Entdecken Sie eBooks
Kategorien
Entdecken Sie Hörbücher
Kategorien
Entdecken Sie Zeitschriften
Kategorien
Entdecken Sie Dokumente
Kategorien
y^^^r
>4. -^
^^..^
'^.
Mi
.?*^^
'>' '' • '-'^ 4^%Jk
'.Viv.i^i^v.j |S^<
i)<i^BwVi^«4^V53flRKV^4^HS^B
^/^
'
/ •:
1 -i'' Ä^
„*^^.l*
•.Ä--
Digitized by the Internet Archive
in 2010 with funding from
University of Toronto
littp://www.archive.org/details/oberalbanienuhdsOOgope
OBERALBANIEN
UND
SEINE LIGA.
Von Spiridion Gopcevic sind bisher erschienen:
Die Türken und ihre Freunde und die Ursachen der serbisch-bulgarisch.
Erhebung. Wien 1878. Dritte Auflage. L. W. Seidel & Sohn. HOS.
70 kr.
Geschichte Montenegros, von der ältesten Zeit bis 1876. Mit zahl-
reichen Documenten und einer historischen Karte des Landes. Buda-
pest, Wilhelm Lauffer. Etwa 500 Seiten. (Wii-d gegen Ende des
Jahres 1881 erscheinen.)
OBEKALBANIEN
UND
SEINE LIGA.
ETHNOGRAPHISCH-POLITISCH-HISTORISCH
GESCHILDERT VON
SPIRIDION GOPCEVIC.
LEIPZIG,
VERLAG VON DÜNCKER & HÜMBLOT
1881.
Das Recht der Uebersetzung bleibt dem Verfasser vorbehalten.
1 ps R T^
903filS
Dem glorreichen
Gjiiro Horvatovic,
welcher sich durch seine Siege bei Babina-glava, Pandiralo, Rsarce,
Ak-Palanka, Pirot etc., besonders aber durch seine ebenso ruhmvolle als
heldenmüthige Vertheidigung von Knja2evac und des linken Morava- Ufers
um unsere Nation so hoch verdient gemacht hat, widroat dieses Werk in
der Verfasser.
Vorwort.
Der Verfasser.
X Vorwort.
Bemerkungen.
Zur Schreibung der Eigennamen habe ich die südslavische
Orthographie angenommen, als die einzige, welche die richtige
Aussprache versinnlicht. Darnach lauten:
c immer wie tz,
c = = tsch,
z = sehr weiches s,
z = = = seh,
s = hartes seh,
h am Ende oder vor einem Consonanten immer wie
ch, sonst h oder eh.
Da aber die albanesische Sprache einen Laut besitzt,
welchen die serbische Sprache nicht hat, nämlich das englische
th, so habe ich für diesen das th beibehalten. Eigentlich
sollte ich auch noch das (Ih annehmen, welches dem spanischen
schwarz,
liceni= See. zij j
>
Seite
i
Inhalt. XV
Seite
Seite
Streitigkeiten. Duell. Haarschnitt. Charakteristik. Tracht. Aber-
glaube. Die Weiber und Mädchen.
Seite
Institute zu Skodra. Zadrima. Les. Pulati. Durazzo. Mär-
tyrer von Autivari. Geschichte der katholischen Kirche in
Oberalbanien.
Die Pfaffenherrschaft und ihr Einfluss auf Erziehung
undVolks Charakter 390
Einwanderung dor Missionäre und Jesuiten. Oesterreichische
Subsidien. Jesuitenwirthschaft. Surrogat für Nonnenklöster.
Invasion der Franciscaner. Clericale Agitation. Die Berichte
des Herrn Lippich. Entrüstung der Eranciscaner. Erziehung
der Katholiken. Einfluss der Pfaffen. Trostlose Zustände.
Simonie. Erziehung der Mädchen. Erziehung der Moham-
medaner, der Mirediten und Maljsoren.
