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KOSMOS: Eine etymologisch-wortgeschichtliche Untersuchung

Author(s): Claus Haebler


Source: Archiv für Begriffsgeschichte, Vol. 11 (1967), pp. 101-118
Published by: Felix Meiner Verlag GmbH
Stable URL: http://www.jstor.org/stable/24357429
Accessed: 12-10-2016 23:05 UTC

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Claus Haebler

KOSMOS

Eine etymologisdi-wortgesdiiditliche Untersuchung :

1.

Wenn wir heute im Deutschen das Wort Kosmos verwenden, dann ge


schieht es im allgemeinen in dem Sinne, in dem es sich durch Alexander von
Humboldts ,Kosmos, Entwurf einer physischen Weltbeschreibung' (1845 bis
62) im deutschen Sprachgebrauch eingebürgert hat: im Sinne von ,Weltall',
,Universum', insbesondere insofern die dem Kosmos immanente Ordnung
mitverstanden wird, als ,Weltordnung'.
Kosmos als philosophischer Begriff hat eine Geschichte, die in fast
ungebrochener Kontinuität bis auf die griechischen Naturphilosophen
des 6. Jahrhunderts v. Chr. zurückreicht. W. Kranz, der gerade diesen Den
kern seine Aufmerksamkeit gewidmet hat, kommt das Verdienst zu, auch
die Entwicklung des Kosmos-Begriffes in einer weitgespannten Synthese
herausgearbeitet zu haben 1. In seiner Darstellung, die einen Zeitraum von
mehr als zweieinhalb Jahrtausenden umgreift, hat er nicht nur die zahl
reichen bisher gewonnenen Einzelergebnisse zu einem Gesamtbild gestaltet,
sondern vor allem auch gezeigt, welch zentrale Bedeutung der Begriff
Kosmos in der Geschichte des abendländischen Denkens einnimmt, und daß
uns hier ein ,Schlüsselwort' der europäischen Geistesgeschichte vorliegt.
Es ist das Schicksal einer jeden solchen Gesamtschau, daß sie im Fortgang
der Forschung durch neue Einzeluntersuchungen berichtigt oder ergänzt

* Nachstehenden Ausführungen liegt das Manuskript eines Vortrages zugrunde, den ich
am 8. Juni 1967 vor der Philosophischen Fakultät der Universität Münster gehalten habe.
In ihnen sind die vorläufigen Ergebnisse einer noch nicht abgeschlossenen etymologisch
wortgeschichtlichen Untersuchung verwertet, die in der .Zeitschrift für vergleichende
Sprachforschung' veröffentlicht werden soll. Im Hinblick darauf ist hier davon abgesehen,
die zahlreichen Detailfragen, die sich erheben, ausführlicher zu erörtern.
1 Kosmos, Archiv für Begriffsgeschichte 2, 1955, S. 5—282.

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wird, wo sie der Kritik nicht standhält oder Lücken aufweist. Zu den
Fragenkomplexen, deren Klärung bislang nur teilweise gelungen ist, gehört
die Vor- und Frühgeschichte des Wortes κόσμος. Dieses Problem ist es, dem
ich mich hier zuwende. Es läßt sich in zwei Einzelfragen scheiden, nämlich:
(1) Was bedeutet das Wort κόσμος und wie wird es verwendet, ehe es von
den vorsokratischen Philosophen aus dem allgemeinen Sprachgebraudi
übernommen wird? (2) Was läßt sich über die Herkunft, d. h. die Bildung
und die ursprüngliche Bedeutung (Grundbedeutung), des Wortes κόσμος aus
machen?
Kranz' Darstellung 2 sind zwei Untersuchungen gefolgt, die durch sorg
fältige Diskussion des Belegmaterials die Kenntnis der Frühgeschichte des
Wortes ganz erheblich gefördert haben: H. Dillers Studie3 ,Der vor
philosophische Gebrauch von κόσμος und κοσμεΐν' und J. Kerschensteiners
Beitrag 4 ,Kosmos im griechischen Sprachgebrauch'.
Dagegen ist die Vorgeschichte des Wortes, d. h. seine Etymologie, nach
wie vor in Dunkel gehüllt. Eine geistvolle Kombination, die W. Schulze
vor mehr als sechzig Jahren geäußert hat5, findet sich zwar auch heute
noch oft zitiert und wird u. a. auch von Kranz angenommen und seiner
Darstellung zugrundegelegt6. Die Etymologen selbst jedoch sind nicht
davon überzeugt, daß für κόσμος die zutreffende Deutung gefunden sei.
J. B. Hofmann bekennt ohne Umschweife, daß die Herkunft des Wortes
unklar sei 7, und H. Frisk, der die verschiedenen Deutungsversuche namhaft
macht, stellt resignierend fest, daß eine befriedigende Erklärung noch aus
stehe 8.
Geht es mir für die Frühgeschichte des Wortes im wesentlichen darum,
bisher erarbeitete Ergebnisse kritisch zu referieren, so glaube ich, für die
Vorgeschichte des Wortes zeigen zu können, daß bisher nicht erkanntes
außer- und innergriechisches Material an eine sehr wahrscheinliche Lösung
führt. Abschließend soll deutlich gemacht werden, wie sich die aus etymo
logischen Erwägungen gewonnenen Einsichten für die Wortgeschichte nutz
bar machen lassen.

2 Ebd. S. 8—11.
* Festschrift Bruno Snell zum 60. Geburtstag, München 1956, S. 47—60.
4 Kosmos, Quellenkritische Untersuchungen zu den Vorsokratikern, München 1962
(= Zetemata 30), S. 4—24.
5 Göttingische Gelehrte Anzeigen 1896, S. 235 — Kleine Schriften, Göttingen 1933,
S. 698.
• Kosmos S. 8.
7 Etymologisches Wörterbuch des Griechischen, München 1950, S. 156.
8 Griechisches etymologisches Wörterbuch, Bd. I, Heidelberg 1960, S. 929.

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2.

