Praxis der
Intensivmedizin
2. Auflage konkret
kompakt
interdisziplinär
Praxis der Intensivmedizin
Wolfram Wilhelm (Hrsg.)
Praxis der
Intensivmedizin
konkret, kompakt, interdisziplinär
123
Herausgeber
Prof. Dr. med. Wolfram Wilhelm, DEAA
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
RTH Christoph 8
Klinikum Lünen - St.-Marien-Hospital GmbH
Lünen
Springer Medizin
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011, 2013
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mungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils
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Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne
besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und
Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.
Nur zwei Jahre nach der 1. Auflage erscheint nun schon die 2. Auflage unseres Buchs »Praxis
der Intensivmedizin«. Natürlich hatten Autoren, Verlag und Herausgeber gehofft, dass unser
Intensivbuch zufriedene Leser findet, aber das Leserecho war so positiv, dass die 1. Auflage und
auch schon ein Nachdruck rasch vergriffen waren. Beflügelt von so viel Akzeptanz und vielen
positiven persönlichen Rückmeldungen haben wir die Gelegenheit genutzt, unser Intensivbuch
noch einmal komplett zu überarbeiten. Alle Kapitel wurden aktualisiert und noch zwei neue
Kapitel hinzugefügt, »Invasive Maßnahmen« und »Ultraschall beim Intensivpatienten«. Ande-
re Kapitel wurden deutlich erweitert, so z. B. das Kapitel »Radiologie« um Thorax- und Abdo-
men-CT-Bilderserien, das Kapitel »Präeklampsie und HELLP-Syndrom« um alle anderen As-
pekte der geburtshilflichen Intensivmedizin, das Hygiene-Kapitel um EHEC, MRGN und einen
Abschnitt zum Ausbruchmanagement u.v.a.m.
Was aber bleibt, ist die Grundidee zu diesem Buch: Erwachsenenintensivmedizin gut lesbar
und topaktuell zu erklären, bei Bedarf mit einem kurzen Rückgriff auf Anatomie, Physiologie
oder Pathophysiologie, dann aber auch mit konkreten Handlungsvorschlägen – also gleicher-
maßen ein Buch zum Lernen und zum Behandeln.
Mein ausdrücklicher Dank gilt wieder zuerst den Autoren, allesamt erfahrene Kliniker mit
großem intensivmedizinischen Know-how, für ihre fortwährende Unterstützung bei diesem
Buchprojekt, aber auch unserer Lektorin Frau Sirka Nitschmann sowie Frau Gisela Schmidt,
Frau Eva Schoeler und Frau Ulrike Hartmann vom Springer-Verlag für die engagierte Realisie-
rung dieser 2. Auflage. Weiterhin danke ich Frau Kathrin Bauer, Herrn Fabian Grundmann,
Herrn Dr. Simon Kalender, Herrn Robert Klasen, Frau Dr. Sandra Löser, DESA, und Herrn
Dr. Rafael Pulina, alle am Klinikum Lünen tätige Anästhesisten und Intensivmediziner, für ihre
Unterstützung bei der Enddurchsicht der Kapitel unmittelbar vor Druckfreigabe.
Mein besonderer Dank aber gilt diesmal Frau Dr. Anna Krätz, Senior Editorin beim Springer-
Verlag, die ab dem ersten Tag an dieses Buch geglaubt, mich immer bestens beraten und er-
muntert und zudem hervorragende Ideen zur Buchgestaltung beigesteuert hat.
Wolfram Wilhelm
Lünen, im April 2013
Vorwort zur 1. Auflage
Allein in Deutschland werden täglich mehrere tausend Intensivpatienten behandelt – Tag für
Tag und Nacht für Nacht – rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Große Operationen und
Interventionen wären sonst gar nicht möglich, und viele Patienten verdanken der Intensivme-
dizin ihr Leben. Während die Öffentlichkeit »Intensivmedizin« häufig als »Apparatemedizin«
wahrnimmt, wird meist vergessen, dass Intensivmedizin ohne die vielen engagierten Ärztinnen
und Ärzte, Schwestern und Pfleger gar nicht möglich wäre. Sie tragen große Verantwortung:
Arbeiten unter Zeitdruck, ständig erforderliche Fortbildung zu neuen Empfehlungen, Leitli-
nien und Richtlinien, zu neuen Medikamenten und Methoden, und sie müssen – eben auch
nachts und in aller Schnelle – die richtigen Entscheidungen treffen.
Ausgehend von inzwischen zahlreichen Intensivmedizin-Symposien und -Workshops an
unserem Klinikum – sowohl für »Einsteiger« als auch für erfahrene Ärztinnen, Ärzte und In-
tensivpflegekräfte – entstand die Idee zu diesem Buch: der Wunsch, den Kolleginnen und
Kollegen der verschiedenen Fachdisziplinen auf der Intensivstation ein sehr gut lesbares und
verständlich geschriebenes Intensivbuch an die Hand zu geben, in dem die klinischen Zusam-
menhänge der Intensivmedizin gut erklärt sind, in dem aber auch ganz konkrete Empfehlungen
zum praktischen Vorgehen gegeben werden. Dies waren unsere Ziele:
Kompakt Die gesamte Erwachsenenintensivmedizin sehr gut lesbar und verständlich darge-
stellt, mit interessanten Fallbeispielen zur typischen klinischen Vorgehensweise, geeignet für
Einsteiger und für Erfahrene.
Interdisziplinär Geschrieben von und geschrieben für (in alphabetischer Reihenfolge): Anäs-
thesisten, Chirurgen, Internisten, Neurochirurgen, Neurologen, (Neuro-)Radiologen u. a.
Interprofessionell Sehr gut geeignet für die Fachweiterbildung »Intensivpflege« und den Ba-
chelor-Studiengang »Critical Care«.
Dieses Buch wäre ohne die Unterstützung vieler gar nicht möglich gewesen. Danken möchte
ich zuerst den Autoren, alle auf einer Intensivstation tätig oder in den verschiedenen Fachdis-
ziplinen tagtäglich mit intensivmedizinischen Fragestellungen beschäftigt, die mit unermüdli-
chem Fleiß und großem didaktischen Geschick die verschiedenen Kapitel erstellt haben – hier
ist ganz viel praktisches und interdisziplinäres Wissen zusammen gekommen. Danken möchte
ich aber auch besonders Frau Dr. Anna Krätz, Frau Natalie Brecht, Frau Gisela Schmitt und
Frau Ulrike Hartmann vom Springer Medizin Verlag sowie »meiner« exzellenten Lektorin, Frau
Sirka Nitschmann, die dieses Buch vom ersten Tag an mit großem Engagement begleitet, ge-
fördert und schließlich in den Druck gebracht haben. Mein größter Dank gilt den Familien und
Kindern aller Autoren, die so viele Abende und manches Wochenende auf uns verzichten
mussten, während wir entweder auf der Intensivstation oder mit dem Laptop beschäftigt waren.
Wolfram Wilhelm
Lünen, im April 2011
VII
Dieses Buch heißt nicht zufällig »Praxis der Intensivmedizin«. Herausgeber und Autoren haben
dieses Intensivbuch geschrieben mit der Absicht, dem Leser möglichst klare und eindeutige
Handlungsempfehlungen für die intensivmedizinische Praxis zu geben, auch bei selten ange-
wandten Medikamenten oder Methoden. Zum besseren Verständnis wurde daher vielfach
neben dem generischen Namen auch beispielhaft ein Handelsname angegeben. Dadurch soll
dem Leser ein mühseliges und zeitraubendes Suchen in diversen Fachinformationen oder in
stationseigenen »Kochrezepten« möglichst erspart bleiben, um in der Akutsituation rasch und
konkret handeln zu können.
Konkrete Angaben bergen aber auch Risiken, auch durch den möglichen Wandel des
medizinischen Wissens. Alle Angaben in diesem Buch beziehen sich auf normalgewichtige Er-
wachsene. Es wurde darauf geachtet, alle Angaben, insbesondere zu Medikamenten und Metho-
den, Dosierungen, Applikationsformen, Indikationen, Nebenwirkungen und Kontra-
indikationen, korrekt zu publizieren. Dennoch können Herausgeber, Autoren und Verlag dafür
keine Gewähr übernehmen! Der Anwender muss diese Angaben individuell auf ihre Richtigkeit
und Anwendbarkeit überprüfen und ggf. einen Spezialisten konsultieren – der Anwender ist
hierfür allein verantwortlich. Die jeweils gültigen Fachinformationen sind zu berücksichtigen.
Im Text werden zum besseren Verständnis neben den generischen Medikamentennamen
auch »typische« Handelsnamen genannt. Handelsnamen sind nicht gekennzeichnet. Aus der
Nennung eines Handelsnamens kann nicht geschlossen werden, dass es nicht auch noch Prä-
parate desselben Wirkstoffs mit anderen Handelsnamen gibt, die gleichermaßen eingesetzt
werden könnten. Die Bevorzugung eines bestimmten von mehreren Handelspräparaten des-
selben Wirkstoffs ist nicht beabsichtigt. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeich-
nungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der
Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung
als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Herausgeber, Autoren und Verlag bitten jeden Leser und Anwender, ihnen etwaige Unge-
nauigkeiten mitzuteilen.
Inhaltsverzeichnis
4 Bluttransfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
Sebastian Turinsky, Claus Steuernagel
4.1 Erythrozytenkonzentrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4.2 Thrombozytenkonzentrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4.3 Gefrorenes Frischplasma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
4.4 Plasmapräparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
4.5 Ablauf einer Bluttransfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.6 Prinzipien der Blutgruppenkompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
4.7 Unerwünschte Ereignisse, unerwünschte Reaktionen und Nebenwirkungen . . . . . 61
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
5 Gerinnungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Claus Steuernagel, Sebastian Turinsky
5.1 Physiologie der Hämostase in vivo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
5.2 Blutung aufgrund einer Störung der Hämostase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
5.3 Therapiekomponenten bei Blutung und deren Effekt auf die Hämostase . . . . . . . . 68
IX
Inhaltsverzeichnis
6 Innerklinische Reanimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Volker Wenzel, Rüdiger Franz
6.1 »Basic life support«; BLS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
6.2 »Advanced cardiac life support«; ACLS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
6.3 Zugang zum Gefäßsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
6.4 Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
6.5 Atemwegssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
6.6 Der Universalalgorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
6.7 Intensivtherapie nach Reanimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
6.8 Beendigung von Reanimationsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
9 Stressulkusprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
Stefan Kleinschmidt
9.1 Mukosaschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
9.2 Medikamentöse Prophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
9.3 Begleitende Maßnahmen zur medikamentösen Prophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . 127
9.4 Eradikationstherapie bei Nachweis einer Helicobacter-pylori-Infektion . . . . . . . . 128
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
X Inhaltsverzeichnis
10 Thromboembolieprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Stefan Kleinschmidt
10.1 Risiko thrombembolischer Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
10.2 Allgemeine Maßnahmen zur Thromboembolieprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . 130
10.3 Pharmakologische Thromboembolieprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
10.4 Heparine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
10.5 Danaparoid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
10.6 Fondaparinux . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
10.7 Hirudin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
10.8 Argatroban . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
10.9 Neue orale Antikoagulanzien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
10.10 Praktische Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
10.11 Invasive Maßnahmen unter Antikoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
11 Abführmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Friedhelm Bach
11.1 (Patho-)Physiologie des Gastrointestinaltrakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
11.2 Faktoren, die die Magen-Darm-Motilität hemmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
11.3 Medikamentöse Therapiemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
11.4 Adjunktive Therapiemaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
12 Intensivpflege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
Fred Leicht
12.1 Übergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
12.2 Aufgaben der Intensivpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
12.3 Mobilisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
12.4 Aufgaben der Pflegekraft im Notfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
12.5 Häufige Fragen bei der Arbeitsteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
13 Analgosedierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
Stefan Kleinschmidt, Wolfram Wilhelm
13.1 Probleme und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
13.2 Anforderungen an heutige Analgosedierungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
13.3 Techniken und Pharmaka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
13.4 Überwachung der Analgosedierung mit Scores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
13.5 Praktisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
13.6 Analgosedierung bei ausgewählten Krankheitsbildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
XI
Inhaltsverzeichnis
14 Beatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Thomas Ziegenfuß
14.1 Beatmung: wann, wie und warum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
14.2 Grundlagen der Beatmungstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
14.3 Atemtypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
14.4 Einstellung der Beatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
14.5 Überwachung der Beatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
14.6 Beatmungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
14.7 Nichtinvasive Beatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
14.8 Unerwünschte Wirkungen der Beatmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
14.9 Entwöhnung von der Beatmung – Weaning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
14.10 Beatmungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
Internetlinks und Apps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
19 Ultraschall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
Wolfram Wilhelm, Stefan Röhrig
19.1 Ultraschall auf der Intensivstation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
19.2 Abdomensonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
19.3 Lungensonographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
19.4 Transthorakale Echokardiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
19.5 Transösophageale Echokardiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307
20 Schmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
André Gottschalk
20.1 Definition und Erfassung von Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
20.2 Analgetika in der Intensivmedizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
21 Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
Oliver Kunitz, Daniela Deller
21.1 Hyperthermie und Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
21.2 Temperaturmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
21.3 Ursachen für Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
21.4 Therapie bei Fieber auf der Intensivstation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
22 Intensivtransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
Wolfram Wilhelm, André Wiegratz
22.1 Jeder Intensivtransport ist ein Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
22.2 Transportausrüstung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
22.3 Vorbereitung und Durchführung des Transports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
22.4 Besonderheiten des Interhospitaltransports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
24 Wann kann der Patient von der Intensivstation verlegt werden? . . . . . . . . . . 343
Daniela Deller, Oliver Kunitz
24.1 Regeln für die Verlegung auf die Normalstation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
24.2 Interdisziplinäre Intensivstation: Wie einigt man sich mit dem für die Behandlung
des Grundleidens zuständigen Kollegen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
24.3 Wie erfolgt die Übergabe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
24.4 Wann sollte man eine Epikrise zum Verlauf schreiben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
24.5 Alle Betten belegt – was nun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
XIII
Inhaltsverzeichnis
V Organversagen
29 Lungenversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425
Martin Beiderlinden
29.1 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426
29.2 Ursachen und (Patho-)Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
29.3 Klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
29.4 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
29.5 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437
35 Herzrhythmusstörungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523
Christian Perings, Ingo Wickenbrock
35.1 Definitionen und Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524
35.2 Einteilung der Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533
36 Lungenembolie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535
Christian Zühlke, Christian Perings
36.1 Klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536
36.2 Prädisponierende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536
36.3 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538
36.4 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545
37 Pneumonie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549
Albert Esselmann
37.1 Definition und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551
37.2 Diagnosestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551
37.3 Untersuchungen bei Pneumonie(verdacht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552
37.4 Pneumonietypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554
37.5 Vorgehen bei Therapieversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 560
37.6 Spezielle Pneumonieformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565
41 Pankreatitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603
Michael Rünzi, Berthold Lenfers
41.1 Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604
41.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604
41.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608
44 Subarachnoidalblutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647
Isabel Wanke, Michael Forsting
44.1 Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648
44.2 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649
44.3 Komplikationen der SAB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652
44.4 Behandlung des Aneurysmas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659
49 Polytrauma. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 701
Dieter Rixen
49.1 Konzept der Polytraumaversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702
49.2 Verschiedene Phasen der Polytraumaversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705
49.3 Initiales Schockraummanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706
49.4 Wann sind welche Operationen sinnvoll bzw. erforderlich? . . . . . . . . . . . . . . . . 709
49.5 Besonderheiten der Polytraumaversorgung auf der Intensivstation . . . . . . . . . . . 714
XVIII Inhaltsverzeichnis
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 718
51 Verbrennungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735
Tomislav Trupkovic, Dagmar Schindler
51.1 Erstversorgung auf der Intensivstation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 736
51.2 Kontakt zum Verbrennungszentrum, Verlegungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . 742
51.3 Intensivtherapie: die ersten 24 h . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746
Internetlinks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746
XI Operative Intensivmedizin
53 Operative Intensivmedizin nach abdominalchirurgischen Eingriffen . . . . . . . 759
Roland Kurdow
53.1 Operative Verfahren in der Viszeralchirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760
53.2 Drainagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765
53.3 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766
53.4 Komplikationsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 769
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 911
XXI
Autorenverzeichnis
Perings, Christian, Prof. Dr. Sakka, Samir, Prof. Dr., DEAA, EDIC
Klinik für Kardiologie, Elektrophysiologie, Klinik für Anästhesiologie und operative
Pneumologie und Intensivmedizin Intensivmedizin
Klinikum Lünen – St.-Marien-Hospital Universität Witten/Herdecke
Altstadtstr. 23 Kliniken der Stadt Köln gGmbH
44534 Lünen Krankenhaus Merheim
Ostmerheimer Str. 200
Rasche, Kurt, Prof. Dr. 51109 Köln
Klinik für Pneumologie, Allergologie, Schlaf-
und Beatmungsmedizin Schindler, Dagmar, Dr.
HELIOS Klinikum Wuppertal Abt. für Anästhesie, Intensivmedizin und
Klinikum der Universität Witten/Herdecke Schmerztherapie
Bergisches Lungenzentrum Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik
Heusnerstr. 40 Ludwigshafen
42283 Wuppertal Ludwig-Guttmann-Str. 13
67071 Ludwigshafen
Rensing, Hauke, Prof. Dr.
Klinik für Anästhesiologie und operative Schreiber, Torsten, Priv.-Doz. Dr.
Intensivmedizin Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin
Leopoldina-Krankenhaus und Notfallmedizin
Gustav-Adolf-Str. 6–8 Zentralklinik Bad Berka GmbH
97422 Schweinfurt Robert-Koch-Allee 9
99437 Bad Berka
Rixen, Dieter, Prof. Dr.
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Schröder, Stefan, Prof. Dr.
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Duisburg Klinik für Anästhesiologie, operative
Großenbaumer Allee 250 Intensivmedizin und Schmerztherapie
47249 Duisburg Krankenhaus Düren gem. GmbH
Roonstraße 30
Röhrig, Stefan, Dr., M. Sc. 52351 Düren
Abt. für Anästhesiologie und operative
Intensivmedizin Schwerdtfeger, Karsten, Prof. Dr.
Maria-Josef-Hospital Greven GmbH Klinik für Neurochirurgie
Lindenstr. 29 Universitätsklinikum des Saarlandes
48268 Greven Kirrberger Straße
und 66421 Homburg/Saar
Abt. für Anästhesiologie und Intensivmedizin
Marienhospital Emsdetten GmbH Silomon, Malte, Prof. Dr.
Marienstr. 45 Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin,
48282 Emsdetten Notfallmedizin und Schmerztherapie
Katholisches Klinikum Koblenz-Montabaur
Kardinal-Krementz-Str. 1–5
56073 Koblenz
XXV
Autorenverzeichnis
Abkürzungen
Deutsche Bedeutung (engl. Wortstamm sofern aPTT aktivierte partielle Thromboplastinzeit
vorhanden) (syn. PTT, partielle Thrombo-
plastinzeit)
A. Arteria Aqua ad inj. Aqua ad injectabilia
AAA abdominelles Aortenaneurysma ARAS aufsteigendes retikuläres Aktivie-
A/C assist/control mode rungssystem
ACC American College of Cardiology ARDS akutes Lungenversagen (acute respi-
ACC N-Acetylcystein (7 NAC) ratory distress syndrome)
Ach Acetylcholin ARI akute Nierenschädigung (acute renal
AChR Acetylcholinrezeptor injury)
ACLS advanced cardiac life support ASA American Society of Anesthesiologists
ACS akutes Koronarsyndrom (acute coro- ASAT Aspartat-Aminotransferase (syn. Glu-
nary syndrome) tamat-Oxalacetat-Transaminase, GOT)
ACT activated clotting time ASB assistierte Spontanatmung (assisted
ACTH adrenokortikotropes Hormon spontaneous breathing)
ADP Adenosindiphosphat ASS Acetylsalicylsäure
ADH antidiuretisches Hormon; syn. Adiure- ASV adaptive support ventilation
tin, Vasopressin, Arginin-Vasopressin ATC automatische Tubuskompensation
(AVP) (automatic tube compensation)
ADL Aktivitäten des täglichen Lebens ATLS advanced trauma life support
(activities of daily living) ATP Adenosintriphosphat
AECC Amerikanisch-Europäische Konsen- ATS American Thoracic Society
sus-Konferenz (American European AUC Fläche unter der Kurve (area under
Consensus Conference on ARDS) the curve)
AECOPD akute Exazerbation bei COPD AV-Block Atrioventrikularblock
AED automatischer externer Defibrillator AVK arterielle Verschlusskrankheit
AEP akustisch evozierte Potenziale AV-Knoten Atrioventrikularknoten
AF Atemfrequenz AVNRT AV-Knoten-Reentry-Tachykardien (AV
AFP α1-Fetoprotein node reentry tachycardia)
AGE arterielle Gasembolie AWMF Arbeitsgemeinschaft wissenschaft-
AHA American Heart Association licher medizinischer Fachgesellschaften
AIS abbreviated injury scale BAA Bauchaortenaneurysma
AKI akutes Nierenversagen (acute kidney BAL bronchoalveoläre Lavage
injury) BE base excess
ALAT Alanin-Aminotransferase (syn. Gluta- BGA Blutgasanalyse
mat-Pyruvat-Transaminase, GPT) β-HCG humanes Choriongonadotropin
ALI akutes Lungenversagen (acute lung (β-Untereinheit)
injury) BIPAP biphasic positive airway pressure
ALL akute lymphatische Leukämie BiVAD biventricular assist device
ALP anterolateraler Papillarmuskel BLS basic life support
AMV Atemminutenvolumen BMI body mass index
AND allow natural death BMS bare metal stent
ANP atriales natriuretisches Peptid BNP natriuretisches Peptid vom B-Typ
ANV akutes Nierenversagen (brain natriuretic peptide)
Ao Aorta BPEG British Pacing and Electrophysiology
a.p. anterior-posterior (Strahlengang, Group
meist bei einer Thoraxröntgenauf- BPS behavioral pain scale
nahme) bspw. beispielsweise
APACHE acute physiology and chronic health BSG Blutkörperchensenkungsgeschwin-
evaluation digkeit
APC adaptive pressure control BVAD biventricular assist device
APC argon plasma coagulation BZ Blutzucker
APRV airway pressure release ventilation bzgl. bezüglich
APS Antiphospholipidsyndrom C Celsius
XXVIII Abkürzungen
vWF von-Willebrand-Faktor
VZV Varizella-zoster-Virus
W Atemarbeit (work of breathing)
WFNS World Federation of Neurological
Surgeons
WHO Weltgesundheitsorganisation (World
Health Organisation)
WOB Atemarbeit (work of breathing)
WPW Wolff-Parkinson-White(-Syndrom)
XDR extensively drug-resistant
Zao Impedanz der Aorta
ZAS zentrales anticholinerges Syndrom
z. B. zum Beispiel
ZE Zusatzentgelt
ZEEP endexspiratorische Druck von 0 mbar
(zero endexpiratory pressure)
Z. n. Zustand nach
ZNS zentrales Nervensystem
ZVD zentraler Venendruck
ZVK zentralvenöser Katheter
1 I
Erstmaßnahmen
bei Aufnahme
auf der Intensivstation
4 Bluttransfusion – 51
Sebastian Turinsky, Claus Steuernagel
5 Gerinnungstherapie – 65
Claus Steuernagel, Sebastian Turinsky
6 Innerklinische Reanimation – 81
Volker Wenzel, Rüdiger Franz
3 1
Atemwegsmanagement,
Narkose und Notfallbeatmung
Wolfram Wilhelm, Marc Wrobel
1.6 Notfallbeatmung – 18
1.7 Extubation – 18
Literatur – 19
Internetlinks – 19
. Abb. 1.2 Intubationsscore nach Cormack und Lehane. Dieser beschreibt die Sicht auf den Larynxeingang bei der
Laryngoskopie
> Adipositas per se ist kein Risikofaktor für eine Larynx (»BURP«) oder mit einem »gum elastic
schwierige Intubation, wohl aber ein durch bougie« gelingen (s. u.).
Nackenfett erheblich bewegungseinge- 4 Cormack und Lehane Grad IV: Hierbei ist noch
schränkter (kurzer) Hals. nicht einmal die Epiglottis sichtbar, sondern nur
der Zungengrund; eine konventionelle Intubation
Zusätzlich gibt es auch Warnhinweise für eine schwie- ist quasi unmöglich.
rige Maskenbeatmung:
4 Bart, Bei Intensivpatienten, die zuvor in Allgemeinanästhe-
4 »body mass index« >26 kg/m2 sie operiert wurden oder die aus anderen Gründen
4 keine Zähne, schon einmal intubiert wurden, sollte daher der Vor-
4 Alter >55 Jahre, befund aus dem Anästhesieprotokoll oder der Patien-
4 anamnestisch Schnarchen oder ein Schlaf- tenakte erhoben werden.
Apnoe-Syndrom.
Nach jeder endotrachealen Intubation sollte der Be- Wenn der Patient noch eine Eigenatmung besitzt, kann
fund nach Cormack und Lehane (. Abb. 1.2) doku- der Intensivarzt den Patienten besser für die Intuba-
mentiert werden. Dieser beschreibt die Sicht auf die tion vorbereiten. Zuerst wird der Atemweg kurz auf
Stimmbänder während der Laryngoskopie mit einem Hinweise für eine schwierige Intubation und Masken-
herkömmlichen Macintosh-Spatel. beatmung untersucht; auch sollte – sofern vorhanden
4 Cormack und Lehane Grad I: Kehlkopfeingang – immer im Narkoseprotokoll nachgeschaut werden,
komplett einsehbar; der Patient ist nahezu immer ob es im Vorfeld Intubationsschwierigkeiten gab. Ist
laryngoskopisch einfach zu intubieren. dies der Fall, sollte möglichst rasch ein erfahrener Kol-
4 Cormack und Lehane Grad II: Kehlkopfeingang lege hinzugezogen werden, z. B. ein Oberarzt für An-
teilweise einsehbar; diese Patienten sind in der ästhesiologie.
Regel ebenfalls laryngoskopisch einfach zu intu-
bieren. Präoxygenierung Sobald die Entscheidung zur Intu-
4 Cormack und Lehane Grad III: Nur Epiglottis bation gefallen ist, muss der Patient optimal präoxyge-
sichtbar, Kehlkopfeingang also ganz verdeckt, niert werden. Dies kann mit einer dicht sitzenden O2-
sodass eine Intubation »unter Sicht« erst einmal Maske mit Reservoirbeutel erfolgen oder mit einem
nicht möglich ist. Die Intubation kann aber ggf. Handbeatmungsbeutel mit Reservoir; der O2-Fluss
durch eine externe Kranialverschiebung des sollte so hoch wie möglich eingestellt werden, z. B. 15 l/
6 Kapitel 1 · Atemwegsmanagement, Narkose und Notfallbeatmung
a b
. Abb. 1.4 Laryngoskopie mit dem gebogenen Macintosh-Spatel. Maskenbeatmung und endotracheale Intubation beim
Erwachsenen werden einfacher, wenn der Kopf auf einem etwa 8–10 cm hohen Kissen in der sog. »Schnüffelposition« (a) ge-
lagert wird. Dies wird auch als verbesserte Jackson-Position bezeichnet. Dadurch wird die Sicht auf die Stimmbänder (b) ver-
bessert
Situation relaxiert werden. Weitere Nebenwirkungen klinischen Zustands des Patienten zu Verzögerungen
1 sind insbesondere Übelkeit, Erbrechen und im Falle kommen. Soll Remifentanil beim Intensivpatienten
von Morphin eine Histaminfreisetzung. In der Inten- als Opioidbestandteil einer Anästhesieeinleitung ver-
sivmedizin werden v. a. die synthetischen Opioide der wendet werden, dann am besten als Infusion in der
Fentanylfamilie mit hoher Affinität zum μ-Opioid- Höhe von 0,1–0,2 μg/kg/min. Bolusgaben zur Narko-
rezeptor eingesetzt. seeinleitung >0,3 μg/kg (beim normalgewichtigen Er-
wachsenen >25 μg) werden nicht empfohlen, da Tho-
Fentanyl Im Gegensatz zu Morphin wirkt Fentanyl raxrigidität oder Bradykardien auftreten können.
sehr rasch zentral, die Wirkung setzt nach 2–3 min ein Durch die starke Opioidwirkung können erhebliche
und erreicht ihr Maximum nach 5 min; die Wirkdauer Blutdruckabfälle auftreten, sodass eine Anästhesie-
nach Bolusgabe beträgt etwa 20–30 min. Zur Narko- einleitung mit Remifentanil auf der Intensivstation
seeinleitung werden in der Regel 1–3 μg/kg Fentanyl dem sehr erfahrenen Anwender vorbehalten bleiben
i.v. injiziert, das entspricht bei einem durchschnittli- sollte.
chen Erwachsenen 0,1–0,2 mg Fentanyl. Die Elimina-
> Zur Narkoseeinleitung beim erwachsenen In-
tion erfolgt zu über 90% hepatisch.
tensivpatienten werden 0,1–0,2 mg Fentanyl
gegeben, alternativ können auch 10–20 μg
Sufentanil Dies ist das Opioid mit der stärksten an-
Sufentanil verwendet werden.
algetischen Potenz (z. B. Sufenta = »super« Fentanyl).