Seite
Siebzehntes Capitel. Volkslieder 472
Liebesliedeines Mädchens 472
Frühlingslied 473
Ruf zu den Waffen 473
LiedvonFazliRosiausKastrati 474
Lied des Mireditenfürsten Lek-i-Zij 474
Gesang zu Ehren des Iljas Jubani 475
Spottlied der Mirediten auf die Mohammedaner 476
Seite
Fünftes Capitel. Die letzten Busatlija 537
Volkslied über den Krieg gegen Kurd Pascha von Berät. Tod
Mahmiid Paschas und Volkslied hierüber. Die Sage von Krajo
Hanum. Ibrahim Pascha. Mustafa P%*ha. Seine Empörung
und Bezwingung.
Sechstes Capitel. Neueste Geschichte Oberalbaniens . . 546
Namik Ali's Feldzug gegen Montenegro, Aufstand gegen ihn.
,
G op e e V i c , Albanien.
Erstes Capitel.
Dulcigno.
Diese kleine Hafenstadt ist in der letzten Zeit (freilich
ohne eigenes Verschulden) der Hauptgegenstand des Interesses
der politischen Welt geworden. Dulcigno war seit mehr als
einem halben Jahrhundert verschollen und brachte sich erst
vor dreiJahren wieder in Erinnerung, als es von den
Montenegrinern erstürmt wurde.
Wenn man sich der Stadt von der Seeseite nähert, erhält
man ein prächtiges Bild. Aus einer kleinen schmalen Bucht
steigen die Häuser über abschüssigen Felsen amphitheatraliscn
empor. Links erhebt sich die Altstadt mit der Festung;
der kleine gewundene Hafen trennt sie von der Neustadt.
Aber auch weit ausserhalb dieser compacten Häusermassen
bhcken noch viele in der Runde zerstreute Grebäude aus dem
grünen Teppich hervor. Leider sind die Spuren der letzten
Erstürmung noch nicht verwischt; ein grosser Theil der
Häuser entbehrt noch der Dächer, der Rest ist mit schönen
rothen Ziegeln neu gedeckt.
Dulcigno hat gleich Ragusa zwei Häfen. Der directe,
und seicht.
sich unmittelbar in die Stadt erstreckende, ist klein
Bios Schiffe von höchstens 200 Tonnen können in ihm ankern.
Dazu kommt, dass er der Bora ausgesetzt ist. Die Einwohner
behaupten, er sei früher umfangreicher gewesen, aber ein
Erdbeben habe das Land gehoben und so die Bucht ein-
geengt. Zur Bekräftigung dieser Behauptung weisen sie auf
einige, 500 Schritte vom Hafen entfernte Steinpfeiler mit
Eisenringen hin, wie solche am Strand stehen und zur Be-
Meine Eeise nach Skodra. 9
Durazzo.
Als wir uns diesem Haupthafen Mittelalbaniens näherten,
erfuhr ich eine arge Enttäuschung. Ich hatte in dem alten
hochberühmten Dyrrhachion eine Stadt etwa von der
Grösse und Bauart von Corfü erwartet. Statt dessen
präsentirte sich mir ein zwar malerisch gelegenes, aber seiner
Ausdehnung nach unbedeutendes Dorf. Gleich Dulcigno
steigt der Ort amphitheatralisch an iind erinnert mit seinen
verfallenen Festungsmauern an Lepanto. Als ich aber an
Erstes Capitel.
Ig
wird, wozu freilich auch das elende Wasser und die nahe
Lagune das ihrige beitragen.
W^arum Durazzo auf manchen Karten Festung be-
als
17
vor die Stadt und setzten uns in ein Kaffeehaus, wo sich ein
Regimentsarzt polnisch-jüdischer Abstammung zu uns gesellte.
Ich besuchte dann Herrn Siroki in seiner Wohnung, wo
er mich seiner Gattin vorstellte, und übernachtete in einem
griechischen Wirthshause, gestiefelt und gespornt.
