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Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie

Lehrbuch und Atlas

Bearbeitet von
Prof. Dr. med. habil. Volker Hofmann, Prof. Dr. med. Karl-Heinz Deeg, Prof. Dr. med. Peter F. Hoyer

3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage 2005. Buch. 728 S. Hardcover
ISBN 978 3 13 100953 1
Format (B x L): 27 x 19500 cm

Weitere Fachgebiete > Medizin > Klinische und Innere Medizin > Pädiatrie,
Neonatologie
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14 Niere
P. F. Hoyer

In den letzten Jahren hat sich die Sonographie als erst- dale Anteil ist häufig von Darmluft überlagert, bei
rangige bildgebende Methode zur Darstellung der Nie- Splenomegalie ist die Darstellung dagegen er-
ren und ableitenden Harnwege allgemein durchgesetzt. leichtert.
Das früher unentbehrliche Ausscheidungsurogramm ist g Von dorsal durch die Rückenmuskulatur sind die
aufgrund der sonographisch erkennbaren Nierenmor- Nieren mühelos in 2 Ebenen abzubilden. Diese Dar-
phologie in der Regel nicht mehr indiziert. Das Gleiche stellungsart erlaubt außerdem eine exakte Bestim-
gilt für die Durchführung einer nativen Computertomo- mung der Nierenlängsachsen, die im Säuglingsalter
graphie, die meist keine zusätzlichen Informationen er- eher parallel verlaufen, jenseits dieses Alters in kau-
bringt (46). daler Richtung divergieren.
Dem Stellenwert „erstrangig“ kann die sonographi-
sche Untersuchung nur dann gerecht werden, wenn Die Kenntnis der Längsachse ist Voraussetzung für eine
moderne Geräte mit hoher Auflösung zur Verfügung genaue Querschnittdarstellung. Bei schrägen Quer-
stehen. Mit der hohen Auflösung muss auch der An- schnitten kommt es aufgrund des „Salami-Schnitt-Phä-
spruch an die technische und insbesondere fachliche nomens“ zu fehlerhaften Messwerten und damit zu Vo-
Kompetenz des Untersuchers steigen, ohne die Nieren- lumenfehlbestimmungen. Bei der Darstellung des Quer-
fehlbildungen, zystische Nierenerkrankungen oder Pa- schnitts, der von lateral her oder bei der rechten Niere
renchymveränderungen leicht fehlinterpretiert werden. von ventral durch die Leber vorgenommen wird, gilt bei
zentralem Anschnitt, dass der kleinstmögliche Quer-
schnitt der Exakteste ist.
Untersuchungstechnik Der gesunde Ureter entzieht sich der regelhaften so-
nographischen Darstellung. Mitunter kann ein Urin
Bei Säuglingen sollte die Sonographie der Nieren und transportierendes Uretersegment während einer peri-
ableitenden Harnwege grundsätzlich mit der Untersu- staltischen Welle kurz gesichtet werden. Ein dilatierter
chung der Blase beginnen, da Säuglinge häufig direkt Ureter lässt sich proximal von lateral oder von dorsal
nach dem Öffnen der Windeln miktionieren. Durch An-
wendung von in Babyflaschenwärmern angewärmtem
Ultraschallkontaktgel kann ein Aufschrecken der Kinder
vermieden werden.
Aufgrund der meist lufthaltigen Darmschlingen ge-
lingt die Darstellung der Nieren von ventral häufig un-
zureichend. Am besten lassen sich die Nieren von late-
ral oder dorsal darstellen:
g Bei der Darstellung von lateral ist darauf zu achten,
dass die Leber (Abb. 14.1) oder die Milz als Schall-
fenster für die Niere dienen. Liegt Darm im Schall-
fenster, ist die Darstellung unsauber und unzurei-
chend. Gegebenenfalls lässt sich das Schallfenster
bei kooperativen Kindern durch tiefes Ein- oder Aus-
atmen optimieren. Ferner muss der Untersucher
eine Vorstellung vom Verlauf der Nierenlängsachse
haben. Sie verläuft in etwa parallel zum Psoas, d. h.
von kranial-dorsal nach kaudal-ventral.
– Die Darstellung der rechten Niere bereitet in der
Regel keine Schwierigkeiten. Ausnahmen sind das
Fehlen eines geeigneten Leberschallfensters bei
Schrumpfleber oder Zwerchfellhochstand. Abb. 14.1 Normale Niere. Darstellung von ventral durch das
– Die Darstellbarkeit der linken Niere von lateral Schallfenster der Leber. Die gesunde Leber stellt die Vergleichs-
hängt wesentlich von der Milzgröße ab. Der kau- größe für die Beurteilung der Echogenität dar.

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Hofmann, Deeg, Hoyer, Ultraschall in Pädiatrie und Kinderchirurgie (ISBN 3131009535), © 2005 Georg Thieme Verlag
14 Niere

medial der Niere in einer Achse parallel zur Wirbelsäule


darstellen (nicht parallel zur Niere!). Das mittlere Ure-
terdrittel wird von ventral gestellt. Dies gelingt aber
nur, wenn der Darm ausreichend entleert und luftfrei
ist oder wenn es möglich ist, vorgelagerte Darmschlin-
gen mit der palpierenden Hand wegzudrücken. Bester
Bezugspunkt ist hier die Überkreuzung der Iliakalge-
fäße. Der distale Ureter wird durch die gefüllte Blase re-
trovesikal dargestellt.

