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FEM

Man muss gelehrt sein, um Einfaches kompliziert sagen zu können; und weise, um Kompliziertes
einfach sagen zu können.
Charles Tschopp
Aus dem Programm Maschinenelemente und Konstruktion

Pro/ENGINEER Wildfire 4.0 für Einsteiger – kurz und bündig


von S. Clement und K. Kittel/ herausgegeben von S. Vajna

Pro/ENGINEER Wildfire 5.0 für Fortgeschrittene - kurz und bündig


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Solid Works
von U. Emmerich

CATIA V5 - kurz und bündig


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von G. Klette und M. Nulsch/herausgegeben von S. Vajna

Pro/ENGINEER-Praktikum
herausgegeben von P. Köhler

CATIA V5-Grundkurs für Maschinenbauer


von R. List

Solid Edge – kurz und bündig


von M. Schabacker/herausgegeben von S. Vajna

Lehrwerk Roloff/Matek Maschinenelemente


H. Wittel, D. Muhs, D. Jannasch und J. Voßiek

Entwickeln, Konstruieren, Berechnen


von B. Fleischer und H. Theumert

Konstruieren, Gestalten, Entwerfen


von U. Kurz, H. Hintzen und H. Laufenberg

Technisches Zeichnen
von S. Labisch und C. Weber

Leichtbau-Konstruktion
von B. Klein
Bernd Klein

FEM
Grundlagen und Anwendungen der Finite-
Element-Methode im Maschinen- und
Fahrzeugbau

9., verbesserte und erweiterte Auflage

Mit 231 Abbildungen, 12 Fallstudien und 20


Übungsaufgaben

STUDIUM
Prof. Dr.-Ing. Bernd Klein
Univ. Kassel
Kassel
Deutschland

ISBN 978-3-8348-1603-0 ISBN 978-3-8348-2134-8 (eBook)


DOI 10.1007/978-3-8348-2134-8

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;


detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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rechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der
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benutzt werden dürften.

Lektorat: Thomas Zipsner | Imke Zander


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www.springer-vieweg.de
V

Vorwort zur 1. Auflage


Das Buch gibt den Umfang meiner Vorlesung über die Finite-Elemente-Methode wieder, die
ich seit 1987 an der Universität Kassel für Studenten des Maschinenbaus halte.

Mein Anliegen ist es hierbei, nicht nur Theorie zu vermitteln, sondern auch die Handhabung
der Methode im Ablauf und die Anwendung an einigen typischen Problemstellungen in der
Elastostatik, Elastodynamik und Wärmeleitung zu zeigen. Das realisierte Konzept dürfte da-
mit auch für viele Praktiker (Berechnungsingenieure, CAE-Konstrukteure und CAD-System-
beauftragte) in der Industrie von Interesse sein, da sowohl ein Gesamtüberblick gegeben
wird als auch die für das Verständnis benötigten mathematisch-physikalischen Zusammen-
hänge dargestellt werden.

Um damit auch direkt umsetzbare Erfahrungen vermitteln zu können, stützt sich der Anwen-
dungsteil auf das verbreitete kommerzielle Programmsystem ASKA, das mir seit 1987 zur
Verfügung steht. Bei der Lösung der mit ASKA bearbeiteten Beispiele haben mich die Mit-
arbeiter des Bereiches CAE der Firma IKOSS, Stuttgart, stets gut beraten.

Die Erstellung des Manuskriptes hat Frau. M. Winter übernommen, der an dieser Stelle
ebenfalls herzlich gedankt sei.

Kassel, im September 1990 B. Klein

Vorwort zur 9. Auflage


Fachbücher haben die Eigenschaft, eigentlich nie fertig zu werden. So fallen mir auch beim
Arbeiten mit meinem Buch immer wieder Darstellungen und Ableitungen auf, die man bes-
ser machen kann. Die Neuauflage enthält wieder eine Vielzahl von Verbesserungen im Text
und in den Übungen, die zum noch besseren Verständnis der Finite-Element-Methode bei-
tragen sollen. Auch soll dem Lernenden eine geglättete Theorie helfen, die doch sehr ma-
thematisch fundierten Zusammenhänge besser zu verstehen. Gemäß dem alten Motto des
Buches „Anschaulichkeit vor Wissenschaftlichkeit“ hoffe ich auch weiterhin auf einen inte-
ressierten Leserkreis an Fachhochschulen, Universitäten und in der Praxis.

Die eingearbeiteten Verbesserungen beruhen überwiegend auf Anregungen von Studie-


renden und Mitarbeitern, welche auch weiterhin sehr dankbar aufgenommen werden. Mit der
textlichen Umsetzung waren Herr Dipl.-Ing. M. Oxe, Herr Dipl.-Ing. M. Hochgräf, Herr
cand. Ing. M. Schelhas und Frau M. Winter betraut, denen an dieser Stelle herzlich gedankt
seien.

Calden bei Kassel, im September 2011 B. Klein


VI

Inhaltsverzeichnis
1 Einführung ............................................................................................................ 1
1.1 Historischer Überblick .................................................................................. 1
1.2 Generelle Vorgehensweise ............................................................................ 4
1.3 Aussagesicherheit einer FE-Analyse ............................................................. 8
1.4 Qualitätsstandards ......................................................................................... 10

2 Anwendungsfelder und Software ........................................................................ 11


2.1 Problemklassen .............................................................................................. 11
2.2 Kommerzielle Software ................................................................................. 12

3 Grundgleichungen der linearen Finite-Element-Methode ................................ 16


3.1 Matrizenrechnung .......................................................................................... 16
3.2 Gleichungen der Elastostatik ......................................................................... 19
3.3 Grundgleichungen der Elastodynamik .......................................................... 26
3.4 Finites Grundgleichungssystem .................................................................... 27
3.4.1 Variationsprinzip ................................................................................ 27
3.4.2 Methode von Galerkin ....................................................................... 31

4 Die Matrix-Steifigkeitsmethode ........................................................................... 34

5 Das Konzept der Finite-Element-Methode ......................................................... 41


5.1 Allgemeine Vorgehensweise ......................................................................... 41
5.2 FE-Programmsystem ..................................................................................... 44
5.3 Mathematische Formulierung ........................................................................ 45
5.3.1 Ebenes Stab-Element ......................................................................... 45
5.3.2 Ebenes Drehstab-Element .................................................................. 50
5.3.3 Ebenes Balken-Element ..................................................................... 53
5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf ...................................................................... 62
5.4.1 Steifigkeitstransformation .................................................................. 62
5.4.2 Äquivalente Knotenkräfte .................................................................. 65
5.4.3 Zusammenbau und Randbedingungen ............................................... 68
5.4.4 Sonderrandbedingungen ..................................................................... 72
5.4.5 Lösung des Gleichungssystems ......................................................... 74
5.4.6 Berechnung der Spannungen ............................................................. 81
5.4.7 Systematische Problembehandlung .................................................... 83

6 Wahl der Ansatzfunktionen ................................................................................. 89

7 Elementkatalog für elastostatische Probleme .................................................... 93


7.1 3-D-Balken-Element ..................................................................................... 93
7.2 Scheiben-Elemente ........................................................................................ 97
7.2.1 Belastungs- und Beanspruchungszustand .......................................... 97
7.2.2 Dreieck-Element ................................................................................ 98
7.2.3 Flächenkoordinaten ............................................................................ 105
7.2.4 Erweiterungen des Dreieck-Elements ................................................ 110
7.2.5 Rechteck-Element .............................................................................. 111
Inhaltsverzeichnis VII

7.2.6 Konvergenz Balken-Scheiben-Elemente ........................................... 119


7.2.7 Timoshenko-Theorie .......................................................................... 120
7.2.8 Viereck-Element ................................................................................ 125
7.2.9 Isoparametrische Elemente ................................................................ 129
7.2.10 Numerische Integration ...................................................................... 134
7.3 Platten-Elemente ........................................................................................... 139
7.3.1 Belastungs- und Beanspruchungszustand .......................................... 139
7.3.2 Problematik der Platten-Elemente ..................................................... 143
7.3.3 Rechteck-Platten-Element .................................................................. 146
7.3.4 Dreieck-Platten-Element .................................................................... 152
7.3.5 Konvergenz ........................................................................................ 153
7.3.6 Schubverformung am Plattenstreifen ................................................. 155
7.3.7 Beulproblematik ................................................................................. 156
7.4 Schalen-Elemente .......................................................................................... 165
7.5 Volumen-Elemente ........................................................................................ 170
7.6 Kreisring-Element ......................................................................................... 175

8 Kontaktprobleme .................................................................................................. 182


8.1 Problembeschreibung .................................................................................... 182
8.2 Einfache Lösungsmethode für Kontaktprobleme .......................................... 184
8.3 Lösung zweidimensionaler Kontaktprobleme ............................................... 188
8.3.1 Iterative Lösung nichtlinearer Probleme ohne Kontakt ..................... 188
8.3.2 Iterative Lösung mit Kontakt ............................................................. 189

9 FEM-Ansatz für dynamische Probleme ............................................................. 202


9.1 Virtuelle Arbeit in der Dynamik ................................................................... 202
9.2 Elementmassenmatrizen ................................................................................ 204
9.2.1 3-D-Balken-Element .......................................................................... 205
9.2.2 Endmassenwirkung ............................................................................ 208
9.2.3 Dreieck-Scheiben-Element ................................................................ 209
9.3 Dämpfungsmatrizen ...................................................................................... 212
9.4 Eigenschwingungen ungedämpfter System ................................................... 213
9.4.1 Gleichungssystem .............................................................................. 213
9.4.2 Numerische Ermittlung der Eigenwerte ............................................. 221
9.4.3 Statische Reduktion nach Guyan ....................................................... 222
9.5 Freie Schwingungen ...................................................................................... 226
9.6 Erzwungene Schwingungen .......................................................................... 228
9.7 Beliebige Anregungsfunktion ........................................................................ 237
9.8 Lösung der Bewegungsgleichung ................................................................. 238

10 Grundgleichungen der nichtlinearen Finite-Element-Methode ....................... 247


10.1 Lösungsprinzipien für nichtlineare Aufgaben ............................................... 247
10.2 Nichtlineares Elastizitätsverhalten ................................................................ 250
10.3 Plastizität ....................................................................................................... 253
10.4 Geometrische Nichtlinearität ......................................................................... 257
10.5 Instabilitätsprobleme ..................................................................................... 259
VIII Inhaltsverzeichnis

11 Wärmeübertragungsprobleme ............................................................................ 266


11.1 Physikalische Grundlagen ............................................................................. 266
11.2 Diskretisierte Wärmeleitungsgleichung ........................................................ 271
11.3 Lösungsverfahren .......................................................................................... 273
11.4 Thermisch-stationäre strukturmechanische Berechnung ............................... 275
11.5 Thermisch-transiente strukturmechanische Berechnung ............................... 276

12 Mehrkörpersysteme .............................................................................................. 279


12.1 Merkmale eines MKS .................................................................................... 279
12.2 Kinematik von MKS ...................................................................................... 281
12.2.1 Drehmatrix ......................................................................................... 283
12.2.2 Ebene Bewegung ................................................................................ 285
12.3 Kinetik von MKS .......................................................................................... 287
12.3.1 Grundbeziehungen für den starren Körper ......................................... 289
12.3.2 Newton-Euler-Methode ..................................................................... 291
12.4 Lagrange’sche Methode ................................................................................ 293
12.5 Mechanismenstrukturen ................................................................................ 295

13 Bauteiloptimierung ............................................................................................... 297


13.1 Formulierung einer Optimierungsaufgabe .................................................... 297
13.2 Parameteroptimierung ................................................................................... 298
13.3 Bionische Strategie ........................................................................................ 300
13.4 Selektive Kräftepfadoptimierung .................................................................. 303

14 Grundregeln der FEM-Anwendung .................................................................... 306


14.1 Fehlerquellen ................................................................................................. 306
14.2 Elementierung und Vernetzung ..................................................................... 307
14.3 Netzaufbau ..................................................................................................... 311
14.4 Bandbreiten-Optimierung .............................................................................. 314
14.5 Genauigkeit der Ergebnisse ........................................................................... 318
14.6 Qualitätssicherung ......................................................................................... 320
14.7 Modelladäquatheit ......................................................................................... 322

Fallstudie 1: zu Kapitel 4 Matrix-Steifigkeitsmethode ..................................................... 325


Fallstudie 2: zu Kapitel 5 Konzept der FEM / Allgemeine Vorgehensweise .................... 327
Fallstudie 3: zu Kapitel 5 Konzept der FEM / Schiefe Randbedingungen ....................... 331
Fallstudie 4: zu Kapitel 5 Konzept der FEM / Durchdringung ........................................ 332
Fallstudie 5: zu Kapitel 7 Anwendung von Schalen-Elementen ....................................... 334
Fallstudie 6: zu Kapitel 7.5 Anwendung von Volumen-Elementen / Mapped meshing .... 337
Fallstudie 7: zu Kapitel 7.5 Anwendung der Volumen-Elemente / Free meshing ............ 339
Fallstudie 8: zu Kapitel 9 Dynamische Probleme ............................................................ 342
Fallstudie 9: zu Kapitel 9.6 Erzwungene Schwingungen ................................................. 345
Fallstudie 10: zu Kapitel 10 Materialnichtlinearität ....................................................... 349
Fallstudie 11: zu Kapitel 10.4 Geometrische Nichtlinearität ........................................... 352
Fallstudie 12: zu Kapitel 11 Wärmeleitungsprobleme ..................................................... 355

Übungsaufgabe 4.1 ......................................................................................................... 359


Übungsaufgabe 5.1 ......................................................................................................... 360
Übungsaufgabe 5.2 ......................................................................................................... 361
Inhaltsverzeichnis IX

Übungsaufgabe 5.3 ......................................................................................................... 363


Übungsaufgabe 5.4 ......................................................................................................... 365
Übungsaufgabe 5.5 ......................................................................................................... 367
Übungsaufgabe 5.6 ......................................................................................................... 370
Übungsaufgabe 5.7 ......................................................................................................... 371
Übungsaufgabe 5.8 ......................................................................................................... 372
Übungsaufgabe 5.9 ......................................................................................................... 375
Übungsaufgabe 6.1 ......................................................................................................... 376
Übungsaufgabe 7.1 ......................................................................................................... 377
Übungsaufgabe 7.2 ......................................................................................................... 378
Übungsaufgabe 9.1 ......................................................................................................... 379
Übungsaufgabe 9.2 ......................................................................................................... 380
Übungsaufgabe 9.3 ......................................................................................................... 381
Übungsaufgabe 9.4 ......................................................................................................... 382
Übungsaufgabe 10.1 ......................................................................................................... 383
Übungsaufgabe 11.1 ......................................................................................................... 384
Übungsaufgabe 11.2 ......................................................................................................... 385

Mathematischer Anhang .................................................................................................. 386


QM-Checkliste einer FE-Berechnung .............................................................................. 402
Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 404
Sachwortverzeichnis ......................................................................................................... 409
X

Formelzeichensammlung

-A- D Differenzialoperatoren-
ai Multiplikatoren matrix
A (mm2) Querschnittsfläche
A (mm) Koordinatenmatrix; -E-
Koeffizientenmatrix; E (N/mm2) Elastizitätsmodul
Iterationsmatrix E (N/mm2) Elastizitätsmatrix
A Boole‘sche Matrix ET Tangenten-Elastizitäts-
Ai Koeffizient matrix

-B- -F-
B Lösungsbereich f (N) bezogene (verteilte)
B differenzierte Ansatz- Kraft
funktionsmatrix; F(x) Funktion allgemein
Koeffizientenmatrix F (N) Vektor der äußeren
BN nichtlinearer Anteil der Einzelkräfte
Matrix B Fa äußere Kräfte
Fb Reaktionskräfte
-C-
Fc Resultierende der
c (N/mm) Federkonstante Schwingungs-DGL
c Elementdämpfungsma- Fi Einzelkraft
trix
Fia äquivalente Einzel-
ci , Ci Integrationskonstante
kräfte
ci (mm; grd) Koeffizient Fs unbekannte
c ij (N/mm; Drehsteifigkeitskoef- Reaktionskräfte
grd) fizient
C Systemdämpfungs- -G-
matrix; g Zeilenvektoren
Wärmekapazitätsmatrix
gi , g j Formfunktionen

-D- G (N/mm2) Gleitmodul


d (mm) Knotenverschiebungen G Formfunktionsmatrix;
Matrix der Knotenan-

d (mm/s2) Knotenbeschleunigung
satzfunktionen
d (mm/s) Knotengeschwindigkeit
Gi Formfunktionsmatrix
dP Plattenanteil der
GK (N) Gravitationskraft
Knotenverschiebung
Scheibenanteil der G kub kubischer Anteil der
dS
Knotenverschiebung Formfunktionsmatrix
D(u) Differenzialoperator G lin linearer Anteil der
Formfunktionsmatrix
Formelzeichensammlung XI

Gr rotatorischer Anteil der kS (N/mm) Scheibenanteil der


Formfunktionsmatrix Steifigkeitsmatrix
Gt translatorischer Anteil K, M Diagonalhypermatrix
der Formfunktions- K (N/mm) Systemsteifigkeits-
matrix matrix;
(W/mm·K) Systemwärmeleitungs-
-H- matrix
h Stützstelle Kaa Kab partitionierte System-
hi (mm) Amplitudenhöhe Kba Kbb steifigkeitsmatrix
H Hermite’sche An-
satzfunktionsmatrix KB Systembiegesteifig-
keitsmatrix
-I- K cc reduzierte Steifig-
I Integral, allgemein keitsmatrix
I Gebietsintervall; KN (N/mm) geometrische
Einheitsmatrix Systemsteifigkeits-
matrix
-J- KT (N/mm) Tangentensteifig-
keitsmatrix
J Jacobi-Matrix
Kσ (N/mm) Initialspannungsmatrix
Jp (mm4) polares Flächenträg-
heitsmoment
Jy,Jz (mm4) Flächenträgheits- -L-
moment A ij Koeffizienten;
Matrixelement
J 2′ 2. Invariante des
Spannungstensors L (mm) Länge
L Differentialoperator
-K- L (N/mm) Dreiecksmatrix;
k (N/mm) Federkonstante Lastoperator
k (N/mm) Elementsteifigkeits-
matrix; -M-
(W/mm·K) Elementwärme- m (kg) Elementmassenmatrix
leitungsmatrix m ij (kg) Massenkoeffizient
k (N/mm) transformierte Element-
steifigkeitsmatrix mK Knotenlastvektor von
eingeleiteten
kB (N/mm) Biegesteifigkeitsmatrix
Momenten
kG (N/mm) geometrische Steifig- m0 Oberflächenlastvektor
keitsmatrix bei verteilten
k ij Verschiebungsein- Momenten
flusszahlen; mt (N·mm/ verteiltes Torsions-
(N/mm) Steifigkeitskoef- mm) moment
fizienten m x, y seitenbezogene
kP (N/mm) Plattenanteil der Biegemomente
Steifigkeitsmatrix
XII Formelzeichensammlung

M Systemmassenmatrix -Q-
Mb Biegemoment q (N/mm) seitenbezogene
M cc reduzierte Massen- Querkraft
matrix q Wärmestromdichte
Mi (N·mm) Moment q (N/mm2) Vektor der verteilten
Muu Mus partitionierte äußeren Oberflächen-
Systemmassenmatrix kräfte
Msu Mss
q xz, yz (N/mm) seitenbezogene
Querkräfte
-N- qz (N/mm) verteilte Streckenlast
n Stützstellen; Q Knotenpunktwärme-
Zähler flüsse
n x, y seitenbezogene Kräfte  Wärmestrom
Q
Nj Schnittgrößen Qi (N) Querkraft
n Festwertvektor Q xz (N) Querkraft
N Ansatzmatrix;
Nebenbedingungs-
-R-
matrix
r (mm) Radius
R Rand
-O-
R (N) Vektor der Kontakt-
0 (mm2) Oberfläche
knotenkräfte
Re 2
(N/mm ) Fließgrenze
-P- 2
Rm (N/mm ) Bruchgrenze
pi (N) Kraftkomponente
R Vektor der Element-
pk Knotenlastvektor
knotenkräfte der unge-
px (N/mm) verteilte Längskraft bundenen Struktur
2
pz (N/mm ) verteilte äußere
Querkraft -S-
P Knotenverschiebungs- S (N/mm2) Spannungsmatrix
vektor der ungebun- S ij (N) Schnittkräfte in Stäben
denen Struktur
P (N) Systemlastvektor S y ,z ( mm 3 ) statische Momente
P̂ (N) Vektor der Element-
knotenkräfte
-T-
p äquivalente Kräfte
ä t (mm) Elementdicke
p0 Oberflächenkräfte t (s) Zeit
PS Kraftvektor des T (K) Temperatur
Scheibenanteils (N·mm) Torsionsmoment
PP (N) Kraftvektor des T Transformationsmatrix
Plattenanteils Tc Eliminationsmatrix
Formelzeichensammlung XIII

-U- WR Formänderungsenergie;
u, v, w (mm) Verschiebungs- Restwert
komponenten
u (mm) Elementverschie- -X-
bungsvektor x (mm) Weg
u (mm/s) Geschwindigkeits- x Eigenvektor
vektor der Element-
X Eigenvektormatrix
verschiebungen

u (mm/s2) Beschleunigungsvektor
der Elementver- -Y-
schiebungen y Hilfsvektor
G
ui (mm) Verschiebung
α (1/K) Längenausdehnungs-
U (mm) Systemverschie-
koeffizient
bungsvektor
α Konstantenvektor
Ua (mm) unbekannte Ver-
schiebungen α Wärmeübergangs-
primäre Freiheitsgrade koeffizient
Uc
αi Richtungswinkel
Üc Beschleunigungen
der primären Freiheits- β Winkel; Parameter
grade Δ Differenz
Ue sekundäre Freiheits- ε Verzerrungsvektor
grade İo Anfangsverzerrungs-
Us bekannte Verschie- vektor
bungen φ Ergiebigkeit
Uu unbekannte Ver- φ( x ) beliebiger Drehwinkel
schiebungen
Beschleunigungen der φ ji Koeffizienten der
Üu
unbekannten Elementträgheitsmatrix
Verschiebungen Φi Verdrehung am Knoten
γ Winkel
-V- ηi Auslenkung
v Vektor η, ξ normierte Koordinate
V (mm3) Volumen ț Koeffizientenmatrix
Vi Vergrößerungsfunktion κ Krümmung;
spez. Wärme
-W- λ (1/s) Längsfrequenz
w(x, t) Verschiebefunktion (W/mm·K) Wärmeleitfähigkeit;
wb (mm) Biegeverformung Eigenwerte;
Lagrange’scher
ws Schubverformung Multiplikator
W (N·mm) Arbeit μ Reibkoeffizient
Wa (N·mm) äußere Arbeit ȁ Eigenwertmatrix
Wi (N·mm) innere Arbeit Θ Massenträgheit
XIV Formelzeichensammlung

ρ (kg/dm3) Dichte
ρ Vektor der
Elementknoten-
verschiebungen
Ω äußere Anregung
σ (N/mm2) Normalspannung
τ (N/mm2) Schubspannung
τη(t) Erregungsfunktion
ν Querkontraktion;
(1/s) Frequenz
ξ Dämpfungsmaß
ω Kenngröße für den
Schubwiderstand;
(1/s) Eigenkreisfrequenz
ψ Re d Winkel
ζi Flächenkoordinate
(1/s) Eigenkreisfrequenz
ψ Re d Winkel
ζi Flächenkoordinate
1

1 Einführung
Die Finite-Element-Methode hat sich seit vielen Jahren im Ingenieurwesen bewährt und
wird mittlerweile schon routinemäßig für Berechnungsaufgaben im Maschinen-, Apparate-
und Fahrzeugbau eingesetzt. Sie ermöglicht weitestgehend realitätsnahe Aussagen in den
Stadien Konzeptfindung und Entwicklung von Bauteilen und Strukturen durch
Rechnersimulation der physikalischen Eigenschaften und trägt damit wesentlich zur
Verkürzung der gesamten Produktentwicklungszeit bei. Im Zusammenwirken mit CAD zählt
heute die FEM als das leistungsfähigste Verfahren, die Ingenieurarbeit zu rationalisieren und
qualitativ zu optimieren. Das Vertrauen in FEM-Rechnungen darf aber nicht nachlässig
machen, so haftet der Berechnungsingenieur bei einer falschen Auslegung nach dem BGB,
ProdSG und dem ProdHfG. Insofern sollten die Grundzüge der FE-Methode allen
Ingenieuren bekannt sein, um die problemgerechte Einsetzbarkeit und die erzielten
Ergebnisse in der Praxis beurteilen zu können. Intention des Buches ist daher der
Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis sowie einen Überblick zu Anwendungen in der
Statik, Dynamik, Mehrkörpersimulation (MKS) und Wärmeübertragung geben zu wollen.

1.1 Historischer Überblick

Mit der klassischen technischen Mechanik ist es bis heute nicht möglich, komplexe elasto-
mechanische Zusammenhänge in realen Systemen ganzheitlich zu erfassen. Üblicherweise
geht man dann so vor, dass ein stark vereinfachtes Modell des Problems geschaffen wird,
welches gewöhnlich leichter zu lösen ist. Hierbei ist natürlich die Übertragbarkeit der Ergeb-
nisse stets kritisch abzuklären, da die Abweichungen meist groß sind. Allgemeines
Bestreben ist es daher, Systeme so realitätsnah wie nötig für eine Betrachtung aufzubereiten.

Diskretes Modell Von der Vorgehensweise


F(t)
m1 her kann in eine diskrete
Kontinuierliches Modell und eine kontinuierliche
c1 d1 Modellbildung unterschie-
F(t) (bzw. F)
m2 den werden. Als Beispiel
Aluminium (s. Bild 1.1) denke man an
c2 d2 Temperatur T1 eine schwingfähige Struk-
Gummi tur, die diskret als Feder-
Masse-Schwinger und kon-
Verformung Δu Stahl tinuierlich als Kontinuums-
Reibung schwinger idealisiert wer-
Kontaktzone
Stahl den kann. Bei diskreten
Systemen folgt die System-
Einschlüsse antwort stets aus einer ge-
ringen Anzahl von Zu-
Kerbwirkung standsgrößen, die meist in
Lagerung Form von gekoppelten
Temperatur T2 linearen Gleichungen auf-
treten
Bild 1.1: Ideales Modell versus reales Modell

B. Klein, FEM, DOI 10.1007/978-3-8348-2134-8_1,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012
2 1 Einführung

Demgegenüber muss die Antwort eines kontinuierlichen Systems aus der Lösung einer
Differenzialgleichung ermittelt werden, wobei eine Vielzahl von Zustandsgrößen
interessieren. In der Praxis stehen aber, wie bei der vorstehenden Modellierung angedeutet,
Aufgaben an, die durch eine komplizierte Geometrie, überlagerte Lastfälle, unübersichtliche
Randbedingungen und verschiedenartige Werkstoffgesetze gekennzeichnet sind. Hierbei
geht es regelmäßig um gut gesicherte Ergebnisse, da hierhinter letztlich ein Einsatzfall steht,
der eine Absicherung erforderlich macht. Vor diesem Hintergrund sind somit
Lösungsverfahren gefordert, die universell und genau sind, ingenieurmäßigen Charakter
haben, auf kontinuierliche Systeme anwendbar sind und lokale Aussagen ermöglichen. Diese
Forderungen werden, wie wir später noch sehen werden, in idealer Weise von der FEM
/ARG 64/ erfüllt.