Herr Siroki war noch so freundlich, auch am folgenden
Morgen zu kommen und von mir Abschied zu nehmen. Ich
kann nicht umhin, diesem wackern Herrn hier nochmals
meinen herzlichsten Dank auszusprechen, denn ohne ihn wäre
ich in Durazzo vor Langweile gestorben.
die Kante erklimmen sollten, legte ich mich ganz auf den
Hals des Pferdes und erleichterte ihm dadurch die letzte
Anstrengung.
Ich war auf diese Weise glücklieh der Gefahr entronnen,
noch aber bangte mir für mein Packpferd. Aber auch dieses
nebst dem Führer und dem zweiten Suwari passirten ohne
Unfall die schwierige Stelle.
dings über alle Beschreibung elend und ich dachte über den
Zeichner der Generalstabskarte, welcher ihn als „Fahrstrasse"
mit doppelten Strichen gezogen: „Herr, verzeih' ihm, denn
er wusste nicht, was er that!'' Mitunter kamen einzelne ge-
pflasterte Strecken zum Vorschein — aber o Himmel, welch'
ein Pflaster war dies ! In Oesterreich habe ich mich oft ge-
ärgert, Avenn ich bei meinen Spazierritten auf frisch an-
geschotterte Strassen stiess; nun, wenn ich behaupte, dass ich
lieber fünf Stunden lang auf solchen, als eine einzige auf
einer „gepflasterten'" türkischen Strasse reiten würde, wird
man sich einen kleinen Begriff von der Art dieses Pflasters
machen können! Ich und mein Pferd zogen es auch immer
vor, wo es ging, neben diesem Pflaster in dem fusshohen Koth
zu reiten.
Gegen ein viertel auf ein Uhr passirten wir das Dorf
Xderenje, dessen zerstreute Hütten in einem malerischen
Thale des Arzen lagen. Eine Mühle klapperte in einiger
Entfernung. Die Strasse führte oberhalb des Dorfeö. Die
spielenden Kinder beim Schall der Hufe zusammen
liefen
und und bewundernd den Franken an,
starrten verwundert
der da inmitten einer militärischen Escorte ritt. Unser Zug
war aber auch in seiner Art interessant. Omer, der Suwari,
der ihn eröffnete, trug die rothe Tracht der Zaptjes, welche
er durch eine schwarze, ärmellose Jacke (Dzurdinje) ergänzt
hatte, eine Tracht, welche die Albanesen Mittel-Albanieiis zu
tragen pflegen und die noch aus Skanderbeg's Zeiten herstammen
soll. Seine Füsse staken in ßöhrenstiefeln, deren Aeusseres
auf ehrwürdiges Alter schliessen Hess. Offenbar behufs besserer
Ventilation fehlte ihnen die Spitze, so dass zu beiden Seiten
neugierige Zehen landschaftliche Studien anstellen konnten.
Ein "Winchester-Carabiner lag quer über dem Sattel, schien
aber schon lange nicht geputzt worden zu sein, denn sein
Lauf war gänzlich verrostet. Im Gürtel hatte Omer zwei
antike Pistolen stecken, mit denen gewiss schon sein Urgross-
vater manchen Schuss gethan. Der Fess war ursprünglich
roth gewesen, jetzt aber mit einer solchen Speckkruste über-
zogen, dass er, ans Feuer gestellt, mindestens ein halbes Kilo
Fett geliefert hätte. Während des Regens hatte Omer ein
^) Nach Hahn ist es das Grab zweier Liebenden. Der Jüngling hatte
das einem feindlichen /Geschlechte ango^KÖrende Mädchen entfuhrt und als
er von den Verfolgern ereilt wurde, erschoss er erst seine Geliebte und
dann sich. Sterbend baten Bejde, in ein gemeinsames Grab gelegt zu
werden.
*) So sagten meine Suwaris. Nach Hahn rühren jedoch diese Ruinen
von einer alten Festung her. Siehe 2. Theil 2. Capitel.
Meine Reise nach Skodra. 27
weise war der Wildbach nicht sehr breit und so wurde ich
bald aus dieser unangenehmen Situation erlöst.
