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Pathophysiologie
des Polytraumas
Intensivmedizin und „Timing“ der Versorgung
Im Rahmen schwerer Mehrfachver Blutungen, Organzerreißungen oder das zess, der die lokale Ebene verlassen hat
letzungen ist der Patient nicht nur schwere Schädel-Hirn-Trauma bedingt und den gesamten Organismus mit ein
durch die akuten und gegebenenfalls und somit nur begrenzt therapierbar ist, bezieht. Zur Diagnose eines SIRS müs
nicht überlebbaren Einzelverletzun bietet das zeitlichen Fenster bis zur Ent sen mindestens 2 der in . Infobox 1 auf
gen vital bedroht. Auch im späteren wicklung posttraumatischer Organdys geführten Kriterien erfüllt sein [1]. Der
intensivmedizinischen Verlauf kann funktionen die Chance, ein MOV zu ver diffizile immunologische Abwehrprozess
es zum posttraumatischen Organver hindern [20, 27, 34]. Insgesamt ist das kann hier mit exzessiver Produktion pro
sagen kommen. Der Mortalitätsgip Multiorganversagen für 11% der Sterblich inflammatorische Zytokine wie Interleu
fel innerhalb der ersten 1 bis 2 Wo keit nach Polytrauma verantwortlich [8]. kin(IL-)6 und 8 außer Kontrolle geraten.
chen nach Trauma ist zum überwie Die lokale Reaktion auf eine Verlet Die so aktivierten Abwehrkaskaden (Pha
genden Teil durch das Multiorgan zung involviert eine Vielzahl zellulärer gozyten, Monozyten, Komplement) schä
dysfunktionssyndrom (MODS) und/ und humoraler Komponenten. Der sog. digen dann Endothelien und Parenchym
oder Multiorganversagen (MOV) be „first hit“ durch die Polytraumatisierung zellen. Bei Versagen der körpereigenen
dingt. Zur Prävention dieser ver induziert eine primär lokale, abakterielle Schutzmechanismen wie Antioxidanzien
gleichsweise späten Komplikationen Entzündungsreaktion [9, 16, 34]. Die oder Proteaseinhibitoren und fehlender
nach einem Polytrauma und zur Ent schwere äußere Gewalt umfasst im We therapeutische Unterstützung resultiert
wicklung neuer Therapieansätze ist sentlichen 5 Schädigungsmechanismen ein Zellschaden und subsequent eine Or
ein grundlegendes Verständnis der [21]: gandsyfunktion.
pathophysiologischen Zusammen F Weichteiltrauma, Entscheidend für die Prognose des
hänge der Immunfunktion und -dys F Organtrauma, SIRS ist die Einbeziehung lebenswichti
funktion unabdingbar. F Frakturen, ger, nicht primär vom Trauma betroffe
F hämorrhagischer Schock mit Ischä ner Organsysteme („remote organ inju
Die Krankenhausletalität polytrauma mie/Reperfusion, Hypoxie, ry“). Über Endothelzellschaden, Gewebs
tisierter Patienten mit einem Injury F Endotoxinämie, gastrointestinale infiltration mit Leukozyten und Mikro
Severity Score [4] von ≥16 Punkten be Perfusionsstörung, Infektion. zirkulationsstörungen werden hier Zell
trägt nach dem aktuellen Jahresbericht untergänge hervorgerufen. Klinisch ma
des Traumaregisters der Deutschen Ge Überschreitet der Gewebeschaden eine
sellschaft für Unfallchirurgie (TR-DGU) gewisse Schwelle, bei der die adäquaten
10,3% [2]. Das Versterben zeigt hier eine Reparaturmechanismen wie Blutge Infobox 1 SIRS-Kriterien
triphasische zeitliche Verteilung mit Gip rinnung oder Wund- und Frakturhei F Fieber >38,5°C oder Hypothermie
feln innerhalb von Sekunden bis Minuten lung nicht mehr zur lokalen Begrenzung <36,0°C
am Unfallort, innerhalb der ersten 24 h führen, löst diese überschießende loka F Tachykardie mit Herzfrequenz >90/min
und dann im späteren intensivmedizini le Reaktion eine systemische Antwort F Tachypnoe mit Atemfrequenz >20/min
schen Verlauf. Etwa die Hälfte aller Todes aus. Diese Reaktion des Körpers wird als oder Hyperventilation pCO2 <36 mmHg.
fälle ereignet sich während der ersten 24 h „systemic inflammatory response syn F Leukozytose (>12.000/μl) oder
nach Aufnahme [19]. Während das frühe drome“ (SIRS) bezeichnet. Dieses Syn Leukopenie (<4000/μl) oder unreife
Neutrophile im Differenzialblutbild.