Es ist ca. 7–10-mal stärker wirksam als Fentanyl – daher Durch diese Opioidvorgabe wird eine Stressabschir-
wird etwa ein Zehntel der Fentanyldosis benötigt. Da mung und Reflexdämpfung erreicht, dadurch kann
Sufentanil deutlich lipophiler als Fentanyl ist, wirkt es die erforderliche Dosis des Hypnotikums reduziert
schneller und die Wirkung hält weniger lang. Eine werden. Nachteilig ist der atemdepressive Effekt der
maximale Wirkung wird schon 2–4 min nach Bolus- Opioide.
gabe erreicht, die Wirkdauer beträgt etwa 20 min.
> Sobald Fentanyl oder Sufentanil injiziert wur-
Auch Sufentanil wird zu über 90% hepatisch elimi-
de, muss mit einem raschen Atemstillstand
niert. Zur Narkoseeinleitung werden als Bolus 0,1–
gerechnet werden. Daher muss die Präoxyge-
0,3 μg/kg Sufentanil i.v. injiziert, dies entspricht beim
nierung des Patienten vor der Opioidgabe
durchschnittlichen erwachsenen Patienten 10–20 μg
beginnen!
Sufentanil.
. Abb. 1.5 Typische Befunde des Kapnometriesignals nach endotrachealer Intubation. a Typische Rechteckform bei Intu-
bation von Trachea oder Hauptbronchus. Cave: Dieses Signal schließt eine versehentlich zu tiefe Intubation in einen Haupt-
bronchus nicht aus, gleichermaßen könnte der Tubuscuff zwischen den Stimmbändern geblockt sein. Daher immer auskul-
tieren und im Zweifelsfall auch nochmal laryngoskopieren. b Typisches Kapnometriesignal bei ösophagealer Fehlintubation.
Falls sich etwas CO2 im Magen befindet (z. B. nach einem CO2-haltigen Getränk), kann am Anfang der Beatmung ein kleines
»flüchtiges« CO2-Signal beobachtet werden. c Typisches Kapnometriesignal bei Patienten mit COPD oder Asthma: Das CO2
entweicht verzögert aus den kleinen Atemwegen, entsprechend steigt die CO2-Kurve im Verlauf der Exspirationsphase an.
d Typisches Kapnometriesignal im Schock: Da hier CO2-haltiges Blut in reduziertem Umfang zur Lunge transportiert wird, ist
das CO2-Signal entsprechend vermindert. Cave: In Notfallsituationen ist die Kapnometrie daher auch nicht oder nur sehr ein-
geschränkt zur Einstellung des Beatmungsgeräts geeignet! Unter Herzdruckmassage kann aus der Höhe des CO2-Signals auf
die Qualität zurückgeschlossen werden: Je höher das CO2-Signal, umso effektiver ist die Herzdruckmassage. Unter der Reani-
mation sieht man Schwankungen der CO2-Kurve durch die Herzdruckmassage (hier nicht dargestellt). petCO2 = endtidaler
CO2-Partialdruck in mmHg
! Cave
Ist sich der Intensivmediziner unsicher, ob er Magen hören sich häufig wie »Rülpsgeräu-
korrekt endotracheal intubiert hat, sollte zu- sche« an, später ist der Magen ein luftgefüll-
erst über dem Epigastrium auskultiert wer- ter Hohlraum – der Auskultationsbefund
den! Nur die ersten Beatmungshübe in den kann der Lunge täuschend ähnlich sein.
6
1.4 · Narkose beim Intensivpatienten
13 1
1.4.1 Narkoseeinleitung beim hämo-
dynamisch instabilen Patienten 4 Mit dicht sitzender Maske und möglichst
hohem O2-Fluss gut präoxygenieren.
Die Anästhesieeinleitung auf der Intensivstation be- 4 Nun Anästhesieeinleitung unter laufender
darf besonderer Vorsicht, da gerade intubationspflich- Infusion:
tige Intensivpatienten hämodynamisch extrem instabil – 100 mg Ketaminrazemat (oder 50 mg
sein können, z. B. durch eine eingeschränkte linksven- Esketamin) i.v.
trikuläre Funktion, ausgeprägte und schwer kalkulier- – 20 mg Etomidat i.v.
bare Volumendefizite (bei Ileus oder akuten Blutun- – Muskelrelaxans nach Kenntnis des Inten-
gen, etc.). Wie oben ausgeführt besitzen nahezu alle sivarztes und unter Beachtung der
Anästhetika ein ähnliches hämodynamisches Neben- Kontraindikationen, z. B. 50 mg Rocuro-
wirkungsprofil: Sie führen zu einer Vasodilatation und nium (z. B. Esmeron) oder 100 mg Succinyl-
zu einer gewissen negativen Inotropie, was schon beim cholin i.v.
Gesunden zu einem MAP-Abfall von etwa 20–25% 4 Succinylcholin ist kontraindiziert bei Patien-
vom Ausgangswert führt – bei Intensivpatienten kön- ten mit Muskelerkrankungen, Lähmungen,
nen unbedachte Dosierungen zu dramatischen Blut- Hyperkaliämie, Bettlägrigkeit >48 h (z. B. nach
druckabfällen bis zum funktionellen Herz-Kreislauf- Polytrauma oder schweren Verbrennungen),
Stillstand führen! Darüber hinaus ist zu beachten, dass bekannter Allergie oder maligner Hyper-
Anästhetika bei niedrigem Herz-Zeit-Volumen oder thermie.
im Schock länger brauchen, bis sie im Gehirn einen
Effekt auslösen können, sodass mit einem verzögerten
Wirkeintritt gerechnet werden muss. In der folgenden Soll ohne Muskelrelaxans intubiert werden, muss die
Merkbox ist das praktische Vorgehen bei einem nor- Anästhesie meist deutlich vertieft werden. Hier wird
malgewichtigen Intensivpatienten exemplarisch dar- anstelle von Etomidat und Muskelrelaxans entweder
gestellt. Propofol oder Midazolam verwendet. Die Narkoseein-
leitung erfolgt dann folgendermaßen:
4 100 mg Ketaminrazemat (oder 50 mg Esketamin)
Narkoseeinleitung beim hämodynamisch i.v.
instabilen Erwachsenen mittleren Gewichts 4 Propofol 1–2 mg/kg, dann nachinjizieren nach
4 Kreislaufüberwachung durch invasive Blut- Wirkung; Propofol kann zu erheblichen Blut-
druckmessung, alternativ 1-minütliche NIBP- druckabfällen führen – alternativ:
Messung. 4 Midazolam beginnend 2–5 mg, dann weiter nach
4 Für einen sicheren Venenzugang sorgen, Wirkung; Midazolam führt zu einer deutlich län-
dann rasch 500 ml Vollelektrolytlösung infun- geren Atemdepression als Propofol.
dieren.
4 Atropin, Akrinor und Noradrenalin (z. B. Narkoseeinleitung beim
Arterenol) bereithalten: 1 Ampulle = 1 mg hämodynamisch stabilen Patienten
Noradrenalin in 100 ml NaCl-0,9%-Lösung Eine Narkoseeinleitung beim hämodynamisch stabi-
verdünnen; nun entspricht 1 ml = 10 μg len Erwachsenen mittleren Gewichts kann folgender-
Noradrenalin. maßen durchgeführt werden:
4 In vielen Fällen ist es sinnvoll, 0,5 ml Akrinor- 4 Fentanyl 0,1–0,3 mg und
Lösung oder 0,5 ml (= 5 μg) Noradrenalin- 4 Propofol 1–2 mg/kg, danach wirkungsabhängig
lösung »prophylaktisch« zu injizieren, um nachinjizieren, bis ein Bewusstseinsverlust aufge-
nach Blutdruckverlauf weitere Akrinor- oder treten ist,
Noradrenalinlösung fraktioniert nachzuge- 4 Muskelrelaxans nach Kenntnis des Intensivarztes
ben. Alternativ Noradrenalinperfusor starten und unter Beachtung der Kontraindikationen,
und nach Effekt dosieren. z. B. 50 mg Rocuronium (z. B. Esmeron) oder
4 Keinesfalls darf mit der Narkoseeinleitung be- 100 mg Succinylcholin i.v.
gonnen werden, ohne vorher Maßnahmen
zur hämodynamischen Stabilisierung vorzu- jWeitere Narkoseführung in der Akutphase
bereiten! Unabhängig davon, wie die Anästhesie begonnen wur-
6 de, kann die Narkose initial mit folgenden Medika-
menten aufrecht erhalten werden:
14 Kapitel 1 · Atemwegsmanagement, Narkose und Notfallbeatmung
a b
c d
. Abb. 1.11 Koniotomie, dargestellt an einem erwachsenen Leichnam. a Der Hals des Patienten wird überstreckt, Schild-
und Ringknorpel werden ertastet. Dazwischen liegt eine kleine Grube, dort befindet sich das Lig. conicum (cricothyroideum).
Haut und Unterhautgewebe werden mit einem Skalpell durch einen senkrechten, ca. 2 cm langen Schnitt eröffnet. Anschlie-
ßend wird das Lig. conicum mit einem Skalpellstich quer eingeschnitten. b, c Nun wird die Öffnung mit einer gebogenen
Klemme gespreizt und erweitert. d Anschließend kann ein altersentsprechender oder etwas kleinerer Endotrachealtubus ein-
geführt werden
Notfallkoniotomie Sind Intubation oder alternative zuerst in die Trachea eingeführt wird, erleichtert
Beatmungsformen unmöglich und ist der Patient werden.
unmittelbar durch Hypoxie bedroht, muss umge-
hend eine Notfallkoniotomie durchgeführt werden Da der Abstand vom Lig. conicum bis zur Trachealbi-
(. Abb. 1.11): furkation nur gering ist, darf der Endotrachealtubus
4 Hierzu wird ein Kissen oder eine Tuchrolle unter nicht zu weit vorgeschoben werden, um eine einseitige,
die Schultern gelegt und der Hals überstreckt. endobronchiale Intubation zu verhindern.
4 Anschließend werden Schild- und Ringknorpel Alternativ kann das Lig. conicum auch mit einer
ertastet. Dazwischen ist eine kleine Grube tastbar, speziellen Punktionskoniotomiekanüle oder mit einer
dort befindet sich das Lig. conicum (cricothyroi- großlumigeren Venenverweilkanüle (z. B. 2,2 mm)
deum). punktiert werden. Hierzu wird der Patient wie zur Ko-
4 Haut und Unterhautgewebe werden mit einem niotomie gelagert und auf die Kanüle eine bis zur Hälf-
Skalpell durch einen senkrechten, ca. 2 cm langen te mit NaCl-Lösung gefüllte 10-ml-Spritze aufgesetzt.
Schnitt eröffnet. Anschließend wird das Lig. coni- Die Punktion erfolgt wie bei der Koniotomie zwischen
cum mit einem Skalpellstich quer eingeschnitten. Schildknorpel und Krikoid; sobald die Kanüle in die
4 Die Öffnung kann dann mit einer gebogenen Trachea eingedrungen ist, kann Luft aspiriert werden.
Klemme gespreizt und erweitert werden. Anschließend wird die Plastikkanüle vorgeschoben
4 Nun wird ein altersentsprechender oder etwas und die Nadel entfernt, auf die Venenverweilkanüle
kleinerer Endotrachealtubus eingeführt; dies muss noch ein Tubusadapter eines 3,0- bis 3,5-mm-
kann mit Hilfe eines dünnen Führungsstabs, der Trachealtubus aufgesetzt werden. Das Punktionsver-
18 Kapitel 1 · Atemwegsmanagement, Narkose und Notfallbeatmung
fahren hat gegenüber der Koniotomie den Nachteil, arzt nicht sicher, ob ein schweres Schleimhautödem
1 dass die Plastikkanüle leicht abknicken kann. Darüber vorliegt, kann das folgende Vorgehen hilfreich sein:
hinaus besteht bei der Punktion die Gefahr, dass Tra- 4 Der Mundraum wird sorgfältig abgesaugt.
cheahinterwand und Ösophagus perforiert werden 4 Der Cuff des Endotrachealtubus wird entblockt.
und es dadurch zu einer Fehllage der Kanüle, evtl. mit 4 Bei Überdruckbeatmung kann am Hals des
Mediastinalemphysem, kommt. Patienten eine Beatmungsleckage auskultiert
werden.
4 Alternativ wird beim spontan atmenden Patien-
1.6 Notfallbeatmung ten das Tubuslumen mit einem Finger kurz
verschlossen; der Patient sollte darüber vorher
Nach Narkoseeinleitung und erfolgreicher Intubation informiert werden.
muss rasch das Beatmungsgerät eingestellt werden. 4 Zeigt sich bei Überdruckbeatmung eine deutliche
Hierzu kann im Notfall die im folgenden Praxistipp dar- Leckage oder kann der spontan atmende Patient
gestellte universelle Initialeinstellung gewählt werden. am Tubus »vorbei« atmen, dann liegt mit hoher
Wahrscheinlichkeit kein schweres Schleimhaut-
Praxistipp ödem vor.
Universalschema zur Notfallbeatmung
Falls weiterhin Unsicherheit besteht oder initial bereits
5 Volumen-kontrollierte Beatmung, z. B. »inter-
eine schwierige Intubation vorlag, kann ein »Tubus-
mittent positive pressure ventilation« (IPPV)
exchange-Katheter« verwendet werden. Dies ist ein
5 FiO2 = 100%
etwa 5 mm dünner, innen hohler Bougie, der durch
5 Atemzugvolumen beim Erwachsenen mittle-
den Tubus eingeführt und 2–3 cm oberhalb der Haupt-
ren Gewichts 500 ml (7 ml/kg Idealgewicht)
karina platziert wird. Nun kann der Tubus entfernt
5 Beatmungsfrequenz altersabhängig, für Er-
werden; der Exchangekatheter liegt weiterhin in der
wachsene 12–14/min
Trachea. Über den Exchangekatheter kann Sauerstoff
5 Atemzeitverhältnis (Inspiration:Exspiration) =
insuffliert werden, alternativ wäre sogar eine Art Jet-
1:1
Ventilation möglich. Wenn der Patient – je nach Ver-
5 PEEP = 5 mbar
lauf 30 min bis etwa 3 h – problemlos selbst geatmet
hat, kann der Katheter entfernt werden. Anderenfalls
Die weitere Feineinstellung erfolgt nach der Blutgas- wäre eine Reintubation jederzeit möglich, wobei der
analyse. Die Kapnometrie ist in der Notfallsituation Exchangekatheter dem neuen Endotrachealtubus als
zur Identifikation der korrekten endotrachealen Intu- Führungshilfe dient. Dabei muss der Endotracheal-
bation geeignet, aber nicht zur Einstellung des Beat- tubus im Glottisbereich manchmal etwas gedreht wer-
mungsgeräts, da bei Notfallpatienten häufig ein Venti- den, um Stimmbänder und Aryknorpel sanft passieren
lations-Perfusions-Missverhältnis besteht! Die diffe- zu können. In der klinischen Praxis werden Exchange-
renzierte Beatmung wird in 7 Kap. 14 dargestellt. katheter vom Patienten gut toleriert, selbst wache Pati-
enten sind dadurch wenig beeinträchtigt. Trotzdem
darf ein Exchangekatheter nicht zu lange oder zu tief
1.7 Extubation liegen, da es sonst zu Verletzungen im Tracheobron-
chialsystem kommen kann.
Die Extubation des Intensivpatienten sollte gut geplant
> Die Extubation eines Patienten mit schwieri-
durchgeführt werden. Grundsätzlich gilt, dass der
gem Atemweg sollte nur in Anwesenheit
Patient wach oder zumindest erweckbar sein sollte,
eines erfahrenen Kollegen und nach Bereit-
die Schutzreflexe vorhanden sind und eine suffiziente
stellung des vollständigen Equipments für
Spontanatmung erwartet wird. Wenn der Atemweg
eine mögliche Reintubation erfolgen.
schon bei der Intubation schwierig war, ist damit zu
rechnen, dass dies bei der Extubation eher noch
schwieriger wird. Generell gilt, dass eine sofortige Fallbeispiel Teil 2
Reintubation eines längere Zeit beatmeten Patienten Das Kopfende des Bettes wird etwa 30° hochgestellt. Da-
schwieriger ist als die initiale Intubation. Hauptgrund nach präoxygeniert der Intensivarzt den Patienten mit
hierfür ist ein Schleimhautödem, das Stimmbänder, der dicht gehaltenen Maske eines Handbeatmungsbeu-
Aryknorpel, Epiglottis, Zunge sowie Pharynx- und La- tels, in dessen Reservoirbeutel 15 l/min Sauerstoff strö-
rynxschleimhaut betreffen kann. Ist sich der Intensiv- 6
Internetlinks
19 1
men. Parallel dazu holt eine Pflegekraft den Notfallwa- Humpich M, Byhahn C (2011) Invasives Atemwegsmanage-
gen und bereitet die Intubation vor, die zweite Pfle- ment – Update 2011. Anästhesiol Intensivmed Notfall-
gekraft schließt das Monitoring an: Pulsoxymetrie (psO2 med Schmerzther 46: 608–615
= 82%, unter der Präoxygenierung ansteigend), EKG Jaber S, Jung B, Corne P et al (2010) An intervention to de-
crease complications related to endotracheal intubation
(Herzfrequenz = 115/min) und nichtinvasive Blutdruck-
in the intensive care unit: a prospective, multiple-center
messung im 1-min-Messintervall (176/102 mmHg). Äu-
study. Intensive Care Med 36: 248–255
ßerlich bietet der Patient keine Hinweise auf eine
Noppens RR, Werner C, Piepho T (2010) Indirekte Laryngosko-
schwierige Intubation, eine exakte Untersuchung des pie: Alternativen zur Atemwegssicherung. Anaesthesist
Mundraums ist aber aufgrund des Krampfgeschehens 59: 149–161
nicht möglich. Zur Erinnerung: Der Mann ist groß Scheller B, Walcher F, Byhahn C et al (2010) Larynxtubus Suc-
(195 cm), muskulös und wiegt geschätzt 120 kg. tion: Temporäres Hilfsmittel bei Notfallpatienten mit
Zur Sicherheit, auch aufgrund des ungeklärten Nüch- schwierigem Atemweg. Anaesthesist 59: 210–216
ternheitsstatus, wählt der Intensivarzt Succinylcholin als Timmermann A, Brokmann JC, Fitzka R, Nickel EA (2012) Koh-
Muskelrelaxans; Kontraindikationen gegen Succinylcho- lenstoffdioxidmessung in der Notfallmedizin. Anaesthe-
sist 61: 148–155
lin liegen offensichtlich nicht vor. Nun erfolgt die Anäs-
Wong DT, Yang JJ, Jagannathan N (2012) The LMA Supreme
thesieeinleitung: Aufgrund von Gewicht, Tachykardie
supraglottic airway. Can J Anesth 59: 483–493
und Hypertension werden 0,2 mg Fentanyl gegeben, an-
schließend 200 mg Propofol (der Patient hatte ja bereits
30 mg Diazepam erhalten), dann sofort 150 mg Succinyl- Internetlinks
cholin über etwa 10 s. Der Patient zeigt am ganzen Kör-
per leichte Muskelfaszikulationen, danach lässt sich der www.das.uk.com: Internetseiten der Difficult Airway Society
Mund gut öffnen, die direkte Laryngoskopie ergibt einen mit vielen praktischen Tipps und Leitlinien zum Thema
freien Blick auf die Stimmbänder (Grad 1 nach Cormack »schwieriger Atemweg«.
www.rcoa.ac.uk/nap4: Internetseiten des Royal College of
und Lehane), der Magill-Tubus mit 8,0 mm ID kann pro-
Anaesthetists. Hier findet man den gesamten Bericht des
blemlos eingeführt werden, dabei liegt die 24-cm-Mar-
sog. 4th National Audit Project (NAP4) zum Thema »Major
kierung in Höhe der Zahnreihe. Nun wird der Patient mit complications of airway management in the United King-
dem Handbeatmungsbeutel unter 15 l/min O2-Zufluss dom. Report and findings, March 2011«. NAP 4 gibt sehr
beatmet; die bereitgestellte Kapnometrie zeigt das typi- gute Empfehlungen zum Atemwegsmanagement für die
sche rechteckige CO2-Signal, die Auskultation ergibt ein Anästhesiologie, aber auch für die Intensiv- und Notfall-
seitengleiches Atemgeräusch. Es wird noch eine doppel- medizin inkl. mehrerer Checklisten im Anhang.
läufige 18-Ch-Magensonde gelegt, um den Magen abzu-
saugen. Tubus und Magensonde werden gut fixiert.
Die Beatmung wird initial folgendermaßen eingestellt:
IPPV, Atemzugvolumen 600 ml (etwa 7 ml/kg Idealge-
wicht), Beatmungsfrequenz 14/min, I:E = 1:1, PEEP =
5 mbar, FiO2 = 1,0. Die erste Blutgasanalyse ergibt eine
gute Oxygenierung und korrekte Beatmung, sodass
nun – bei sistierendem Krampfanfall – die weitere neuro-
logische Diagnostik und Therapie erfolgen kann.
Literatur
Basismonitoring
und Gefäßzugänge
Wolfram Wilhelm
Literatur – 34
Fallbeispiel Teil 1
Ein 77-jähriger Patient mit einem 6 cm großen Bauch- Abknicken, Verrutschen oder zu einer sekun-
aortenaneurysma liegt zur Operationsvorbereitung auf dären Perforation der Vene führen
der chirurgischen Normalstation. Als Begleiterkrankun- 4 Bei den meisten Notfällen kann eine »grüne«
2 gen sind ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus, eine Venenkanüle (18 G) verwendet werden: Sie
koronare Herzkrankheit (KHK) sowie eine chronisch »passt« in fast jede Vene und erlaubt gleich-
obstruktive Lungenerkrankung (COPD) bekannt. Am zeitig eine recht rasche Volumensubstitution
Abend vor der geplanten Operation wird der Patient 4 Venenkanüle mit Pflaster gut fixieren, bei
kaltschweißig und verwirrt im Bett gefunden und sofort schweißiger Haut sofort zusätzlich Wickelver-
auf die Intensivstation gebracht. Die Intensivärztin muss band!
nun gleichzeitig den Patienten stabilisieren und zügig 4 Wichtig: Die Infusion »läuft« umso besser, je
die richtige Diagnose stellen. großlumiger die Venenkanüle ist und je höher
die Infusion über dem Patienten hängt. Be-
Auf der Intensivstation müssen – gerade im Notfall – hindert wird eine rasche Volumensubstitution
Überwachungsmaßnahmen und eine erste lebensret- durch Dreiwegehähne und überlange Infu-
tende Therapie parallel ablaufen. Grundsätzlich sollte sionsschläuche
jeder Patient auf der Intensivstation einen sicheren
venösen Zugang erhalten. Zu dem Basismonitoring
beim Intensivpatienten gehören: Bei Volumenmangel oder schwierigen Venenverhält-
4 Elektrokardiogramm (EKG), nissen können alternativ auch die V. saphena magna
4 arterielle Blutdruckmessung, oder die V. jugularis externa punktiert werden. Die
4 Pulsoxymetrie, V. saphena magna liegt vor dem medialen Fußknöchel
4 Temperaturmessung, und tritt besser hervor, wenn man das Bein etwas über
4 zusätzlich wird bei Patienten mit einem zentralen die Bettkante herunterhängen lässt. Die Punktion der
Venenkatheter (ZVK) auch der zentralvenöse V. jugularis externa erfolgt am besten in Kopftieflage
Druck (ZVD) gemessen. und leichter Kopfdrehung zur Gegenseite. Bei der an-
schließenden Infusion muss der Kopf häufig etwas zur
Gegenseite gedreht bleiben, um ein Anliegen der Ka-
2.1 Periphere Venenkanülen nülenspitze an der Venenwand zu verhindern.
! Cave
Medikamentengabe und Volumenersatztherapie erfol-
Wegen des gebogenen Verlaufs der V. jugula-
gen am einfachsten und am schnellsten über periphere
ris externa sieht man gelegentlich eine se-
Venenkanülen. In der Akutsituation ist aber weniger
kundäre Perforation der Kanülenspitze mit
die Größe der Venenkanüle entscheidend als die
subkutaner Infusion, besonders bei Druckin-
schnelle und sichere Anlage, möglichst so, dass die Ve-
fusion. Daher sollten Druckinfusionen über
nenkanüle bei Armbewegungen nicht abknickt. In der
die V. jugularis externa, wie über alle peri-
Praxis wird unter Zeitdruck folgendermaßen vorge-
phervenösen Zugänge, möglichst nur unter
gangen:
direkter Sichtkontrolle erfolgen.
Der arterielle Blutdruck kann indirekt oder direkt ge- Direkte (invasive) arterielle
messen werden: Druckmessung
4 Die indirekte Blutdruckmessung kann bei allen Folgende Vorteile bestehen gegenüber der nichtinvasi-
hämodynamisch stabilen Patienten eingesetzt ven Blutdruckmessung:
werden. 4 exakter Blutdruck auch bei kritisch kranken
4 Hingegen wird bei instabiler Herz-Kreislauf- Patienten, z. B. bei hämodynamischer Instabilität
Funktion die direkte »blutige« Messung wegen oder bei Einsatz vasoaktiver Substanzen,
ihrer größeren Genauigkeit und der kontinuierli- 4 Analyse der Druckkurvenform möglich,
chen Erfassung der Blutdruckwerte bevorzugt. 4 kurzfristige Veränderungen des arteriellen
Drucks werden sofort erkannt, z. B. im Schock
In der Akutsituation wird man an einem Arm im 1-Mi- oder bei Herzrhythmusstörungen,
nuten-Intervall mit einer nichtinvasiven Blutdruck- 4 wiederholte arterielle Blutgasanalysen sind
messung beginnen und dann parallel auf der Gegensei- möglich.
te eine Arterie kanülieren.
Position des Druckwandlers Der arterielle Katheter
Nichtinvasive Blutdruckmessung ist über ein flüssigkeitsgefülltes, starres Schlauchsys-
Die nichtinvasive Blutdruckmessung (»non invasive tem mit einem Druckwandler verbunden, wobei der
blood pressure«, NIBP) erfolgt meist automatisiert mit Druckwandler im Routinefall in Höhe des Herzens
der sog. Oszillationsmethode. Zunächst wird die Man- angebracht wird.
24 Kapitel 2 · Basismonitoring und Gefäßzugänge
> Wird der Patient mit erhöhtem Oberkörper Die »Über-die-Nadel-Punktionstechnik« ist zwar
gelagert und soll dabei der arterielle Druck kostengünstig, häufig aber technisch schwierig, insbe-
»auf Gehirnniveau« bestimmt werden, z. B. sondere bei dünnen oder sklerotischen Gefäßen sowie
zur Berechnung des zerebralen Perfusions- bei Kreislaufzentralisation. Daher erfolgt die arterielle
2 drucks, dann muss der Druckwandler auch Kanülierung auf der Intensivstation in der Regel mit-
auf Gehirnhöhe (in Höhe des äußeren Gehör- tels Seldinger-Technik: Die Seldinger-Technik ist
gangs) positioniert werden. schnell und einfach zu erlernen und besitzt eine hohe
Erfolgsrate.