Schlimmer ging es meinem Packpferde. Es wurde von
der Strömung fortgerissen und schon fürchtete ich, es möchte
das Gleichgewicht verlieren. In diesem Falle musste es, von
der Ladung hinabgezogen und umgewendet, ertrinken und
mein Gepäck war gänzlich ruinirt, da es sich in zwei ge-
wöhnlichen Säcken befand. Glücklicherweise sprengte Omer
hinab und noch einmal in das Wasser, fing das schwimmende
Pferd auf und führte es sicher an das Ufer.
Nach diesem Intermezzo ritten wir über Felder an einer
Moschee vorbei, von deren Minaret eben der Muezin sein
„AUa" plärrte und schlugen dann einen interessanten Felsen-
pfad ein, welcher uns um zwei Uhr zur berühmten Besirit-Ure
(Besirs-Brücke) führte, welche in drei Bogen den Arzen über-
spannt. wurde 1859 vom Tiranaer Kaufmann BeSir durch
Sie
einen Triester Architekten
erbaut. Auf der andern Seite
schlugen wir unser Lager auf.
sichtig daran, danu zog sich sein Gesicht in die Breite und er
trank — trank und trank, bis der Becher leer. Neuerdings
gefüllt bot ich diesen dem
zweiten Suwari an. Dieser aber
schnitt eine Grimasse und dankte dreimal, nach
gräuliche
türkischer Art mit der Hand vom Bauch bis an die Stirne
kletternd.
„Sei nicht so dumm", sagte Omer zu ihm; „der Prophet
hat nur den Wein verboten, vom Marasquin hat er keine
Silbe gesagt." Aber selbst diese scholastische Spitzfindigkeit
vermochte des strengläubigen Suwari's Gewissen nicht zu be-
ruhigen und ich reichte den Becher meinem Führer,
Dieser, obgleich ebenfalls Moslim, war Aveniger scrupulös.
Sein Anthtz leuchtete vor Wonne, als seine Xase schnuppernd
den köstlichen Duft einsog, und ehe man drei zählen konnte,
hatte er bereits den Becher geleert. Unwillkürlich variirte
ich bei diesem Anblick die Worte aus Griseldis' Abschied
von Parcival:
„Leb wohl mein Marasquin! Mit diesen Worten
Setz' ich den vollen Becher an die Lippen
Und leer' ihn aus. Das Wörterbuch des Granis
Hat nur ein einzig Wort; — Weg ist der Marasquin I"
Nachdem ich gestärkt, erhob ich mich und kehrte an
dieBrücke zurück, um das Natur Schauspiel mit vollen Zügen
zu gemessen. Die Brücke selbst, erhebt sich ziemlich hoch
über dem Wasserspiegel und steigt halbmondförmig an.
Rechts lag in einiger Entfernung das Dorf Sara, links VukSiar.
Oberhalb Sara stieg ein steiles Gebirge an, dessen Gipfel
der schon erwähnte Barzes bildete. Stromab lagen die Häuser
des Dorfes Mniku. Noch reizender war der Einblick in das
den Oberlauf des Arzen bergende Thal, welches, ohne gross-
artig zu sein, doch immerhin anmuthig genannt werden musste.
In weiter Entfernung ragte das ehrwürdige Haupt des 725
Meter hohen Grabe gen Himmel.
Mensch und Thiere waren erquickt und mussten an Ab-
marsch denken. Ich sattelte meine Pferde, schwang mich
um halb drei Uhr auf meinen Gaul und sprengte mit meiner
Escorte im leichten Trab dahin. Wir hatten noch sieben
Meine Eeise nach Skodra. 31
Tiniiia.
Um vier Uhr ritten wir in die Stadt ein und eine Viertel-
stunde später waren wir am Ziele angelangt. Herr Siroki
war nämlich so gütig gewesen, mir einen Empfehlungsbrief
an die Herren Don Gioachino und Don Vitalis mitzugeben,
welche die Geistlichkeit der katholischen Pfarre von Tirana
repräseutirten. Ich bin heute noch dieser Empfehlung halber
sein Schuldner, denn besser als bei diesen würdigen Herren
hätte ich in ganz Tirana nicht aufgehoben sein können.