Versterben meist durch unkontrollierbare drom beschreibt einen Entzündungspro
Tab. 1 Stabilisierungskriterien der ein- tiert werden. Hierauf basiert der Begriff itiieren [17]. Zudem bedingt das Trauma
zelnen Organsysteme „mixed antagonistic response syndrome“ Funktionsstörungen von externen und in
Lunge PaO2/FiO2 >300 mmHg, PEEP (MARS). ternen Barrieren wie Haut oder Darmmu
<8 cm H2O, keine zunehmenden kosa, welche die Translokation von Mik
Infiltrate im Thoraxröntgenbild D Bei gestörter Balance zwischen roorganismen und ihren Produkten, den
Herz/ Kein oder geringer pro- und antiinflammatorischen sog. „pathogen-associated molecular pat
Kreislauf Katecholaminbedarf
Mechanismen kommt es zur post- terns“ (PAMPs) begünstigt [6].
Blut- Thrombozyten >100.000/nl,
traumatischen Zelldysfunktion. Eine Reihe zellulärer und humoraler
system IL-6<500 pg/dl, CRP <11 mg/dl
bzw. fallend, keine Leukozytose/ Komponenten sind hierbei von Bedeu
-penie Zur Erfassung des klinischen Ausmaßes tung. So werden die „antigenpräsentieren
Niere Kreatinin <2 mg/dl, Bilanz eines MODS oder MOV stehen verschie den Zellen“ (APZ) über die Stimulierung
ausgeglichen oder negativ, Urin- dene Scoring-Systeme zur Verfügung. All ihrer „pathogen recognition receptors“
ausscheidung >1 ml/kg KG/h gemein etabliert ist der Sequential Organ (PRRs) aktiviert, welche u. a. bakterielle
Leber Bilirubin <3 mg/dl, Gerinnung Failure Assessment Score (SOFA Score) Proteine oder virale DNA erkennen [39].
im Normbereich [41], der sechs verschiedene Organsys Eine weitere Aktivierung der PRRs erfolgt
ZNS Keine Hirndruckzeichen (<15– teme erfasst: Lunge, Zentralnervensystem über sog. „Alarmine“, welche gemeinsam
20 mmHg oder CCT-morpholo- [ZNS], Herz/Kreislauf, Niere, Leber, Blut mit den PAMPs die Familie der DAMPs
gisch), keine Blutungszunahme
system. Anhand von Parametern wie dem bilden [5, 39]. „Alarmine“ agieren als kör
Horowitz-Index (PaO2/FiO2), Kreatinin, pereigene Warnsignale und stammen von
nifestiert sich diese systemische Entzün Ausfuhr, Thrombozytenzahl etc. werden Pathogenen oder endogenen Quellen, bei
dungsreaktion in einer generalisierten pro Organsystem 0–4 Punkte vergeben, spielsweise Zellen, welche – wie im Falle
Permeabilitätsstörung mit interstitiel ein Organversagen liegt ab einem Punkt eines Traumas – abnormalen, nichtapop
len Ödemen und Organdysfunktion. Ein wert von 2 vor. So hängt das Risiko für die totischen Zelluntergängen unterliegen.