Die geänderte Position des Druckwandlers muss auf
der Intensivkurve vermerkt werden; der nun gemesse-
ne »Blutdruck auf Gehirnhöhe« ist ja etwas niedriger 2.3.1 A. radialis
als der eigentliche »Blutdruck auf Herzhöhe«.
Die Punktion der A. radialis wird am häufigsten
Interpretation der Kurvenform Die arterielle Kurve durchgeführt und sollte beim Erwachsenen mit einer
kann bei zu geringer Dämpfung durch das Schlauch- 20-G-Kanüle erfolgen. Die A. radialis und die A. ulna-
system »verschleudert« sein, hier sieht man eine ris münden jeweils in den arteriellen Hohlhandbogen,
sehr hohe und spitze systolische Kurve, die nach sodass – wenn die A. radialis kanüliert ist – die Versor-
dem »Peak« mehr oder weniger stark und steil gung der Hand über die A. ulnaris erfolgt. Allerdings
abfällt. Eine zu starke Dämpfung bewirkt eine sehr ist immer Vorsicht geboten bei Patienten, die in der
flache Kurve, hier ist – wenn überhaupt – nur Anamnese eine schwere Verletzung des Unterarms be-
der mittlere arterielle Druck verwertbar; mögliche richten oder bei denen im Rahmen einer koronaren
Ursachen sind ein abgeknicktes Schlauchsystem oder Bypassoperation eine Arterie (meist die A. radialis
eine abgeknickte Kanüle, ein kleiner Thrombus an links) entnommen wurde. Dann sollte die Kanülierung
der Katheterspitze oder z. B. etwas Luft im Schlauch- besser an anderer Stelle erfolgen, z. B. am anderen
system. Darüber hinaus lässt die arterielle Kurven- Arm. Zur Punktion sollte das Handgelenk leicht hy-
form gewisse Rückschlüsse auf das Herz-Kreislauf- perextendiert und gut auf der Unterlage befestigt wer-
System zu: den (. Abb. 2.1).
4 eine hohe Amplitude bei niedrigem diastolischen
Druck kann ein Hinweis auf eine Aortenklappen-
insuffizienz sein, 2.3.2 A. femoralis
4 hingegen deuten starke Schwankungen der
Druckkurve in Abhängigkeit von Atmung oder Die A. femoralis wird in der Regel dann punktiert,
Beatmung auf einen Volumenmangel hin. wenn die Punktion der A. radialis technisch schwierig
ist (z. B. unter Notfallbedingungen), die Arme schlecht
zugänglich sind oder die A. radialis selbst für die Inter-
2.3 Arterielle Katheter vention genutzt werden soll (z. B. bei einer zerebralen
oder Koronarangiographie) oder wenn ein PiCCO-
Bei der Anlage arterieller Katheter gibt es prinzipiell Katheter eingeführt werden soll. Die Punktion der
2 verschiedene technische Möglichkeiten. A. femoralis erfolgt unterhalb des Leistenbands. Dabei
gilt folgende Regel (IVAN):
»Über-die-Nadel-Punktionstechnik« Hierbei wird I Innen liegt die
die Arterie (ähnlich wie bei einer Venenkanüle) direkt V V. femoralis,
punktiert und dann die arterielle Kanüle in das Gefäß A 1–2 cm weiter lateral (und damit in der Mitte des
vorgeschoben. Die verwendete arterielle Kanüle sollte Gefäßnervenbündels) liegt die A. femoralis,
keine Zuspritzpforte besitzen, um eine versehentliche N wieder 1–2 cm lateral und damit ganz außen liegt
arterielle Injektion zu vermeiden. der N. femoralis.
Seldinger-Technik Hierbei wird das arterielle Gefäß Nach Rasur und ausgiebiger Desinfektion wird auch
mit einer Nadel punktiert, anschließend wird ein gera- hier die Arterie in einem Winkel von 30–45° punktiert
der weicher Seldinger-Draht durch die Punktions- und anschließend in Seldinger-Technik katheterisiert.
nadel in das Gefäß eingeführt. Die Punktionsnadel Beim Erwachsenen wird meist ein 10-15 cm langer 17-
wird entfernt, danach wird der Katheter über den oder 18-G-Katheter verwendet, bei sehr schlanken
Draht in die Arterie vorgeschoben. Personen ist auch ein 20-G-Katheter möglich. Die
2.3 · Arterielle Katheter
25 2
e f
. Abb. 2.1 Arterielle Punktion der A. radialis. a Das Handgelenk wird etwas überstreckt gelagert, z. B. auf einer Tuchrolle,
und dann fixiert. Wichtig: Nicht zu stark überstrecken! Die Punktion der A. radialis ist schmerzhaft, sodass bei wachen Patien-
ten immer eine Lokalanästhesie durchgeführt wird, z. B. mit 1 ml Mepivacain 1% (z. B. Scandicain 1%). Das Lokalanästhetikum
wird in die Haut einmassiert, anschließend wird steril abgedeckt. b Nun wird die A. radialis getastet und in einem Winkel von
ca. 30–45° zur Haut punktiert. Nadel immer langsam (!) vorschieben oder zurückziehen. Manchmal ist das Gefäß dünn und
wird beim Nadelvorschub auch noch komprimiert, sodass nur ganz kurz ein Blutfluss erscheint und dann wieder sistiert. In
diesen Fällen wurde das Gefäß bereits durchstoßen. Nun die Nadel noch 1–2 mm vorführen (!), dann ganz langsam zurückzie-
hen, bis ein freier Blutfluss auftritt. c Freier Blutfluss bestätigt die korrekte Lage. d Jetzt wird ein gerader weicher Seldinger-
Draht durch die Punktionsnadel in das Gefäß eingebracht. e Die Punktionsnadel wird entfernt; danach wird der Katheter über
den Draht in die Arterie vorgeschoben. f Wenn der arterielle Katheter vollständig vorgeschoben wurde, wird der Seldinger-
Draht entfernt, dann wird das arterielle Messsystem angeschlossen. Nach Abschluss aller Maßnahmen wird die arterielle Ka-
nüle steril und sicher fixiert und verbunden und dann gut gekennzeichnet
Punktion kann durch die Verwendung von Ultraschall 2.3.3 Andere Arterien
vereinfacht werden: Die Vene liegt innen oder teilwei-
se auch etwas unter der Arterie und kann durch Druck Gelegentlich ist es erforderlich, bei der arteriellen Ka-
mit dem Schallkopf leicht komprimiert werden. Die nülierung an andere Orte auszuweichen, v. a. an die
Arterie liegt außen, pulsiert und ändert auch bei leich- A. brachialis, selten an die A. dorsalis pedis oder nur
tem Druck mit dem Schallkopf kaum die Größe. Zu- im Ausnahmefall an die A. axillaris. Da es sich bei der
sätzliche Informationen kann der Farbdoppler liefern A. brachialis und der A. axillaris um funktionelle
(7 Kap. 19). Endarterien handelt, ist hier eine sorgfältige Indika-
26 Kapitel 2 · Basismonitoring und Gefäßzugänge
! Cave
4 EKG-Ableitung Einthoven I oder II wählen: Die spitze P-Welle wird nach heutigem Kennt-
Nun wird ein EKG zwischen ZVK-Spitze und nisstand durch eine Reflexion des EKG-Sig-
linker Schulter (Ableitung I) bzw. zwischen nals an der Perikardumschlagfalte verursacht
2 ZVK-Spitze und linker Thoraxseite (Ablei- und kann daher sowohl nach korrekter zen-
tung II) abgeleitet tralvenöser Punktion als auch nach fehlerhaf-
4 Ableitung III ist zur intraatrialen EKG-Ablei- ter arterieller Punktion beobachtet werden.
tung ungeeignet, denn hierfür wird das EKG- Die spitze P-Welle schließt eine arterielle
Signal zwischen gelber und grüner Elektrode Fehlpunktion somit keinesfalls aus!
abgeleitet
4 ZVK langsam vorschieben und EKG beobach-
ten: Erreicht die ZVK-Spitze den Vorhofbe- 2.4.1 V. jugularis interna
reich, wird die P-Welle immer größer und
kann genauso groß wie die R-Zacke werden Dies ist heute der zentralvenöse Standardzugang. Die
4 ZVK wieder zurückziehen, bis die P-Welle nor- V. jugularis interna entspringt an der Schädelbasis zwi-
mal groß ist. Der ZVK liegt nun in der oberen schen Kieferwinkel und Mastoid und verläuft dann
Hohlvene unmittelbar vor dem Vorhofbereich unter dem M. sternocleidomastoideus in Richtung der
4 Kriterium für die ZVK-Positionierung ist die medialen Klavikula. Die A. carotis liegt meist medial
Größe der P-Welle. Bei absoluter Arrhythmie der V. jugularis interna. Die Vene verläuft rechts nahe-
mit Vorhofflimmern kann die ZVK-Position so zu gradlinig zum Herzen, sodass Fehllagen selten sind
nicht überprüft werden! (. Abb. 2.2). Die folgende Technik kann empfohlen
4 Ist eine Lageidentifikation nicht möglich: Sys- werden (. Abb. 2.3):
tem und Ableitung überprüfen, ansonsten
muss von einer Katheterfehllage ausgegan-
gen werden. Falls möglich, Katheterlage korri-
gieren
4 In Zweifelsfällen immer Thoraxröntgenbild
veranlassen
. Abb. 2.2 Halsregion. Lagebeziehung von V. jugularis interna, A. carotis sowie von V. und A. subclavia und den umliegen-
den anatomischen Strukturen
2.4 · Zentrale Venenkatheter
29 2
a b
. Abb. 2.3 Punktion der V. jugularis interna rechts. a Der Kopf des Patienten wird etwas zur Gegenseite gedreht und der
rechte Arm an den Körper angelagert. So ist eine optimale Darstellung des Halses möglich. Nun erfolgt über 10 min die groß-
flächige Desinfektion mit einer gefärbten Alkohollösung. b Die A. carotis wird unter den Fingern locker palpiert, dann erfolgt
die Punktion unmittelbar lateral im Winkel von ca. 30–45° zur Hautoberfläche und leicht (ca. 10°) nach lateral. Wichtig: Mit
den Fingern nicht stark drücken, sonst wird die Vene zusammengedrückt! Die Vene liegt in 1–2 cm Tiefe unter der Haut, nicht
tiefer!
Punktion und Katheterisierung nach kaudal-dorsal und leicht (ca. 10°) nach
der V. jugularis interna rechts lateral
4 Patient kopftief lagern, der Arzt steht am 4 Wichtig: Die Vene liegt in 1–2 cm Tiefe unter
Kopfende der Haut, nicht tiefer!
4 Kopf etwas (nicht mehr als 20–30°) zur linken 4 Bei der Punktion am besten Kanüle mit aufge-
Seite drehen, bei bewusstseinsgetrübten setzter 5-ml-Spritze verwenden, Kanüle unter
oder beatmeten Patienten Stabilisierung im ständigem Sog vorführen, bis dunkel-venöses
Kopfring Blut in die Spritze angesaugt wird
4 Der rechte Arm wird an den Körper angela- 4 Punktionskanüle nun mit der linken Hand fi-
gert, evtl. zieht eine Hilfsperson am Arm und xieren, Spritze abnehmen, Seldinger-Draht
evtl. auch an der rechten Mamma. einführen, Nadel entfernen, bei dickerem Ka-
Wichtig: Es muss eine optimale Darstellung theter dilatieren, Katheter bei Erwachsenen je
des Halses erreicht werden! nach Körpergröße ca. 14–15 cm einführen,
4 Großflächige Desinfektion, beim wachen dann Lagekontrolle
Patienten Lokalanästhesie
4 Vorsichtige Palpation der A. carotis in Höhe
des Schildknorpels (bei Rechtshändern am Im Routinefall sollte die rechtsseitige Punktion bevor-
besten mit Zeige-, Mittel- und Ringfinger der zugt werden, da hier der Weg zum Herzen weitestge-
linken Hand): Palpation medial beginnen, hend geradlinig verläuft und so die Gefahr einer Ka-
dann in 0,5-cm-Schritten langsam nach late- theterfehllage oder intraluminalen Gefäßverletzung
ral vortasten, bis die Arterie direkt unter den am geringsten ist. Die Pleurakuppel steht rechts etwas
Fingern liegt. Nicht fest drücken, da bei Athe- tiefer, der Ductus thoracicus verläuft linksthorakal.
rosklerose Emboliegefahr besteht. Außerdem
wird dadurch die Vene komprimiert und die Ultraschall zur ZVK-Anlage Der Einsatz von Ultra-
Punktion erschwert schall ist auch für den erfahrenen Intensivarzt eine
4 A. carotis unter den Fingern locker palpieren, hervorragende Möglichkeit, die Punktion der V. jugu-
dann Punktion unmittelbar lateral der A. caro- laris interna zu erleichtern, Risiken zu minimieren und
tis, Nadel im Winkel von ca. 30–45° zur Komplikationen zu vermeiden. Folgendes Vorgehen
Hautoberfläche einführen, Punktionsrichtung hat sich in der Praxis bewährt (. Abb. 2.4).
6 4 Lagerung des Patienten und Vorbereitung wie
oben dargestellt.
30 Kapitel 2 · Basismonitoring und Gefäßzugänge
Praxistipp
V. subclavia liegt, sollte der Kopf des Patienten vorsich- ckungsmaßnahme eingesetzt werden. Die V. femoralis
tig zur Punktionsseite gedreht werden, damit der Sel- tritt unter dem Leistenband in das Bein ein und liegt
dinger-Draht nicht versehentlich in die gleichseitige medial von A. und N. femoralis (IVAN: Innen Vene,
V. jugularis vorgeschoben wird. Auch die Punktion der Arterie, Nerv; 7 Abschn. 2.3.2).
2 V. subclavia kann durch den Einsatz von Ultraschall
erleichtert werden. Praktisches Vorgehen Bei der Punktion zeichnet man
Bei thoraxchirurgischen Patienten wird gerne die eine Verbindungslinie von der Spina iliaca anterior su-
V. subclavia zur ZVK-Anlage gewählt: Bei Punktion perior zum Oberrand der Symphyse – dies entspricht
und Operation auf derselben Seite ist das Pneumotho- dem Verlauf des Leistenbands. Nun erfolgt die Punkti-
raxrisiko bedeutungslos. Bei schon vorhandenem on 2–5 cm unterhalb des Leistenbands, um so eine
Pneumothorax oder beim Thoraxtrauma sollte auf der intraabdominelle Verletzung zu vermeiden. Erfah-
betroffenen Seite punktiert werden. In allen anderen rungsgemäß verläuft die V. femoralis bei distaler
Fällen sollte die rechtsseitige V.-subclavia-Punktion Punktion eher unter der A. femoralis als medial davon,
bevorzugt werden, da die Pleuraspitze hier etwas tiefer sodass wir auch hier den Einsatz von Ultraschall emp-
liegt und der Ductus thoracicus linksthorakal verläuft. fehlen.
jKomplikation Praxistipp
Etwa 50% der Pneumothoraxfälle können konservativ 2.4.5 V. basilica und V. cephalica
behandelt werden, jedoch ist eine entsprechende
Überwachung – insbesondere der Patienten ohne Tho- Zentrale Venenkatheter mit Zugang über die V. basili-
raxdrainage – anzuraten. ca oder die V. cephalica stellen auf einer Intensivstation
inzwischen die Ausnahme dar. Geeignet ist dieser Zu-
! Cave
gang insbesondere für Patienten, die am Hals oder in
In seltenen Fällen kann ein Pneumothorax
Halsnähe operiert werden, z. B. als Alternative zur V.-
auch erst nach mehreren Stunden auftreten!
femoralis-Punktion. Auch können die anatomischen
Zu den seltenen Komplikationen gehören Spannungs- Verhältnisse am Hals des Patienten so ungünstig sein,
pneumothorax, Hämato- und Infusionsthorax. Wegen dass eine einfache Punktion am Arm vorteilhaft er-
der Gefahr eines beidseitigen Pneumothorax sollte eine scheint, insbesondere wenn eine erhebliche Störung
V.-subclavia-Punktion der Gegenseite nach missglück- der Blutgerinnung vorliegt.
ter Punktion auf der anderen Seite nur im Ausnahme- Die V. basilica verläuft in der medialen Armbeuge
fall durchgeführt werden. Die Punktion der A. subcla- und geht geradstreckig in die V. axillaris und dann in
via kommt mit einer Inzidenz von etwa 1% vor. In der die V. subclavia über, sodass diese Vene bevorzugt wer-
Regel kann sie durch Kompression ober- und unterhalb den sollte.
der Klavikula behandelt werden. Bei Gerinnungsstö- Die lateral in der Ellenbeuge gelegene V. cephalica
rungen besteht die Gefahr einer massiven Blutung, so- verläuft ungünstiger, weil sie in einem stumpfen Win-
dass eine V.-subclavia-Punktion dann nur im begrün- kel in die V. axillaris einmündet und der Katheter hier
deten Ausnahmefall durchgeführt werden sollte. häufig nicht vorgeschoben werden kann. Prinzipiell ist
Die im Vergleich zur Punktion der V. jugularis in- jeder Kathetertyp (inkl. Pulmonalarterienkatheter)
terna insgesamt höhere Komplikationsrate, die etwas über diesen Zugang platzierbar. Allerdings können Be-
geringere Erfolgsrate und die häufigere Fehllage der wegungen des punktierten Arms die Katheterspitze
Katheterspitze verlangen ein Abwägen im Einzelfall. um mehrere Zentimeter (z. B. 8 cm!) wandern lassen,
sodass Herzrhythmusstörungen oder Gefäßverletzun-
gen auftreten können, sogar Perforationen wurden
2.4.4 V. femoralis beschrieben.
Punktion und Katheterisierung der V. basilica 4 Intraoperativ bei plötzlich auftretenden und
4 Arm im Schultergelenk 45° abduzieren, progredienten Beatmungsproblemen immer
Desinfektion, Lokalanästhesie an einen Pneumothorax denken
4 Venenpunktion, dann Katheter ca. 5 cm ein- 4 Patienten mit Pneumothoraxverdacht eng-
führen maschig überwachen
4 Kopf des Patienten auf die Punktionsseite
drehen (lassen), dann Katheter weiter vor-
schieben. Dies soll ein versehentliches Vor- Perforation Perforationen der großen Gefäße nach
schieben in die V. jugularis interna verhindern Kathetereinlage sind insgesamt selten und können
4 Katheter nicht gegen Widerstand vorschieben, durch den Seldinger-Draht, durch den Dilatator oder
stattdessen evtl. Arm mehr abduzieren oder durch den Katheter selbst hervorgerufen werden. Üb-
adduzieren oder im Schultergelenk rotieren licherweise tritt eine Perforation wenige Stunden bis
4 Katheter beim Erwachsenen insgesamt ca. 45– 7 Tage nach Einlage auf. Symptome unmittelbar wäh-
55 cm vorschieben, anschließend Lagekontrolle rend der Punktion sind eher selten. Der Patient kann
über Dyspnoe klagen. Abhängig von der Perforations-
stelle kann ein Pleura- oder Perikarderguss auftreten.
»Half-way«-Technik Für viele Anwendungen genügt Die Situation kann sich allerdings auch sehr drama-
es, wenn der Katheter von der V. basilica lediglich bis tisch als lebensbedrohliche Thoraxblutung oder Peri-
in die ipsilaterale V. subclavia vorgeschoben wird. Der kardtamponade darstellen.
zentralvenöse Druck kann dort reproduzierbar über-
> Bei Patienten mit plötzlich auftretenden
wacht werden. Die optimale Katheterposition ist dann
Zeichen von Hypotonie, Volumenmangel,
erreicht, wenn die Katheterlänge ab Ellenbeuge genau
Beatmungsschwierigkeiten oder einer Peri-
1/5 der Körperlänge beträgt, also z. B. 35 cm bei einer
kardtamponade immer an eine (sekundäre)
Körpergröße von 175 cm. Für eine längerfristige An-
Katheterperforation denken!
wendung ist die »Half-way«-Technik nicht geeignet.
Offenbar kommen diese Perforationen bei linksseiti-
ger V.-jugularis-Punktion häufiger vor, möglicherwei-
2.4.6 Typische Komplikationen se, weil die Katheterspitze bei diesem Zugang öfter der
bei ZVK-Anlage lateralen Wand der V. cava superior anliegt.
Im Folgenden werden Probleme dargestellt, die für Versehentliche arterielle Punktion Hierbei ist die
mehrere ZVK-Punktionsstellen gelten. Punktion der A. carotis interna die häufigste Kompli-
kation und kann vom Hämatom bis zur Obstruktion
Pneumothorax Bei allen pleuranahen Punktionen der oberen Luftwege führen, besonders bei Blutgerin-
besteht generell die Gefahr der Pleuraverletzung mit nungsstörungen oder wenn sehr dicklumige Katheter
Pneumothorax, auch bei Punktion der V. jugularis in- in das Gefäß vorgeschoben und wieder entfernt wer-
terna oder externa! den. Glücklicherweise ist die arterielle Punktion allein
in der Regel ohne Folgen für den Patienten.
Infektion Katheterassoziierte Infektionen sind für akzidentelle Öffnung eines zentralen Infusionssystems
über 10% aller nosokomialen Infektionen verantwort- entstehen.
lich und stellen damit eine häufige Komplikation der
ZVK-Anlage dar. Man muss damit rechnen, dass jeder Thrombosen Bei 10–30% aller Katheter können loka-
2 vierte Katheter kolonisiert ist und dass jeder zehnte le Thrombusbildungen beobachtet werden. Klinische
Katheter zu einer klinisch relevanten Infektion führt. Symptome treten bei bis zu 3% der Patienten auf. Die
Intravasale Katheter sind zudem ein wichtiger Risiko- Thrombose kann sich als Einflussstauung oder als
faktor für die Entstehung einer schweren Sepsis. Schwellung von Arm oder Bein bemerkbar machen; in
Daher muss die ZVK-Anlage immer unter Voll- einer Kasuistik wurde sogar über eine Phlegmasia
schutz erfolgen mit Haube, Mundschutz, Handschu- coerulea dolens mit Kompartmentsyndrom berichtet.
hen, Kittel, großem Abdecktuch und sorgfältiger Des- Ob die Kanülierung der V. femoralis mit einer höheren
infektion mit 10-minütiger Einwirkzeit! Der derzeitige Thromboserate einhergeht, kann derzeit nicht sicher
Kenntnisstand zu katheterassoziierten Infektionen entschieden werden.
kann folgendermaßen zusammengefasst werden: Die Diagnosesicherung erfolgt mittels Ultraschall-
4 Zentralvenöse Punktionen in der Nähe stark bak- duplexuntersuchung. Wie oft katheterassoziierte
teriell besiedelter Haut- oder Wundareale sollten Thrombosen zu Lungenembolien führen, ist unklar,
vermieden werden. Beispiel: Eine Punktion der wobei die Katheterentfernung selbst ein Risiko darstellt.
V. jugularis interna nach Dilatationstracheotomie Falls keine schwerwiegenden Kontraindikationen
ist möglich, sollte aber bei operativ angelegtem vorliegen, sollte bei relevanter Thrombose erst eine
Tracheostoma möglichst vermieden werden. therapeutische Heparinisierung und dann die Entfer-
4 Ob die Kanülierung der V. femoralis mit einer nung des Katheters erfolgen. Im ungünstigsten Fall
höheren Infektionsrate einher geht als andere kann sich der Thrombus bei liegendem Katheter infi-
Punktionsorte, ist unklar. zieren und zum Sepsisherd entwickeln.
4 Möglicherweise ist der V. subclavia aus infektiolo-
gischer Sicht der Vorzug gegenüber der V. jugula-
ris interna oder der V. femoralis zu geben. Aller- Fallbeispiel Teil 2
dings hat der V.-subclavia-ZVK andere Risiken Die Intensivärztin hat schnell gehandelt: Der Patient
und bleibt daher dem erfahrenen Intensivarzt erhält 10 l/min Sauerstoff über eine Gesichtsmaske mit
vorbehalten! Reservoir, dann 2 »rote« (14 G) Venenverweilkanülen,
4 Risikofaktor »Patient«: Lebensalter (Säuglinge, unmittelbar danach kanüliert die Intensivärztin die
Greise), Immunalteration (z. B. durch Trauma A. radialis mit einem 20-G-Katheter in Seldinger-Technik.
oder Operation), Immunsuppression (z. B. durch Das parallel veranlasste 12-Kanal-EKG zeigt keinen Hin-
Kortikosteroide, Immunsuppressiva), Besiedlung weis auf eine myokardiale Ischämie, während aufgrund
mit MRSA. des abdominellen Sonographiebefunds der dringende
4 Risikofaktor »Katheter«: Material (PVC), Kathe- Verdacht auf eine gedeckte Perforation des Bauch-
tertyp (Pulmonalarterienkatheter), Verweildauer aortenaneurysmas geäußert wird. Der Patient wird
über 7 Tage. sofort in den OP gebracht.
> Es gibt keinen Grund, einen »unauffälligen«
ZVK routinemäßig nach 7 Tagen zu wechseln.
Ein Katheter soll immer so rasch entfernt wer- Literatur
den, wie es der klinische Zustand des Patien-
Beutlhauser T (2012) Der zentrale Venenkatheter. Intensiv Up-
ten ermöglicht – feste Wechselintervalle gibt
2date 8: 93–104
es aber nicht!
Lamperti M, Bodenham AR, Pittiruti M et al. (2012) Interna-
tional evidence-based recommendations on ultrasound-
Luft- und Katheterembolien Diese potenziell tödli- guided vascular access. Intensive Care Med 38: 1105–
1117
chen Komplikationen sind selten. Katheterembolien
Ortega R, Song M, Hansen CJ, Barash P (2010) Videos in clinical
sind v. a. dann möglich, wenn der Katheter bei älteren
medicine. Ultrasound-guided internal jugular vein can-
Systemen durch die Punktionsnadel zurückgezogen nulation. N Engl J Med 362: e57
und dort abgeschert wird. Luftembolien kommen z. B. Rupp SM, Apfelbaum JL, Blitt C et al. (2012) Practice guidelines
bei Einlage des Katheters vor, wenn die Kopftieflage for central venous access. A report by the American Soci-
aufgehoben wird und der Katheter nicht verschlossen ety of Anesthesiologists task force on central venous ac-
ist. Außerdem können Luftembolien jederzeit durch cess. Anesthesiology 116: 539–573
Literatur
35 2
Scheiermann P, Seeger FH, Breitkreutz R (2010) Ultraschallge-
stützte zentrale Venenpunktion bei Erwachsenen und
Kindern: Verfahren und pathologische Befunde. Anaes-
thesist 59: 53–61
Shiloh AL, Eisen LA (2010) Ultrasound-guided arterial cathe-
terization: a narrative review. Intensive Care Med 36:
214–221
Urban T, Wappler F, Sakka SG (2011) Fehlerhafte Lage eines
zentralen Venenkatheters trotz korrekter intravasaler
EKG-Ableitung: Positives P-Wellenpotenzial bei intraarte-
rieller Katheterfehllage. Anästhesiol Intensivmed Notfall-
med Schmerzther 46: 94–97
Wu S, Ling Q, Cao L, Wang J, Xu M, Zeng W (2013) Real-time
two-dimensional ultrasound guidance for central venous
cannulation – a meta-analysis. Anesthesiology 118: 361–
375
37 3
Kreislaufwirksame
Medikamente
und Kreislauftherapie
Ulrich Grundmann
Literatur – 50
Internetlinks – 50
Fallbeispiel 1
Wenige Stunden nach einer laparoskopisch durchge- Vorgehen bei Hypotonie unklarer Ursache
führten Cholezystektomie wird eine 62-jährige Patientin 4 Flachlagerung, Beine anheben außer bei Hals-
auf der Normalstation kreidebleich mit einem schnellen, venenstauung oder klinisch erkennbarem
kaum tastbaren Puls vorgefunden. Der sofort hinzu ge- Lungenödem.
rufene Stationsarzt misst einen systolischen Blutdruck 4 Falls nicht vorhanden, Anlage einer möglichst
3 von 60 mmHg bei einer Pulsfrequenz von 145/min. Er großlumigen Venenkanüle und rasche Infusi-
muss nun zunächst durch symptomatische Maßnahmen on (Druckbeutel) einer kolloidalen Infusions-
die Kreislaufsituation stabilisieren, bis nach Klärung der lösung, z. B. Hydroxyäthylstärkelösung (z. B.