Mein Erscheinen machte grosses Aufsehen. Die Geist-
lichen erwarteten täglich das Eintreflfen des Bischofs und als
sie vernahmen, ein Franke sei unter militärischer Escorte in
den Hof geritten, glaubten sie, ihr kirchliches Oberhaupt
wäre angekommen. Einer andern Ansicht war jedoch die
um den Pfarrhof wohnende katholische Bevölkeiiing, welche
unsere Gruppe dicht geschaart umstand, denn sie behauptete
mit Entschiedenheit, ich sei ein österreichischer Consul, von
welcher Meinung sie sich trotz aller gegentheiligen Versiche-
rungen nicht abbringen Hess.
Ich schwang mich aus dem Sattel schritt grüssend auf
,
32 Erstes Capitel.
34 Erstes Capitel.
Kruja.
Dies ist der albanesische Name für die hochberühmte
Stadt, deren Namen wir Kroja zu schreiben pflegen, Avährend
die Türken sie Ak-Hissar, „weisse Veste", nennen. Wir
sahen sie von der malerischesten Seite aus. Sie präsentirte
sich auf dem Abhang eines steilen Gebirges, Sara-Saduk ge-
nannt (dessen höchste Spitze, Malj Kruese, ~|Berg von Kruja''",
1005 Meter hoch ansteigt), etwa in der Weise wie Antivari
vom Hafen aus gesehen. Der Kamm des Sara-Saduk fällt
schien der Sultan nochmals vor Kruja, sah sich aber nach
sechsmonatlicher Belagerung wieder zum Rückzug genöthigt.
Nach dem Tode Skanderbeg's (1467) besetzten die Ve-
nezianer Kruja und hielten es bis 1478. Im Jahre 1477
wurde es nämlich von Mohammed II. mit 350,000 Mann be-
lagert. Victurio hatte nur eine schwache venezianische und
albanesische Besatzung zur Vertheidigung. Francesco Con-
tarini eilte Mann aus dem Epirus zum Entsatz her-
mit 2500
bei und ebenso Fürst Nikolaus von Dukadzin mit 8000 al-
banesischen Bogenschützen. Der gleichzeitige Ausfall Victurio's
brachte das türkische Heer in Unordnung und ohne die Treu-
losigkeit derDukadzin wäre vielleicht ein vollständiger Sieg
erfochten worden. So aber sah sich die Stadt nach dreizehn-
monatlicher Belagerung am 15. Juni 1478 zur Capitulation
auf freien Abzug gezwungen. Trotzdem wurSe die Besatzung
sammt der Bevölkerung niedergemetzelt. Seither ist Kruja
türkisch geblieben.
DrTen.
^g Erstes Capitel.
I
Meine Eeise nach Skodra. 51
schrocken.
„O dieser abscheuliche Essig!"
„Essig? Das ist ja köstlicher Wein!"
„Irrthnm! Kosten Sie nur selbst."
Der Pfarrer that es und — o Wunder! — leerte ohne
Gesichterschneiden das Glas bis auf den letzten Zug, ja
schnalzte noch zum Schlüsse mit der Zunge, als habe es ihm
vortrefflich gemundet.
Diese Selbstverleugnung begriff ich erst, als ich erfuhr,
?"
„Wirklich? Und diese Reiseboussolle
„Zwölf Piaster."
„O warum hast Du nicht auch eine für mich mitgebracht?"
fiel des Pfarrers Diener naiv ein, als er erfuhr, mit diesem
Zungen vieler —
Flöhe verursacht, welche durch die Aermel
unter mein E[emd gekrochen waren. Welche Enttäuschung!