pulmonales Versagen ist häufig. Das SIRS Entstehung von Komplikationen wie Sep Zu den Prototypen der PRRs gehört
kann so in ein MODS oder MOV über sis und Organversagen von dem Ausmaß auch die Familie der Toll-like-Rezeptoren
gehen. Die Wiederherstellung des immu der Aktivierung des Immunsystems ab. (TLRs; [39]). Durch ihre Aktivierung wer
nologischen Gleichgewichts mit Kompen Nicht nur die Schwere des initialen Trau den PAMP-Signale in die humorale und
sation der individuellen Risikofaktoren ist mas, sondern auch die individuelle Prä zelluläre Immunantwort umgesetzt. Ob
maßgeblich für das Überleben des Orga disposition abhängig von Faktoren wie wohl die Expression der TLR nach Trau
nismus. Alter, Geschlecht oder Vorerkrankungen ma höher zu sein scheint als bei gesunden
Die physiologische „host d efense ist maßgeblich. Insbesondere Folgeopera Probanden, ist die funktionale Antwort
response“ mit SIRS und reversibler tionen als „second hit“ können den klini nach TLR4-Stimulation sowie die Phago
Organdysfunktionen kann also in ein schen Verlauf nachhaltig beeinflussen [11, zytosefähigkeit der Monozyten bei Trau
prolongiertes und reversibles MODS und 23]. . Tab. 1 erfasst Zeichen der Destabi mapatienten reduziert.
eventuell irreversibles MOV übergehen lisierung der einzelnen Organsysteme. Neben der posttraumatischen zellu
und wird dann als „host defence failure lären Immunantwort der Monozyten
disease“ beschrieben. Die Manifestation Pathophysiologische spielen auch andere Zellen der unspezifi
erfolgt z. T. frühzeitig an Tag 1 bis 5 und ist Grundlagen der Immunreaktion schen Immunabwehr, insbesondere neu
vom sekundären MODS/MOV zu unter trophile Graulozyten, eine wichtige Rol
scheiden, bei welchem die Kompensa Der akute posttraumatische „first hit“ le. Sie sind nicht nur durch die direkte Pa
tionsmechanismen des SIRS durch weitere ist abhängig von der Verletzungsschwe thogenenabwehr – durch Phagozytose
„second hits“ überlastet werden oder eine re, dem Verletzungsmuster, der Dauer von PAMPs sowie ihre nachfolgende Zer
nachfolgende Immunsuppression („com sowie von Transfusionen [12]. Eine Rei setzung –, sondern auch durch die Rek
pensatory inflammatory response syndro he von klinischen und tierexperimentel rutierung anderer Immunzellen, durch
me“, CARS) einen Infekt begünstigt. Die len Studien stellt die natürliche Immun Sekretion von Proteasen, Zytokinen und
Phase der Immunsuppression stellt einen antwort nach einem Trauma im Wesent weitere immunaktivierende Mediatoren
gegenläufigen Prozess zum SIRS dar und lichen als eine Reaktion der körpereige charakterisiert. Somit sind sie essenzielle
entwickelt sich oft parallel im frühen post nen Abwehrsysteme auf „danger-asso Effektorzellen bei der systemischen Ent
traumatischen Verlauf. Die körpereigene ciated molecular patterns“ (DAMPs) dar. zündungsreaktion [7, 14, 32]. Während
Reaktion auf ein Trauma versucht, eine DAMPs repräsentieren multiple biolo der Hyperinflammationsphase sind neu
feine Balance zwischen SIRS und CARS gische Zellteil- und Molekülstrukturen trophile Granulozyten früh nach Trauma
zu finden. Hier sollten einerseits Mik (RNA, DNA, zytosolische Organellen, verstärkt aktiviert [15]. Sie sorgen dafür,
roorganismen bekämpft und Regenera Matrix- und Membranfragmente usw.), dass die „Erreger“ schnell beseitigt wer
tionsprozesse unterhalten werden, an welche direkt mit dem Ausmaß der Ge den. Bei posttraumatisch erhöhten Che
dererseits der autoaggressive Entzün webszerstörung korrelieren und die post mokinspiegel sowie Komplementaktivie
dungsverlauf mit Gewebsschäden limi traumatische Inflammationsreaktion in rungsprodukten (C3a, C5a, MAC usw.)
