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Bezahlstudium

1. Einleitung:

1.1 Anekdote

Stellen Sie sich vor, Sie sind Markus, ein Bauarbeiter, der immer sehr hart für sein Kind gearbeitet
hat. Als dieses Kind endlich 18 Jahre alt ist und an einer renommierten Universität studieren will,
stellt sich heraus, dass Sie oder ihr Kind unheimlich viel zahlen müssen, um dieses Studium zu
ermöglichen. Während des Studiums arbeiteten Sie noch mehr als je zuvor und ihr Kind hat abends
einen Job als Kellner in einer Studentenkneipe in Bonn. Nach zwei Jahren gibt ihr Kind das Studium
allerdings auf: Durch die schwere nächtliche Tätigkeit, kombiniert mit einem überfüllten
Studiengang, fühlt sich ihr Kind deutlich überfordert. Zum Glück kann ihr Kind, das bis zu seinem 20.
Lebensjahr gelernt und studiert hat, noch zusammen mit Ihnen auf dem Bau arbeiten...

1.2 Die heutige Lage

Heutzutage ist Deutschland im Bereich der Fachhochschulen in zwei Teile zerfallen: ein Teil, in dem
Studenten Gebühren zahlen müssen, um studieren zu können und ein Teil, in dem es kein
Bezahlstudium gibt. Seit Juni dieses Jahres hat sich auch das Bundesland Hessen diesem
letztgenannten Teil angeschlossen. Aus Umfragen ergibt sich, dass zurzeit fast siebzig Prozent der
Befragten einen Strich unter das Bezahlstudium ziehen wollen.

2. Beschreibung des Bezahlstudiums:

2.1 Die Geschichte

Vor knapp zwei Jahren entschieden sich einige Bundesländer dafür, das Bezahlstudium, so wie es
zum Beispiel auch in den USA besteht, einzuführen. Die ersten zwei Länder, die diese Maβnahme
getroffen haben, waren Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Darauf folgten schnell Bayern,
Baden-Württemberg, das Saarland und Hamburg.

In den neuen Bundesländern (Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern


und Thüringen) sowie in Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Bremen und Berlin blieben die
Bedingungen für Studierende unverändert. Die dortigen Studierenden brauchen also keine Gebühren
zu zahlen, um studieren zu können.

Die Basis dieser radikalen Veränderung in einem Teil Deutschlands war folgender politischer
Gedanke: Mit den Gebühren, die die Studierenden zahlen, können die Fachhochschulen den
zusätzlichen Service für alle Studenten finanzieren. Dieser Service bezieht sich unter anderem auf
Sprachkurse, Alumnifeiern, zusätzliche Wohnheimplätze für die Unterbringung der ausländischen
Studenten usw.

Dabei fallen allerdings zwei Tatsachen auf. Erstens ist in allen Bundesländern mit Bezahlstudium die
CDU an der Macht, in den anderen Bundesländern, ohne Bezahlstudium, bestimmt die SPD mit. Es ist
dann auch kein Wunder, dass momentan bei den deutschen Studierenden der Slogan „ CDU
bedeutet Gebühren, SPD nicht“ sehr geläufig ist. Zweitens zeigt sich bei der Analyse dieser Reform im
Hochschulbereich, dass die Gebühren an den Fachhochschulen vielleicht die logische Folge von einer
zu optimistischen anderen Reform sind. So sind die Kindergärten in Deutschland seit einigen Jahren
kostenlos und seitdem investieren die Landesregierungen auch viel in die Betreuung von Gymnasien,
Real- und Hauptschulen.

Laut der Behörden werden diese Anstrengungen mehr Chancen für die Schüler schaffen. So könnten
mehr Schüler und Schülerinnen das Abitur oder die mittlere Reife bestehen. Und so könnten
logischerweise mehr Schüler es zu den Fachhochschulen schaffen. Es ist allerdings sehr komisch, dass
genau im Hochschulbereich aufgrund der Studiengebühren, immer weniger Studierende ihr Studium
erfolgreich beenden können.

2.2 Bedeutung und Eigenschaften

Konkret bedeutet die Einführung von Studiengebühren, dass jeder Studierende der Uni oder
Hochschule, an der er studiert, zwischen 500 und 1000 Euro pro Semester zahlen muss. Im Tausch
dafür, bieten die Fachhochschulen den Studierenden dann den obigen Service. In der Praxis zeigt sich
aber, dass es sich bei den Fachhochschulen oft um ein leeres Versprechen handelt.

Als Kompensation für diese radikale Wende im Hochschulbereich blieben die uralten Stipendien für
eine gewisse Gruppe von Studierenden erhalten. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Stipendiaten
überhaupt keine Gebühren zahlen müssen, ihr Beitrag ist nur ein wenig geringer.

Auβerdem scheint die Reform vor allem bei den deutschen Studierenden böses Blut zu schaffen,
während die ausländischen Studenten diese Gebühren üblich finden. Selbstverständlich sind an Unis
und Hochschulen in den unterschiedlichsten Ländern auf der Welt Gebühren zu zahlen. Zwar war
Deutschland noch eines der letzten Länder ohne solche Beiträge, aber vielleicht verliert es durch
diese Reform auch einen Teil seiner authentischen Identität.

