalo Cura ist sehr willig und eifrig, verschafft sich im Revier polizeitaktische
Lehrbücher, die vor ihm niemand gelesen hat und entdeckt peu à peu die unglaublichen
Versäumnisse bei der Aufklärung – oder besser Nicht-Aufklärung – der Mordfälle. Aber
man sagt ihm: Nimm dich in Acht, Freundchen, das ist die erste und einzige Regel.
Die Behörden verfolgen die Arbeit der Polizei mit großer Aufmerksamkeit und noch
größerer Nachsicht. Das Wichtigste ist, keine toten Hunde zu wecken, sagt der
Bürgermeister. Der Vertreter der Handelskammer mahnt: Diskret, wenn ich bitten darf.
Das ideale Ergebnis der Ermittlungen wäre ein Serienmörder, nicht ein gewöhnlicher
Verbrecher, der die Opfer vergewaltigt und erwürgt ... was eine, sagen wir, normale Art
darstellt. In einem Fall folgt Epifanio, ein Hilfspolizist, ausnahmsweise konsequent einer
Spur, die zu dem Computerhändler Klaus Haas führt, einem Deutschamerikaner, der eine
Reihe einschlägiger Vorstrafen aufweist. Er wird sofort zum Serienkiller hochstilisiert. Er
wird verhört und trotz fehlender stichhaltiger Beweise ins Gefängnis gebracht und dort
einige Jahre festgehalten. Er verschafft sich dort allerdings sofort Respekt und genießt
zahlreiche Freiheiten, verfügt über Geld und ein Händi, rekrutiert Leibwächter, gibt
Pressekonferenzen. Der Gefängnisdirektor steckt nämlich mit einem gewissen Hernández,
dem Konkurrenten Rengifos, unter einer Decke (Drogenhandel unter dem Deckmantel eines
legalen grenzüberschreitenden In- und Exportgeschäftes mit Computern, vermutet ein
Journalist). Seine Wärter dulden, dass andere Verbrecher (vermutlich Mitglieder einer
konkurrierenden Mafia-Gruppe) im Gefängnis auf abscheuliche Weise gefoltert, kastriert
und getötet werden und machen sogar Fotos, mit denen sie vermutliche perverse Gelüste
von Drogenschiebern befriedigen. Die Polizei ermittelt, selbstverständlich ohne Ergebnis.
Klaus Haas kommentiert: Diese Bestien haben die Tochter eines reichen Mannes
umgebracht. Alles andere ist Beiwerk. Später geht das Gerücht um, dass in Santa Teresa
Snuff-Movies gedreht würden ...
Nach der Verhaftung einer weiteren Bande, die tatsächlich für einige Morde verantwortlich
gemacht werden kann, atmet Santa Teresa vorübergehend auf, obwohl auch weiterhin
Mordfälle gibt, doch nur ... die gewöhnlichen Morde, ... Leute, die zusammen feierten und
sich dann umbrachten, Morde, die nicht filmreif waren, Morde, die zur Folklore gehörten,
nicht zur modernen Welt, Morde, die niemanden erschreckten ... Doch die Frauenmorde
gehen weiter. Erst jetzt beschuldigt Haas zwei Brüder, die ihm in die Schuhe geschobenen
Morde begangen zu haben. Die Brüder sind unauffindbar.
Eine Parlamentsabgeordnete aus der Hauptstadt gewinnt einen Journalisten dafür, ihr bei
privaten Ermittlungen zu helfen (sie hat kein Vertrauen in die Polizei, ist sich aber der
Unterstützung von maßgeblichen Parteigenossen sicher): ihre Jugendfreundin Kelly ist
verschwunden. Es stellt sich heraus, dass diese zuletzt Parties organisierte, wiederholt auch
auf abgelegenen Gehöften in der Umgebung von Santa Teresa.
Der Verdacht drängt sich auf, dass all diese weiblichen Leichen gefunden werden sollten,
d.h. dass die Morde nicht nur perversen Vergnügungen von Mitgliedern der Drogenmafia
dienten, sondern auch die Macht der dahinterstehenden gesellschaftlichen Kräfte
demonstrieren sollten.
