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Code-Switching und Lateinisch

Häufiger Gebrauch konventioneller und Ad-hoc-Entlehnungen in deutscher Äußerung, was auch


gewisse funktionale Gründe hat: Zitatfunktion, Streben nach Deutlichkeit, bildhafte Wendungen,
die sprachspezifisch sind, Emotionalität und andere. Obwohl man das als einen Beleg für die
Mehrsprachigkeit der damaligen schreibenden Elite nehmen könnte, wird jedoch der Einfluss des
Lateinischen auf die deutsche Sprache vom 15. bis zum 17. Jh. umstritten.

Vor allem wird dabei oft der Einfluss auf die deutschen Satzbaumuster angegeben, wie
etwa die Klauseltechnik (rhythmische Satzschluss) und der Schachtelsatz. Eben diese Satzmuster
traten zuerst in der Kanzleisprache (amtliches und höfisches Idiom) auf, der sehr nahe dem
Lateinischen stand. Ferner wird auch der Einfluss auf die Verbendstellung in Nebensätzen sowie
die Nebensatzklammer angenommen. Letzten Endes hielt man das aber nicht als besonders
plausibel, da Lateinisch eine ziemlich freie Wortfolge hat und die Verbendstellung keineswegs
eine Regel wie beispielsweise im Deutschen ist. Daher ist man eher der Meinung, dass die zuvor
genannten Merkmale nicht direkt aus dem lateinischen entnommen wurden, sondern dass alleine
der Sprachkontakt eine Beschleunigung der Tendenzen bewirkte, für die man sagen könnte, dass
sie dem deutschen Sprachsystem gewissermaßen inhärent sind.

Zu den Strukturen, die durch diesen Sprachkontakt zu erklären sind, zählen in erster Linie
so genannte afinite Konstruktionen („Nebensätze“, in denen das finite Hilfs- oder Modalverb
weggelassen ist, meist weil gleiche Verben an der Satzgrenze beieinander erscheinen):

Als Doct. Faustus dem Keyser sein Begeren / wie gemeldet / erfuellet [hat] / hat er sich
Abendts / nach dem man gen Hof zu Tisch geblasen [hat] / auff eine Zinne gelegt / das
Hofgesind auß vnd eingehen zu sehen.

Hier dienen afinite Konstruktionen in erster Linie als Mittel syntaktischer Integration und
stehen sehr nahe den Partizipialkonstruktionen des Lateinischen, in denen das finite Verb ebenfalls
nicht vorhanden ist. Wie bereits vorher erwähnt wurde, handelt es sich hier nicht um eine direkte
Übernahme, sondern eher um eine analoge oder Replika-Konstruktion nach dem Muster des
Lateinischen. Diese afiniten Konstruktionen wurden zuerst von der Kanzleisprache aufgegriffen,
doch mit der Zeit – über das 16. und 17. Jh. – wurden sie auch typisch für Geschäftsbriefe und alle
anderen Textsorten.
Im weiteren Sinne kam es auch zur Nachahmung stilistisch-rhetorischer Mittel, wobei man
mit autochthonen deutschsprachigen Mitteln das Humanistenlatein nachahmte. Dies spiegelte sich
in der Verschachtelung der Sätze wieder, die immer komplexer wurde, so dass man sogar von
einer gewissen Virtuosität sprechen könnte.

Französisch – Sprache der Höfe

Nach dem Ende des Humanismus und der Renaissance wird der Einfluss des Lateinischen durch
den des Französischen ersetzt, insbesondere nach dem 30jährigen Krieg, als Frankreich eine der
führenden Nationen Europas war. Dementsprechend richteten sich Adel und gehobenes Bürgertum
nach den Konventionen von Paris und des französischen Hofes, sodass auch die Französisch den
Status einer gewissen Prestigesprache oder Sprache des Hofes erwarb. Dies führte auch zu
Voltaires Aussage: Man spricht nur unsere Sprache. Das Deutsche ist für Soldaten und die Pferde.

Wie es für Sprachkontakte üblich ist, kam es auch zu einer ganzen Reihe von Lehnwörtern
im Deutschen:

Mode: Mode, Kostüm, Weste, Parfüm, frisieren, Perücke


Küche: Omelette, Ragout, Torte, Serviette, Tasse
Wohnkultur: Balkon, Salon, Hotel, Gardine, Sofa, Büffet
Gesellschaftsleben: Maskerade, Billard, Karussell, Promenade
Adjektive: galant, charmant, curiös, nobel, nett, interessant
Verben: amüsieren, spendieren, parlieren, maskieren

Hier muss man jedoch betonen, dass man einigermaßen wählerisch hinsichtlich der
Bedeutung der Lehnwörter war im Sinne, dass man nur einige Gebrauchskontexte übernahm.