Zunächst sei versucht, über den Sprachgebrauch des Wortes κόσμος


in den ältesten griechischen Sprachdenkmälern einen knappen Überblick
zu geben. Dabei soll unser Augenmerk darauf gerichtet sein, die verschie
denen Bedeutungs- und Verwendungsbereiche etwas schärfer herauszu
heben, als dies in den Arbeiten Dillers und Kerschensteiners geschehen
ist. Die epische Literatur und die frühe Lyrik, dazu einige alte Dialekt
inschriften, bieten an die 100 Belege für κόσμος und seine Ableitungen:
άκοσμος, εύκοσμος, κοσμεΐν, άπο-, δια-, έγ-, κατα-κοσμεΐν, κοσμητός, εύκόσμη
τος und κοσμήτωρ, darunter allerdings zahlreiche formelhafte Wendungen
wie κόσμφ, κατά κόσμον, ού κατά κόσμον u. ä. Der Erwähnung wert ist auch
die negative Feststellung, daß die frühgriechischen Lineartafeln, soweit sie
bisher erschlossen sind, kein Zeugnis für κόσμος zu enthalten scheinen.
Klar faßbar und hinlänglich bekannt ist die Bedeutung, die das Verbum
κοσμεΐν samt Komposita im Epos hat. Sie weist eindeutig in den militä
rischen Bereich.
Es bezeichnet die Tätigkeit des Heerführers, wenn er durch seine An
weisungen — man könnte geradezu sagen: Kommandos — eine geordnete
Aufstellung der Mannschaften herstellt, so Ξ 388 Τρώας δ' αύθ' ετέρωθεν
έκόσμει φαίδιμος "Εκτωρ oder Β 554 κοσμήσαι ίππους τε και άνέρας άσπιδιώ
τας. In diesen Zusammenhang gehört auch κοσμήτωρ in der Verbindung κοσ
μήτορε λαών, wie A 16 und 375 die Atriden, Γ 236 die Dioskuren heißen.
Das Medio-Passivum benennt die Tätigkeit der Krieger, die sich auf
Grund der erteilten Anweisung zum κόσμος formieren, d. h. sich in ,Reih
und Glied', in gegliederter Ordnung' aufstellen, so Γ 1 αύτάρ έπεί κόσμηθεν
αμ' ήγεμόνεσσιν έκαστοι. Dabei wird die Gliederung in Reihen zahlenmäßig
präzis bestimmt, so M 87 πένταχα κοσμηθέντες αμ' ήγεμόνεσσιν εποντο. Soll
das Moment der Gliederung noch ausdrücklich hervorgehoben werden, so
steht διακοσμεΐν, ζ. Β. Β 126 ημείς δ' ές δεκάδας διακοσμηθεΐμεν 'Αχαιοί oder
Β 655 οι 'Ρόδον άμφενέμοντο δια τρίχα κοσμηθέντες.
Mustern wir das Belegmaterial für κόσμος, so fallen unter den formelhaf
ten Wendungen zunächst diejenigen auf, die — wie das Verbum κοσμεΐν —
ebenfalls auf die gegliederte Ordnung des Heeres weisen, ζ. Β. Λ 48, wo
dem Wagenlenker aufgetragen wird, ίππους ευ κατά κόσμον έρυκέμεν αυθ' επί
τάφρφ oder — negativ — M 225 ού κόσμφ παρά ναΰφιν έλευσόμεθ' αυτά
κέλευθα.
Das Moment der gegliederten Ordnung ist aber auch in solchen Wendun
gen deutlich, die in anderen Kontexten stehen, sich bald auf Personen bzw.
eine Personengruppe, sich bald auch auf Dinge beziehen, wie ν 76/77 τοί

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δέ καθίζον επί κληΐσιν έκαστοι | κόσμφ oder Κ 472/73, wo neben den schla
fenden Leuten des Rhesos die Waffen liegen ευ κατά κόσμον | τριστοιχί. Ganz
ähnlich ist das Adjektiv κοσμητός verwendet, wenn η 127 von den κοσμηταί
πρασιαί, den ,in regelmäßiger Ordnung angelegten Gartenbeeten', die Rede
ist.
Die große Masse der Belege freilich, die κόσμος in formelhafter Verwen
dung zeigen, läßt jedoch keinen Zweifel daran, daß das Wort nicht in spe
zielle Kontexte gebunden ist, sondern κατά κόσμον ganz allgemein ,ord
nungsgemäß', ,gebührend', οΰ κατά κόσμον ,ungebührlich' heißt, so exempla
risch etwa Ω 622, wo von der Schlachtung eines Widders erzählt wird
εταροι δ' εδερόν τε και αμφεπον ευ κατά κόσμον oder Β 213/214 in der Thersi
tes-Szene δς ρ' επεα φρεσίν ησιν ακοσμά τε πολλά τε ηδη, | μάψ, άτάρ ου κατά
κόσμον, έριζέμεναι βασιλεΰσιν oder schließlich bei Hipponax 77 D δς εσθίει
ου κατά κόσμον.
Nur scheinbar ganz abseits von diesen Verwendungsbereichen stehen
κοσμίδ und κόσμος (Plur. κόσμοι) in den kretischen Inschriften des 6. und
5. Jahrhunderts. Κόσμος bzw. κόσμοι bezeichnet hier — wie auch durch
die spätere literarische Uberlieferung gesichert ist — den höchsten Beamten
bzw. das höchste Beamtengremium in kretischen Städten, vor allem im
alten Gortys. Es ist auffällig, daß das Wort hier eine Person bzw. eine
Personengruppe bezeichnet. M. Leumann hat zu zeigen versucht9, daß das
kret. κόσμος vom Verbum κοσμίο aus rückgebildet sei nach Mustern wie
στρατάγός zu στρατάγέω. Wie dem auch sei, wichtig ist in diesem Zusammen
hang eine sachliche Feststellung, die durch die Interpretation der Inschriften
texte ermöglicht wird, z. B. die große Rechtsinschrift von Gortys (Inscr.
Cret. IV 72) V 4—6 α j ι δκ' ό Αίθ[α]λευ(ς) σταρτός έκόσ | μιον οί συν
Κΰ[λ]λδι. Darnach gehen der κόσμος bzw. die κόσμοι aus dem σταρτός, d. h.
der gesamten wehrfähigen Mannschaft einer Phyle, hervor. Obwohl das
Wort hier in der Sphäre des politisch-administrativen Lebens erscheint, ist
seine Beziehung zum militärischen Bereich durchsichtig.
Diesem Befund stehen die ganz wenigen Belege des Epos und der epischen
Tradition gegenüber, die sich nicht auf den ersten Blick in das bisherige
Bild einzufügen scheinen.
So etwa hören wir Ξ 187 — am Schlüsse der Szene, in der geschildert
wird, wie Hera sich für Zeus zurechtmacht: sich reinigt und salbt, ihr Haar
kämmt, ein von Athena gewebtes Kleid antut usw. — αυτάρ έπεί δή πάντα
περί χροΐ θήκατο κόσμον. Kerschensteiner folgend fasse ich hier κόσμος

• Homerische Wörter, Basel 1950 (= Schweizerische Beiträge zur Altertumswissenschaft


3), S. 245.