Vorübergehend erregt ein augenscheinlich Verrückter, der „Büßer“, der in mehrere
Kirchen eindringt, dort ausgiebig uriniert, sämtlich Heiligenstatuen zerstört und zuletzt
auch Menschen verletzt und sogar eine Person tötet, weit größeres Aufsehen (zumindest in
der veröffentlichten Meinung) als die Serienmorde.
Das hat auch mit der Angst zu tun, die sich in der ganzen Stadt ausgebreitet hat. Was tut ein
Kind, das man vergewaltigen und töten wird? Es schließt die Augen. Und schreit. Aber
zuerst schließt es die Augen, sagt der US-Experte Kessler, der nach Santa Teresa eingeladen
wird, kriminologische Vorträge hält, Mordschauplätze besichtigt, aber der Ermittlung nicht
dienlich ist. Übrigens beschatten ihn Spitzel der örtlichen Polizei.
Im Fernsehen tritt eine Hellseherin auf, die sich zu einer Vision über die toten Frauen und
Mädchen von Santa Teresa versteigt und die Mörder und ihre Helfershelfer verflucht, was
den Organisator dieser Sendung vorübergehend in Gefahr bringt.
Das Leben in Santa Teresa geht während der Mordserie ungebremst weiter.
Träume spielen hier wie in den anderen Teilen eine große Rolle. Weder die Figuren noch
der Leser können sie klar deuten.
(Träume spielen in der Kultur der chilenischen Mapuche- oder Arauco-Indianer eine
überragende Rolle)
Der Teil von Archimboldi
Der legendäre Dichter, der eigentlich Hans Reiter heißt, wächst in ärmlichen und
bildungsfernen Verhältnissen in einem Dorf nahe der Ostsee auf. Er liebt das Tauchen und
seine einzige Lektüre ist das Buch Tier- und Pflanzenarten an Europas Küsten. Er wächst
sich zu einem Riesen aus. Richtig sprechen lernt er nicht. Die Schule verlässt er vor der Zeit.
Wegen Trägheit oder Faulheit kann er in keinem Beruf Fuß fassen. Er geht seiner Mutter zur
Hand, die bei einem Landjunker, Baron von Zumpe, Putzfrauen- und Aufräumdienste
erledigt. Dort freundet sich Hugo, der Neffe des Barons, mit ihm an, aus Eigennutz, weil er
regelmäßig kleinere Diebstähle begeht, um sein Lotterleben in Berlin zu finanzieren und
Reiter ihn dabei gesehen hat. Hugo gibt ihm nicht nur Geld, sondern unterhält sich auch
mit ihm über Literatur. Der Parzival ist das erste literarische Werk, das Reiter kennen lernt.
Es gefällt ihm, weil sich der Autor Wolfram stolz auf sein Autodidaktentum zeigt (Aus den
Büchern hab ich nichts, kein Wissen und kein Können) und weil Parzival in seinen
Anfängen als Ritter unter der Rüstung noch das Narrenkleid seiner Mutter trägt. Nach der
Schließung des Guts arbeitet er beim Autobahnbau, dann als Nachtwächter in Berlin. Die
Kontakte mit Hugo bleiben bestehen. Mit ihm schlägt er sich die freien Nächte um die
Ohren.
Bei Kriegsbeginn wird er eingezogen, dient im Tross in Polen. Er denkt oft an den Ritter
Parzival mit dem doppelten Gewand. Er wird verlegt an die Maginot-Linie, dann in die
Normandie. Schließlich kommt er nach Rumänien. Auf Schloss Dracula trifft er Baroness
Zumpe, die Cousine Hugos und Tochter des Barons, die ihn sofort wiedererkennt. Sie
vergnügt sich dort mit Militärs des rumänischen Verbündeten.
