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Risikobasierte Instandhaltungsstrategien
im regulierten Markt
Asset Management finanziell und technisch bewerten
und umsetzen
Die neuen regulativen Gegebenheiten im Schweizer Strommarkt ist momentan so hoch, dass keine gegen-
führen zu einer neuen Ausgangslage für Investitionen im Netz. wärtige Gefahr eines Einbruchs der Versor-
Die Erfahrungen in den bereits liberalisierten Märkten zeigen, gungszuverlässigkeit besteht. Wie sich die
Schweizer Versorgungssicherheit in Zukunft
dass die Zuverlässigkeit der Stromversorgung aufgrund fehlen entwickeln wird, hängt stark von den In-
der Investitionen ins Stromnetz stark abgenommen hat. Unsere vestitionstätigkeiten und der Netzkostenre-
zukünftige Herausforderung wird sein, das Niveau der Versor gulierung ab. Die Netzbetreiber werden also
mit der Herausforderung konfrontiert, die
gungssicherheit trotz der Netzkostenregulierung zu halten.
Balance zwischen Investitionen und Ver-
Genau hier bietet das risikobasierte Asset Management einen sorgungssicherheit zu finden. Der Ansatz
Lösungsansatz. Mit einer gezielten Geldmittelallokation werden eines risikobasierten Asset Management
Investitionen in Abhängigkeit von finanziellen Risiken durch soll genau diesen zukünftigen Herausforde-
rungen gerecht werden und somit in einer
Stromausfälle und technischen Kriterien getätigt. Mithilfe von risikobewussten Geldmittelallokation in die
Modellen lässt sich auf Basis der gewählten Instandhaltungs Netzkomponente resultieren, dabei werden
strategien und des Anlagenparks prognostizieren, wie sich das nicht nur wirtschaftliche, sondern auch
articles spécialisés
Störungsgeschehen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten technische Aspekte einbezogen.
Der folgende Artikel beschreibt in diesem
entwickeln wird. Neben dem häufig zitierten Bauchgefühl steht Kontext das Vorgehen zur Entwicklung von
den Entscheidern somit ein strukturiertes Instrumentarium zur Modellen für die Bewertung und Weiterent-
Verfügung, um den zukünftigen Herausforderungen der Netz wicklung von Instandhaltungs- und Asset-
Management-Strategien.
kostenregulierung zu begegnen.
Herausforderung
Das Asset Management sieht sich mit
der Herausforderung der Schweizer Markt-
öffnung konfrontiert. Dabei gilt es, die Kos-
Die europäische Strommarktliberalisie- ten für den Betrieb und den Unterhalt der
rung erfolgt mit der generellen Zielsetzung Netzinfrastruktur zu senken, ohne dabei die
von sinkenden Kosten für die Energiever- Versorgungsqualität zu beeinträchtigen. Vor
dem Hintergrund einer gegebenen Netz
David Rivière, Stephan Schaeffler infrastruktur und Netztopologie muss der
Asset Manager folglich Instandhaltungs-
sorgung bei einem effizienten Mass an Ver- strategien entwickeln, welche hinsichtlich
sorgungssicherheit. Hierfür finden in zahl- ihrer Kostenwirkung, der Auswirkungen auf
reichen Ländern zwei Mechanismen An- die Versorgungsqualität sowie der resultie-
wendung: Anreiz- und Qualitätsregulierung. renden Risiken zu bewerten sind.
Die Anreizregulierung stellt einen Para- Der Blick in die Praxis der Energiever-
digmenwechsel zu früher vorherrschenden sorger zeigt, dass sich die entsprechenden
Cost-Plus-Regulierungsmethoden dar: Der Konzepte häufig noch in der Entwicklungs-
Energieversorger verdient nicht mehr seine phase befinden – die Komplexität der Auf-
Kosten plus eine genehmigte Marge, son- gabe ist sehr hoch: Zahllose Anlagekom-
dern es wird ihm, auf Basis von Benchmar- ponenten müssen berücksichtigt werden,
king-Ansätzen, ein Gesamterlös (Revenue eine Vielzahl von Massnahmen gilt es hin-
Cap) oder ein Preis (Price Cap) genehmigt. sichtlich der technischen und finanziellen
Da der Versorger Kosteneinsparungen be- Wirkung zu bewerten, und nicht zuletzt
halten kann, entsteht ein starker Anreiz zur müssen Betrachtungen über einen Zeit-
Kostensenkung, auch auf Kosten der Ver- raum von mehreren Jahrzehnten angestellt
sorgungsqualität. werden.