Karriere: beruflicher Aufstieg (nicht Fahrt, Bahn)

Durch Soldaten, Händler und Reisende zu Kriegszeiten gelang das Französische auch in
die unteren Schichten der Gesellschaft und damit auch in unterschiedliche Mundarten (Berlinisch
Budike = Geschäft).

Zudem wurde auch der Grundwortschatz des Deutschen betroffen, wie man es am Beispiel
der Verwandtschaftsbezeichnungen illustrieren kann. Die ursprünglichen deutschen Begriffe
wurden dabei schlichtweg verdrängt, wie im Beispiel von Onkel-Vetter/Oheim (Vater- und
Mutterbruder) oder Tante-Base/Muhme (Vater- und Mutterschwester). Dies ist jedoch auch mit
einem soziokulturellen Wandel, bzw. mit der Auflösung des alten Verwandtschaftssystems
verbunden.

Trotz des heftigen Einflusses des Französischen ist ungefähr die Hälfte der übernommenen
Wörter wieder verschwunden, teilweise weil der übertriebene Gebrauch auch von den
Zeitgenossen kritisiert wurde.

Vom Wortschatz abgesehen gab es jedoch langfristige Einflüsse auf die deutsche Morphologie:

1. s-Plural, das zusammen mit französischen Substantiven entlehnt und darauf isoliert und
grammatikalisiert wurde
2. Konfixe – Morpheme, die keine selbstständigen Grundmorpheme sind, aber die als eine
Basis bei der Wortbildung dienen können

thermo-, phil-, -meter, -graph, -log (Philantropin und Philantropist)

Konfixbildung heute üblich für Fachsprachen sowie für den wissenschaftlichen Diskurs
(griechischer Stamm der Morpheme).

3. Von+Dativ-Kontruktion, die anstelle des possessiven Genitivs erschienen kann


Das Auto von meinem Freund / Das Auto meines Freundes

Mit der Zeit verbreitete sich Französisch auch unter den unteren Schichten, so dass es nicht
nur eine Diplomaten- und Gelehrtensprache war, sondern auch die Sprache des gesellschaftlichen
Umgangs. Obwohl die deutsch-französische Zweisprachigkeit immer ausgeprägter wurde, war das
Französische selbst gewissermaßen an bestimmte Gebrauchskontexte gebunden war. Ähnlich wie
im Falle von Lateinischen handelt es sich hier wiederum um einer Art von Code-Switching, wie
man am Beispiel der Briefkonvention sehen kann.

Im selben Kontext diente das Französische zur Lockerung des damaligen Kanzleistils der
deutschen Sprache.

Englisch

Somit kommen wir zum Englischen, das bereits im 17. und 18. Jh. das Deutsche beeinflusste,
insbesondere auf literarischer Ebene. Der Einfluss verstärkte sich natürlich im 19. Jh. Im Laufe
der Industriellen Revolution, wobei England ein gewisses Vorbild in der Industrie, im Handel
sowie im Verkehrs- und Pressewesen war. Demzufolge kam es auch zur Entlehnung des
entsprechenden Wortschatzes (Trust, Partner, Tunnel, Waggon, Express, Essay, Reporter,
Interview). Zu Beginn des 20. Jh. verdrängte Englisch das Französische als Konventionssprache
bis es selbst wieder während des WWI und der puristischen Nazizeit zurückgedrängt wurde. Nach
dem WWII war in erster Linie der angloamerikanische anstatt des britischen Einflusses bemerkbar
und dieser umfasste alle gesellschaftlichen Schichten.

Dabei wurden Lehnwörter aus dem Englischen nur auf morphologischer Ebene integriert
und wurden nicht dem deutschen Laut- und Schriftsystem angepasst. Viele Lehnwörter treten
dabei als sogenannte Luxuslehnwörter auf, die aus Prestigegründen verwendet werden:

Drink (alkoholisches Getränk), Hit (erfolgreicher Schlager), Meeting (geschäftliche


Zusammenkunft), Bike (Fahrrad)

Andere Lehnwörter vermitteln wiederum nur einen Gefühlswert, wie etwa Baby, das nicht
in der Amtssprache vorkommt (Säugling, Kleinkind).

Zudem gibt es auch einen Bedeutungstransfer auf einheimisches Wortmaterial, wobei die
Bedeutung deutscher Wörter erweitert wird.

buchen – to book
ins Rechnungsbuch eintragen; einen Platz bestellen
realisieren – to realize
verwirklichen; einsehen
sinnvoll sein – Sinn machen (to make sense)

Sprach- und Kulturkontakt – Lateinisch, Französisch und Englisch stehen im Mittelpunkt

Größter Einfluss auf dem Gebiet des Lexikons – Entlehnung neuer Wörter; Verschwinden
überflüssiger Lehnwörter

Einfluss der Zweisprachigkeit auf etliche Stils

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