Untersuchungsvorbereitung
Bei der Nierensonographie ist keine spezielle Untersu- Abb. 14.3 Echoreiche Linie im oberen Nierendrittel: so ge-
chungsvorbereitung erforderlich. Die Patienten sollten nannte „parenchymal junction line“. Dieser Normalbefund darf
jedoch gut hydriert sein, da sonst dem Untersucher in nicht mit einer Parenchymnarbe verwechselt werden.
einer Antidiuresesituation eine urodynamisch relevante
Obstruktion entgehen würde. Aus diesem Grund ist
auch postnatal innerhalb der ersten 48 Stunden eine Die normale Niere weist glatte Konturen auf und hat
Sonographie der Nieren und Harnwege nur einge- beim Schnitt auf den Nierenhilus zu eine bohnenför-
schränkt aussagefähig. Die Untersuchung innerhalb die- mige Form. Am Übergang vom mittleren zum oberen
ses Zeitraums kann nur der Orientierung dienen, ein Drittel findet sich häufig eine Parenchymkerbe, die
Normalbefund schließt eine Obstruktion nicht aus. nicht mit einer Narbe verwechselt werden darf
Grundsätzlich müssen die Nieren und Harnwege (Abb. 14.3). In der Literatur wird dieses Phänomen
einmal bei voller Blase sowie unmittelbar nach der Mik- „parenchymal junction line“ genannt. Es stellt ein Relikt
tion untersucht werden. Eine Untersuchung bei leerer der ehemaligen Renkulierung im Oberpol dar. Ur-
Blase gilt als unvollständig. Dies muss im Befundbericht sprünglich wurde diese parenchymale echoreiche Linie
betont werden. für ein bindegewebiges Septum gehalten. Neuere Un-
tersuchungen mittels Kernspintomographie zeigten
aber, dass es sich hierbei um interponiertes Fettgewebe
Normale Anatomie handelt (47).
Nieren von Früh- und Neugeborenen weisen häufig
Die Auflösungsmöglichkeit moderner Ultraschallgeräte die für das Fetalalter typische fetale Renkulierung auf
erlaubt im Vergleich mit makroskopischen Nieren- (Abb. 14.4), die nach Ende des 1. Lebensjahres nur noch
schnittpräparaten eine ausgezeichnete Detailerkenn- selten erkennbar ist (41, 81).
barkeit (15) (Abb. 14.2). Das Parenchym gliedert sich in Rinde und Mark.
Zentral liegt als reflexreiche bandförmige Struktur der
sog. Mittelechokomplex. Die Nierenrinde ist von feiner,
homogener Echotextur mittlerer Echogenität. Beim ge-
sunden Kind ist die Rindenechogenität gering niedriger
als die Parenchymechogenität der Leber.

Medulla Calices
(Markpyramide) minores

Sinus renalis

Calices majores
peripelvines
Fettgewebe Pyelon
Columna
renalis
Ureter
Vasae
arcuatae

Abb. 14.2 Schnittbildanatomie der Niere. Abb. 14.4 Fetale Renkulierung.

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Normale Anatomie 14
Beim Neugeborenen ist die Nierenrindenechogenität
gering höher als die der Leber. Diese relativ höhere Rin-
denechogenität des kleinen Säuglings gegenüber der äl-
terer Kinder verliert sich etwa im 3. Lebensmonat (Abb.
14.4) (30, 34). Als Ursache für die Echogenitätserhö-
hung wird die relativ hohe Dichte an Glomeruli in der
frühen Säuglingszeit angenommen. Die Zahl der Glo-
meruli ist bei Geburt bereits vollständig vorhanden und
nimmt im Laufe des Lebens nicht zu. Die Abnahme der
Echogenität wird durch ein Auseinanderrücken der Glo-
meruli durch das Wachstum des Tubulusapparats inter-
pretiert (41).
Die Markpyramiden stehen regelmäßig voneinan-
der getrennt nahezu radiär, die Pyramidenspitzen mün- a
den als Papillen in die Nierenkelche und sind bei leich-
ter Kelcherweiterung präzis darstellbar. Die Basis der
Pyramiden weist in der Mitte eine rundliche Einker-
bung auf, wodurch die Pyramide sehr stark an ein Ging-
kobaumblatt erinnert. Die Pyramiden sind deutlich
echoärmer als die Nierenrinde, jedoch nicht echofrei.
Die Markpyramiden sind bei Säuglingen häufig
echoärmer als im späteren Lebensalter und können An-
lass zur Verwechslung mit Zysten oder Kelchektasien
geben. Echoarme Pyramiden weisen jedoch nicht die
für Zysten typische dorsale Schallverstärkung auf.
Als Besonderheit findet man bei einigen Neugebore-
nen in der Perinatalperiode eine erhöhte Echogenität
der Markpyramiden, wobei die Echogenität höher als
die der Nierenrinde sein kann (Abb. 14.5a, b). Dieses b
Phänomen verschwindet meistens nach 1–2 Wochen. Abb. 14.5a, b Transiente Hyperechogenität der Markpyra-
Als Ursache wird eine mangelnde Hydrierung mit Aus- miden in der Neugeborenenperiode.
fall von Proteinen und Harnsäure im Tubulusbereich a Hohe Echogenität in den distalen Markpyramidenanteilen,
möglicherweise durch Ausfällung von Harnsäure oder Prote-
angenommen (1, 24). (Manche Autoren glauben mittels inen in den Sammelrohren. Als Ursache für dieses Phänomen
dieses Phänomens die Ausfällung von Tamm-Horsfall- wird eine mangelnde Hydratation und geringe Diurese disku-
Protein identifizieren zu können und sprechen von der tiert.
Tamm-Horsfall-Niere. Mangels Spezifität akustischer b Befund nach 2 Wochen deutlich rückläufig.
Phänomene ist eine derartige Schlussfolgerung nicht
zulässig.)
Die Bertini-Säulen oder Columnae renalis sind von spreizung oft nur wenige Millimeter. Eine Beurteilung
gleicher Echogenität wie die Nierenrinde. Hypertro- des Nierenbecken-Kelchsystems sollte daher grund-
phierte Columnae renalis werden häufiger bei Einzel- sätzlich in 2 Ebenen erfolgen.
nieren beobachtet, sie können aber auch unabhängig Arterien erscheinen bisweilen als echoreiche Re-
davon auftreten. Nicht selten besteht eine diagnosti- flexe und je nach Schallkopffrequenz und Gefäßkaliber
sche Unsicherheit bezüglich der Abgrenzung zu Tumo- als Doppelreflexe. Aufgrund des teilweise parallelen
ren (s. Raumforderungen der Niere). Verlaufs zur Schallkopfoberfläche kommen die an der
Der Mittelechokomplex besteht aus: Basis der Pyramiden verlaufenden Aa. arcuatae häufig
g dem Nierenbecken-Kelchsystem gut zur Darstellung. Weitkalibrige Venen sind im Hilus-
g dem peripelvinen Fettgewebe sowie bereich mitunter ohne Dopplersonographie kaum von
g den sich im Hilus verzweigenden Strukturen des Nierenbecken-Kelchsystems zu unter-
bzw. zusammenlaufenden Gefäßen. scheiden.