Mein Traum und die Flohbisse hatten mich in weh-
müthige Stimmung versetzt. Ich konnte nicht mehr ein-
schlafen. Ich erhob mich und öffnete die Fensterläden. Der
Tag begann zu grauen, die kalte Nachtluft hatte meine Glieder
steif gemacht. Ich warf noch meine Bettdecke um und ging
in den Garten hinab. Nachdem ich mich durch das Gehen
erwärmt, begab, ich mich auf die Veranda. Omer, in einen
I
Meine Reise nach Skoilra. 53
Sack gehüllt, auf dem noch ein grosser Kotzen lag, schlief
auf dem Boden den Schlaf des Gerechten. Die Morgenröthe
erlaubte mir Gegend zu erforschen. Oberhalb Kruja
die
musste jeden Moment
die Sonne auftauchen. Im Korden sah
ich das- Pulgha-Gebirge, im Westen die Stadt Ismi auf einem
Berge, hinter dem sich das Meer befinden musste, im Süden
nahm die Stadt Prezija eine ähnliche Stellung ein. Rund um
das Pfarrhaus herum unabsehbarer Wald^ der Sperdet.
Ich stieg wieder hinab und betrat die nebenliegende
Capelle. Sie enthielt einen Altar, auf dem furchtbare Un-
ordnung herrschte, und sonst nichts. In einer Ecke lagen
noch verschiedene Kirchen geräthe verstreut.
Nach und nach erwachten die Schläfer, der Pfarrer zog
wieder seine Löcher an und ging in die Kirche, um durch
eigenhändiges Läuten den Sonntag zu verkünden. Ich gab
der Kirche und dem Diener Trinkgeld, dankte dem würdigen
Herrn für seine Gastfreundschaft und ritt um 6 Uhr früh
von dannen. Der ungeschickte Führer hatte das Packpferd
so schlecht bepackt, dass es beim Passiren der engen Pforte
stecken blieb und sich durch einen kühnen Sprung befreite,
was das Herabfallen der ganzen Ladung zur Folge hatte.
Obwohl auf jede mögliche Weise geschützt zerbrach dabei ,
waren, als hätte ich mit einer Armee von Katzen gerauft.
I
!
Les (Alessio).
ich diese Neustadt für ein entfernteres Dorf, obwohl ich vor
drei Monaten daselbst übernachtet hatte. Meinen Irrthum
wurde ich erst gewahr, als ich auf dem dritten Punkte an-
gekommen war, dem Felsen westlich von Les am andern
Drin-Ufer, und die Stadt suchte.
Meine Blicke fanden zwar den kleinen Bazar, die Vor-
stadt, das Zigeunerdorf und selbstverständlich die Citadelle,
aber die Stadt konnte ich nicht entdecken. Erst auf mein
Befragen mir mein Führer mit, dass ich von diesem
theilte
Punkte aus die Neustadt nicht sehen könne, da sie hinter
dem Citadellenberge versteckt liege; ich hätte sie jedoch eine
Viertelstunde vorher gesehen.
Die Zigeunervorstadt umfasst etwa 20 elende Strohhütten
und beherbergt gegen 200 Insassen, sämmtlich Schmiede. Sie
liegt am südlichen Fusse des 407 m hohen Teke-Berges,
Der Bazar, 'den man zunächst betritt, bildet eine einzige
lange Strasse, welche etwa 80 Buden enthält. Mir kam deren
Inhalt ärmlicher vor als in den anderen albanesischen Bazars,
und auch die Zahl der Käufer schien mir sehr bescheiden
zu Die Manufakturen und Colonialwaaren werden von
sein.
I
Meine Reise nach Skodra. 51
chischen Historiker dahin zu berichtigen, dass in jener Stelle von der Insel
Issa (jetzt Lissa) die Kede ist.
ß4 Erstes Capitel.
grüne Haine.
Die Gegend bekam stellenweise montenegrinisches Ge-
präge, Felsenpfade, kleinen Pässen ähnlich, über welche Schild-
kröten von der Grösse eines Kopfes krochen, dann Stein-
gerölle, endlich wieder Felder und Wiesen.
Wir befanden uns inmitten einer ausgedehnten Ebene.