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als die gegliederte Ordnung', die Ergebnis all der aufgezählten Einzelvor
gänge ist und nun an einer Person — Hera — sichtbar wird. In dieser Be
deutung findet sich κόσμος auch Δ 145, wo es vom Backenstück eines Pferde
geschirrs heißt κόσμος θ' ΐππφ έλατήρί τε κΰδος.
Ein spezieller Verwendungsbereich liegt vor, wenn in der epischen Tra
dition vom κόσμος έπέων gesprochen wird. Auch da ist die gegliederte Ord
nung', die sich in der kunstvolll geformten Rede wahrnehmen läßt, gemeint,
ζ. B. wenn Demokrit Β 21 von Homer sagt έπέων κόσμον έτεκτήνατο παν
τοίων oder Solon 2, 2 κόσμον έπέων φδήν άντ' άγορής θέμενος.
In einem Vers, der zum alten Bestand der Orpheus-Uberlieferung zu
rechnen ist, steht κόσμος άοιδής (14 Kern). Den verbalen Ausdruck κοσμεΐν
άοιδήν ,einen κόσμος άοιδής schaffen' lesen wir im Dionysos-Hymnus 59
... γλυκερήν κοσμήσαι άοιδήν. Und in diesen Zusammenhang gehört m. E.
auch die vieldiskutierte Stelle θ 492/93, wo Odysseus den Demodokos auf
fordert, ίππου κόσμον αεισον | δουρατέου. Während Diller an „die besondere
Ordnung, die dem Trojanischen Pferd zu seinem besonderen Zweck gege
ben wurde" denkt10, entscheidet sich Kerschensteiner dafür, daß „die
tektonische Zusammenfügung zu einem Bauwerk" gemeint sein. Dem
gegenüber bleibt zu erwägen, ob κόσμον άείδειν nicht prägnant heißt ,einen
κόσμος άοιδής singen', an dieser Stelle also „den κόσμος άοιδής vom Hölzer
nen Pferde singen" 12.
Die Erörterung des Belegmaterials, das hier nur an ausgewählten Bei
spielen vorgeführt werden konnte, gestattet folgende für unser Anliegen
wesentliche Feststellungen: (1) Das Verbum κοσμεΐν wird innerhalb des
militärischen Bereichs verwendet und bezeichnet das,Anordnen',,Anweisen',
die Tätigkeit des Heerführers oder einer anderen rangmäßig ausgezeichne
ten Person, die bezweckt, daß sich die Mannschaften in gegliederter Ord
nung formieren. Das kret. κοσμίο ,fungiere als κόσμος' wird im politisch
administrativen Bereich verwendet, läßt aber seine Beziehungen zur Sphäre
des militärischen Lebens deutlich erkennen. (2) Das Substantivum κόσμος
bezeichnet den Zustand gegliederter Ordnung', wie er sich an einer Per
sonengruppe, etwa den Mannschaften des Heeres, an einer einzelnen Person,
an Dingen, an Erscheinungen wie etwa der gesprochenen Rede, wahrnehmen
läßt. In formelhaften Wendungen bedeutet es allgemein ,Ordnung'.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß überall im Bedeutungsgefüge
von κοσμεΐν und κόσμος die Vorstellung der gegliederten Ordnung' existent

10 Der vorphilosophische Gebrauch S. 51.


11 Kosmos S. 8—9.
11 Dazu auch Kbrschensteiner, Kosmos S. 81.

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ist, wofern es nicht rein formelhaft verwendet wird. Das Bedeutungsgefüge
von κόσμος, wie es sich aus den ältesten griechischen Sprachdenkmälern
gewinnen läßt, ist durch die zentrale Bedeutung gegliederte Ordnung' ge
kennzeichnet, wird aber durch die verschiedenen Kontexte, in denen κόσμος
erscheint, differenziert. Das mehr oder minder synchrone Nebeneinander
der Kontextbedeutungen in ein historisches Nacheinander aufzulösen, ist
bisher nicht recht gelungen. So neigt denn ζ. B. Kerschensteiner der Auf
fassung zu 13, das Ursprüngliche sei wohl die allgemeine Verwendung, näm
lich κόσμος als Bezeichnung einer geordneten Reihung von Menschen oder
Dingen, und nur aus ihr erkläre sich die weitere reiche Bedeutungsentfal
tung, ζ. B. die Ordnung von Kampfeinheiten oder anderen Menschen
gruppen.

3.

Zuverlässigere Auskunft in dieser Richtung wäre durch die Kenntnis


der ursprünglichen Bedeutung von κόσμος zu erhalten. So aussichtslos, wie
es den Anschein hat, steht es nun um die Etymologie nicht. Gerade an
diesem Fall, der mir auch methodisch wertvoll scheint, möchte ich dar
legen, in welcher Weise eine philologisch orientierte Linguistik selbst auf
dem etwas in Mißkredit geratenen Gebiete der Etymologie zu Ergebnissen
gelangen kann, die über ein bloßes Spiel mit Möglichkeiten hinausgehen.
Schon das Griechische selbst weist ja in eine ganz bestimmte Richtung,
wenn wir Umschau halten, welchem Wortbildungstypus sich κόσμος zu
ordnen läßt.
Es bieten sich die nicht wenigen Nomina auf -μο-/-σμο- an, die, soweit
sie etymologisch durchsichtig sind, fast ausnahmslos eine verbale Grundlage
haben. Sie benennen den durch die unterliegende Verbalwurzel bezeichneten
Vorgang oder konkret dessen Ergebnis. Es handelt sich nachweislich um
einen bereits indogermanischen Wortbildungstypus14.
Besehen wir das einschlägige griechische Belegmaterial des näheren, so
stoßen wir auf eine Reihe von Details, die wir für unser Anliegen berück
sichtigen müssen. Während etwa in δασμός ,Verteilung', δεσμός ,Fessel',
πλοχμός ,Flechte' die Beziehung zu den entsprechenden Verben δατέομαι,

15 Kosmos S. 7 und 24.


14 W. Porzig, Die Namen für Satzinhalte im Griechischen und Indogermanischen, Berlin
1942 (= Untersuchungen zur indogermanischen Sprach- und Kulturwissenschaft 10), S.
238—240, 284—290; E. Risch, Wortbildung der homerischen Sprache, Berlin/Leipzig
1937 (= Untersuchungen zur indogermanischen Sprach- und Kulturwissenschaft 9), S. 40—
42.

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δέω, πλέκω im synchronen lexikalischen System lebendig ist, gibt es Fälle,
wo sie kaum mehr deutlich empfunden wird: πότμος ,Fallen', ,Tod in der
Schlacht', δρμος ,Halsband' gehören in historischer Sidit zu πίπτω, εερτο
(,war gereiht'). Wie ersichtlich, zeigen viele dieser Nomina -o-färbige Hoch
stufe und zugleich Hochton der Wurzel, bei Hochton auf dem Suffix unter
schiedlichen Wurzelablaut. Das Suffix -μο- hat die Variante -σμο-, ohne
daß sich die Bedingungen der Verteilung genauer ermitteln ließen. Dazu
gesellt sich noch eine phonemgeschichtliche Erscheinung, die auch die Abgren
zung von Wurzel und Suffix erschweren kann. Wo nämlich im Griechischen
die Phonemgruppe 1-VsmV-l erscheint, ist damit zu rechnen, daß ihr l-sm-l
historisch gesehen das Ergebnis einer Assimilation oder anderen phoneti
schen Veränderung ist. Denn die Phonemgruppe 1-VsmV-l des vorhistori
schen Griechisch erscheint — nach Schwund des l-s-l unter Ersatzdehnung —
in historischer Zeit in der Regel als I-VmV-L
Gehen wir argumenti causa von der Annahme aus, daß κόσμος diesem
Wortbildungstypus zugehört, und stellen wir die verschiedenen Einzelhei
ten, die ihn kennzeichnen und differenzieren, in die Rechnung ein, so ist
zunächst entscheidend, ob sich die unterliegende Verbalwurzel aus dem Grie
chischen oder den anderen indogermanischen Sprachen nachweisen läßt.