Ursache kausale Therapiemaßnahmen greifen. Dazu wird Volulyte). Cave: Keine Volumenzufuhr bei Zei-
die Patientin im Bett flach gelagert, die Beine werden zur chen der dekompensierten Herzinsuffizienz.
Autotransfusion angehoben. Über die noch liegende 4 ZVK-Anlage zunächst nur, falls eine periphere
intravenöse Verweilkanüle werden 500 ml einer Hydro- Venenkanülierung unmöglich ist und dann
xyäthylstärkelösung rasch infundiert und zweimal 0,5 ml möglichst groß- und mehrlumige (Shaldon-)
Akrinor injiziert. Unter dieser Therapie steigt der Blut- Katheter zur getrennten Applikation von Volu-
druck auf 80/60 mmHg und die Herzfrequenz fällt auf men und kreislaufwirksamen Medikamenten.
120/min. Bei dem V. a. eine intraabdominelle Nachblu- 4 Parallel zur Volumensubstitution Injektion
tung wird eine Sonographie des Abdomens durchge- von 0,5 ml einer unverdünnten Akrinorlö-
führt; hier findet sich reichlich freie Flüssigkeit, sodass sung, ggf. wiederholt.
die Patientin unter Fortsetzung der Infusionstherapie 4 Bei fehlendem Ansprechen auf Akrinor repeti-
und weiterer Akrinorgaben zur Relaparotomie in den OP tive Bolusgaben von 10–20 μg Noradrenalin
gebracht wird. (z. B. Arterenol): 1 Ampulle à 1 mg auf 100 ml
NaCl 0,9%, dann entspricht 1 ml = 10 μg Nor-
adrenalin.
3.1 Akute Kreislaufdepression 4 Bei begleitender Bradykardie Injektion von
0,5 mg Atropin.
Akute Kreislaufdekompensationen führen nicht selten 4 O2-Gabe über Sonde; bei persistierender Hy-
zur Aufnahme von Patienten auf die Intensivstation, poxie oder ausgeprägtem Schock Intubation
können aber auch bei Patienten auftreten, die dort aus und Beatmung; Cave: Bei Hypovolämie ist
anderen Gründen behandelt werden. Die Ursachen durch die Überdruckbeatmung eine weitere
einer akuten Kreislaufdepression sind vielfältig und Kreislaufdepression möglich.
reichen vom akuten Myokardinfarkt über eine fulmi-
nante Lungenembolie bis hin zu den verschiedenen
Schockformen. Bis nach Klärung der Ursache eine Eine arterielle Kanülierung zur invasiven Blutdruck-
kausale Therapie möglich ist, muss überbrückend un- messung ist sinnvoll, sollte während der Primärversor-
verzüglich mit einer zielorientierten symptomatischen gung aber erst dann erfolgen, wenn es zu keiner Beein-
Therapie begonnen werden, um einem drohenden trächtigung oder Verzögerung lebensrettender Maß-
Herz-Kreislauf-Versagen entgegenzuwirken. Zu den nahmen kommt.
notwendigen Sofortmaßnahmen zählen die O2-Gabe, Das weitere Procedere umfasst:
ggf. auch Intubation und kontrollierte Beatmung sowie 4 Differenzialdiagnostische Überlegung:
die Gabe von Volumen und/oder kreislaufwirksamen 5 Handelt es sich um ein akutes Herzversagen
Medikamenten zur Wiederherstellung bzw. Aufrecht- (kardiogener Schock), bei dem das Herz trotz
erhaltung annähernd normaler Herzfrequenz- und ausreichendem intravasalem Volumen nicht in
Blutdruckwerte. Dabei können eine Optimierung der der Lage ist, ein ausreichendes Herzzeitvolu-
Rahmenbedingungen einschließlich der Volumensitu- men aufzubauen (thorakales Schmerzereignis?
ation und des Säure-Basen- und Elektrolythaushalts Jugularvenenstauung?),
sowie die Sorge um einen suffizienten Gasaustausch 5 oder kommen andere Schockursachen wie
und eine ausreichende Oxygenierung den Bedarf an Blutung, Sepsis oder Anaphylaxie in Frage?
kreislaufwirksamen Medikamenten reduzieren oder (Ist der Patient blass? Redondrainagen vollge-
überflüssig machen. Ein Universalalgorithmus zum laufen? Halsvenen kollabiert?).
Vorgehen bei Hypotonie unklarer Ursache ist nachfol- 4 Einleitung entsprechender diagnostischer Maß-
gend dargestellt. nahmen: transthorakale Echokardiographie, Ab-
domensonographie, EKG, Labor.
3.2 · Hypertensiver Notfall
39 3
4 Fortführen der symptomatischen Maßnahmen Die geordnete diastolische Füllung und anschlie-
bis zur Wirkung der kausalen Therapie, z. B. leit- ßend die effiziente systolische Entleerung beider Ven-
liniengerechte Therapie der akuten Herzinsuffizi- trikel sind abhängig von einer gleichmäßigen, koordi-
enz und der verschiedenen Schockformen, opera- nierten Bewegung der Vorhof- und dann der Ventri-
tive Revision bei starker Blutung, Lyse bei Lungen- kelmuskulatur (Herzrhythmus) und einer adäquaten
embolie, Koronarintervention bei Myokardin- Herzfrequenz.
farkt usw.
> Bei Vorhofflimmern fehlt die optimale Ventri-
kelfüllung, das Schlagvolumen ist um etwa
kRepetitorium Pathophysiologie
15% vermindert. Bei einer Tachyarrhythmia
Das Herzzeitvolumen wird durch die folgenden 5 we-
absoluta kann es rasch zu einer kritischen
sentlichen Determinanten beeinflusst:
Einschränkung des Herzzeitvolumens kom-
4 Vorlast,
men, gleichzeitig ist aber der O2-Bedarf des
4 Kontraktilität,
Herzens erhöht.
4 Nachlast,
4 Rhythmus und Eine häufige Ursache eines niedrigen Herzzeitvolu-
4 Herzfrequenz. mens und eines daraus resultierenden niedrigen Blut-
drucks ist eine inadäquate Vorlast des Herzens. Bevor
Die Vorlast entspricht der enddiastolischen Wand- ein invasives Monitoring etabliert ist, kann durch ein
spannung, die wiederum von der enddiastolischen Anheben der Beine rasch und v. a. reversibel die Vor-
Ventrikelfüllung abhängig ist. Nach dem Frank-Star- last des Herzens erhöht werden, um so den Therapie-
ling-Mechanismus stehen die enddiastolische Ventri- erfolg einer Volumenzufuhr abzuschätzen. Steigt dabei
kelfüllung und das Schlagvolumen in direktem Zu- der Blutdruck an und kommt es nicht zu einer Ver-
sammenhang. Mit zunehmender enddiastolischer schlimmerung der Symptome einer Herzinsuffizienz
Ventrikelfüllung nimmt das Schlagvolumen bis zum (Halsvenenstauung, Lungenödem), dann ist eine wei-
Erreichen eines Optimums zu und fällt danach wieder tere intravenöse Volumensubstitution sinnvoll. Wenn
ab (. Abb. 3.1). Da die Vorlast nicht direkt messbar ist, es durch die Volumensubstitution nicht gelingt, den
werden zumeist die sog. Füllungsdrücke wie zentraler Blutdruck hinreichend schnell zu stabilisieren oder die
Venendruck (ZVD) oder pulmonalkapillärer Ver- Volumengabe zu einer Verschlechterung führt (kar-
schlussdruck (PCWP) zur Beurteilung herangezogen. diogener Schock), ist die Gabe von kreislaufwirksamen
Die Kontraktilität des Myokards definiert sich Medikamenten erforderlich.
durch die Kraft und Geschwindigkeit der myokardia-
len Faserverkürzung. Ein Maß für die Myokardkon-
traktilität ist die maximale Druckanstiegsgeschwindig- 3.2 Hypertensiver Notfall
keit des linken Ventrikels (dp/dtmax).
Unter der Nachlast wird die mittlere systolische In Analogie zur schweren Kreislaufdepression kann
Wandspannung der Ventrikel verstanden, die zur auch ein plötzlicher bedrohlicher Blutdruckanstieg
Überwindung des Aorten- bzw. Pulmonalarterien- über 210/120 mmHg zu einer vitalen Gefährdung füh-
drucks notwendig ist. Klinisch kann sie für den linken ren. Dabei wird heute zwischen dem hypertensiven
Ventrikel anhand des aortalen Mitteldrucks abge- Notfall (»hypertensive emergency«) mit lebensbe-
schätzt werden. drohlichen Folge- und Begleiterkrankungen und der
hypertensiven Gefahrensituation (»hypertensive ur-
gency«) ohne begleitende Endorganbeteiligung unter-
schieden. Beispiele für lebensbedrohliche Organkom-
plikationen sind u. a.
4 intrazerebrale Blutung,
4 instabile Angina pectoris und Myokardinfarkt,
4 Linksherzversagen mit Lungenödem,
4 Aortendissektion oder
4 eklamptischer Anfall.
. Tab. 3.1 Die wichtigsten kreislaufwirksamen Medikamente auf der Intensivstation in alphabetischer Reihenfolge
Akrinor Amiodaron
Atropin β-Blocker 4 Esmolol
4 Metoprolol
Katecholamine 4 Adrenalin Clonidin
4 Dopamin
4 Dopexamin
4 Dobutamin
4 Noradrenalin
Levosimendan Dihydralazin
PDE-III-Hemmer1 4 Enoximon Kalziumantagonisten 4 Nifedipin
4 Milrinon 4 Verapamil
Vasopressin Nitroglycerin
Nitroprussidnatrium
Urapidil
1 PDE-III-Hemmer = Phosphodiesterase-III-Hemmer.
Katecholamin α1 α2 β1 β2 D1 D2
Dopamin ++ ++ ++ + +++ ++
Dobutamin + +++ ++
Die spezifischen kardiovaskulären Wirkungen der dauernde Wirkungen zu erzielen, kontinuierlich in-
einzelnen Substanzen erklären sich durch die unter- fundiert werden.
schiedliche Affinität zu den verschiedenen adrenergen
(α1-, α2-, β1-, β2-) und dopaminergen (D1-, D2-) Rezep- Adrenalin
toren sowie durch die unterschiedliche Verteilung der Adrenalin (z. B. Suprarenin) wirkt auf α- und
Rezeptoren in den jeweiligen Zielorganen (. Tab. 3.2). β-adrenerge, nicht jedoch auf dopaminerge Rezepto-
Die extrazelluläre Erregung der Adrenozeptoren durch ren. Welche Wirkung im Vordergrund steht, ist von der
Katecholamine bewirkt eine intrazelluläre Interaktion applizierten Dosis abhängig. Im niedrigen Dosisbe-
mit sog. G-Proteinen, wodurch die Synthese eines »se- reich (<0,05 μg/kg/min) werden überwiegend
cond messengers« verstärkt oder vermindert wird, was β-Rezeptoren aktiviert, während mit zunehmender
dann über weitere Zwischenreaktionen zur physiologi- Dosierung (>0,2 μg/kg/min) die α-adrenergen Effekte
schen Antwort führt. in den Vordergrund rücken. Die Stimulation der β1-
Die Stimulation postsynaptischer kardialer β1- Rezeptoren erklärt die folgenden Effekte:
Rezeptoren führt zu positiv inotropen, chronotropen 4 positive Inotropie: die Kontraktilität steigt,
und dromotropen Wirkungen. An den Gefäßen be- 4 positive Chronotropie: die Herzfrequenz steigt,
wirkt die Stimulation postsynaptischer α 1- und α2- 4 positive Dromotropie: die Erregungsleitung wird
Rezeptoren eine Vasokonstriktion, während die Sti- beschleunigt,
mulation postsynaptischer β2-Rezeptoren zu einer 4 positive Bathmotropie: die Erregbarkeit des Her-
Vasodilatation führt. Eine Stimulation präsynaptischer zens steigt, die Reizschwelle sinkt,
α2-Rezeptoren hemmt die Noradrenalinfreisetzung. 4 positive Lusitropie: die Relaxation der Herzmus-
Hingegen führt die Stimulation präsynaptischer β2- kulatur wird verbessert.
Rezeptoren zu einer vermehrten Noradrenalinfreiset-
zung. Die postsynaptisch gelegenen D1-Rezeptoren Die Aktivierung der β2-Rezeptoren führt zur periphe-
finden sich insbesondere im renalen und mesenteria- ren Vasodilatation, bis im höheren Dosisbereich durch
len Stromgebiet, wo deren Stimulation eine Vasodila- die α-Rezeptorwirkung vasokonstriktorische Effekte
tation und konsekutive Zunahme der Nieren- und überwiegen. Durch die vorbeschriebenen Rezeptor-
Splanchnikusdurchblutung bewirkt. Eine Aktivierung wirkungen kommt es zur Steigerung der Herzfrequenz
der präsynaptischen D2-Rezeptoren hemmt die Nor- und des Herzminutenvolumens sowie zu einer Anhe-
adrenalinfreisetzung und führt dadurch zu einer pas- bung des diastolischen und systolischen Blutdrucks.
siven Vasodilatation.
Eine längerfristige Katecholamintherapie kann jAnwendungsgebiete
durch die chronische Rezeptorstimulation zu einer Je nach Indikation kann die erforderliche Adrenalin-
Down-Regulation der Rezeptoren führen, sodass dosis erheblich variieren! Im niedrigen Dosierungsbe-
zur Aufrechterhaltung des gewünschten Wirkeffekts reich wird Adrenalin zur Behandlung einer ansonsten
stetig steigende Katecholamindosierungen erforder- therapierefraktären Hypotonie mit Bradykardie ange-
lich werden. Da sich alle Katecholamine durch kurze wandt. Bei der Behandlung des Low-output-Syndroms
Halbwertszeiten auszeichnen, sind sie einerseits liegt die erforderliche Dosierung höher, u. U. sogar
gut steuerbar, müssen aber andererseits, um an- deutlich höher. Weiterhin ist Adrenalin das Medika-
3.3 · Medikamente bei Kreislaufdepression
43 3
ment der ersten Wahl bei der kardiopulmonalen Re- jAnwendungsgebiete
animation und der Behandlung des anaphylaktischen Aufgrund des Wirkungsmechanismus ist Noradrena-
Schocks. lin insbesondere bei Krankheitsbildern indiziert, die
durch einen sehr stark erniedrigten peripheren Gefäß-
jDosierung widerstand und ein erhöhtes Herzzeitvolumen charak-
Niedrige Dosis: 0,01–0,05 μg/kg/min i.v. terisiert sind und bei denen durch Volumensubstitu-
Mittlere Dosis: 0,05–0,2 μg/kg/min i.v. tion alleine keine ausreichende Blutdruckstabilisie-
Hohe Dosis: >0,2 μg/kg/min i.v. rung erreichbar ist, z. B. im septischen Schock.
Im Rahmen der Reanimation Bolusgaben à 1 mg i.v.
jDosierung
jNebenwirkungen Fraktionierte Bolusgabe von 10–20 μg i.v. zur kurzfris-
Auslösung von Tachykardien und Arrhythmien, Stei- tigen Blutdrucksteigerung.
gerung des myokardialen O2-Verbrauchs, periphere Perfusordosierung: 0,01–1 μg/kg/min i.v.
Vasokonstriktion mit Abnahme der Organdurchblu-
tung. jNebenwirkungen
Pektanginöse Beschwerden, überschießender Blut-
druckanstieg mit Reflexbradykardie, Herzrhyth-
Adrenalin musstörungen. Insbesondere bei hoher Dosierung
Je nach Indikation kann die erforderliche Adrena- ausgeprägte Vasokonstriktion, die zu einer Minder-
lindosis erheblich variieren! Bei ansonsten thera- durchblutung der Haut, Schleimhäute und des
pierefraktärer Hypotonie und/oder Bradykardie Splanchnikusgebiets führen kann.
kann folgendermaßen vorgegangen werden:
4 1 Ampulle Adrenalin (= 1 mg) in einer 100 ml
NaCl 0,9%-Flasche verdünnen. 1 ml der Lö- Noradrenalin
sung entspricht dann 10 μg Adrenalin. Nun Je nach Indikation und gerade beim septischen
0,5–1 ml der Lösung injizieren und Effekt Schock kann die erforderliche Noradrenalindosis
beobachten. erheblich variieren! Bei ansonsten therapierefrak-
4 1 Ampulle Adrenalin (= 1 mg) mit 49 ml NaCl tärer Hypotonie, z. B. auch bei der Anästhesieein-
0,9% auf eine 50-ml-Perfusorspritze aufzie- leitung auf der Intensivstation, kann folgender-
hen, 1 ml der Lösung entspricht dann 20 μg maßen vorgegangen werden:
Adrenalin. Nun Perfusor auf 5 ml/h starten 4 1 Ampulle Noradrenalin (= 1 mg) in einer
und Effekt beobachten. Diese stark verdünnte 100 ml NaCl 0,9%-Flasche verdünnen. 1 ml
Adrenalinlösung (1 mg auf 50 ml) ist sehr gut der Lösung entspricht dann 10 μg Noradrena-
steuerbar. lin. Nun 0,5–1 ml der Lösung injizieren und
4 Die weitere Dosierung erfolgt nach Wirkung. Effekt beobachten.
4 Sind sehr hohe Perfusorlaufgeschwindigkei- 4 1 Ampulle Noradrenalin (= 1 mg) mit 49 ml
ten (z. B. über 20 ml/h) erforderlich, kann die NaCl 0,9% auf eine 50-ml-Perfusorspritze auf-
nächste Perfusormischung mit 5 mg Adrena- ziehen, 1 ml der Lösung entspricht dann
lin auf 50 ml erfolgen. 20 μg Noradrenalin. Nun Perfusor auf 5 ml/h
starten und Effekt beobachten. Diese stark
verdünnte Noradrenalinlösung (1 mg auf
Noradrenalin 50 ml) ist sehr gut steuerbar.
Noradrenalin (z. B. Arterenol) hat von allen Katechol- 4 Die weitere Dosierung erfolgt nach Wirkung.
aminen die stärksten Effekte auf α-adrenerge Rezepto- 4 Sind sehr hohe Perfusorlaufgeschwindigkei-
ren, sodass die periphere Vasokonstriktion mit Anstieg ten (z. B. über 20 ml/h) erforderlich, kann die
des arteriellen Mitteldrucks im Vordergrund steht. Die nächste Perfusormischung mit 5 mg Noradre-
durch Stimulation der β-Rezeptoren vermittelte chro- nalin auf 50 ml erfolgen.
notrope Wirkung wird durch eine über Barorezepto-
ren vermittelte Reflexbradykardie abgeschwächt, so-
dass die Herzfrequenz nach Noradrenalingabe deut-
lich geringer ansteigt als nach Gabe von Adrenalin.
44 Kapitel 3 · Kreislaufwirksame Medikamente und Kreislauftherapie
jAnwendungsgebiete jNebenwirkungen
Dopamin wurde in der Vergangenheit zur Behandlung Tachykardie, ventrikuläre Rhythmusstörungen, pek-
von drohenden oder manifesten Schockzuständen ein- tanginöse Beschwerden, bei mehrtägiger Therapie
gesetzt, oftmals auch in Kombination mit Dobutamin passagere Hemmung der Thrombozytenfunktion.
oder Adrenalin. Nach einer aktuellen Metaanalyse ist
Dopamin bei der Behandlung des septischen Schocks Dopexamin
jedoch häufiger mit kardialen Arrhythmien und einer Bei Dopexamin (z. B. Dopacard) handelt es sich um
erhöhten Letalität assoziiert als Noradrenalin. Auf- ein synthetisches Strukturanalogon von Dopamin mit
grund dieser Ergebnisse und des nachweislich fehlen- überwiegender Wirkung an β2-adrenergen und dopa-
den nephroprotektiven Effekts wird heute auf der In- minergen (D1>D2) Rezeptoren. Weiterhin zeichnet
tensivstation ganz auf Dopamin verzichtet. sich die Substanz durch eine schwache β1-Wirkung bei
fehlender α-adrenerger Wirkung aus. In der Folge
jDosierung kommt es zu einem Abfall des peripheren Gefäßwider-
Niedrige Dosis: 0,5–2 μg/kg/min i.v. stands und zu einer Zunahme des Herzzeitvolumens
Mittlere Dosis: 2–10 μg/kg/min i.v. mit Steigerung der renalen und mesenterialen Durch-
Hohe Dosis: >10 μg/kg/min i.v. blutung.
jNebenwirkungen jAnwendungsgebiete
Tachykardie, Herzrhythmusstörungen, pektanginöse Akutbehandlung der schweren Herzinsuffizienz, die
Beschwerden, Hautnekrosen. mit konventioneller Therapie (u. a. positiv inotropen
Substanzen, Diuretika, Vasodilatatoren) nicht befriedi-
Dobutamin gend behandelbar ist. Insgesamt spielt Dopexamin der-
Das synthetische Katecholamin Dobutamin (z. B. Do- zeit jedoch keine große Rolle im Rahmen der differen-
butrex) aktiviert β1-, β2- und α1-adrenerge Rezeptoren, zierten Katecholamintherapie bei Intensivpatienten.
wobei die Stimulation β1-adrenerger Rezeptoren im
Vordergrund steht. Bei längerer Therapiedauer kann jDosierung
eine Down-Regulation der β1-Rezeptoren zu einer To- 0,5–2–4 μg/kg/min i.v.
3.3 · Medikamente bei Kreislaufdepression
45 3
jNebenwirkungen siert, führen die Vertreter dieser Substanzklasse zu ei-
Tachykardien, insbesondere im oberen Dosisbereich, ner Steigerung der intrazellulären cAMP-Konzentra-
Steigerung des myokardialen O2-Verbrauchs, Blut- tion. Dies wiederum führt in der Herzmuskelzelle zu
druckabfall bei Hypovolämie. einer Zunahme und in der Gefäßmuskelzelle zu einer
Abnahme der Kalziumkonzentration. Dadurch erklä-
ren sich die positiv inotropen, positiv lusitropen und
3.3.4 Levosimendan vasodilatierenden Wirkungen der PDE-III-Hemmer.
Die Vasodilatation betrifft dabei gleichzeitig den arte-
Im Unterschied zu Katecholaminen und PDE-III-Inhi- riellen und den venösen Gefäßschenkel und führt so
bitoren wirkt der Kalziumsensitizer Levosimendan zu einer Verminderung der kardialen Vor- und Nach-
(z. B. Simdax) nicht über eine Erhöhung der intrazel- last. Da die Wirkung der PDE-III-Hemmer rezep-
lulären Kalziumkonzentration, sondern sensibilisiert torunabhängig erfolgt, sind sie noch effektiv, wenn
die kardialen Myofilamente gegen die sie umgebende Katecholamine aufgrund einer Down-Regulation kar-
Kalziumkonzentration und führt dadurch zu einer Zu- dialer β-Rezeptoren in ihrer Wirkung eingeschränkt
nahme der Kontraktilität. Die zusätzlichen vasodilata- sind. Aufgrund einer im Stundenbereich liegenden
tiven und kardioprotektiven Effekte werden auf die Halbwertszeit sind die Phosphodiesterase-III-Hem-
Öffnung ATP-sensitiver Kaliumkanäle in der glatten mer allerdings schlechter steuerbar als Katecholamine.
Gefäßmuskulatur und den Kardiomyozyten zurückge- Da sich Milrinon (z. B. Corotrop) gegenüber Eno-
führt. Von klinisch untergeordneter Bedeutung ist ximon (z. B. Perfan) durch eine kürzere Halbwertszeit
wahrscheinlich eine erst in höherer Dosierung nach- und damit bessere Steuerbarkeit auszeichnet und sel-
weisbare Phosphodiesterase (PDE)-III-Hemmung. tener zu einer Thrombozytopenie führt, wird derzeit
Während die Plasmahalbwertszeit von Levosimen- bei einer Indikation zur Behandlung mit Phosphodies-
dan etwa 60 min beträgt, liegt die seines aktiven Meta- terase-III-Hemmern bevorzugt Milrinon eingesetzt.
boliten OR-1896 bei 80–96 h und erklärt die mehrere
Tage über das Ende einer Levosimendaninfusion an- jAnwendungsgebiete
haltenden hämodynamischen Wirkungen. Levosi- Kurzzeitbehandlung der schweren Herzinsuffizienz,
mendan ist derzeit in Deutschland noch nicht zugelas- die mit den üblichen Therapieschemata nicht befriedi-
sen und kann bei Bedarf über die internationale Apo- gend behandelbar ist. Bei dieser Indikationsstellung
theke bezogen werden. führt die intravenöse Gabe zu einer Abnahme des pul-
monalkapillären Verschlussdrucks, einer Zunahme
jAnwendungsgebiete des Herzzeitvolumens und zu einer peripheren Vaso-
Akute Herzinsuffizienz, hier bewirkt Levosimendan dilatation. Aufgrund des unterschiedlichen Wirkme-
eine Steigerung des Herzzeitvolumens und eine Sen- chanismus kann eine Kombination mit Katecholami-
kung der kardialen Vor- und Nachlast. nen sinnvoll sein.
Metoprolol jDosierung
Metoprolol (z. B. Beloc) zählt zu den β1-selektiven Be- Hypertonie: initial 75 μg langsam i.v.
tarezeptorenblockern ohne intrinsische sympathomi- Delir: 0,5–2 μg/kg/h i.v.
metische Aktivität. Die Elimination erfolgt überwie-
gend durch hepatische Metabolisierung. Im Vergleich jNebenwirkungen
zu Esmolol ist der Wirkungseintritt verzögert und die Bradykardie, Sedierung, Mundtrockenheit, Obstipa-
Wirkdauer verlängert. tion.
jAnwendungsgebiete
Tachykarde Herzrhythmusstörungen, Akutbehand- 3.4.4 Kalziumantagonisten
lung des Herzinfarkts.
Kalziumantagonisten hemmen den transmembranä-
jDosierung ren Kalziumeinstrom durch Blockade der langsamen
5 mg i.v. fraktioniert über 5 min. spannungsabhängigen L-Typ-Kalziumkanäle. Auf-
grund chemischer und funktioneller Unterschiede bil-
jNebenwirkungen den die Kalziumantagonisten jedoch keine einheitliche
Bradykardie, Hypotonie, Bronchospasmus. Substanzgruppe.
Verapamil
3.4.3 Clonidin Verapamil (z. B. Isoptin) hemmt v. a. am Herzen und
an der glatten Gefäßmuskulatur den langsamen Kal-
Das Imidazolinderivat Clonidin (z. B. Catapresan) ziumeinstrom. Dadurch erklären sich die Abnahme
zählt zu der Gruppe der zentralen α2-Adrenozeptor- der Myokardkontraktilität und die arterielle Vasodila-
Agonisten. Die Stimulation zentraler präsynaptischer tation. Weitere Effekte sind eine Hemmung der AV-
α2-Rezeptoren und Imidazolinrezeptoren führt zu ei- Überleitung und eine Verlangsamung der Herzfre-
ner zentralen Abnahme der Sympathikusaktivität, die quenz. Die myokardiale O2-Bilanz wird verbessert.
Erregung peripherer präsynaptischer α2-Rezeptoren
zu einer verminderten Noradrenalinfreisetzung. Dar-
48 Kapitel 3 · Kreislaufwirksame Medikamente und Kreislauftherapie
3.4.6 Nitroglycerin
Nifedipin
Nifedipin (z. B. Adalat) zählt wie Verapamil zu den Die Wirkung von Nitroglycerin (z. B. Trinitrosan) be-
Kalziumantagonisten, wobei die Vasodilatation und ruht auf der Abspaltung von Stickstoffmonoxid, wo-
der dadurch bedingte Blutdruckabfall im Vordergrund durch es schon in niedriger Dosierung vornehmlich an
des Wirkprofils stehen. Im Unterschied zu Verapamil den venösen Kapazitätsgefäßen zu einer Vasodilata-
wird die Sinusaktivität nicht gedämpft, sodass reflek- tion kommt, während erst bei höherer Dosierung auch
torisch die Herzfrequenz zunehmen kann. die arteriellen Widerstandsgefäße betroffen sind.
