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616 I VERBANDSMITTEILUNGEN / ANNOUNCEMENTS

Empfehlungen zur perioperativen Infusionstherapie bei


Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern
Vom Wissenschaftlichen Arbeitskreis Kinderanästhesie der Deutschen Gesellschaft
für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI)
R. Sümpelmann1, H. Hollnberger2, J. Schmidt3 und J.M. Strauß4
1
Zentrum Anästhesiologie, Medizinische Hochschule Hannover (Direktor: Prof. Dr. S. Piepenbrock)
2
Abteilung für Anästhesie und Schmerztherapie, Klinik St. Hedwig, Regensburg (Chefarzt: Dr. B. Frank)
3
Klinik und Poliklinik für Anaesthesiologie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität
Dresden (Direktorin: Prof. Dr. Th. Koch)
4
Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, Helios Klinikum Berlin-Buch (Chefarzt: Prof. Dr. J.M. Strauß)

Die vorliegenden Empfehlungen zur perioperativen und Blutverlust abzuschätzen (Tab. 2). Perioperativ
Infusionstherapie bei Neugeborenen, Säuglingen und muss der tatsächliche Flüssigkeitsbedarf dann eng-
Kleinkindern wurden vom Wissenschaftlichen Ar- maschig überprüft und an die individuellen Erfor-
beitskreis Kinderanästhesie der DGAI erarbeitet und dernisse angepasst werden.
richten sich an alle, die sich mit der perioperativen
Versorgung von Kindern befassen. Die Empfeh- Tab. 2: Perioperativer Flüssigkeitsbedarf bei Kindern.
lungen sind das Ergebnis von wissenschaftlichen Teilmenge Volumen Infusionslösung
Untersuchungen, systematischen Literaturrecher- Präoperatives Defizit Erhaltungsbedarf VELG1, VEL2
chen und der klinischen Erfahrung zahlreicher x Nüchternzeit (h)
Kinderanästhesisten, welche auf der Sitzung des Erhaltungsbedarf 4 ml/kg/h (0-10 kg) VELG1, VEL2
2 ml/kg/h (10-20 kg)
Wissenschaftlichen Arbeitskreises Kinderanästhesie
1 ml/kg/h (20-30 kg)
in Speyer im März 2004 vorgetragen und diskutiert
Korrekturbedarf 2-4-6-10-30 ml/kg/h VEL2,(VELG1)
wurden. Die Empfehlungen sollen dazu beitragen, die
Blutverlust nach Bedarf VEL2
perioperative Infusionstherapie bei Kindern einfach,
HÄS, Gelatine
effektiv und sicher zu gestalten. In speziellen Fällen Blutprodukte
kann es sich allerdings auch als notwendig erweisen, 1
Vollelektrolytlösung mit 1-2% Glukosezusatz
von diesen Empfehlungen abzuweichen. Die 2
Vollelektrolytlösung (z.B. Ringeracetat oder Ringerlaktat).
Empfehlungen sollen in regelmäßigen Zeitabständen
überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden. Die vor-
liegende schriftliche Zusammenfassung wurde aus-
gewählten Mitgliedern des Arbeitskreises zur Präoperative Defizite
Begutachtung vorgelegt. Ein Flüssigkeitsdefizit kann durch mangelnde Zufuhr
(z.B. lange Nüchternzeiten: Defizit entspricht
Tab. 1: Altersgruppen.
Nüchternzeit multipliziert mit Erhaltungsbedarf) oder
Neugeborene 1.- 28. Lebenstag erhöhte Verluste (z.B. Gastroenteritis, Ileus, Trauma)
Säuglinge bis 1. Lebensjahr entstehen. Ein langsam entstandenes Flüssigkeits-
Kleinkinder 2.- 5. Lebensjahr
defizit kann am besten aus dem Gewichtsverlust
Schulkinder ab 6. Lebensjahr
abgeleitet werden (Gewichtsverlust = Flüssigkeits-
verlust). Wenn ein aktuelles Gewicht vor Krankheits-
beginn nicht genau bekannt ist, kann der Dehydra-
Perioperativer Flüssigkeits- und Gluko- tationsgrad nach klinischen Kriterien abgeschätzt
sebedarf bei Kindern werden. Ein Prozent Dehydratationsgrad entspricht
einem Flüssigkeitsverlust von 10 ml/kg. Bei Kreislauf-
Ziel der perioperativen Volumentherapie ist die instabilität hat die schnelle Wiederherstellung des zir-
Aufrechterhaltung der Kreislauffunktion und die Sta- kulierenden Blutvolumens höchste Priorität. Dafür
bilisierung des Wasser-Säure-Basen-Elektrolyt- können Vollelektrolytlösungen (Ringeracetat, Rin-
Haushalts. Bei Operationen mit größeren Volumen- gerlaktat oder isotone Kochsalzlösung, z.B. repetitiv
umsätzen und bei Kindern mit präoperativen Flüssig- 10 ml/kg) und bei Bedarf zusätzlich Kolloide
keitsdefiziten hat es sich bewährt, den perioperativen (Hydroxyäthylstärke oder Gelatine, z.B. repetitiv
Flüssigkeitsbedarf nach einem differenzierten Kon- 5 ml/kg) verwendet werden. Wenn immer möglich,
zept aus den vier Teilmengen präoperatives Defizit, sollen präoperative Defizite bereits vor Narkose-
Erhaltungsbedarf, intraoperativer Korrekturbedarf beginn ausgeglichen werden. 