Beim Angriff auf die Sowjetunion lernt Reiter erst den wahren Charakter des Kriegs kennen,
der ihn zutiefst abstößt. Er liebäugelt mit Selbstmord, unterlässt deshalb viele
Vorsichtsmaßnahmen bei Kampfhandlungen, überlebt aber wunderbarerweise und erhält
für seine Tapferkeit das Eiserne Kreuz. Schwer verwundet kommt er ins Lazarett, hat für
einige Zeit die Sprache verloren. In ein leeres Dorf (es war ausschließlich von Juden
bewohnt gewesen) mit dem Auftrag verfrachtet, die landwirtschaftliche Produktion zu
Nachschubzwecken wieder aufzubauen, stößt er in einer Hütte auf ein Notizbuch eines
gewissen Ansky, der den Aufbau der Sowjetunion miterlebt und in Sibirien mitgestaltet hat,
später als Journalist arbeitet. Das Kernstück der Aufzeichnungen ist das Schicksal des
russischen SF-Autors Iwanow, der zuerst mit seinem Roman Die Dämmerung als Erneuerer
der Literatur gefeiert wird, dann den Stalinschen „Säuberungen“ zum Opfer fällt. Ansky
spricht auch über den Maler Arcimboldo (Wenn ich traurig bin oder mir langweilig ist ...
denke ich an Giuseppe Arcimboldo, und Traurigkeit und Langeweile lösen sich auf ... Die
Technik des Mailänders war ... die personifizierte Freude. Das Ende der Trugbilder.
Arkadien vor der Ankunft des Menschen).
Trugbilder entwickeln, nach Ansky, die Schriftsteller, die Angst davor haben, schlecht zu
sein: ... als würde man sagen, das Paradies der guten Schriftsteller sei aus Sicht der
schlechten von Trugbildern bevölkert. Und die Güte (oder die Brillanz) des Werkes kreise
um ein Trugbild ... etwas, dessen Schein trog, Oberfläche und nicht Fundament, bloße
Geste, und noch die Geste wurde mit der Absicht verwechselt. Reiter weitet später den
Gedanken aus: Die Liebe, die ganz gewöhnliche Liebe, die Partnerliebe mit Frühstück und
Abendbrot, mit Eifersucht und Geld und Traurigkeit, ist Theater, also Trugbild. Die Jugend
ist das Trugbild der Stärke, die Liebe ist das Trugbild des Friedens.
Reiter erwägt, dass er Ansky auf der Flucht erschossen haben könnte. Es wird zur fixen Idee.
Erst ein Traum, in dem er sich selbst als sein eigenes Opfer erschossen liegen sieht, befreit
ihn und er kann wieder sprechen. Er kommt zurück an die Front, macht die letzten
deutschen Offensiven in Südrussland, dann den langen Rückzug durch die Ukraine mit. In
Rumänien (das inzwischen zu den Alliierten übergelaufen ist) erlebt er, wie der General,
den er vom Draculaschloss kannte, gekreuzigt wird, als Zeichen des rumänische
Kurswechsels für die anrückende Rote Armee.
Zuletzt desertiert Reiter und schlägt sich nach Deutschland durch, kommt in ein
amerikanisches Gefangenenlager. Dort ermordet er unentdeckt einen biederen, „braven“
Nazi-Verwaltungsbeamten, der umständehalber 500 Juden im Generalgouvernement
liquidieren muss und es auch tut, bzw tun lässt.
Nach seiner Entlassung arbeitet Reiter als Türsteher, und ihn findet Ingeborg, ein Mädchen,
das er von früher kennt (es hat in Hugos Berliner Wohnung nach dessen Umzug gewohnt,
ihn damals in frühreifer Keckheit angesprochen und ihn schwören lassen, sie nicht zu
vergessen) und das er später heiraten wird.
Er beginnt zu schreiben. Zum Abtippen muss er sich eine Schreibmaschine leihen. Nach
vielen vergeblichen Versuchen, den Roman unterzubringen, nimmt sich der renommierte
Bubis-Verlag, der auch Heinrich Mann und Döblin verlegt, des Manuskripts an. Aus Angst,
wegen des Mordes im Lager noch belangt zu werden, hat er das Pseudonym Archimboldi
angenommen. Nicht um seinen erhofften Ruhm mit einem klangvollen Namen zu
unterfüttern: Hitler war berühmt. Göring war berühmt. Die Leute, die er liebte oder an die
er sich mit Wehmut erinnerte, waren nicht berühmt. ... Ansky war seine Stärke, Ingeborg
war seine Freude, der verschwundene Hugo ... war seine Lebensleichtigkeit. Seine Schwester
war seine Unschuld. ... Berühmtheit (bestand) in Selbsttäuschung und Lüge. Außerdem war
Ruhm reduktionistisch. Alles, was auf Ruhm abzielte und alles, was aus Ruhm hervorging,
verengte sich. Die Botschaften des Ruhms waren simpel. Ruhm und Literatur waren
unversöhnliche Feinde.