Demzufolge kommt es hauptsächlich durch ein venö-
jAnwendungsgebiete ses Pooling zu einer Abnahme des venösen Rück-
Hypertensiver Notfall. stroms und damit zu einer Vorlastsenkung. Erst bei
höherer Dosierung führt die Abnahme des peripheren
jDosierung Gefäßwiderstands zu einer Nachlastsenkung. Beide
Bei hypertensiver Krise Kapsel (5–10 mg) zerbeißen, Effekte bewirken eine Abnahme des arteriellen Blut-
evtl. Wiederholung nach 20 min. Perfusordosierung: drucks mit unter Umständen reflektorischer Zunahme
0,63–1,25 mg/h. der Herzfrequenz. An den Koronarien kann Nitrogly-
cerin Gefäßspasmen beseitigen, ohne dass ein korona-
! Cave
res Steal-Phänomen auftritt. Bei einer länger dauern-
Kontraindiziert beim akuten Koronarsyn-
den kontinuierlichen Anwendung muss mit einer ra-
drom, ferner eher zurückhaltende Anwen-
schen Wirkungsabschwächung (Toleranz) gerechnet
dung beim hypertensiven Notfall aufgrund
werden, die allerdings nach Absetzen der Substanz
einer möglicherweise überschießenden
schnell reversibel ist.
raschen Blutdrucksenkung und nicht aus-
zuschließender Reflextachykardie.
jAnwendungsgebiete
Angina pectoris, Myokardinfarkt, akute Linksherzin-
jNebenwirkungen suffizienz, hypertensive Krise mit kardialer Dekom-
Tachykardie, ausgeprägter Blutdruckabfall, Auslösung pensation.
einer Angina pectoris.
jDosierung
0,2–10 μg/kg/min i.v.
3.4.5 Dihydralazin
jNebenwirkungen
Dihydralazin (z. B. Nepresol) bewirkt überwiegend Kopfschmerzen, Blutdruckabfall, Reflextachykardie.
eine arterioläre Dilatation und dadurch eine Nachlast-
senkung, wobei der eigentliche Wirkmechanismus
unbekannt ist. Mit einem Wirkungseintritt ist nach
3.4 · Medikamente bei Hypertonie, Tachykardie oder Herzrhythmusstörungen
49 3
jInteraktionen jInteraktionen
Besonders vorsichtige Dosistitration bei Patienten, die Besonders vorsichtige Dosistitration bei Patienten, die
zuvor PDE-5-Hemmer wie z. B. Sildenafil (z. B. Viag- zuvor PDE-5-Hemmer eingenommen haben wie z. B.
ra) eingenommen haben. Sildenafil (z. B. Viagra).
Ähnlich wie bei Nitroglycerin kommt es bei Nitroprus- Der α1-Adrenozeptor-Antagonist Urapidil (z. B.
sidnatrium (z. B. Nipruss) durch eine NO-Abspaltung Ebrantil) ist ein Vasodilatator mit zwei unterschiedli-
zu einer Vasodilatation, die jedoch im Unterschied zu chen Angriffspunkten. Die postsynaptische Blockade
Nitroglycerin gleichermaßen sowohl den arteriellen peripherer α1-Rezeptoren führt zu einer Reduktion
als auch den venösen Gefäßschenkel betrifft. Die Blut- des peripheren Gefäßwiderstands und damit zur
drucksenkung tritt unmittelbar mit Beginn der intra- Vasodilatation. Die zusätzliche Stimulation zentraler
venösen Zufuhr ein und kann bei hypovolämischen 5-Hydroxytryptamin (5-HT)1A-Rezeptoren (5-Hydro-
Patienten zu ausgeprägtem Blutdruckabfall und Tachy- xytryptamin = Serotonin) mit Abnahme des Sympa-
kardie führen. thikotonus verhindert dabei das Auftreten einer Re-
flextachykardie. Von Vorteil ist, dass Urapidil im Un-
jAnwendungsgebiete terschied zu Nitroglycerin und Nitroprussidnatrium
Akuttherapie von hypertensiven Notfällen. die zerebrale Autoregulation nicht beeinträchtigt und
damit nicht zu einer Zunahme des intrakraniellen
jDosierung Drucks führt.
Einschleichender Therapiebeginn mit 0,2 μg/kg/min
i.v. bis zur Erhaltungsdosis von 0,2–5 μg/kg/min i.v. jAnwendungsgebiete
Hypertension, hypertensive Notfälle.
jNebenwirkungen
Eine wesentliche Nebenwirkung ist die insbesondere jDosierung
bei höherer Dosierung und/oder begleitender Leber- Bolus: Initial langsam 10 mg i.v., bei Bedarf wiederholt.
oder Niereninsuffizienz mögliche Zyanidintoxikation. Beginn mit 10–20 mg/h, dann weiter nach Wirkung.
Im Körper zerfällt Nitroprussidnatrium schnell, wobei
Zyanid gebildet wird, das in der Leber durch Rhodana- jNebenwirkungen
sen unter Verbrauch von Schwefelatomen in das weni- Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen.
ger toxische Thiocyanat umgewandelt wird. Bei einer
Überschreitung der Enzymkapazitäten kommt es zu Fallbeispiel 2
einer Akkumulation der freien Zyanidionen. Diese Der Stationsarzt wird zu einem Patienten gerufen,
hemmen die Cytochromoxidase in den Mitochondrien der plötzlich über starke Kopfschmerzen, Übelkeit und
und blockieren somit die intrazelluläre Atmungskette, Sehstörungen (»es ist alles so verschwommen«) klagt.
sodass trotz eines ausreichenden O2-Angebots eine Die Krankenschwester hat einen Blutdruck von
Gewebehypoxie resultieren kann. Auffallend sind die 240/130 mmHg gemessen. Der Arzt muss nun, um weite-
hohe zentralvenöse Sättigung und die zunehmende re Organschädigungen zu vermeiden, zügig, aber kei-
metabolische Azidose. Die Therapie besteht in der so- nesfalls überschießend den Blutdruck senken. Dazu ver-
fortigen intravenösen Gabe von 4-Dimethylamino- abreicht er zunächst 2 Hübe Nitroglycerin, woraufhin der
phenol (4-DMAP) als Methämoglobinbildner und Blutdruck auf 190/110 mmHg absinkt. Über die zwi-
Natriumthiosulfat als Schwefeldonator. Eine weitere schenzeitlich angelegte intravenöse Verweilkanüle wer-
Therapieoption ist die Gabe von Hydroxycobalamin den anschließend zweimal 10 mg Urapidil appliziert. In
als Zyanidkomplexbildner. der Folge pendelt sich der Blutdruck langsam bei Werten
Weitere mögliche Nebenwirkungen sind eine Re- um 160/100 mmHg ein und die eingangs geschilderte
boundhypertension bei abruptem Absetzen der Sub- Beschwerdesymptomatik ist rückläufig.
stanz sowie eine Verschlechterung der Oxygenierung
durch Zunahme des intrapulmonalen Rechts-Links-
Shunts (7 Kap. 62).
50 Kapitel 3 · Kreislaufwirksame Medikamente und Kreislauftherapie
Literatur
Internetlinks
Bluttransfusion
Sebastian Turinsky, Claus Steuernagel
4.1 Erythrozytenkonzentrate – 52
4.1.1 Leitlinienempfehlungen zur Gabe von Erythrozytenkonzentraten – 53
4.1.2 Physiologische Transfusionstrigger – 53
4.1.3 Alternativen zur allogenen Erythrozytentransfusion – 53
4.2 Thrombozytenkonzentrate – 54
4.2.1 Leitlinienempfehlungen zur Gabe von Thrombozytenkonzentraten – 55
4.4 Plasmapräparate – 57
4.4.1 Faktor-VIII-/von-Willebrand-Faktor-Konzentrate – 57
4.4.2 Fibrinogen – 57
4.4.3 PPSB – 58
4.4.4 Faktor-XIII-Konzentrat – 58
4.4.5 Antithrombin – 58
Literatur – 63
Internetlinks – 63
≤6 g/dl – jaa 1 C+ c
(≤3,7 mmol/l)
Insuffizienz
Bei operativen Eingriffen mit erwartet größeren gleicher Blutgruppe gewonnen. Es enthält in 250–
Blutverlusten (Richtwert >1 l) kann kurzfristig eine 330 ml Plasma etwa 240 bis 360 × 109 Thrombo-
maschinelle Autotransfusion (MAT, engl. »cell salva- zyten und kostet etwa 300 €.
ge«) durchgeführt werden. Zahlreiche Untersuchun- 4 Das Apheresethrombozytenkonzentrat wird
gen konnten zeigen, dass die MAT insbesondere im durch Thrombozytenapherese eines Einzelspen-
Bereich der Herz-, Gefäß- und orthopädischen Chi- ders gewonnen und enthält ca. 200 bis 400 × 109
rurgie eine sichere und wirksame Alternative zur allo- Thrombozyten in 200–300 ml Plasma; die Kosten
genen Transfusion darstellt. Möglicherweise ist es zu- liegen bei ca. 550 €.
künftig möglich, durch Anwendung spezieller Filter
die MAT auch bei onkologischen oder septischen Ein- Beide Präparate weisen zudem eine geringe Anzahl an
griffen einzusetzen. Leukozyten und Erythrozyten auf. Die Lagerung von
TK erfolgt in speziellen, gasdurchlässigen Kunststoff-
beuteln bei +22°C ± 2°C. Das Entscheidende bei der
4.2 Thrombozytenkonzentrate Lagerung ist eine kontinuierliche, gleichförmige Bewe-
gung, die bis zur endgültigen Transfusion, also auch
Thrombozytenkonzentrate (TK) werden entweder aus auf jedem Transport, weiterzuführen ist. TK können
frischem Vollblut oder durch Thrombozytenapherese unter diesen Bedingungen bis zu 5 Tage gelagert wer-
hergestellt. Als Apherese (genauer Hämapherese) wird den, sollten aber möglichst schnell nach Eintreffen aus
ein Verfahren bezeichnet, bei dem den Spendern nur der Blutbank transfundiert werden.
einzelne Blutkomponenten entnommen werden und
die nicht benötigten Blutbestandteile sofort wieder re- > Thrombozytenkonzentrate müssen bei
transfundiert werden. Man unterscheidet daher zwi- Raumtemperatur gelagert und möglichst
schen zwei verschiedenen TK-Arten: kontinuierlich hin und her bewegt werden.
4 Das gepoolte Thrombozytenkonzentrat (Pool- Keinesfalls dürfen TK im Kühlschrank gela-
TK) wird aus dem Vollblut von 4–6 Spendern gert werden!
4.3 · Gefrorenes Frischplasma
55 4
zur prophylaktischen Thrombozytentransfusion in
. Tab. 4.2 Blutungssymptomatik nach WHO-Klassifi- Zusammenschau mit dem individuellen Blutungsrisi-
kation ko des Patienten und dem Ausmaß der Traumatisie-
rung, also kleiner oder großer Eingriff, zu entscheiden.
WHO-Grad Symptomatik Gemäß den Leitlinien der Bundesärztekammer erge-
ben sich folgende Empfehlungen zur prophylaktischen
Grad 1 kleinere Hämatome, Petechien,
Zahnfleischbluten
Gabe von TK (. Tab. 4.4).
Neben der Entscheidung für oder gegen eine TK-
Grad 2 kleinere Blutungen, die keine Transfusion sollte auch immer eine gezielte Blutungs-
Transfusion von EKs erfordern anamnese erhoben und die Ursache für die Thrombo-
Grad 3 transfusionsbedürftige Blutungen zytopenie oder Thrombozytenfunktionsstörung er-
mittelt werden.
Grad 4 organ- oder lebensbedrohliche
Als Auslöser einer Thrombozytopenie kommen
Blutungen
folgende Ursachen in Betracht:
4 schwere Erkrankungen, z. B. Sepsis, disseminierte
intravasale Gerinnung, thrombotisch-thrombo-
4.2.1 Leitlinienempfehlungen zur Gabe zytopenische Purpura, HELLP-Syndrom,
von Thrombozytenkonzentraten 4 Medikamente, z. B. Paracetamol, Heparin,
Chinidin, Rifampicin, Trimethoprim-Sulfa-
Eine Transfusion von Thrombozyten kann sowohl the- methoxazol u. a.
rapeutisch bei aktiver Blutung als auch prophylak-
tisch bei deutlich erhöhtem Blutungsrisiko infolge ei- Eine Thrombozytopathie wird meist durch eine me-
ner Thrombozytopenie oder Thrombozytopathie er- dikamentöse Ursache hervorgerufen. Zu den auslösen-
folgen. Die Indikationsstellung zur TK-Gabe ist nicht den Medikamenten zählen im Wesentlichen:
nur von der aktuellen Thrombozytenzahl und der 4 Thrombozytenaggregationshemmer: Acetylsali-
Thrombozytenfunktion abhängig, sondern auch von cylsäure (z. B. Aspirin), Clopidogrel (z. B. Plavix,
der klinischen Symptomatik (. Tab. 4.2), der Ursache Iscover), Prasugrel (z. B. Efient), Ticlopidin (z. B.
der Thrombozytopenie sowie dem voraussichtlichen Tiklyd), Dipyridamol (z. B. Aggrenox),
Verlauf, also dem individuellen Blutungsrisiko. 4 einige nichtsteroidale Antirheumatika,
Bei einer akuten Gefährdung des Patienten durch 4 Antibiotika: Penicillin, Cephalosporine,
einen massiven Blutverlust oder eine ungünstige Loka- 4 Antithrombotika: Heparin, Alteplase,
lisation der Blutung, z. B. intrakraniell, wird die Trans- 4 trizyklische Antidepressiva, Phenothiazine,
fusion von TK bei einem Unterschreiten von Valproinsäure, Serotonin-Aufnahme-Hemmer,
100.000 Thrombozyten/μl empfohlen. Liegt eine Blu- 4 Herz-Kreislauf-Medikamente: Kalziumantagonis-
tung nach WHO-Grad 3 vor, sollte unabhängig von ten, Nitroglycerin, Nitroprussid und auch
der Genese der Blutung ein Thrombozytenwert von 4 kolloidale Infusionslösungen können bei hoher
100.000/μl angestrebt werden (. Tab. 4.3), während bei Dosierung zu einer gewissen Thrombozytopathie
nichttransfusionspflichtigen Blutungen keine Indika- führen, wobei dieser Effekt bei den neueren HES-
tion zur Gabe von Thrombozyten besteht. Präparaten (6%, Molekulargewicht 130.000, Sub-
Im Falle eines invasiven diagnostischen Verfah- stitutionsgrad 0,4, z. B. Volulyte, Venofundin) nur
rens oder eines operativen Eingriffs ist die Indikation noch gering ausgeprägt sein soll.
. Tab. 4.3 Gabe von TK bei akuten Blutungen 4.3 Gefrorenes Frischplasma
Transfusionsbedürftige Blutung Evidenz-
Gefrorenes Frischplasma (GFP) wird auch als »fresh
grad
frozen plasma« (FFP) bezeichnet. GFP wird wie ein
Bei massiven und bedrohlichen Blutun- 2C Erythrozytenkonzentrat aus einer Einzelspende ge-
gen zur Prophylaxe einer Verlustkoagu- wonnen – entweder aus Vollblut nach Zentrifugation
lopathie bei <100.000 Thrombozyten/μl und Entfernung der zellulären Bestandteile (ergibt ca.
270 ml Vollblut-GFP) oder mittels Apherese, dann
Bei transfusionspflichtigen Blutungen 2C
bei <100.000 Thrombozyten/μl
können etwa 600–900 ml Apherese-GFP gewonnen
werden. Je nach Herstellungsmethode enthält GFP ge-
56 Kapitel 4 · Bluttransfusion
. Tab. 4.4 Prophylaktische Gabe von TK bei diagnostischen bzw. therapeutischen Maßnahmen
Maßnahmen Evidenzgrad
Diagnostische Maßnahmen
Vor Anlage eines zentralvenösen Katheters bei Blutungsneigung und Thrombozytenzahlen <20.000/μl 2C
Chirurgische Eingriffe
Vor größeren operativen Eingriffen und Eingriffen mit hohem Blutungsrisiko unmittelbar präoperativ 2C
bei Thrombozytenzahlen <50.000/μl
Vor operativen Eingriffen mit sehr hohem Blutungsrisiko unmittelbar präoperativ bei Thrombozyten- 1C
zahlen von <70.000/μl bis 100.000/μl
In der Kardiochirurgie bei verstärkten postoperativen Blutungen oder bei Unterschreiten einer 2C
Thrombozytenzahl <20.000/μl
4.4 Plasmapräparate
5 Kein Beifügen von Medikamenten bzw. der Patientenakte zu dokumentieren und nach
Infusionslösungen zum Blutprodukt. den geltenden Vorschriften unverzüglich zu mel-
5 Erwärmung von EKs nur bei speziellen Indi- den (7 Abschn. 4.7).
kationen: Massivtransfusion mit Zufuhr von
mehr als 50 ml/min, Transfusion bei Neonaten . Tab. 4.5 gibt eine Übersicht über die je nach Dring-
und unterkühlten Patienten, Transfusion bei lichkeit der Transfusion erforderlichen immunhä-
Patienten mit bekannten Kälteantikörpern. matologischen Tests und die zu transfundierenden
5 Transfusionsgeschwindigkeit nach klinischem EK.
Zustand des Patienten zur Vermeidung einer
Hypervolämie oder kardialen Dekompensa-
tion durch zu rasche Transfusion. 4.6 Prinzipien der Blutgruppen-
5 Während der Transfusion Überwachung des kompatibilität
Patienten. Unwohlsein, Übelkeit, Tachykardie
und Blutdruckabfall sind erste Anzeichen ei- Erythrozytenkonzentrate werden in der Regel AB0-
ner Transfusionsreaktion. gleich transfundiert. In Ausnahmefällen können auch
5 Nach Beendigung der Transfusion Aufbewah- AB0-ungleiche Präparate transfundiert werden, dann
rung des steril abgeklemmten oder verschlos- müssen aber sog. »majorkompatible« Präparate ver-
senen Behältnisses und Transfusionsbestecks wendet werden. Im Idealfall sollte ebenfalls eine Rhe-
(zur Vermeidung einer bakteriellen Kontami- susfaktor-identische Transfusion erfolgen.
nation) für 24 h bei +1°C bis +10°C.
5. Dokumentation des Transfusionszeitpunkts und > In lebensbedrohlichen Situationen und
der Nummer des Blutprodukts auf dem Konser- wenn keine Rhesus-Unverträglichkeit beim
venbegleitschein und in der Patientenakte. Empfänger bekannt ist, kann einem Rhesus-
6. Unerwünschte Ereignisse, Reaktionen und Ne- positiven Empfänger auch Rhesus-negatives
benwirkungen sind mit Datum und Uhrzeit in Blut transfundiert werden.
AB – A, B, AB oder 0 A, B, AB oder 0 AB
Rückens und der Brust, Übelkeit und Erbrechen bis mikrobiologische Diagnostik inkl. Blutkulturen so-
zu Hypotonie, starken Blutungen und Multiorganver- wohl des Empfängers als auch des Blutprodukts durch-
sagen. geführt werden. Zudem sollte eine antibiotische The-
rapie eingeleitet werden.
4.7.2 Nichthämolytische,
febrile Transfusionsreaktion 4.7.5 Virale Infektion
Febrile Transfusionsreaktionen, die nicht mit einer Im- Eine transfusionsassoziierte virale Infektion, bedingt
4 munhämolyse einhergehen, werden meist durch anti- durch eine mit den gängigen Testverfahren nicht nach-
leukozytäre Antikörper des Empfängers verursacht. weisbare Virämie des Spenders, ist ebenfalls sehr selten
Seit der Einführung der generellen Leukozytendeple- (Hepatitis-B-Virus 1:500.000 bis 1:1.000.000, HIV-/
tion von EK werden nichthämolytische febrile Reakti- Hepatitis-C-Virus <1:1.000.000, CMV Einzelfälle).
onen nur noch sehr selten beobachtet (<0,1%). Die Eine virologische Abklärung sollte angestrebt und ggf.
klinische Symptomatik kann neben einem Tempera- eine antivirale Therapie eingeleitet werden.
turanstieg auch Schüttelfrost, Hypotonie und eine
Hautrötung umfassen.
Eine spezielle laborchemische Diagnostik gibt es 4.7.6 Transfusionsassoziierte akute
nicht, differenzialdiagnostisch ist jedoch immer eine Lungenschädigung
akute hämolytische oder allergische Reaktion sowie
eine bakterielle Kontamination des Blutprodukts aus- Die Ursache eines »transfusion-related acute lung in-
zuschließen. Therapeutisch ist die Gabe von fiebersen- jury« (TRALI) sind leukozytenreaktive Antikörper
kenden Medikamenten möglich. meist im Spenderplasma, die über eine Aktivierung
der Empfängerleukozyten zu einer Störung der pulmo-
nalen Mikrozirkulation führen, die sich zunächst als
4.7.3 Anaphylaktische Reaktion Lungenödem und im Verlauf als ARDS darstellt. Selte-
ner kann diese Reaktion auch durch leukozytenreak-
Allergische Transfusionsreaktionen sind Folge von tive Antikörper im Empfängerplasma hervorgerufen
Antikörpern des Empfängers gegen Plasmaproteine werden oder ist gänzlich nichtimmunogen bedingt.
des Spenders und treten mit einer Wahrscheinlichkeit Aufgrund der klinischen Symptomatik von rasch pro-
von etwa 0,5% auf. Die klinische Symptomatik ist mit gredienter Dyspnoe mit Hypoxämie, die während oder
Urtikaria oder Hautrötung meist milde und nimmt bis zu 6 h nach der Transfusion auftreten kann, werden
nur selten schwere Formen wie Bronchospasmus oder bis zu 70% der Patienten beatmungspflichtig. Thera-
anaphylaktischen Schock an. Eine akute intravasale peutisch stehen die Sicherung einer adäquaten Oxyge-
Hämolyse und eine bakterielle Kontamination sollten nierung sowie eine Stabilisierung der Kreislauffunk-
ausgeschlossen und eine symptomatische Therapie wie tion im Vordergrund. Über die Letalität des TRALI
bei anderen allergischen Reaktionen durchgeführt gibt es in der Literatur abweichende Aussagen – sie
werden. Bei schweren anaphylaktischen Transfusions- schwankt zwischen 10 und 25%. Dennoch ist sie die
reaktionen, wie sie häufiger bei Patienten mit IgA- häufigste Todesursache nach der Transfusion von Blut-
Mangel und der Ausbildung von Anti-IgA-Antikör- produkten.
pern auftreten können, besteht die Indikation zur
Transfusion gewaschener Blutprodukte.
Fallbeispiel Teil 2
Offenbar kam es bei der initialen Blutabnahme zu einer
4.7.4 Bakterielle Infektion Verwechslung des Patienten bzw. des Patientenbluts.
Auch ein zweiter Bedside-Test zur Kontrolle zeigt erneut
Eine bakterielle Kontamination von Blutprodukten ist die Blutgruppe B. Da die Blutung klinisch fortschreitet
sehr selten, und ein Großteil der kontaminierten Prä- und der Patient in den OP muss, entschließt sich der In-
parate führt nicht zu einer symptomatischen Infektion. tensivarzt zur Transfusion von Erythrozytenkonzentraten
Die klinische Manifestation gleicht denen der nichthä- der Blutgruppe 0 Rhesus-negativ und GFP der Blutgrup-
molytischen, fieberhaften und der hämolytischen pe AB. Vor der Transfusion wird nochmals Blut zur Be-
Transfusionsreaktion, die daher im Rahmen der Dia- stimmung der Blutgruppe und zum Kreuzen von Eryth-
gnostik ausgeschlossen werden müssen. Es sollte eine rozytenkonzentraten abgenommen.
Internetlinks
63 4
Literatur
Internetlinks
Gerinnungstherapie
Claus Steuernagel, Sebastian Turinsky
Literatur – 78
Internetlinks – 79
. Abb. 5.1 Das aktuelle Gerinnungsmodell ist zellbasiert. Initial kommt es bei einer Gewebs- und Gefäßverletzung zur
Adhäsion von Thrombozyten an das subendotheliale Kollagen (»primäre Hämostase«) und anschließend zur Fibrinbildung.
PAR 1/4 = Protease Activated Receptor, an den Thrombin auf der Thromozytenoberfläche bindet, P2Y12 = thrombozytärer
ADP-Rezeptor-Subtyp P2Y12 (P2Y12 ist der Name eines Glykoproteins), TXA2 = Thromboxan A2, vWF = von-Willebrand-Fak-
tor. Details siehe Text
heit von Kalzium ist für die meisten Reaktionen, an se abbilden. Diese beiden Parameter geben Auskunft
denen Gerinnungsfaktoren beteiligt sind, unabdingba- über die Phase bis zum Beginn der Bildung eines Blut-
re Voraussetzung. Es sollte deshalb eine Konzentration gerinnsels, jedoch können sie keine Auskunft geben
an ionisiertem Kalzium von mindestens 1,0 mmol/l über den Ablauf der primären Hämostase, d. h. über
angestrebt werden. Auch Erythrozyten spielen in das Zusammenspiel der Thrombozyten. Durch die
mehrfacher Hinsicht eine Rolle für den geordneten Einnahme neuer oraler Antikoagulanzien wie z. B.
Ablauf der Gerinnselbildung. So ist eine ausreichende Xarelto, Eliquis oder Pradaxa können Quickwert und
Anzahl von Erythrozyten im Blutstrom notwendig, aPTT pathologisch ausfallen. Dies wird laut Herstel-
um die Thrombozyten im Bereich einer vaskulären lern auf eine Störung der Messung zurückgeführt und
Verletzungsstelle in Gefäßwandnähe zu bringen. Da- korreliert nicht unbedingt mit dem Ausmaß der anti-
rüber hinaus können Erythrozyten den Thrombozyten- koagulatorischen Wirkung bzw. dem wirklichen Blu-
aktivator ADP freisetzen. Bei einer schweren Blutung tungsrisiko. Für die Prüfung der thrombozytären
wird deshalb ein Hämatokrit von 30% (Hb 10 g/dl) Funktion können Laboruntersuchungen wie Multipla-
empfohlen. te und PFA-100 durchgeführt werden. Auch die Medi-
kamentenanamnese spielt hier eine wichtige Rolle,
insbesondere zu Thrombozytenfunktionshemmern
5.1.2 Stellenwert der Labordiagnostik wie ASS und Clopidogrel. Soll die Stabilität eines Blut-
gerinnsels bzgl. Gerinnselfestigkeit und Fibrinolyse
Die Laborparameter Quickwert und aPTT können nur überprüft werden, eignet sich hierfür Rotem als Wei-
einen Teil der zur Gerinnselbildung führenden Prozes- terentwicklung der Thrombelastographie. Die Über-
68 Kapitel 5 · Gerinnungstherapie
prüfung der Hämostase auf eine akut ablaufende Fi- 5.3 Therapiekomponenten
brinolyse kann auch über die Messung der Thrombin- bei Blutung und deren Effekt auf
zeit erfolgen. die Hämostase
Im Folgenden werden die prokoagulatorischen Thera-
5.2 Blutung aufgrund einer Störung piekomponenten in alphabetischer Reihenfolge darge-
der Hämostase stellt. Die angegebenen Indikationen stellen eine rele-
vante Auswahl dar, die Dosierungsangaben sind der
Dieses Buchkapitel beschreibt die Behandlungsmög- aktuellen Literatur und den Leitlinien der Bundesärz-
lichkeiten von Blutungen, die durch eine Störung der tekammer entnommen. Jede Therapie muss individu-
Hämostase verursacht sind (Anwendung von Inhibito- ell angepasst werden. Weitere Informationen zu den
5 ren der Blutgerinnung 7 Kap. 4 »Bluttransfusion«). Die einzelnen Blutkomponenten 7 Kap. 4 »Bluttransfusion«.
