hin"), und er umreibt die Formen mit
schwarzen Konturlinien. Das, beispicls
weise, erinnert an den Expressionisten
Max Beckmann,
‘Wohl weil die Parallele allzu deutlich
ist, méchte Lpertz eigentlich «mit Ex:
ressionismus wenig zu tun" haben.
‘Aber er hat einen Kniff gefunden, der
die historische | Malweise angeblich
sjeder méglch macht: Er wiedemol
Friher hatte der Kiinstler mit Vorlie-
be seriellt Motive ausgewablt — ein
= Westwall"-Bild (1968), das die milité-
Tischen Betonhdcker zu zwélfeinhalb
Meter Breite addiert, gehort 7u seinen
starksten Arbeiten, Heute bringt Li-
pertz lieber ein und dasselbe Motiv auf
mehrere Leinwiinde, und das nicht etwa,
tum. Varianten und’ Verbesserungen zi
erziclen, sondern um dem Sujet .Wich-
igkeit™ zu verleihen und dic intensi-
‘des Malens nachzuschmecken,
‘Aber das ist ein schwaches Alibi
Selbst wenn. einmal die (cinzeln. gegen
‘Summen zwischen 2000 und 8500 Mark
verkiuflichen) Fassungen zu deitt oder
zu flinft beisammenhangen wie jetat in
Baden-Baden, nUizt sich der originelle
Effekt rasch restlos ab — genauso wie
bei Lipertz’ Stilgenossen Georg Base-
litz, der atle Gegenstinde kopfuber malt
und aufhingt. Eindrucksvoll bleibt die
-genialische, Trotz-Reaktion eines alt
modischen (Gallwitz) Kinstlers. als
der sich Liipertz, mit. schillernder
Selbstironie, auch durch seinen Habitus
prisentier.
‘Sogar der Lebenslauf paBt zu dieser
Roll: dena schon mit 15 Jahren durfte
sich Markus Lipertz, in Béhimen gebo
fen und im Rheinland aufgewachsen,
als eine ,gescheiterte Existene” betrach
fen: Aus einer Lehre als. Maler von
Weinflaschenctketten war er ,qwegen
mangelnden Talents" enlassen worden,
sein 2weiter Lehrhert, ein Gebrauchs
sraphiker, hate Pete gemacht
Der weitere — durch Zwischenspicle
in einer Kohlenzeche und beim Auto
bahndau unterbrochene » — Studien
gang: Die" Werkkunetchule "Krefeld
Yerlie® Llpertz. als voltrainierter”
tlechermalien auf Fresko wie Sarai
fedrilier Mater. Im. Kloster Maria
Laach absolvierte ef dann, mit einem
Kreurigungsbild beschiftigl. cine fa
natisch religidse Zeit", und der Besich
der Akademie in Disseldorf wurde wie-
dee, wie sich’s gehort. cin
Fiasko". Ein Profesor hatte cbeinahe
gekout", weil Liper Cowboys. am
Tagertever make,
Tnzwischen ist der Maler in eine rohi
sere, doch ihm nicht minder aagemeste-
nie Lebensepoche ingetreten. Er ver-
dient jetzt mit Malen einen ausreichen
den Lebensunterhal, sivt im Vorsiand
des Deutschen Kunsilerbunds und
‘bermimmt dermnichst eine Gastdoren
tur (in Karlsruhe). Der hettg rtierende
Kunstbetricb schist sich any den Nach.
Expressionisten einzuholen: Lipertz i
zur Biennale der Jugend” nach Paris
100
und zur trendsetzenden ,Prospect”-Aus-
stellong nach Dusseldorf eingeladen.
Fast scheint wahr zu werden, was Lil-
pertz, fatal dithyrambisch, far
den-Badener Festschrift. ged
‘Es geht kein Weg vorbel, es gibt kein
Mittet gegen mich.”
PHILOSOPHEN
bn} Mann mit dem Koffer
mane ‘Georg ‘Lukes
1817 bei einer Heidelberger Bank
deponierte, hatte eine ungewuhniiche
Schateavcha zr Folge
ie philosophischen _Ambitionen
fines Heidelberger Bankangeste
ten Wisten it Budapest, Hamburg, Ber
tinund London Free und Arger at
Bei der Lettre der Rowoht- Mon
raph des 1971 vestorbenen mars
Spa
der Bitte, ihr die Erben dieses Hern
Lukées zu nennen. Kurt Kusenberg,
Herausgeber der | Taschenbuchreihe
Rowoblis Monographien, witterte einen
‘Schatz, Womélich enthielt der Koffer
lunbekannte Lukées-Manuskripte, deren
Veriiffentlichung eine politischliterar-
sche Sensation bedeuten kénnte,
Kusenberg kannte die in London le.
bende Lukes-Schwester Maria Popper
‘und benachrichtigte sie von dem Fund.