Der Verleger Bubis interessiert sich für die neuen Autoren (Wenn ein neuer Kafka
auftauchte, ... würde ich es mit der Angst kriegen, sagt er). Überdies ist seine junge Frau die
Baroness Zumpe, die sofort Archimboldi vereinnahmt. Sein erster Roman erscheint und
verkauft sich, wie alle folgenden, die Reiter in atemberaubender Geschwindigkeit schreibt,
sehr schleppend. auch die Kritiken sind nicht einhellig positiv. Doch Bubis hält an ihm fest,
auch als ihm der mittlerweile fünfte Roman nicht gefällt. Er setzt sogar einen Starkritiker
unter Druck.
Da Ingeborg seit jeher an Tuberkulose leidet und sich ihr Leiden verschlimmert, zieht Reiter
mit ihr ins Allgäu. Dann bereisen sie Italien.. Die Baroness sucht nach ihm, eigentlich aus
Neugier, seine Frau kennen zu lernen, und erfährt, diese sei ertrunken. Archimboldi schickt
seine Manuskripte aus Venedig, dann aus Sizilien. Er ist von da an verschwunden. Die
Manuskripte kommen aus Ikaria, dann aus anderen Gegenden Griechenlands. Bubis stirbt.
Inzwischen bringen die Romane auch Geld,, doch Reiter lebt sehr spartanisch. Nur die
Baroness besucht ihn gelegentlich in entlegenen Orten.
Reiters Schwester Lotte, zehn Jahre jünger, hat in ihrem Bruder immer den Helden oder
Beschützer gesehen. Auf der Flucht vor der Roten Armee kommt sie mit ihren Eltern nach
Westen, der Vater stirbt, der Bruder taucht kurz auf, verschwindet aber sehr bald wieder.
Die Mutter heiratet einen Werkstattbesitzer, Lotte lässt sich mit Werner Haas, dem
tüchtigsten Angestellten, ein und heiratet ihn. Nach dem Tod des Schwiegervaters
übernimmt er die Werkstatt, sie läuft passabel. Der Sohn Klaus entwickelt sich zu einem
Kleinkriminellen: Diebstahl und sexueller Missbrauch. Später folgen Alkoholismus und
Sachbeschädigungen, Prügeleien. Er geht in die USA. Seine Spur verliert sich.
Nach dem Tod ihres Mannes übernimmt Lotte mit Erfolg das Geschäft. Eines Tages erreicht
sie die Nachricht, ihr Sohn sitze in Santa Teresa im Gefängnis. Sie engagiert eine
Dolmetscherin und fährt sofort hin. Ohne Ergebnis, mit geringer Hoffnung. Sie wiederholt
die Reise, als der Prozess gegen ihren Sohn ansteht, doch der Prozess wird verschoben. Sie
unternimmt zwei weitere Reisen. Der Prozess wird wieder verschoben, auf unbestimmte
Zeit. Einmal kauft sie aufs Geratewohl in der Flughafenbuchhandlung ein Buch und
entdeckt, dass es von ihr selbst, ihren Eltern und ihrem Bruder erzählt und daher nur von
diesem geschrieben sein kann. Sie erreicht die Verlegerin, die sich an Reiters Schwester
erinnert, die als kleines Kind ihrer Mutter auf dem Gut Zumpe zur Hand ging. Sie
informiert Reiter, der tatsächlich seine Schwester besucht. Sie bittet ihren Bruder, sich ihres
Sohnes anzunehmen. Archimboldi macht sich auf den Weg nach Mexiko. Im letzten
Gespräch, das er in Deutschland führt, beklagt ein Nachfahre von Fürst Pückler-Muskau,
dass man von diesem Mann nur mehr das gleichnamige Eis-Dessert kenne.