Empfehlungen zur Therapie von hämostaseologisch
verursachten Blutungen haben derzeit höchstens den Desmopressin (z. B. Minirin) Desmopressin (DDA-
Evidenzgrad C und beruhen auf Fallbeobachtungen VP) wirkt über verschiedene Mechanismen prokoagu-
und nichtrandomisierten Studien. Die Dosierungsan- latorisch; hierzu gehört v. a. die Freisetzung des von-
gaben basieren im Wesentlichen auf den offiziellen Willebrand-Faktors (vWF) aus dem Endothel. Der
Fachinformationen und den Querschnittsleitlinien der vWF vermittelt die Adhäsion von Thrombozyten am
Bundesärztekammer (BÄK) zur Therapie mit Blut- Subendothel der Verletzungsstelle. Auch kann der
komponenten und Plasmaderivaten aus dem Jahr vWF neben Fibrinogen zur Aggregation von Throm-
2008. bozyten beitragen. Darüber hinaus stimuliert Desmo-
Bei einer starken Blutung können 3 verschiede- pressin Thrombozyten auf unspezifische Weise. So
ne Situationen auftreten: wird dieses Präparat bei verschiedenen Typen des von-
4 Die Ursache der Blutung ist bekannt. Eine ge- Willebrand-Syndroms eingesetzt (nicht bei Typ 2b)
zielte Therapie ist möglich (7 Abschn. 5.4). und kann eine ASS-bedingte Blutungsneigung ab-
4 Die Ursache der Blutung ist unbekannt und es schwächen. Die Dosierung beträt 0,3 μg/kg als Kurzin-
besteht kein Zeitdruck (7 Abschn. 5.5). fusion, die Wirkung tritt ca. 30 min später ein. In sel-
4 Die Ursache der Blutung ist unbekannt, aber es tenen Fällen kann klinisch von Bedeutung sein, dass
besteht Zeitdruck (7 Abschn. 5.6). Desmopressin auch einen schwachen antikoagulatori-
schen Effekt entfalten kann: Das Präparat kann durch
Freisetzung von Plasminogenaktivator fibrinolytisch
Grundsätzliches zur Therapiekonzeption wirken und damit die Auflösung eines gerade entstan-
Zur Wiederherstellung einer effektiven Hämostase denen Gerinnungsthrombus begünstigen. Diesem fi-
bei relevanter Blutung müssen mehrere Ziele brinolytischen Effekt kann durch die Gabe des Antifi-
gleichzeitig erreicht werden: brinolytikums Tranexamsäure entgegengewirkt wer-
4 Es muss ein ausreichendes prokoagulatori- den.
sches Gerinnungspotenzial aufgebaut wer-
den: Hierzu werden Gerinnungsfaktoren, Erythrozytenkonzentrate
funktionstüchtige Thrombozyten und speziel- Erythrozyten unterstützen die Adhäsion von Throm-
le Medikamente wie z. B. Desmopressin (z. B. bozyten am Subendothel des verletzten Blutgefäßes,
Minirin) gegeben indem sie diese Zellen in den Randbereich des Blut-
4 Die enzymatischen und zellulären Vorgänge stroms abdrängen. Erythrozyten stimulieren Throm-
der Hämostase müssen optimal ablaufen kön- bozyten durch ADP-Freisetzung und begünstigen die
nen. Dazu gehören eine Optimierung von pH- Bildung von Fibrin durch Bindung aktivierter Gerin-
Wert (Ziel: 7,40), Kalziumkonzentration (Ziel: nungsfaktoren auf ihrer Oberfläche. Bei massiven, hä-
Normalwert), Körpertemperatur (Ziel: 37,0°C) mostaseologisch verursachten Blutungen wird deshalb
und Hämatokrit (Ziel: 30%) ein Hämatokrit von mindestens 30% bzw. ein Hb-Wert
4 Es muss verhindert werden, dass gebildete von 10 g/dl empfohlen.
Thromben durch eine endogene Fibrinolyse
wieder zerstört werden, ggf. muss also das Faktor-VII-Konzentrat (z. B. Immuseven) In vivo star-
Antifibrinolytikum Tranexamsäure (z. B. Cyklo- tet die plasmatische Gerinnung mit der Aktivierung
kapron) eingesetzt werden des Faktor VII am exprimierten »tissue factor« (Gewe-
bethromboplastin).
5.3 · Therapiekomponenten bei Blutung und deren Effekt auf die Hämostase
69 5
4 Dosierung: erforderliche I.E. = Körpergewicht diese Grenze bereits bei <150 mg/dl, bei peripartaler
(kg) × gewünschter Faktor-VII-Anstieg (%) × 0,6. Blutung sogar bei <200 mg/dl.
4 Faustregel: 1 Einheit Faktor VII pro kg Körper-
gewicht erhöht die Aktivität im Plasma um ca. Gefrorenes Frischplasma (GFP) bzw. »fresh frozen
1,7%. plasma« (FFP) GFP enthält praktisch alle prokoagula-
torischen und antikoagulatorischen Gerinnungsfakto-
Faktor VIII (z. B. Beriate) und Faktor-IX-Präparate ren in nahezu physiologischer Konzentration. Ausnah-
(z. B. Berinin) Die Aktivität beider Faktoren ist Vor- men hiervon betreffen die Akutphaseproteine Fibrino-
aussetzung für den nachhaltigen Ablauf der plasmati- gen und Faktor VIII sowie den Inhibitor Antiplasmin,
schen Gerinnung. Die Präparate werden zur Therapie der im GFP in deutlich verminderter Konzentration
oder Prophylaxe von Blutungen bei Hämophilie A vorliegt. Mit 1 Einheit GFP (ca. 250 ml) kann der
(Faktor VIII) und Hämophilie B (Faktor IX) einge- Quick-Wert um ca. 3% angehoben werden (7 Kap. 4
setzt. Für die klinische Praxis ist von Bedeutung, dass »Bluttransfusion«).
sich insbesondere gegen Faktor VIII Antikörper bilden
können, was zum Wirkungsverlust dieses Faktors
führt. Das resultierende Krankheitsbild mit Blutungs- Frischplasma: Indikationen und Dosierungen
neigung und Verlängerung der aPTT wird als Hemm- 4 Verlust- bzw. Verdünnungskoagulopathie
körperhämophilie bezeichnet und kann auch bei zuvor oder Verbrauchskoagulopathie (DIC) mit Blu-
hämostaseologisch Gesunden auftreten. Auch exogen tungsneigung und Abfall des prokoagulatori-
zugeführter Faktor VIII als Konzentrat kann unter die- schen Potenzials: Quick <50%, aPTT >45 s
sen Umständen keine Wirkung entfalten. Therapeu- und Fibrinogenkonzentration <100 mg/dl
tisch wird dann rFVIIa (z. B. Novoseven) eingesetzt. 4 Präoperativer Plasmaaustausch bei Faktor-V-
oder Faktor-XI-Mangel (für diese Faktoren ste-
Faktor XIII (z. B. Fibrogammin P) Faktor XIII unter- hen in Deutschland keine Konzentrate zur
stützt als fibrinstabilisierender Faktor die mechanische Verfügung)
Thrombusstabilisierung durch Quervernetzung der 4 GFP-Dosierung bei schwerem Blutverlust mit
Fibrinmoleküle. Bei einer Blutung aufgrund eines den genannten Laborveränderungen: ca. 15–
Faktor-XIII-Mangels wird eine Mindestaktivität von 20 ml/kg, das entspricht beim 70-kg-Patien-
60% angestrebt. Zur Behandlung eines Mangels wird ten etwa 4–6 GFP
eine Dosis von 15–20 E/kg bzw. 1.250–2.500 Einheiten
empfohlen. Die Halbwertszeit des Faktor XIII beträgt
7 Tage. Haemate P (von-Willebrand-Faktor-haltiges Faktor-
VIII-Präparat) Für den Typ 2b des von-Willebrand-
FEIBA (aktiviertes Prothrombinkomplexkonzentrat) Syndroms gilt Desmopressin als uneffektiv oder sogar
FEIBA ist die Abkürzung für »factor eight inhibitor kontraindiziert. Benötigen betroffene Patienten eine
bypassing activity«. Es handelt sich um ein Konzentrat Anhebung des Plasmaspiegels an von-Willebrand-
aus den Faktoren des PPSB-Komplexes (II, VII, IX, X) Faktor, so kann ein Faktor-VIII-Präparat eingesetzt
in aktivierter Form. Die Indikation ist eine Blu- werden, das den von-Willebrand-Faktor in definierter
tung(sneigung) bei Hemmkörperhämophilie, d. h. Menge enthält.
Unwirksamkeit des Faktor VIII aufgrund zirkulieren-
der Antikörper. FEIBA-Dosierung bei akuter Blutung: Kalziumchlorid bzw. Kalziumglukonat Eine normale
initial 100 E/kg, anschließend bis zu 100 E/kg 2-mal Kalziumkonzentration ist für den effektiven Ablauf der
täglich. plasmatischen Gerinnung notwendig. Die Konzentra-
tion an ionisiertem Kalzium sollte mindestens
Fibrinogenkonzentrat (z. B. Haemocomplettan P) 1 mmol/l betragen.
Fibrinogen hat im Rahmen der Hämostase zwei wich-
> Besteht Substitutionsbedarf, so ist die Gabe
tige Funktionen. Es ist Substrat für die Fibrinbildung
von Kalziumchlorid gegenüber Kalzium-
und »Verbindungsmolekül« für die Aggregation von
glukonat von Vorteil, da Kalziumchlorid
Thrombozyten. Bei Blutung aufgrund eines Fibrino-
unabhängig von der Leberfunktion ionisier-
genmangels wird eine Dosierung von ca. 3–5 g emp-
tes Kalzium freisetzt.
fohlen. Die kritische Grenze, ab der substituiert wer-
den sollte, liegt bei einem Plasmafibrinogenspiegel von Bei Zufuhr von Kalziumglukonat muss Kalzium in der
<100 mg/dl. Bei blutenden Polytraumatisierten liegt Leber zuerst aus der Chelatbindung befreit werden.
70 Kapitel 5 · Gerinnungstherapie
Dosierung bei Hypokalzämie: Bis zu 10 ml Kalzium- Bei stark überhöhter Dosierung kann Protamin selbst
chlorid 5,5% langsam i.v. oder bis zu 10 ml Kalzium- antikoagulatorisch wirken, u. a. durch Beeinträchti-
glukonat 10% langsam i.v. gung der Thrombozytenfunktion.
pH-Wert-Optimierung Der effektive Ablauf der Hä- rF VIIa bzw. rekombinanter Faktor VIIa (z. B. Novose-
mostase hängt von einem normalen pH-Wert ab! Die ven) Eine hohe Faktor-VII-Aktivität führt zu einer so
in Notfallsituationen oftmals vorliegende Azidose ausgeprägten Initialisierung der plasmatischen Gerin-
kann zu einem Funktionsverlust von Thrombozyten nung, dass auch ohne die Verstärkerschleifen über
und Gerinnungsfaktoren führen. So geht die Aktivität F VIII, F IX oder F XI eine hohe Thrombinaktivität
der Gerinnungsfaktoren bei einem pH-Wert von <7,15 resultiert. Dies reicht dann zu einer effektiven Throm-
auf ca. 50% ihrer Aktivität zurück. Daher kann in Blu- bozytenaktivierung und Fibrinbildung aus. Vorausset-
5 tungssituationen – neben allen anderen Maßnahmen zung hierfür ist, dass das Plasma genügend Fibrinogen
– eine Natriumbikarbonatgabe erwogen werden, um enthält. Die Hauptindikation für rF VIIa ist die
den pH-Wert auf mindestens 7,2 anzuheben. Blutung(sgefahr) aufgrund einer Hemmkörperhämo-
philie (Antikörper gegen Faktor VIII). Hier beträgt die
PPSB bzw. Prothrombinkomplex PPSB-Konzentrat Initialdosis 90 μg/kg. Bei drohender Verblutung auf-
enthält die Faktoren II (Prothrombin), VII (Prokon- grund eines Gerinnungsfaktorenmangels kann Novo-
vertin), IX (antihämophiler Faktor B) und X (Stuart- seven zusammen mit Fibrinogenkonzentraten (z. B.
Prower-Faktor). Indikation: Notwendigkeit der Aufhe- Haemocomplettan P) und ggf. PPSB-Komplex einge-
bung des Effekts von Vitamin-K-Antagonisten (z. B. setzt werden; allerdings ist das Präparat hierfür nicht
Phenprocoumon, z. B. Marcumar) bei Blutung oder zugelassen.
vor geplanter, dringlicher Operation. Die Dosierung
erfolgt auf Basis von Körpergewicht und gewünschtem Thrombozytenkonzentrate Funktionstüchtige Throm-
Quick-Wert: bozyten aggregieren an einer Verletzungsstelle und
bieten so den aktivierten Gerinnungsfaktoren eine
Praxistipp Bindungsoberfläche. Die sog. plasmatische Gerinnung
läuft in vivo auf der Oberfläche der Thrombozyten ab.
Dosis PPSB in I.E. = Differenz zwischen bestehen-
Bei starken hämostaseologisch verursachten Blutun-
dem und angestrebtem Quick-Wert × Körperge-
gen wird eine Thrombozytenzahl zwischen 50.000 und
wicht in kg.
80.000/μl angestrebt. Bei lebensbedrohlichen Blutun-
gen wird eine Transfusion von Thrombozyten bereits
Weitere Indikationen sind lebensbedrohliche Blu- bei einer Thrombozytenzahl <100.000/μl empfohlen
tungen aufgrund von Mangel an Gerinnungsfak- (7 Kap. 4).
toren (Verlust- oder Verdünnungskoagulopathie).
Werden PPSB-Konzentrate im Rahmen einer echten Tranexamsäure (z. B. Cyklokapron) Tranexamsäure
disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC, Ver- verhindert die fibrinolytische Wirkung von Plasmin,
brauchskoagulopathie) eingesetzt, so gilt die gleich- indem es Plasminogen vom Thrombus verdrängt
zeitige Verabreichung von Antithrombin zum Schutz (kompetitive Hemmung). Auf diese Weise wird der
vor zusätzlicher Aktivierung des Gerinnungssystems Gerinnungsthrombus vor Lyse geschützt. Die Dosie-
als indiziert. Bei dieser Indikation sollten gleiche rung beträgt beim Erwachsenen 10–30 mg/kg, eine
Mengen PPSB-Konzentrat und Antithrombin verab- anschließende kontinuierliche Gabe ist möglich (1 mg/
reicht werden. kg/h). Im Crash-II-Trial wurde bei Unfallverletzten
folgende Dosierung gewählt: 1 g über 10 min, dann
Protaminsulfat Protaminsulfat antagonisiert die Wir- Infusion von 1 g über 8 h. Allerdings sollte die Gabe
kung von unfraktioniertem Heparin und muss lang- von Tranexamsäure möglichst frühzeitig und inner-
sam injiziert werden, da es sonst zu einem erheblichen halb der ersten 3 h nach dem Trauma erfolgen, danach
Blutdruckabfall kommen kann. Darüber hinaus kann wird davon abgeraten (7 Kap. 49 »Polytrauma«)! Eine
eine anaphylaktische Reaktion auftreten. Die Halb- systemisch ablaufende Fibrinolyse kann über die
wertszeit von Protaminsulfat beträgt 5 min. Dosie- Thrombinzeit (TZ) oder durch eine ROTEM-Untersu-
rung: 1 Einheit Protamin bindet 1 IE unfraktioniertes chung festgestellt werden. Tranexamsäure wirkt auch
Heparin. Gegenüber niedermolekularem Heparin dem fibrinolytischen Effekt von Desmopressin (z. B.
oder Danaparoid (z. B. Orgaran) entfaltet Protamin- Minirin) entgegen.
sulfat nur einen geringeren antagonisierenden Effekt.
5.4 · Blutung bekannter Ursache
71 5
Wärmemanagement Die Gerinnungsvorgänge sind Azidose Der effektive Ablauf der Hämostase hängt
enzymatische Reaktionen, die bei 37°C Körpertempe- von einem normalen pH-Wert ab! So geht die Aktivität
ratur am besten ablaufen. Dementsprechend führt der Gerinnungsfaktoren bei einem pH-Wert von <7,15
Hypothermie per se zu einer Gerinnungsstörung. auf ca. 50% ihrer Aktivität zurück. Daher kann in Blu-
Darüber hinaus sequestrieren Thrombozyten unter tungssituationen – neben allen anderen Maßnahmen
Hypothermie in die Leber, wodurch eine Thrombo- – eine Natriumbikarbonatgabe erwogen werden, um
zytopenie entstehen kann. Die Normalisierung der den pH-Wert auf mindestens 7,2 anzuheben.
Körpertemperatur über ein Wärmemanagement trägt
zum optimalen Ablauf der Hämostase bei. Hierzu soll Bernard-Soulier-Syndrom Hierbei ist die Expression
möglichst eine Körpertemperatur von 37°C angestrebt des Glykoprotein-Rezeptors GPIb-V-IX auf Thrombo-
werden. zyten quantitativ eingeschränkt. Hierdurch wird die
Adhäsion der Thrombozyten an der Verletzungsstelle
! Cave
massiv gestört und bedrohliche perioperative Blutun-
Die Blutproben eines ausgekühlten Schwer-
gen können die Folge sein. Anamnestisch werden
verletzten werden im Labor standardisiert
Schleimhaut- und Zahnfleischbluten angegeben. The-
auf 37°C aufgewärmt. Die gemessenen
rapie bei Blutung(sgefahr): Thrombozytenkonzentrate.
Laborwerte täuschen so eine bessere Gerin-
nungssituation vor als in Wirklichkeit
Dabigatran (z. B. Pradaxa)
besteht.
Dabigatran ist in der Gruppe der neuen oralen Anti-
koagulanzien (NOAK, 7 dort) derzeit der einzige
Thrombin-(Faktor-IIa-)Inhibitor. Auch hier können
5.4 Blutung bekannter Ursache falsch niedrige Quick- bzw. falsch hohe INR-Werte be-
obachtet werden. Hingegen können die Thrombinzeit
5.4.1 Ursachen für hämostaseologisch (TZ) und die aPTT zumindest grob zur Einschätzung
verursachte Blutungen der Dabigatranwirkung herangezogen werden: Nor-
und deren Therapieoptionen male TZ- oder aPTT-Werte können vermutlich als
Hinweis bewertet werden, dass zu diesem Zeitpunkt
Die Therapie muss stets individuell auf den Patienten keine gerinnungshemmende Wirkung von Dabigatran
abgestimmt werden. Die hier in alphabetischer Rei- vorliegt. Soll die Dabigatranwirkung – bspw. bei einer
henfolge aufgeführten Therapieoptionen haben ledig- Blutung wegen Überdosierung – beendet werden, so
lich orientierenden Charakter. Im Einzelfall wird emp- wird PPSB in einer Dosierung von 20–25 IE/kg emp-
fohlen, einen in der Hämostaseologie erfahrenen Arzt fohlen; weiterhin wird auch rekombinanter aktivierter
zu konsultieren. Faktor VII (z. B. Novoseven) als Möglichkeit genannt.
Ein echtes Antidot existiert aber auch hier nicht.
Apixaban (z. B. Eliquis) Apixaban gehört als direkter
Inhibitor von Faktor Xa zur Gruppe der neuen oralen Danaparoid (z. B. Orgaran) Danaparoid ist ein
Antikoagulanzien (NOAK, 7 dort). Wenige Stunden Heparinoid und entfaltet seine antikoagulatorische
nach Einnahme fällt der Quickwert relevant ab, und Wirkung über Antithrombin. Therapie bei Blu-
die INR steigt entsprechend an. Dies wird laut Herstel- tung(sgefahr): »fresh frozen plasma«, Plasmapherese.
ler durch eine Störung des Tests verursacht und ist Ein spezifisches Antidot gegen Danaparoid existiert
nicht Ausdruck einer ausgeprägten Antikoagulation nicht. Protaminsulfat besitzt nur einen geringen anta-
mit Blutungsneigung. Soll die Apixabanwirkung – gonisierenden Effekt.
bspw. bei einer Blutung wegen Überdosierung – been-
det werden, so kann die Gabe von PPSB in einer Do- DIC (Verbrauchskoagulopathie) Bestimmte Krank-
sierung von 20–25 IE/kg empfohlen werden. Ein ech- heitsbilder können mit einer Überaktivierung der Hä-
tes Antidot existiert aber nicht. mostase im Sinne einer disseminierten intravasalen
Gerinnung (DIC) einhergehen; hierzu gehört u. a. die
ASS (Acetylsalicylsäure) Acetylsalicylsäure hemmt Fruchtwasserembolie. Es kann der Verbrauch von Ge-
die Thrombozytenfunktion durch eine Synthesehem- rinnungsfaktoren und Thrombozyten resultieren und
mung des Thrombozytenaktivators Thromboxan A2. so eine gravierende Blutung entstehen. Therapie bei
Therapieoption bei Blutung(sgefahr) ist Desmopres- Blutung(sgefahr):
sin, das als Antidot die ASS-Wirkung auf die Throm- 4 Substitution von Gerinnungsfaktoren: GFP, ggf.
bozyten abschwächen bzw. aufheben kann. Fibrinogen und PPSB,
72 Kapitel 5 · Gerinnungstherapie
4 Gabe von Thrombozytenkonzentraten bei einer Faktor-XIII-Mangel Ein Mangel an Faktor XIII resul-
Thrombozytenzahl <50.000/μl und tiert in fehlender mechanischer Stabilisierung des ent-
4 Behandlung der DIC-Ursache. standenen Gerinnungsthrombus und unzureichender
Abwehr des Thrombus gegenüber Fibrinolyse. Thera-
Falls eine systemisch ablaufende Fibrinolyse ursäch- pie bei Blutung(sgefahr): Faktor-XIII-Konzentrat
lich an der Blutung beteiligt ist, kann Tranexamsäure (z. B. Fibrogammin P).
eingesetzt werden. Antithrombin zur Verlangsamung
der Abläufe der plasmatischen Gerinnung sollte erst Fibrinogen Eine ausreichende Fibrinogenkonzen-
verabreicht werden, wenn die Blutung sicher steht und tration ist notwendig für Fibrinbildung und Throm-
ein ausreichendes Gerinnungspotenzial aufgebaut ist. bozytenaggregation. Ein relevanter Fibrinogen-
Dann kann auch ggf. Heparin in sehr niedriger Dosie- mangel (plasmatische Fibrinogenkonzentration
5 rung (ca. 2.500 IE/24 h) angewandt werden. <100 mg/dl) kann zur Blutung führen. Therapie bei
Blutung(sgefahr): Fibrinogen (z. B. Haemocomplet-
> Insgesamt ist eine DIC sehr selten! Die Dia-
tan P).
gnose »DIC« sollte erst gestellt werden, wenn
andere Ursachen ausgeschlossen wurden,
Fibrinolyse Eine Blutung aufgrund einer Fibrinolyse
insbesondere eine Verlust- oder Verdün-
bzw. Hyperfibrinolyse kann durch Verabreichung von
nungskoagulopathie.
Fibrinolytika entstehen. Endogen kann eine fibrinoly-
sebedingte Blutung im Rahmen einer DIC oder bei
Faktor-V-Mangel Faktor V wirkt im Prothrombinase- Polytraumatisierung auftreten. Laborchemische An-
komplex beschleunigend auf die Thrombinbildung. zeichen einer relevanten Fibrinolyse sind eine verlän-
Bei einem Faktor-V-Mangel läuft die plasmatische Ge- gerte Thrombinzeit und ein charakteristisches Bild in
rinnung verlangsamt ab, wodurch die Hämostase be- der ROTEM-Diagnostik. Therapie bei Blutung: Tra-
einträchtigt wird. Die erworbene Form tritt u. a. bei nexamsäure (z. B. Cyklokapron) ist das derzeit einzige
Synthesestörungen der Leber auf, z. B. bei fortgeschrit- auf dem deutschen Markt zugelassene Antifibrinolyti-
tener Leberzirrhose oder Leberversagen, aber auch im kum. Die Zulassung des Antifibrinolytikums Aproti-
Rahmen einer Massivtransfusion. Das Basislabor zeigt nin (z. B. Trasylol) ruht derzeit.
einen erniedrigten Quick-Wert und eine verlängerte
aPTT. Therapie bei Blutung(sgefahr): »fresh frozen Fibrinolytika (rt-PA, Streptokinase, Urokinase) Fi-
plasma«, dies enthält Faktor V in physiologischer Kon- brinolytika werden klinisch zum Auflösen von venösen
zentration. In Deutschland steht kein Faktor-V-Kon- oder arteriellen Thromben eingesetzt und sind Aktiva-
zentrat zur Verfügung. toren des Plasminogens, das wiederum in Plasmin um-
gewandelt wird. Plasmin kann Fibrin in Bruchstücke
Faktor-VII-Mangel spalten. Therapie bei Blutung: Tranexamsäure (z. B.
Bei einem Mangel an Faktor VII kann die Initialisie- Cyklokapron) wirkt hier als Antidot. Ergänzend kön-
rungsreaktion der plasmatischen Gerinnung nicht nen GFP eingesetzt werden.
korrekt ablaufen. Anders als im Labor gibt es in vivo
nur den Weg über Faktor VII, um die plasmatische Ge- Fondaparinux (z. B. Arixtra) Fondaparinux ist ein se-
rinnung zu starten. Therapie bei Blutung(sgefahr): lektiver Faktor-Xa-Inhibitor und bindet mit hoher Af-
rF VIIa (z. B. Novoseven) oder Faktor-VII-Konzentrat finität an den Pentasaccharidbindungsort am Anti-
(z. B. Immuseven). thrombinmolekül. Es wird über die Niere ausgeschie-
denen und besitzt eine Halbwertszeit von 14–16 h.
Faktor-XI-Mangel Eine Überdosierung mit Fondaparinux entspricht der
Hierbei fehlt eine Verstärkerschleife zur Thrombin- einer mit Heparin. Therapie bei Blutung(sgefahr):
bildung und es kann zu einer relevanten Blutung »fresh frozen plasma«, rekombinanter Faktor VIIa
kommen. Darüber hinaus wird die Zerstörung eines (z. B. Novoseven), Plasmapherese. Ein Antidot gegen
frisch entstandenen Thrombus durch Fibrinolyse be- Fondaparinux existiert nicht.
günstigt, da Faktor XI physiologischerweise das fibri-
nolytische Potenzial herunterreguliert. Therapie bei Glanzmann-Thrombasthenie Hierbei ist die Expres-
Blutung(sgefahr): »fresh frozen plasma«, dies enthält sion des Fibrinogenbindungsrezeptors GP IIb/IIIa auf
Faktor XI in physiologischer Konzentration. Ein Fak- den Thrombozyten quantitativ eingeschränkt. Hier-
torenkonzentrat für diesen Faktor gibt es in Deutsch- durch wird die Thrombozytenaggregation massiv ge-
land nicht. stört, und bedrohliche Blutungen können die Folge
5.4 · Blutung bekannter Ursache
73 5
sein. Anamnestisch werden Schleimhaut- und Zahn- lie A) oder Faktor IX (Hämophilie B). Beide Faktoren
fleischbluten angegeben. Therapie bei Blutung(sge- werden benötigt, um über die Aktivierung von Fak-
fahr): rF VIIa (z. B. Novoseven) und/oder Thrombozy- tor X eine ausreichende Thrombinbildung zu ermögli-
tenkonzentrate. chen. Besteht ein Mangel an einem der beiden Fakto-
ren, so resultieren schwere Blutungen. Therapie bei
GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten (z. B. ReoPro, Inte- Blutung(sgefahr): Faktor-VIII-Konzentrate bzw. Fak-
grilin, Aggrastat) Diese Substanzen blockieren den tor IX-Konzentrate. Aufgrund der hämostaseologi-
Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptor auf den Thrombo- schen Komplexizität wird dringend empfohlen, bei der
zyten, an dem normalerweise Fibrinogen andockt. Behandlung ein Hämophilie-Zentrum zu kontaktieren
Hierdurch wird die Thrombozytenaggregation ver- (7 Internetlinks).
hindert.
