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vorgelegt von
Sven Golob, B.A.
deutsch-französischer Masterstudiengang Politikwissenschaft
Sommersemester 2010
KU Eichstätt-Ingolstadt
Der Film „The Mission“ des britischen Regisseurs Roland Joffé aus dem Jahr 1986
thematisiert ein Kapitel der lateinamerikanischen Geschichte, das entscheidend sein
sollte für die weitere Entwicklung der Staaten auf dem südamerikanischen Kontinent.
Die Jesuitenreduktionen, die zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert in den
spanischen Siedlungsgebieten entstanden, werden hier kurz vor ihrer Auflösung
gezeigt – als Horte eines Paradieses auf Erden, einer Wirklichkeit gewordenen Utopie
von der „sanften“ Kolonialisierung und dem Heldentum einiger Priester, die sich dem
Ränkespiel der Großmächte Portugal, Spanien und Vatikan entgegenstellen und
dafür nicht nur mit ihrem Leben, aber auch und vor allem mit ihrem Lebenswerk
bezahlen müssen.
Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die Reduktionen der Jesuiten und ihre
interne Organisation tatsächlich ausschließlich von christlicher Nächstenliebe und
einem vor–sozialistischen Menschen- und Gesellschaftsideal geprägt waren.
Vielmehr stellten sie eine politische Machtdemonstration dar, die auch ihren
Niedergang – analog zum Niedergang der Societas Iesu – zur Folge hatte.
Unmittelbar nach der Errichtung der ersten Reduktionen im Gebiet der Guaraní um
1611 begannen ständige Auseinandersetzung mit portugisieischen Söldnern, den so
genannten Paulistas, die mit Hilfe von den Guaraní feindlich gesinnten Indios die
Bewohner der Reducciones zu versklaven.
Daher stellten die Reduktionen alsbald eigene paramilitärische Schutzgruppen auf,
vor allem mit Indio-Kriegern – vordergründig um sich gegen die Übergriffe wehren
zu können. Man kann nun aber aufgrund der geographischen Lage der Reduktionen
mutmaßen, dass die Jesuitenmissionen aufgrund ihrer strategisch wichtigen
Positionierung auch aus politischen Gründen eine gewisse Aufrüstung erfuhren.
Denn entlang der Linie, die die Reduktionen bildeten, verlief nach römischem Recht
ebenfalls die Grenze der spanischen Besitzungen. Somit waren die Reduktionen auch
ein politischer Spielball in den Händen der Großmächte Portugal und Spanien.
Während die Portugiesen versuchten, ihren Herrschaftsbereich gen Westen
auszudehnen, wollten die Spanier den Grenzverlauf auf der Basis der Verträge von
Tordesillas (1494) und Saragosa (1529) unbedingt sichern. Dabei waren die
Reduktionen den Spaniern ein nützliches Mittel, um ihren Einflussbereich mittels
oben genanntem Rechtsprinzip „uti possidetis, ita possideatis“ physisch geltend zu
machen. Mit den para-militärischen Einheiten innerhalb der Reduktionen standen
geschätzte 10.000 Mann unter Waffen entlang der Grenze zwischen dem
portugiesischen und dem spanischen Teil Lateinamerikas. Diese Tatsache weist auf
die militärische Bedeutung der Reduktionen hin. Oberstes Ziel der Portugiesen
musste es also sein, die Societas Iesu vor allem politisch zu diskreditieren und
gleichzeitig eine Revision der Verträge von Tordesillas und Saragosa zu erreichen.
Dies gelang dann mit dem Vertrag von Madrid, der zwischen König Ferdinand VI.
von Spanien und König Johann V. von Portugal am 13. Januar 1750 geschlossen
wurde. Die Grenzen zwischen den Kolonien der beiden Monarchien in Südamerika
wurden in diesem Vertrag neu definiert und er ersetzte ältere Dokumente, mit denen
die Grenzen portugiesischer und spanischer Kolonialgebiete in Amerika abgegrenzt
worden waren, namentlich die päpstliche Bulle Inter caetera 1493, den Vertrag von
Tordesillas 1494, den Vertrag von Saragossa 1529, den provisorischen Vertrag von
Lissabon 1681 und den Frieden von Utrecht 1715.
Bis dato durften die portugiesischen Besitzungen nicht weiter als bis zum 46.
Meridian reichen, der Vertrag von Madrid erlaubte aber eine große Expansion
portugiesischer Territorien. Er beruhte auf dem bereits erwähnten Prinzip „uti
possidetis, ita possideatis“ (= demjenigen, der das Besitzrecht ausüben will, muss es
auch gehören).
Als Ergebnis des Vertrages übergab Portugal Spanien Colonia del Sacramento (Art.
XIII) und erhielt im Gegenzug die südlichen Territorien an der Quelle des Río Ibicuí,
die Missionen, das Grenzrecht am Rio Guaporé und überließ ihnen die westlichen
Territorien des Japurá-Flusses in der Amazonas-Region und die Flussschifffahrt auf
dem Río Içá (Art. XIV). Im Kriegsfall zwischen den beiden Staaten Spanien und
Portugal in Europa sollten die Kolonien in Südamerika im Frieden bleiben (Art. XXI).
Die Bewohner der Reducciones konnten sich entweder der portugiesischen Krone
unterwerfen oder in spanisches Gebiet umsiedeln, sollten aber in jedem Falle
jegliches Besitzrecht auf Güter in den Reduktionen verzichten.
Mit der Unterzeichnung des Vertrages und der Anerkennung des Dokuments durch
den Vatikan – was auch von Joffés Film thematisiert wurde – verloren die Jesuiten
letztlich sämtliche Güter im Bereich der Reduktionen und Spanien damit eine
wichtige Grenze zu den portugiesischen Konkurrenten.
Die politische Ausgrenzung, der sich die SJ im 18. Jahrhundert ausgesetzt sah, war
eine Folge der harschen Opposition innerhalb der Höfe Europas und auch im
Vatikan. Die nun mehr absolutistischen Herrscher Europas sahen durch die
Ausklammerung der Jesuiten aus den staatskirchlichen Organisationsstrukturen eine
Gefahr in der möglichen Einflußnahme durch den Vatikan. Dieser wiederum musste
sich dem wachsenden Druck durch die weltlichen Fürsten beugen und der internen,
durch andere Orden geäußerten Kritik nachgeben. Die Diskreditierung der Jesuiten
war demnach die einer politischen Macht durch andere politische Akteure vor dem
Hintergrund der Kolonialpolitik der Global Player Portugal und Spanien.
MARZAL, Manuel M. (1992): „La utopia posible: Brasil, Perú, Paraguay y Nuevo
Reino.“ Lima.