Im diesem letzten wie in allen vorhergegangenen Teilen endet der Plot abrupt, bevor ein
„Ende“ oder eine „Lösung“ eintritt, die der Leser dringlich erwartet. Unser Denken, das mit
Kategorien wie Anfang und Schluss letztlich auf eine Bedeutung, einen Sinn gerichtet ist,
versagt. Ist aber nicht gerade die Sinnlosigkeit oder die Sinnwidrigkeit das Natürliche und
Normale (siehe den Begriff des „Absurden“)?
Andererseits findet Bolaño hier zurück zu den Wurzeln des modernen Romans, wenn er
Archimboldo/Reiter sagen lässt: die gesamte Dichtung in all ihren Spielarten sei in einem
Roman enthalten oder könne in ihm enthalten sein. Das ist auch die Position der deutschen
Romantik, deren Autoren alle riesige und stets „unfertige“ Romanfragmente produzierten
(Godwi, Heinrich von Ofterdingen, Herzensergießungen eines kunstliebenden
Klosterbruders, Franz Sternbalds Wanderungen etc).
Unauffällig ziehen sich Motive durch den gesamten Text. So sagt Hugos Freund, der Japaner
Nisa, Samurais seien wie Fische in einem Wasserfall, der beste Samurai aller Zeiten sei
jedoch eine Frau gewesen.
Der Baron spricht einmal wegwerfend von den Gemälden von Hugos Vater, der kein
Adeliger und Maler war, und sagt: Alles nur tote Frauen.
Immer wieder kommen die Azteken vor, so als hätte ihre Grausamkeit, potenziert durch die
Grausamkeit der spanischen Eroberer die Bestialität der Frauenmörder, bzw der
Drogenmafia erzeugt. Ingeborg, die dieses Motiv zuerst lanciert (im ersten Teil) spricht im
fünften Teil von der Faszination ... die Frauenmörder auf manche Frauen ausübten.. (den)
Nimbus, den Frauenmörder ... unter Prostituierten genossen.
Auch das Mexiko-Motiv kommt immer wieder vor. So begründet Reiter seinen Pseudonym-
Vornamen Benno mit der Erinnerung an Benito Juárez (mit Anspielung auf Ciudad Juárez,
das reale Santa Teresa), was ihm sein Verleger ebenso wenig abnimmt wie seinen
Nachnamen, doch er belässt es dabei.
Das überbordend Gemeinsame aller Teile ist die Sexualität. Die ihr zugrundeliegende
Gewalt verselbständigt sich zu Aggression und Mord. Der lateinamerikanische machismo ist
Bedingung, Nährboden und kulturelle Überformung (Witz, Zote, Anzüglichkeit, obszöne
Sprüche) des Massenmords. Infolgedessen scheinen die sich allenthalben üppig
wiederholenden Beschreibungen des Sexualakts gerechtfertigt, obwohl sie nichts zur
Charakterisierung von Figuren beitragen. In der Sexualität ist der Mensch Tier, im Mord ist
er Bestie, wildes Tier.
Ein Dirigent schwärmt Hugo und Reiter von der Musik als der vierten Dimension vor: ... das
eigentlich Wichtige war die Entfernung, aus der man, in diese Harmonie (der Musik)
getaucht, das menschliche Treiben betrachten konnte, gleichmütig, mit anderen Worten,
ohne künstliche Hemmschuhe für den Geist des Menschen, der sich seinem Schöpfertum
und seiner Arbeit widmet, der einzigen transzendenten Wahrheit des Lebens. Das könnte
mutatis mutandis auch für die Arbeit des Geschichtenerzählers Bolaño gelten.
Ebenso folgender Eintrag im Tagebuch Anskys: Hinter jeder Antwort verbirgt sich eine
Frage. ... Hinter jeder unanfechtbaren Antwort eine noch komplexere Frage. Die
Komplexität aber reizt ... zum Lachen ... Nur in der Unordnung sind wir fassbar.
Viel Überraschung, Entsetzen, Freude und unbefriedigte, nie zu befriedigende Neugier auf
1072 Seiten!