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 Erhaltungsbedarf ten. Eine Infusionslösung mit 5% Glukosezusatz ent-


Der Erhaltungsbedarf ersetzt die unter normalen hält im Vergleich zu Plasma oder Extrazellulär-
Verhältnissen entstehenden Flüssigkeitsverluste. flüssigkeit unphysiologisch hohe Glukosekonzen-
Weil kleinere Kinder im Verhältnis grössere Wasser- trationen (Glukosekonzentration: Plasma 2,78-
verluste haben, hat sich die 4-2-1-Regel bewährt: 5 mmol/l (50-90 mg/dl); Glukose 5% 278 mmol/l
4 ml/kg/h für die ersten 10 kg (< 10 kg), zusätzlich (5000 mg/dl)). Eine perioperative Glukosezufuhr von
2 ml/kg/h für die zweiten 10 kg (10-20 kg) und zu- bis zu 120 mg/kg/h (entspricht 2,4 ml/kg/h Glukose
sätzlich 1 ml/kg/h für jedes weitere Kilogramm über 5%) führt bei Kindern nur selten zu einer Hyperglykä-
20 kg. Ein Säugling mit 5 kg hätte also einen Er- mie. Mit einer Erhaltungsinfusion mit 5% Glukose-
haltungsbedarf von 20 ml/h (5 kg · 4 ml/kg/h), ein zusatz wird nach der 4-2-1-Regel dagegen schnell
Kleinkind mit 15 kg einen Erhaltungsbedarf von zuviel Glukose zugeführt (4 ml/kg/h Glukose 5% ent-
50 ml/h (10 kg · 4 ml/kg/h + 5 kg · 2 ml/kg/h) und ein spricht 200 mg/kg/h), besonders wenn der Glukose-
Vorschulkind mit 25 kg einen Erhaltungsbedarf von bedarf und die Glukoseutilisation perioperativ herab-
65 ml/h (10 kg · 4 ml/kg/h + 10 kg · 2 ml/kg/h +5 kg gesetzt sind. Bei längerdauernden Eingriffen sollte
· 1 ml/kg/h). Säuglinge können einen etwas höheren die Glukosezufuhr deshalb reduziert (z.B. Elektrolyt-
(4-6 ml/kg/h), untergewichtige Neugeborene und lösung mit 1-2 % Glukose) und durch routinemäßige
Frühgeborene einen erheblich höheren (5- 8 ml/kg/h) Blutzuckerkontrollen eine Normoglykämie sicherge-
und Neugeborene in den ersten 2-3 Lebenstagen stellt werden. Eine glukosefreie Infusionstherapie
einen etwas niedrigeren Erhaltungsbedarf (2-3 kann bei Säuglingen und Kleinkindern zu einer uner-
ml/kg/h) haben. Bei Fieber steigt der Erhaltungs- wünschten Lipidmobilisation mit Anstieg der freien
bedarf pro Grad Celsius um 10% an. Fettsäuren und Ketonkörperbildung führen. Größere
Vorschulkinder benötigen in der Regel keine Glu-
Intraoperativer Korrekturbedarf kosezufuhr mehr. Besonders nach langen Nüchtern-
Während der Operation können zusätzliche Flüssig- zeiten und bei disponierten Kindern (z.B. Stoff-
keitsverluste durch Gewebetraumata, Verdunstung wechselerkrankungen, β-Blocker) können trotz Glu-
und Drittraumverluste entstehen. Zum Ausgleich des kosezufuhr Hypoglykämien entstehen. In diesen