Abhängig vom Flüssigkeitsgehalt bzw. der Diurese wird


der Mittelechokomplex aufgespreizt, sodass die Pyelon- Ureter
wände erkennbar werden. Im Längs- oder Koronar-
schnitt der Niere kann das Nierenbecken, insbesondere Der normale Ureter entgeht meist der sonographischen
bei größerem extrarenalen Anteil, beträchtlich vergrö- Darstellung. Bei guter Hydrierung des Patienten und
ßert erscheinen, ohne dass eine echte Dilatation vor- leichter Flüssigkeitsfüllung des Ureters ist sonogra-
liegt. Bei der Querschnittdarstellung beträgt die Auf- phisch die echoarme, zarte Lamina muscularis im Quer-

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14 Niere

schnitt als Ring erkennbar. Der Grenzflächenreflex des


Urothels lässt dieses als zarte echoreiche innere Schicht y = –15,21 +11,45*LOG (x) r 2 = 0,95
erkennen. y = –11,38 + 8,90*LOG (x) r 2 = 0,96
y = –7,46 + 6,31*LOG (x) r 2 = 0,88
12

Harnblase 10

Nierenlänge (cm)
Die Harnblase kann nur im gefüllten Zustand beurteilt
werden. Aufgrund der Randbegrenzung im kleinen Be- 8
cken erscheint sie bei Füllung im Querschnitt eher als
Viereck mit abgerundeten Ecken und nur bei geringerer 6
Füllung oder während der Miktion rund. Bei Mädchen
wird die Blasenwand dorsal durch den Uterus impri- 4
miert, der überwiegend eine von der Mittellinie leicht
nach links abweichende Lage einnimmt. Ventral der
2
Blasenvorderwand findet sich bisweilen eine kleine, 40 60 80 100 120 140 160 180
lentiforme, echoarme Struktur, die einem Urachusrudi- Körperlänge (cm)
ment entspricht.
Mittelwert rechts obere 2SD rechts untere 2SD rechts
Die Dicke der Harnblasenwand beträgt bei mittlerer a Mittelwert links obere 2SD links untere 2SD links
Füllung bei Säuglingen etwa 2–3 mm, bei größeren Kin-
dern maximal 4 mm. Bei entleerter Blase ist sie dicker. y = 17,52+4,20 x r 2 = 0,99
Die Blasenschleimhaut imponiert abhängig vom Winkel y = 15,77+3,32 x r 2 = 0,99
y = 14,01+2,44 x r 2 = 0,98
zur Ausbreitungsrichtung der Schallwellen als zarte,
Gesamtnierenvolumen rechts und links (ml)
300
glatte, echoreiche Schicht. Sie kann aber bei fast leerer
Blase eine wellige Kontur annehmen. 250

200
Morphometrie
150

Standardmäßig werden Längs- und Querdurchmesser


100
bei der Niere vermessen. Das Nierenvolumen wird be-
rechnet nach folgender Näherungsformel: 50

0
Länge · Breite · mittlere Tiefe · 0,5. 0 10 20 30 40 50 60
Körpergewicht (kg)
b obere SD mittleres Gesamtvolumen (ml) untere SD

Diese Daten, d. h. Länge und Volumen, korrelieren mit


dem Alter der Patienten – besser aber mit der Körper- Abb. 14.6a, b Normalwerte nach Weitzel et al. für die Nie-
länge (Abb. 14.6a, b, 14.7a, b, 14.8a, b) (18, 19, 23, 70, 83, renlänge (a), für das Nierenvolumen (b).
88; siehe auch Kapitel 23: Normwerte).
In der klinischen Routine sollte man sich für ein Nor- verlaufenden Röntgenstrahlen sowie einer möglichen
mogramm entscheiden und die Nieren immer nach dem Schwellung der Nieren durch Kontrastmittel.
gleichen Prinzip vermessen. Die Genauigkeit der Mes- Der Parenchym-Pyelon-Index beschreibt das Ver-
sung darf aber nicht überschätzt werden. So ergeben hältnis von der Parenchymdicke zum Mittelechokom-
sich Unterschiede von mehreren Millimetern je nach- plex. Als normal gilt ein Wert von 2:1 (19).
dem, ob von lateral oder dorsal geschallt wird, ob mit ei-
nem Sektor- oder Linearschallkopf untersucht wird (81).
Schlesinger (71) fand eine interindividuelle Messwert- Dopplersonographie
streuung von 0,3–0,5 cm, eine Größenordnung, die in
etwa dem jährlichen Nierenwachstum entspricht. Die Dopplersonographie der Nieren eröffnet neue Ein-
Trotz dieser Einschränkungen hinsichtlich der Präzi- blicke in die Physiologie und Pathophysiologie der Nie-
sion sind Messungen klinisch von sehr großem Wert. rendurchblutung. Um aber Befunde reproduzieren zu
Für das normale Nierenwachstum gilt, dass Nieren ent- können und auf eine vergleichbare Basis zu stellen, ist
lang ihrer individuellen Perzentile wachsen. ein standardisiertes Vorgehen erforderlich.
Sonographisch vermessene Nieren sind etwa bis zu Die simultane Anwendung von Duplexdoppler und
1 cm kleiner als konventionell radiologisch vermessene Farbdoppler stellt einen echten Fortschritt dar. Mittels
Nieren (88). Dieser Effekt beruht auf den divergierend Farbdoppler können flächendeckend, also zweidimen-