4.

Ein Durchspielen der nicht wenigen theoretischen Möglichkeiten scheint


zunächst zu lehren, daß sich griechisches Sprachmaterial, das wir zum in
ternen Vergleich heranziehen könnten, nicht bietet. Die Chance, hier durch
externen Vergleich den gewünschten Aufschluß zu erhalten, eröffnet aber
das Indoiranische — und bestätigt damit wieder die alte Erfahrung, daß
Griechisch und Indoiranisch für die indogermanische Sprachvergleichung
eine besondere Bedeutung haben. Freilich liegt das einschlägige Material
nicht aufbereitet vor. Aber wenn wir altiranische und vedische Texte auf
merksam abhören, sind wir imstande, uns sachdienliches Material zu er
schließen. Der Umweg, so lang er scheint, ist nötig, um das Ziel mit einiger
Sicherheit ansteuern zu können.
Als Ausgangspunkt für unsere Beobachtungen und Überlegungen empfeh
len sich die altpersischen Inschriften der Achaimeniden. In den folgenden
Passagen, die zumeist durch mehrfache Belege gesichert sind, verdient das
Verbum unsere Aufmerksamkeit. Die morphologischen, semantischen und
syntaktischen Fragen, die es aufwirft, weisen der weiteren Untersuchung
den Weg:

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(I) Oätiy Därayavaus xsäyaOiya R. G. Kent 15 : „Saith Darius the King",
DB I 3—4 et passim;
(II la) kärahyä avaOä aOaha Kent: „To the people thus he said", DB I 75
et passim; avaOä-säm aOaha Kent: „Thus he said to them", DB III 57—58;
(II lb) yaOä-säm hacä-ma aOahya, αναθα akunavayatä Kent: „as was said
to them by me, thus was it done", DB I 23—24;
(II 2a) taya-säm adam adaham, ava akunava Kent: „what I said to them,
that they did", DNa 36—37;
(II 2b) taya-säm hacä-ma aOahya, ava akunava Kent: „what was said to
them by me, that they did", DNa 20—21.
Nach der bis vor kurzem allgemein verbreiteten Auffassung ist eine Ver
balwurzel Oah-IOa^h- anzusetzen, die allen hier begegnenden Formen — der
3. Sing. Präs. Oätiy, der 1. Sing. Impf. aOaham, der 3. Sing. Impf. aOaha
und der 3. Sing. Impf. Pass. aOahya — zugrundeliegt. Ihre Bedeutung wird
als .(feierlich) sagen', .kundtun', bisweilen 19 für bestimmte Kontexte auch
als ,anordnen', .befehlen' angegeben. Etymologisch wird sie zu avest. sayh-,
ved. sams- .preisen', ,loben' gestellt. Die beachtlichen Schwierigkeiten, die
diese Auffassung in historischer wie auch in synchroner Sicht impliziert, hat
erst jüngst F. B. J. Kuiper zu beseitigen versucht17. Er hat die so einfache
wie durchschlagende Erklärung gegeben, daß Oätiy nur als Wurzel-Präsens
gefaßt und die zugrundeliegende Verbalwurzel Oä- etymologisch von Oah-I
Oa"h- getrennt werden müsse. Könne doch Oätiy nicht durch Annahme einer
Kontraktion auf *Oahatiy zurückgeführt werden, da die Phonemgruppe
l-aha-l im Altpersischen sonst gewahrt bleibe. Andererseits sieht Kuiper in
aOaha- einen thematischen Aorist und erkennt in Oah- die tiefstufige Form
der aus avest. sayh-, ved. sams- .preisen', .loben' erschlossenen apers. Ver
balwurzel *0anh-. 0ä- und Oah-I0anh- stünden in paradigmatischer Supple
tion. Gegen diese Interpretation erheben sich jedoch Bedenken, nämlich: (1)
Ein thematischer Aoriststamm Oah-a- könnte zwar theoretisch eine Tiefstufe
reflektieren, stünde aber damit, bezogen auf das Präsens *0a"h-a- singulär
da. (2) Die Bedeutungen .(feierlich) sagen' und .anordnen', die Kuiper sehr
sorgfältig bedacht hat, lassen sich mit .preisen' der avest.-ved. Entsprechun
gen nur durch eine kompliziert konstruierte Entwicklung miteinander ver
mitteln.

15 Old Persian (Grammar, Texts, Lexicon), New Haven/Conn. *1953 (= American


Oriental Sériés 33), zitiert als letzte maßgebliche Obersetzung der altpersisdien Inschriften.
18 Chr. Bartholomae, Altiranisches Wörterbuch, Straßburg 1904, Sp. 1578—79.
17 Istituto Universitär«) Orientale [Napoli], Annali, Sezione Linguistica 2, 1960, S.
159—164.

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Beide Schwierigkeiten lösen sich einwandfrei durch folgende Annahme:
In a-Oah-a- liegt ein hochstufiger thematischer Aorist zu einer Verbalwurzel
Oah- vor, die nach dem Vorgange Kuipers von θα- zu trennen ist. Für einen
solchen Aorist-Typus bieten sich ved. ά-sad-a-t (: Wz. s ad- ,sitzen'), griech.
dor. äol. έ-πετ-ε (att. έ-πεσ-ε) (: Wz. πετ-), griech. ε-τεκ-ε (: Wz. τεκ-),
griech. έ-γέν-ε-το (: Wz. γεν-) zum Vergleich an. Zur Verbalwurzel Θ ab
gehört auch die 3. Sing. Impf. Pass. a-Oah-ya als hochstufige Bildung, die
sich einwandfrei den hochstufigen Passivformen vom Typus a-yad-iya ,er
wurde verehrt' (: Wz. yad-) zuordnen läßt. Ein apers. *0anh- ist nicht be
zeugt.
Sind aber die beiden Verbal wurzeln θα- und Oah- zumindest in histo
rischer Sicht zu scheiden, so liegt der Verdacht nahe, daß sich daraus die
durch synchrone Interpretation festgestellte Bedeutungsdifferenz .(feierlich)
sagen' gegenüber .anordnen' erklärt. Prüft man das Belegmaterial unter
diesem Gesichtspunkt, so stellt sich heraus, daß keine Stelle, wo Formen
von Oah- begegnen, dem Bedeutungsansatz ,anordnen', ,anweisen' wider
spricht. Unter den wenigen Passagen, die aus der stereotypen Form der
Aussagen herausfallen, gewinnt etwa die geschichtlich bedeutsame Stelle
DB I 53—54 nun eine präzisere Interpretation: kasciy naiy adarsnaus cisciy
Qastanaiy pariy Gaumätam tayam magum yätä adam arasam „keiner
wagte, irgendetwas anzuordnen betreffs des Gaumäta, des Magiers, bis ich
kam" gegenüber Kent: „Not anyone dared say anything about Gaumata
the Magian, until I came."
Für diese Auffassung sprechen aber auch die Unterschiede der syntak
tischen Konstruktion: θα- steht in der Regel absolut, Oah- dagegen wird
durch ein Modaladverb oder einen Objektsakkusativ, meist, aber nicht not
wendig, auch durch einen Genetiv einer Personenbenennung näher bestimmt.
Schließlich können auch die Parallelversionen der Inschriften befragt wer
den. Aus der elamischen Fassung ζ. B. ersehen wir, daß apers. Oätiy durch
wegs durch na-an-ri übersetzt, Formen von apers. Oah- durch Formen der
Verbalbasis tir- wiedergegeben werden 18.
Aber selbst in der griechischen Nebenüberlieferung des Altpersischen
lassen sich Spuren sichern, die unsere Interpretation indirekt zu bestätigen
scheinen. In dem Brief des Königs Darius an den Satrapen Gadatas (Dit
tenberger, Sylloge 3 Nr. 22) findet sich λέγει als Übersetzung von Oätiy,
wo der Großkönig spricht, während der Aorist επέτασσες, von den Anord
nungen des Satrapen gebraucht, offenbar apers. *aOaha (2. Sing.) wieder
gibt.