intraoperativen Korrekturbedarfs können nach gro- Fällen ist es besonders wichtig, die Blutglukose-
ber Schätzung 2 ml/kg/h für Operationen mit gerin- konzentrationen perioperativ engmaschig zu kontrol-
gem Gewebetrauma und 4 bzw. 6 ml/kg/h für Opera- lieren und bei Bedarf mehr Glukose zuzuführen.
tionen mit mittlerem bzw. hohem Gewebetrauma an-
gesetzt werden. Bei größeren Operationen (z.B. ab- Infusionslösungen
dominelle Eingriffe) und bei bestimmten Fehlbil-
dungen (z.B. Gastroschisis) kann der intraoperative Kristalloide
Korrekturbedarf aber auch vielfach höher liegen. Der Kristalloide Lösungen verteilen sich je nach Elektro-
Ausgleich des intraoperativen Korrekturbedarfs soll- lytgehalt unterschiedlich auf die verschiedenen
te deshalb nicht schematisch, sondern bedarfsadap- Flüssigkeitskompartimente: Eine Vollelektrolytlösung
tiert erfolgen. verbleibt fast vollständig im Extrazellulärraum, eine
Halbelektrolytlösung wird einen Teil des Wassers
Intraoperative Blutverluste auch nach intrazellulär abgeben, und freies Wasser
Bei höhergradigen chirurgischen Blutverlusten wird wird sich gleichmäßig im Gesamtkörperwasser ver-
das Blutvolumen zunächst mit Vollelektrolytlösungen teilen. Für den Erhaltungsbedarf wurden früher bei
und Kolloiden aufrechterhalten, gleichzeitig werden Kindern häufig Elektrolytlösungen mit herabgesetz-
die Hämoglobinkonzentrationen engmaschig kon- tem Natriumgehalt (z.B. Halbelektrolytlösungen) ver-
trolliert. Die Indikation zur Bluttransfusion wird in wendet, deren Zusammensetzung sich an dem theo-
Abhängigkeit von der entstandenen Hämodilution in- retischen Wasser- und Elektrolytbedarf von Kindern
dividuell gestellt. orientierte. Werden diese Lösungen über den reinen
Erhaltungsbedarf hinaus in großen Mengen zum
Glukosebedarf Ausgleich von Flüssigkeitsdefiziten verabreicht, kön-
Frühgeborene, Neugeborene und Säuglinge sind we- nen gefährliche Hyponatriämien mit intrazellulären
gen ihrer geringen Energiereserven häufig auf die Wassereinlagerungen (Cave: hyponatriämische
exogene Zufuhr von Glukose angewiesen. Zur Enzephalopathie, Hirnödem und respiratorische
Vermeidung einer Hypoglykämie wurden früher peri- Insuffizienz) entstehen. Viele Eindrittel- und Zwei-
operativ oft Elektrolytlösungen mit 5% Glukose- drittelelektrolytlösungen enthalten darüber hinaus
zusatz infundiert, welche bei längerer Infusionsdauer unphysiologisch hohe Kaliumkonzentrationen (z.B.
regelmäßig zu unerwünschten Hyperglykämien führ- 18- 36 mmol/l), so dass bei schneller Infusion tem- 