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Dopplersonographie 14
60 120
n = 14001 Neugeborene
100
50

rechte Niere (mm)


80
60
40
40
Nierenlänge
30 20
mm

0
Nierenbreite 0 20 60 40 80 100 120 140 160 180 200
20 a Höhe (cm)
140
Nierentiefe
10 120
Nierenbeckentiefe 100

linke Niere (mm)


0 80
99-er 95-er 90-er 75-er 50-er 25-er 10-er 5-er 1-er 60
a Perzentilen
40
20
n = 14001 Neugeborene 20
0
0 20 60 40 80 100 120 140 160 180 200
b Höhe (cm)
15
Nierenvolumen (ml)

Abb. 14.8a, b Streuungsdiagramm: longitudinale (gefüllte


Rauten) und transversale (leere Rauten) Ausdehnung der rech-
10 ten (a) und linken (b) Niere, aufgetragen gegen die Körper-
länge der Patienten. Die Maße der linken Niere sind größer als
die der rechten (49).

zeigen keine Frequenzverschiebung und entsprechend


keine Farbkodierung. Die Kunst der Doppleruntersu-
0
chung besteht daher darin, eine möglichst günstige An-
99-er 95-er 90-er 75-er 50-er 25-er 10-er 5-er 1-er
b Perzentilen kopplungsstelle des Schallkopfs zu finden, um das zu un-
tersuchende Gefäß im optimalen Winkel darzustellen.
Abb. 14.7a, b Nierennomogramme für das Neugeborenen- Bei Winkeln G 20° darf von der Farbkodierung nicht auf
alter nach Weitzel et al. die Blutflussgeschwindigkeit geschlossen werden, ohne
a Perzentilen der Nierendurchmesser und der Nierenbe- eine Winkelkorrekturberechnung anzustellen.
ckentiefe (a-p-Durchmesser) von 14000 Neugeborenen; da Die Nierengefäße werden bevorzugt von lateral oder
kein Seitenunterschied bestand, ist nur die linke Seite darge- dorsal dargestellt, da hier störende Luftüberlagerungen
stellt.
b Perzentilen des Nierenvolumens von 14000 Neugebore- fehlen. Je nach Größe der Kinder verwenden wir einen 5-
nen; da kein Seitenunterschied bestand, ist nur die linke Seite oder 3,5-MHz-Schallkopf, bei Säuglingen bevorzugen
dargestellt. wir den 5- bis 8-MHz-Linearschallkopf. Die höheren
Schallfrequenzen erlauben eine deutlich bessere Auflö-
sional, Blutflussgeschwindigkeiten erfasst und das sung. Die Blutflussgeschwindigkeiten werden in den
Messvolumen des Pulsdopplers gezielt in jedes Gefäß verschiedenen Phasen einer Pulswelle bestimmt. Für die
platziert werden. Aufgrund der Farbkodierung ist es weiteren Berechnungen ist die maximale systolische so-
möglich, den Winkel zwischen Gefäßverlauf und Dopp- wie die enddiastolische Blutflussgeschwindigkeit zu er-
lervektor zu bestimmen. mitteln. Hieraus lässt sich bei entsprechend integrierter
Somit ist es möglich, optimale Dopplerapplikations- Software der Resistance-Index (RI) berechnen:
winkel herauszuarbeiten, die möglichst unter 20° lie-
gen sollten, da der Winkel nach der Dopplergleichung
in die Bestimmung der Blutflussgeschwindigkeit mit RI = Velsys – Velenddiast/Velsys
eingeht. Bei 20° beträgt der Kosinus 0,94. Bei einem
Winkelfehler in dieser Größenordnung beträgt der
Messfehler ca. 6 %. Bei einem Winkel von 60° beträgt Von Relevanz ist auch die Ermittlung der mittleren ge-
der Fehler bei fehlender Korrektur 200 %. wichteten Flussgeschwindigkeit oder Time Average
Mit dem Farbdoppler lassen sich Gefäße dann beson- Velocity (TAV). Multipliziert mit dem Gefäßquerschnitt
ders gut darstellen, wenn die Flussrichtung einen mög- lässt sich so theoretisch die Flussrate in ml/s abschät-
lichst kleinen Winkel in Richtung Schallkopf aufweist. zen. Einwände gegen diese Berechnung werden weiter
Gefäße im 90°-Winkel zur Schallausbreitungsrichtung unten diskutiert.

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14 Niere

Routinemäßig untersucht werden die Flussge-


schwindigkeiten in folgenden Gefäßabschnitten der A. renalis
Niere (Abb. 14.9):
g Aa. renalis
g Aa. segmentales
Aa. interlobares
g Aa. interlobares und
g wenn möglich auch Aa. arcuatae.