18 Η. Η. Paper, The Phonology and Morphology of Royal Adiaemenid Elamite, Ann


Arbor 1955, S. 38 ff., bes. S. 65.

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Eine einzige Stelle der altpersischen Inschriften scheint unserer Ansicht
ungünstig zu sein, DB I 7 vayam Haxämanisiyä dabyämahy Kent: „we
are called Achaemenians". Indes zeigt schon die andere syntaktische Kon
struktion, die hier auftritt, der doppelte Nominativ, daß wir mit einem
anderen Verwendungsbereich von Oah~ zu rechnen haben. Die Bedeutung
angewiesen werden als ..ist zu ,angerufen werden als ...', .genannt
werden' erweitert, eine Erscheinung, für die dt. heißen eine Parallele bildet.
Eine weitere Bestätigung und Ergänzung dieser vorläufigen Ermittlun
gen bringt avestisches Material. Wir können uns hier auf das beschränken,
was die ältesten Textstücke, die Gäthäs, bieten.
In einer der bekanntesten von ihnen, in der Frage-Gäthä, wendet sich
Zarathustra an den Ahura Mazda, Y 44, 1 tat 6wä parasä aras möi vaocä
ahurä / namaijbö ä yaOä namä xsmävatö / mazdä fryäi Owäwqs sahyät
mavaitë H. Humbach 19: „Danach frage ich dich, sag es mir ehrlich, ο
Lebensherr: / Wie die Verehrung von euresgleichen vor sich geht, möge auf
Grund der Verehrung / deinesgleichen, ο Kundiger, mir, dem Freunde,
verkünden."
Die 3. Sing. Opt. Aor. sahyät, bisher allgemein als tiefstufige Form der
Verbalwurzel sayh- aufgefaßt, darf als hochstufige Form der Wurzel sah
,anordnen', ,anweisen' in Anspruch genommen werden. Sie dürfte sich da
mit dem Typus avest. aibi-jam-yät ,er möge kommen' zuordnen, dem
apers. ä-jam-iyä und vielleicht auch ved. ä-gam-yäh ,er möge kommen'
entsprechen.
Daß für sahyät nur eine derartige Beurteilung des Ablauts zutreffend
sein kann, erhellt aus der zugehörigen, als solche aber verkannten Präsens
Bildung sisa-, die uns ebenfalls die Gäthäs liefern, ein Befund, der ange
sichts der Trümmerhaftigkeit und des geringen Umfanges dieser Sprach
denkmäler an Gewicht gewinnt. Y 34, 12 sisä na asä ραθδ Humbach:
„Weise uns durch Wahrhaftigkeit die ... Pfade", Y 43, 3 yâ ηα arazüs
savayhö ραθδ sisöit Humbach: „der uns die geraden Pfade der Kraft ...
weisen sollte."
Der 2. Sing. Imp. Präs. sisä und der 3. Sing. Opt. Präs. sisöit liegt ein mit
-i- reduplizierter tiefstufiger Präsensstamm si-s-a- zugrunde, für den die
zutreffende Bedeutung bereits empirisch gefunden war. Die Bildung ist
durch Vergleich mit ved. si-d-a-ti (aus *si-sd-a-ti) und den Typus griech.

19 Die Gâthâs des Zarathustra, 2 Bde., Heidelberg 1959, zitiert als letzte repräsenta
tive Übersetzung der Gâthâs, die linguistischen wie philologischen Gesichtspunkten in
gleicher Weise Rechnung trägt.

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πί-πτ-ει (mit -I- infolge Assoziation an ρίπτει), τί-κτ-ει (aus ::"τί-κτ-ει), γί-γν
ε-ται als altererbt legitimiert.
Zu alledem lehrt ein Vergleich der Gäthä-Stellen mit den Passagen der
altpersischen Inschriften, daß auch die syntaktischen Konstruktionen bestens
übereinstimmen: auch im Gäthisch-Avestischen wird sah- durch ein Modal
adverb oder einen Objektsakkusativ und durch den Dativ einer Personen
benennung, dessen Funktion im Altpersischen durchweg der Genetiv über
nommen hat, näher bestimmt.
Schließlich vermag auch das Vedische die Einsichten, die wir dem Alt
iranischen abgewonnen haben, zu bestätigen und zu ergänzen. Wir be
schränken uns auf das, was für unsere Erörterungen wesentlich ist.
Die genaue Entsprechung von avest. sl-s-a- liegt in ved. si-ks-a- vor, das
weitaus häufiger als im Aktivum durch das mediale sîksate bezeugt und bis
ins klassische Sanskrit hinein verwandt wird. Die hinlänglich bekannte Be
deutung ,er lernt' läßt sich nun verstehen als ,er läßt sich Anordnungen
geben, läßt sich anweisen, läßt sich unterweisen'. Dieser weit präzisere Be
deutungsansatz, den das Altiranische zur Erprobung empfiehlt, paßt vor
züglich zu den Aussagen der Texte. Bezeichnend ist etwa eine Stelle des
bekannten Frosch-Hymnus, RV VII 103, 5 y ad esäm anyô anyasya vacam
säktasyeva vàdati siksamänah „wenn einer von ihnen des anderen Wort
[nach] spricht wie der, der sich unterweisen läßt, (das Wort) des Meisters
([nach] spricht)".
Nach der bisher allgemein verbreiteten Auffassung gehört ved. siksa-te
zum Präsensstamm des Desiderativums der Verbalwurzel sak- ,können".
Die Tatsache, daß beide Stämme homophon sind, darüber hinaus klar er
kennbare Formen eines ved. sas- nicht vorliegen, hat eine adäquate Inter
pretation dieser Verbalformen bisher vereitelt. Das verwickelte Problem,
inwieweit Formen der Verbalwurzel sas- aus solchen von sams- ausgeson
dert werden können, darf hier zurückgestellt werden.
Während dem Altiranischen Nominalbildungen der Wurzel 6ah- bzw.
sah- scheinbar fehlen, finden sich solche von sas- im Vedischen: das
rgvedische άπαξ είρημένον (I 119, 2) sàs-man- (feierlicher Anruf' (Roth)
und das erst in der Vâjasaneyï-Samhitâ begegnende sas-tra- ,der Satz oder
die Strophenreihe, welche die Rezitation des Hotar [genannten Opfer
priesters] und seiner Gehilfen bilden' (Roth). Daß sas-man- und sas-tra
singulär stünden, wollte man sie als tiefstufige Bildungen fassen, hat schon
J. Wackernagel erkannt20 : wie alle Nomina mit Suffix -man- {-man-)

î0 Indogermanische Forschungen 45, 1927, S. 321—327, bes. S. 324—325 = Kleine


Schriften, Göttingen o. J., S. 1261—1267, bes. S. 1264—1265.