Bei einer Blutung wird die therapeutische Vorge- Hemmköperhämophilie Durch die Bildung von An-
hensweise maßgeblich durch die Wirkdauer der ver- tikörpern gegen Faktor VIII kann die Verstärker-
schiedenen Präparate bestimmt: schleife F VIII/F IX nicht zur effektiven Thrombinbil-
4 Abciximab (z. B. ReoPro): Wirkdauer ca. 24–48 h. dung beitragen. Es entstehen Blutungen in das Weich-
Therapie bei Blutung(sgefahr): Thrombozyten- teilgewebe und die Muskulatur sowie ausgeprägte
konzentrate. perioperative Hämorrhagien. Das Labor zeigt eine
4 Eptifibatid (z. B. Integrilin): Wirkdauer ca. 4 h. deutliche aPTT-Verlängerung bei normalem Quick-
Therapie bei Blutung(sgefahr): Tranexamsäure, Wert. Therapie bei Blutung(sgefahr): rF VIIa (z. B.
PPSB-Komplex, Desmopressin, rVIIa, Hämodia- Novoseven), FEIBA. Wegen der hämostaseologischen
lyse. Komplexizität wird dringend empfohlen, bei der Be-
4 Tirofiban (z. B. Aggrastat): Wirkdauer ca. 4–8 h. handlung ein Hämophilie-Zentrum zu kontaktieren
Therapie bei Blutung(sgefahr): Tranexamsäure, (7 Internetlinks).
PPSB-Komplex, Desmopressin, rVIIa, Hämodia-
lyse. Heparinüberdosierung Heparin entfaltet seinen an-
tikoagulatorischen Effekt v. a. durch Potenzierung der
Die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten ist Antithrombinwirkung, das wiederum die meisten Ge-
aufgrund der HWZ von Eptifibatid oder Tirofiban erst rinnungsfaktoren inaktivieren kann. Die Gabe von
4 h nach Infusionsende sinnvoll. Ein Antidot gegen niedermolekularen Heparinen bei Patienten mit Nie-
GP-IIb-IIIa-Rezeptorantagonisten gibt es nicht. reninsuffizienz kann durch Kumulation zur Überdo-
sierung führen.
Grey-platelet-Syndrom (syn.: »storage pool di- 4 Therapie bei Überdosierung von unfraktionier-
sease«) Physiologischerweise sind Thrombozyten in tem Heparin: Protaminsulfat.
der Lage, Adhäsion, Aktivierung und Aggregation 4 Therapie bei Überdosierung von niedermoleku-
auch ohne Unterstützung durch die plasmatische Ge- larem Heparin: Mit Protaminsulfat ist eine parti-
rinnung effektiv ablaufen zu lassen. Die Thrombozy- elle Aufhebung des Effekts möglich. Im Falle ei-
ten setzen hierzu prokoagulatorische Aktivatoren aus ner gravierenden Blutung muss das prokoagula-
den Granula ihrer Membran frei. torische Potenzial erhöht werden: Optionen sind
4 Bei der α-Storage-Pool-Disease sind die FFP, Fibrinogen, PPSB oder rF VIIa (z. B. Novo-
α-Granula betroffen mit einem Mangel an Fibri- seven).
nogen, von-Willebrand-Faktor, Faktor V, Plätt-
chenfaktor 4, Thrombospondin und Fibronectin. Hirudinüberdosierung Hirudin (bspw. Desirudin,
4 Bei der δ-Storage-Pool-Disease sind die Inhalte der z. B. Revasc) ist ein direkter Inhibitor von Thrombin.
»dense bodies« betroffen mit einem Mangel an Die physiologische Elimination ist auf eine ausreichen-
Thromboxan A2, Kalziumionen, ADP und ATP. de Nierenfunktion angewiesen. Therapie bei Überdo-
sierung: High-Flux-Anwendungen von Hämodialyse
Klinisch können diese Syndrome durch eine Blutungs- und Hämofiltration. Ein Antidot gegen Hirudin exis-
neigung auffallen. Therapie bei Blutung(sgefahr): tiert nicht.
Thrombozytenkonzentrate, Desmopressin.
Hypokalzämie Ionisiertes Kalzium ist Faktor IV der
Hämophilie A bzw. Hämophilie B Hierbei handelt es Blutgerinnung und absolut notwendig für verschiede-
sich um eine X-chromosomal rezessiv vererbte Blu- ne Schritte der plasmatischen Gerinnung. Eine Kon-
tungsneigung mit Mangel an Faktor VIII (Hämophi- zentration des ionisierten Kalziums <1 mmol/l sollte
74 Kapitel 5 · Gerinnungstherapie
mit Kalziumglukonat oder Kalziumchlorid substituiert Rivaroxaban (z. B. Xarelto) Rivaroxaban gehört als
werden. direkter Inhibitor von Faktor Xa zur Gruppe der neuen
oralen Antikoagulanzien. Wenige Stunden nach Ein-
Leberdysfunktion In der Leber werden nahezu alle nahme fällt der Quickwert relevant ab und die INR
Gerinnungsfaktoren der plasmatischen Gerinnung ge- steigt entsprechend an. Dies wird laut Hersteller durch
bildet. Mit einer relevanten Leberdysfunktion tritt eine Störung des Tests verursacht und ist nicht Ausdruck
zunehmende Störung der Hämostase auf, mit Abfall der ausgeprägten Antikoagulation mit Blutungsnei-
der Faktorenaktivitäten entsprechend ihrer Halbwerts- gung. Im Falle einer echten Überdosierung von Riva-
zeiten. So kommt es zunächst zu einem Abfall des roxaban mit Blutung wird von einer Schweizer Exper-
Quick-Werts, wenn der kurzlebige Faktor VII (HWZ tengruppe die Gabe von PPSB in einer Dosierung von
5 h) nicht mehr nachgebildet wird. Darüber hinaus 20–25 IE/kg empfohlen. Ein echtes Antidot existiert
5 geht eine Leberinsuffizienz oftmals mit einer Throm- nicht.
bozytopenie einher. Therapie bei Blutung(sgefahr):
»fresh frozen plasma«, PPSB, Thrombozytenkonzent- »storage pool disease« 7 Grey-platelet-Syndrom.
rate (7 Thrombozytopenie).
Thrombozytopenie Bei Thrombozytopenie ist die
Neue orale Antikoagulanzien (NOAK) Hierbei han- primäre Hämostase gestört. Darüber hinaus läuft das
delt es sich um eine heterogene Gruppe von Antiko- Zusammenspiel der Gerinnungsfaktoren mit Fibrin-
agulanzien, die oral verabreicht und sowohl zur klassi- bildung in vivo vornehmlich auf der Oberfläche von
schen Thromboseprophylaxe (anstelle von NMH) als Thrombozyten ab, sodass es auch an »Oberfläche« für
auch therapeutisch bei Vorhofflimmern (anstelle von die Bindung aktivierter Gerinnungsfaktoren fehlt.
Phenprocoumon u. a.) eingesetzt werden können. An- Therapie bei Blutung(sgefahr): Thrombozytentransfu-
hand des Wirkmechanismus ist folgende Unterschei- sion, Desmopressin (z. B. Minirin), rF VIIa (z. B. No-
dung möglich: voseven). Die untere Grenze der Thrombozytenzahl,
4 Thrombin-(Faktor-IIa-)Inhibitoren: Hierzu ge- bei der eine Transfusion von Thrombozytenkonzent-
hört allein Dabigatran (z. B. Pradaxa), raten indiziert ist, richtet sich nicht nur nach der An-
4 Faktor-Xa-Inhibitoren: Dies sind Apixaban (z. B. zahl der Thrombozyten, sondern auch nach der auslö-
Eliquis), Rivaroxaban (z. B. Xarelto) und Edoxa- senden Ursache. So wird bei verschiedenen Krank-
ban (noch nicht marktzugelassen). heitsbildern eine unterschiedliche Ausprägung der
Thrombozytopenie toleriert. Transfusionstrigger für
P2Y12-Inhibitoren ADP ist ein starker Aktivator der eine Thrombozytentransfusion sind:
Thrombozytenaggregation; dies erfolgt durch Stimula- 4 chronische Formen der Thrombozytopenie, akute
tion des thrombozytären ADP-Rezeptor-Subtyps Leukämie: <10.000/μl,
P2Y12. Entsprechende Hemmstoffe dieses Rezeptors 4 Patienten mit Leberinsuffizienz: <20.000/μl,
sind die P2Y12-Inhibitoren, das sind: 4 Malignompatienten mit zusätzlichen Blutungs-
4 die irreversibel wirkenden Thienopyridine risiken: < 20.000/μl,
Clopidogrel (z. B. Iscover, Plavix) und Prasugrel 4 prophylaktisch vor operativen Eingriffen mit
(z. B. Efient) sowie niedrigem Blutungsrisiko <20.000/μl,
4 die reversibel wirksamen ATP-Analoga Ticagre- 4 prophylaktisch vor größeren operativen Eingrif-
lor (z. B. Brilique) und Cangrelor (nicht markt- fen und Eingriffen mit mittlerem und hohem
zugelassen). Blutungsrisiko <50.000/μl,
4 operative Eingriffe mit sehr hohem Blutungs-
Alle diese Substanzen hemmen die Thrombozyten- risiko, z. B. neurochirurgische Eingriffe und Ope-
funktion und gehen daher mit einer erhöhten Blu- rationen am hinteren Augenabschnitt <70.000–
tungsgefahr einher. Therapie bei Blutung(sgefahr): Ein 100.000/μl,
Antidot gibt es nicht. Bei starker Blutung können 4 lebensbedrohliche und transfusionspflichtige
Thrombozytenkonzentrate, Desmopressin sowie das Blutungen: <100.000/μl.
Antifibrinolytikum Tranexamsäure gegeben werden.
Da Ticagrelor und Cangrelor den P2Y12-ADP-Rezep- ! Cave
tor lediglich reversibel inhibieren, ist abhängig von der Die Transfusion von Thrombozyten bei
Halbwertszeit bei Ticagrelor nach 2–3 Tagen und nach Thrombozytopenie durch eine HIT II (hepa-
Cangrelor bereits nach 1 h kaum noch eine thrombo- rininduzierte Thrombozytopenie) ist kontra-
zytenfunktionshemmende Wirkung festzustellen. indiziert.
5.6 · Blutung unbekannter Ursache unter Zeitdruck
75 5
Verdünnungskoagulopathie Bei der Behandlung ei- 5.5 Blutung unbekannter Ursache
nes Patienten mit akutem und massivem Blutverlust, ohne Zeitdruck
z. B. bei Polytrauma, kann es durch große Mengen
kristalloider und kolloidaler Infusionslösungen sowie In solchen Fällen kann durch Anamnese und Laborun-
Erythrozytenkonzentraten zu einem relativen Mangel tersuchungen (Quick-Wert, aPTT, Thrombinzeit,
an Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten kommen, Fibrinogen-Konzentration, PFA-100, Multiplate,
was als »Verdünnungskoagulopathie« bezeichnet wird. ROTEM) die Diagnose gestellt bzw. eingegrenzt wer-
Solange noch keine Erythrozytenkonzentrate gegeben den. . Abb. 5.2 zeigt eine Seite der »Bleeding Card«, auf
wurden, kann der Verlust an Gerinnungsfaktoren an- der relevante Diagnosen bei Vorliegen einer Blutung
hand des Hämatokritabfalls abgeschätzt werden: Fällt und entsprechenden Veränderungen des Basislabors
der Hämatokrit unter Infusionstherapie von 40% auf der Blutgerinnung dargestellt sind. Diese Karte im Kit-
20% ab, dann muss auch von einer Halbierung der Ge- teltaschenformat kann auf der Website 7 »www.haemo-
rinnungsfaktorenaktivität ausgegangen werden. Bei stase.info« gratis bestellt werden und steht dort auch als
der Verdünnungskoagulopathie ist sowohl die primäre pdf-Download zur Verfügung.
Hämostase durch Thrombozytopenie als auch die plas-
matische Gerinnung durch einen Faktoren-Mangel
beeinträchtigt. Therapieoption sind »fresh frozen plas- 5.6 Blutung unbekannter Ursache
ma«, Fibrinogen, PPSB-Komplex und Thrombozyten- unter Zeitdruck
konzentrate.
Bei einer lebensbedrohlichen Blutung, die durch eine
Vitamin-K-Mangel Vitamin K wird für die Synthese Hämostasestörung bedingt ist, kann kalkuliert und
der Gerinnungsfaktoren II (Prothrombin), VII, IX systematisch vorgegangen werden.
und X benötigt. Verschiedene Krankheitsbilder Ursachen für eine hämostaseologisch (mit)verur-
können mit einem Mangel an Vitamin K einherge- sachte Blutung:
hen, z. B. Dünndarmerkrankungen mit anhaltender 4 Mangel an funktionstüchtigen Gerinnungs-
Diarrhö oder Anorexie. Hierdurch kann eine Blutung faktoren?
entstehen bzw. begünstigt werden. Laborchemisch 4 Mangel an funktionstüchtigen Thrombozyten?
zeigt sich ein pathologisch erniedrigter Quick-Wert. 4 Vorherrschen einer Fibrinolyse?
Therapie bei Blutung(sgefahr): Vitamin K, PPSB-
Komplex. Hieran orientiert sich ein Notfallkonzept, das die kom-
binierte Substitution von zellulären und plasmatischen
Vitamin-K-Antagonisten Vitamin-K-Antagonisten Komponenten sowie speziellen Pharmaka bei drohen-
sind z. B. Phenprocoumon (z. B. Marcumar, Fali- der Verblutung vorsieht. Die Reihenfolge der Anwen-
throm), Acenocoumarol (z. B. Sintrom) oder Warfa- dung der Präparate ist beispielhaft, die Dosierungen
rin. Diese Substanzen hemmen die Synthese der sind nur orientierend und deshalb individuell für den
Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X und werden zur Einzelfall festzulegen. Dabei kann schematisch bzw.
Prophylaxe von Thrombosen und Thromboembo- anhand der Vorderseite der »Bleeding Card« vorge-
lien eingesetzt. Gesteuert wird die Therapie über gangen werden (. Abb. 5.2). In bestimmten Situatio-
die INR (International Normalized Ratio) oder über nen kann es ratsam sein, einen in der Hämostaseologie
den Quick-Wert. Akute Blutungsgefahr besteht, erfahrenen Arzt zu konsultieren.
wenn die INR auf >5 ansteigt bzw. der Quickwert auf
<10% abfällt. Therapie bei Blutung(sgefahr): PPSB-
Komplex.
. Abb. 5.2 »Bleeding Card« Teil 1. Checkliste zur Differenzialdiagnose einer Blutungsursache anhand der Bleeding Card
5.6 · Blutung unbekannter Ursache unter Zeitdruck
77 5
. Abb. 5.3 »Bleeding Card« Teil 2. Therapieschema bei schwerster hämostaseologisch verursachter Blutung
78 Kapitel 5 · Gerinnungstherapie
Innerklinische Reanimation
Volker Wenzel, Rüdiger Franz
6.4 Medikamente – 84
6.5 Atemwegssicherung – 85
Literatur – 89
Internetlinks – 89
Fallbeispiel Teil 1 Atemwege und die Kontrolle der Atmung. Hierzu wird
Kurz vor Dienstende wird das Notfallteam der Intensiv- in Rückenlage das Kinn angehoben und der Hals vor-
station zu einer Reanimation auf die Normalstation geru- sichtig überstreckt. Dann wird durch Hören und Füh-
fen. Ein ca. 75-jähriger, männlicher Patient liegt – offen- len eines Atemstroms und Beobachten von Thoraxex-
sichtlich leblos – auf dem Krankenbett, zwei Pflegekräfte kursionen das Vorhandensein einer Spontanatmung
von der Normalstation führen eine Masken-Beutel-Beat- überprüft. Fehlen Bewusstsein und ist die Atmung
mung und eine Herzdruckmassage durch. Der Intensiv- nicht regelhaft – Schnappatmung ist wie ein Atemstill-
arzt übernimmt nun die Leitung der Reanimation, und stand zu bewerten – muss von einem Kreislaufstill-
alle Helfer warten auf weitere Anweisungen. stand ausgegangen werden. Eine Kreislaufüberprü-
fung durch Pulstasten ist auch für professionelle Helfer
Die Inzidenz von innerklinischen Kreislaufstillständen schwierig und kann daher unterbleiben.
wird mit etwa 1/1.000 behandelten Patienten angege-
ben, wobei dies je nach Art von Klinik und Fachdiszi-
plinen variieren kann. Die Institutionalisierung eines 6.1.1 Herzdruckmassage
6 festen »Alarmplans« für das Notfallteam mit klaren
Indikationen, bekannten Meldewegen, festgelegte Mit- Bei fehlendem Bewusstsein und abnormer oder feh-
gliedern und standardisierter Ausrüstung gehört zu lender Atmung wird umgehend mit der Herzdruck-
den Organisationsaufgaben jedes Krankenhauses. Das massage begonnen. Die Thoraxkompression erfolgt
Personal des Notfallteams sollte aus mindestens einem auf einem harten Untergrund, bei nicht vorhandenem
Arzt und einer Pflegekraft mit weitergehenden Kennt- Reanimationsbrett ist das Kopf- oder Fußbrett eines
nissen in der Intensivmedizin bestehen. Die Absolvie- Krankenbetts in Längsrichtung unter den Patienten
rung eines speziellen Reanimationskurses für alle gelegt eine brauchbare Alternative. Die Kompression
Teammitglieder ist wünschenswert. Die Ausrüstung erfolgt in der Mitte des Brustbeins mit beiden überei-
muss transportabel sein und ein vollständig autarkes nanderliegenden Händen und gestreckten Armen.
Arbeiten ermöglichen. Grundsätzlich gehören alle in- Eine Eindrücktiefe von ca. 5 cm bei einer Frequenz von
nerklinischen Notfälle zum Aufgabengebiet des Not- 100/min ist erforderlich, da so der höchste Blutfluss
fallteams. generiert werden kann.
Die Therapie des Herz-Kreislauf-Stillstands be- Eine korrekt durchgeführte Herzdruckmassage ist
steht aus den Basismaßnahmen (»basic life support«, eine hohe körperliche Belastung für den Helfer, sodass
BLS) mit Herzdruckmassage und Beatmung über die Qualität nach 2 min deutlich zu sinken beginnt.
Mund/Nase oder mit Hilfsmitteln und den erweiterten Daher sollte bei ausreichend hoher Helferzahl nach ca.
Maßnahmen (»advanced cardiac life support«, ACLS) 2 min verzögerungsfrei gewechselt werden.
mit der Elektrotherapie von defibrillationspflichtigen
Herzrhythmusstörungen, definitiver Atemwegssiche- jWirkungsweise der Herzdruckmassage
rung und Pharmakotherapie. Die rhythmische Thoraxkompression führt zu in-
Die hier aufgeführten Empfehlungen entsprechen trathorakalen Druckschwankungen und Kompression
den aktuell gültigen Leitlinien des European Resusci- kardialer Strukturen, wodurch ein vorwärtsgerichteter
tation Councils aus dem Jahr 2010. Blutfluss generiert wird. Unter optimaler Herzdruck-
massage können maximal 30% des normalen Ruhe-
herzminutenvolumens erzeugt werden, die Hirn-
6.1 »Basic life support«; BLS durchblutung ist sogar noch geringer. Entscheidend
für die kardiale Reanimation ist die Koronardurchblu-
Bevor ein Kreislaufstillstand behandelt werden kann, tung, also die Erzeugung eines ausreichenden diastoli-
muss er erst mal erkannt werden. Dies ist oft nicht so schen Perfusionsdrucks. Dies wiederum setzt eine
trivial wie es scheint. Die Symptome sind möglichst unterbrechungsfreie Herzdruckmassage
4 fehlendes Bewusstsein, voraus, da insbesondere der diastolische Druck nach
4 fehlende Atmung und jeder Unterbrechung wieder neu aufgebaut werden
4 fehlender Kreislauf. muss. Ein besseres primäres und sekundäres Outcome
bei »minimal interrupted cardiac resuscitation« konn-
Die Überprüfung des Bewusstseins erfolgt durch lautes te gezeigt werden. Die Injektion von Vasopressoren
Ansprechen und taktile Stimulation, z. B. durch Schüt- während der Reanimation zielt ausschließlich auf die
teln am Oberkörper oder einen Schmerzreiz. Zeigt der Nachlasterhöhung, um den diastolischen Blutdruck in
Patient keine Reaktion, erfolgt das Freimachen der der Aorta für die Koronarperfusion sowie den mittle-
6.2 · »Advanced cardiac life support«; ACLS
83 6
ren arteriellen Drucks für die zerebrale Perfusion zu 6.2 »Advanced cardiac life support«;
erhöhen. ACLS
Nach Beginn der Basismaßnahmen hat die EKG-Dia-
6.1.2 Beatmung gnostik von allen erweiterten Maßnahmen die erste
Priorität. Ziel ist die Entscheidung, ob dem Kreislauf-
Die Reanimation wird mit 30 Kompressionen begon- stillstand eine defibrillationspflichtige Herzrhythmus-
nen, anschließend werden 2 Beatmungen mittels Mas- störung vorliegt:
ke und Beatmungsbeutel durchgeführt. Um das Risiko 4 defibrillationspflichtige Herzrhythmusstörungen
einer Mageninsufflation zu minimieren, ist auf niedri- sind Kammerflimmern, Kammerflattern oder
ge Beatmungsdrücke zu achten: Das Tidalvolumen soll pulslose Kammertachykardie;
etwa 500 ml und die Inspirationszeit ca. 1 s betragen. 4 nichtdefibrillationspflichtige Formen des Kreis-
Das Kriterium für eine effektive Beatmung ist das He- laufstillstands sind Asystolie oder pulslose elektri-
ben und Senken des Brustkorbs. Um eine bestmögli- sche Aktivität (PEA).
che Oxygenierung zu erreichen, wird der Beatmungs-
> Die einzige Möglichkeit, ein Kammerflim-
beutel mit einem Reservoir versehen und der maximal
mern zu terminieren, ist die Defibrillation.
mögliche O2-Fluss gewählt, z. B. 15 l/min. Nur so kann
Die Überlebenschance bei unbehandeltem
eine FiO2 von über 0,8 erreicht werden.
Kammerflimmern sinkt pro Minute um ca.
> Bei einem ungeschützten Luftweg werden 10%.
Herzdruckmassage und Beatmung im Wech-
sel von 30 Kompressionen zu 2 Beatmungen
durchgeführt. Ist der Atemweg durch die en-
dotracheale Intubation gesichert, wird die
6.2.1 Defibrillation
Herzdruckmassage kontinuierlich durchge-
Das Ziel der elektrischen Defibrillation ist die gleich-
führt. Die Beatmung erfolgt dann asynchron
zeitige Depolarisation einer möglichst großen Herz-
mit einer Frequenz von ca. 10/min.
muskelmasse, die anschließend wieder von einem phy-
Eine Hyperventilation ist unbedingt zu vermeiden, da siologischen Schrittmacher geordnet erregt werden
dies u. a. den venösen Rückstrom vermindert. kann. Ist ein moderner biphasischer Defibrillator vor-
handen, wird als Energie für den ersten Schock
200 Joule (J) verwendet. Ausnahme ist, wenn der Ge-
6.1.3 Effektivitätskontrolle rätehersteller andere Energiestufen als äquipotent an-
gibt. Eine Steigerung der Energie über 200 J biphasisch
Die Effektivität der Reanimationsmaßnahmen zu hinaus ist möglich, sofern das Gerät diese Energiemen-
quantifizieren ist schwierig. Der Pupillenstatus ist ge liefert. Wird ein Gerät mit monophasischer Entla-
mitunter irreführend. Zum einen werden die Pupillen dekinetik verwendet, werden von dem ersten Schock
beim Kreislaufstillstand weit, bevor ein irreversibler an 360 J (Maximalleistung) verwendet.
Hirnschaden eintritt und sind somit nicht als Parame-
> Eine biphasische Entladekinetik führt bei
ter für oder gegen einen Beginn einer Reanimation
niedrigeren Energien zu der gleichen Konver-
geeignet, zum anderen ist Adrenalin ein potentes My-
sionsrate wie etwa die doppelte Energiemen-
driatikum, sodass weite Pupillen unter Adrenalinwir-
ge bei monophasischen Geräten.
kung ebenso keine Aussage über Qualität und Progno-
se der Bemühungen erlauben. Zeigt sich bei der initialen EKG-Analyse ein defibrilla-
Die Kapnometrie hingegen erlaubt semiquanti- tionspflichtiger Rhythmus, erfolgt eine einmalige De-
tativ eine Aussage über die Gewebeperfusion und da- fibrillation, unmittelbar gefolgt von ca. 2 min Herz-
mit auch über die Qualität der Herzdruckmassage. druckmassage. Erst danach erfolgt die Neuinterpreta-
Unabhängig davon zeigen erfolgreich reanimierte Pa- tion des EKG-Rhythmus. Erklärung dafür ist die direkt
tienten deutlich höhere endexspiratorische CO2-Wer- nach einer erfolgreichen Defibrillation noch gestörte
te unter Reanimation als nicht erfolgreich reanimierte elektromechanische Kopplung. Das bedeutet, dass
Patienten. selbst bei elektrokardiographisch physiologischem
Herzrhythmus noch kein adäquater Auswurf resultiert
und somit auch keine Koronarperfusion. Folge ist ein
weiterhin ischämischer Herzmuskel, der schnell wie-
84 Kapitel 6 · Innerklinische Reanimation
der elektrisch instabil und erneut flimmern würde, Zentralvenöser Zugang Liegt bei einem zu reanimie-
wenn die Herzdruckmassage nicht fortgesetzt wird. renden Patienten bereits ein ZVK, wird dieser auch
Die Durchführung einer einmaligen Defibrillation er- bevorzugt verwendet, da die injizierten Medikamente
folgt alle 2 min mit möglichst minimaler Unterbre- schneller wirken. Allerdings sollte über den ZVK vor
chung der Herzdruckmassage bis zur Terminierung der ersten Injektion einmal Blut aspiriert und so die
des Kammerflimmerns. Zu beachten sind die bei der intravasale Lage bestätigt werden. Eine Neuanlage
Defibrillation erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen: unter Herzdruckmassage wird ausdrücklich nicht
4 laute, klare Kommandos, empfohlen. Die Differenzierung zwischen arteriellen
4 kraniokaudaler Check auf Nichtvorhandensein und venösen Gefäßen ist im Kreislaufstillstand kaum
jeglichen Körper- oder Metallkontakts, möglich. Nach Wiedereinsetzten eines Spontankreis-
4 ausreichend Kontaktgel und laufs sollte ein ZVK dann rasch auf der Intensivstation
4 festes Anpressen der Defibrillationselektroden. angelegt werden, am besten unter sonographischer
Kontrolle.
Ausgeprägte Körperbehaarung sollte zuvor entfernt
6 werden, da der elektrische Widerstand sonst erheblich Endotracheale Medikamentengabe Die endotrache-
steigt und kein effektiver Stromfluss generiert wird. ale Injektion von Reanimationsmedikamenten – ins-
Sind Klebeelektroden vorhanden, können diese eben- besondere von Adrenalin – führt bei sehr variabler
so gut verwendet werden. Aufnahme und Wirkdauer zu unkalkulierbaren Plas-
maspiegeln und wird daher in den Leitlinien 2010
Automatische externe Defibrillatoren (AED) Der nicht mehr empfohlen.
Einsatz von automatischen externen Defibrillatoren
kann gerade für Klinikbereiche, die nicht innerhalb
von maximal 3 min von dem Notfallteam erreicht wer- 6.4 Medikamente
den können, unter der Maßgabe einer entsprechenden
Schulung der Ersthelfer ausdrücklich empfohlen wer- Adrenalin Adrenalin gilt als Medikament der Wahl
den. Werden diese Geräte nach Eintreffen des Notfall- bei der Reanimation; eine positive Korrelation mit der
teams weiter verwendet, sind die tendenziell etwas Überlebensrate konnte aber bisher nicht gezeigt wer-
längeren Zeiten während Analyse und Laden des Ge- den. Die gewünscht Wirkung ist die α-adrenerg ver-
rätes zu beachten. mittelte Vasokonstriktion, die über eine Steigerung des
systemischen Gefäßwiderstands die koronare und ze-
rebrale Perfusion verbessert. Die β-adrenerge Wirkung
6.3 Zugang zum Gefäßsystem von Adrenalin ist eher unerwünscht, da hierdurch der
myokardiale O2-Verbrauch erhöht wird. Besonders in
Der periphervenöse Zugang ist der Gefäßzugang der der Postreanimationsphase am ischämischen Myokard
ersten Wahl (7 Kap. 2). Hierbei sollte eine möglichst wirkt Adrenalin proarrhythmogen.
stammnahe und großkalibrige Vene wie die Kubital-
vene oder die V. jugularis externa gewählt werden. Praxistipp
Wichtig für ein rasches Anfluten der injizierten Medi-
Die Dosierung für Adrenalin beim Herz-Kreislauf-
kamente ist ein großzügiges Nachspülen mit kristallo-
Stillstand jeglicher Ätiologie beträgt 1 mg alle
ider Infusionslösung.