Der Bank teilte er Frau Poppers An-
schrift mit, da diese wohl auch die
cinzige Erbin ist”
Freilich, Kusenberg hitte es genauer
‘wissen milssen, denn in der Monogra-
hie steht. wer die Rechte am literari-
sehen NachlaB des Philosophen besitzt
Stiefsohn Ferenc Jinossy, der das
Lukées-Archiv bei der Ungarischen
‘Akademie der Wissenschaften leit
Maria Popper, von Kusenberg auf
die Spur des geheimnisvollen Koffers
ebracht — schlieBlich war es doch
‘merkwiirdig, daB sich Lukécs um die
Marxist Lakdes, Schwester*: 8000 Mark Finderlohn
schen Philosophen Georg Lukies —
verfat von Fritz J. Raddatz — erin
norte sich der Angestelte der Deutschen
Bank, Fiiale Heidelberg, an einen
igrauen Holzkofter, der seit aber einem
halben Jahrhundert im Tresorraum der
Bank lagerte.
Dieser Koffer_war am 7, November
1917 von einem Dr. Georg von Lukes
~zur_Aufbewahrung” hinterlegt wor-
den. Seither hatte sich der Besitzer nicht
‘mehr blicken lassen,
‘Ohne seine Lekttire fortzusetzen —
was den Arger verhindert hitte —, in-
formierte der Bankangestelite seinen
Chef, daB er endlich den Besitzer des
Tistigen Geplickstlicks gefunden habe,
Hilfesuchend wandte sich die Deut
sche Bank an den Rowoblt-Verlag mit
Verwahrsache nie mehr gekiimmert
hatte —, glaubte wohl auch, aul eine
Goldader gestofen 2 sein
Obwohl sie das Testament kannte
und zudem nach dem Tode ihres Bru
ders notariell aut alle Anspriche ver-
‘ichtet hatte, gab sie sich der Bank ge-
Bentler als Alleinerbin aus
Erleichtert.sehiekte die Bank den
Kofferiahalt nach. London: Photogra-
phien, Manuskripte sowie etwa 1600
Briefe, darunter die vollstandige Korte
spondenz. zwischen _Lukics und seinem
Jugendfreund Leo Popper, und uber
dom Briefe von Ernst Bloch, Max und
“Marianne Weber und dem neuklassizi-
stisehen Dichter Paul Ernst
SeblieBtich doch von Skrupeln_ge-
plagt, untertichtete die Lukées Schwe
ster — anlilich einer Ungarn-Reiihren Stiefneffen Janossy von dem
Fund. Wie Kusenberg und Maria Pop-
er vermutete nun auch Fanossy, der
Holekoffer berge einen Schatz. An-
dererseits firehtete er, die Veriffentli-
‘chung unbekannter Manuskripte aus der
vormarnistischen Zeit des Philotophen
Kénnte den gerade abflaenden Streit
tum. Lukées” marxistische Gesinaung
wieder beleben.
Doch VerdeuB bereitete ihm zu:
nichst cinmal Maria Popper. Sic wollte
den Inhalt des Koffers nur gegen einen
angemessenen .Finderlohn'" herausge-
ben. Schlieflich einigten sich Tante und
Neffe auf einen Betrag von 5000 Mark.
‘Als ihm Frau Popper nun auch von
Kusenbergs Brief orzabite, slaubte Jé.
nosy, der Rowohlt-Verlag habe an
ciner Totrige gesponnen. Verargert lie’
er die hart linke Kampfreitschrift .Ber-
liner Extra-Dienst” —_ informieren.
Prompt unterstelite das Blatt dem
Reinbeker Verlagshaus, es hitte ver
sucht, mit einem nicht ganz koscher
angelegten Fischzug™ sich unbekannte
Lukict- Manuskripte unter den Nagel
zu reiBen . . . deren’ Veréffentlichung,
eine literarisch-politische Sensation ver-
sprach"
Rowohlt reagierte mit einer Gegen-
darstellung und bezeichnete den
tra-Dienst* Bericht als eine an” den
Haaren herbeigezogene infame Unter-
stellang®. Doch damit war der Su
tum das mysteridse Lukics-Erbe — bis
dahin wuBie noch niemand, ob es sich
bei den gefundenen Manuskripten tat
‘Sichlich um unbekannte Lukies-Arbe
ten handelt — noch nicht 2u Ende.
‘Auf der RUckreise von London. wo
ex den Kofferinhalt abgehoit hatte
fmachte Jénossy ei Frank Benseler,
Herausgeber der im Luchterhand-Ver
lag. erscheinenden Lukics-Gesamtaus
gabe, Station. Tanossy zeigte Benselor
einige Manuskripte, darunter eine Dis.
position der” Heidelberger Asthetik
tnd einen Aufiatz uber . die deutsche
Intelligenz und der Krieg”. Mit Freund
Hanossys Erlaubnis photokopierte Ben
Sseler Disposition und Aufsatz.
Nur ein Beteiligter an der Schatz
suche war nicht Uberrascht, als der
~Extra-Diens." Ende vergangenen Mo-
hats den Lukées-Aufsatz Uber die
deutsche Intelligenz. raubdruckte. Frei
lich nicht ohne sich vorher gentigend 24.
distanzieron. Wir haben, so zitierte
das Blatt einen ,Kenner der Materie™,
sin diesem sagenhafien Heidelberger
Koffer die letzten Zeugnisse der bir.
erlich-ziellosen Schreiberei dieses gro
Ben Denkers vor der marxistischen
Wende."