Verfolgt man einführend kurz die Entwicklungsgeschichte der FEM, so ist festzustellen,
dass man es hier mit einer relativ jungen Methode zu tun hat, die im Wesentlichen in den
letzten 60 Jahren entwickelt worden ist. Erfolgreiche Anwendungen haben dann sehr schnell
zu einer sprunghaften Verbreitung geführt. Wie der Zeittabelle von Bild 1.2 zu entnehmen
ist, wurde das Grundgerüst etwa gleichwertig von Mathematikern und Ingenieuren
geschaffen /MEI 89/.

elast. Stabmodelle von 50er-Jahre erste ingenieurmäßige


Hrennikoff, 1941 Computer- Herleitung der Flächen-
Entwicklung elemente
Turner/Clough/
bereichsweise Ansätze Martin/Topp,
Kraft- und Verschiebungs- 1953-1956
zur Lösung von DGLs größenverfahren für
Courant, 1943 Stabtragwerke,
Prager/Synge, 1947 Matrizenformulierung von Name "FEM" durch
Argyris, 1954 Clough, 1960

- Umwandlung der DGL durch Variationsmethode oder Ritz-Galerkin-Ansatz


Besseling/Melosh/de Veubeke, ca. 1962
- erste Konferenz über Computermechanik, 1963
- erstes FEM-Lehrbuch von Zienkiewicz/Cheung, 1967

stürmische Weiterentwicklung der Methode

von 1965 bis heute:


- Verallgemeinerung u. Vereinfachung der Methode
- neue Anwendungsgebiete (Strömung, Wärmeleitung, Magnetismus, Multiphysik)
- Prozesse (Umformung, Schweißen, Spritzgießen etc.)

gegenwärtig:
virtuelle Produktentwicklung / CAD + MKS + FEM = CAE

Bild 1.2: Zeittafel der FE-Methode-Entwicklung nach CAD-FEM/Grafing


1.1 Historischer Überblick 3

Herausgehoben werden sollen hier nur einige markante Entwicklungsschritte:

• Im Jahre 1941 hat Hrennikoff ein Stabmodell (Gitterrostverfahren) geschaffen, mit dem
2-D-Stabwerk- und Scheibenprobleme einfacher lösbar waren. Er benutzte dabei einen
Matrizenformalismus, der der heutigen FE-Methode ähnlich ist.

• Etwa 1943 haben Courant und später Prager/Synge bereichsweise Ansätze zur Lösung
von Differenzialgleichungen herangezogen und damit das Prinzip der Unterteilung von
Lösungsgebieten benutzt, welches dem Grundgedanken der FEM entspricht.

• Aufbauend auf den Arbeiten von Ostenfeld (Tragwerkberechnung mit Verschiebungen als
Unbekannte) haben Argyris und Kelsey (1954) im Wesentlichen das Matrizenformat für
die Berechnung von stabartigen Tragwerken mit dem Kraft- und Verschiebungsgrößen-
verfahren aufbereitet. Etwa parallel erfolgte durch Turner, Clough, Martin und Topp die
Übertragung auf die Festkörpermechanik. Begünstigt wurden diese Arbeiten durch das
Aufkommen der ersten leistungsfähigen Computer.

• Die Prägung des Begriffs „FEM“ wird im Allgemeinen Clough (1960) zugeschrieben, der
hiermit die Modellvorstellung eines Kontinuums als eine Zusammensetzung von Teilbe-
reichen (finiten Elementen) verband. In jedem Teilbereich wird das Elementverhalten
durch einen Satz von Ansatzfunktionen beschrieben, die die Verschiebungen, Dehnungen
und Spannungen in diesem Teilbereich wiedergeben.

• Ein Ziel der FEM besteht darin, die problembeschreibende DGL in ein lineares Glei-
chungssystem umzuwandeln. Dieser Schritt gelingt einmal dadurch, indem über das Vari-
ationsprinzip eine Ersatzgleichgewichtsbedingung formuliert wird oder durch das Verfah-
ren des gewichteten Restes (Ritz-Galerkin) die Abweichungen, eines die DGL
erfüllenden Lösungsansatzes, minimiert werden. Diese Erkenntnisse sind etwa 1962 von
Besseling, Melosh und de Veubeke gewonnen worden.

• In der Folge hat die FEM im Ingenieurwesen große Aufmerksamkeit gefunden, was durch
eine eigene Konferenz und die Abfassung erster Lehrbücher dokumentiert ist.

• Mit der Etablierung der Methode setzte eine stürmische Weiterentwicklung ein, und es
wurden über die lineare Elastik ergänzende Formulierungen für nichtlineares Materialver-
halten, nichtlineares geometrisches Verhalten, Instabilität und Dynamik gefunden. Durch
den ausgewiesenen Anwendungserfolg bestand weiteres Interesse, auch andere Phäno-
mene wie Wärmeleitung, Strömung, elektromagnetische Felder und Multiphysik (gekop-
pelte Effekte) für die FE-Methode zu erschließen.

• In dem heute angestrebten integrativen, rechnerunterstützten Konstruktionsprozess stellt


FEM in Verbindung mit CAD ein wichtiges Basisverfahren dar, welches im Zuge der vir-
tuellen Produkt- und Prozessentwicklung immer stärker angewandt wird.

Gemäß dem derzeitigen Stand der Technik werden von verschiedenen Softwarehäusern
kommerzielle Universalprogramme (z. B. NASTRAN, ANSYS, MARC, I-DEAS, ABAQUS
usw.) angeboten, die sich nur in Nuancen unterscheiden. Meist sind diese Programmsysteme
für die lineare Elastomechanik entwickelt und später um Module zur nichtlinearen Festig-
keitsberechnung, Dynamik oder Wärmeleitung erweitert worden. Daneben existieren auch
4 1 Einführung

eigenständige Programmsysteme für Strömungsprobleme (CFD = Computational Fluid


Dynamics gewöhnlich mit ALE-Ansatz*)), multiphysikalische Simulationen (COMSOL)
oder Mehrkörperdynamik (MKS).

1.2 Generelle Vorgehensweise

Wie spätere Ausführungen zeigen werden, benötigt der Anwender der Finite-Element-Me-
thode gesichertes Grundwissen über die theoretischen Zusammenhänge, da die hauptsäch-
liche ingenieurmäßige Aufgabenstellung in der Überführung des realen Bauteils in ein finites
Analogon besteht. Der weitere Ablauf, d. h. die eigentliche Berechnung, erfolgt hingegen
durch den Rechner automatisch. Der Anwender ist erst wieder gefragt, wenn es um die Plau-
sibilitätsprüfung des Ergebnisses und dessen Rückumsetzung zur Bauteiloptimierung geht.

(real) (idealisiert)
Stab-Elemente
Fx

y
x

M bz M bz

Symmetriehälfte Scheiben-Elemente Fx

Bild 1.3: Schritte vom realen Bauteil zum FE-Modell

Da der Umfang dieses kompakten Lehrbuchs in der Hauptsache auf die Behandlung von
Festigkeitsproblemen ausgerichtet ist, sollen an einem kleinen einführenden Beispiel die
wesentlichen Arbeitsschritte der Finite-Element-Methode diskutiert werden.

Im vorstehenden Bild 1.3 ist dazu ein einfacher Doppel-T-Träger (IPB) mit einem Mittel-
durchbruch unter einer statischen Momentenbelastung (Mbz) dargestellt. Von praktischem
Interesse sei dabei die Ermittlung des Verformungszustandes, der Kräfte bzw. der
Dehnungen und der Spannungen bevorzugt in den hoch beanspruchten Flanschen.

Bei der notwendigen problemgerechten Aufbereitung für eine FEA gilt es, hierzu folgende
Schritte zu durchlaufen:

*)
Anmerkung: ALE = Arbitrary Lagrangian Eulerian-Methode zur Analyse freier Oberflächen, Mehrphasen-
strömungen und Fluid-Struktur-Effekten
1.2 Generelle Vorgehensweise 5

1. Gemäß des mechanischen Verhaltens des Bauteils muss ein finites Modell gebildet wer-
den. Im vorliegenden Fall wird der Träger in den Flanschen Zug-Druck und im Steg
hauptsächlich Schub abtragen. Entsprechend diesen Belastungen können die Flansche
durch Stab- und der Steg durch Scheiben-Elemente idealisiert werden. Möglich wäre auch
eine einheitliche Idealisierung durch Schalen-Elemente oder gar Volumen-Elemente. Bei
der Elementierung muss stets die Verschiebungskompatibilität an den Knoten der zusam-
mengebundenen Elemente gegeben sein.

Zur Elementierung sei noch bemerkt: Wenn für die Flansche Stab-Elemente gewählt wer-
den, kann man nur Normalkräfte bzw. abschnittsweise Zug/Druck-Spannungen bestim-
men. Würde man stattdessen ganzheitlich Schalen-Elemente wählen, so beziehen sich die
ermittelten Spannungen auf die Mittelebene (bzw. auf ausgewählte Integrationspunkte
über der Dicke) der Elemente. Erst mit der Wahl von Volumen-Elementen kann man eine
weitgehend reale Spannungsverteilung auch in den Ecken ermitteln.

2. Bei einer Modellbildung ist immer zu prüfen, ob Symmetrien ausgenutzt werden können,
da hierdurch die Bearbeitungszeit gravierend verkürzt werden kann. Das Beispiel zeigt in
Geometrie und Belastung eine Halbsymmetrie, insofern braucht nur eine Hälfte des Trä-
gers als Modell aufbereitet werden. An den Schnittkanten müssen dann aber besondere
Randbedingungen angegeben werden.

3. Für die Netzbildung ist es wichtig, dass das Netz dort verdichtet wird, wo man exaktere
Informationen erzielen will und dort grob ist, wo die Ergebnisse nicht so sehr von Inte-
resse sind.

Die Netze werden heute ausschließlich mit Prä-Prozessoren weitgehend automatisch er-
zeugt. Hierzu ist eine Aufteilung des zu vernetzenden Gebietes in Makros vorzubereiten.
Ein Makro wird gewöhnlich durch drei oder vier Seiten gebildet, bei größerer Seitenzahl
ist durch Linienzusammenfassung ein regelmäßiges berandetes Gebiet zu erzeugen.
Durch die Wahl der Elementgeometrie und eines Seitenteilers muss dann eine sinnvolle
Vernetzung möglich sein.

4. Grundsätzlich können elastomechanische Vorgänge nur ausgelöst werden, wenn Festhal-


tungen vorliegen, d. h. ein Bauteil mindestens statisch bestimmt gelagert ist und mindes-
tens eine Kraft wirkt. Dies gilt auch für unser Beispiel, das jetzt mit zutreffenden Randbe-
dingungen zu versehen ist. Alle Knotenpunkte auf den Schnittkanten müssen sich dabei in
y-Richtung frei bewegen können, in x-Richtung aber in ihrer Beweglichkeit gesperrt wer-
den. Weiter muss an mindestens einem Punkt die Beweglichkeit in y-Richtung gesperrt
werden, damit das Bauteil keine Starrkörperbewegungen vollführt.

5. Da die Elemente über die Knotenpunkte verbunden werden, sollten die äußeren Kräfte
wenn möglich in die Knoten eingeleitet werden.

Nachdem diese ingenieurmäßigen Vorarbeiten durchgeführt worden sind, kann man sich
eines FEM-Programmsystems bedienen, in das nun das Modell einzugeben ist. Wenn das
Modell formal richtig ist, lässt sich der Gleichungslöser anstarten, der nach den Verfor-
mungen auflöst und in einer Rückrechnung die Spannungen, Dehnungen sowie Reaktions-
kräfte ausweist. Die Aufbereitung der dabei anfallenden Daten erfolgt üblicherweise gra-
6 1 Einführung

fisch. Im Bild 1.4 ist der formale Ablauf dargestellt, wie er heute in der FEM-Praxis ange-
wandt wird.

CAD-System

Schnittstelle

Prä-Prozessor (Vorlauf)

FEM-Universalprogramm
(Solver)

Post-Prozessor (Nachlauf)

Bild 1.4: Konventionelle CAE-Prozesskette

Im Regelfall ist das Bauteil in CAD erstellt worden und muss noch entsprechend aufbereitet
werden. Hierbei kann es sein, dass die Hersteller zwischen dem CAD- und dem FEM-
System eine Direktkopplung realisiert haben. In diesem Fall kann ein Bauteil als Flächen-
oder Volumenmodell sofort übernommen werden, wobei Assoziativität bestehen bleibt.
Liegen hingegen zwei völlig autonome Systeme vor, so muss die Bauteilgeometrie über eine
Standardschnittstelle wie IGES (Initial Graphics Exchange Specification), STEP*) (Standard
for the Exchange of Product Model Data) oder VDAFS transportiert werden. Es ist in diesem
Zusammenhang meist notwendig, dass in beiden Fällen die Geometrie bereinigt und nachbe-
arbeitet werden muss bis zur nackten FEM-Geometrie. Der damit verbundene Aufwand lässt
sich durch Nutzung der Parasolid- oder ACIS-Schnittstelle minimieren.

Die Aufgabenstellung des Prä-Prozessors ist die Generierung eines berechenbaren FE-Mo-
dells, d. h. die Erzeugung eines sinnvollen Netzes, Zuweisung der Elementdaten (A, J, t) und
der Materialwerte (E, ν) sowie Einbringung der Kräfte und Randbedingungen. Ein damit
bestimmtes System kann nun mittels eines numerischen Gleichungslösers behandelt werden,
und zwar wird ein Gleichungssystem des Typs

Steifigkeit x Verschiebungen = Kräfte

nach den Verschiebungen aufgelöst. Über das Werkstoffgesetz besteht weiterhin ein Zu-
sammenhang zu den Spannungen, die somit ebenfalls berechnet werden können. Für die
Ausgabe wird ein Post-Prozessor eingesetzt. Dieser stellt die verformte Struktur sowie die
Dehnungen und Spannungen in einer Struktur dar. Hierzu werden Farbfüllbilder benutzt, die
sofort einen Überblick über die herrschenden Verhältnisse geben.
*)
Anmerkung: STEP ist in der ISO 10303 genormt und fähig, alle produktbeschreibenden Daten von CAD
nach CAD oder CAD nach FEM zu übertragen.
VDAFS ist die Schnittstelle der Automobilindustrie für Flächen und Volumina, hat eine sehr
gute Übertragungstreue (VDA-Datei ≈ 5 ⋅ STEP-Datei).
1.2 Generelle Vorgehensweise 7

Wie diese Darlegungen erkennen lassen, ist dies eine qualifizierte Ingenieurarbeit, die nor-
malerweise eines Spezialisten bedarf. Dies zeigt sich auch in großen Konstruktionsbüros, die
zwischen CAD-Konstrukteuren und FEM-Analytikern unterscheiden. Keineswegs ist es aber
so, dass FEM-Probleme vollautomatisch durch Rechner gelöst werden können. Wie die
Tätigkeitsanalyse von Bild 1.5 ausweist, ist der Rechner hier nur das zentrale Hilfsmittel,
ohne dessen Leistungsfähigkeit die Methode generell nicht wirtschaftlich nutzbar wäre.

geschätzter Mann- geschätzte


anfallende Bearbeitungsschritte
zeitaufwand Rechenzeit

• methodengerechte Aufbereitung des 10 % -


Problems
• Prä-Prozessing 50 % 20 %
• Rechenlauf - 70 %
• Post-Prozessing 30 % 10 %
• Plausibilitätsprüfung 10 % -

Bild 1.5: Tätigkeitsanalyse zur Bearbeitung von FE-Problemen

Bis vor wenigen Jahren war der manuelle Aufwand bei der Bearbeitung von FE-Problemen
noch sehr groß und somit die Durchführung von FE-Rechnungen sehr teuer. Dies hat sich
mit der schnellen Weiterentwicklung der Computertechnik aber grundlegend geändert. Die
Möglichkeiten zum interaktiven Arbeiten wurden durch eine neue Bildschirmtechnologie
verbessert, was wiederum die Voraussetzungen für leistungsfähigere Prozessoren war. Zu-
dem konnte die Rechengeschwindigkeit von Workstations etwa verhundertfacht und die
Speicherkapazität verzehnfacht werden. Ein neuer Trend weist zu PC-Lösungen in einer
Windows/NT-Arbeitsumgebung, die mittlerweile Workstation in den Leistungsparametern*)
überholt haben. Durch diese günstigeren Rahmenbedingungen ergibt sich zunehmend die
Chance, auch größere Berechnungsumfänge in vertretbarer Zeit und zu geringeren Kosten zu
bearbeiten.

Eine weitere Perspektive, vor allem in den USA, geben so genannte MCAE-Systeme
(Mechanical Computer Aided Engineering) wie beispielsweise I-DEAS/NX (oder in An-
sätzen CATIA V5/SIMULIA, ANSYS Workbench), in denen CAD, FEM, Optimierung und
Lebensdauer als Verfahrensstrang zusammengeführt worden sind. Um insbesondere die
Möglichkeiten zum Leichtbau (niedriges Eigengewicht, hohe Steifigkeit, beste Materialaus-
nutzung) zielgerichteter genutzt werden können, bedarf es ebenfalls einer besseren Anpas-
sung der Strategie. Realisiert wird dies heute über Kontur- oder Topologieoptimierungsalgo-
rithmen, die die Oberflächenkontur oder die Materialverteilung dem Belastungsverlauf an-
*)
Anmerkung: Im Jahre 1985 lag die Leistungsfähigkeit eines Micro-VAX-II-Rechnersystems für ca. 1.000
Elemente (≈ 5.000 FHGs) bei 60 Min. CPU; im Jahre 1999 schaffte der Parallelrechner Silicon
Origin ca. 280.000 Elemente (≈ 1,2 Mio. FHGs) bei 20 Min. CPU; heute schaffen PCs mit
(4 GB-RAM) etwa 500.000 Elemente (≈ 2,0 Mio. FHGs) bei 60 Min. CPU-Zeit.
8 1 Einführung

gleichen. Die FE-Methode entwickelt sich somit immer mehr zu einem Werkzeug der
Prävention, in dem Bauteile durch Simulation praxistauglich gemacht werden. Dies erspart
Prototypen und aufwändige Nachbesserungen im späteren Nutzungsumfeld.

1.3 Aussagesicherheit einer FE-Analyse

Eine Frage, die Anwender immer wieder bewegt, ist die nach der Richtigkeit der Ergebnisse.
Überspitzt kann man dazu feststellen: Ein FE-Programm rechnet alles, was formal richtig er-
scheint. Ob das, was gerechnet wird, jedoch dem tatsächlichen Verhalten gerecht wird, muss
letztlich durch ingenieurmäßigen Sachverstand überprüft werden. Bei der Anwendung gibt
es nämlich einige Fehlerquellen, die letztlich die Qualität des Ergebnisses negativ
beeinflussen:

− Ein häufiger Fehler besteht in der physikalisch unkorrekten Annahme der Randbedin-
gungen, welches dann zu einer falschen Spannungsverteilung und falschen Auflagerreak-
tionen führt.
− Ein weiterer Fehler ist, dass die ausgewählten Elemente die Reaktionen des Bauteils nur
unzureichend wiedergeben, wodurch die tatsächliche Spannungsverteilung nicht erfasst
wird.
− Des Weiteren kann es sein, dass zu stark vereinfachte Körpergeometrieverläufe zu nicht
vorhandenen Spannungsspitzen führen,
oder
− das Netz einfach zu grob gewählt wurde, um verlässliche Aussagen machen zu können.

Die Anwendung der FEM bedarf somit einiger Erfahrung, da der implizit im Ergebnis
mitgeführte Fehler maßgeblich durch die Sorgfalt des Berechnungsingenieurs bestimmt
wird. Über die Größe des Fehlers kann regelmäßig nichts ausgesagt werden, da zu
komplizierten Bauteilen meist keine exakte physikalische Lösung bekannt ist.

Unterstellt man, dass alle Annahmen zutreffend gewählt wurden, so ist für die Genauigkeit
des Ergebnisses die Anzahl der Elemente verantwortlich, die zur Bauteilbeschreibung heran-
gezogen wurden. Je feiner also ein Netz gewählt wurde, umso genauer kann ein Bauteil be-
schrieben werden und umso genauer werden auch die Ergebnisse sein. Aus diesem Grunde
bezeichnet man Programme mit dieser Abhängigkeit als h-Versionen, weil eben die Ergeb-
nisgüte eine Funktion von h - dem relativen Elementdurchmesser - ist.

Diese Zusammenhänge stellen für die Praxis oft ein Hindernis dar, da man ja eigentlich ein
sehr gutes Ergebnis erzielen möchte, für das man aber eine große Elementanzahl benötigt,
was wiederum gleichbedeutend ist mit einer sehr langen Rechenzeit. Prinzipiell existiert für
dieses Problem aber ein einfacher Lösungsansatz, denn die Funktion Genauigkeit über Ele-
mentanzahl oder Freiheitsgrade konvergiert immer monoton gegen das exakte Ergebnis
eines FE-Modells. Demnach bräuchte man nur das vorhandene FE-Netz mit einem größeren
Teiler zu verfeinern, jeweils das berechnete Ergebnis auftragen und sich die konvergierende
Funktion ermitteln. Der Haken bei dieser Vorgehensweise ist der hohe Aufwand an Arbeits-
und Rechenzeit, weshalb diese Möglichkeit praktisch nicht genutzt wird. Sieht das Ergebnis
(farbige Darstellung mit einem Post-Prozessor) einigermaßen vernünftig aus, so wird in der
Regel aus Zeit- und Kostengründen auf eine Netzverfeinerung und Konvergenzuntersuchung
verzichtet.
1.3 Aussagesicherheit einer FE-Analyse 9

Diese an sich unbefriedigende Situation ist man in den letzten Jahren mit so genannten p-
Versionen angegangen. Während in herkömmlichen FE-Programmen das Elementverhalten
mit Polynomen erster, zweiter und in Ausnahmefällen dritter Ordnung approximiert wird,
wendet man sich heute immer mehr Polynomen höheren Grades (bis 10) zu. Der Vorteil liegt
darin, dass mit höherem Polynomgrad die Genauigkeit eines Elementes zunimmt, ohne das
Netz verdichten zu müssen. Die Genauigkeitssteigerung erfolgt durch automatisches Hoch-
setzen des Polynomgrades bei unveränderter Netzgeometrie. Wenn die Ergebnisgüte akzep-
tabel ist, wird der Rechenlauf abgebrochen.

Ein Anwendungsbeispiel zur Überprüfung der vorstehenden Aussagen zeigt Bild 1.6. Es
handelt sich hierbei um die Viertelsymmetrie einer Nietbrücke aus einem hochfesten Stahl,
so wie sie im Flugzeugbau zur Überbrückung von Rissen in der tragenden Struktur
eingesetzt wird.
σV [N/mm2]

h-Version
783

9
754 8
7
p-Version 6
5
725 4

3
696

h-Version
667 p=2

100 400 1.000 4.000 10.000 13.000


FHGs

Bild 1.6: Spannungsauswertung in der Nietbrücke mit einer h- und p-Version (nach /NN 90/)

Für die erste Modellierung mit einer h-Version wurden 2.250 Volumen-Elemente (entspricht
4.000 FHGs) aufgewandt. Die größte Spannungsspitze liegt dann bei 667 N/mm 2 . Wird die
Elementanzahl auf 4.500 verdoppelt (entspricht 13.000 FHGs), so steigt die Spannungsspitze
auf 783 N/mm 2 , was einer relativen Spannungszunahme von 15 % entspricht.
10 1 Einführung

Analysiert man das Problem mit einer p-Version, so reichen zur Modellierung 18 Volumen-
Elemente aus. Aus der Auftragung ist mit zunehmendem Polynomgrad die Konvergenz deut-
lich sichtbar. Erfahrungsgemäß erreicht man mit dem Polynomgrad 6 (entspricht 3.100
FHGs) meist recht gute Ergebnisse, was durch dieses Beispiel ebenfalls belegt werden
konnte. Theoretisch kann bis zu einem Polynomgrad 9 ausgewertet werden. Mit der Erhö-
hung des Polynomgrades nimmt die Rechenzeit jedoch so stark zu, dass p-basierte Lösungen
letztlich unwirtschaftlich gegen h-basierte Lösungen sind. Ein weiterer Nachteil ist, dass die
p-Methode bevorzugt auf lineare Probleme anwendbar ist und oft bei nichtlinearen
Fragestellungen oder in der Dynamik versagt.

1.4 Qualitätsstandards

Innerhalb einer Produktentwicklung konnte sich die FEA als ein wichtiger Bestandteil etab-
lieren. Als Dienstleistung kann sie „intern“ im Unternehmen oder „extern“ von einem Inge-
nieurbüro erbracht werden.

Da mit der DIN EN ISO 9001 Vorgaben für die Planung und Durchführung von Produktent-
wicklungsprozessen gemacht werden, bedeutet dies natürlich auch, dass an die Ausführungs-
qualität von FE-Berechnungen Vorgaben bestehen, die umzusetzen und einzuhalten sind.
Die Norm fordert beispielsweise

− ein „Management der Ressourcen“, um die Kundenanforderungen zu befriedigen. Dies


umfasst die Fähigkeiten des Personals und eine Infrastruktur an Soft- und Hardware, die
sicherstellt, dass Aufgabenstellungen gemäß den Vorgaben erfüllt werden können.
− Weiterhin muss eine „Planung und Produktrealisierung“ vorgenommen werden, dies ver-
langt Aufzeichnungen zum FE-Einsatz und den erzielten Ergebnissen.
und
− Eine weitere wichtige Forderung ist die „Bewertung, Verifizierung und Validierung“ von
FE-Ergebnissen, womit oft verbunden ist, dass letztlich eine verantwortliche Führungs-
kraft durch eine Unterschrift für die Richtigkeit der Ergebnisse einsteht.

Der letzte Punkt wird in der Norm mehrfach herausgestellt und führt letztlich zu der Forde-
rung:

− Dienstleistungen müssen validiert werden, wenn die Ergebnisse nicht durch Messung
verifiziert werden können.

Im Sinne der Norm bedeutet Validieren, dass Berechnungsergebnisse als gültig erklärt wer-
den müssen und Verifizieren verlangt eine Überprüfung auf Richtigkeit. Interpretiert man
dies, so wird also verlangt, dass mittels analytischer Handrechnung Vergleichsergebnisse
herangezogen werden. Weisen diese die gleiche Größenordnung auf, so ist zu vermuten, dass
das FE-Ergebnis „richtig“ ist. Dies schließt formal auch die richtige Handhabung ein, womit
wesentliche Pflichten aus dem Produkthaftpflichtgesetz (ProHfG) und dem BGB abgedeckt
sind.
2.2 Kommerzielle Software 11

2 Anwendungsfelder und Software


2.1 Problemklassen

Die Methode der finiten Elemente ist für eine große Klasse von technisch-physikalischen
Aufgaben interessant, weil sehr tief greifende Analysen möglich werden. Bild 2.1 zeigt eine
Zusammenstellung von bisher bekannten Anwendungen. Der Schwerpunkt liegt dabei ein-
deutig bei Festigkeits-, Potenzial- und Multiphysikproblemen.

• lineare Elastostatik: − Hooke‘sches Materialverhalten ( σ = E ⋅ ε )


• nichtlineare Elastostatik: − nichtlineares Materialverhalten (Plastizität)
− geometrisch nichtlineare Probleme (Instabilitätspro-
bleme, große Verschiebungen bei kleinen Dehnungen)
− impulsartige große Verformungen (Crash, implizit)
− Umformprozesse (ALE-Methode)
• lineare Elastodynamik: − Eigenschwingungen
− freie und erzwungene Schwingungen
− zufallserregte Schwingungen
• nichtlineare
Elastodynamik: − zeit- und verschiebungsabhängige Kräfte
− Stabilität, Kreiselbewegung
• Starrkörperdynamik: − MKS bzw. EMKS
• Elastohydrodynamik: − Schmierfilm
• Ermüdungsfestigkeit: − Schädigung, Lebensdauer, Rissbruch
• Aeroelastizität: − elast. Strukturverhalten unter Anströmung

• Wärmeübertragung: − stationäre und instationäre Wärmeleitung


• Thermoelastizität: − mechanische Beanspruchung unter hohen Temperaturen
• Flüssigkeitsströmungen: − Sickerströmung, Geschwindigkeits-, Druck- und
Temperaturfelder

• Elektrotechnik: − elektrisches Strömungsfeld, Magnet- und Wellenfelder

• Akustik: − Schalldruckverteilung, Druckstöße

• Gießtechnologie: − Spritz- und Druckgießen, Schwerkraftgießen

• Multiphysik: − gekoppelte Strömung, Temperatur mit Elastik

Bild 2.1: Methodenstammbaum der FEM (nach /KLE 80/)

B. Klein, FEM, DOI 10.1007/978-3-8348-2134-8_2,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012
12 2 Anwendungsfelder und Software

Ein Kriterium für die Anwendung der Methode ist, dass das physikalische Problem entweder
durch eine Differenzialgleichung oder ein äquivalentes Variationsprinzip darstellbar ist.
(Dies ist für viele Probleme gegeben, jedoch nicht für alle.)