Aa. arcuatae
Eine Standardisierung der Platzierung der Messvolu-
mina ist unabdingbar. Wir messen die Flussgeschwin- Aa. segmentalis
digkeit der Aa. renalis kurz vor dem Eintritt in das Pa-
renchym bzw. bei früher Aufgabelung in Segmentäste
kurz vor der Gabelung, die Aa. segmentales werden int- Aa. interlobulares
rarenal in Höhe des Mittelechokomplexes im Bereich
des Nierenbeckens vermessen, die Aa. interlobares etwa
in der Mitte der Markkegel, die Aa, arcuatae am kortiko-
medullären Übergang. Eigene erstellte Messwerte de- Abb. 14.9 Arterielles Gefäßsystem der Niere.
cken sich mit denen von Deeg (16) (Tabelle 14.1 u. 14.2).
Die von Grunert (29) publizierten Daten liegen be-
züglich der systolischen Flussgeschwindigkeiten um ca. Gefäße zum Vergleich mit herangezogen werden, damit
15–20 cm/s höher, die mittleren gewichteten Flussge- systemische hämodynamische Faktoren nicht als renale
schwindigkeiten ca. um 10–14 cm/s höher als die von Faktoren interpretiert werden.
Deeg et al. angegebenen Werte. Da beide Autoren die Bei der von Grunert (29) angegebenen Methode, die
gleichen Geräte verwendet haben, kann der Unter- Nierendurchblutung auf das Nierengewicht in Gramm
schied nur auf die unterschiedliche Platzierung des oder auf die auf 1,73 m2 normierte Körperoberfläche zu
Messvolumens zurückzuführen sein: Die von beiden beziehen, besteht das Problem, dass bei begrenztem la-
Arbeitsgruppen ermittelten RI-Werte sind als identisch teralen Auflösungsvermögen selbst moderner Ultra-
zu betrachten. schallgeräte der Fehler bei der Gefäßdurchmesserbe-
Diese Normalwertunterschiede sind ein Beleg dafür, stimmung im Quadrat in die Volumenflussberechnung
dass trotz hoher Sensitivität und Reproduzierbarkeit eingeht.
diese Methode nur dann für intra- und interindividuelle
Vergleiche brauchbare Ergebnisse liefert, wenn die
Messpunkte exakt bestimmt worden sind. Die maxima- Powerdoppler
len Blutflussgeschwindigkeiten nehmen vom Nierenhi-
lus in Richtung Nierenperipherie deutlich ab. „Color doppler energy“ oder „Powermode“ oder „Angio-
Die Korrelation der maximalen Blutflussgeschwin- mode“ ist eine dopplersonographische Technik, die
digkeiten mit dem Lebensalter zeigen etwas höhere 1993 etabliert wurde. Bei dieser wird nicht die Fluss-
Flussgeschwindigkeiten im Säuglingsalter, danach sind richtung farbig kodiert dargestellt, sondern die Energie
die Blutflussgeschwindigkeiten etwas niedriger und der aus dem Gewebe reflektierten Signalstärke ohne
unabhängig vom Lebensalter nahezu konstant. Das Richtungsangabe. Der Powermode hat gegenüber dem
Gleiche gilt auch für die RI-Werte, die bei Säuglingen konventionellen Farbdoppler folgende Vorteile:
und Frühgeborenen höhere Werte aufweisen (6, 7). g Der Powermode ist weniger vom Dopplerwinkel ab-
Grundsätzlich dürfen dopplersonographisch ermit- hängig. Dies wird insbesondere deutlich, wenn die
telte Flusskurven der Nierengefäße nicht isoliert be- Gefäßverläufe rechtwinklig zur Einschallrichtung er-
trachtet werden, sondern es sollten andere abdominelle folgen. Beim Dopplerwinkel von 90° ist mit dem

A. renalis Aa. segmentales Aa. interlobares Tabelle 14.1 Normalwerte für


systolische Flussgeschwindigkeiten
Säuglinge, Kleinkinder 91,5 ± 22,9 56 ± 12,4 20,3 ± 1,7 ± Standardabweichungen in cm/s,
Schulkinder 88 ± 16 49 ± 19 31 ± 9 (nach Deeg [16])
Jugendliche 85 ± 5 54 ± 9 29 ± 6

A. renalis Aa. segmentales Aa. interlobares Tabelle 14.2 Normalwerte für re-
nale Gefäßwiderstände ± Standard-
Säuglinge, Kleinkinder 0,78 ± 0,13 0,81 ± 0,12 0,70 ± 0,03 abweichungen (nach Deeg [16])
Schulkinder 0,68 ± 0,10 0,62 ± 0,10 0,59 ± 0,08
Jugendliche 0,64 ± 0,09 0,64 ± 0,04 0,60 ± 0,04