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und -trà- zeigen auch sie Hochstufe der Wurzel. Wackernagels Annahme,
daß hier eine ,nasallose Dublette' der Verbalwurzel sams- ,preisen', ,loben'
zugrundeliege, ist dem Zutreffenden nahe, trägt allerdings der semantischen
Differenz keine Rechnung. Sie läßt sich jetzt mühelos dadurch ersetzen,
daß es sich um Bildungen von der davon zu trennenden Verbalwurzel sas
,anordnen',,anweisen' handelt.
Müssen wir in diesem knappen Rahmen darauf verzichten, das schon von
Wackernagel in die Debatte gebrachte ved. uktha-säs- zu erörtern, so sei
wenigstens ein weiterer verkannter Reflex der Wurzel sts- ans Licht ge
zogen: die seit dem ältesten Vedischen gut bezeugten ,Adverbia mit -sas' 21.
Sie finden sich, was leicht übersehen wird, zunächst von Nomina: sreni-sas
.reihenweise' (RV), anïka-sàs .zugweise' (AV), gana-sas .scharenweise' (MS),
deva-sas ,nach den einzelnen Göttern' (RV), erst dann von Zahlwörtern:
sata-'sas ,zu Hunderten' (AV) usw.
Bereits K. Brugmann war der Lösung nahe, wenn er darin den adver
bial fungierenden Akkusativ Sing. nt. eines Adjektivs mit der Grundbedeu
tung ,zu ... anordnend' sah 22. Seine Annahme aber, daß mit diesen -sas—
Bildungen griech. έκάς, άνδρακάς zusammengehörten und -sâs- tiefstufige
Form der in sams- .preisen' vorliegenden Wurzel sei, geht fehl, zumal sie
schon die Bedeutungsdifferenz ungeklärt läßt. Was wir vor uns haben, ist
ein adverbial erstarrter Rest der Wurzel sas- .anordnen', ,anweisen'. Griech.
έκάς, άνδρακάς sind vielmehr, wie schon M. Bréal dargetan hatte23, auf
griechischem Boden entstandene Neubildungen.
Man mag die Frage aufwerfen, wie es sich erkläre, daß uns nur Reste des
Formensystems der indoiranischen Ve balwurzel *sas- vorliegen, die nur
«elten weiter lebendig bleiben, und daß auch die Nominalbildungen spär
lich bezeugt sind. Nicht allein die Bruchstückhaftigkeit der Überlieferung
trägt daran Schuld. Es darf als sicher gelten, daß der Verlust der Verbal
wurzel indoiran. *sas- und ihrer altpersischen, avestischen und vedischen
Fortsetzer dadurch begünstigt war, daß sie mit indoiran. '''sas- .schneiden'
homophon war und sich so Überschneidungen im Formensystem des Ver
bums und in den Nominalableitungen ergaben. In welcher Weise die ent
stehende Leerstelle durch die bereits indoiran. Verbalwurzel *säs- anwei
sen' besetzt wurde und wie das Verhältnis von indoiran. *sas- ,anordnen',
.anweisen' zu dem ebenfalls bereits indoiran. *sams- ,preisen', ,loben' zu
21 Das Material bei B. Delbrück, Altindisdie Syntax, Halle a. S. 1888 (= Syntaktische
Forschungen 5) S. 201—202.
22 Die distributiven und kollektiven Numeralia der indogermanischen Sprachen, Leipzig
1907 (= Abhandlungen d. Kgl. Sachs. Gesellschaft d. Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 25,
5), S. 17—19.
23 Mémoires de la Société de Linguistique de Paris 8, 1894, S. 51—52.

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beurteilen ist, das ist ein Fragenkomplex, der hier auf sich beruhen bleiben
darf.
Wichtiger ist hier, das durch die indoiranischen Gegebenheiten ermög
lichte Zwischenergebnis festzuhalten, weil es für den weiteren Gang unserer
Untersuchung entscheidend ist, nämlich: (1) Neben den in apers. θα- ^feier
lich) sagen', ,kundtun' und avest. satjh-, ved. sams- .preisen', ,loben' vor
liegenden Verbalwurzeln existiert ein bereits indoiran. sas- .anordnen', .an
weisen', das durch eine Reihe von Verbalformen im Altpersischen, Avesti
schen und Vedischen, im Vedischen auch durch nominale Bildungen sicher
erweisbar ist. (2) Im Mittelpunkt des Formensystems der Wz. indoiran.
*sas- erscheint der hochstufige (thematische) Aorist (apers. 3. Sg. Ind. aOaha,
avest. 3. Sg. Opt. sahyät). Diesem gegenüber steht ein mit -i- redupliziertes
tiefstufiges Präsens (avest. 2. Sing. Imp. si sä, 3. Sing. Opt. sisöit, ved.
3. Sing. Ind. Med. siksate) und ein durch Suffix -ya- gekennzeichnetes hoch
stufiges Passiv (apers. 3. Sing. Impf. aOahya, 1. Plur. Präs. Oahyämahy).
(3) Die Wurzel bezeichnet ,das Anordnen, Anweisen durch das gesprochene
Wort', ein Vorgang, mit dem sich eine durch soziale Rangstellung aus
gezeichnete Person an eine andere, ihr untergeordnete Personengruppe oder
Einzelperson wendet, um diese zu einer bestimmten Verhaltensweise zu
veranlassen. Es handelt sich um ein Wort, das dem Bereich zwischenmensch
licher Beziehungen angehört, so verschiedenartig die Kontexte, in denen es
begegnet, im einzelnen sind. Es fällt jedoch auf, daß es im Altpersischen in
der militärisch-politischen Sphäre verwendet wird.
Damit steht das externe Material bereit23a, das wir nach den Verfahrens
weisen der vergleichenden indogermanischen Sprachwissenschaft für das
Griechische nutzbar machen können. Als Entsprechung von indoiran. *sas
darf über dessen rekonstruierbare Vorform indogerm. *kes- auf griech. *κεσ
geschlossen werden, das verbalen wie nominalen Bildungen zugrundeliegen
kann. Mit Vorbehalt darf die aus dem Indoiranischen ermittelte Bedeutung
in die vergleichende Betrachtung einbezogen werden.

5.