Wir werden später herausarbeiten, dass dies bei den Problemklassen der Elastostatik und
Elastodynamik entweder die Differenzialgleichung des Gleichgewichts oder ersatzweise die
Gleichheit der inneren und äußeren virtuellen Arbeit ist. Die Befriedigung dieser Glei-
chungen versucht man mit geeigneten Ansätzen näherungsweise zu erfüllen, wodurch sich
der Näherungscharakter der Methode /MAY 93/ ergibt.

Bei der Behandlung elastostatischer und elastodynamischer Probleme wendet man heute die
so genannte Verschiebungsgrößen-Methode (unbekannt sind die Verschiebungen in einer
Struktur) an, in dem man Ansatzfunktionen für das Verschiebungsverhalten der Elemente
vorgibt und hiermit ein Gleichungssystem bildet. Früher wurde auch die so genannte Kraft-
größen-Methode (unbekannt sind die Kräfte in einer Struktur) verwandt. Da in der Praxis
aber viel häufiger die Kräfte als die Verschiebungen bekannt sind, hat sich in der Theorie
und Programmerstellung die Verschiebungsgrößen-Methode durchgesetzt, weshalb diese im
Folgenden auch Formulierungsbasis sein soll.

Im Zuge der Weiterentwicklung der FE-Methode ist abzusehen, dass über die Stufen Feld-
probleme, Multiphysik zukünftig komplexe Systemmodellierungen ein breites Anwendungs-
feld darstellen werden. Dynamische bzw. elastodynamische Systeme werden immer tiefer
durch die MKS oder EMKS (elastische Mehrkörpersysteme) erschlossen. Zu den
wichtigsten Feldproblemen zählen: Wärmeleitung, Potenzialströmung und Magnetismus.
Diese Probleme lassen sich auf einen identischen DGL-Typ zurückführen. Je nach
Spezifikation der Konstanten kann dann die Fourier’sche Wärmeleitungsgleichung, die
Poisson’sche Gleichung für Potenzialströmungen oder die Maxwell’sche Gleichung für die
magnetische Kraftwirkung entwickelt werden. Ein entsprechendes FE-Modell ist dadurch
gekennzeichnet, dass an den Knoten nur eine skalare Unbekannte (Temperatur, Druck,
Magnetfeld etc.) vorkommt und daher ein modifiziertes Programm mit einer anderen
Speichertechnik benötigt wird.

Weiter sind in den letzten Jahren CFD-Programme*) (Computational Fluid Dynamics) ent-
wickelt worden. Diese stellen eine Realisierung für Strömungsprobleme mit dem Medium
Luft oder Wasser dar. Darüber hinaus können auch zähe Strömungen (Kunststoffschmelzen)
mit dem Modul MOLDFLOW erfasst werden.

2.2 Kommerzielle Software

Der Softwaremarkt hat sich in den letzten Jahren sehr konsolidiert. Während vor 10 Jahren
noch etliche hundert große und kleine FE-Programme am Markt waren, hat sich dies auf
wenige Systeme konzentriert. Diese werden mit großer Programmierkapazität überwiegend
in den USA entwickelt und weltweit vermarktet. Man schätzt den FE-Markt auf ein
Volumen von 3-4 Mrd. Dollar/Jahr.

*)
Anmerkung: z. B. kommerzielle Softwareprodukte FLOW-3-D, CFX, StarCD, Fluent
2.2 Kommerzielle Software 13

Im Bild 2.2 ist eine Kurzübersicht über die in Deutschland verbreitetsten Programme
wiedergegeben. Die Unterschiede sind im Prinzip gering. Dies schließt nicht aus, dass man
in einem speziellen Anwendungsfall gerade die „letzten 5 %“ benötigt.

MSC I-DEAS/
System ADINA ANSYS ABAQUS
NASTRAN NX
Berechnungsoptionen
Festigkeitsanalyse statisch • • • • •
Explizite Dynamik • • • • -
Stabilitätsanalyse • • • • •
Frequenzanalyse • • • • •
Lebensdaueranalyse • • • • •
Magnetfelder - • - • -
Temperatureinflüsse • • • • •
Strömung • • • • •
Akustik • • • • •
Optimierung k. A. • • • •
Kontakteinfluss • • • • •
Materialeigenschaften
Plastizität • • • • •
Kriechverhalten • • k. A. • •
Viscoelastizität/-plastizität • • • • -
Verbundwerkstoffe • • k. A. • •
Schnittstellen zu anderen
CAE-Programmen
(Auswahl)
CATIA • • • • •
Pro/Engineer • • • k. A. •
I-DEAS • k. A. • k. A. •
SolidWorks • • k. A. k. A. •
Einsatzgebiete universell universell universell nichtlin. universell
Probleme

Bild 2.2: Universelle FEM-Programme


• verfügbar (gegebenenfalls Erweiterung)
- nicht verfügbar
k. A. keine Angabe durch den Hersteller
14 2 Anwendungsfelder und Software

MSC PAM-
System LS-DYNA COSMOSM Pro/Mechanica
ADAMS CRASH
Berechnungsoptionen
Festigkeitsanalyse
• • • • •
statisch
Explizite Dynamik • - • - •
Stabilitätsanalyse • • • • •
Frequenzanalyse • • • • -
Lebensdaueranalyse • • • • -
Magnetfelder - • - - -
Temperatureinflüsse k. A. • k. A. • -
Strömung • - k. A. k. A. -
Akustik k. A. - k. A. k. A. -
Optimierung k.A. • • • •
Kontakteinfluss • • • • •
Materialeigen-
schaften
Plastizität • • k. A. k. A. •
Kriechverhalten k. A. • k. A. k. A. -
Viscoelastizität/-
•/- •/- k. A. k. A. -
plastizität
Verbundwerkstoffe • • k. A. k. A. •
Schnittstellen zu
anderen CAE- via
Programmen ANSYS
(Auswahl)
CATIA - k. A. • • k. A.
Pro/Engineer - k. A. - • k. A.
I-DEAS - • - - •
SolidWorks - k. A. - - k. A.
Einsatzgebiete Crash, einfache Bewegungs- Elastik, Crash
Umfor- Struktur- simulation Dynamik,
mung analysen Lebensdauer

Bild 2.3: FEM-Programme für spezielle Anwendungen


2.2 Kommerzielle Software 15

Neben den aufgeführten schon sehr leistungsfähigen Universalprogrammen (ADINA,


ANSYS, NASTRAN und I-DEAS/NX) existiert beispielsweise mit ABAQUS eine von der
Theorie her sehr komplette Implementierung, die auch schwierigste Fälle zu lösen gestattet.
Meist liegen diese Fälle schon im Forschungsbereich, sodass ein normaler Anwender dieses
Mehr fast nie nutzen wird. Darüber hinaus existieren weitere Spezialprogramme, die ihre
Stärken in der Crash-Analyse, Umformsimulation, MKS (ADAMS, visualNASTRAN) oder
Lebensdauer (FEMFAT, Pro/MECHANICA) haben. Einige Programme hierzu weist Bild
2.3 aus.

Die zukünftige Entwicklungsrichtung der FE-Programme wird mehr in der System- und Pro-
zessschiene liegen, in dem Abläufe oder Ereignisse simuliert werden. In diese Richtung ent-
wickeln sich die MKS-Programmsysteme (Kinematik/Kinetik) und die Prozesssimulation
(Umformen, Gießen, Härten, Lackieren etc.), um zunächst „virtuelle Prototypen“ zu qualifi-
zieren. Eine heute schon in der Automobilentwicklung zur Anwendung kommende Me-
thodenkette zeigt Bild 2.4.

3-D-CAD-Bauteilmodell Im Vordergrund stehen hierbei


(virtueller Prototyp) die Entwicklungszeiten*) zu re-
duzieren, in dem virtuelle
CAD-Prototypen so lange
MKS qualifiziert werden, bis alle
vorgegebenen Anforderungen
mit erfüllt werden. Danach
beginnt erst das Entwicklungs-
TOP-OPT/ FEM LDB stadium mit „materiellen Pro-
FORM-OPT totypen“.

Bauteil-/Systemanalyse

Bild 2.4:
Simulation in der Bauteilent-
Prozesssimulation wicklung

Ein zielgerichteter FEM-Einsatz erfordert auch ein entsprechendes Rechnerequipment.


Heute sind PC-Lösungen unter 32- oder 64-bit-Windows geläufig. Für die 32-bit-Variante ist
meist ein DualCore-Prozessor mit 4 GB RAM ausreichend, für anspruchsvollere
Anwendungen (größer 500.000 Knoten) sollten schon Rechner mit einem 64-bit-Windows
und zwei Prozessoren und 16 bis 32 GB RAM vorgesehen werden.

*)
Anmerkung: In der Automobilindustrie sind die Entwicklungszeiten in den letzten 10 Jahren von 60
Monaten auf 30 Monate bzw. im Maschinenbau von 30 Monaten auf 12 Monate verkürzt
worden.
16

3 Grundgleichungen der linearen Finite-Element-


Methode
Wie zuvor schon angesprochen, ist die FE-Methode eine computerorientierte Berechnungs-
methode, da deren Ablauf gut programmierbar ist. Dies setzt voraus, dass alle wesentlichen
Gleichungen in eine bestimmte Form gebracht werden müssen. Als besonders zweckmäßig
hat sich hierbei die Matrizenformulierung erwiesen, weshalb wir die bekannten Gleichungen
der Elastizitätstheorie neu formulieren müssen. Das Ziel besteht in der Aufstellung der fini-
ten Grundgleichungen und der Ermittlung von Zusammenhängen zwischen den Steifig-
keiten, Massen, Kräften und Verschiebungen.

3.1 Matrizenrechnung

Zum weiteren Verständnis der Methode sind einige Grundkenntnisse in der Matrizenalgebra
erforderlich, die darum vorweg noch einmal zusammengestellt werden sollen. Die später
noch aufzustellende finite Grundgleichung ist eine Gleichung der Form /ZUR 54/

k ⋅u = p. (3.1)

Sie gibt einen Zusammenhang an zwischen einer vorhandenen linearen Steifigkeit (k), auf-
tretenden unbekannten Verschiebungen (u) und bekannten Kräften (p). Wir wollen dies nun
so verallgemeinern, dass eine Gleichung von der Form /ZUR 54/

A⋅x = y (3.2)

vorliegen mag. Hierin bezeichnet jetzt A eine rechteckige Anordnung (m x n, d. h. m Zeilen


und n Spalten) von Größen, die Matrix genannt werden soll. Mit x soll weiter der Vektor der
unbekannten Größen und mit y der Vektor der bekannten rechten Seite bezeichnet werden.
Das somit gegebene lineare Gleichungssystem kann auch wie folgt ausgeschrieben werden:

ª a 11 a 12 a 13 " a 1n º ª x 1 º ª y1 º
«a a 22 a 23 " a 2n » « x 2 » « y 2 »
« 21 »⋅« » = « » . (3.3)
« # » « # » « # »
« » « » « »
¬ a m1 a m2 a m3 " a mn ¼ ¬ x n ¼ ¬ y n ¼

Man erkennt somit die Analogie zwischen der Gl. (3.1) und (3.2). Die Elemente a ij in der
Matrix A sollen des Weiteren noch Koeffizienten genannt werden.

Ohne, dass jetzt schon auf Lösungsverfahren für Gl. (3.2) eingegangen werden soll, ist es na-
türlich klar, dass die Unbekannten in x zu ermitteln sind. Dies führt zur Operation der Inver-
sion der Koeffizientenmatrix, was symbolisch dargestellt werden kann als

adj A
x = A −1 ⋅ y = ⋅y. (3.4)
det A

B. Klein, FEM, DOI 10.1007/978-3-8348-2134-8_3,


© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012
3.1 Matrizenrechnung 17

Die Inversion als solches ist im Anhang beispielhaft erläutert.

Zur Koeffizientenmatrix sollen aber noch einige Anmerkungen gemacht werden. Dies sei
zunächst die Transponierung (Superskript „t“) oder Spiegelung an der so genannten
Hauptdiagonalen. Das Transponieren läuft dabei so ab, dass die Elemente a ij der Matrix A
durch die Elemente a ji ersetzt werden, d. h., es findet ein Vertauschen der Zeilen und
Spalten statt,
z. B.

ª a11 a12 a13 º ª a11 a 21 a 31 º


A = « a 21 a 22 a 23 » , A = « a12
t
a 22 a 32 » . (3.5)
« » « »
«¬ a 31 a 32 a 33 »¼ «¬ a13 a 23 a 33 »¼

Hieraus erkennt man weiter, das für symmetrische Matrizen

At = A (3.6)

sein muss. Wir werden nachfolgend wiederholt Vektoren bzw. Spaltenmatrizen transponie-
ren, d. h., aus einer Spaltenmatrix wird eine Zeilenmatrix gebildet:

ª y1 º
«y »
y = « 2» , y t = [ y1 y 2 ... y n ] . (3.7)
« # »
« »
¬ yn ¼

Als besonders wichtig soll hier das Transponieren eines Matrizenproduktes hervorgehoben
werden, weil eine Vertauschungsregel wirksam wird. Es gilt:

(A ⋅ B )t = B t ⋅ A t . (3.8)

Von den Rechenarten mit Matrizen soll hier nur die Multiplikation näher erläutert werden,
unter anderem, weil sie vorstehend schon benutzt worden ist. Zunächst ist zu bemerken, dass
das Produkt zweier Matrizen nicht vertauschbar ist, d. h. ganz allgemein gilt:

A⋅B ≠ B⋅A . (3.9)

Bei der Produktbildung muss somit die Multiplikation „von links“ von der „nach rechts“
unterschieden werden. Damit überhaupt zwei Matrizen miteinander multipliziert werden
können, muss die Spaltenzahl der ersten Matrix gleich der Zeilenzahl der zweiten Matrix
sein:

A ⋅ B = C . (3.10)
(m x n ) (n x r ) (m x r)

Ist diese Verkettbarkeitsregel nicht erfüllt, so ist das Matrizenprodukt nicht definiert. Mit
den Elementen der vorhergehenden Matrizen lautet dann das Produkt:
18 3 Grundgleichungen der linearen Finite-Element-Methode

n
c ij = ¦ a ik ⋅ b kj . (3.11)
k =1

Diese Regel ist so anzuwenden, dass man das Element c ij der Produktmatrix erhält, wenn
man jedes Element der i-ten Zeile der ersten Matrix mit jedem Element der j-ten Spalten der
zweiten Matrix multipliziert und die einzelnen Produkte addiert, z. B.

ª a 11 a 12 º ª b11 b12 º ª a 11 ⋅ b11 + a 12 ⋅ b 21 a11 ⋅ b12 + a12 ⋅ b 22 º


« »⋅« »=« » .
«¬ a 21 a 22 »¼ «¬ b 21 b 22 »¼ «¬ a 21 ⋅ b11 + a 22 ⋅ b 21 a 21 ⋅ b12 + a 22 ⋅ b 22 »¼

Im Zusammenhang mit der Multiplikation tritt öfters der Fall auf, dass mit einem konstanten
Faktor multipliziert werden muss, diesbezüglich gilt:

ª Ȝ ⋅ a11 Ȝ ⋅ a12 " Ȝ ⋅ a1n º


λ⋅A = « # » . (3.12)
« »
«¬ Ȝ ⋅ a m1 Ȝ ⋅ a m 2 " Ȝ ⋅ a mn »¼

Auch tritt der Fall auf, dass quadratische Matrizen mit der Einheitsmatrix

ª1 0 0 º
«0 1 0 »
I=«0 0 1 »
« % »
« »
¬ 1¼

multipliziert werden müssen. Ein Nachvollzug beweist, dass

A⋅I = I⋅A = A (3.13)

ist, d. h., die Reihenfolge spielt in diesem Fall keine Rolle.

Als Letztes soll noch kurz auf die Differenziation und die Integration eingegangen werden,
was aber als elementar anzusehen ist. Die Differenziation einer Matrix wird elementweise
durchgeführt, z. B.

ª da11 da12 º
dA « dx dx »
=« » . (3.14)
dx « da 21 da 22 »
«¬ dx dx »¼

Gleiches gilt für die Integration, die ebenfalls elementweise durchgeführt wird, z. B.

ª ³ a11 ⋅ dx ³ a12 ⋅ dx º
³ A ⋅ dx = « ». (3.15)
«¬ ³ a 21 ⋅ dx ³ a 22 ⋅ dx »¼
3.2 Gleichungen der Elastostatik 19

Auf die ansonsten noch benötigten Besonderheiten der Matrizenrechnung wird im jeweiligen
Text und im Anhang näher eingegangen.

3.2 Gleichungen der Elastostatik

Im Folgenden sollen linear-elastische Körper unter der Einwirkung von Kräften betrachtet
werden. Die demzufolge eintretenden Verformungen sollen als klein, stetig und reversibel
angenommen werden. Zur Beschreibung des elastomechanischen Verhaltens eines Körpers
sind hierbei 15 Gleichungen erforderlich, und zwar

− 6 Verschiebungs-Verzerrungsgleichungen,
− 6 Verzerrungs-Spannungsgleichungen
und
− 3 Gleichgewichtsgleichungen.

In diesen Gleichungen treten insgesamt 15 Unbekannte auf. Dies sind:

− 3 Verschiebungen u t = [u v w ] ,
− 6 Verzerrungen İ t = ª İ xx İ yy İ zz Ȗ xy Ȗ yz Ȗ zx º
«¬ »¼
und
− 6 Spannungen ı t = ª ı xx ı yy ı zz IJ xy IJ yz IJ zx º .
«¬ »¼

Hierin bezeichnet u(x), v(y) und w(z) richtungsabhängige Verschiebungen in einem karte-
sischen Koordinatensystem, die wiederum Verzerrungen İ (Dehnungen und Gleitungen)
hervorrufen und über das Hooke‘sche Gesetz verknüpft Spannungen ı bewirken.

Der Zusammenhang zwischen den Verschiebungen und den Verzerrungen*) ist bekanntlich
über Ableitungen gegeben durch

∂u ∂v ∂w
ε xx = , ε yy = , ε zz = ,
∂x ∂y ∂z
(3.16)
∂v ∂u ∂w ∂v ∂u ∂w
γ xy = + , γ yz = + , γ zx = + .
∂x ∂y ∂y ∂z ∂z ∂x

Hier werden partielle Ableitungen benutzt, weil ein räumliches Verhalten beschrieben
werden soll.

An dem ebenen Scheiben-Element in Bild 3.1 sind diese Zusammenhänge leicht zu er-
kennen, welches in der nachfolgenden Ableitung exemplarisch gezeigt wird:

*)
Anmerkung: Die Gleitungen ergeben sich durch systematisches Vertauschen im Zähler, beispielsweise

∂v ∂u
γ xy = + .
∂x ∂y
20 3 Grundgleichungen der linearen Finite-Element-Methode

y ∂u dy
∂y

D' C'
∂v dy
∂y
π- γ
2 xy
B'
D u C ∂v dx
∂x
A'
dy ∂u dx
v
∂x
A dx B x

Bild 3.1: Verzerrungen am ebenen Scheiben-Element

§ dx + ∂u dx − dx ·
¨ ¸ ∂
A ′B′ − AB ¹ = u,
ε xx = =© ∂x
AB dx ∂x
§ ∂v ∂u ·
¨ dx dy ¸
π π ¨ π dx ∂y ¸ ∂v ∂u
γ xy = − <) (D′A ′B′) ≈ − − − = + .
2 2 ¨2 dx dy ¸ ∂x ∂y
¨ ¸
© ¹

Unser Ziel ist es aber zu Matrizengleichungen zu kommen. Aus diesem Grund schreiben wir
nun Gl. (3.16) symbolisch auf als

ª ∂ º
« 0 0 »
ª İ xx º « ∂x »
« » « 0 ∂
0 »
«İ » « ∂y »
yy
« » « ∂ » ªuº
«İ » « 0 0 » « »
zz » « ∂z » ⋅ « v » = D ⋅ u .
İ=« = (3.17)
«Ȗ » « ∂ ∂ »
« xy » « ∂y 0 » «« »»
∂x w
« » « » ¬ ¼
Ȗ
« yz » « 0 ∂ ∂ »
« » « ∂z ∂y »
Ȗ
¬« zx ¼» « ∂ ∂ »
« 0 »
«¬ ∂z ∂x »¼

Wir wollen diese Schreibweise jetzt folgendermaßen interpretieren: Wendet man auf die
Verschiebungen u die Differenzialoperatorenmatrix D an, so erhält man die Verzerrungen İ .
3.2 Gleichungen der Elastostatik 21

Für lineares isotropes Werkstoffverhalten besteht des Weiteren noch eine eindeutige Bezie-
hung zwischen den Verzerrungen und den Spannungen. Dieses Werkstoffgesetz lautet für
elastische 3-D-Körper:

σ xx = E
(1 + ν )(1 − 2ν )
[(1 − ν ) ε xx + ν(ε yy + ε zz )],
σ yy = E
(1 + ν )(1 − 2ν )
[(1 − ν )ε yy + ν( ε xx + ε zz ) ],
σ zz = E
(1 + ν )(1 − 2ν )
[(1 − ν ) ε zz + ν(ε xx + ε yy )],
(3.18)
τ xy = E ⋅ γ xy ,
2(1 + ν )

τ yz = E ⋅ γ yz ,
2(1 + ν )

τ zx = E ⋅ γ zx .
2(1 + ν )

Die hierin eingehenden Werkstoffkonstanten E als Elastizitätsmodul und ν als Querkontrak-


tion sollen zunächst als Einpunktwerte (nicht richtungsabhängig) betrachtet werden. Somit
lässt sich auch die vorstehende Gl. (3.18) in symbolischer Matrizenschreibweise darstellen
als

ª (1 − ν) ν ν 0 0 0 º
« »
ª σ xx º « ( )
1 − ν ν 0 0 0 » ª ε xx º
«σ » « (1 − ν) 0 0 0 » « ε yy »
« yy » « » « »
« σ zz » E « (1 − 2 ν) » « ε zz »
0 0
« »= « »⋅« γ »
» (1 + ν)(1 − 2 ν) «
2
« τ xy (1 − 2 ν) » « xy »
« τ yz » « sym. 0 » « γ yz »
« » « 2 » « »
¬ τ zx ¼ « (1 − 2 ν) » ¬ γ zx ¼
«¬ 2 »¼

bzw. verkürzt als Matrixgleichung

ı = E⋅İ. (3.19)

Besonderes Augenmerk wollen wir weiterhin noch auf die Elastizitäts- bzw. Materialeigen-
schaftsmatrix E richten, die sich also aus dem E-Modul und der Querkontraktion ν zu-
sammensetzen.

E
Anmerkung: Zuvor ist G = gesetzt worden.
2(1 + ν )
22 3 Grundgleichungen der linearen Finite-Element-Methode

Die bis jetzt für einen dreidimensionalen Körper entwickelten Gleichungen bedürfen in der
Anwendung aber noch zwei Spezialisierungen. Dies betrifft insbesondere den Fall des
„ebenen Spannungszustandes (ESZ)“ und den Fall des „ebenen Verzerrungszustandes
(EVZ)“, die beide bei Bauteilmodellierungen vorkommen können.

Der ESZ tritt in dünnen Scheiben auf, z. B. dünnwandigen Leichtbaukonstruktionen. Die


Dickenausdehnung kann hierbei vernachlässigt werden, weshalb folgende Annahmen für die
Spannungen und Verzerrungen gemacht werden können:

ı zz = 0, IJ zx = 0, IJ zy = 0,

aber ε zz ≠ 0 (wegen der Querkontraktion). Somit besteht der folgende Zusammenhang


zwischen den Verzerrungen und den Spannungen:

ª ı xx º ª1 Ȟ 0 º ªİ º
« » « » « xx »
E «Ȟ 1 0 » ⋅ « İ yy
« ı yy »= ». (3.20)
« (
» 1− Ȟ
2
) «
«0 0
(1 − Ȟ ) » «
» « Ȗ xy
»
¬« IJ xy ¼» ¬ 2 ¼ ¬ ¼»

Die Dehnung in Dickenrichtung bestimmt sich weiter zu

−ν
ε zz =
(1 − ν )
( ε xx + ε yy ) .
Der EVZ tritt hiergegen in sehr langen zylindrischen Körpern mit konstantem Querschnitt
auf, dessen Enden festgehalten werden und die Belastung als Linienlast längs der Mantel-
fläche erfolgt. Die Annahmen hierfür sind:

w = konst. bzw. ε zz = 0 sowie γ yz = 0 und γ zx = 0 aber σ zz ≠ 0 .

Der Zusammenhang zwischen den Verzerrungen und den Spannungen ist somit gegeben
durch

ª ı xx º ª (1 − Ȟ ) Ȟ 0 º ªİ º
« » « » « xx »
E « »
« ı yy » = Ȟ (1 − Ȟ ) 0 » ⋅ « İ yy » . (3.21)
» (1 + Ȟ )(1 − 2Ȟ ) «
«
«IJ » « (1 − 2Ȟ ) » «« Ȗ »»
¬ xy ¼ «¬ 0 0
2 »¼ ¬
xy ¼

Für die Spannung über die Dicke ergibt sich dann wieder

σ zz = ν(σ xx + σ yy ) .

Bis hierhin ist aber noch keine Verbindung zu den äußeren Kräften hergestellt worden. Diese
folgt aus der Forderung des Gleichgewichts zwischen den inneren Spannungen und der
3.2 Gleichungen der Elastostatik 23

äußeren Belastung, welche sowohl im Inneren wie auch auf der Oberfläche eines Körpers
erfüllt sein muss. Wir wollen dies exemplarisch an dem Quader-Element in Bild 3.2 für die
x-Richtung zeigen:

§ ∂σ xx · § ∂τ yx ·
¦ K x = 0: − σ xx ⋅ dy ⋅ dz + ¨ σ xx + dx ¸dy ⋅ dz − τ yx ⋅ dx ⋅ dz + ¨¨ τ yx + dy ¸¸
© ∂x ¹ © ∂y ¹
∂τ
dx ⋅ dz − τ zx ⋅ dx ⋅ dy + §¨ τ zx + zx dz ·¸dx ⋅ dy − p x ⋅ dx ⋅ dy ⋅ dz = 0
© ∂z ¹

oder

∂σ xx ∂τ yx ∂τ zx
+ + − px = 0 . (3.22a)
∂x ∂y ∂z

Trägt man an dem Quader auch noch die Kräfte in die anderen Achsenrichtungen ein und
bildet wie gezeigt auch hier das Gleichgewicht, so entwickeln sich daraus die anderen
Gleichgewichtsbedingungen zu

∂τ xy ∂σ yy ∂τ zy
+ + − p y = 0,
∂x ∂y ∂z
(3.22b)
∂τ xz ∂τ yz
∂σ
+ + zz − p z = 0.
∂x ∂y ∂z

y
∂τyx
τyx + dy
∂y
dx

τzx
∂σxx
σxx + dx
σxx ∂x
px
dy x
τyx ∂τzx
τzx + dz
dz ∂z

Bild 3.2: Kräftegleichgewicht am Quader-Element aus dem Körperinneren

Berücksichtigt man ferner noch das Momentengleichgewicht um die Schwerachsen, so führt


dies zum Satz von der Gleichheit der zugeordneten Schubspannungen:
24 3 Grundgleichungen der linearen Finite-Element-Methode

τ xy = τ yx , τ yz = τ zy und τ zx = τ xz .