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 poräre Hyperkaliämien nicht ausgeschlossen werden risiken. In neueren klinischen Studien wurde über
können (Tab. 3). Für den perioperativen Korrektur- eine effektive und sichere Anwendung von künst-
bedarf sollten deshalb besser Vollelektrolytlösungen lichen Kolloiden (Hydroxyäthylstärke der zweiten und
verwendet werden, deren Zusammensetzung der dritten Generation, Gelatine) auch bei Früh- und
Extrazellulärflüssigkeit möglichst ähnlich ist. Um Neugeborenen berichtet. Die Erfahrungen bei kritisch
Dilutionsazidosen (Verdünnung des extrazellulären kranken Kindern sind in dieser Altersklasse zur Zeit
Bikarbonatpools durch bikarbonatfreie Infusions- allerdings noch begrenzt. Bei Kindern jenseits der
lösung) zu vermeiden, ist es günstig, wenn diese Neugeborenenperiode scheint die Verwendung von
Lösungen metabolisierbare Anionen (Acetat, Laktat, künstlichen Kolloiden bei zurückhaltender Indika-
Malat etc.) enthalten, weil mit der Metabolisierung tionsstellung und Beachtung der herstellerspezifi-
der Anionen Bikarbonat im Extrazellulärraum freige- schen Höchstmengen genauso wie im Erwachsenen-
setzt wird. In speziellen Fällen (z.B. schweres alter möglich zu sein.
Schädel-Hirn-Trauma mit Hirnödem) kann die im
Vergleich zur Extrazellulärflüssigkeit etwas niedrigere Empfehlungen für die klinische Praxis
Natriumkonzentration von Ringerlaktat trotzdem
möglicherweise zu unerwünschten Flüssigkeitsver- Entsprechend den aktuellen Empfehlungen sollten
schiebungen beitragen (Tab. 3). Um Hypoglykämien Kinder bis zwei Stunden vor Narkoseeinleitung klare
bei Neugeborenen und Säuglingen zu vermeiden, Flüssigkeiten trinken dürfen, wenn nicht andere
reicht es aus, wenn den Vollelektrolytlösungen 1-2% Gründe dagegen sprechen. Bei Neugeborenen und
Glukose (z.B. 6 - 12 ml Glukose 40% auf 250 ml Säuglingen sollte die Infusionstherapie möglichst mit
Infusionslösung) zugesetzt wird. Glukoselösungen einer Spritzenpumpe oder einer Infusionspumpe
ohne Elektrolytzusatz (= freies Wasser) sind periope- durchgeführt werden, um unbeabsichtigte Überinfu-
rativ kontraindiziert, weil die Infusion von größeren sionen zu vermeiden. Die Pumpen sollten eine
Mengen freien Wassers zu intrazellulären Wasserein- Druckbegrenzung aufweisen. Bei Kleinkindern kön-
lagerungen und zur Ausbildung eines Hirnödems nen bei kurzen Eingriffen auch Schwerkraftinfusionen
führen kann. mit 250 ml Flaschen durchgeführt werden. Für Früh-
und Neugeborene empfiehlt es sich grundsätzlich,
Kolloide zumindest das durch die präoperative Nüchternheit
In den allermeisten Fällen ist die Aufrechterhaltung entstandene Defizit und den Erhaltungsbedarf wäh-
der Kreislauffunktion und die Stabilisierung des Was- rend der Operation z.B. mit einer Vollelektrolytlösung
ser-Säure-Basen-Elektrolyt-Haushalts durch großzü- mit 1 - 2 %-Glukosezusatz auszugleichen. Für kurz-
gige Infusion von Vollelektrolytlösungen problemlos dauernde Operationen (< 1h) ohne relevantes Gewe-
möglich. Wenn eine Kreislaufstabilisierung mit betrauma (z.B. Leistenherniotomien, Circumcisionen)
Kristalloiden alleine jedoch schwierig wird, kann bei ist eine Infusionstherapie bei sonst gesunden Kin-
großen Volumenumsätzen das Plasmavolumen durch dern innerhalb der empfohlenen Nüchternzeiten und
zusätzliche Infusion von Kolloiden effektiver aufrech- jenseits der Neugeborenenperiode nicht zwingend
terhalten werden. Früher wurden bei Kindern häufig erforderlich, wenn die Kinder postoperativ wieder
Albumin- oder Plasmaproteinlösungen zum periope- schnell trinken dürfen. Bei mittelgroßen Operationen
rativen Volumenersatz eingesetzt. Im direkten sollte in jedem Fall eine Infusionstherapie durchge-
Vergleich sind künstliche Kolloide jedoch wesentlich führt werden. Bei Neugeborenen, Säuglingen und
kostengünstiger, effektiver und frei von Infektions- Kleinkindern kann perioperativ eine Vollelektrolyt- 