Mittlerweile steht auch im Schweizer Das beschriebene Vorgehen zeigt eine
Strommarkt die Marktliberalisierung an; das Möglichkeit auf, die beschriebene Problem-
heutige Niveau der Schweizer Infrastruktur stellung zu bewältigen:
– Die Bildung von Anlagenclustern redu- tors ist es, eine Einschätzung über die
ziert die Komplexität der Abbildung von Wahrscheinlichkeit von künftigen Störungen
Netzinfrastrukturen. in den Clustern vornehmen zu können. Wir-
– Das Verhalten der Anlagen bzw. der kungszusammenhänge beschreiben, mit
Cluster wird anhand vereinfachter Zu- welchen Massnahmen diese Wahrschein-
standsmodelle beschrieben. lichkeit beeinflusst werden kann. Hierbei ist
– Ein Bewertungsmodell stellt den Zu- auch zu beachten, dass auf Unternehmens-
sammenhang zwischen monetären seite die Datengrundlage für die Verwen-
Grössen, technischen Risiken und Ver- dung der definierten Zustandsindikatoren
sorgungsqualität her. vorliegt. Häufig eingesetzte Zustandsindi-
katoren sind Ergebnisse von Zustandsbe-
wertungen (insbesondere im Fall von Anla-
Clustern von Anlagen gen, die turnusmässigen Inspektionen un-
Das Clustern des Anlagenparks ist terliegen) und das Alter. So unterliegen
Grundvoraussetzung, um die Netzinfra- beispielsweise die Isolierungen von Strom-
struktur mit vertretbarem Aufwand modell- kabeln aufgrund von thermischen Einflüs-
haft abbilden zu können. Es erfolgt im ers- sen (Überschreitung von Temperaturgren-
ten Schritt auf der Basis technischer Krite- zen, Temperaturzyklen), elektrischen Ein-
rien. Da das Clustern der Entwicklung und flüssen (Last, Anzahl von Überspannungen)
Bewertung von Instandhaltungsstrategien und mechanischen Einflüssen (Kompres-
dient, müssen die Cluster in technischer sionen, Vibrationen) einem gut beobacht-
Hinsicht gleichartig sein. Dann kann davon baren Alterungsprozess.
ausgegangen werden, dass Massnahmen Da Inspektionsergebnisse nicht über alle
in gleicher Weise auf alle Elemente eines Cluster vorliegen, hat sich in der Praxis das
Clusters wirken. Es stellt sich die Frage Anlagenalter als Zustandsindikator etabliert.
nach der richtigen Detaillierungstiefe. Hierzu Grundsätzlich können 3 Zusammenhänge
gibt es mathematische Verfahren, in der zwischen Anlagenalter und Störungswahr-
betrieblichen Praxis können Cluster jedoch scheinlichkeit differenziert werden:
fachbeiträge
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rien und Instandsetzung) resultieren auch gungsqualität bewertet. Hierfür werden bei-
mittelbare Störungsfolgekosten und weitere spielsweise im Falle der Sparte Strom die
Risiken, die nicht monetär zu quantifizieren vom VSE vorgeschlagenen Qualitätskenn-
sind (Bild 3). Diese Risiken verdeutlichen, zahlen wie SAIDI (durchschnittliche Unter-
dass die Bewertung von Instandhaltungs- brechungsdauer je Kunde) und SAIFI
strategien nicht nur unter monetären Ge- (durchschnittliche Unterbrechungshäufig-
sichtspunkten erfolgen kann. Weitere Be- keit je Kunde) verwendet.
wertungskriterien sind die künftige Versor- Die Risikobewertung stellt den dritten
gungsqualität und Risiken, die durch be- Schritt dar. Die Strategien werden anhand
stehende oder neu entwickelte Strategien einzelner Kriterien in einer Risikomatrix, wie
in Kauf genommen werden. in Bild 5 beispielhaft dargestellt, bewertet.