Damit kann die Gleichgewichtsgleichung auch geschrieben werden als

ª ı xx º
« »
ª ∂ ∂ ∂ º « ı yy »
« 0 0 0 »
« ∂x ∂y ∂z » « » ª p x º ª0º
« ı zz » « » « »
« 0 ∂ ∂ ∂
0 0 »⋅« » − « p » = « 0 ». (3.23)
« ∂y ∂x ∂z » «IJ » « y » « »
« ∂ ∂ ∂ » «
xy
» « p » «0»
« 0 0 0 » «
IJ » ¬ z¼ ¬ ¼
«¬ ∂z ∂y ∂x »¼ « yz »
«IJ »
¬ zx ¼

Vergleicht man hierin die auftretende Differenzialoperatorenmatrix mit Gl. (3.17), so lässt
sich die Gleichgewichtsgleichung auch verkürzt angeben als

Dt ⋅ı − p = 0 . (3.24)

Da mit den hergeleiteten Gleichungen die gesamte Elastostatik beschrieben ist, wollen wir
noch einmal mit Blick auf das konstitutive Gleichungssystem zusammenfassen:

− Mit

u t = [u v w ]

ist ein räumlicher Verschiebungsvektor definiert worden.

− Durch die Gleichung

İ = D⋅u, (3.25)

vielfach auch kinematische Verträglichkeit genannt, werden die auftretenden Verschie-


bungen mit den Verzerrungen verknüpft. Als Randbedingungen kann hier vorkommen,
dass die Verschiebungen u = u auf der Verschiebungsoberfläche vorgeschriebene Werte
annehmen.

− Durch die Gleichung

ı = E⋅İ (3.26)

ist das Hooke’sche Stoffgesetz formuliert, welches die Verzerrungen mit den Spannungen
linear verknüpft. Hierbei ist E = f (E, ν ) die Materialeigenschaftsmatrix, welche durch
den Elastizitätsmodul E und die Querkontraktion ν gegeben ist. Die Gleichungen gelten
für isotrope homogene Körper. Hierzu zählen eigentlich alle Metalle.
3.2 Gleichungen der Elastostatik 25

− Als Letztes gilt es, über die Gleichgewichtsgleichung

Dt ⋅ı − p = 0 (3.27)

den Kräftezustand zu berücksichtigen.

Der Vollständigkeit halber sollen jetzt noch einige Sonderfälle betrachtet werden, wo das
Stoffgesetz /LOR 95/ differenzierter anzusetzen ist:

− Es liegen vor der mechanischen Belastung bereits schon so genannte Anfangsspannungen


ı o *) (z. B. Eigenspannung aus Vorverformungen oder Schweißen) vor. Für diesen Fall ist

ı = ı el + ı o = E ⋅ İ + ı o

anzusetzen, welche eine Addition der mechanischen Zusatzspannungen erfordert.

− Es liegen vor der mechanischen Belastung bereits so genannte Anfangsdehnungen İ o **),


z. B. Wärmedehnungen, vor. Für diesen Fall gilt mit den Anfangsdehnungen in den drei
Raumrichtungen

İ o t = α L ⋅ T [1 1 1 0 0 0 ]

somit für das Stoffgesetz

ı el = E(İ − İ o ) . (5.28)

Wie gemeinhin bekannt ist, ergibt sich die richtungsabhängige Anfangsdehnung aus dem
Produkt Längenausdehnungskoeffizient ( α L . T) mal Elastizitätsmodul E. Die elastische
Spannung folgt aber aus der Differenz der Dehnungen, wobei eine statisch bestimmte
Lagerung vorausgesetzt sei.

Bei der Modellierung von Wärmedehnung können unterschiedliche Verhaltensweisen


vorliegen. Liegt eine unbehinderte Wärmedehnung vor, so dehnt sich der Körper aus, ohne
Zwangsdehnungen bzw. Zwangsspannungen hervorzurufen. Bei Rücknahme der Temperatur
nimmt der Körper wieder seine Ursprungsgeometrie ein.

Völlig anders verhält sich dagegen ein körper, bei dem die Wärmeausdehnung behindert ist.
Ein Beispiel dafür mag der gezeigte dünnwandige Behälter im umseitigen Bild 3.3 geben,
der von Raumtemperatur nun hoch gefahren werden soll auf einen Temperaturzustand von
T = 200 °C. Infolge der Einspannbedingungen (Anschraubung an einer Bodenplatte) ergeben
sich jetzt mechanische Zwangsspannungen, die zu einer Werkstoffbeanspruchung führen.

*)
Anmerkung: Anfangsspannungen ı o sind Spannungen, mit denen keine Dehnungen verbunden sind, d. h.
Spannungen, die im undeformierten Zustand eines Elementes vorhanden sind.
**)
Anmerkung: Anfangsdehnungen İ o sind Dehnungen, die in Elementen eingeprägt sind, ohne dass Span-
nungen erzeugt werden.
26 3 Grundgleichungen der linearen Finite-Element-Methode

a)

b)

Bild 3.3: Behälter unter Temperaturbeanspruchung


a) ohne Ausdehnungsbehinderung durch Randbedingungen
b) mit Ausdehnungsbehinderung durch Randbedingungen

3.3 Grundgleichungen der Elastodynamik

Bei allen Problemstellungen, wo die einwirkenden Kräfte zeitabhängig sind, werden auch
die Verschiebungen u(x, y, z; t), Verzerrungen İ (x, y, z; t) und damit Spannungen
ı (x, y, z; t) sowohl weg- wie zeitabhängig sein. Im zu erstellenden Zusammenhang führt
dies zu einer erweiterten Formulierung der Gleichgewichtsgleichung, und zwar in dem ge-
mäß des d'Alembert‘schen Prinzips so genannte beschleunigungsproportionale Trägheits-
3.4 Finites Grundgleichungssystem 27

kräfte (-ρ . ü) berücksichtigt werden müssen. Die erweiterte Gleichgewichtsgleichung bzw.


der Impulssatz (3.27) lautet somit:

D t ⋅ ı − p = −ρ ⋅ ü . (3.29)

Vielfach treten in Systemen noch zusätzliche dissipative Kräfte auf, die Schwingungsauslen-
kungen dämpfen. Diese Kräfte wirken ebenfalls der Bewegung entgegen und können ge-
wöhnlich geschwindigkeitsproportional (-c . u ) angesetzt werden. In späteren Betrachtungen
werden wir noch einmal auf die Besonderheiten der Elastodynamik eingehen.

3.4 Finites Grundgleichungssystem

Für die Problemklassen Elastik und Dynamik sind also mit Gl. (3.27) und (3.29) jeweils die
Gleichgewichtsgleichungen definiert worden. Beide Gleichungen stellen Differenzialglei-
chungen dar. Auf Grund der Ausführungen in Kapitel 2 ist uns bisher bekannt, dass wir zur
näherungsweisen Verarbeitung einer Differenzialgleichung zwei Möglichkeiten haben, und
zwar einmal durch Heranziehen des Variationsprinzips eine Ersatzgleichgewichtsgleichung
zu formulieren oder mit dem Ansatz von Galerkin die Differenzialgleichung in ein Funktio-
nal zu verwandeln. Der grundsätzliche Vorteil ist darin zu sehen, dass unabhängig von der
Ordnung der DGL diese jeweils linearisiert wird. Da diese Vorgehensweisen fast gleich-
wertig sind, sollen hier beide Lösungswege zur Gewinnung der finiten Systemgleichung
kurz demonstriert werden.

3.4.1 Variationsprinzip

Das Variationsprinzip nutzt das Prinzip der virtuellen Arbeit (PVA), die für einen
elastischen Körper eine Ersatzgleichgewichtsbedingung darstellt. Bevor wir die virtuellen
Arbeiten an einem Körper einführen, bedarf es noch einiger Klärungen bezüglich des
Begriffs Variation.

Als äußere virtuelle Arbeit bezeichnet man die Arbeit der äußeren Kräfte mit ihren virtuellen
Verschiebungen. Mit virtuellen Verschiebungen δu meint man dabei kleine gedachte Ver-
schiebungen, die kinematisch möglich sind und die Randbedingungen nicht verletzen. Vor-
aussetzung ist somit, dass der Verzerrungszustand beschränkt (Stetigkeit der Verschie-
bungen) ist, der Stoffzusammenhalt (keine Klaffungen oder Überlappungen) gewahrt bleibt
und die Randbedingungen nicht verletzt werden.

In analoger Weise kann die innere virtuelle Arbeit eingeführt werden. Sie ist die Arbeit der
inneren Spannungen, die mit den virtuellen Verzerrungen geleistet wird. Die virtuellen Ver-
zerrungen δ İ leiten sich durch Differenziation von den virtuellen Verschiebungen ab. Über
das Prinzip der virtuellen Arbeit kann nun verallgemeinert die Ersatzgleichgewichts-
gleichung /BUC 73/ formuliert werden:

Ein elastischer Körper ist unter gegebenen äußeren Kräften im Gleichgewicht, wenn
die äußere virtuelle Arbeit gleich der inneren virtuellen Arbeit ist,
28 3 Grundgleichungen der linearen Finite-Element-Methode

d. h.

δWa = δWi (3.30)

wird.

Um dieses Prinzip nun anwenden zu können, müssen wir die beschriebenen Arbeiten defi-
nieren. Dazu denken wir uns im Bild 3.4 einen beliebigen elastischen Körper. Die Ober-
fläche dieses Körpers soll nun so aufgeteilt werden, dass mit O u ein Verschiebungsrand für
vorgeschriebene Verschiebungen u und mit O σ ein Spannungsrand für gegebene Kräfte q
(verteilte Oberflächenlasten) und F (konzentrierte Einzellasten) vorliegen. Im Inneren sollen
noch Volumenkräfte p (Eigengewicht, Fliehkräfte o. Ä.) auftreten.

q F

x
Ou

p
3
z Ou , Oσ ∈ D
u = u auf O u

Bild 3.4: Zugelassene äußere Lasten an einem 3-D-Körper (Hilbert-Raum)

Die virtuelle Endarbeit der äußeren Lasten kann dann folgendermaßen angesetzt werden:

įWa = įu t ⋅ F + ³ įu t ⋅ p dV + ³ įu t ⋅ q d 0 . (3.31)
V 0

Hierzu korrespondiert die innere virtuelle Endarbeit

δWi = ³ įİ t ⋅ ı dV . (3.32)
V

Gemäß Gl. (3.30) sollen die Arbeiten gleichgesetzt werden, was zu der Identität
3.4 Finites Grundgleichungssystem 29

t t t t
³ δ İ ⋅ ı dV = δ u ⋅ F + ³ įu ⋅ p dV + ³ į u ⋅ q d 0 (3.33)
V V 0

führt. Die uns bekannten Beziehungen für die Verzerrungen

İ = D⋅u

bzw. für die Transponierung der Verzerrungen

į İ t = įu t ⋅ D t

und für die Spannungen

ı = E⋅İ = E⋅D⋅u

sollen nun mit dem Ziel eingeführt werden, die Spannungen zu eliminieren.

Aus Gl. (3.31) folgt somit die Variationsgleichung

t t t t t
³ įu ⋅ D ⋅ E ⋅ D dV ⋅ u = įu ⋅ F + ³ įu ⋅ p dV+ ³ įu ⋅ q d0 . (3.34)
V V 0

Da bisher noch keine Näherung benutzt worden ist, gilt die vorstehende Beziehung exakt,
wenn mit u die tatsächlichen Verschiebungen benutzt werden. An dieser Stelle setzt aber
jetzt die Näherung der Finite-Element-Methode ein, in dem für die Verschiebungen eines
Elements ein Ansatz gemacht werden soll. Um diesen Schritt verständlich zu machen, soll in
einem kleinen Exkurs das Biegeproblem in Bild 3.5 betrachtet werden.

Für den eingespannten Balken wollen wir hier per Approximation mit verschiedenen Funk-
tionen versuchen, die Biegelinie zu ermitteln. Man erkennt hierbei Folgendes:

− Der Ansatz mit Kreisbogenform ( ŵ1 ) verstößt gegen die Zwänge der Randbedingung
und wird die Durchbiegung nur ungenau wiedergeben.
− Durch die Wahl eines trigonometrischen Ansatzes ( ŵ 2 ) kann zwar die Form der Biege-
linie abgeschätzt werden, jedoch ist auch hier die Durchbiegung noch sehr ungenau.
− Mit einer Parabel 4. Grades ( ŵ 3 ) kann sowohl die Form als auch der Betrag der Durch-
biegung recht gut abgeschätzt werden. Der Ansatz liegt auch sehr nahe an der „Ketten-
linie“.
− Die Kettenlinie selbst ist eine Potenzfunktion 3. Grades, insofern bietet es sich an, einen
Approximationsansatz 3. Ordnung ( ŵ 4 ) zu wählen.
− Im Allgemeinen ist es so, dass mit einer Vergrößerung der Elementanzahl, d. h. Verfeine-
rung der Struktur, das Näherungsergebnis ŵ sich immer mehr der exakten Lösung w
nähert. Das gewählte Balkenbeispiel ist dafür kein schöner Beweis, da man in Folge des
„richtigen“ Ansatzes schon mit zwei Elementen (und ŵ 4 ) bereits eine sehr gute Lösung
erhält, die sich kaum noch verbessern lässt.
30 3 Grundgleichungen der linearen Finite-Element-Methode

ξ = x/L q

ŵ q ⋅ L4 2
ŵ1 = 16 ξ4 − 24 ξ + 5
384 E ⋅ J
q ⋅ L4 3 2
ŵ3 = ξ4− 2ξ + ξ
24 E ⋅ J
4 q ⋅ L4
ŵ 2 = α 0 ⋅ cos π ⋅ ξ ≡ ⋅ cos π ⋅ ξ
π5 ⋅ E ⋅ J
x

ŵ 4 = α 3 ⋅ x 3 + α 2 ⋅ x 2 + α1 ⋅ x + α0

w
q⋅L
100 % w exakt =
384 E ⋅ J
ŵ x %

2 4 6 8 10
n (=Anzahl Elemente)

Bild 3.5: Konvergenzverlauf einer Approximationsfunktion für Balkenbiegung

Auf dieser Erkenntnis aufbauend, wollen wir uns wieder Gl. (3.34) zuwenden, in dem wir
jetzt einen Verschiebungsansatz von der Form

u = G ⋅d (3.35)

einführen wollen. Mit diesem Ansatz wird also eine Verbindung zwischen beliebigen Ver-
schiebungen u in einem Körper über bestimmte „Stützstellen“ d (Knotenverschiebungen)
hergestellt. Diese Verbindung wird über die Zeilenmatrix G gebildet, die insofern also An-
satzfunktionen enthalten muss. Stellt man zu Gl. (3.35) noch die Variation

įu t = įd t ⋅ G t ,

auf, so kann nun Gl. (3.34) ausformuliert werden zu


3.4 Finites Grundgleichungssystem 31

t t t t t t t t t
³ įd ⋅ G ⋅ D ⋅ E ⋅ D ⋅ G dV ⋅ d = įd ⋅ G ⋅ F + ³ įd ⋅ G ⋅ p dV+ ³ įd ⋅ G ⋅ q d0 ,
V V 0

da dies für alle Variationen gelten muss, kann auch

t t t t
³ (D ⋅ G ) ⋅ E ⋅ (D ⋅ G ) dV ⋅ d = G ⋅ F + ³ G ⋅ p dV + ³ G ⋅ q d0 (3.36)
V V 0

geschrieben werden. Analysiert man diese Gleichung, so stellt man fest, dass auf der linken
Seite das Produkt einer Steifigkeit mit einem Weg steht, welches auf der rechten Seite gleich
den äußeren Kräften ist. Je nach gewähltem Ansatz kann diese Gleichung nicht exakt erfüllt
werden. Für Gl. (3.36) wollen wir verkürzt

k ⋅ d = pˆ . (3.37)

schreiben. Dies ist die gesuchte finite Grundgleichung, in der die Knotenverschiebungen d
über die Elementsteifigkeit k mit den gesamten äußeren Kräften p̂ in Relation stehen. Als
Vorschrift zur Berechnung der Steifigkeitsmatrix haben wir

t t
k = ³ (D ⋅ G ) ⋅ E ⋅ (D ⋅ G ) dV ≡ ³ B ⋅ E ⋅ B dV (3.38)
V V

erhalten. Die auf der rechten Seite von Gl. (3.36) stehenden Ausdrücke stellen insbesondere
Beziehungen dar, wie Kräfte auf die Knoten eines vernetzten Gebietes zu verteilen sind.

Zur Matrix der Ansatzfunktion G t = [g1, g 2, !] soll noch bemerkt werden, dass die hierfür
zu wählenden Glieder bevorzugt als Polynome zu wählen sind, wie beispielsweise

g 1 = 1, g 2 = x , g 3 = y , g 4 = x 2 , g 5 = x ⋅ y , g 6 = y 2 usw .

Es ist leicht nachvollziehbar, dass diese Ausdrücke einfach zu integrieren und zu differenzie-
ren sind.

3.4.2 Methode von Galerkin

Ein andere Möglichkeit, die finite Grundgleichung zu finden, besteht in der Methode von
Bubnov/Galerkin*) oder allgemein in der Methode des gewichteten Restes.

Von der Idee her wird eine Differenzialgleichung genommen, in der für die Unbekannte ein
Ansatz gemacht wird und man für das Integral des Restes verlangt, dass es möglichst klein
wird /BAT 86/.

*)
Anmerkung: Boris G. Galerkin, russischer Mathematiker (1871-1945), arbeitete auf dem Gebiet der nähe-
rungsweisen Integration von DGLs. Galerkin nutzte die so genannte schwache Formulierung
zur Lösung einer DGL im integralen Sinne.
32 3 Grundgleichungen der linearen Finite-Element-Methode

Da wir es hier mit einem Grundprinzip zu tun haben, soll der mathematische Hintergrund
nur kurz betrachtet werden. Nehmen wir an

L[u ] = r (3.39)

sei die differenzielle Formulierung eines physikalischen Problems. Hierin bezeichnet L[u]
eine abgeleitete Zustandsgröße und r eine bekannte rechte Seite. Des Weiteren soll noch mit

R B ( u ) = R ( u ) − R grenz = 0 (3.40)

eine Randbedingung vorgegeben sein. Die „gewichtete Restmethode“ geht nun davon aus,
dass sich die Lösung für Gl. (3.39) darstellen lässt als

n
u = ¦ g i ⋅ a i −1 = a 0 + a1 ⋅ x + a 2 ⋅ x 2 + ! + a n ⋅ x n , (3.41)
i =1

wobei a i −1 Multiplikatoren und g i linear unabhängige Funktionen sind. Der Ansatz sollte
hierbei mindestens die Randbedingung erfüllen. Setzt man jetzt diesen Näherungsansatz in
die DGL ein, so wird wahrscheinlich eine absolute Identität der linken und rechten Seite
nicht zu erfüllen sein, sondern es wird mit WR ein Restwert

WR = L[u ] − r ≠ 0 (3.42)

übrig bleiben, den es in idealer Weise zu minimieren gilt. Nach der Methode von Galerkin
ist

³ g i ⋅ WR ⋅ dB + ³ gi ⋅ R B ⋅ dR = 0 (3.43)
B = Lösungs − R = Rand
bereich

zu fordern. Wir wollen dies nunmehr übertragen auf die DGL des Gleichgewichts (3.24), die
vereinbarungsgemäß eine Matrizengleichung darstellt. Entsprechend des beschriebenen
Formalismus multiplizieren wir diese DGL mit einer Ansatzfunktionsmatrix G t und inte-
grieren über das Volumen eines Körpers. Man erhält

³ G (D ⋅ E ⋅ D ⋅ u − p ) dV = 0 .
t t
(3.44)
V

Randbedingungen sind im vorliegenden Fall nicht zu berücksichtigen, weshalb das Problem


vollständig beschrieben ist. Später werden wir im Kapitel 11.2 bei der Behandlung von Wär-
meleitungsproblemen erkennen, dass für eine Lösung verschiedene Randbedingungen maß-
gebend sein können. Als Nächstes führt man in Gl. (3.44) den bekannten Ansatz

u = G ⋅d
3.4 Finites Grundgleichungssystem 33

ein. Die Knotenverschiebungen sind somit nichts anderes, als die noch zu bestimmenden
Multiplikatoren und daher für uns die eigentliche Lösung des diskretisierten Problems.
Setzen wir jetzt den Ansatz in dieser Form ein, so folgt

³ G (D ⋅ E ⋅ D ⋅ G ) dV ⋅ d − ³ G ⋅ p dV = 0
t t t

V V

oder besser zusammengefasst

³ (D ⋅ G ) ( )
t t
⋅ E ⋅ D ⋅ G dV ⋅ d − ³ G ⋅ p dV = 0 . (3.45)
V V

Man erkennt hierin die Analogie zu Gl. (3.36) und hat wieder die finite Grundgleichung

k ⋅ d = pˆ

gefunden. Sollen zu den angesetzten Volumenkräften auch noch andere Kräftegruppen be-
rücksichtigt werden, so ist die rechte Seite der Gl. (3.45) um diese Kräfte geeignet zu ver-
vollständigen.

Zur Abrundung elasto-mechanischer Probleme soll die Galerkin’sche Methode auch noch
auf die dynamische Gleichgewichtsgleichung (3.27)*) angewandt werden. Aus

 + D t ⋅ E ⋅ D ⋅ u − p = 0
ȡ⋅u

folgt dann wieder

t§ t ·
³ G ¨© ρ ⋅ u + D ⋅ E ⋅ D ⋅ u − p ¸¹ dV = 0
V

bzw. nach Einsetzen des Ansatzes

t  + ³ (D ⋅ G ) t ⋅ E ⋅ (D ⋅ G ) dV ⋅ d − ³ G t ⋅ p dV = 0 .
ρ ³ G ⋅ G dV ⋅ d (3.46)
V V V

Dies ist gleichzusetzen mit der bekannten Schwingungsdifferenzialgleichung

 + k ⋅ d − p
m⋅d ˆ = 0. (3.47)

Für die neu auftretende Massenmatrix ist somit auch die Bildungsvorschrift bekannt:

t
m = ȡ ³ G ⋅ G dV . (3.48)
V

t
³ ρ dV ⋅ ü + ³ D ⋅ E ⋅ D dV ⋅ u − ³ p dV = 0
*)
Anmerkung: Herleitung der dynamischen DGL
34

4 Die Matrix-Steifigkeitsmethode
Ein vom Verständnis der Vorgehensweise guter Einstieg in die Finite-Element-Methode
stellt die von der Tragwerksberechnung her bekannte Matrix-Steifigkeitsmethode /HAH 75/
dar. Wie man später erkennen wird, ist der ablaufende Formalismus dem der FE-Methode
völlig identisch.

Zur Begründung der Theorie ist im Bild 4.1 ein beliebiges elastisches Tragwerk dargestellt.
Die einwirkenden äußeren Kräfte werden dieses Tragwerk verformen, sodass eine Durchsen-
kung festzustellen sein wird.

F1 F2 F3
y, v
y v1
u1 v2 v
u3 3
x, u

unverformter Körper
x
verformter Körper

Bild 4.1: Verformungszustand einer elastischen Tragkonstruktion

Bei unterstellten kleinen Verformungen und vorausgesetzter Linearität kann zwischen den
Kräften und den Verschiebungen folgender Zusammenhang angegeben werden:

− Die Verschiebung u i t = [u i v i ] von Körperpunkten hängt eindeutig von der Wirkung


aller Kräfte Fi ab:

u i = u i (Fi ), i = 1, ..., n.

− Im Fall der Linearität muss auch die Umkehrung gelten, und zwar gehört zu einem Ver-
formungszustand ein eindeutiger Kräftezustand:

Fi = Fi (u i ) i = 1, ..., n.

Hieraus ist zu folgern, dass die Kräfte über eine Steifigkeit mit den Verschiebungen linear
verknüpft sind, d. h. eine Beziehung

n
Fi = ¦ k ij ⋅ u i , i = 1, ..., n (4.1)
j=1

besteht. Entwickelt man weiter Gl. (4.1) als Matrizengleichungen, so gilt auch

B. Klein, FEM, DOI 10.1007/978-3-8348-2134-8_4,


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4 Die Matrix-Steifigkeitsmethode 35

ª F1 º ª k11 k12 " k1n º ª u1 º


«F » «k k 22 " k 2 n » « u 2 »
« 2 » = « 21 »⋅« » . (4.2)
« # » « # # # » « # »
« » « » « »
¬ Fn ¼ ¬ k n1 k n 2 " k nn ¼ ¬ u n ¼

Die hierin auftretenden Koeffizienten k ij heißen Verschiebungseinflusszahlen und sind nach


Maxwell symmetrisch, d. h. es gilt k ij = k ji . Damit ist auch die Koeffizientenmatrix sym-
metrisch über die Hauptdiagonale.

Besonders vorteilhaft lässt sich die Matrix-Steifigkeitsmethode bei stabartigen Tragwerken


anwenden. Die prinzipielle Vorgehensweise soll hier aber für ein Federelement (Stabanalo-
gie) dargestellt werden, so wie es im Bild 4.2 eingeführt ist.

Knotenzähler
a) 1 Elementzähler
1 2
F1 u1 c1 u2 F2

b) 1 2 F2 2
1 3
F1 u1 c1 u3 F3
u2 c2

1 1 2
2
2 3

c) 1 F2 2 FR = F3

F1 u1 u3 = 0
c1 u2 c2

Bild 4.2: Vorgehensweise der Matrix-Steifigkeitsmethode (nach /HAH 75/) am


Federmodell
a) Ansatz für das lineare Federelement
b) Systemansatz für zwei Federelemente
c) gebundenes System
(ci = Federkonstante; ci = (G · di4 ) / (8 · Di3 · w))
36 4 Die Matrix-Steifigkeitsmethode

Das Federelement repräsentiert dabei ein eindimensionales finites Element. Alle Informa-
tionen des Elements werden über die Knoten gegeben, die zufolge der Kräfte dann Verschie-
bungen ausführen. Auf Elementebene lässt sich somit die Steifigkeitsbeziehung formulieren:

F1 = c ⋅ Δu12 = c ⋅ u1 − c ⋅ u 2 ,
(4.3)
F2 = c ⋅ Δu 21 = c ⋅ u 2 − c ⋅ u1 .

Matriziell kann dies geschrieben werden als

ª F º ª c − c º ª u1 º
p = « 1» = « ⋅ = k ⋅u. (4.4)
¬ F2 ¼ ¬ − c c »¼ «¬ u 2 »¼

Die abgespaltene 2-x-2-Matrix k stellt hierbei die Elementsteifigkeitsmatrix einer Feder dar.

Will man hingegen die Beziehung für ein System entwickeln, so müssen so viele Glei-
chungen aufgestellt werden, wie Unbekannte vorhanden sind und die Randbedingungen be-
rücksichtigt werden. Im zu Grunde liegenden Beispiel soll ein System aus zwei Federn be-
trachtet werden, bei denen in zwei Knoten Kräfte eingeleitet werden und der dritte Knoten
festgehalten ist.