» Die koordinierte
Interaktion zwischen APZ
Im Rahmen des schweren Polytraumas („first
hit“) reagiert das Immunsystem zweiphasig
mit früher Hyperinflammation und nachfol-
tensivtherapie mit Vermeidung weitere iatro-
gener „second hits“ durch verschiebbare Fol-
geoperationen in der Phase der immunolo-
gender Immunsuppression. Eine Vielzahl hu- gischen Dekompensation positiv beeinflusst
und T-Zellen ist entscheidend moraler und zellulärer Faktoren ist in diesen werden. Neben dem zeitlichen Abstand zum
für die Immunantwort Prozess involviert. Abhängig von der indivi- Trauma stellen adäquate Oxygenierung, ne-
duellen Prädisposition, Verletzungsschwe- gative Bilanz, Gerinnungsstabilisierung, rück-
In der Induktion und Aufrechterhaltung re und Verletzungsmuster kann jeweils die läufige Infektparameter und Normalisierung
eine oder andere überschießende Reaktion des Laktats wesentliche Entscheidungspara-
der Immunkompetenz spielen also „pro
zu Sepsis und Multiorganversagen führen. meter dar.
fessionelle“ APZ wie Monozyten, Makro Verschiedene klinische und intensivmedizini-
phagen, dendritische Zellen und B-Zel sche Parameter zeigen eine Stabilisierung der Schlüsselwörter
len eine entscheidende Rolle, während einzelnen Organsysteme an. Der weitere kli- Polytrauma · Immunologie · Sepsis/SIRS ·
die koordinierte Interaktion zwischen nische Verlauf kann durch eine adäquate In- Multiorganversagen · Intensivtherapie
APZ und T-Zellen entscheidend für die
Entwicklung einer adäquaten Immun
antwort auf Pathogene oder DAMPs ist
Pathophysiology of multiple trauma.
[10, 40]. Die APZ präsentieren auf spe
Intensive care medicine and timing of treatment
zialisierte Proteinkomplexe sog. „major Abstract
histocompatibility class“ (MHC Typ II) After severe multiple injuries (first hit) a two- hits by non-emergency surgical interventions
-geladene Antigene, die von Immunzel phase immunological response with early hy- during a phase of immunological dysregula-
perinflammation followed by immunosup- tion. Important decision parameters besides
len erkannt werden. Spezifische T-Helfer
pression can be observed. This process in- time to initial trauma include adequate ox-
zellen erkennen MHC-Klasse-II/Antigen- volves a variety of humoral and cellular fac- ygenation, no coagulopathy, declining in-
Komplexe über Ihre Rezeptoren. Neben tors. Depending on the individual predisposi- flammatory mediators and normalized se-
der direkten APZ-T-Zell-Interaktion tion, overall injury severity and injury pattern, rum lactate.
spielt jedoch auch das Zytokinsekretions both reactions can lead to sepsis and multi-
muster der APZ eine entscheidende Rolle organ failure. Various clinical and intensive Keywords
care parameters indicate stabilization of spe- Multiple injuries · Immunology · Sepsis/
für die Art der induzierten T-Zellantwort. Systemic inflammatory response syndrome ·
cific organ functions. The clinical course can
Zu den posttraumatisch freigesetzten be positively influenced by adequate inten- Multi-organ failure · Intensive care therapy
Mediatoren gehören u. a. die proinflam sive care therapy, avoiding iatrogenic second
matorischen Zytokine TNF-α, IL-6, IL-
12, IL-2, IFN-γ und IL-1β, die von Mono
zyten/Makrophagen und/oder beispiels
weise Th1-Lymphozyten freigesetzt wer Zytokine TNF-α, IL-6 sowie IL-10 sind in laufs von Vorteil [31]. Die entscheiden
den. Sie agieren als Akute-Phase-Proteine den ersten 24 h nach Trauma erhöht. de Rolle der Zytokine bei der Entwick
im Sinne von „Signalen“ als Antwort auf Eine aktuelle Studie bestätigt den IL-6- lung sekundärer Komplikationen oder so
den traumabedingten Initialstress. Diese und IL-10-Anstieg und zeigt, dass sich die gar der Mortalität konnte in einer weite
frühe Immunantwort korreliert mit der ser unmittelbar nach der Aufnahme sowie ren Studie an Sepsispatienten, die bereits
Verletzungsschwere und ist praktisch im 6, 12 und 24 h nach Trauma detektieren bei der Aufnahme auf die Intensivstation
mer assoziiert mit einem SIRS und einem lässt und mit der Verletzungsschwere erste Symptome hatten, bestätigt werden.