Tab. 3: Zusammensetzung von Extrazellulärflüssigkeit (EZF) und verschiedenen Infusionslösungen für Kinder (in mmol/l).
Kationen Anionen
Na+ K+ Ca2+ Mg2+ Cl- HCO3- Acetat Lactat Glucose Theor.
Osmolarität4
EZF 142 4,5 2,5 1,25 103 24 - 1,5 2,78-5 291
NaCl 0,9% 154 - - - 154 - - - - 308
VELG1 140 4 2 2 118 - 30 - 55,5 296
RL2 130 5 1 1 112 - - 27 - 276
2
/3-ELG3 100 18 2 3 90 - 38 - 277,5 251
2
/3-ELG3 70 2 1,25 0,5 55 - 22,5 - 277,5 151
2
/3-ELG3 45 25 - 2,5 45 - 20 - 277,5 148
1
Vollelektrolytlösung mit 1% Glukosezusatz, 2Ringerlaktat, 3hypotone Elektrolytlösungen mit 5% Glukosezusatz,
4
∑ (Kationen+Anionen).

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ANNOUNCEMENTS / VERBANDSMITTEILUNGEN I 619

Tab. 4: Vorschlag zur perioperativen Infusionstherapie bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern.
präoperativ: Nüchternzeiten knapp halten (klare Flüssigkeit bis 2 h präop.)
kleine Eingriffe: Grundinfusion 10-20 ml/kg/h VEL1 mit 1-2 % Glukosezusatz (6-12 ml Glukose 40% auf 250 ml VEL1),
ältere Klein- und Schulkinder auch glukosefreie VEL1
mittlere Eingriffe: glukosehaltige Grundinfusion nach einer Stunde auf Erhaltungsbedarf reduzieren, VEL1 für Korrekturbedarf,
bei Hypovolämie ev. künstliche Kolloide, Ziel: Normovolämie
große Eingriffe: wie mittlere Eingriffe, Blutprodukte bei kritischer Hämodilution
postoperativ: Kinder möglichst schnell wieder selbst trinken lassen
1
Vollelektrolytlösung.

 lösung mit 1-2% Glukose infundiert werden. Voll- oder sogar vollständig ausgeschaltet, so dass eine
elektrolytlösungen mit 1 - 2 % Glukosezusatz sind Hypotension bei einem reduzierten Blutvolumen eher
zur Zeit auf dem freien Markt nicht verfügbar und auftritt. Eine flache Narkoseführung kann dagegen
müssen deshalb in der Krankenhausapotheke oder einen Volumenmangel maskieren. Neben den klassi-
vom Anwender selbst hergestellt werden (z.B. durch schen Messgrößen Herzfrequenz und arterieller Blut-
Zusatz von 6 - 12 ml Glukose 40% auf 250 ml In- druck müssen deshalb weitere Parameter zur Ab-
fusionslösung). Dies ist aufwändig und mit spezifi- schätzung des Volumenstatus der Kinder herangezo-
schen Risiken behaftet, deswegen wurde im April gen werden. Atemsynchrone Schwankungen der in-
2005 beim zuständigen Bundesamt ein Antrag auf vasiven Blutdruckkurve oder des Pulsoxymeter-
Standardzulassung für eine Vollelektrolytlösung mit signals und ein niedriger zentralvenöser Druck kön-
1% Glukosezusatz gestellt, der zur Zeit bearbeitet nen auch bei kleinen Kindern Zeichen von niedrigen
wird. Zum Ausgleich von präoperativen Defiziten Füllungsdrucken sein. Metabolische Azidosen und
(z.B. Nüchternheit) kann die Gesamtinfusionsrate in steigende Laktatkonzentrationen sind perioperativ
der ersten Stunde 10 – 20 ml/kg/h betragen. Bei stei- meistens Folge einer Hypovolämie mit erniedrigtem
genden Blutglukosekonzentrationen werden die glu- Sauerstoffangebot. Bei größeren Operationen sollten
kosehaltigen Infusionen vermindert oder beendet deshalb routinemäßig Blutgasanalysen durchgeführt
und entsprechend mehr glukosefreie Vollelektrolyt- werden (z.B. stündlich), wobei insbesondere die zen-
lösung infundiert. Für ältere Klein- und Schulkinder tralvenöse Sauerstoffsättigung (ZVS) besonders
können innerhalb der empfohlenen Nüchternzeiten schnell anzeigt, wie weit das Sauerstoffangebot von
auch glukosefreie Vollelektrolytlösungen verwendet den peripheren Organen und Geweben ausgenutzt
werden. Bei klinischen Hinweisen auf eine Hypo- wird. Weitere wichtige Parameter zur Abschätzung
volämie können nach Bedarf jeweils 10 ml/kg des Volumenstatus sind die Urinproduktion, die
Vollelektrolytlösung oder 5 ml/kg künstliche Kolloide Rekapillarisierungszeit und die Hauttemperatur.
zusätzlich appliziert werden (Tab. 4). Postoperativ
sollten die Kinder möglichst früh wieder selbst trin- Literatur bei den Verfassern.
ken dürfen, wenn nicht andere Gründe dagegen-
sprechen.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Robert Sümpelmann
Überwachung der perioperativen Infusionstherapie
Zentrum Anästhesiologie - OE 8060
Wache Kinder, insbesondere Neugeborene und klei- Medizinische Hochschule Hannover
ne Säuglinge, können den Blutdruck bei größeren Carl-Neuberg-Straße 1
Flüssigkeitsdefiziten durch Vasokonstriktion lange D-30625 Hannover
aufrechterhalten, auch wenn bereits eine Schock- Tel.: 0511 5329080
situation eingetreten ist. Bei tief anästhesierten Fax: 0511 5329048
Kindern sind die Regulationsmechanismen teilweise E-Mail suempelmann.robert@mh-hannover.de 

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