Die Systembeziehungen für die Kräfte lassen sich durch wechselseitiges Festhalten der
Knoten und die dann wirksame Federgleichung folgendermaßen entwickeln:

u1 = u 2 = 0: F3 = c 2 ⋅ u 3, F2 = −F3, F1 = 0;
u1 = u 3 = 0: F2 = (c1 + c 2 ) u 2 , F1 = −c1 ⋅ u 2 , F3 = −c 2 ⋅ u 2;
u 2 = u 3 = 0: F1 = c1 ⋅ u1, F2 = −F1, F3 = 0.

werden diese Gleichungen dem Kraft-Verschiebungszusammenhang zugeordnet, so kann

ª F1 º ª c1 − c1 0 º ª u1 º
«F » = «− c c + c » « »
« 2» « 1 1 2 − c2 » ⋅ « u 2 »
¬« F3 ¼» «¬ 0 − c2 c 2 »¼ ¬« u 3 ¼»

bzw.

P = K⋅U (4.5)

angegeben werden. Die Gl. (4.5) drückt hierin den System- bzw. Strukturzusammenhalt aus,
während Gl. (4.4) als Elementgleichung aufgestellt worden ist.

An der Systemsteifigkeitsmatrix K ist zu erkennen, dass diese ebenso symmetrisch ist wie
die beiden zusammengefassten Elementmatrizen. Weiterhin ist an der Matrix zu erkennen,
dass diese auch sofort durch Blockaddition (direkte Steifigkeitsmethode = Überlagerung am
gemeinsamen Knoten) darstellbar wäre. Dies ist eine besondere Eigenart von Systemen, die
aus eindimensionalen Elementen (Stäbe, Balken) aufgebaut sind.
4 Die Matrix-Steifigkeitsmethode 37

Das vorstehende Gleichungssystem ist aber so nicht auflösbar, da die Randbedingungen bis-
her unberücksichtigt geblieben sind, d. h., das System kann insgesamt noch eine Starrkörper-
bewegung ausführen, was sich in der Singularität der Gesamtsteifigkeitsmatrix ausdrückt.
Ein Kennzeichen eines singulären Systems ist, dass die Determinante der Gesamtsteifig-
keitsmatrix

det (K ) = c1 (c1 + c 2 )c 2 − c1 ⋅ c 2 2 − c12 ⋅ c 2 = 0

verschwindet. Erst für ein statisch bestimmtes System wird die Gleichung auflösbar, welches
durch eine positiv definite Gesamtsteifigkeitsmatrix möglich ist.

Wird nun in die vorstehende Gl. (4.5) die Randbedingung u 3 = 0 eingearbeitet, so können
die Verschiebungen und die unbekannte Reaktionskraft F3 bestimmt werden:

ª F1 º ª c1 − c1 0 º ª u1 º
« F » = « − c c +c − c2 » ⋅ «u 2 » . (4.6)
« 2» « 1 1 2 » « »
¬« F3 ¼» «¬ 0 − c2 c 2 »¼ ¬« 0 ¼»

Dazu muss das Gleichungssystem wie folgt aufgespalten werden:

ª F1 º ª c1 − c1 º ª u1 º
«F » = «− c c + c » ⋅ «u » (4.7)
¬ 2¼ ¬ 1 1 2¼ ¬ 2¼

ªu º
F3 = [0 − c 2 ] ⋅« 1». (4.8)
¬u2 ¼

Zufolge der beiden vorgegebenen Kräfte F1 , F2 sollen jedoch zuerst die Verschiebungen be-
stimmt werden, und zwar aus der folgenden Rechnung:

ª1 1 1 º
ª u1 º «c + c ªF º
c2 » « 1 »
U = « » = K −1 ⋅ P = «
1 2 »⋅ . (4.9)
« » « 1 1 » « »
«¬ u 2 »¼ « » « F »
¬ c2 c2 ¼ ¬ 2 ¼

Für die Inversion K −1 ist hierbei die Gleichung im Anhang benutzt worden. Aus der Aus-
multiplikation der vorstehenden Gleichung ergeben sich so für die Knotenverschiebungen

§1 1 · 1
u1 = ¨¨ + ¸ F1 +
¸ ⋅ F2 ,
c
© 1 c 2¹ c 2
(4.10)
1 1
u2 = ⋅F + ⋅F .
c2 1 c2 2

Damit kann weiter die Reaktionskraft bestimmt werden zu


38 4 Die Matrix-Steifigkeitsmethode

ª§ 1 1 · 1 º
« ¨¨ + ¸¸ F1 + ⋅ F2 »
c c c
F3 = [0 − c 2 ] ⋅ « © 1 2¹ 2 » = −(F + F ) .
1 2 (4.11)
« 1 1 »
« ⋅ F1 + ⋅ F2 »
¬« c2 c2 ¼»

Manchmal sind auch die Schnittkräfte Sij im Element von Interesse. Für deren Bestimmung
gilt, dass diese stets auf Elementebene zu ermitteln sind, und zwar

− im Element 1 für den Knoten c und d:

ª§ 1 1 · 1 º
ª S11 º ª c1 − c1 º ª u1 º ª c1 − c1 º « ¨ + ¸ F1 + ⋅ F2 »
« »=« »⋅« » = « ©
»⋅« 1 c c 2 ¹ c 2 »
« » « » « » « » « 1 1 »
«¬ S12 »¼ «¬ − c1 c1 »¼ «¬ u 2 »¼ «¬ − c1
c1 »¼ « ⋅ F1 + ⋅ F2 »
¬ c 2 c 2 ¼
§1 1 · c1 c1 c1
S11 = c1 ¨¨ + ¸¸ F1 + ⋅ F2 − ⋅ F1 − ⋅ F2 = F1
© c1 c 2 ¹ c2 c2 c2 (4.12)
S12 = −S11

bzw.

− im Element 2 für den Knoten d und e:

ª S 22 º ª c 2 − c2 º ªu 2 º ª c2 − c2 º ª 1 ⋅ F + 1 ⋅ F º
» ⋅ « c2
1 2»
« »=« »⋅« » = « c2
« » « » « » « » « »
«¬ S 23 »¼ «¬ − c 2 c 2 »¼ «¬ 0 »¼ «¬ − c 2 c 2 »¼ «¬ 0
»
¼
§ 1 1 ·
S 22 = c 2 ¨¨ ⋅ F1 + ⋅ F2 ¸¸ = F1 + F2
© c2 c2 ¹ (4.13)
S 23 = −S 22 .

Die Erkenntnis aus diesem Beispiel soll im Weiteren sein, dass man durch die Anwendung
eines bestimmten Formalismus zu der Lösung einer bestimmten Klasse von Aufgaben
kommt. Verallgemeinert man diese Vorgehensweise, so lassen sich somit hinreichend kom-
plexe Tragwerke behandeln. Ziel muss es also sein, diesen methodischen Ansatz variabel zu
entwickeln.

Die algorithmische Verallgemeinerung soll jetzt an dem kleinen Tragwerk von Bild 4.3 wie
folgt vorgenommen werden:

− Mit Fa t = [0 F3x − F3y F4 x 0] sollen die bekannten äußeren Kräfte bezeichnet wer-
den.
− Entsprechend sollen mit Fb t = [F1x F1y F2 x ] die Reaktionskräfte bezeichnet werden.
4 Die Matrix-Steifigkeitsmethode 39

− Sinngemäß bezeichnet Ua t = [v 2 u 3 v3 u 4 v 4 ] die unbekannten Verschiebungen


und
− U b t = [ u1 v1 u 2 ] die bekannten Randbedingungen (vorgeschriebene Auflagerver-
schiebungen oder Unbeweglichkeiten).

Gemäß diesen Vereinbarungen kann die vorherige Gl. (4.5) bzw. die neu zu erstellende
Systemgleichung folgendermaßen partitioniert werden:

ª Fa º ª K aa K ab º ª U a º
«F » = «K ⋅
K bb »¼ «¬ U b »¼
. (4.14)
¬ b ¼ ¬ ba

a) b)
F3y
v2 v3 ª F2 y = 0 º ª º ª v2 º
u2 = 0 2 3 u3 « » « » « »
« F3x » « » « u3 »
F2x F3x « » « » « »
« − F3 y » « K aa K ab » « v 3 »
« » « » « »
« F4 x » « » « u4 »
« »=« »⋅« »
« F4 y = 0 » « » « v4 »
« » « » « »
y « F » « » «u = 0»
1x 1
v4 « » « » « »
u1 = 0 u4 « F » «K K bb » « v1 = 0 »
« 1y » « ba » « »
F1x 1 x 4 F4x « F » « » «u = 0»
¬ 2x ¼ ¬ ¼ ¬ 2 ¼
v1 = 0
F1y

Bild 4.3: Fachwerk aus Stab-Elementen (alle Knoten 2 FHGs)


a) Modell mit Kräften und Lager
b) beschreibendes Gleichungssystem

Wir haben es hier also mit einer Hypergleichung zu tun, in der mit Fa, b , U a, b Vektoren und
mit K aa , K ab , K bb Untermatrizen vorkommen. Löst man zum Zwecke der Komponenten-
bestimmung diese Gleichung auf, so folgt daraus

Fa = K aa ⋅ U a + K ab ⋅ U b , (4.15)

Fb = K ba ⋅ U a + K bb ⋅ U b. (4.16)

Da die Verschiebungen interessieren, muss Gl. (4.15) aufgelöst werden nach

U a = K aa −1 ⋅ ( Fa − K ab ⋅ U b ) (4.17)
40 4 Die Matrix-Steifigkeitsmethode

und diese Gleichung zur Bestimmung der Reaktionskräfte in Gl. (4.16) eingesetzt werden,
man erhält so

F b = K ba ⋅ K aa −1 ⋅ ( F a − K ab ⋅ U b ) + K bb ⋅ U b . (4.18)

Bei den meisten technischen Systemen werden unbewegliche Auflager U b = 0 vorliegen;


für einen derartigen Fall vereinfachen sich die beiden vorstehenden Gleichungen zu

U a = K aa −1 ⋅ Fa (4.19)

und

Fb = K ba ⋅ K aa −1 ⋅ Fa . (4.20)

Der gezeigte Lösungsweg lässt sich nun formal folgendermaßen beschreiben:

− Definition eines mechanischen Beschreibungselements (Stab oder Balken);


− matrizielle Formulierung des Zusammenhangs zwischen Knotenkräften und Knotenver-
schiebungen; Erstellung einer Elementsteifigkeitsmatrix k;
− Zusammenbau der Gleichungen zu einem Gesamtkraftvektor P, einem Gesamtverschie-
bungsvektor U und einer Gesamtsteifigkeitsmatrix K;
− Unterdrückung der Starrkörperverschiebungen eines Systems durch die Einführung von
Randbedingungen und Partitionierung des Gleichungssystems in unbekannte Verschie-
bungen U a und unbekannte Reaktionskräfte Fb ;
− Lösung der entstandenen Teilgleichungssysteme und Ausweis der Verschiebungen U a
und der Reaktionskräfte Fb
sowie
− gegebenenfalls Rückrechnung zu den Schnittgrößen Sij bzw. Spannungen ı in den Ele-
menten.

Von der Methodik des Vorgehens werden wir diese Schritte bei der im Weiteren zu be-
schreibenden originären FE-Methode alle wieder finden.
41

5 Das Konzept der Finite-Element-Methode


In den nachfolgenden Unterkapiteln soll das Konzept der FEM puzzleartig zusammengesetzt
werden, weshalb das Kapitel 5 grundlegend für das methodische Verständnis ist. Neben der
Darlegung des praktischen Vorgehens liegt der Fokus auf alternative mathematische Formu-
lierungen und letztendlich der Überführung in einen stringenten Gesamtablauf. Um die
Theorie möglichst transparent zu halten, werden nur Stab- und Balken-Elemente benutzt.
Dies vereinfacht zwar die Darstellung, beschränkt aber nicht die Allgemeingültigkeit der
Vorgehensweise. Insofern ist eine Übertragung auf andere Elementtypen oder andere Frage-
stellungen leicht möglich.

5.1 Allgemeine Vorgehensweise

Wie einleitend schon herausgestellt, muss man heute die FEM-Anwendung als integralen
Bestandteil einer CAE-Konzeption bzw. konstruktionsbegleitenden Berechnung begreifen.
Tatsächlich liegt ein Stück Wirtschaftlichkeit von CAD und FEM darin, wenn CAD-Modelle
von Prä-Prozessoren übernommen, mithilfe eines FE-Rechenlaufs verifiziert und die
Ergebnisse von Post-Prozessoren schnell ausgewertet und dargestellt werden können sowie
die geänderte Geometrie wieder nach CAD zurückgeführt werden kann.

Ideale Verhältnisse liegen vor, wenn das komplette CAD-Bauteil in verschiedene Layer auf-
gebaut worden ist. Für die FE-Berechnung benötigt man nämlich nur die reine Geometrie,
sodass die Layer, die Vermaßung oder Text enthalten, ausgeblendet werden können. Des
Weiteren kann es sein, dass Bauteile gewisse konstruktive Gegebenheiten enthalten, die für
das Festigkeitsverhalten von geringer Bedeutung sind, aber die Netzgenerierung erschweren
würde. Demgemäß ist zu prüfen, ob geometrische Details vernachlässigt werden können, ob
sich vielleicht Einbau- oder Anbauteile ausklammern lassen oder inwiefern tatsächlich Kon-
takt /STE 92/ zu berücksichtigen ist.

Je nach Bauteilgeometrie und Belastung kann auch ein rekonstruiertes Flächen- oder
Volumenmodell ausreichend sein. Ist ein komplexes räumliches Objekt zu analysieren, ist in
der Regel ein 3-D-Volumenmodell erforderlich. Im Bild 5.1 ist der prinzipielle Ablauf einer
integrativen CAE-Kette dargestellt.

• Aufgabe von CAD-Systemen ist es, vollständige Fertigungs- und Montageunterlagen zu


erzeugen. In der Praxis werden dazu Einzelteil-, Gruppen- und Zusammenbau-Zeich-
nungen angefertigt. Aus der Zusammenbau-Zeichnung sind in der Regel die Funktion und
die Belastung zu erkennen.

• Für die Bewährung einer Struktur kann es dabei wichtig sein, einen Gesamtverbund oder
die gefährdeten Einzelteile sicher auszulegen. Im vorliegenden Fall sei unterstellt, dass
die Festigkeit des Hebels für einen Mechanismus entscheidend ist und dieser daher
mittels FEM analysiert werden soll. Einige FE-Systeme erlauben auch die Berechnung
von Baugruppen (z. B. CATIA-V5/GAS), welches natürlich die Realität besser
abzubilden hilft.

B. Klein, FEM, DOI 10.1007/978-3-8348-2134-8_5,


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42 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

• Aus der Konstruktionsgeometrie ist daher die Berechnungsgeometrie herauszulösen, die


Randbedingungen festzulegen und die Einleitung der Kräfte zu bestimmen.

• Die Berechnungsgeometrie muss dann an das FE-System übergeben werden. Im Regelfall


wird es dabei so sein, dass ein Schnittstellenprotokoll als IGES-, VDA-FS-, JT- oder
STEP-File erzeugt werden muss. Dieses Protokoll kann weitestgehend (zu 95 %) verlust-
frei übertragen werden.

Neuerdings wird zwischen einigen CAD- und FEM-Systemen auch eine Direktkopplung
(z. B. zwischen CATIA und I-DEAS bzw. ANSYS) realisiert. Die Vollständigkeit der
Übertragung wird hierbei garantiert und die Wirtschaftlichkeit nimmt zu, weil eben zeit-
intensive Wandlungsschritte entfallen und eine Rückkopplung zum CAD-Modell besteht.

• Mithilfe eines Pre-Prozessors gilt es weiter, die Geometrie zu einem FE-Modell aufzube-
reiten.

Der erste Schritt dazu ist die Bildung von Makros (diese werden gewöhnlich durch drei
oder vier Seiten begrenzt), aus denen über die Angabe von abgestimmten Seitenteilern ein
Elementnetz generiert werden kann. Hiermit hängt die Typdefinition der Elemente und
deren Spezifizierung unmittelbar zusammen, da hierauf begründet das Eingabeprotokoll
erstellt wird. Dieses Protokoll muss des Weiteren noch um die Werkstoffkennwerte, die
Randbedingungen und die Kräfte vervollständigt werden.

• Mit dem Eingangsprotokoll liegen alle Informationen für den FE-Löser vor. Dieser baut
sich entsprechend der Netztopologie und der Elementkennzeichnung die Steifigkeit der
Struktur auf, arbeitet die Randbedingungen und die Kräfte ein und löst das damit ent-
stehende Gleichungssystem nach den Verschiebungen auf:

(Steifigkeit) x (Verschiebungen) = (äußere Kräfte).

• Aus den Verschiebungen können dann in einer Rückrechnung die auftretenden Deh-
nungen, Spannungen und die Reaktionskräfte ermittelt werden.

• Für eine rationelle Auswertung nutzt man heute leistungsfähige Post-Prozessoren, die die
angefallenen Daten qualitativ und quantitativ auswerten. Derartige Prozessoren können
meist die verformte mit der unverformten Struktur zu einem Verformungsbild überlagern,
die Dehnungen oder Spannungen als Isolinienplot oder Farbfüllbilder gemäß einer Werte-
skala auswerten sowie die Größe und Richtung der Reaktionskräfte darstellen.

Wie ersichtlich, hat dieser Ablauf zwar einige schematische Anteile, hieraus ist aber nicht zu
schließen, dass eine Problembearbeitung mit FEM einem festen Automatismus gehorcht. So
verschiedenartig wie Problemstellungen sein werden, werden auch Lösungsansätze zu ent-
wickeln sein. Das Treffen der Realität hat dabei viel mit der Beherrschung der theoretischen
Möglichkeiten und der Ausschöpfung der Fähigkeiten der Programme zu tun.

In der Praxis ist zunehmend ein Zusammenwachsen von CAD und FEM (z. B. CATIA-V5
mit dem ELFINI-Modul) zu beobachten. Dies bedingt eines CAE-Spezialisten, der von
seinem Ausbildungshintergrund rechnerunterstützte Methoden sicher beherrscht.
5.1 Allgemeine Vorgehensweise 43

CAD- CAD-System
vereinfachtes
Bauteil Analysemodell
3-D-Volumenmodell einer Baugruppe

Problemaufbereitung

Herauslösung der Hauptgeometrie

ˆ Modellübergabe

IGES-/ Direkt-
VDA-FS-/ kopplung Schnittstelle
JT-/
STEP-File

FEM-System

ˆ Modellübernahme

Pre-Prozessing

Konstruktion der Makros


Auswahl des Elementtyps
Festlegung der Elementteiler
Eingabe der Elementdaten
Zuweisung der Werkstoffkennwerte
Einführung der Randbedingungen
Einleitung der Kräfte

Lösung des
Gleichungssystems
Berechnung der Verschiebungen
Berechnung der Spannungen
Rückrechnung zu den Reaktions-
kräften

Post-Prozessing

Darstellung der verformten Struktur


Darstellung der Spannungsverteilung
(Isolinien, Farbfüllbilder)

Bild 5.1: Rechnerunterstützte Bauteilanalyse im interaktiven Dialog


44 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

5.2 FE-Programmsystem

Die FE-Programme, die sich heute am Markt durchgesetzt haben, sind weitgehend voll-
ständige und durchgängige Systeme.

Mit vollständig soll dabei umschrieben werden, dass man es mit Komplettsystemen zu tun
hat, die unter einer abgestimmten Oberfläche einen Prä- und Post-Prozessor, den
Gleichungslöser sowie verschiedene Ergänzungsmodule verfügbar haben.

Durchgängig kann zudem auch sehr weit reichend sein. Es umfasst die Abbildung von
Geometrie- und Materiallinearität oder -nichtlinearität, Kontakt, Elastodynamik, Thermo-
elastizität sowie sehr schnelle Umformprozesse.

interaktiver FEM-Universal- interaktiver


Pre-Prozessor programm Post-Prozessor

linearer nichtlinearer Spezial-


Programmteil Programmteil anwendungen

Elastostatik Materialnicht- Temperatur-


linearität feldanalyse
(Plastizität, (stationär,
Kriechen) instationär)
Elastodynamik,
implizite
große Verfor- Fluid-
mungen, strömungen
Instabilität (kompressibel,
(Knicken, Kip- inkompres-
pen, Beulen) sibel)

Kontakt Akustik

Elastodynamik,
explizite Spritzgieß-
(Crash) simulation

Bild 5.2: Programmstruktur eines kommerziellen FE-Programmsystems

Ein typischer Methodenbaum eines FE-Programms ist im Bild 5.2 gezeigt. Der Grundum-
fang besteht gewöhnlich aus einem linearen Programmteil zur Lösung von elastostatischen
und elastodynamischen Problemen. Hieran können verschiedene Spezialanwendungen ange-
koppelt werden, die eigene Routinen darstellen. Insgesamt besteht bei allen Softwarehäusern
5.3 Mathematische Formulierung 45

das Bestreben, das FEM-Einsatzfeld zu erweitern. Eine sehr wesentliche Erweiterung stellt
die Nichtlinearität dar, und zwar in den Ausprägungen Materialnichtlinearität, geometrische
Nichtlinearität und nichtlineare Strukturdynamik. Hierbei geht es um die realistische Erfas-
sung des Werkstoffverhaltens (Fließen), großer Verformungen (Instabilität) und die Integra-
tion im Zeitbereich (Crash).

Darüber hinaus eignen sich noch die Potenzialprobleme (Wärmeleitung, Magnetfelder, elek-
trische Felder) sehr gut für die numerische Bearbeitung. Somit kann mittlerweile eine große
Klasse von Aufgaben der Technik bzw. der technischen Physik mit der FEM abgedeckt wer-
den.

5.3 Mathematische Formulierung

Die exemplarische Anwendung der im Kapitel 3.4 dargelegten Beziehungen zur Definition
des Steifigkeits-Verschiebungs-Kraft-Zusammenhanges soll im Weiteren jeweils an einem
eindimensionalen Stab- und Balken-Element mit ihren unterschiedlichen Knotenfreiheits-
graden gezeigt werden. Dies ist insofern sinnvoll, da mit diesen Einzelfreiheitsgraden später
verschiedene Elementtypen aufgebaut werden können. Die Einsatzfelder für Stab-Elemente
sind Fachwerke und für Balken-Elemente Rahmentragwerke. Im Maschinen- und Fahrzeug-
bau sind hiermit vielfältige Anwendungen (Berechnung von Maschinengestellen, Space-
Frame, Wellensysteme etc.) verbunden.

5.3.1 Ebenes Stab-Element

Das finite, längssteife Stab-Element ist zuvor schon im Kapitel 4 als diskretes Federelement
eingeführt worden. Innerhalb der FEM wird es jedoch als Kontinuumselement*) mit den be-
schreibenden Eigenschaften Geometrie (A, L) und Werkstoff ( ρ , E) benutzt. Um den Zu-
sammenhang zwischen den Verformungen, der Geometrie und dem Werkstoff herstellen zu
können, muss die entsprechende Differenzialgleichung aufgestellt werden.

Als verallgemeinerter Fall ist demgemäß von einem bewegten Element (Statik wäre ein Son-
derfall) auszugehen. Im nachfolgenden Bild 5.3 ist dies beispielhaft charakterisiert. Merkmal
ist hierbei, dass alle Kraftgrößen (Knotenkräfte und verteilte Kräfte) nur in Längsrichtung
auftreten und hierzu auch Knotenreaktionen u i (i = 1, 2) korrespondieren. Je Knoten tritt
also ein axialer Freiheitsgrad auf. Anzumerken ist, dass stets die Kräfte und Verschiebungen
in Richtung der lokalen Koordinaten angetragen werden (und nicht wie in der Mechanik mit
Plus und Minus).

Die Eigenschaften des Elements werden ebenfalls in dem lokalen Koordinatensystem be-
schrieben. Später ist das Element in einer Struktur in beliebiger Lage zu einem globalen Ko-
ordinatensystem eingebaut. Gemäß der Lage und der Belastung der Struktur ändert sich dann
insbesondere die Steifigkeit des Elements, wodurch ein anderer Beanspruchungszustand

*)
Anmerkung: Das reine Stab-Element findet Anwendung in Fachwerken und wird immer gelenkig ange-
schlossen. Es kann also keine Querkräfte und Biegemomente übertragen wie Balken-Elemente.
46 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

induziert wird. Dementsprechend ist eine transformierte Steifigkeitsmatrix zu erstellen, so


wie dies später im Kapitel 5.4.1 gezeigt wird.

p x ( x; t )
N1 u1, u1 u 2 , u 2 N2

1 ρ, E ⋅ A = konst., L 2
y, Fy u(x, t)
(lokales KS)
ρ ⋅ A ⋅ dx ⋅ ü p x ⋅ dx

x, Fx σx ⋅ A
§ ∂σ ·
z, Fz
(globales KS) ¨ σ x + x dx ¸A
dx © ∂x ¹

Bild 5.3: Impulsbetrachtung am linearen Stab-Element

Stellt man nun an einem infinitesimalen Stab-Elementchen mit der Länge dx das Gleichge-
wicht (= Impulssatz) her, so folgt daraus die Euler’sche DGL:

∂ 2u ∂ 2u
ȡ⋅A −E⋅A − px = 0 . (5.1)
∂ t2 ∂x 2

Durch Heranziehung des Galerkin‘schen Formalismus (s. Gl. (3.41)) gilt es weiter, die finite
Gleichung zu erstellen. Dazu multiplizieren wir die DGL mit einer noch unbekannten Form-
funktion g j ( x ) und integrieren über den Lösungsbereich

L§ 2 2 ·
¨ ρ ⋅ A ⋅ g ∂ u − E ⋅ A ⋅ g ∂ u − g ⋅ p ¸ dx = 0 ,
³¨ j 2 j 2 j x¸ j = 1, 2. (5.2)
o© ∂t ∂x ¹

Als Endergebnis soll die einfache Schwingungsdifferenzialgleichung vorliegen, weshalb wir


den mittleren Term mit der Produktregel der Differenziation um eine Ordnung erniedrigen
müssen, hiernach gilt:

∂ § ∂u · ∂ 2u ∂g j ∂ u
¨ E ⋅ A ⋅ g j (x ) ⋅ ¸ = E⋅A⋅gj 2 + E⋅A ⋅ .
∂x © ∂x ¹ ∂x ∂x ∂x

Wird dies berücksichtigt, so kann die vorstehende Gleichung auch geschrieben werden als

L§ ∂ 2u ∂g j ∂ u · § ∂u · L
³ ¨¨ ρ ⋅ A ⋅ g j + E⋅A ⋅ − g j ⋅ p x ¸¸ dx − ¨¨ E ⋅ A ⋅ g j ¸ =0 (5.3)
o© ∂t 2 ∂x ∂x ¹ © ∂ x ¸¹ o

und mit ausintegrierten Randtermen bzw. an den Integrationsgrenzen


5.3 Mathematische Formulierung 47

L§ ∂ 2u ∂ g j ∂u · § ∂u ∂u ·
³ ¨¨ρ ⋅ A ⋅ g j + E⋅ A ⋅ − g j ⋅ px ¸ dx − ¨¨ E ⋅ A ⋅ g j (L) L − E ⋅ A ⋅ g j (0) 0 ¸ = 0.
o© ∂t 2 ∂x ∂x ¸
¹ © ∂x ∂x ¸¹

An dieser Stelle wollen wir nun mit

2
u ( x; t ) = ¦ g i ( x ) ⋅ u i (t ) ≡ g1 ( x ) ⋅ u1 (t ) + g 2 ( x ) ⋅ u 2 (t ) (5.4)
i =1

einen Ansatz*) für die unbekannten Verschiebungen einführen, und zwar so, dass von den
Knotengrößen u i ausgehend in das Innere des Elements u(x; t) hineinapproximiert werden
kann. Die dazu erforderlichen Formfunktionen g i , g j wählen wir linear unabhängig, und
zwar so, dass alle Randbedingungen erfüllt werden. Wegen der durchgeführten Orts- und
Zeitseparierung können sodann die erforderlichen Ableitungen