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Fehlbildungen 14
konventionellen Farbdoppler keine Flussgeschwindig- bels, bei Geburt in Höhe von L1. Während der Aszensi-
keit darstellbar, während dies mit dem Powermode onsphase kommt es zu einer Rotation des ursprünglich
noch gut möglich ist. ventral gelegenen Nierenbeckens nach medial. Wenn
g Der Powermode detektiert niedrige Flussvolumina der embryonale Aszensionsprozess die Niere nicht in
und Flussgeschwindigkeiten. Je nach Gerät wird die die übliche Position in die Fossa renalis führt, ist eine
Sensitivität mindestens um das Dreifache gesteigert. Heterotopie die Folge:
Unter idealen Bedingungen sind Flussgeschwindig- g fehlende Aszension führt zur Beckenniere
keiten detektierbar, die in der Größenordnung der g überschießende Aszension zur thorakalen Niere und
kapillaren Flussgeschwindigkeit liegen. g Wandern auf die Gegenseite zur gekreuzten Hetero-
g Beim Powermode tritt kein Aliasing auf. Das beim topie.
konventionellen Farbdoppler auftretende Aliasing,
d. h. bei Flussgeschwindigkeiten, die über der oberen Rotationsstörungen kommen isoliert, meist aber in
farbig kodierten Flussgeschwindigkeit liegen, tritt Kombination mit Aszensionsstörungen vor. 3 Formen
ein Farbumschlag in den negativen Bereich auf, z. B. können unterschieden werden:
von rot nach blau. g Ausbleiben der Rotation mit nach ventral gerichte-
tem Nierenbecken
Der Nachteil der Methode liegt darin, dass sie anfälliger g laterale Rotation und
für Bewegungsartefakte ist. g übersteigerte Rotation mit nach dorsal positionier-
Eine sinnvolle Anwendungsmöglichkeit der Methode tem Nierenbecken.
besteht immer dann, wenn nicht die absolute Flussge-
schwindigkeit, sondern die Perfusionsdichte in einem Die Kenntnis dieser Embryogenese erleichtert das Ver-
umschriebenen Areal erfasst werden soll. Vorausset- ständnis für Positionsanomalien und erklärt die häufige
zung hierfür ist eine standardisierte Geräteeinstellung Malrotation bei Malaszension. Malposition und Malro-
mit Berücksichtigung der Frequenz, Distanz der Niere tation sind häufig Zufallsbefunde. Klinische Relevanz
vom Schallkopf und Feldgröße der farbkodierten Re- besteht nur bei der Suche nach einer 2. Niere bei Ver-
gion, da Abtastfrequenz und Bildauflösung von der dacht auf einseitige Nierenagenesie, bei der Differenzi-
Feldgröße abhängig sind (102). aldiagnose tastbarer Unterbauchtumoren sowie im Hin-
Die normale Niere zeigt in der Nierenrinde eine ho- blick auf eventuell geplante Operationen. Urodyna-
mogene Perfusion direkt bis unter die Kapsel. Die Mark- misch relevante Obstruktionen und Steinbildungen sind
pyramiden sind aufgrund der Gefäßarmut ausgespart. bei malpositionierten oder -rotierten Nieren häufiger
Krankheitsbilder, die mit einer verminderten Perfu- als bei Nieren in normaler Position.
sion einhergehen, wie das hämolytisch urämische Syn- g Sonographisch erscheinen malpositionierte oder
drom, Niereninfarkte, Narbenabszesse lassen sich deut- -rotierte Nieren meist mehr oval als nierenförmig
licher darstellen. und das Nierenbecken liegt überwiegend extrarenal.
Bei der Transplantatniere korreliert das Powerdopp-
lerbild mit der Rarefizierung der Gefäße bei der chroni- Bei Verschmelzung beider metanephrogenen Blasteme
schen Transplantatdysfunktion (Abb. 14.10a–c und vor der Aszension ist die Ausbildung einer der zahlrei-
14.11a–e). chen Verschmelzungsformen die Folge. Man unter-
Die Blasenwand zeigt in der konventionellen Farb- scheidet je nach partieller Aszension Beckenkuchen-
doppleruntersuchung wenig Durchblutung, bei starker niere, Hufeisenniere, gekreuzte Heterotopie mit Ver-
inflammatorischer Reaktion kann unter Umständen schmelzung oder Sigmaniere. Sonographisch gelingt die
mittels Powermode eine verstärkte Gefäßinjektion dar- eindeutige Differenzierung einer Verschmelzungsniere
stellbar werden. nicht immer, sodass bei klinischen relevanten Sympto-
men ein Ausscheidungsurogramm oder Hydro-MRT er-
forderlich sein kann.
Fehlbildungen Die Hufeisenniere (Abb. 14.12 u. 14.13a, b) entgeht
nicht selten der orientierenden sonographischen Unter-
Ektopie und Malrotation, Formvarianten suchung, insbesondere dann, wenn nur von lateral ge-
schallt wird. Die Darstellung der prävertebralen Paren-
Ektopie und Malrotation sind durch die Embryologie chymbrücke ist bei luftgefüllten Darmschlingen mitun-
verständlich. Die Nierenentwicklung beginnt mit der ter recht schwierig. Bei der Untersuchung von dorsal
Verschmelzung der aus dem Urnierengang ausge- sollten folgende Befunde den Verdacht auf Hufeisennie-
sprossten Ureterknospe und dem metanephrogenen ren lenken:
Gewebe. In der 6. Embryonalwoche liegt die Nachniere g nicht nach kaudal divergierende,
kaudal der Aortengabel. sondern parallele Nierenlängsachsen
Im Laufe der weiteren Entwicklung kommt es zur g fehlende oder schlechte Abgrenzbarkeit
sog. Aszension der Niere. Gegen Ende des 3. Fetalmo- der Unterpole und
nats liegt die Nierenmitte in Höhe des 2.–3. Lendenwir- g ventral positionierte Nierenbecken.

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a b

Abb. 14.10a–c Dopplersonographie Nierenparen-


chymausschnitt.
a Farbkodierte Darstellung der Aa. interlobares
und arcuatae.
b Gleicher Parenchymausschnitt im Power-Dopp-
ler mit filigraner Darstellung der Aa. und Vv. interlo-
bulares bis an die Nierenkapsel.
c Flusskurve bei Platzierung des „sample volume“
in A. arcuata, mitdargestellt der Fluss in der V. arcu-
c ata.

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Fehlbildungen 14

a b

c d

Abb. 14.11a–e Darstellung unterschiedlicher Perfusionsin-


tensitäten in verschiedenen Transplantatnieren. Bildausschnitt
und Geräteeinstellung wurden konstant gehalten (40)
a Perfusionsscore I: homogene Perfusion, Einzelgefäße
kaum differenzierbar.
b Perfusionsscore II: homogene Perfusion, Einzelgefäße se-
parierbar.
c Perfusionsscore III: leicht reduzierte Perfusion, einzelne
kortikale Areale ohne Dopplersignale ( X 50 %).
d Perfusionsscore IV: deutlich reduzierte Perfusion, n 50 %
der kortikalen Areale ohne Perfusion.
e Perfusionsscore V: Kortex fast ohne erkennbare Perfusion,
nur größere Gefäße (Aa. arcuatae) kommen zur Darstellung. e

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Abb. 14.12 Hufeisenniere. Darstellung der Parenchymbrü-


cke im Mittelbauch-Querschnitt (AO = Aorta; gestrichelte Linie
entspricht der a.-p. Linie). Der M. psoas ist quer angeschnitten a
und weist eine für Säuglinge typische geringe Echogenität auf.

Hufeisennieren sind besonders häufig beim Ulrich-Tur-


ner-Syndrom anzutreffen.
Lageanomalien der Nieren finden sich bei Patienten
mit
g Spina bifida
g extremer Kyphoskoliose
g Omphalozelen und Zwerchfellhernien.