Daß diese Wurzel griech. :!κεσ- die verbale Grundlage des mit Suffix
-μο-/-σμο- gebildeten κόσμος ist, ist nun unmittelbar evident. Die Wurzel
zeigt -o-Abtönung und trägt den Hochton. Zu fragen bleibt aber, ob von
23a Abgesehen ist in diesem Rahmen von der Heranziehung des germanischen Materials
(got. hazjan usw.), auf das schon Wackernagel aufmerksam gemacht hat, sowie von der
Erörterung der für das indogermanische Verbalsystem sich ergebenden Probleme.

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einem vorhistorischen *κόσ-μο-ς oder *κόσ-σμο-ς auszugehen ist, also Suffix
-μο- oder dessen Variante -σμο- unterliegt. Unterstellt man vorhistorisches
::'κόσ-μο-ς, so hätte sich dies nach allem, was wir wissen, zu *κώμος, in ein
zelnen Dialekten (ζ. B. Lesbisch) zu *κόμμος entwickeln müssen. Daher wird
man sich dafür entscheiden, daß κόσμος auf ein vorhistorisches *κόσ-σμο-ς
zurückzuführen ist. Läßt sich doch die Erscheinung, daß l-CCC-l zu l-CC-l
vereinfacht wird, in der Struktur und Entwicklung des griechischen Phonem
systems gut begründen 24.
Schwieriger gestaltet sich die Frage, ob die ursprüngliche Bedeutung
(Grundbedeutung) durch unsere etymologischen Überlegungen hinreichend
bestimmt werden kann. Kombinieren wir, was wir über die Bedeutung der
indoiranischen Entsprechung von griech. *κεσ- ermittelt haben, mit dem,
was wir über die Funktion des Suffixes -μο-/-σμο- wissen, so ergibt sich als
,etymologische Bedeutung' von κόσμος: als Vorgang ,Anordnung, Anwei
sung, die durch das gesprochene Wort von einer durch ihren Rang aus
gezeichneten Person an eine ihr untergeordnete Personengruppe oder Einzel
person ergeht', und zugleich als Ergebnis dieses Vorganges ,die Ordnung',
die sich an dieser Personengruppe bzw. Einzelperson zeigt.
Ehe wir diesen Befund mit dem der frühen Textzeugnisse zusammenhal
ten, wollen wir ihn nochmals überprüfen, soweit eine weitere formale und
semantische ,Verprobung' überhaupt möglich ist.
Besonders ins Gewicht fällt, daß durch die vorgetragene Interpretation
κόσμος in ein Gefüge von indoiranisch-griechischen Wortbildungstypen ver
zahnt wird, für das man schwerlich wird das Walten des Zufalls verant
wortlich machen können:
Wie nämlich ein ved. pât-man- (: Wz. pat-) ,Flug' einem griech. πότ-μο-ς
(: Wz. πετ-), ,Fallen', ,Tod in der Schlacht' gegenübersteht, ebenso ved.
sas-man- (: Wz. sas-) ,Anruf' einem griech. κόσ-μο-ς (: Wz. κεσ-) ,Anord
nung'.
Und wie sich griech. dial. ε-πετ-ε (att. επεσε) ,er fiel', Präs. πί-πτ-ει zu
πότ-μο-ς ,Fallen', ,Tod in der Schlacht' verhält, so apers. a-Oah-a ,er ordnete
an', Präs. avest. (Opt.) sï-s-ôi-t / ved. (Med.) si-ks-a-te zu griech. κόσ-μο-ς
,Anordnung'.
Man mag freilich als nicht adäquat empfinden, daß in der zweiten Pro
portion das eine Glied nicht aus griechischem Sprachmaterial bestritten wer
den kann. Demgegenüber ist daran zu erinnern, daß die vielleicht nur durch

24 W. Brandenstein, Griediisdie Spradiwissensdiaft, Bd. I, Berlin 1954 (= Sammlung


Göschen 117), S. 102; M. Lejeune, Traité de phonétique grecque, Paris 21955 (= Collec
tion de Philologie Classique 3), S. 64—65.

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den Aorist *ε-κε(σ)-ο-ν vertretene Verbalwurzel *κεσ- wahrscheinlich des
wegen keine Spur hinterlassen hat, weil sie aus dem Sprachgebrauch
schwand, als durch den Verlust des intervokalischen l-a-l ihr Paradigma
empfindlich gestört wurde. Die Sachlage ist aber glücklicher als es auf den
ersten Blick scheint.
Bei Homer finden sich insgesamt 18 Belegstellen für άκέων, άκέουσα,
άκέοντα/άκέοντ', flektierte, aber teilweise sichtlich adverbial erstarrte Par
tizipialformen, die seit der Antike als .schweigend', ,still' verstanden wer
den, so ζ. Β. ρ 465 άλλ° άκέων κίνησε κάρη oder A 565 άλλ' άκέουσα κάθησο,
έμφ δ' έπιπείθεο μΰθφ.
Ohne Bezug im lexikalischem System der epischen Sprache, hat dieses
Wort bislang einer sprachhistorischen Deutung widerstanden25. Was wir aber
vor uns haben, ist das negierte Partizip des sonst verlustig gegangenen Aorists
*εκεον aus *ε-κεσ-ο-ν, dem genau apers. a-dah-a-m entspricht. Bildung des
negierten Partizipiums mit α privativum und Zurückziehung des Akzentes
sind untadelig und finden ihre griechische Parallele in ά-Ρέκ-ων Ç> άέκων
άκων) gegenüber Ρεκ-ών Ç> εκών). Zunächst und solange der Zusammen
hang mit dem Verbum fühlbar war, bedeutete άκέων ':',ohne Anordnungen
zu treffen', ,ohne anzuweisen', dann allgemeiner ,kein Wort sagend', d. h.
.schweigend'. Mit dem Verlust des Verbums schwand auch das Gefühl für
die grammatische Einordnung, sonst wäre nicht gelegentlich άκέων zu einem
Femininum (Δ 22) oder einem Plural (φ 89) gezogen.
Auch das bedeutungsähnliche άκήν, ebenfalls bisher völlig rätselhaft26,
läßt sich durch eine ähnliche Interpretation verstehen. Das adverbial er
starrte Wort, das nur noch in formelhaften Wendungen wie Γ 95 (et passim)
άκήν έγένοντο σιωπή vorkommt, ist ursprünglich ein negiertes Partizipium
zur Verbalwurzel griech. :!,κη- ,sagen', .sprechen', die durch apers. θα- und
alb. tho- (3. Sing. Ind. Präs. thotë ,er sagt')27 als bereits grundsprachlich
erwiesen ist. άκήν ,kein Wort sagend', ,nicht sprechend', d. h. .schweigend',
wurde offenbar schon im epischen Sprachgebrauch als archaisch empfunden,
daher durch σιωπή verdeutlicht.
Schließlich scheint es möglich, selbst die undeutliche Spur einer nominalen
Zusammensetzung, mit *-κές zu sichern, wenn wir mit dem am Vedischen
geschärften Blick hinsehen. Es sind die Zahladverbia vom Typus τετράκις,

25 Frisk, Griechisches etymologisches Wörterbuch I S. 52; vgl. Leumann, Homerische


Wörter S. 166—167.
26 Frisk, Griechisches etymologisches Wörterbuch I S. 52 (vgl. S. 627); vgl. Leumann,
Homerische Wörter S. 1671'.
27 Ε. P. Hamp, The Position of Albanian, Indo-European Dialects, ed. by H. Birnbaum
and J. Puhvel, Berkeley/Los Angeles 1966, S. 117.