∂ 2u 2 ∂ 2u i ∂u 2 ∂g
i
= ¦ gi , = ¦ ui
∂ t 2 i =1 ∂ t 2 ∂x i =1 ∂ x

gebildet und in die Gl. (5.3) eingesetzt werden:

2 L§ ∂ 2ui ∂g j ∂gi · §L ·
¦ ³ ¨¨ ȡ ⋅ A ⋅ g j ⋅ g i +E⋅A ⋅ u i ¸dx − ¨¨ ³ g j ⋅ p x ⋅ dx ¸¸
¸
i =1 o © ∂t 2 ∂x ∂x ¹ ©o ¹

§ § 2 ∂ g (x ) · § 2 ∂ g (x ) · ·
− ¨¨ E ⋅ A ⋅ g j (L )¨¨ ¦ i u i ¸¸ L − E ⋅ A ⋅ g j (0)¨¨ ¦ i u i ¸¸ 0 ¸¸ = 0, j = 1, 2 .
© © i =1 ∂ x ¹ © i =1 ∂ x ¹ ¹
(5.5)

Löst man diese Gleichung auf, so ergibt sich

2 §L ∂2ui L ∂g j ∂g · §L ·
¦ ¨¨ ³ ȡ ⋅ A ⋅ g j ⋅ g i ⋅ dx 2
+ ³E⋅A ⋅ i dx ⋅ u i ¸
¸
=¨¨ ³ g j ⋅ p x ⋅ dx ¸¸
i =1© o ∂t o ∂x ∂x ¹ ©o ¹

(
+ N 2 ⋅ g j (L ) + N1 ⋅ g j (0) ) j = 1, 2,
(5.6)

wobei jetzt Massen, Steifigkeiten, Knotenverschiebungen und Knotenkräfte abgespalten


sind. Somit ist die gesuchte Schwingungsdifferenzialgleichung

m⋅u
 + k ⋅ u = p O + p K (5.7)

in diskretisierter Form zu erkennen. Ausgeschrieben lautet diese Matrizengleichung auch

*)
Anmerkung: Separationsansatz nach Rayleigh-Ritz = Linearkombination von orts- und zeitabhängigen
Form- bzw. Ansatzfunktionen
48 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

ª m11 m12 º ª u1 º ª k11 k12 º ª u1 º ª F1 º ªN º


«m » ⋅« »+« » ⋅ « » = « » + « 1» . (5.8)
¬ 21 m 22 ¼ ¬ u 2 ¼ ¬ k 21 k 22 ¼ ¬ u 2 ¼ ¬ F2 ¼ O ¬ N 2 ¼ K

Aus Gl. (5.6) sind insbesondere die Vorschriften zu entnehmen, wie die entsprechenden
Matrizen oder Vektoren zu bilden sind, und zwar

− die Koeffizienten der Elementmassenmatrix m als

L
m ji = ³ ρ ⋅ A ⋅ g j ⋅ g i dx , j, i = 1, 2 (5.9)
o

− die Koeffizienten der Elementsteifigkeitsmatrix k als

L
k ji = ³ E ⋅ A ⋅ g j′ ⋅ g i′ dx , j, i = 1, 2 (5.10)
o

− die Knotenkomponenten des Oberflächenlastvektors p 0

L
p j = ³ g j ⋅ p x ⋅ dx , j = 1, 2*) (5.11)
o

− der Knotenlastvektor

ªN º
pK = « 1 » (5.12)
¬ N2 ¼K

mit den Randbedingungen

§ 2 ∂ g (x ) ·
F1K ≡ − N1 = − E ⋅ A ⋅ 1 ¨¨ ¦ i u i ¸¸ 0 ,
© i =1 ∂ x ¹
(5.13)
§ 2 ∂ g (x ) ·
F2K ≡ N 2 = E ⋅ A ⋅ 1 ¨¨ ¦ i u i ¸¸ L .
© i =1 ∂ x ¹

Wählt man für das Stab-Element jetzt lineare Formfunktionen (shape functions) der Art

x x
g1 = 1 − und g 2 = ,
L L

so gilt für den Verschiebungsansatz (s. Gl. (5.4))

*) Anmerkung: Zur Gl. (5.11) ist anzumerken, dass der Ausdruck eine Vorschrift enthält, wie verteilte Lasten
– die zwischen Knoten eingeleitet werden – bezüglich der Formfunktionen konsistent auf die
Knoten zu verschmieren sind. Die Gl. (5.13) wird vielfach nicht berücksichtigt.
5.3 Mathematische Formulierung 49

§ x· x
u (x; t ) = ¨¨1 − ¸¸ ⋅ u1 (t ) + ⋅ u 2 (t ) , (5.14)
© L¹ L

womit die Verschiebungs- und Kraftrandbedingungen erfüllt werden. Der Verlauf dieser An-
satzfunktionen über die normierte Stablänge zeigt Bild 5.4 zu einem beliebigen Zeitpunkt
bzw. in den Knoten.

g
1 g1 = 1 − ξ g2 = ξ

0
1 2 x
ξ=
L
u (0; t) = u1( t ) u (L; t) = u 2 (t )

Bild 5.4: Formfunktionen für das Stab-Element mit normierter Länge

Somit ist es jetzt möglich, die Koeffizienten der interessierenden Matrizen

L L§ x x 2 ·¸ ρ⋅A
m11 = ρ ⋅ A ³ g1 ⋅ g1 dx = ρ ⋅ A ³ ¨1 − 2 + dx = L,
¨ L 2¸
L ¹ 3
o o©

L L§ x x 2 ·¸ ρ⋅A
m 21 = ρ ⋅ A ³ g1 ⋅ g 2 dx = ρ ⋅ A ³ ¨ − dx = L,
¨ L L2 ¸ 6
o o© ¹
L L x2 ρ⋅A
m 22 = ρ ⋅ A ³ g 2 ⋅ g 2 dx = ρ ⋅ A ³ dx = L,
2 3
o oL
L L 1 E⋅A
k11 = E ⋅ A ³ g1′ ⋅ g1′ dx = E ⋅ A ³ dx = ,
2 L
o oL
L L 1 E⋅A
k 21 = E ⋅ A ³ g1′ ⋅ g 2′ dx = E ⋅ A ³ − dx = − ,
2 L
o o L
L L 1 E⋅A
k 22 = E ⋅ A ³ g 2′ ⋅ g 2′ dx = E ⋅ A ³ dx =
2 L
o oL

zu berechnen. Werden diese nun eingesetzt, so können die Matrizen ausformuliert werden zu
50 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

ª1 1º
«3 6»
m = ȡ ⋅ A ⋅ L« » (5.15)
«1 1»
«¬ 6 3 »¼
und

E ⋅ A ª 1 − 1º
k= . (5.16)
L «¬ − 1 1»¼

Des Weiteren findet man für die Kraftvektoren

ª px ⋅ L º
ª F1 º « »
p0 = « » ≡ « 2 » (5.17)
p
«¬ F2 »¼ O « x ⋅ L
»
¬ 2 ¼

und die
ª ∂ g1 ∂g 2 º
ª F1 º « − dx 0 −
dx
0 » ª u1 º
pK = « » ≡ E ⋅ A « » ⋅ « », (5.18)
« » « ∂ g1 ∂g 2 » « »
¬« F2 ¼» K L » ¬« u 2 ¼»
¬« dx L dx ¼

womit wieder das Gleichgewicht zu den Schnittgrößen N j in den Knoten deutlich wird.

5.3.2 Ebenes Drehstab-Element

Eine schöne Anwendung in der Physik bzw. Schwingungstechnik findet das (modifizierte)
Stab-Element, um Drehschwingungen analysieren zu können. Typische Fragestellungen er-
geben sich bei verzweigten Wellensystemen im Getriebebau oder bei Verarbeitungs-
maschinen.

Um die zugehörigen Beziehungen für rotatorische Schwingungen aufstellen zu können, ist


im Bild 5.5 ein spezielles Drehstab-Element eingeführt worden. Hier ist weiter ange-
nommen, dass über die Länge des Elementes ein verteiltes Drehmoment m t eingeleitet wird.
Dies entspricht in etwa der Krafteinleitung über eine Nabe oder einen Flansch etc.

An den Knoten soll das Element äußere Einzelmomente Ti aufnehmen können, bzw. es wer-
den diskrete Verdrehungen ĭ i hervorgerufen. Für alle Zusammenhänge sei linear elasti-
sches Verhalten angenommen.

Angemerkt sei noch, dass die Massenträgheit um die x-Achse zu bestimmen ist (d. h. nicht
wie bei allgemeiner Kinematik als Massentensor).
5.3 Mathematische Formulierung 51

2
T
m t ( x; t )  2
ĭ2 , ĭ 2

G ⋅ Jp, L
1

x, φ m t ⋅ dx

ĭ1, ĭ
T1 1
∂T
T+ ⋅ dx
∂x

T dx

dĬ ⋅ φ

*)
Bild 5.5: Impulsbetrachtung am linearen Drehstab-Element

Bildet man jetzt unter den gezeigten Verhältnissen an einem infinitesimalen Elementchen
das Gleichgewicht, so folgt hieraus

∂T
dΘ ⋅ φ − dx − m t ⋅ dx = 0. (5.19)
∂x

Durch Einsetzen von

dΘ = ³ r 2 ⋅ dm = ρ ³ r 2 ⋅ dA ⋅ dx = ρ ⋅ J p ⋅ dx
dV dA

für das Massenträgheitsmoment**) und den bekannten Beziehungen

∂φ ∂T ∂ 2φ
T = G ⋅ Jp ⋅ bzw. = G ⋅ Jp ⋅
∂x ∂x ∂x 2

für das Drehmoment kann die vorstehende Gl. (5.19) umgeformt werden zu

∂ 2φ ∂ 2φ
ρ ⋅ Jp − G ⋅ Jp − mt = 0 . (5.20)
2
∂t ∂x 2

*)
Anmerkung: Vorstehend bezeichnet φ( x) einen beliebigen Drehwinkel an der Stelle x, aber Φ1 , Φ 2
bezeichnen jeweils Verdrehungen an den Knoten.
**)
Anmerkung 1: Das Trägheitsmoment J p (für polar) kann so nur für einen Kreisquerschnitt gebildet wer-
den; verallgemeinert müsste J t benutzt werden.
4
Anmerkung 2: Bei Wellenelementen ist J p = (π ⋅ d )/32.
52 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

Wird hierauf wieder der Galerkin‘sche Formalismus angewandt, so erhält man die Gleichung

L§ ∂ 2φ ∂ 2φ ·
³ ¨¨ ρ ⋅ J p ⋅ g j − G ⋅ Jp ⋅ g j − g j ⋅ m t ¸ dx = 0
¸
j = 1, 2. (5.21)
o© ∂t 2 ∂x 2 ¹

Da auch für das vorliegende Problem der Gleichungstyp (5.2) maßgebend ist, muss der mitt-
lere Term in bekannter Weise umgeformt werden zu

∂ § ∂φ · ∂ 2φ ∂g j ∂φ
¨¨ G ⋅ J p ⋅ g j ¸¸ = G ⋅ J p ⋅ g j + G ⋅ Jp ⋅ ,
∂x © ∂x ¹ 2 ∂x ∂x
∂x

wird dies berücksichtigt, so erhält man die zu Gl. (5.21) äquivalente Gleichung

L§ ∂ 2φ ∂g j ∂φ · § ∂φ · L
³ ¨¨ ρ ⋅ J p ⋅ g j + G ⋅ Jp ⋅ − g j ⋅ m t ¸¸ dx − ¨¨ G ⋅ J p ⋅ g j ¸ = 0. (5.22)
o© ∂t 2 ∂x ∂x ¹ © ∂ x ¸¹ o

Mittels des zuvor schon in Gl. (5.14) benutzten Rayleigh-Ritz-Ansatzes

2
φ(x; t ) = ¦ g i (x ) ⋅ Φ i (t ) (5.23)
i =1

bzw. mit den entsprechenden Zeit- und Ortsableitungen

∂ 2φ 2 ∂ 2Φi ∂φ 2 ∂g i
= ¦ gi ⋅ , = ¦ ⋅ Φi
∂t 2 i =1 ∂t 2 ∂x i =1 dx

folgt auch für Gl. (5.22)

2 L§ ∂ 2Φ i ∂g j ∂g i · §L ·
¦ ³ ¨¨ ρ ⋅ J p ⋅ g j ⋅ g i 2
+ G ⋅ Jp ⋅ Φ i ¸dx − ¨¨ ³ g j ⋅ m t ⋅ dx ¸¸
¸
i =1 o © ∂t ∂x ∂x ¹ ©o ¹
(5.24)
2 ∂g L
− ¦ §¨ G ⋅ J p ⋅ g j i ·¸ ⋅ Φ i = 0, j = 1, 2.
i =1© ∂x ¹ o

Damit liegt wieder die diskretisierte DGL

 + c ⋅ Φ = m + m
Θ⋅Φ (5.25)
O K

vor, die entwickelt lautet:

ª Θ11 Θ12 º ª Φ  º ª c11 c12 º ª Φ1 º ª Tx 1 º ª T1 º


1
« »  » + «
⋅ « »⋅« »=« » +« » (5.26)
¬ Θ 21 Θ 22 ¼ «¬ Φ 2 »¼ ¬ c 21 c 22 ¼ ¬ Φ 2 ¼ «¬ Tx 2 »¼ O ¬ T2 ¼ K .
5.3 Mathematische Formulierung 53

Alle Berechnungsvorschriften für die benötigten Ausdrücke findet man wieder in Gl. (5.24),
und zwar

− für die Koeffizienten der Elementträgheitsmatrix

L
Ĭ ji = ³ ρ ⋅ J p ⋅ g j ⋅ g i ⋅ dx , j, i = 1, 2, (5.27)
o

− für die Koeffizienten der Elementdrehsteifigkeitsmatrix

L
c ji = ³ G ⋅ J p ⋅ g j′ ⋅ g i′ ⋅ dx , j, i = 1, 2, (5.28)
o

− für den Oberflächenlastvektor eines verteilten Momentes

ªL º
« ³ g1 ⋅ m t dx » ª mt ⋅ L º
ª Tx 1 º «o » « »
mO = « » = «L » =« 2 » (5.29)
«¬ Tx 2 »¼ O « m ⋅ L
g 2 ⋅ m t dx » « t »
«¬ o³ »¼ ¬ 2 ¼
O

und für den Knotenlastvektor von eingeleiteten Momenten

ª T1 º
mK = « » (5.30)
¬ T2 ¼ K

mit den Randbedingungen

∂φ § 2 ∂g i (x ) ·
T1 = −G ⋅ J p ⋅ 0 = −G ⋅ J p ⋅ ¨¨ ¦ Φ i ¸¸ 0 ,
∂x © i =1 ∂x ¹

∂φ § 2 ∂g i (x ) ·
T2 = G ⋅ J p ⋅ L = G ⋅ J p ⋅ ¨¨ ¦ Φ i ¸¸ L .
∂x © i =1 ∂x ¹

Da das Dreh-Stab-Element auch wieder linear mit den gleichen Ansatzfunktionen wie in Gl.
(5.14) angesetzt werden kann, ergeben sich zu Gl. (5.15) und (5.16) ähnliche Matrizen.

5.3.3 Ebenes Balken-Element

In Analogie zu den stabartigen Elementen soll nun das Balken-Element beschrieben werden.
Wir wollen hierbei die Bernoulli-Hypothese zu Grunde legen, die unter reiner Biegung von
Schubverzerrungsfreiheit und gerade bleibenden Querschnitten ausgeht. Die im allgemeinen
Fall auftretenden Verhältnisse bei biegesteifen Elementen zeigt Bild 5.6. Biegesteife Ele-
54 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

mente werden in Rahmenstrukturen eingesetzt, d. h., sie werden nicht gelenkig angebunden
und übertragen daher Querkräfte und Biegemomente.

Ȍ x qz (x; t)
w' 
Ȍ2, Ȍ 2
1 2
z,w 
Ȍ1, Ȍ 1

 1
w1, w ρ , E . Jy , L  2
w2, w M2
M1
qz . dx
Q1 Q2

Qz P dM y
My
My + dx
dx
dQ z
Qz + dx
dx
ρ⋅ A ⋅ w
 ⋅ dx

Bild 5.6: Impulsbetrachtung am Biege-Balken-Element (Bernoulli-Element)

Zur Ermittlung der beschreibenden Differenzialgleichung soll wieder von der Gleichge-
wichtsgleichung an einem Balken-Elementchen ausgegangen werden:

dQ z
¦ K z = 0: − Q z − ρ ⋅ A ⋅ w
 ⋅ dx + Q z + dx + q z ⋅ dx = 0 , (5.31)
dx

dies führt zu der DGL

dQ z
ρ⋅A⋅w
 − − qz = 0 . (5.32)
dx

Hierin gilt es aber noch, die Ableitung der Querkraft durch die Verschiebung zu ersetzen.
Dazu kann noch die Momentenbedingung

dx dx dM y
¦ M p = 0: − M y − Q z ⋅ dx + q z ⋅ dx ⋅ −ρ⋅A⋅w
 ⋅ dx ⋅ + My + dx = 0
2 2 dx
(5.33)

ausgenutzt werden. Vernachlässigt man dabei alle kleinen Größen zweiter Ordnung, so führt
dies auf die Beziehung

Q z = M y′ oder Q z ′ = M y ″ .
5.3 Mathematische Formulierung 55

Unter weiterer Berücksichtigung der Biegelinienbeziehung M y = −E ⋅ J y ⋅ w ′′ folgt aus Gl.


(5.33) also

Q z ′ = −E ⋅ J y ⋅ w IV . (5.34)

Wird diese Gleichung nun vorstehend eingeführt, so erhält man als DGL der Biegeschwin-
gung

 + E ⋅ J y ⋅ w IV − q z = 0 .
ρ⋅A⋅w (5.35)

Auf diese DGL wird jetzt wieder das Galerkin-Verfahren angewandt, wodurch folgendes
Funktional entsteht:

( )
L
 + E ⋅ J y ⋅ g j ⋅ w IV − g j ⋅ q z dx = 0 ,
³ ρ⋅A⋅gj ⋅w j = 1, ..., 4. (5.36)
o

Zur Erniedrigung der Ordnung des mittleren Terms gilt es wie zuvor schon, die Produktregel
anzuwenden, und zwar zunächst folgendermaßen:


(E ⋅ J y ⋅ g j ⋅ w ′′′) = E ⋅ J y ⋅ g j ⋅ w IV + E ⋅ J y ⋅ g j′ ⋅ w ′′′ ,
∂x
E ⋅ J y ⋅ g j ⋅ w IV = (E ⋅ J y ⋅ g j ⋅ w ′′′)′ − E ⋅ J y ⋅ g j′ ⋅ w ′′′ . (5.37)

Diese Ordnungserniedrigung ist so lange durchzuführen, bis die Durchbiegung w in der


zweiten Ordnung vorliegt, also ist die Produktregel noch einmal anzuwenden auf

( ′
)
E ⋅ J y ⋅ g j′ ⋅ w ′′′ = E ⋅ J y ⋅ g j′ ⋅ w ′′ − E ⋅ J y ⋅ g j″ ⋅ w ′′ .

Damit kann jetzt folgende Ersetzung des Terms vorgenommen werden:

( ′
) (
E ⋅ J y ⋅ g j ⋅ w IV = (E ⋅ J y ⋅ g j ⋅ w ′′′)′ − E ⋅ J y ⋅ g j′ ⋅ w ′′ + E ⋅ J y ⋅ g j″ ⋅ w ′′ . ) (5.38)

Wird dies in Gl. (5.36) berücksichtigt, so liegt das Funktional in der Form

( )
L
 + E ⋅ J y ⋅ g j″ ⋅ w ′′ − g j ⋅ q z dx + [(E ⋅ J y ⋅ g j ⋅ w ′′′)
³ ρ⋅A ⋅gj ⋅ w
o
(5.39)
(
− E ⋅ J y ⋅ g j′ ⋅ w ′′ )] o = 0
L

vor. Es ist im Weiteren jedoch zweckmäßig, von folgender Gleichung auszugehen:


56 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

( ) [ ( )] L
L L
 + E ⋅ J y ⋅ g j″ ⋅ w′′ dx = ³ g j ⋅ q z dx + E ⋅ J y g j′ ⋅ w′′ − g j ⋅ w′′′ . (5.40)
³ ρ⋅ A ⋅ gj ⋅ w
o o o

Für die Verschiebung soll jetzt wieder der zuvor schon benutzte Separationsansatz gemacht
werden, und zwar

4
w (x; t ) = ¦ g i (x ) ⋅ d i (t ), (5.41)
i =1

worin der Knotenverschiebungsvektor sich aus den folgenden Komponenten zusammensetzt:

ª w1 º
ª d º « ψ » *)
d = « 1» = « 1 » . (5.42)
¬d 2 ¼ « w 2 »
«¬ ψ »¼
2

Führt man diesen Ansatz mit seinen Ableitungen

4
 = ¦ g i ⋅ d i ,
w
i =1
4
w ′′ = ¦ g i ″ ⋅ d i ,
i =1
4
w ′′′ = ¦ g i' ' ' ⋅ d i
i =1

ein, so ergibt sich für Gl. (5.40)

4 §L · 4 §L ·
″ ″
¦ ¨¨ ³ ρ ⋅ A ⋅ g j ⋅ g i dx ¸¸ ⋅ di + ¦ ¨¨ ³ E ⋅ J y ⋅ g j ⋅ g i dx ¸¸ ⋅ d i
i =1© o ¹ i =1© o ¹
(5.43)
L 4
[ (
= ³ g j ⋅ q z dx + ¦ E ⋅ J y g j′ ⋅ g i ″ −g j ⋅ g i ″
i =1

)] 0 ⋅ d ,
L
i j = 1, " , 4.
o

Diese Gleichung stellt somit wieder die Schwingungs-DGL eines Balken-Elements dar:

 + k ⋅ d = p + p .
m⋅d (5.44)
O K

Umseitig ist diese Gleichung als matrizielle Elementbeziehung ausgeschrieben worden:

*)
[]
Anmerkung: ψ ° = arctan( ψ ) mit ψ = − w ′
5.3 Mathematische Formulierung 57

ª m11 m12 m13 m14 º ª w 1 º ª k11 k12 k13 k14 º ª w1 º ª Qz1 º ª Q1 º
«m m22 m23 m24 » « Ψ » « k k22 k23 k 24 » « Ψ » « M » «M »
« 21 » ⋅ « 1 » + « 21 » ⋅ « 1 » = « y1 » + « 1 »
« m31 m32 m33 m34 » «w  2 » « k31 k32 k33 k34 » «w2 » « Qz2 » « Q2 »
« » «  » « » « » « » « »
m42 m43 m44 ¼ ¬ Ψ2 ¼ ¬ k41 k42 k43 k 44 ¼ ¬ Ψ2 ¼ ¬«My2 ¼»
¬m41 O ¬ 2 ¼K .
M
(5.45)

Die Vorschriften, wie die Matrizen und Vektoren zu bilden sind, sind ebenfalls wieder aus
Gl. (5.43) zu entnehmen. Von der Dimension (z. B. bei 3-D) her ist jede Matrize an die An-
zahl der Unbekannten anzupassen.

Damit kann ausformuliert werden, und zwar

− für die Koeffizienten der Elementmassenmatrix findet man somit

L
m ji = ³ ρ ⋅ A ⋅ g j ⋅ g i dx , j, i = 1, ..., 4, (5.46)
o

− für die Koeffizienten der Elementsteifigkeitsmatrix findet sich entsprechend

L
k ji = ³ E ⋅ J y ⋅ g j″ ⋅ g i ″ dx , j, i = 1, ..., 4, (5.47)
o

− die Vektorkomponenten der Streckenlast bzw. Oberflächenlast als Knotengrößen ergeben


sich zu

ªL º
ª Q z1 º ª Fz1 º « ³ g1 ⋅ q z dx »
« » « » «o »
« » « » «L »
« M y1 » « M y1 » « ³ g 2 ⋅ q z dx »
« » « » «o »
pO = « »≡« » = «L » (5.48)
« Q z 2 » « Fz 2 » « g ⋅ q dx »
« » « » «³ 3 z »
« » « » «o »
« M y2 » « M y2 » «L »
¬ ¼ ¬ ¼ O « ³ g 4 ⋅ q z dx »
¬« o ¼»

und

− die Vektorkomponenten des Gleichgewichts an den Knoten zufolge angreifender Einzel-


lasten und Momente
58 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

ª 4 ′
(″
« ¦ g1 ⋅ g i − g1 ⋅ g i' ' ' ) Lo ⋅ d i º»
« i =1 »
ª F1 º
« »
« M1 »
« 4 ′ ( ″
« ¦ g 2 ⋅ g i − g 2 ⋅ g i' ' ' ) o ⋅ d i »»
L

pK = « « i =1 ».
» = E ⋅ Jy ⋅ « 4 (5.49)
F
« 2»
«M »
′ ( ″
« ¦ g3 ⋅ g i − g3 ⋅ g i' ' ' ) o ⋅ d i »»
L

¬ 2 ¼K « i = 1 »
« 4
(
« ¦ g 4′ ⋅ g i″ − g 4 ⋅ g i' ' ' ) o ⋅ d i »»»
L
¬« i =1 ¼

Offen ist aber jetzt noch, wie die Formfunktionen g i zu wählen sind. Im vorliegenden Fall
wollen wir diese so bestimmen, dass die Biegelinie mit ihren Randbedingungen erfüllt wird.
Demzufolge gehen wir von der speziellen DGL aus:

w IV (x ) = 0 .*) (5.50)

Die Durchbiegung w erhält man nun durch viermalige Integration über die Stufen

w ′′′ = β3 ,

w ′′ = β 2 + β3 ⋅ x ,
x2
w ′ = β1 + β 2 ⋅ x + β 3 ⋅
2 ,

x2 x3
w = β o + β1 ⋅ x + β 2 ⋅ + β3 ⋅ (5.51)
2 6 .