Eine andere Eigenschaft des Bezahlstudiums ist die 20-20-60 Regelung bei der Vergabe von
Studienplätzen. Die Regelung schreibt die Vergabe auf diese Weise vor: 20% der Studienplätze gehen
an die Abiturbesten, die sich ihre Wunschhochschule aussuchen können, 20% der Studienplätze
werden nach Wartezeit vergeben und die Mehrzahl der Studienplätze jedoch, 60% nämlich, werden
in Zukunft von den Hochschulen selbst vergeben.

Dieses Auswahlverfahren ist sehr subjektiv zu sehen. Die Gefahr besteht, dass Fachhochschulen
Studenten anhand von Bekanntschaften auswählen, dem Ruf eines Verwandten oder der Schulen,
usw. Dabei rückt auch die Frage ins Blickfeld, ob eine Fachhochschule die Kompetenz hat, derartige
Entscheidungen zu treffen. Vielleicht hätten die Behörden solche Entscheidungen treffen sollen, in
dem sie ein objektiveres Auswahlsystem einführen.

2.3 6. Wort des Jahres 2006

Seit 1977 wählt die Gesellschaft für deutsche Sprache das Wort des Jahres aus Begriffen, die die
öffentliche Diskussion bestimmt haben. Im Jahre 2006 wurde das Wort „Fanmeile“ zum Wort des
Jahres gekürt. Das Wort Bezahlstudium schaffte es auf dieser Rangliste zu Position 6. Es erhebt
sich allerdings die Frage, ob dieses Wort nächstes Jahr sogar an der Spitze der Tabelle stehen wird,
dann aber als Unwort des Jahres 2009.

3. Die positiven Aspekte des Bezahlstudiums

Dieser Abschnitt ist eigentlich überflüssig. Der einzige Vorteil des Bezahlstudiums wäre der
zusätzliche Service, aber da die Gebühren in den meisten Fällen keinen Einfluss auf den Service
haben, ist diese Reform nur für die Fachhochschulen von Vorteil.

4. Die negativen Aspekte des Bezahlstudiums

Im Gegensatz zu den Vorteilen bringt das Bezahlstudium zahlreiche Nachteile mit sich. An erster
Stelle berücksichtigt diese Maβnahme die Studenten nicht, die finanziell nicht mithalten können.
Auβerdem erhöht sie den Druck auf die Studierenden, weil diese oft Arbeit und Studium kombinieren
müssen. Drittens könnte das Bezahlstudium die ausländischen Studenten abschrecken. Bisher war
studieren in Deutschland für sie finanziell besonders günstig, aber die heutige Lage in einigen
Bundesländern könnte sie von einem Auslandsstudium abhalten. Darüber hinaus könnte es
passieren, dass dieses Bezahlstudium, unter anderem durch die 20-20-60 Regelung, oft als
subjektives Ausleseverfahren verwendet werden könnte.

5. das Gesamturteil

Zum Glück hat sich nur etwa die Hälfte der deutschen Bundesländer vor zwei Jahren für das
Bezahlstudium entschieden, denn dieses Bildung-gegen-Euro-System ist durchaus gescheitert. Nun,
da Hessen mit gutem Beispiel vorangegangen ist, werden die übrigen Bundesländer hoffentlich die
(Studenten-)Vernunft annehmen und diesem Beispiel folgen.

6. Vergleich zu der belgischen Lage

In Belgien belaufen sich die Gebühren für Studenten auf etwa 1000 Euro pro Jahr an den
Universitäten und auf etwa 500 Euro pro Jahr an den Hochschulen. Das ist demnach weniger als die
Hälfte in Deutschland, wo man pro Semester zahlt und studiert. Auβerdem sind diese
Studiengebühren in Belgien nichts Ungewöhnliches.

Eine Ähnlichkeit im Hochschulbereich zwischen den beiden Ländern ist die Einführung von Bachelor-
und Masterstudiengängen. Seit dem Jahre 2004 machen die Studenten zuerst ein Bachelorstudium,
das meistens drei Jahre (Belgien) oder sechs Semester (Deutschland) dauert. Danach können sie
dann ein Masterstudium, meistens zwischen einem bis zwei Jahren oder zwei bis vier Semestern,
machen.

Seit diesem Jahr wird allerdings auch überall in Belgien das deutsche Semestersystem für Prüfungen
verwendet: Nach jedem Semester werden die diesbezüglichen Fächer mit einer Prüfung
abgeschlossen. Vorher hatten die belgischen Studenten oft zweimal im Jahr eine Prüfung (nach
jedem Semester eines Jahres) für bestimmte Studienfächer, woraus dann eine Gesamtnote errechnet
wurde.
7. Quellen

http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,338683,00.html
http://www.stern.de/politik/deutschland/:Kommentar-Das-Bezahl-Studium/622516.html
http://www.studis-online.de/HoPo/Hintergrund/studienreform_selektion.php
http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Fragen-des-Tages-Studiengebuehren;art693,2544160
http://www.faz.net/s/RubAEA2EF5995314224B44A0426A77BD700/Doc~EDCD0EF5AAF82479AB721
54A4AD72E104~ATpl~Ecommon~Sspezial.html

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