Die Ursache einer Lageanomalie ist in jedem Fall zu klä-


ren, da die Niere aus der Fossa renalis verdrängt werden
kann, insbesondere durch retroperitoneale Raumforde-
rungen wie
g Neuroblastome oder Grenzstrangtumoren
g große Nebennierenblutungen oder
b
g Wilms-Tumoren.
Abb. 14.13a, b Hufeisenniere mit Darstellung der Paren-
chymbrücke.
Die fetale Lobulierung oder Renkulierung (Abb. 14.4)
a Prävertebral quer (AO = Aorta).
ist gewöhnlich bei der Geburt sichtbar, sie verschwin- b Prävertebral längs (DAO = distale Aorta).
det meistens bis zum Ende des 1. Lebensjahres. Den-
noch sind persistierende Renkulierungen bei ca. 7 % der
Erwachsenen sichtbar und können als Parenchymnar- Die Achsen der einzelnen Nieren sind in der Regel ge-
ben fehlgedeutet werden. Eine persistierende fetale geneinander versetzt und müssen herausgearbeitet
Renkulierung wird häufig bei Nephromegalie beim werden. Besteht keine klinische Symptomatik, die auf
Beckwith-Wiedemann-Syndrom in Verbindung mit eine Erkrankung der Nieren oder der ableitenden Harn-
Nephroblastomatose gesehen. wege hindeutet, und sind die Nierenbecken-Kelchsys-
teme zart, so besteht auch kein Anlass zu einer weite-
ren Diagnostik.
Doppelnieren
Bei klinischer Symptomatik oder sonographisch
Einfache Doppelnieren (Abb. 14.14) werden meistens nachgewiesener Harntransportstörung muss die Diag-
zufällig diagnostiziert. nostik einschließlich Miktionszystourethrogramm
Sonographische Hinweise: (MCU) vollständig durchgeführt werden, um die jewei-
g Verlängerung der Nierenlängsachse lige Variante der Doppelanlage einschließlich der Ano-
g Unterbrechung des Mittelechoreflexes (nicht zu ver- malie der Harnwege genau definieren zu können und
wechseln mit bifidem Nierenbecken-Kelchsystem) die Indikation für eventuelle urologische Maßnahmen
g Parenchymeinziehung im mittleren Nierenbereich. darauf abzustimmen. Sonderformen wie die Uretero-
zele und der Reflux bei Doppelanlage werden in den je-

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tung beurteilt werden und der Patient bedarf einer
kindernephrologischen Überwachung.
g Besteht eine zusätzliche männliche Genitalfehlbildung
wie Kryptorchismus, Samenblasenzysten oder eine
weibliche Genitalfehlbildung wie Uterusanomalien,
-doppelanlagen oder Hymenalatresie (Abb. 14.15a, b)?

Nierenagenesien sind nicht selten Symptome komple-


xer Syndrome, sodass bei entsprechendem Verdacht die
Nieren sorgfältig untersucht werden müssen.
Die Häufigkeit der bilateralen Nierenagenesie wird
mit 1 auf 40000 angegeben (12). Die bilaterale Nieren-
Abb. 14.14 Säugling, Doppelniere links mit dilatierter oberer agenesie ist mit dem postnatalen Leben unvereinbar, sie
Anlage mit Megaureter bei Ureterozele, echogene Reflexe im
führt zum Potter-Syndrom oder zur Potter-Sequenz mit
Hohlsystem.
Lungenhypoplasie (mit postnatalem Pneumothorax)
sowie den Stigmata des intrauterinen Fruchtwasser-
weiligen Kapiteln beschrieben. Nierenbeckendilatatio- mangels: Potter-Fazies, plumpe Hände, Klumpfüße und
nen der oberen Anlage müssen differenzialdiagnostisch Gelenkkontrakturen.
von Zysten abgegrenzt werden. Die einseitige Nierenagenesie hat eine Frequenz von
1:1000 in Autopsiestatistiken. Eine Familiarität scheint
belegt (59, 69). 9 % der Verwandten 1. Grades von Kin-
Nierenagenesie dern mit Nierenagenesie weisen Nierenanomalien auf
und 4,5 % einseitige (meist asymptomatische) Nieren-
Eine Nierenagenesie ist die Folge eines ausbleibenden agenesien. Dieser Prozentsatz liegt deutlich höher als
Kontakts zwischen Ureterknospe und metanephroge- die Prävalenz in der Normalbevölkerung.
nem Blastem. Bleibt die vorangeschaltete Entwicklung
einer urogenitalen Leiste ganz aus, so fehlen zusätzlich
zur Niere auch ipsilateral das Blasentrigonum, die Geni- Nierenhypoplasie und Nierendysplasie
talanlage und die Nebennieren.
Bei 10 % der Patienten mit Nierenagenesie fehlt ipsi- Definitionsgemäß versteht man unter einer Nierenhy-
lateral die Nebenniere. Somit sind verständlicherweise poplasie eine Niere, deren Größe unterhalb der doppel-
Nierenagenesie oder -dysplasie und Genitalfehlbildun- ten Standardabweichung des erwarteten Mittelwerts
gen assoziiert, und zwar abhängig davon, ob die Ent- liegt (12). Die Anzahl der Renkuli ist reduziert, es besteht
wicklungsstörung vor oder nach der Entwicklung der histologisch kein Hinweis für eine metanephrische Mal-
Wolff-Gänge eintritt. Bei Mädchen ist die Kombination differenzierung, wie sie bei der Dysplasie vorliegt.
von Nierenagenesie und Genitalfehlbildungen häufiger Sonographisch
als bei Knaben und wird mit ca. 70 % angegeben. g sind die Nieren klein
Die sonographische Diagnose einer Nierenagenesie g die Rindenechogenität und die kortikomedulläre
ist nicht unproblematisch. Gelingt der Nachweis einer Differenzierung entsprechen der Norm
Niere in der Fossa renalis nicht, so legt dies zwar den g die Zahl der Kelche und Pyramiden ist jedoch redu-
Verdacht auf eine Agenesie nahe, die weitere Diagnostik ziert
ist jedoch aufwendiger. Auch bei ausgedehnter Suche g bei Einseitigkeit besteht eine Hypertrophie der Ge-
können kleine Beckennieren oder thorakale Nieren dem genseite.
Ultraschall entgehen. Die kontralaterale Niere kann
eine Verschmelzungsniere sein und schließlich können Es sei aber an dieser Stelle betont, dass sonographisch
kleine dysplastische Nieren oder Schrumpfnieren als nur der Verdacht auf eine Hypoplasie geäußert werden
Folge und Endzustand nach einer kompletten Nierenge- kann. Eine histologische Verifizierung ist in der Regel
fäßthrombose kaum von der Umgebung abgrenzbar nicht indiziert. Eine Biopsie ist aufgrund der Kleinheit
sein. Man wird daher häufig auf andere bildgebende des Organs mit einem erhöhten Risiko behaftet.
Verfahren wie Röntgen- oder nuklearmedizinische Un- Postpyelonephritische Verkleinerungen der Niere
tersuchungen nicht verzichten können. 2 Fragen sind sind sonomorphologisch nicht immer von einer Hypo-
bei Verdacht auf einseitige Nierenagenesie von Bedeu- plasie zu unterscheiden.
tung: Sowohl die Nierendysplasie als auch die multizysti-
g Wie groß ist das Nierenvolumen? Postpartal sollte sche Nierendysplasie sind Folge einer abnormen Ent-
bei einseitiger Agenesie eine kompensatorische Hy- wicklung aufgrund einer anomalen Differenzierung des
pertrophie der Einzelniere bestehen. Bei nichthyper- metanephrischen Gewebes. Sowohl Nierenkortex als
trophierter Einzelniere muss die Prognose in Hin- auch Mark sind betroffen. Histologisch imponieren ver-
sicht auf die Funktionsentwicklung mit Zurückhal- minderte Verzweigungen der Ureterknospe mit variab-