Werden hierin die Randbedingungen des Elements, d. h. an den Stellen x, L, die Knotenfrei-
heitsgrade eingesetzt, so kommt man zu den Integrationskonstanten

w (x = 0) = βo ≡ w1 , (5.52)

w ′(x = 0 ) = β1 ≡ −ψ1 , (5.53)

L2 L3
w (x = L ) = w1 − ψ1 ⋅ L + β 2 ⋅ + β3 ⋅ ≡ w2 , (5.54)
2 6

L2
w ′(x = L ) = −ψ1 + β 2 ⋅ L + β3 ⋅ ≡ −ψ 2 . (5.55)
2

*)
Anmerkung: Normalerweise ist w IV = −q z ( x ) ; nachfolgend soll aber ein finites Element für die Knotenlast-
einleitung hergeleitet werden.
5.3 Mathematische Formulierung 59

Die beiden unbekannten Konstanten β2 , β3 gewinnt man aus den beiden letzten Gleichungen
durch elementare Umformung ((5.54) + (5.55) . (-L/2) → β3 ,β3 in (5.54) → β 2 )) zu

12 § ψ ⋅L ψ ⋅L·
β3 = ¨ w − w 2 − 1 − 2 ¸¸ (5.56)
3¨ 1 2 2 ¹
L ©

und

2
β2 = (−3w1 + 3w 2 + 2ψ1 ⋅ L + ψ 2 ⋅ L). (5.57)
L2

Durch Einsetzen in Gl. (5.51) und Sortieren folgt letztendlich

§ 3x 2 2x 3 ·¸ § x 2x 2 x 3 ·
¨− + ¸ ⋅ L ⋅ ψ1
w ( x ) = ¨1 − + ⋅ w + ¨ L −
¨ L3 ¸¹ L3 ¸¹
1
© L2 © L2
(5.58)
§ 3x 2 2x 3 · § x2 x3 ·
+ ¨¨ − ¸ ⋅ w2 + ¨¨ − ¸ ⋅ L ⋅ ψ2,
© L
2
L3 ¸¹ ©L
2
L3 ¸¹

d. h. eine Beziehung, wie die Durchbiegung an einer beliebigen Stelle x mit den festen Kno-
tengrößen w1 , ψ1 , w 2 , ψ 2 verknüpft ist. Nimmt man weiter Bezug zu Gl. (5.41), so wird
offensichtlich, dass die Formfunktionen vorstehend bestimmt sind als

§ 3x 2 2x 3 ·¸
g1 = ¨¨1 − + ,
© L2 L3 ¸¹
§ x 2x 2 x 3 ·
g 2 = ¨¨ − + − ¸ ⋅ L, (5.59)
© L L2 L3 ¸¹
§ 3x 2 2 x 3 ·
g 3 = ¨¨ − ¸,
© L
2
L3 ¸¹
§ x 2 x3 ·
g4 = ¨ ¸ ⋅ L.
¨ L2 − L3 ¸
© ¹

Da von der exakten DGL ausgegangen wurde, beschreiben auch die Formfunktionen die
Biegelinie exakt. Bezogen auf die normierte Koordinate

x
ξ=
L

zeigt umseitig das Bild 5.7 den Verlauf dieser Formfunktionen (Hermite Polynome), die so-
wohl die Knotenverschiebungen als auch die Neigungen der Biegelinie wiedergeben können.
60 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

1,0

0,8 g1 g3

0,6

0,4

0,2 g2

0 ξ
0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

1 g4 2

x
ξ=
L

Bild 5.7: Ansatzfunktionen für das Balken-Element

Für die Bestimmung der hier interessierenden Massen- und Steifigkeitsmatrizen müssen jetzt
noch die zu Gl. (5.40) zugehörigen Ableitungen gebildet werden, und zwar

6x 6x 2 6 12 x 12
g1′ = − + , g1″ = − + , g1''' = ,
L2 L3 L2 L3 L3
§ 1 4 x 3x 2 · § 4 6x · 6
g 2′ = ¨¨ − + − ¸ ⋅ L, (5.60) g 2″ = ¨ − ¸ ⋅ L, (5.61) g 2 ''' = − , (5.62)
© L L
2
L3 ¸¹ © L2 L3 ¹ L2
6x 6x 2 6 12x 12
g 3′ = − , g 3″ = − , g 3''' = − ,
L2 L3 L2
L 3
L3
§ 2x 3x 2 · § 2 6x · 6
g 4′ = ¨¨ − ¸ ⋅ L, g 4″ = ¨ − ¸ ⋅ L, g 4 ''' = − .
©L
2
L3 ¸¹ © L2 L3 ¹ L2

Mit den somit vollständig vorhandenen Formfunktionen sollen jetzt gemäß Gl. (5.46) und
(5.47) exemplarisch einige Matrizenkoeffizienten berechnet werden:
5.3 Mathematische Formulierung 61

2
L§ 3x 2 2x 3 ·¸ L§ 2 3 4 5 6·
¨1 − 6x + 4x + 9x − 12x + 4x ¸ dx
m11 = ρ ⋅ A ³ ¨¨1 − +
¸ dx = ρ ⋅ A ³ ¨ ¸
o© L2 L3 ¹ o© L2 L3 L4 L5 L6 ¹
ª 2x 3 x 4 9x 5 2x 6 4x 7 º L 156
= ρ ⋅ A«x − + + − + » = ρ ⋅ A ⋅ L,
«¬ L2 L3 5L4 L5 7L6 »¼ o 420

L§ 3x 2 2x 3 ·¸ §¨ x 2x 2 x 3 ·¸ 22
m12 = ρ ⋅ A ³ ¨¨1 − + ⋅ − + − L ⋅ dx = − ρ ⋅ A ⋅ L2 ,
2 3 ¸ ¨ L 2 3¸ 420
o© L L ¹ © L L ¹
#
L§ x2 2
x 3 ·¸ 4
m 44 = ρ ⋅ A ³ ¨¨ − ⋅ L2 ⋅ dx = ρ ⋅ A ⋅ L3 ;
2 3¸ 420
o© L L ¹

L 2 L § 36 144 x 144 x 2 ·
§ 6 12 x ·
k 11 = E ⋅ J y ³ ¨ − + ¸ dx = E ⋅ J y ³ ¨¨ − + ¸ dx
¸
2 L3 ¹ 4 L5 L6
o© L o© L ¹
§ 36 x 72 x 2 48 x 3 ·L E⋅Jy
= E ⋅ J y ¨¨ − + ¸ = 12
¸o ,
© L4 L5 L6 ¹ L3

L§ 6 12 x · § 4 6x · L § 24 84 x 72 x 2 ·¸
k12 = E ⋅ J y ⋅ L ³ ¨¨ − + ¸ ⋅ ¨¨
¸ − ¸ dx = E ⋅ J y ⋅ L ³ ¨ −
¸ + − dx
2
L3 ¹ © L2 L3 ¹ ¨ 4
L5 L6 ¸¹
o© L o© L
L
ª 24 x 42 x 2 24 x 3 º E ⋅ Jy
= E ⋅ J y ⋅ L «− + − » = −6 2 ,
4 5 6
¬« L L L ¼»
o
L

#
L§ x2 2
x 3 ·¸ E ⋅ Jy
k 44 = E ⋅ J y ⋅ L2 ³ ¨¨ − dx = 4 .
o© L
2
L3 ¸¹ L

Würde man nun alle Kombinationen von Indizes bilden, so erhielte man jeweils vollständig

− die Massenmatrix

ª 156 -22L 54 13L º


«
ȡ⋅A⋅L « 4L -13L -3L2 »
2
m= » (5.63)
420 « 156 22L »
« »
¬ sym. 4L2 ¼

und
62 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

− die Steifigkeitsmatrix

ª 12 -6L -12 -6L º


E ⋅ Jy « 4L2 6L 2L2 »
k= « » (5.64)
L3 « 12 6L »
« »
¬ sym. 4L2 ¼

des ebenen Balken-Elements im x-, z-System.

5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf

Nachdem jetzt beispielhaft die Massen- und Steifigkeitsmatrizen sowie die Lastvektoren für
drei Elementtypen bekannt sind, wollen wir uns der Ablauffolge von den Einzelelementen
zum Gesamtmodell zuwenden. Wir beschränken uns hierbei auf die linear elastische Statik,
wohl wissend, dass der Algorithmus für den dynamischen Fall nur entsprechend erweitert
werden braucht.

5.4.1 Steifigkeitstransformation

Die zuvor hergeleiteten Steifigkeitsmatrizen gelten ausschließlich für das festgelegte lokale
(elementeigene) Koordinatensystem des betrachteten Stab- und Balken-Elements. In Struktu-
ren eingebaut werden aber diese Elemente beliebige Lagen einnehmen, weshalb für eine Ge-
samtaussage dann nur transformierte Steifigkeiten maßgebend sind. Diesen Zusammenhang
kann man sich sehr anschaulich an dem einfachen Stab-Element klarmachen, für das die lo-
kale Kraft-Steifigkeits-Verschiebungs-Beziehung

ª Fx1 º E ⋅ A ª 1 − 1º ª u1 º
«F » = L «− 1 ⋅
1»¼ «¬ u 2 »¼
¬ x2 ¼ ¬

lautete. Die Elementsteifigkeit verknüpft dabei die Knotenkräfte mit den Knotenverschie-
bungen in Wirkrichtung. Kommt ein Element anders zu der Wirkrichtung „zu liegen“, so
wird auch die Steifigkeit anders sein.

Um diesen Sachverhalt wieder allgemein gültig beschreiben zu können, betrachten wir das
Transformationsproblem eines Vektors. Der Vektor steht stellvertretend für eine Kraft oder
eine Verschiebung. Die durchzuführende Vektortransformation ist exemplarisch im Bild 5.8
dargestellt.

Der hierin abgebildete ebene Vektor v soll nun global-lokal rücktransformiert werden, d. h.
vom globalen x -, y -Koordinatensystem in das lokale x-, y-Koordinatensystem, welches die
übliche Richtung bei FE-Rechnungen darstellt.

Die entsprechenden Vektorkomponenten sind demgemäß


5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf 63

v x = v x ⋅ cos Į + v y ⋅ sin Į,
v y = − v x ⋅ sin Į + v y ⋅ cosĮ,

zweckmäßiger ist es aber, diese Gleichung matriziell anzugeben als

ª v x º ª cosĮ sin α º ª v x º
« v » = « − sin α cosα » ⋅ « v » . (5.65)
¬ y¼ ¬ ¼ ¬ y¼

y y
i
vy = Elementknoten
j
vy

α v
α

j x
vx
α
i vx x

Bild 5.8: Global-lokale Transformation eines beliebigen Knotenvektors

Wir wollen diese Transformationsbeziehung nun übertragen auf die hier interessierenden
Knotengrößen Kraft und Verschiebung, die sich somit ergeben zu

ª Fxi º ª cosĮ sinĮ º ª Fxi º


« F » = « − sinĮ cosĮ » ⋅ « F » (5.66)
¬ yi ¼ ¬ ¼ ¬ yi ¼

und

ª u i º ª cosα sinα º ª u i º
« v » = « − sinα cosα » ⋅ « v » . (5.67)
¬ i¼ ¬ ¼ ¬ i¼

Diese beiden Matrizengleichungen können auch symbolisch geschrieben werden als

p = Ti ⋅ p (5.68)

und

d = Ti ⋅ d . (5.69)
64 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

Weil hierin aber nur ein Knoten zusammengefasst ist, muss die Transformationsmatrix für
ein Element erweitert werden zu

i j
ª cosĮ sin Į 0 0 º
« − sin Į cosĮ 0 0 »
T=« » . (5.70)
« 0 0 cosĮ sin Į »
« »
¬ 0 0 − sin Į cosĮ ¼

Eine wichtige Eigenschaft dieser Transformationsmatrix ist die Identität der inversen Trans-
formierten zur transponierten Transformierten:

T −1 = T t . (5.71)

Diese Aussage kann bestätigt werden aus der Invarianz der äußeren Arbeit, die als skalare
Größe in allen Koordinatensystemen gleich sein muss. Daher kann angesetzt werden:

Wa = p t ⋅ d = p t ⋅ d . (5.72)

Berücksichtigt man hierin die Transformationsbeziehung, so darf auch

p t ⋅ d = ( T ⋅ p ) t ⋅ (T ⋅ d ) ≡ p t ⋅ T t ⋅ T ⋅ d . (5.73)

geschrieben werden. Wegen der uneingeschränkten Gültigkeit der Arbeitsaussage muss so-
mit

Tt ⋅ T = I (5.74)

also gleich der Einheitsmatrix sein, was Aussage der Gl. (5.71) war. Unter Nutzung der bis-
herigen Beziehungen wollen wir jetzt die Transformation der Elementsteifigkeitsmatrix vor-
nehmen. Dazu gehen wird von der finiten Gleichung

p = k ⋅d (5.75)

aus und führen darin Gl. (5.68) und (5.69) als Transformationen ein, es folgt hieraus

T⋅p = k ⋅T⋅d (5.76)

und nach zusätzlicher Linksmultiplikation mit der transponierten Transformierten

t T ⋅ p = Tt ⋅k ⋅ T ⋅ d ⋅ Tt
 ⋅

T 
(5.77)
I k

kann Gl. (5.75) neu formuliert werden als


5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf 65

p = k ⋅d.

Man erhält damit die transformierte Einzelsteifigkeitsmatrix

k = Tt ⋅ k ⋅ T . (5.78)

Dies soll nunmehr beispielhaft an einem Stab-Element gezeigt werden, welches dazu um
fiktive Knotenfreiheitsgrade v i in y-Richtung erweitert wird:

ª Fx1 º ª 1 0 − 1 0 º ª u1 º
«F »
y1 » E ⋅ A «« 0 0 0 0 » « v1 »
p=« = » ⋅ « » = k ⋅d. (5.79)
« Fx 2 » L «− 1 0 1 0» «u 2 »
« » « » « »
F
¬ y2 ¼ ¬ 0 0 0 0¼ ¬ v2 ¼

Für die durchzuführende Transformation kürzen wir die Koeffizienten der Matrix*) mit
c = cos α und s = sin α ab, somit ist folgende Rechnung erforderlich:

ª c − s 0 0º ª 1 0 − 1 0º ª c s 0 0º
« s c 0 0» « 0 0 0 0» «− s c 0 0»
« »⋅« »⋅« » = Tt ⋅ k′ ⋅ T .
«0 0 c − s » «− 1 0 1 0» « 0 0 c s»
« » « » « »
¬0 0 s c ¼ ¬ 0 0 0 0¼ ¬ 0 0 − s c¼

Dies führt zu der lageabhängigen Elementsteifigkeitsmatrix

ª c2 s ⋅ c − c2 − s ⋅ c º
« »
E⋅A « s⋅c s2 − s ⋅ c − s2 »
k= . (5.80)
L « − c2 − s ⋅ c c2 s ⋅ c»
« 2 »
¬« − s ⋅ c − s s⋅c s 2 »¼

Würde man ein Stab-Element jetzt um α = 90° drehen, so wäre das Ergebnis von Gl. (5.80),
dass die Elementsteifigkeit dann in y-Richtung umorientiert wäre.

5.4.2 Äquivalente Knotenkräfte

Bei den vorherigen Betrachtungen ist schon deutlich geworden, dass die an einem finiten
Modell angreifenden Kräfte über die Knoten eingeleitet werden sollten. Diesbezüglich ist
anzustreben, dass die Knoten immer so platziert werden, dass sie unterhalb der
Kraftangriffspunkte zu liegen kommen. Falls dies nicht möglich ist, müssen gemäß Gl.
(5.11) und Gl. (5.48) die angreifenden Kräfte auf alle Knotenfreiheitsgrade verschmiert
werden. Dafür gilt es, das folgende Prinzip zu wahren:

*) ′
Anmerkung: k = c ⋅ k
66 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

Alle nicht an einem Knoten eines finiten Elementes angreifenden Kräfte müssen so auf
die Freiheitsgrade verteilt werden, dass die angreifenden Kräfte mit ihren Verschie-
bungen dieselbe virtuelle Arbeit leisten, wie die konzentrierten Knotenkräfte mit ihren
örtlichen Verschiebungen.

Heutige FE-Programme führen diese „Verschmierung“ automatisch durch.

Bezeichnen wir nun die verschmierten Kräfte als äquivalente Kräfte p ä , so muss die virtu-
elle Arbeit folgendermaßen angesetzt werden:

įWa = įd t ⋅ p ä = ³ įu t ⋅ p dV + ³ įu t ⋅ q dO + įu t ⋅ F . (5.81)
V O

Wird hierin wieder der Verschiebungsansatz mit

δu t = įd t ⋅ G t

eingeführt, so gilt für die äquivalenten Knotenkräfte eines Elements

t t
p ä = ³ G ⋅ p dV + ³ G ⋅ q dO + G t ⋅ F (5.82)
V O

oder als Erkenntnis, dass das Verschmieren jeweils durch Multiplikation mit dem Ansatz
durchgeführt wird, damit alle Freiheitsgrade angesprochen werden.

Diese Vorgehensweise wollen wir kurz am Stab- und Balken-Element demonstrieren.

− 1-D-Stab-Element unter einer verteilten Längskraft (z. B. Eigengewicht) gemäß Bild 5.9.
Die äquivalenten Knotenlasten sind in Richtung der Freiheitsgrade anzutragen.

1 qx
1 2

F1ä x = ? x F2ä x = ?

Bild 5.9: Äquivalente Knotenkräfte am Stab-Element

Aus dem übertragenen Ansatz von Gl. (5.82) folgt:

x ª x2 º ª1º
ª F1ä x º L ª1 − º « x − »L
« » « L» « 2L » = q ⋅L
«2»
pä = « » = ³ « x » ⋅ q x dx = q x « x 2 » x « » . (5.83)
«¬ F2 ä »¼ 0 « » «1»
x «¬ L »¼ « » 0 «¬ 2 »¼
¬ 2L ¼
5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf 67

Das formale Vorgehen führt hier auf eine Lösung, die natürlich auf der Hand lag. Aus ein-
facher Überlegung findet man sicherlich auch, dass die Streckenlast hälftig aufzuteilen ist.

Im nachfolgenden Fall ist dies jedoch nicht sofort ersichtlich.

− 2-D-Balken-Element unter einer verteilten konstanten Oberflächenkraft (z. B. Eigenge-


wicht oder Linienlast) gemäß Bild 5.10

qz
M1ä M2ä
y y

1 x 2
F1ä z F2ä
z z

Bild 5.10: Äquivalente Knotenkräfte am ebenen Balken-Element

Als Ansatz*) hierfür gilt

ª 3x 2 2 x 3 º ª x3 x4 º
ª F1ä z º « x− + »
« 1− 2 + 3 » L2 2L3
« » « L L » « »
« » « 2 » « x 2 2x 3 x4 »
« M 1ä » 2 x x3 «− »L
y « − x + − » + −
« » L« L L2 » ⋅ q dx = q « 2 3L 4L 2 »
pä = « »= ³« 2 3 » z z « 3 4 »
« F2 ä » 0 « 3x − 2 x « x x »0
z » −
« » « L2 L3 » « L 2 2L3 »
« » « » « »
«M » x2 x3 « x3 x4 »
« − » −
¬ 2ä y ¼ « »
¬« L L2 ¼» ¬ 3L 4L2 ¼

oder

ª 1º
« 2»
« »
« L»
«− »
12 »
pä = qz ⋅ L « , (5.84)
« 1»
« »
« 2»
« L»
« »
¬ 12 ¼

*)
Anmerkung: Es müssen zu den Knotenfreiheitsgraden alle entsprechenden Knotenkräfte in positiver Rich-
tung angetragen werden.
68 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

d. h., die Streckenlast muss auf alle Knoten-FHGs (Durchbiegung und Neigung) ver-
schmiert werden. Weiter seien im Bild 5.11 noch einige andere häufig vorkommende
Streckenlastprofile angegeben, die ebenfalls leicht herzuleiten sind.

3 7
qz F1ä z = qz ⋅ L , F2 ä z = qz ⋅ L
20 20
q z ⋅ L2 q ⋅ L2
M1ä y = , M 2ä = + z
L 30 y 20
qz
qz ⋅ L
F1ä z = F2 ä z =
4
5 5
M1ä y = − q z ⋅ L2 , M 2 ä = + q z ⋅ L2
96 y 96
L

Bild 5.11: Erfassung äquivalenter Knotenkräfte am ebenen Balken-Element

5.4.3 Zusammenbau und Randbedingungen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten des Zusammenbaus von Einzelelementen zur Gesamt-


struktur. Wir wollen hier aber eine formale Methode unter Zuhilfenahme der so genannten
Boole‘schen Zuordnungsmatrix wählen, die programmtechnisch leicht zu verwalten ist und
immer zum Ziel führt. Der Ablauf gestaltet sich hierbei folgendermaßen: Alle transfor-
mierten Steifigkeiten und Massen der vorkommenden n Einzelelemente werden im ersten
Schritt in Diagonalhypermatrizen*) auf der Hauptdiagonalen zusammengefasst:

ªk 1 0 º
« k2 »
K =« » ≡ k k "k
1 2 n (5.85)
« % »
« 0 k n »¼
¬

und

M = m1 m 2 " m n . (5.86)

Genauso verfahre man mit den Knotenverschiebungen und Knotenkräften, die demzufolge
zu Spaltenhypervektoren zusammenzufassen sind:

ȡ t = d1t d2t " dn t , (5.87)

*)
Anmerkung: Die links- und rechtsseitig offenen Klammern sollen die diagonale Anordnung symbolisieren.
5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf 69

R t = p1t p 2 t " p n t . (5.88)

Damit ist die Bauweise des Modells erfasst. Insofern können auch Gleichungssysteme er-
stellt werden. Das statische Gleichungssystem der ungebundenen Struktur lautet dann

K⋅ ȡ = R (5.89)

und das entsprechende ungebundene, dynamische Gleichungssystem

M ⋅ ȡ + K ⋅ ȡ = R . (5.90)

Das Merkmal ist bisher, dass es noch keine strukturelle Verknüpfung der Elemente unterein-
ander gibt. Aufgabenstellung ist aber, die Abhängigkeit zwischen der ungebundenen und ge-
bundenen Struktur (entsprechend der Nummerierung der Knoten) herzustellen. Man spricht
demnach vom Zusammenbinden der Elemente.

Bei der hier darzustellenden Technik gehen wir von der Existenz einer Beziehung

ȡ = A⋅U (5.91)

aus.

Dabei ist ȡ der so genannte Knotenverschiebungsvektor der ungebundenen Elementauflis-


tung, U der globale Knotenverschiebungsvektor der gebundenen Elementstruktur und A die
Boole‘sche Matrix*) oder so genannte Inzidenzmatrix.

Die Koeffizienten der Boole‘schen Matrix sind entweder 0 oder 1, wobei die Eins die
Gleichheit der Verschiebungskomponenten zwischen ungebundener und gebundener
Struktur ausdrückt. Null weist insofern aus, dass keine Identität besteht.

Im umseitigen Bild 5.12 ist der Aufbau einer Boole‘schen Matrix am Beispiel eines belie-
bigen ebenen, finiten Gebietes dargestellt. Das dargestellte Gebiet sei ein Ausschnitt aus
einem großen Netz, bei dem beispielsweise ein Rechteck-Element an ein Dreieck-Element
anstößt.

Aufgabe ist es hier, den lokal-globalen Zusammenhang zwischen den Knoten herzustellen,
der einmal durch die globale Nummerierung am Bauteil und einmal durch die lokale Num-
merierung an dem betreffenden finiten Element besteht. Gelöst wird dies durch systema-
tischen, knotenweisen Vergleich und dessen Protokollierung in der Zuordnungsmatrix.

*)
Anmerkung: Der Zusammenhang über die Boole’sche Matrix A wird in großen Strukturen auch wieder ge-
nutzt, um einzelnen Elementen bzw. deren Knoten Verschiebungen zuzuweisen. Aus den Ver-
schiebungen werden dann Elementdehnungen und Elementspannungen bestimmt.
70 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

v2 i lokale Nummer
i globale Nummer
2
4 u2
v4
4
v1 3 u4
1 3
1
1 u1 v3 v5

2 1 2
3 u3 5 u5 v 3 v 21
v12
u 21
u3
3 u12
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
u11 1 1
v11 2 1
u12 3 1 0 1 u1
1
v12 4 0 1 2 v1
1
u13 5 1 3 u2
2
v13 6 1 4 v2
u14 7 1 5 u3
= . 3
v14 8 1 6 v3
u 21 9 1 0 7 u4
4
v 21 10 0 1 8 v4
u 22 11 1 9 u5
5
v 22 12 1 10 v5
u 23 13 1
v 23 14 1

Bild 5.12: Lokal-globale Knotenfreiheitsgradzuweisung über Boole‘sche Matrix

Der Vektor ȡ ist in diesem Fall die Auflistung aller FHGs der Elemente und U die Auflis-
tung aller zu den 5 Knoten gehörenden FHGs. Durch den Vergleich am Knoten kann dann
über A der Zusammenhang hergestellt werden, beispielsweise am Knoten e:

− Die FHGs u 12 , v 12 des Rechteck-Elements fallen mit den Struktur-FHGs u 3 , v 3 zu-


sammen, welche in den Spalten 5, 6 von A markiert sind.
− Gleichzeitig fallen mit den FHGs u 3 , v 3 auch die FHGs u 21 , v 21 des Dreieck-Elements
zusammen, welche ebenfalls in den Spalten 5, 6 von A festgehalten sind.
5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf 71

Einen entsprechenden Zusammenhang gilt es auch für die Kräfte herzustellen. Die Forderung
muss hierbei sein, dass die auf eine gebundene oder ungebundene Struktur einwirkende vir-
tuelle Arbeit als skalare Größe gleich groß sein muss, somit kann angesetzt werden:

δU t ⋅ P = į ȡ t ⋅ R = δU t ⋅ A t ⋅ R . (5.92)

Hieraus lässt sich die zu Gl. (5.91) duale Beziehung

P = At ⋅ R (5.93)

für die Einbindung der Kräfte gewinnen. Setzt man jetzt hierin der Reihe nach Gl. (5.89) und
Gl. (5.91) ein, so folgt daraus die finite Gesamtgleichung

P = At ⋅ R = At ⋅ K ⋅ ȡ = At ⋅ K ⋅ A ⋅ U = K ⋅ U . (5.94)

Die Gesamtsteifigkeitsmatrix ist somit aus der Operation

K = At ⋅ K ⋅ A (5.95)

zu bilden. Entsprechendes gilt für die Gesamtmassenmatrix

M = At ⋅ M ⋅ A . (5.96)

Ein Kennzeichen beider Matrizen ist ihre Symmetrie und ihre ausgeprägte Bandstruktur
(außerhalb der Hauptdiagonalen schwach besetzt). Da aber noch keine Randbedingungen be-
rücksichtigt wurden, sind beide Matrizen singulär, d. h., physikalisch sind noch Starrkörper-
bewegungen möglich.

In einem weiteren Schritt muss es nun darum gehen, die vorgegebenen Randbedingungen
einzuarbeiten. Um dies algorithmisch durchführen zu können, erinnern wir uns an dieser
Stelle an die in Kapitel 4 entwickelte Prozedur. Wir hatten dort ein Problem aufgespalten in
unbekannte und bekannte Größen. Im Rahmen der FEM ist jetzt aber folgende Nomenklatur
zweckmäßig:

− U u als unbekannte Verschiebungen,


− U s als bekannte Verschiebungen,
− Fu als bekannte äußere Kräfte
und
− Fs als unbekannte Reaktionskräfte.

Das Gleichungssystem (5.94) muss demnach aufgespalten werden in

ªF º ªK K us º ª U u º
P = « u » = « uu ⋅ , (5.97)
¬ Fs ¼ ¬ K su K ss »¼ «¬ U s »¼
72 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

was wieder zu den beiden Gleichungen

Fu = K uu ⋅ U u + K us ⋅ U s ,
(5.98)
Fs = K su ⋅ U u + K ss ⋅ U s

führt. Da vielfach an den Auflagern vorgeschriebene Verschiebungen U s = 0 existieren,


vereinfachen sich die Beziehungen zu

K uu ⋅ U u = Fu (5.99)

und

Fs = K su ⋅ U u = K su ⋅ K uu −1 ⋅ Fu . (5.100)

Will man diesen Formalismus nun programmtechnisch realisieren, so sind im Wesentlichen


die folgenden Schritte durchzuführen:

− Durchnummerierung aller Knoten der Struktur und Festlegung der Randbedingungen


(d. h. Knoten-Nr. und Richtung).
− Entsprechend der auftretenden Freiheitsgradanzahl kann der Speicherplatz für die Ge-
samtsteifigkeitsmatrix K reserviert werden.
− Über die Anzahl der Randbedingungen ist weiter bekannt, welche Speicherplätze die
Untermatrizen K uu und K su einnehmen werden.
− Die Matrix K wird aufgefüllt, in dem die randbedingungsbehafteten Freiheitsgrade an das
Ende der Matrix umgespeichert werden. Damit liegen alle Untermatrizen (K uu , K us ,
K su , K ss ) vor.
− Danach können die Gleichungssysteme (5.97) und (5.98) ausgewertet werden.

Die erforderlichen Auffüll- und Umspeicheroperationen sind mit den geläufigen Program-
miersprachen FORTRAN und C relativ einfach durchführbar.