Von wem der Extra-Dienst* das
Manuskript erhielt, will sein Chefredak.
tear, Carl L, Guggomos, nur andeuten:
saus einem westdeutschen Verlag”
Taisichlich war es Lukécs-Herausge-
ber Benseler. Mit dem invzenierten
ER SPIEGEL, Ne, S978
Raubdruck wollte er vermutlich verhin-
der, daB die Koffer-Manuskripte un.
verdifentlicht nun statt in der Heidel:
berger Bankfiliale im Budapester Ar
shi fr in weiters haber Jahrhundert
LITERATUR
Eher helustigt
Mit seinem neuen Roman will der
Schriftsteller Gerhard Zwerenz
ein Wespennest gestochon“ haben:
Er handeit von einem jiidischen Bau-
owen in Frankfurt,
er Frankfurter Oberbilrgermeister
Rudi Arndt, 46, wagte sich auf be-
‘ufliches Newland und schrieb eine Lite
ralur-Kritik, Die Lektilre seiner Wahl
schlug thm. schwer suf den Magen.
‘Das Buch", so notierte er im Frank.
Furter Lachblatt Pardon", ist unge-
nieGbar wie ein Zweremz.*
Tn der Tat, Gerhard Zwerenz, 48, der
literarisch-polemische Umsichschliger,
fhat einen Gechsten) Roman geschrie=
ben, der dem hessischen (SPD-)Kom-
‘munalpolitiker nicht wohl bekommen
kann, den Roman einer Stadt” (Zve-
ena), der in Frankfurt spielt und letzte
Woche dortselbst erschien: Die Erde
‘unbewohnbar wie der Mond
Die duster gestimmte Geschi
dele vom Ende aller Komm
cher Beziehungen und Bediirfnisse in
‘den betonierten Schluchten und Unter-
stinden der City, von Traurigkeit in
den Vorstidten und dem mechanisier-
ten Terror der Verwaltungs- und Ord-
‘nungs-Apparate.
Mit einem — wenn auch der Frank-
furter Witklichkeit entlehnten — er-
hat Zwerenz dabei
hrische Vision auf die
ihm unerlaBliche ,.Fallhohe™ fr Leser-
Provokation geschraubt -— der Roman
Keitiker Arndt
Kei
ihre an das. Juden-Trauma"* (Zwe-
ren2) der Bundes-Deutschen:
Held dieses Protokolls von der Un-
wirllichkeit der Stidte ist Abraham
Mawerstamm, ein aus Israel immigrier-
ter Jude, der sich in Frankfurt dank sei
nner ihm von Mutter Maverstamm als
Versprechen abgenommenen Skrupello
sigkeit gegen die Marder von einst zum
Bauldwea* mausers.
Besondere Geschicklichkeit beweist
Abbi" in der Kunst, bewohnte Huser,
ie er auf AbriB verkaufen will, unbe-
wohnbar zu machen, In lecrstehende
Autor 2werenz
.Selbst gesohen, selbst erfobt*
‘Wohnungen schickt er rottenweise aus-
geflippte Typen. die den birgerlichen
Rest-Bewohnern der Hauser die Le
bens-Lust durch Larm und Unfhiterei
rasch vergallen und sie 20 freiwiliger
Flucht aus ihrem Heim dringen.
‘Abraham findet solche Helfer in der
B-Ebene unter dem Betonplau der
Frankfurter Hauptwache, dem Refugi-
tum der GroBstadt-Outeasts, wo sich
Schliger und Hascher, Stadtstreicher
lund Krlippel, Polizeispitzel und fru-
strierte Anarchisten 21 Schwatz und
‘Schiaf zusammenfindeo.
Tinigen Lebensldufen aus dieser von
Zwerenz als modellhafte Projektion
entworfenen Gegen-Gesellschaft geht
‘der Autor ausfiihrlicher nach: dem jun-
igen Robbe" deispielsweise, der einen
verkorksten Magen hat, seinen Schwa.
ger Sven erschlagt und am Ende von
Abraham ermordet wird; oder dem
uGnom von Frankfurt", einem Zerg,
der Abbis Geschifte besorgt und bei
dem Versuch, dea Gdnner aufs Kreuz,
zu legen, avs einem Zug geworfen ied,
Sie alle, von der Gesellschaft zu hell-
sichtig. Leidenden oder dumpf Reagie-
fenden deformiert, werden noch cin-
mal, und endgiltig, fertiggemacht.
‘Auch Sexualitit, natirlich, ist da. Aber
sie hilft kaum 2u privatem Glick, zeugt,
im verzweifelten Vollzug, nur noch von
Katte und Bindungslosigkeit. Und wo
in den Hirnen melancholischer junger
Garang Byopem, ale Eros in ubenopatar wie
SRSA ice St 8 ar
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