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Vorgeschichte: Die Böhmischen Brüder

Nach der Verbrennung des bedeutenden böhmischen Reformators Jan Hus auf dem Konzil von
Konstanz im Jahre 1415 spalteten sich die nach ihm benannten Hussiten in zwei Parteien, die
pragmatischen Utraquisten und die radikalen Taboriten. Zunächst konnten sich diese
reformatorischen Gruppen mit der damals üblichen Fremdbezeichnung Böhmische Brüder, bzw. der
Eigenbezeichnung Unitas Fratrum (Brüder-Unität), behaupten. Jedoch versuchte die böhmisch-
luxemburgische Königsdynastie, die Hussiten aus Kirchen- und Staatsämtern auszuschließen, was zu
heftigen Unruhen führte und schließlich mit der Kreuzzugsbulle von Papst Martin V. vom März 1420
dann in die Hussitenkriege mündete. Während dieser in Böhmen und den angrenzenden Ländern
wütenden Kämpfe gegen die Katholiken entbrannte auch ein jahrelanger gewalttätiger Kampf unter
den beiden hussitischen Gruppen.

Der Prediger und Theologe Petr Chelčický war ein Anhänger von Jan Hus. Nach dessen Tod zerstritt er
sich theologisch mit Hus' Nachfolger als Prediger an der Bethlehemskapelle in Prag, dem Utraquisten
Jakobellus von Mies, der die These vertrat, dass man das Gotteswort rechtens auch mit dem Schwert
verteidigen dürfe. Diese These nahmen auch die Taboriten an und begründeten damit ihre
militaristischen Züge. Petr Chelčický jedoch lehnte jede Gewalt ab. Seit 1420 zurückgezogen auf
seinem Gut in Südböhmen lebend, entwickelte Chelčický in diversen Traktaten und Abhandlungen in
alttschechischer Sprache, beeinflusst von John Wyclif (1330–1384), eine radikal pazifistische Vision
des Christentums, er erstrebte eine Rückkehr zum Urchristentum, postulierte die Gleichheit aller
Christen, rief zu freiwilliger Armut auf, lehnte das Mönchstum ab, sprach sich gegen die Wehrpflicht
aus und lehnte den Eid ab. Er kritisierte die damalige ständische Gesellschaftsordnung der
Grundherrschaft und Erbuntertänigkeit. König Georg von Podiebrad übergab seiner Anhängerschaft,
den Petr Chelčický-Brüdern, 1457 das Gut Kunwald als Wohnsitz. Trotz mancher Verfolgung wuchs
die Zahl der Anhänger weiter an, sodass diese sich 1467 eine Ordnung mit Priestern und einem
Bischof gaben. Gegen die Vertreter der strengen Grundsätze (die Kleine Partei) richtete sich bald eine
Gruppe, die mildere Elemente einführen wollte, die sogenannte Große Partei oder Brüderunität
(Unitas fratrum). Statt eines Bischofs bestand die oberste Leitung der Bruderunität aus einem Rat
von vier Senioren. Später wurden sie u. a. von ihrem ersten Bischof, dem berühmten
Schulpädagogen Johann Amos Comenius (1592–1670), geprägt. Die Kleine Partei existierte noch
etwa 50 Jahre neben der Brüderunität. Martin Luther, der mehrfach mit dieser verhandelte, konnte
sie aber nicht auf seine Seite ziehen, da sie auf dem Zölibat des Klerus, den sieben Sakramenten und
der eucharistischen Lehre nach katholischem Glauben und apostolischer Tradition bestand.

Mit der Confessio Bohemica im Jahr 1575 wurde ein Vergleich der Brüder mit den Lutheranern, den
Reformierten und den Calixtinern erreicht. Aufgrund dessen stellte Kaiser Rudolf II. 1609 den
Majestätsbrief aus. Während des 1618 ausgebrochenen Dreißigjährigen Krieges wurden die Brüder in
Böhmen fast vollständig vernichtet, sie konnten sich nur noch heimlich versammeln. Ihr Bischof
Johann Amos Comenius musste 1628 seine Heimat verlassen. Die Brüder ließen sich unter anderem
im polnischen Lissa, und im Königreich Ungarn (im heute slowakischen Skalica und Púchov) nieder.

Jan Hus (1369–1415)


Petr Chelčický (ca. 1390–1460)

Johann Amos Comenius (1592–1670)

Entwicklung der Herrnhuter Brüdergemeine

Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf

Infolge der Gegenreformation Anfang des 18. Jahrhunderts kamen ab 1722 Böhmische Brüder
überwiegend aus Mähren auf das Gut von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700–1760) im
Oberlausitzer Ort Berthelsdorf. Außerhalb des Dorfes gründeten sie die Siedlung Herrnhut. Graf
Zinzendorf errichtete sich dort 1725–27 ein auch als „Herrschaftshaus“ bezeichnetes Palais
Zinzendorf sowie 1730 bis 1746 den Vogtshof, der ab 1756 als Sitz der Schirmvogtei (des
Direktoriums) der Brüder-Unität diente. 1736 kam es zur Verbannung Zinzendorfs aus dem
Kurfürstentum Sachsen, da seine Brüdergemeine der lutherischen Orthodoxie zu selbständig
geworden war und als Bedrohung der einheitlichen Landeskirche angesehen wurde. 1737 zogen
einige Brüder weiter nach Böhmisch-Rixdorf bei Berlin. Zinzendorf fand Asyl bei den Grafen zu
Ysenburg und Büdingen auf der Burg Ronneburg in der Wetterau und gründete dort die Gemeinden
Marienborn (Grafschaft Ysenburg-Büdingen-Meerholz) und Herrnhaag (1738; Grafschaft Ysenburg-
Büdingen-Büdingen). 1737 wurde er durch den reformierten Hofprediger Daniel Ernst Jablonski in
Berlin, der zugleich Bischof der polnischen Brüder-Unität war, zum Brüderbischof ordiniert. Die
polnische Unität war durch Sukzession mit der alten böhmisch-mährischen verbunden, deren eigene
Bischofssukzession über Johann Amos Comenius hinaus nicht fortgesetzt werden konnte.

Nach dem Tod Zinzendorfs näherten sich die Brüdergemeinen der herkömmlichen lutherischen
Theologie etwas an, wissen sich aber gleichwohl auch mit allen anderen „Kindern Gottes“ weiterhin
im gemeinsamen Herzensglauben verbunden, über alle Konfessionsgrenzen hinweg. Sie bekennen
sich seither zur Confessio Augustana als ihrem Bekenntnis.

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