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die schon im Epos begegnen, einschließlich der wenigen Adverbia vom Typus
πολλάκις 28.
Wackernagel hat sie mit ved. tris cit, purü cit u. ä. verglichen 29 und
mit dieser von ihm eingehender begründeten Auffassung allgemeine Zustim
mung gefunden. Dennoch leidet seine Deutung unter den erheblichen for
malen und semantischen Diskrepanzen der unterstellten Entsprechungen.
Eine viel plausiblere Deutung bietet sich an, wenn wir den ved. Typus
sata-sas ,zu hundert anordnend', ,in Hunderterordnung' zum Vergleich her
anziehen. Der Ausgangspunkt des griechischen Zahlworttypus liegt bei τε
τράκις, das das auf δίς τρίς folgende, durch avest. caGrus, ved. catuh und lat.
quater erwiesene Wort für .viermal' ersetzte. Ein zu unterstellendes griech.
':'τετρα-κές ,zu vieren anweisend', .viermal' mußte nach dem WHEELERschen
Gesetz zu *τετράκες werden, und dies läßt sich mit dem bezeugten τετράκις
ohne Schwierigkeiten durch die Annahme vermitteln, daß es in der Zahl
reihe durch den assoziativen Zusammenhang mit δίς τρίς Assimilation des
Endsilbenvokals erfuhr, eine Erscheinung, wie sie beim Numerale häufig zu
beobachten ist. Nach τετράκις sind nicht nur δεκάκις usw. geprägt, sondern
auch πολλάκις.
Ist es somit gelungen, die scheinbar fehlenden Spuren einer Verbalwurzel
::"κεσ- im Griechischen selbst aufzudecken und uns ihrer dabei am Indo
iranischen zu vergewissern, so sind wir befugt, unserer Interpretation von
κόσμος einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit zuzusprechen. Was inner
halb der Grenzen liegt, die etymologischer Forschung gesteckt sind, scheint
erreicht.
Noch verbleibt eine letzte Frage, nämlich die, wie sich der aus etymo
logischen Erwägungen gewonnene Befund zu dem der ältesten Textzeugnisse
im Hinblick auf Bedeutung und Verwendung des Wortes verhält. Wir kom
men damit auf das Problem zurück, ob sich die historische Entwicklung auf
rollen läßt, die hinter dem synchronen Bild liegt, das die ältesten griechi
schen Sprachdenkmäler mit ihrem Nebeneinander verschiedener Kontext
bedeutungen von κόσμος abspiegeln. Diese vorhistorische Wortgeschichte läßt
sich in groben Strichen skizzieren.
Zum Zeitpunkt, da κόσμος als Nominalbildung zum Verbum *κεσ-, Aorist
*εκεσον geprägt wurde, bezeichnete es als Vorgang die ,Anweisung', ,An
ordnung', die durch das gesprochene Wort von einer durch soziale Rang
stellung ausgezeichneten Person an eine ihr untergeordnete Personengruppe

28 Das homerische Material bei Risch, Wortbildung der homerischen Sprache S. 310.
29 Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 25, 1881, S. 286—287 = Kleine Schrif
ten S. 230—231.

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(oder Einzelperson) ergeht, und zugleich als Ergebnis des Vorganges die
,gegliederte Ordnung', die an dieser Personengruppe in Erscheinung tritt.
Eine Betrachtung der indoiranischen Kontexte, aus denen diese Bedeutung
ermittelt ist, lehrt aber weiter, daß es sich offensichtlich um ein Wort han
delt, das in dieser Bedeutung zunächst und vor allem in einem Bereich sozia
ler Beziehungen verwendet wird, der für ,archaische' Gesellschaftsordnun
gen bezeichnend ist, im militärisch-politischen Bereich. Genau diese Ver
wendung ist es, die uns auch im ältesten griechischen Sprachgebrauch klar
ausgeprägt entgegentritt. Ist uns κόσμος als gegliederte Ordnung' des Hee
res im Epos auch nur vereinzelt greifbar, so wird diese Kontextbedeutung
doch auch von seiner gut und vielfältig bezeugten verbalen Ableitung κοσ
μεΐν vorausgesetzt. Denn κοσμεΐν bezeichnet die Anordnungen, die der Heer
führer den Mannschaften erteilt und sie so zu bestimmter Verhaltensweise
veranlaßt, sich ,in Reih und Glied', ,in gegliederter Ordnung' zu formie
ren. Mit Fug und Recht ist dieser alten und ursprünglichen Verwendung auch
das kret. κοσμίό an die Seite zu stellen. Die Tätigkeit des höchsten staat
lichen Beamten(gremiums) bezeichnend, der (das) aus der wehrfähigen
Mannschaft hervorgeht, zeigt es freilich, wie es vom militärisch-politischen
in den politisch-administrativen Bereich übergewechselt ist.
Ist damit der Ausgangspunkt für die ursprüngliche Verwendung von
κόσμος fixiert, so hebt sich nun deutlicher ab, wie die Bedeutungserweiterung
des Wortes, d. h. seine Verwendung in anderen Kontexten als den ursprüng
lichen, erfolgt ist, ein Vorgang, dessen Ergebnis sich ja bereits im Sprach
gebrauch des Epos niedergeschlagen hat. So bezeichnet κόσμος nun auch den
Zustand gegliederter Ordnung', der an einer Einzelperson in Erscheinung
tritt auf Grund von Handlungen, die diese an sich selbst vollzogen hat. Von
da aus erweitert sich die Verwendung auf den Zustand gegliederter Ord
nung', der konkret an Dingen und Erscheinungen wahrnehmbar ist oder
ihnen wesenhaft eignet. Hat sich das Wort κόσμος auf diese Weise aus dem
speziellen Kontext der militärisch-politischen Sphäre gelöst und sich zu ver
schiedenen neuen Kontexten Zugang verschafft, so wird auch verständlich,
daß es schließlich in der allgemeinen Verwendung üblich wird, die sich in
den formelhaften Wendungen bereits der epischen Sprache widerspiegelt.

6.

,Gegliederte Ordnung', wie sie konkret an Dingen und Erscheinungen


wahrnehmbar ist oder ihnen innewohnt, war der Bedeutungs- und Verwen
dungsbereich des allgemeinen Sprachgebrauchs, an den die Denker des

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6. Jahrhunderts ν. Chr., vor allem Anaximander, anknüpften, indem sie
das Wort in die philosophische Τerminologie einführten 30. Dort wurde es
ein zentraler Begriff, der, verschiedenartig bestimmt und gedeutet, in Pia
tons Timaios die Synthese erfuhr, die in der Folgezeit entscheidend weiter
wirkte.

M Vgl. Kerschenstbiner, Kosmos S. 43 ff.

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