5.4.4 Sonderrandbedingungen

Neben den zuvor eingeführten einfachen Festlagerrandbedingungen wird man in der Praxis
auch auf andere Randbedingungen stoßen. Im Wesentlichen werden dies die im nachfolgen-
den Bild 5.13 gezeigten Sonderrandbedingungen sein. Um diese erfassen zu können, ist teil-
weise sogar ein iteratives Vorgehen erforderlich, wie beispielsweise bei (Feder-)Kontakt.

Die Kontaktproblematik wird später im Kapitel 8.2 ausführlich dargestellt. Daher soll hier
nur kurz auf die Transformation von Freiheitsgraden an „schiefen Auflagern“ eingegangen
werden. Derartige Fälle treten gewöhnlich bei Stahlbaustrukturen oder heute vermehrt bei
Space-Frame-Strukturen von Verkehrsfahrzeugen auf.
5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf 73

a) F b)
F

y1
x1
y2 x2

Bild 5.13: Sonderrandbedingungen


a) schiefe Auflager im neuen Koordinatensystem
b) Kontakt durch Anschlag

Würde man eines der im Bild 5.13 dargestellten Systeme global beschreiben, so gilt hierfür
natürlich die bekannte finite Systemgleichung

K ⋅ U = P.

Die Verschiebungen U lägen also in Richtung der gewählten globalen Koordinaten ( x1 , y1 )


vor. Von Interesse ist aber die gedrehte Richtung ( x 2 , y 2 ) . Am schiefen Auflager ist des-
halb eine Transformation der Knotenfreiheitsgrade erforderlich, und zwar hier angegeben für
zwei Freiheitsgrade:

ª u º ª cosĮ − sinĮ º ª u 2 º −1
u=« 2»=« t
» ⋅ «w » = T ⋅ u ≡ T ⋅ u . (5.101)
w
¬ 2¼ ¬ sinĮ cosĮ ¼ ¬ 2¼

Die dazu benötigte Transformationsmatrix haben wir vorher als Gl. (5.67) schon hergeleitet.
Insofern kann durch einfaches Einsetzen die neue Beziehung mit einer angepassten knoten-
weisen Transformation angegeben werden, und zwar

K ⋅ Tt ⋅ U = Tt ⋅ P . (5.102)

Praktisch wird diese Multiplikation in Einzelgleichungen aufgelöst und die Multiplikation


nur für die Gleichungen des Knotens Nr. 5 durchgeführt.

An einem kleinen Beispiel soll dies im nachfolgenden Bild 5.14 vom Prinzip her dargestellt
werden. Der Balken mag so gelagert sein, dass links ein Festlager und rechts ein Loslager
vorliegt. Infolge der äußeren Kraftwirkung entsteht eine Durchbiegung mit relativen Lager-
verschiebungen.

Das Loslager ist in der Struktur um den Winkel α geneigt. Bei der Geometriebeschreibung
wird man dann die Bedingung w 2 = 0 im gedrehten Koordinatensystem sperren. Von Inte-
resse sind aber die im globalen Koordinatensystem wirksamen Verformungen, die dann mit
der ausformulierten Gleichung bestimmt werden können.
74 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

pz (x )
2 u2
1 u2
u1 = 0 x
w1 = 0 , w1′ w 2 , w 2′ w2 = 0
α
z

1 k11 0 0 k14 0 0 1 u1
2 0 k22 k23 0 k25 k26 1 w1
3 0 k32 k33 0 k35 k36 1
. . w1′ = Tt ⋅ P
4 k41 0 0 k44 0 0 cos α -sin α u2
5 0 k52 k53 0 k55 k56 sin α cos α w2
6 0 k62 k63 0 k65 k66 1 w ′
2
u1 w1 w1′ u 2 w 2 w 2′

Bild 5.14: Einbau schiefer Randbedingungen in ein Gleichungssystem

5.4.5 Lösung des Gleichungssystems

Zur Lösung der finiten Gleichung werden wegen der Größe des Gleichungssystems nur
numerische Verfahren eingesetzt. Hierbei unterscheidet man direkte und indirekte Verfahren
(und in der Dynamik noch Reduktionsverfahren). Zu den leistungsfähigsten direkten Ver-
fahren zählen das Gauß’sche und das Cholesky-Eliminationsverfahren, welche aber nur für
kleinere Strukturen geeignet sind, weil viel Speicherplatz erforderlich ist. Für größere Struk-
turen eignet sich hingegen das Frontlösungsverfahren (Wavefront), welches weniger
Massenspeicher und weniger Hauptspeicher benötigt.

Für große Strukturen (größer 50.000 Unbekannte) haben sich Iterationsverfahren (Gauß-
Seidel, konjugierte Gradienten/CG- bzw. PCG-Verfahren) durchgesetzt, die oft viel
schneller rechnen als die direkten Verfahren und weniger Speicherplatz benötigen.

Da hier nur das Problemverständnis geweckt werden soll, wird mit dem Cholesky-Verfahren
eine mehr mathematische Lösungsstrategie und mit dem Frontlösungsverfahren (FLV) ein
typischer Computeralgorithmus gezeigt.

• Cholesky-Verfahren
Für die Anwendung sei vorausgesetzt, dass die Koeffizientenmatrix K symmetrisch und
positiv definit sei. Demnach muss erfüllt sein:

− k ij = k ji (Symmetrie) für i, j = 1, ..., n


5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf 75

und

− k ii > 0 (positive Hauptdiagonale)


sowie alle det K ij > 0 (alle Unterdeterminanten positiv).

Falls dies vorliegt, kann die Koeffizientenmatrix in die zwei Dreiecksmatrizen

K = L ⋅ Lt (5.103)

zerlegt werden. Die Auflösung der Gleichung L ⋅ Lt ⋅ U = P erfolgt dann zweistufig


unter Ausnutzung des Hilfsvektors y:

L⋅y = P → y, (5.104)

Lt ⋅ U = y → U . (5.105)

Wie dies prinzipiell abläuft, ist im Schema von Bild 5.15 dargestellt. Hierzu muss aber
noch angegeben werden, wie die Koeffizienten der Dreiecksmatrix L bestimmt werden.
Für eine symmetrische Matrix sind zu bilden

1
§ i −1 ·2
a) auf der Hauptdiagonalen: A ii = ¨ k ii − ¦ A ji 2 ¸ i = 1, ..., n (5.106)
¨ ¸
© j =1 ¹

und

1
1 §¨ k −1 ·2
b) auf der Nebendiagonalen: A ki = k ki − ¦ A jk ⋅ A ji ¸ k = 1, ..., i - 1. (5.107)
¨
A kk © ¸
j=1 ¹

A 11 y1 F1 y1

L . y = P

t
L U = y
Bild 5.15:
A nn
un yn un Ablauf des Cholesky-Verfahrens bei
Zerlegung in zwei Dreiecksmatrizen
76 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

So wie vorstehend angedeutet, wird nun zuerst der Hilfsvektor ausgerechnet, und zwar

F1
y1 = , (5.108)
A 11

1 § j−1 ·
yj = ¨ Fj − ¦ A ji ⋅ y i ¸ . (5.109)
A jj ¨ ¸
© i =1 ¹

Hieran schließt sich die Bestimmung der tatsächlichen Unbekannten an zu

yn
un = , (5.110)
A nn

1
un− j = (y n − j − A n − j, n − j+1 ⋅ u n − j+1 −" A n − j, n ⋅ u n ) j = 0,1 ..., n - 1. (5.111)
A n − j, n − j

Dass dieses Verfahren leicht praktizierbar ist, möge das folgende kurze Beispiel zeigen,
bei dem der Lösungsvektor U gesucht ist:

ª 4 1 º ª u1 º ª 6 º
« 1 3»⋅« u » = «7 » .
¬ ¼ ¬ 2 ¼ ¬ ¼

Der Test zeigt sofort, dass die Koeffizientenmatrix symmetrisch und positiv definit ist.
Somit kann das Cholesky-Verfahren schrittweise ablaufen:

− Bestimmung der Dreiecksmatrix Lt


1
§ 0 ·2
1. Hauptdiagonale i = 1: A 11 = ¨ k11 − ¦ A j12 ¸ = k11 = 2
¨ ¸
© j =1 ¹
1
1 §¨ 0 ·2 k12 1
2. Nebendiagonale k = 1, i = 2: A 12 = k12 − ¦ A j1 ⋅A j2 ¸ = =
¨
A 11 © ¸ A 2
j =1 ¹ 11
1
§ 1 ·2 1 2 11
3. Hauptdiagonale i = 2: A 22 = ¨ k 22 − ¦ A j2 2 ¸ = 3 − §¨ ·¸ = ,
¨ ¸ © 2 ¹ 2
© j =1 ¹

woraus folgt

⎡ 1 ⎤
⎢2 ⎥
2 ⎥
Lt =⎢⎢ ,
⎢0
11 ⎥⎥
⎣ 2 ⎦
5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf 77

− Gegenprüfung gemäß Gl. (5.103)

ª2 0 º ª2 1 º
ª 4 1º
t « » « 2 » « » ,
L⋅L = « ⋅« »=
1 11 » « 11 » « »
« » 0 «
¬2 2 ¼ «¬ » ¬ 1 3 ¼»
2 ¼

− Bestimmung des Hilfsvektors y

F1 6
y1 = = = 3,
A 11 2
1 2 § 1 · 2 11
y2 = (F2 − A 21 ⋅ y1 ) = ¨ 7 − ⋅ 3¸ = ⋅ = 11,
A 22 11 © 2 ¹ 11 2

− Bestimmung der Unbekannten im Vektor U

y2 2
u2 = = 11 ⋅ = 2,
A 22 11
1 1 1
u1 = ( y1 − A 12 ⋅ u 2 ) = §¨ 3 − ⋅ 2 ·¸ = 1
A 11 2© 2 ¹

für den Lösungsvektor erhält man so

U t = [1 2] .

Der Vorteil des Cholesky-Verfahrens ist, dass es im Allgemeinen schnell rechnet; von
Nachteil ist, dass viel Speicherplatz erforderlich ist, weil die beiden Dreieckmatrizen im
Hauptspeicher präsent sein müssen.

• Frontlösungsverfahren
Beim Frontlösungsverfahren /GRO 01/ werden die Elementsteifigkeitsmatrizen aller Ele-
mente im Massenspeicher aufgebaut und nach der Reihenfolge der Knotennummerierung
sukzessive im Hauptspeicher als Einzelgleichungen abgearbeitet. Deshalb ist das Ver-
fahren für große Strukturen geeignet, da nie die Gesamtsteifigkeitsmatrix aufgebaut wer-
den muss, insgesamt wird somit nur wenig Speicherplatz in Anspruch genommen.

An einem kleinen Stabwerkbeispiel wollen wir im umseitigen Bild 5.16 die Technik kurz
kennen lernen. Vorgegeben seien dabei die Konstanten

E ⋅ A1 E ⋅ A2 E ⋅ A3 E ⋅ A4
= 1.000 , = 750 , = 500 und = 250 ,
L1 L2 L3 L4

wobei A 1 = A 2 = A 3 = A 4 = A sein soll.


78 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

x
1 2 3 4 Fx = 300 N
F rea k
1 2 3 4 5
u1 = 0 u 2 u3 u4 u5

1.000 -1.000 u1 = 0 F re ak

-1.000 1.000 -750 u2 0


+750
+750
-750 -500 u3 0
+500
-500 +500 -250 u4 0
+250
-250 +250 u5 F5x

Bild 5.16: Stabwerk mit zugehöriger Steifigkeitsmatrix

Die Elementmatrizen werden nun nacheinander abgearbeitet.

1. Schleife: Einlesen der Steifigkeitsmatrix von Element 1

ª 1.000 − 1.000º ª u1 º ªFreak º


⋅ = ,
«− 1.000
¬ 1.000»¼ «¬u 2 »¼ «¬ 0 »¼

Abspalten der ersten Gleichung

F + 1.000 ⋅ u 2 F
u1 = reak = reak + u 2 , (5.112)
1.000 1.000

da am Lager u1 = 0 ist, folgt daraus

F
0 = reak + u 2
1.000

bzw.

F
u 2 = − reak . (5.113)
1.000

Diese Gleichung wird zur Berechnung der Reaktionskraft abgespeichert und zum
Schluss durch eine Rückrechnung gelöst.
5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf 79

2. Schleife: Einlesen der Steifigkeitsmatrix von Element 2

ª − 1.000 ⋅ 0 º
« + 1.000 »
« » ªu º ª0º
« + 750 − 750 » ⋅ « 2 » = « »
« » ¬ u3 ¼ ¬0¼
« = 1.750 »
¬« − 750 750 ¼»

Elimination*) von u 2 aus 1.750 ⋅ u 2 − 750 ⋅ u 3 = 0

750
u2 = ⋅ u 3 = 0,429 ⋅ u 3 (5.114)
1.750

3. Schleife: Einlesen der Steifigkeitsmatrix von Element 3

ª− 750 ⋅ 0,429 º
« + 750 »
« » ª u º ª0 º
« + 500 − 500» ⋅ « 3 » = « »
« » ¬ u 4 ¼ ¬0 ¼
« = 928,25 »
«¬ − 500 500»¼

Elimination von u 3 aus 928, 25 ⋅ u 3 − 500 ⋅ u 4 = 0

500
u3 = ⋅ u 4 = 0,539 ⋅ u 4 (5.115)
928, 25

4. Schleife: Einlesen der Steifigkeitsmatrix von Element 4

ª − 500 ⋅ 0 , 539 º
« + 500 »
« » ªu 4 º ª 0 º
« + 250 − 250 » ⋅ « » = « F »
= 480 , 50 ¬u 5 ¼ ¬ 5x ¼
« »
«¬ − 250 250 »¼

Elimination von u 4 aus 480,50 ⋅ u 4 − 250 ⋅ u 5 = 0

250
u4 = ⋅ u 5 = 0,52 ⋅ u 5 (5.116)
480,50

*)
Anmerkung: Die Eliminierung von Unbekannten ist erforderlich, weil immer nur zwei Gleichungen in den
Hauptspeicher sollen.
80 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

5. Schleife: Bilden der Schlussgleichung

− 250 ⋅ u 4 + 250 ⋅ u 5 = F5x = 300


(− 250 ⋅ 0,52) u 5 + 250 ⋅ u 5 = 300

300
u5 = = 2,5 (5.117)
120

6. Rückrechnung (Back Substitution)

u 5 = 2,5
u 4 = 0,52 ⋅ u 5 = 1,3 mm
u 3 = 0,539 ⋅ u 4 = 0,7 mm
u 2 = 0,429 ⋅ u 3 = 0,3 mm
u1 = 0

Reaktionskraft: Freak = −1.000 ⋅ u 2 = −300 N

Beobachtet man, welche Plätze von der Gesamtsteifigkeitsmatrix benötigt wurden, so ent-
sprach dies genau der maximalen Wavefront, hier 2. In der Regel ist dieser Wert bei der
Auflösung der Gleichungen veränderlich. Die mittlere Größe ist jedoch ein Maß für die
benötigte Rechenzeit, diese lässt sich folgendermaßen abschätzen:

RZ ≈ (Anzahl der Unbekannten N) + (RMS-Wavefront) 2 [msec.] . (5.118)

Hierin ist

RMS-Wavefront = (22 + 22 + 22 + 22 )/ 4 = 2.
Einige Programmsysteme (z. B. ANSYS) arbeiten mit dem Frontlösungsverfahren. Die ge-
läufigen FE-Gleichungslöser sind vorher schon erwähnt worden. Es wurde auch dargelegt,
dass die Rechenzeit zur Lösung eines Problems von der Anzahl der Unbekannten abhängt.
Für die Zunahme der Unbekannten in h-basierten Systemen gilt die empirische Beziehung

c ∼ h −d , mit h ( ≡ Durchmesser eines einbeschriebenen Elementkreises).

Mit c wird hierbei der Vervielfachungsfaktor für die unbekannten N bei einer Netzverfeine-
rung ( N nachher ≈ c ⋅ N vorher ) bezeichnet. Der Diskretisierungsparameter h (s. auch Bild
1.5) impliziert dann mit der Dimensionalität d die Erhöhung der Unbekannten, d. h., eine
Halbierung der Elementgröße bedeutet bei 2-D-Strukturen die Vervierfachung und bei 3-D-
Strukturen die Verachtfachung der Unbekannten. Wie die Gleichungslöser dieses Problems
bewältigen, zeigt die folgende Auswertung (u. a. nach /JUN 01/).
5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf 81

unbekannte kleine kleinere mittelgroße größere große


N Strukturen Strukturen Strukturen Strukturen Strukturen
Verfahren (N = 1.000) (N = 3.600) (N = 14.000) (N = 56.000) (N = 220.000)
RZ 0,001 s 0,11 s 1,70 s 22 s -
Cholesky
SPB 185 kB 1,31 MB 10 MB 79 MB -
Gauß- RZ 170 s 3.000 s - - -
Seidel SPB 49 kB 193 kB - - -
RZ 0,36 s 4,5 s 92 s 950 s 8.000 s
CG
SPB 67 kB 250 kB 985 kB 3,8 MB 15 MB
RZ 0,05 s 0,1 s 1,95 s 3,5 s 17,5 s
PCG
SPB 70 kB 250 kB 1,2 MB 4,6 MB 20 MB
RZ 1.000 s 3.600 s - - -
FLV
SPB 50 kB 200 kB - - -

Bild 5.17: Tendenzielle Effizienz und Wirtschaftlichkeit von numerischen Gleichungs-


lösern (RZ = Rechenzeit, SPB = Speicherbedarf)

5.4.6 Berechnung der Spannungen

Im Nachgang zur Auflösung des Gleichungssystems können jetzt mit den berechneten Ver-
schiebungen auf Elementebene die Spannungen bestimmt werden. Wir wollen im Folgenden
voraussetzen, dass über Gl. (5.90) wieder eine lokale Zuordnung erfolgen kann. Für unsere
beiden Demonstrationselemente Stab und Balken gestaltet sich dann die Rechnung folgen-
dermaßen:

− Stab-Element
Definition und Auswertung der Dehnung:

∂u ∂G ∂ ª§ 1 − x · x º ª u1 º
εx = = ⋅d = «¬¨© ¸ ⋅
∂x ∂x ∂x L¹ L »¼ «¬ u 2 »¼

1 1 º ª u 1 º u 2 − u1
= ª« − ⋅ = ,
¬ L L »¼ «¬ u 2 »¼ L

Anwendung des Werkstoffgesetzes:

u − u1
σx = E ⋅ εx = E ⋅ 2 . (5.119)
L
− Balken-Element
Verzerrungsansatz für den Bernoulli-Balken (s. auch Bild 5.18):

u( x ) = − z ⋅ w ′ ( x ) (5.120)
82 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

1 x, u 2
w1 w(x) w2
ψ1 dx ψ2
z
Bild 5.18:
z, w
w'(x) Definition der Verformung am Bal-
u(x) ken-Element

Definition der Dehnung:

∂u
İx = = −z ⋅ w ′′(x ) = − z ⋅ G ″ ⋅ d (5.121)
∂x

oder mit Gl. (5.62) folgt

ª w1 º
« »
ª§ 6 12 x · § 4 6 x · § 6 12 x · § 2 6 x · º « ψ1 »
ε x = − z «¨ − + ¸ ¨ − ¸ ⋅L ¨ − ¸ ¨ − ¸ ⋅ L» ⋅ .
¬© L2 L3 ¹ © L2 L3 ¹ © L2 L3 ¹ © L2 L3 ¹ ¼ « w 2 »
« »
¬ ψ2 ¼

Wegen der Koordinatenabhängigkeit muss diese Gleichung knotenweise ausgewertet


werden, und zwar zu

­ 6 2 ½
ε x ( 0) = z ® ( w 1 − w 2 ) − ( 2 ⋅ ψ 1 + ψ 2 ) ¾
2 L
¯L ¿

bzw.

­ 6 2 ½
ε x ( L) = z ® ( − w 1 + w 2 ) + ( ψ 1 + 2 ⋅ ψ 2 ) ¾ .
2 L
¯L ¿

Über die Koordinate z können beliebige Dehnungen über den Querschnitt bestimmt wer-
den. Entsprechendes gilt für das Werkstoffgesetz:

σ x (0 ) = E ⋅ ε x ( 0 ) , σ x (L ) = E ⋅ ε x (L ) . (5.122)

Unter symmetrischen Bedingungen muss dies zu gleichen Spannungen führen. Vorstellung


war hier zu zeigen, dass die Spannungen immer elementweise, und zwar mit dem jeweiligen
Verschiebungsansatz auszuwerten sind.
5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf 83

5.4.7 Systematische Problembehandlung

Aufbauend auf den vorausgegangenen Kapiteln wollen wir nunmehr an einem einfachen
Strukturbeispiel die Vorgehensweise der FEM trainieren. Dieses Strukturbeispiel sei dem
Stahlbau entlehnt und in seiner Funktion im Bild 5.19 gezeigt.

Normalerweise ist die Modellierung so durchzuführen, dass alle interessierenden Problem-


punkte geklärt werden können. Im vorliegenden Fall soll das Augenmerk ausschließlich auf
die Durchbiegung der Struktur gerichtet sein. Nur deshalb ist die im Beispiel herangezogene
Modellierung überhaupt möglich.

Die Randbedingungen, die hier aus einer komplizierten Anschraubung und einer Gabelkopf-
stützung bestehen, sind durch die Auflager sehr stark idealisiert worden.

qz Länge L 2

50
2

Flach-
1 3 Länge L 3
material
90

Schraube

Schraube
Wand leichter I-Träger
Länge L1
Wand
Daten: q z = 3 N/mm
F = 1.000 N
L1 = 500 mm E ⋅ J y1 = 6,3 ⋅ 1010 Nmm 2
L 2 = 500 mm E ⋅ J y 2 = 10,5 ⋅ 109 Nmm 2
L 3 = 400 mm E ⋅ A 3 = 2,1 ⋅ 10 7 N

Bild 5.19: Einfache Tragkonstruktion

Als materielles Gebilde muss diese Konstruktion im Weiteren FEM-gerecht aufbereitet wer-
den. Am einfachsten bieten sich hierzu Balken- und Stab-Elemente an, so wie dies im
Bild 5.20 dargestellt ist.

Bei einer derartigen Idealisierung können aber nur globale Aussagen über die Elemente ge-
macht werden. Wollte man beispielsweise Näheres über die Schweißnaht in der
84 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

Konstruktion wissen, so müsste flächig in Schalen-Elemente oder besser noch volumetrisch


modelliert werden. Auch sollen keine Aussagen zu den Schraubanschlüssen gemacht
werden, weshalb einfache Auflager ausreichend sind.

Der Ablauf bis zum Ergebnis der Durchbiegungs- und Spannungsermittlung im Träger kann
dann in die folgenden 10 Schritte unterteilt werden:

1. Schritt: Idealisierung

qz F3

1 x 1 2 3
E. Jy2 , L2
E . Jy1 , L1 2
w1 = 0
3 E . A3 , L3
z

w4 = 0 4

Bild 5.20: Finites Modell der Tragkonstruktion

Innerhalb der Idealisierung*) werden zunächst die Elemente geometrisch (x i , z i /A i , J i ) und


physikalisch (E, ...) definiert. Die geometrische Definition erfolgt hierbei in dem globalen
x − , z -Koordinatensystem. Vom mechanischen Verhalten her erkennt man eine Balkenstruk-
tur, welche von einer Pendelstütze abgestützt wird.

2. Schritt: Randbedingungen

Gemäß den Stützungen der Struktur müssen jetzt die Randbedingungen eingeführt werden.
Im vorliegenden Fall sei die Tragkonstruktion an zwei Punkten mit dem Mauerwerk starr
verschraubt. Aus diesem Grunde sei hier angesetzt:

am Knoten 1 am Knoten 4
.
w1 = 0 w4 = 0

3. Schritt: Krafteinleitung

Die verteilte Streckenlast q z muss weiter auf die Knoten c, d des Balken-Elements 1 ver-
schmiert werden. Im Kap. 5.4.2 haben wir das Prinzip der äquivalenten Kräfte kennen ge-
lernt. Für das Balken-Element ergibt sich demgemäß

*)
Anmerkung: Im Beispiel seien vereinfacht nur reine 2-D-Stab- und Balken-Elemente zugelassen.
5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf 85

ª 1 º
ª Q1ä º « 2 » ª 750 N º
« » « L » « »
« » « − » − 62.500 Nmm »
1 «
« M1ä » « 12 » = « »
« » = q z ⋅ L1 « » « »
« Q 2ä » 1 »
« » « 750 N
« » « 2 » « »
« » « L1 » « »
«¬ M 2ä »¼ « 62.500 Nmm »¼ .
«¬ 12 »¼ ¬

4. Schritt: Bilden der Elementsteifigkeitsmatrizen

Die untransformierten Matrizen lauten:

ª12 − 6L − 12 − 6Lº
E ⋅ Jy « 4L2 6L 2L2 » E ⋅ A ª 1 − 1º
kB = « », kS = .
L3 « 12 6L » L «¬− 1 1»¼
« »
¬ 4L2 ¼

Der Transformationswinkel für die Balken-Elemente ist α = 0 , deshalb können die Matrizen
so übernommen werden:

ª12 − 3000 − 12 − 3000 º ª12 − 3000 − 12 − 3000 º


« 10 ⋅ 10 6 3000 5 ⋅ 105 » « 10 ⋅ 10 6 3000 5 ⋅ 105 »
k 1 = 504 « » , k 2 = 84 « ».
« 12 3000 » « 12 3000 »
« » « »
¬ 10 ⋅ 10 6 ¼ ¬ 10 ⋅ 10 6 ¼

Das Stab-Element muss hingegen mit α = 90° transformiert werden:

u1 w1 u2 w2 u1 w 1 u 2 w 2
ª c 2 2
s ⋅ c − c − s ⋅ cº ª0 0 0 0º
« » «0
E⋅A « s⋅c s2 − s ⋅ c − s2 » 1 0 − 1» .
k3 = = 5,25 ⋅ 10 4 « »
L « − c2 − s ⋅ c c2 s ⋅ c» «0 0 0 0»
« 2 » « »
¬«− s ⋅ c − s s⋅c s 2 »¼ ¬0 −1 0 1¼

5. Schritt: Lokal-globale Beziehung der FHGs

Entsprechend der gewählten Knotennummerierung ist im Bild 5.21 die Zuordnung der Ein-
zelelemente zum System gezeigt.
86 5 Das Konzept der Finite-Element-Methode

1 1 2 2 3
w1 = 0 x, u
w3, ψ3
ψ1 w2, ψ2 3
4 w4 = 0

1 2 1 2
1 2 1
u1
w1, ψ1 w2, ψ2 w1, ψ1 w2, ψ2 3

2
u2

Bild 5.21: Aufgeschnittenes finites Modell

Diese Zuordnung muss auch durch die Boole‘sche Matrix wiedergegeben werden.

1 2 3 4 5

w1 1 0 0 0 0 0
ψ1 2 1 w1 = 0
w2 3 1 1 ψ1
ψ2 4 1 2 w2
w1 5 1 3 ψ2
ψ1 = 6 1 . 4 w3
w2 7 1 5 ψ3
ψ2 8 1 w4 = 0
u1 9 1
u2 10 0 0 0 0 0
ȡ = A . U

6. Schritt: Zusammenbau der Systemsteifigkeitsmatrix

Der Zusammenbau soll formal über die Boole‘sche Matrix vorgenommen werden. Hierzu ist
die folgende Rechenoperation durchzuführen:
5.4 Prinzipieller Verfahrensablauf 87

1 10 1 10 1 5
1 1 1 1
1 0
1 1 1
.
1 1 a ij 1
.
1 1 1 =K
2
5 1 1
b ij 1
0 1
1
3
1
10 c ij 10

Das Ergebnis ist die Gesamtsteifigkeitsmatrix

a 22 a 23 a 24 0 0

a 32 a 33 + b11 a 34 + b12 b13 b14

K= a 42 a 43 + b 21 a 44 + b 22 b 23 b 24

0