Im Norden blitzte stellenweise das Wasser des Drinäzi, jenes
Bettes, das sich der Drin 1859 gegraben, um sich mit der
Bojana vereinigen zu können. Links erhob sich eine einsame
Bergkuppe, der Brdiz. Die katholische Kirche von Skodra
und dessen Castell kamen in Sicht und um fünf Uhr ritten
kommt es, dass man auf den ersten Anblick glauben könnte,
ein rumänisches Dorf vor sich zu haben.
Um ein übersichtliches und genaues Bild der ganzen
Stadt zu erlangen, empfiehlt es sich daher, entweder das
Castell, oder den Tepe, oder, wenn der Vali dies nicht
gestatten sollte, den Tarabos zu besteigen. Auch vom
Gipfel des gegen 20 Kilometer weit entfernten Märanaj
kann man mit Hülfe eines guten Fernrohres einen schönen
Ueberblick gewinnen, ist eine so mühselige Besteigung
doch
(ichverwandte 19^2 Stunden darauf) nicht Jedermanns Sache.
Wählen wir daher das Castell zu unserm Observatorium. Als
ich Scutari zum ersten Male betrat, brauchte ich nicht weni-
ger als drei Viertelstunden, um von der Kiri-Brücke durch
den Bazar und die Stadt in mein Quartier zu gelangen was ;
war natürHcher, als dass ich von der Grösse der Stadt eine
hohe Meinung bekam und Hecquard's Angabe, Skodra besitze
gegen 40,000 Einwohner, noch für zu niedrig gegriffen hielt.
Erst als ich vom Tepe aus die ganze Stadt mit allen ihren
Quartieren zu meinen Füssen liegen sah, gewann ich die
Ueberzeugung, dass die Stärke ihrer Bevölkerung die Zifi'er
von 25,000 Seelen schwerlich übersteige. In der That gab
man mir die Zahl der Häuser auf 3500 an, davon 2500 mo-
hammedanische mit 16,000 Einwohnern, 900 katholische mit
7500 und 120 griechische mit 900 Seelen. Dazu noch etwa
100 Zigeuner gerechnet, würde sich also die Einwohnerzahl
auf 24,500 stellen.
Von dem Castell aus gesehen giebt uns Stadt und Um-
gebung eine herrliche Augenweide. Blicken wir nach Norden,
so liegt die Stadt zu unseren Füssen, Aus frischem Grün
tauchen unzählige rothe Dächer hervor, aber nicht schön an-
einandergereiht, sondern zerstreut, gleichwie in den meisten
Dörfern des Orients. Bios die Hauptstrassen sind regelrecht
gebaut; alle Seitengassen werden grösstentheils durch Mauern
gebildet, welche Gärten einschliessen, in deren Mitte sich das
eigentliche Wohnhaus erhebt. Die Eifersucht der Mohamme-
daner wie der Katholiken ist nämlich nicht geringer als jene
der Türken, und so kommt es, dass die meisten in dem Ab-
Skodra, das Herz Oberalbaiiieus. (59
verliüllt, das so eng anliegt, dass sich Nase, Lippen und Kinn
deutlich abzeichnen. Wie bekannt, ist die „partie honteuse"
der Türkin ihr Gesicht ; da also durch den dichten Jaschmak
der Moral Genüge geleistet wird, stösst sich Niemand in
Skodra daran, wenn das sonstige Costüm jener Verkäuferinnen,
bloss aus Hemd und Unterhose bestehend, verschiedene nicht
geschlossene Schlitze aufweist. Ländlich, sittlich! Nicht nur
die Mohammedanerinnen, sondern auch die' Christinnen tragen
übrigens den Jaschmak; blos die Bergbewohnerinnen, welche
zum Markt kommen, sowie einige alte Weiber, die gerade
sehr eines Jaschmaks bedürftig wären, zeigen ihre Gesichter
unverhüllt. Da die Mohammedaner sämmtlich die weite,
unterrockähuliche Fustanella, die Frauen aber durchgehends
Beinkleider tragen (die Mohammedanerinnen meistens blos ge-
wöhnliche Unterhosen), so könnte man sagen: „In Scutari
trage die Frau die Hosen, der Mann den Unterrock!"