„frühen“ MOV, welches jedoch teilweise korreliert [37]. Die Serumspiegel beider Hierbei wurden bei allen Patienten bereits
verletzungsbedingt ist. In der späteren Zytokine sind in der Gruppe der Verstor bei der Aufnahme hohe TNF-α- und IL-
posttraumatischen Phase – z. T. bedingt benen (30-Tage-Mortalität nach Trauma) 10-Serumspiegel gemessen [13].
durch sekundäre chirurgischen Eingriffe, signifikant erhöht [37]. Die IL-6-Spie Neben der verstärkten Zytokinpräsenz
anästhesiologischen Interventionen oder gel sind auch bei Patienten mit MOV 12 nach Trauma, stellt das Komplementsys
anderen „Stress“ (Hypoxie, Hypothermie, und 36 h nach Trauma deutlich höher tem mit über 30 unterschiedlichen plas
mikrobielle Invasion usw.) – kann die Im im Vergleich mit Traumapatienten ohne ma- und zellgebundenen Proteinen eben
munantwort „entarten“ und im Organ MOV [30]. Aufgrund der Korrelation von falls ein akutes „Alarmsystem“ dar [42].
versagen enden [25]. Die systemischen IL-6 mit der Entwicklung eines MOV bei Die traumabedingte Freisetzung von
Spiegel pro- und antiinflammatorischer Traumapatienten scheint die Bestimmung PAMPs und DAMPs aktiviert früh das
während des intensivmedizinischen Ver Komplementsystem und führt zur Entste
Tab. 2 Indikationen zur Durchführung Tab. 4 Allgemeine Entscheidungskriterien für das Timing frühelektiver Operationen nach
von Damage-Control-Chirurgie. (Nach [3, Polytrauma (Tertiärphase). (Nach [21, 22, 24, 43])
26, 36]) Kriterien für die Durchführung einer Folge- Kriterien gegen die Durchführung einer Folge-
Damage control – ISS ≥16 und/oder operation nach Polytrauma operation nach Polytrauma
orthopedics – Schweres Schädel-Hirn- Nach Tag 5 nach Trauma Tag 1 bis 5 nach Trauma
Trauma (AIS ≥3) Verbesserung der Oxygenierung Verschlechterung des Gasaustausches
– Schweres Thoraxtrauma
Negative Bilanz (Flow-Phase) Positive Bilanz (Einschwemmung)
(AIS ≥3)
– Instabile Beckenfraktur Stabilisierung der Gerinnung Protrahierte Gerinnungsstörung (DIC)
– Multiple Frakturen Rückläufiges C-reaktives Protein, IL-6, PCT Anstieg von C-reaktivem Protein, IL-6, PCT
langer Röhrenknochen Normalisierung des Laktats Anhaltende Laktatämie (außer bei operativ
(Femur, Tibia, Humerus) korrigierbarer Ischämie)
– Persistierend instabiler DIC disseminierte intravasale Koagulopathie, IL Interleukin, PCT Procalcitonin.