Ist die vollständige Abbildung der Anla- Eine Hürde besteht in der Parametrierung
gencluster durch Alterungsmodelle sicher- des Risikomodells. Es müssen einzelne Ri-
gestellt und die Bewertungssystematik in siken erst definiert und dann mit Wahr-
einem entsprechenden Softwaretool abge- scheinlichkeitsverteilungen hinterlegt wer-
bildet, erfolgt die Strategiebewertung. den. Im Zusammenhang mit der Strategie-
((Graphik Riviere_2)) bewertung ist von Bedeutung, dass bereits
im Vorfeld die Grenzwerte für gültige Strate-
gien durch die Unternehmensführung fest-
Bewertung der Instandhaltungs zulegen sind.
strategien ((Graphik Riviere_5
Im ersten Schritt gilt es, die Ist-Strategie bitte hierher))
zu erheben und im Modell abzubilden. Dies
erfolgt durch eine Erhebung von beispiels- Die Bewertung von Instandhaltungsstra-
weise relevanten Inspektions- und War- tegien erfolgt in der Regel auf Ebene der
tungszyklen sowie Nutzungsdauern für Be- Anlagencluster, wobei eine aggregierte Ab-
triebsmittelcluster. Hieraus werden die der- bildung der Modellierungsergebnisse auf
zeitige Risikoposition des Netzbetreibers Ebene der Sparten und des Gesamtnetzes
und die künftig resultierenden Kosten be- unverzichtbar ist. Alle Bewertungsschritte
rechnet. Daraufhin ermitteln Netzbetrieb werden in einem eigens programmierten
und Asset Manager Optionen zur Weiter- Tool durchgeführt, das sowohl die einzelnen
entwicklung der Strategien. Zentrale Optio- Bewertungsschritte (finanziell, Versorgungs-
nen sind die Reduktion von Inspektions- qualität, Risiko) abbildet als auch die Dar-
und Wartungszyklen (unter Berücksichti- stellung der Ergebnisse auf allen Aggregati-
gung der geltenden Regelwerke) sowie onsstufen ermöglicht (Netz, Sparte, Cluster,
Veränderungen bei den Erneuerungszyklen. weiterführendes Clustern).
Sobald sich die Beteiligten über mögliche
Umsetzung
Das dargestellte Bewertungsmodell stellt
hohe Anforderungen an die verfügbare Da-
tenbasis im Unternehmen. Häufig liegen
Betriebsmitteldaten oder Ereignisdaten
nicht in der notwendigen Qualität oder
Struktur vor. Weiterhin sind oft keine Ver-
knüpfungen zwischen den Daten in überge-
ordneten Systemen vorgesehen. Eine zen-
trale Aufgabe für den Asset Manager be-
steht darin, den notwendigen Bedarf und
die Lücken zu identifizieren und die Umset-
zung in der Systemwelt sicherzustellen. Ak-
tuelle Projekte zeigen, dass das Zusam-
menspiel zwischen der Praxiserfahrung der
Betriebsmitarbeiter und der konzeptionellen
Kompetenz der Asset Manager ein wichti-
ger Erfolgsfaktor ist.
Trotz dieser Anforderung ermöglicht be-
reits ein durchschnittlich gut parametriertes
Modell fundamentale Aussagen über zu-
künftige Entwicklungen aufgrund von realen
Daten. Das bisherige Vorgehen der Budge-
tierung aufgrund von Vergangenheitswerten
wird durch Erkenntnisse ergänzt, die auf
zukünftigen Entwicklungen beruhen. Neben
dem häufig zitierten Bauchgefühl steht den
Entscheidern somit ein strukturiertes und
fachbeiträge
Weiterführende Literatur
[1] Mobile-Workforce-Management-Studie 2008
– Eine Marktanalyse für den deutschsprachi-
gen Raum, Horváth & Partner GmbH. Die Stu-
die kann direkt beim Autor per E-Mail bezogen
werden.
[2] Performance Management in der Praxis
(1. Auflage), Horváth & Partners, Versus Verlag
2006, ISBN: 978-3-03909-056-3.
Links
www.horvath-partners.com
scheinlichkeit [%]
Störungswahr-
Leitungen Anlagen Leitungen Anlagen Leitungen Anlagen Leitungen Anlagen
Bild 1 Beispiel für Anlagenclusterung für Versorgungsnetze. Bild 2 Zustandsmodell – Abhängigkeit der Aus
fallwahrscheinlichkeit vom Anlagenalter.
Nicht monetäre
Monetäre Bewertung
Bewertung
Indirekte
Kosten für
Imageschaden Kosten der
Direkte Störungsbehebung
Störung
Kosten der
Störung Kosten für
störungsbedingte Standards werden
Instandsetzung nicht eingehalten
articles spécialisés
Konventionalstrafe Sicherheit
Weitere
Indirekte Risiken
Kosten der Technische
Entgangener Umsatz
Störung Grossstörungen
Schadenersatz-
Personenschäden
forderungen
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2024
2025
Risikoprofil der
Geringes Risiko
Strategie 1
Normales Risiko
Beträchtliches
Risiko
Schwerwiegendes Risikoprofil der
Risiko Strategie 2
Fatales Risiko