Die Weiber haben hier im Allgemeinen mehr Freiheit
als in andern türkischen Städten, denn man sieht sie in
ziemlicher Anzahl allein umhergehen oder im Bazar hocken.
Ihre Costüme sind aber gewöhnlich sehr plump, hässlich
und geschmacklos. Die Zigeunerinnen weichen dem aus,
indem sie halb oder auch ganz nackt umherlaufen, ohne von
der Polizei behelligt zu werden, denn deren ganze Sorge
beschränkt sich darauf, jene Leute zu arretiren, welche nach
neun Uhr Abends ohne Laterne auf der Gasse betroffen
werden.
Der Bazar von Skodra soll 1600 Buden zählen, deren
Bewachung nächtlicherweile einem Kulukdzi-basi und fünf
Kulüks anvertraut ist. Während meiner Anwesenheit in
Skodra brannten 300 Buden in einer Nacht nieder.
Vom Bazar gelaugt man in die eigentliche Stadt. Auf
der gegen das Castell zugekehrten Seite ist nur die gemalte
Moschee von Belang —
aber nicht etwa, weil sie so schön
bemalt oder ein besonderes Bauwerk, sondern weil sie so
haarsträubend geschmacklos und hässlich bekleckst ist. Der
türkische Friedhof befindet sich nicht weit von ihr und ist
sehr anspruchslos und unbedeutend.
Ökodra, das Herz Oberalbaniens. 79
dass —
an Wochentagen leerstehend an Sonntagen die —
Kirche nicht nur überfüllt (rechts die Männer, links die
Weiber); sondern auch der ganze Hof vor der Kirche mit
Knieenden bedeckt ist. Nur heirathsfähige Mädchen (vom
zwölften Jahr aufwärts) sind unsichtbar, da sie entweder
schon beim Morgengrauen in die Kirche getrieben werden,
oder diese gar nicht besuchen dürfen.
Nicht weit von der Kirche befindet sich der katholische
Friedhof, welcher nennenswerthe Denkmäler und
blos drei
Gräber besitzt. Das erste ist das Grabmonumeut Bib Doda's
in Form eines Sarkophags, das zweite jenes der Tochter des
französischen Consuls, das dritte eine aus Holz geschnitzte
Büste, die Arbeit eines gewöhnlichen albanesischen Bauern.
An Kunstwerth und Form gleicht diese Büste immer-
hin einer neuseeländischen Bildnerarbeit. Das angebliche
Porträt des Begrabenen wird umsomehr zur lächerlichen
Fratze, als der Künstler in die Handflächen der steif aus-
gestreckten Arme ganze Figur bekommt dadurch eine
(die
Kreuzform) einen Vogel gesetzt hat, während ein dritter
Kukuk auf dem Kopf der P^'igur sitzt. Aber in Anbetracht
der Person des Bildners muss man diesem trotzdem Talent
zuerkennen.
Durch mehrere grösstentheils von Katholiken bewohnte
Gassen und an dem einfachen Wohnhause Prenk Bib Doda's
vorbei kehren wir wieder zum Volksgarten zurück, um unsere
Wanderung auf der Hauptstrasse, von dort an: „Boulevard
des Europeens" oder ,, Linie A-B" genannt, fortzusetzen.
Rechts erhebt sich hinter mehreren Bäumen das „Hotel
Papaniko", das so elend ist, wie sein Aussehen, aber doch
das einzige, wo man gute Gesellschaft trifft. Dann fallen
uns mehrere modern fränkische Gebäude auf, die mitunter
sogar zweistöckig sind, und deren eines das „Hotel Europa"
ist. Wenngleich ich mich daselbst besser aufgehoben fand
als in dem vorerwähnten, kann ich doch Niemanden rathen
dort abzusteigen, da der Wirth Daragijati ein charakterloser,
heimtückischer "NA'icht ist.
I
Die polirische Lage Oberalbaniens bei meiner Ankunft in Skodra. 91