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14 Niere

a b
Abb. 14.15a, b Einzelniere links, zystisch erweiterte Samen- a Blasentransversalschnitt.
blasenstrukturen retrovesikal. b Blasentransversalschnitt etwas nach kranial versetzt.

ler konsekutiver fehlender Nephroninduktion. Die Folge So liegt die Größe von dysplastischen Nieren ohne Zys-
kann die Ausbildung großer Zystenformationen sein ten deutlich unter der 3er-Perzentile (Abb. 14.16, 14.17).
(multizystische Dysplasie), die der Ureterknospenver- Sie müssen differenzialdiagnostisch von Schrumpfnie-
zweigung entstammen, sowie kleinerer Zysten, die sich ren verschiedenster Ursache abgegrenzt werden
von tubulären und glomerulären Strukturen ableiten. (Abb. 14.18). Dysplastische Nieren mit großen Zysten
Fibromuskuläre mesenchymale Zellen, Zilienepithe- dagegen imponieren klinisch schon im Säuglingsalter
lien und metaplastische Knorpelzonen gelten als typi- als großer palpabler Bauchtumor.
sche histologische Merkmale der Dysplasie. Der Ureter In der Ära der pränatalen Sonographie werden mul-
ist meist atretisch oder hochgradig stenosiert. Weniger tizystische Nierendysplasien meist pränatal diagnosti-
extreme Dysplasieformen (einfache Dysplasien), die nur ziert. Bei multizystischer Dysplasie bestehen die Nieren
die äußeren Kortexelemente betreffen, sind häufig bei aus einem Konglomerat von unterschiedlich vielen und
unterer Harntraktobstruktion anzutreffen, was darauf unterschiedlich großen Zysten (Abb. 14.19a, b).
hindeutet, dass die Differenzierungsstörung wesentlich Das sonographische Bild ist außerordentlich varia-
später nach der Fusion von Ureterknospe und meta- bel:
nephrogenem Blastem eintritt. Beispiele hierfür sind die g bisweilen gleicht es einem Traubenkonglomerat
Ureterabgangsstenose, die Nierenveränderungen bei g anstelle der Niere können aber auch nur eine
Urethralklappen, das Prune-Belly-Syndrom oder der pri- (Abb. 14.20a, b) oder wenige (Abb. 14.21) große Zys-
märe Reflux in Assoziation mit Nierendysplasie. ten zur Darstellung kommen
Sonographische Kriterien der Nierendysplasie: g ein Parenchymsaum fehlt
g hohe Echogenität g die Konturen sind lobulär
g fehlende oder stark reduzierte kortikomedulläre Dif- g die Zysten lassen sich nicht ineinander überführen.
ferenzierung
g die Größe der Niere variiert stark und ist abhängig
von der Zahl und Größe zystischer Elemente.

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Die Diagnose bereitet im klassischen Fall keine Schwie-
rigkeiten (Abb. 14.19), gelegentlich ist aber die Abgren-
zung zur Hydronephrose bei Ureterabgangsstenose
schwierig, zumal hier das Parenchym auch dysplastisch
und extrem rarefiziert sein kann, und aufgrund der
oben dargestellten embryologischen Entwicklung auch
zystische Elemente im Parenchym zu finden sind.
Bei der Hydronephrose
g liegt die größte „Zyste“ zentral (Abb. 14.1.22a)
g die ektatischen Kelche sind radiär herum angeordnet
g das Parenchym zwischen den Kelchen kann soweit
aufgebraucht sein, dass es dünn wie Septen er-
scheint (Abb. 14.22b)
Abb. 14.16 Echoreiche, deutlich verkleinerte Niere bei ei-
nem Säugling mit Nierenfunktionseinschränkung: Dysplasie.

Abb. 14.17 Angeborene Nierendysplasie, Dialysepflichtigkeit


im Alter von 6 Monaten, die freie Flüssigkeit entspricht Perito- Abb. 14.18 Als Gegenüberstellung zur Nierendysplasie: ver-
nealdialyseflüssigkeit. kleinerte Einzelniere rechts mit echoreicher Rinde. 3-jähriges
Mädchen, Zustand nach Nephrektomie links bei Neuroblas-
tom. Rechts Nierenrindennekrose nach längerer operationsbe-
dingter Ischämie.

a
Abb. 14.19a, b b Operationspräparat der multizystischen Niere.
a Multizystische Dysplasie. Das Parenchym zwischen den
Zysten ist echoreich und lässt keine normale Nierenstruktur er-
kennen.

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