Kreislauf (Blutdruck
<90 mmHg)
Damage- – pH <7,2 scher „2nd hit“ [23, 29]. Das Stufenkon musters und der pathophysiologischen
Control der – Temperatur <34°C zept des „damage control“ zur operativen Dynamik – ein therapeutisches Gesamt
Körperhöhlen – INR >1,6 Versorgung des Schwerverletzten mit der konzept zur Versorgung der einzelnen
AIS Abbreviated Injury Scale, INR International Primärversorgung am Unfalltag („day 1 Verletzungen erstellt [21, 23]. Zur Sanie
Normalized Ratio, ISS Injury Severity Score. surgery“) unter Miteinbeziehung lebens rung der Weichteilschäden werden inner
rettender Sofortoperationen hat sich dies halb der vulnerablen ersten Tage lediglich
Tab. 3 Behandlungsphasen polytrauma-
bezüglich als günstig und prognosever Second-look-Operationen mit Nachdé
tisierter Patienten. (Nach [21])
bessernd erwiesen. Als „damage control bridement durchgeführt und bis zum Er
Behandlungsphase Zeitraum
orthopedics“ wird die minimal-invasive reichen gut durchbluteter Wundverhält
Akutphase 1. bis 3. Stunde
und zügige Frühstabilisierung relevanter nisse wiederholt. Diese Eingriffe stellen
(Schockraumphase)
instabiler Frakturen (lange Röhrenkno insgesamt keinen relevanten operativen
Primärphase 3. Stunde bis 2. Tag
chen) bezeichnet und zielt damit auf eine Stress dar, erlauben jedoch durch Ent
Sekundärphase 1. bis 5. Tag
Reduktion der durch Instabilität, Häma fernung von Gewebedébris, Hämatomen
Tertiärphase Nach dem 5. Tag
tom und Schmerz induzierten Stimula und Nekrosen eine Reduktion des „anti
tion humoraler und zellulärer Defensiv genic load“ und damit eine Verminderung
hung von Komplementaktivierungspro systeme ab [24, 34]. der Systembelastung durch eine anhalten
dukten (bspw. C3a, C5a, C3b usw.), die bei de Mediatoraktivierung.
der Eliminierung von exogenen und en D Die „Damage-Control-Chirurgie“
dogenen Gefahrenmolekülen oder zellu
lärem Débris eine wichtige Rolle spielen,
hat die frühe Komplettversorgung
(„early total care“) abgelöst [35, 38]. » Damage-Control zielt auf
die Vermeidung eines „2nd hit“
da sie „Mitauslöser“ der proinflammato
rischen Reaktion sind [18]. Das Ausmaß Die Entscheidung, welche Patienten auf
der posttraumatischen Komplement grund der systemischen Traumareaktion Das gestufte operative Behandlungskon
aktivierung und die Entwicklung einer dem abgestuften Behandlungskonzept zept (Damage-Control-Chirurgie) zielt
schnellen „Komplementopathie“ durch des Damage-Control zugeführt werden auf eine Vermeidung eines exzessiven
die exzessive Aktivierung scheinen von sollten, ist jedoch nicht immer einfach zu iatrogenen „2nd hit“ durch ausgedehn
großer Bedeutung für die posttraumati treffen. Grundsätzlich sollten Patienten, te operative Maßnahmen und damit auf
sche Immunantwort und das Outcome die nur unter kontinuierlicher, intensiver eine Reduktion der posttraumatischen In
bei Polytraumatisierten zu sein [12]. Therapie zu stabilisieren sind oder Patien flammation ab.
ten mit einer hohen Gesamtverletzungs In der tertiären Operationsphase wer
Operatives Versorgungskonzept schwere, mit einem schweren Schädel- den aufschiebbare Operationen wie zum
des polytraumatisierten Hirn-Trauma oder schweren Thoraxtrau Beispiel die definitive Versorgung von
Patienten ma (jeweils AIS ≥3), instabilem Becken, Frakturen durchgeführt. . Tab. 3 stellt
Koagulopathie, Hypothermie oder einer die verschiedenen Behandlungsphasen
Die therapeutische Strategie bei der Be antizipierten Operationszeit von über 6 h polytraumatisierter Patienten dar.
handlung polytraumatisierter Patien nach dem Damage-Control-Konzept be
ten zielt primär auf eine Sicherung der handelt werden (. Tab. 2, [24, 28]). Zeitplanung
Vitalfunktionen und Blutungskontrolle
ab, sekundär jedoch ebenfalls auf eine Geplante Sekundär- Eine genaue Zeitvorgabe zur Planung
günstige Modulation der posttraumati und Tertiäroperationen der Eingriffe in der Tertiärphase ist pro
schen Immunantwort. Eine Operation blematisch, da hierfür validierte klini
fungiert in Abhängigkeit von Dauer und Im Rahmen der Primärversorgung wird – sche Indikationsparameter fehlen. Auf
Ausmaß des Eingriffes als immunologi unter Berücksichtigung des Verletzungs der einen Seite sollten bei ausgepräg