3–5 min. Für höhere Adrenalindosen gibt es keine
Evidenz.
Intraossärer Zugang Gelingt die Anlage eines peri-
phervenösen Zugangs nicht innerhalb von 90 s oder
sind 3 konventionelle Punktionsversuche erfolglos, so
wird auch bei Erwachsenen ein intraossärer Zugang Vasopressin Trotz überzeugender tierexperimenteller
empfohlen. Hierzu stehen kommerzielle Sets zur Ver- Daten und einzelnen klinischen Studien konnte im
fügung, die relativ einfach und risikoarm angewandt Rahmen großer Multicenterstudien für Vasopressin
werden können, mit der Spezialnadeln für Kinder oder kein Überlebensvorteil gegenüber Adrenalin gefunden
Erwachsene direkt in den Knochen eingebohrt werden werden. Daher wird in den CPR-Leitlinien auch keine
können. Die gängigen Medikamente und Infusionslö- Empfehlung für oder gegen Vasopressin gegeben. Die
sungen zur Reanimation können in gleicher Dosie- Injektion von 40 IE Vasopressin kann bei Erfolglosig-
rung wie intravenös verabreicht werden. keit der Standardtherapie erwogen werden.
6.5 · Atemwegssicherung
85 6
Amiodaron Bei defibrillationsrefraktärem Kammer- nur bei Hyperkaliämie (physiologischer Antagonis-
flimmern werden einmalig 300 mg Amiodaron (z. B. mus), Hypokalzämie, Hypermagnesiämie oder bei ei-
Cordarex) nach der 3. Defibrillation empfohlen. ner Überdosierung von Kalziumantagonisten.
Grundlage ist eine höhere Rate an Krankenhausauf-
nahmen, wenn Amiodaron anstatt des früher favori- Atropin Gemäß den Leitlinien 2010 wird Atropin bei
sierten Lidocains gegeben wird. Eine Repetition von Asystolie und langsamer pulsloser elektrischer Aktivi-
weiteren 150 mg Amiodaron kann – insbesondere bei tät (PEA) nicht mehr empfohlen.
adipösen Patienten – erwogen werden.
Lidocain Lidocain wird nur noch bei Nichtverfügbar-
»Rescue Lyse« Die thrombolytische Therapie bei der keit von Amiodaron nach der dritten erfolglosen Defi-
Reanimation stellt insbesondere bei der Pulmonalarte- brillation empfohlen. Im direkten Vergleich ist es dem
rienembolie aber auch beim thrombotischen Koronar- Amiodaron unterlegen.
verschluss eine kausale Therapie dar. Eine Überlegen-
heit der Thrombolyse gegenüber der Standardtherapie Natriumbikarbonat Die routinemäßige Gabe von Na-
unter Reanimation konnte aber in der großen außer- triumbikarbonat wird nicht mehr empfohlen! Ohne
klinischen TROICA-Studie nicht belegt werden. Die Informationen über den aktuellen Säure-Basen-Status
Thrombolyse bleibt daher eine Einzelfallentscheidung, kann ein »Überpuffern« deutlich negative Effekte ha-
sollte aber immer in Betracht gezogen werden, wenn ben. Die Verschiebung der O2-Bindungskurve bei ei-
eine Lungenembolie oder ein akutes Koronarsyndrom ner milden Azidose erleichtert die O2-Abgabe an die
als Genese des Kreislaufstillstands vermutet werden. Zelle. Darüber hinaus kann Natriumbikarbonat die
Besteht eine Indikation, sollte bei Versagen der Stan- intrazelluläre Azidose über diffundierendes Kohlen-
dardtherapie nicht zu lange gewartet werden. Eine ad- dioxid verstärken. Eindeutige Indikationen für die
ditive Gabe von Heparin wird empfohlen. Nach Appli- Gabe von Natriumbikarbonat sind:
kation eines Thrombolytikums wird die Reanimation 4 eine nachgewiesene oder vermutete Hyper-
über 60–90 min fortgesetzt. kaliämie und die Intoxikation mit trizyklischen
Antidepressiva: Hier werden beim normalge-
wichtigen Erwachsenen »blind« 50–100 ml
Mögliches Vorgehen bei der »Rescue Lyse« Natriumbikarbonat 8,4% infundiert, und
4 Tenecteplase (z. B. Metalyse) 100 U/kg i.v., 4 eine gemessene schwere metabolische Azidose
also bei einem 80-kg-Patienten 8.000 U mit einem pH <7,1; hier wird Natriumbikarbonat
(= 40 mg) 8,4% titriert.
4 4.000 IE Heparin i.v.
4 Fortsetzung der Reanimation über mindes-
tens 60–90 min 6.5 Atemwegssicherung
. Abb. 6.1 Algorithmus für erweiterte Reanimationsmaßnahmen bei Erwachsenen. Mit freundl. Genehmigung des Euro-
pean Resuscitation Council
88 Kapitel 6 · Innerklinische Reanimation
Internetlinks
Verordnungsplan
auf der Intensivstation
9 Stressulkusprophylaxe – 123
Stefan Kleinschmidt
10 Thromboembolieprophylaxe – 129
Stefan Kleinschmidt
11 Abführmaßnahmen – 143
Friedhelm Bach
93 7
Wasser-, Elektrolyt-
und Säure-Basen-Haushalt
Rudolf Hering, Thomas Ackermann
7.3 Infusionslösungen – 95
7.3.1 Kristalloide Infusionslösungen – 95
7.3.2 Kolloidale Infusionslösungen – 96
7.3.3 Gefahren der Infusionstherapie – 98
Literatur – 109
Fallbeispiel Teil 1
Ein 70-jähriger Mann wird wegen einer Hyperkaliämie . Tab. 7.1 Elektrolytgehalt der Flüssigkeitskomparti-
von der chirurgischen Normalstation auf die Intensivsta- mente des Körpers in mmol/l
tion aufgenommen. Der Patient war bis vor 6 Wochen
wegen einer nekrotisierenden Pankreatitis auf der Plasma Interstitium Intra-
zellulär
Intensivstation behandelt worden. Dabei wurde u. a.
eine offene Bauchbehandlung mit Etappenlavage, eine
Natrium 140 145 10
subtotale Kolektomie sowie die Anlage eines Ileostomas
durchgeführt. Der Patient ist bei Aufnahme auf der In- Kalium 4 4 160
tensivstation neurologisch unauffällig, er gibt mäßigen Kalzium 2,5 2,5 1
Durst an. Auffallend ist eine deutliche Hyperventilation,
Magnesium 1,25 2 13
die Körpertemperatur ist normal, der Hautturgor redu-
ziert, die Schleimhäute sind trocken und an den Lippen Chlorid 103 114 3
ulzerös mazeriert. Über eine vom Pankreas ausgehende
Bikarbonat 27 31 10
persistierende Hautfistel im linken Oberbauch entleert
sich graues Sekret. Der Dünndarmstuhl aus dem Ileosto- Phosphat 1 1 50
. Tab. 7.2 Tägliche Flüssigkeitsbilanz eines gesunden Erwachsenen mit einem Körpergewicht von 70 kg
Einfuhr Ausfuhr
Konzentrationsbestimmungen im Serum und Urin schlussdrucks (engl. »pulmonary capillary wedge pres-
erfolgen muss. Klinisch kann der Flüssigkeits- und sure«, PCWP) auch bei relativ großen Volumenände-
Elektrolythaushalt folgendermaßen beurteilt werden: rungen geringer als die des arteriellen Blutdrucks.
4 Durst? Mundschleimhaut bzw. Zunge: feucht ZVD und PCWP korrelieren schlecht mit dem intra-
oder trocken? vasalen Füllungszustand des arteriellen Hochdruck-
4 Hautturgor: stehende Hautfalten oder Ödeme? systems und der kardialen Vorlast.
4 Füllung der Halsvenen?
> Ein normaler ZVD von 8–12 mmHg gilt nur als
4 Schwitzen und Fieber? Pro 1°C Temperatur-
Anhaltswert für spontan atmende Patienten.
erhöhung muss mit einem täglichen Flüssigkeits-
Bei eingeschränkter ventrikulärer Compli-
mehrbedarf von ca. 10 ml/kg gerechnet werden.
ance, diastolischer Dysfunktion, erhöhtem
4 Urinmenge und -konzentration?
pulmonalarteriellem Druck, Überdruckbeat-
4 Kreislaufzentralisation mit Tachykardie und/oder
mung oder erhöhtem intraabdominellem
Hypotonie sowie kühlen Extremitäten?
Druck ist eine Hypovolämie auch bei wesent-
4 Atemsynchrone Schwankungen der Pulsoxy-
lich höheren ZVD-Werten nicht auszuschlie-
metrie- sowie arteriellen und zentralvenösen
ßen. Nur die Verlaufsbeurteilung von ZVD
Druckkurve?
bzw. PCWP kann in diesen Fällen Hinweise
auf den intravasalen Volumenstatus und die
myokardiale Vorlast liefern.
7.2 Monitoring des intravasalen
Volumenstatus Ist der intravasale Volumenstatus trotz ZVD-Messung
weiterhin unklar, sollten bei Kreislaufinsuffizienz an-
Leider ist die klinische Einschätzung des Volumensta- dere Monitoringmethoden eingesetzt werden, z. B. die
tus gerade bei instabilen Patienten schwierig. So fehlt Bestimmung des intrathorakalen oder enddiastoli-
das Durstgefühl unter Analgosedierung und der Haut- schen Blutvolumens oder die Schlagvolumenvariation
turgor ist bei ausgeprägter kapillarer Schrankenstö- mittels kontinuierlicher Pulskonturanalyse (7 Kap. 16).
rung und Ödembildung bei septischen Krankheitsbil-
dern nicht verwertbar.
7.3 Infusionslösungen
kRepetitorium Physiologie
Das intravasale Volumen verteilt sich zu 15% auf das 7.3.1 Kristalloide Infusionslösungen
Hochdruck- und zu 85% auf das Niederdrucksystem.
Zum Hochdrucksystem gehören linker Ventrikel, Isotone Kristalloidlösungen stellen die Basis der Infu-
Aorta und das arterielle Stromgebiet bis zu den Arterio- sionstherapie zum Ausgleich des täglichen Flüssig-
len. Das Hochdrucksystem dient vorwiegend dem keitsbedarfs dar (. Tab. 7.3).
Bluttransport und der Regulation der Organdurchblu- Die Osmolalitäten der unterschiedlichen Infu-
tung. Zum Niederdrucksystem gehören alle anderen sionslösungen können sich in vitro und in vivo erheb-
Gefäßabschnitte, es ist mit seiner großen Compliance lich unterscheiden. So hat eine 5%ige Glukoselösung
sowohl Blutleiter als auch Volumenspeicher. in vitro eine Osmolalität von 290 mosmol/l, nach Ab-
Aufgrund der großen Compliance des venösen Ka- bau der Glukose in vivo wird diese Lösung jedoch hy-
pazitätssystems sind die Schwankungen des zentralen poton. In ähnlicher Weise verhalten sich mit metabo-
Venendrucks (ZVD) und pulmonalkapillären Ver- lisierbaren Anionen gepufferte Infusionslösungen,
96 Kapitel 7 · Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt
Glukose 5% 50 hypoton
deren Anionen im Organismus rasch verstoffwechselt > Der tägliche Flüssigkeitsbedarf kann in der
werden, z. B. die klassische Ringer-Laktat-Lösung.
7 Regel durch isotone balancierte kristalloide
Infusionslösungen mit Azetat oder Malat als
! Cave
metabolisierbare Anionen gedeckt werden.
Problematisch sind hypotone Lösungen,
Chloridbasierte Infusionslösungen sind bei
wenn es aufgrund des osmotischen Gradien-
einer metabolischen Alkalose sinnvoll, z. B.
ten zum Flüssigkeitseinstrom in die Zellen
bei ausgeprägtem Verlust sauren Magen-
und zum Ödem wichtiger Organe kommt.
safts.
Daher sind potenziell hypotone Infusionslösungen bei
intrakraniellen Läsionen, z. B. Schädel-Hirn-Trauma,
Schlaganfall oder Meningoenzephalitis, aufgrund der 7.3.2 Kolloidale Infusionslösungen
Gefahr eines Hirnödems in der Regel nicht indiziert.
Grundsätzlich muss zwischen iso- und hyperonkoti-
Balancierte Infusionslösungen Diese zeichnen sich schen Kolloiden unterschieden werden: Isoonkotische
durch eine annähernd physiologische Elektrolytzusam- Kolloide erhöhen das Plasmavolumen etwa um das
mensetzung aus. Die sog. physiologische Kochsalzlö- infundierte Infusionsvolumen, während hyperonkoti-
sung und die klassische Ringer-Lösung haben dagegen sche Kolloide zumindest passager zu einem zusätz-
aufgrund ihrer hohen Chloridkonzentration (. Tab. lichen Flüssigkeitseinstrom vom Interstitium nach
7.3) negative Auswirkungen auf die Homöostase. intravasal führen (»Plasmaexpander«).
Die dadurch ausgelösten Hyperviskositätsphäno-
kRepetitorium Pathophysiologie mene, insbesondere bei gleichzeitiger Dehydratation,
Aus Stabilitätsgründen enthalten Kristalloide kein Bi- werden insbesondere für Nierenfunktionseinschrän-
karbonat. Kristalloide, die zur Wahrung der Isoionie kungen verantwortlich gemacht, sodass hyperonkoti-
unphysiologisch hohe Chloridkonzentrationen ent- sche Volumenersatzlösungen unabhängig von der ver-
halten, führen daher zu einer Dilutionsazidose. Dane- wendeten Substanz bei Intensivpatienten mit poten-
ben kann die Hyperchlorämie eine renale Vasokon- ziell eingeschränkter Nierenfunktion nicht verwendet
striktion, Abnahme der glomerulären Filtrationsrate, werden sollten.
Reduktion der Plasma-Renin-Aktivität und Blut- Etwa seit 2010 wird die Anwendung kolloidaler
drucksenkung verursachen. Durch den Zusatz der me- Infusionslösungen beim Intensivpatienten zuneh-
tabolisierbaren Anionen Laktat, Azetat oder Malat als mend kritisch betrachtet, auch weil einige Untersu-
Bikarbonatersatz kann die hyperchlorämische Azidose chungen, v. a. zu Hydroxyäthylstärke, wegen schwer-
vermieden werden. Laktat hat dabei den Nachteil, dass wiegender wissenschaftlicher Mängel zurückgezogen
es im Gegensatz zu Azetat und Malat vorwiegend he- werden mussten. Daher wurden 2012 Konsensusemp-
patisch abgebaut wird und durch verstärkte Glukoneo- fehlungen der European Society of Intensive Care
genese der Blutzucker erhöht und Kalzium gebunden Medicine (ESICM) veröffentlicht, die im Folgenden als
wird. Darüber hinaus ist bei exogener Laktatzufuhr die »ESICM-Empfehlung« gekennzeichnet sind.
Laktatkonzentration nur noch eingeschränkt als Hy-
poxiemarker verwertbar.
7.3 · Infusionslösungen
97 7
jHumanalbumin durch eine unspezifische Dilution der Blutgerinnungs-
Albumin bestimmt wesentlich den kolloidosmotischen faktoren und möglicherweise auch durch ein »coating«
Druck des Plasmas und dient als Transportprotein für der Thrombozyten zu einer Beeinträchtigung der Blut-
körpereigene Stoffe und Medikamente. Zur Infusion gerinnung führen.
steht Humanalbumin als virusinaktivierte 5%ige oder Nach den aktuellen Empfehlungen einer Exper-
20%ige Lösung zur Verfügung. Albumin wird aktuell tenkommission der ESICM aus dem Jahre 2012 wird
nur bei schweren Leberfunktionsstörungen mit ausge- vom Einsatz von HES-Lösungen mit einem Molekular-
prägter intravasaler Hypovolämie und drohendem he- gewicht ≥200.000 Dalton oder einem Substitutions-
patorenalem Syndrom, im Zusammenhang mit Aszites- grad >0,4 bei Intensivpatienten mit schwerer Sepsis
punktionen, spontan bakterieller Peritonitis bei Leber- oder erhöhtem Risiko für ein Nierenversagen generell
zirrhose, in der spezifischen Prophylaxe und Therapie abgeraten, da aufgrund der o. g. Hyperviskositätsphä-
der Ödeme bei der Verbrennungskrankheit und bei nomene negative Auswirkungen auf die Nierenperfu-
Kindern mit schwerer Malaria empfohlen. sion und -funktion nicht auszuschließen sind. Ähnlich
kritisch äußern sich die ESICM-2012-Empfehlungen
jHydroxyäthylstärke auch für die HES 6%-130/0,4-Lösungen, also z. B. Vo-
Die am häufigsten verwendeten künstlichen Kolloide luven, Volulyte oder Venofundin. Hier lagen die Maxi-
basieren auf Hydroxyäthylstärke (HES) oder Gelatine. maldosis-Empfehlungen der meisten Experten mit
Die HES-Wirkung hängt von der Konzentration in der 10–15 ml/kg deutlich unter der bisherigen Empfeh-
Trägerlösung und von verschiedenen Eigenschaften lung von 50 ml/kg. Ende 2012 empfahl die Deutsche
des HES-Moleküls ab, die sich aus der Kennzeichnung Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin, bei
der Lösung ergeben. So bedeutet die Bezeichnung internistischen Intensivpatienten ganz auf die Anwen-
HES 10% 200/0,5, dass HES in einer 10%igen Lösung dung von HES zu verzichten.
(100 g HES pro 1.000 ml) vorliegt, das mittlere Mole-
kulargewicht bei 200.000 Dalton liegt und der Substi- jGelatinelösungen
tutionsgrad 0,5 beträgt. Letzterer bezeichnet den An- Diese liegen in 3–4%iger Lösung vor und haben mit
teil (im Beispiel 50%) der hydroxylierten Glukoseein- 70–100% einen etwas geringeren initialen Volumenef-
heiten des HES-Moleküls. fekt als die vergleichbare isoonkotische HES. Wie bei
HES-Lösungen muss auch bei Infusion großer Mengen
> Vereinfacht ist die Volumenwirksamkeit und
von Gelatinelösung mit einer Dilutionskoagulopathie
die Verweildauer umso höher, je höher die
und bei Verwendung nicht balancierter Lösungen mit
Konzentration in der Trägerlösung, das Mole-
einer hyperchlorämischen Dilutionsazidose gerechnet
kulargewicht und der Substitutionsgrad der
werden. Da Gelatine aus bovinen Geweben hergestellt
HES-Lösung sind.
wird, kann eine Übertragung von BSE-Prionen nicht
Verschiedene HES-Präparate können somit iso- oder mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden. Die
hyperonkotische Wirkungen und unterschiedliche ESICM schlägt vor, bei Intensivpatienten auf Gela-
Wirkdauern besitzen, wobei hyperonkotische HES- tinelösungen zu verzichten, wenn ein erhöhtes Risiko
Lösungen (z. B. HES 10% 200/0,5) einen stärkeren Vo- für Nierenversagen oder Blutung besteht. Darüber
lumeneffekt haben. Die sog. »modernen« HES-Lösun- hinaus rät die ESICM, bei Schädel-Hirn-Trauma,
gen haben ein niedrigeres Molekulargewicht von intrakranieller Blutung oder bei hirntoten Patienten
130.000 Dalton und einen etwas niedrigeren Substitu- während der organerhaltenden Therapie generell auf
tionsgrad von 0,4 (z. B. Voluven oder Venofundin) und die Anwendung aller HES- und Gelatinepräparate zu
sind mittlerweile auch in einer balancierten Infusions- verzichten.
lösung verfügbar (z. B. als Volulyte), sodass die Gefahr
einer hyperchlorämischen Dilutionsazidose durch die
Volumentherapie minimiert wird. Da HES von kör- Kolloide: Empfehlungen für die klinische Praxis
pereigener Amylase gespalten wird, steigt die Serum- 4 Generell gilt: Bei Intensivpatienten äußerste
amylasekonzentration an. Nicht abgebaute Moleküle Zurückhaltung mit Kolloiden, insbesondere
werden im Gewebe und in den Zellen des retikuloen- bei schwerer Sepsis, drohendem Nierenver-
dothelialen Systems abgelagert. Insbesondere in der sagen oder Blutgerinnungsstörungen.
Haut können diese Ablagerungen zu Juckreiz führen 4 Kolloide sollten beim Intensivpatienten nur
und müssen von allergischen Reaktionen, die bei An- dann als kurzfristiger Volumenersatz bei aku-
wendung von HES eher selten vorkommen, abgegrenzt 6
werden. Darüber hinaus kann HES in hohen Dosen
98 Kapitel 7 · Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt
. Tab. 7.4 Ursachen und typische Laborbefunde bei Hypo- und Hypernatriämie
Hyponatriämie Hypernatriämie
– zentral Anstieg um
50% nach
Desmopressin
(z. B. Minirin)
7.5 Störungen des Elektrolyt- mien können mit einer Eu-, Hypo- oder Hypervolämie
haushalts des EZR einhergehen, die Abschätzung des Volumen-
status ist daher wesentlicher Bestandteil der Diagnos-
Störungen des Elektrolythaushalts sind bei Intensivpa- tik. Daneben sind die engmaschige Bestimmung der
tienten oft an Störungen des Volumenhaushalts gekop- Natriumkonzentrationen und der Osmolalität im Se-
pelt. rum und Urin und eine möglichst exakte Flüssigkeits-
und Elektrolytbilanz wichtig, um die extrarenalen oder
renalen Ursachen einer Dysnatriämie richtig diagnos-
7.5.1 Natrium tizieren und therapieren zu können. Mögliche Ursa-
chen einer Hyper- oder Hyponatriämie und häufige
Der Normalwert im Serum beträgt 140±5 mmol/l, der Urinbefunde sind in . Tab. 7.4 zusammengefasst.
tägliche Bedarf 70–200 mmol. Natrium bestimmt we-
sentlich den osmotischen Druck im EZR und damit Dysnatriämie
das interstitielle und intravasale Volumen sowie Flüs- jUrsachen und Symptome
sigkeitsverschiebungen in und aus dem Intrazellular- Die Hyponatriämie (Serumnatrium <135 mmol/l) ist
raum. Hyper- wie auch Hyponatriämie sind mit einer die häufigste Elektrolytstörung bei Intensivpatienten.
erhöhten Letalität verbunden, die Aufrechterhaltung Schwere Hyponatriämien mit einem Serumnat-
einer Normonatriämie ist daher ein Qualitätsmerkmal riumwert <120 mmol/l oder die rasche Erniedrigung
der intensivmedizinischen Versorgung. Dysnatriä- des Serumnatriums können zu Vigilanzminderung,
100 Kapitel 7 · Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt
Koma und Krampfanfällen führen und akut lebensbe- hohes Fieber, wobei der Flüssigkeitsverlust leicht meh-
drohlich sein. Sie können iatrogen durch inadäquate rere Liter pro Tag betragen kann. Häufig kommen Stö-
Infusions- und Ernährungstherapie oder unerwünsch- rungen der renalen Wasserrückresorption bei Nieren-
te Medikamentenwirkungen verursacht sein. So kann versagen, (unkritischer) Anwendung von Diuretika
es bei transurethralen Elektroresektionen zu einem und zentralem oder nephrogenen Diabetes insipidus
massiven Einstrom von Spülflüssigkeit und damit zu hinzu. Bei ausgeprägter Hypernatriämie führt die ext-
einer akuten hyponatriämischen Hyperhydratation razelluläre Hypertonizität zu einer intrazellulären De-
kommen, dem sog. TUR-Syndrom. hydratation, die neurologische Symptome ähnlich wie
Dagegen sind leichte bis mäßige Hyponatriämien bei der Hyponatriämie verursachen kann, also Vigilanz-
meist Ausdruck schwerer Begleiterkrankungen mit ei- minderung bis zum Koma und auch Krampfanfälle.
ner Störung des Wasserhaushalts, wie z. B. Herzinsuf-
fizienz oder Leberzirrhose, oder sie sind medikamen- jDiagnostik
tös bedingt (z. B. Hydrochlorothiazid). Abgesehen von Hierzu wird die Serumnatriumkonzentration mit der
den iatrogenen Ursachen ist die Hyponatriämie häufig renalen Natriumexkretion in Beziehung gesetzt. Bei
mit einer Stimulation von antidiuretischem Hormon intakter Nierenfunktion deutet eine niedrige Natrium-
(ADH, auch Adiuretin, Vasopressin oder Arginin-Va- konzentration im Urin (<10–20 mmol/l) darauf hin,
sopressin) verbunden. dass Natrium und Wasser retiniert werden, z. B. wegen
7 Volumenmangels. Zur Wahrung der Isoionie im Se-
kRepetitorium Pathophysiologie rum wird bei renaler Natriumretention stattdessen
ADH wird durch Veränderungen der Plasmaosmolali- Kalium vermehrt im Urin ausgeschieden, wodurch die
tät sowie nichtosmotisch durch arterielle Barorezepto- bei Intensivpatienten häufig zu beobachtende Hypoka-
ren reguliert und bewirkt eine renale Rückresorption liämie begünstigt wird. Eine sinnvolle Interpretation
von Wasser ins Gefäßsystem. Die nichtosmotische dieser Zusammenhänge ist jedoch nur möglich, wenn
Stimulation der ADH-Sekretion ist potenter als die die renale Regulationskapazität nicht iatrogen z. B.
osmotische Regulation und kann trotz bestehender durch Diuretika, Kortikoide usw. gestört wurde.
Hyponatriämie und Hypoosmolalität zur weiteren
Wasserretention führen. Typische Ursache für eine sol- Berechnung der fraktionellen Natriumexkretion
che andauernde Wasserretention trotz Hyponatriämie (FENa) Die FENa kann bei der Differenzierung zwi-
und globaler Überwässerung ist die relative arterielle schen prärenaler und renaler Genese der Oligurie hilf-
Hypovolämie und Hypotonie bei Herzinsuffizienz, Le- reich sein:
berzirrhose und Sepsis mit der Folge einer Ödemnei-
gung. Das Syndrom der inadäqauten ADH-Sekretion (Urinnatrium × Serumkreatinin)
(SIADH) tritt im Zusammenhang mit zahlreichen Tu- FENa = × 100
(Serumnatrium × Urinkreatinin)
moren, intrakraniellen Prozessen, Pneumonien sowie
z. B. postoperativ als Reaktion auf psychischen Stress
auf. Dagegen wird beim Diabetes insipidus entweder Bei einer FENa<1 liegt häufig eine prärenale Ursache
kein ADH sezerniert (zentraler Diabetes insipidus) der Oligurie vor, die renale Konzentrationsfähigkeit ist
oder ADH wirkt nicht am Sammelrohr (nephrogener intakt. Hingegen ist die Oligurie bei einer FENa >1–2%
Diabetes insipidus, häufig medikamentös bedingt). Bei oft renal bedingt, die renale Konzentrationsfähigkeit
letzterem hat die Gabe von Desmopressin (z. B. Mini- ist gestört.
rin) keinen therapeutischen Effekt. In diesen Fällen
wird hypotoner Urin in großen Mengen ausgeschieden jTherapie
und es resultieren Dehydratation und Hypernatriämie. Die Hauptgefahr der Dysnatriämie liegt in der Ent-
stehung eines Dysäquilibriums zwischen intra- und
Eine Hypernatriämie (Serumnatrium >145 mmol/l) extrazellulärem Raum. Entsteht eine Dysnatriämie
kann sowohl durch den Verlust freien Wassers als auch langsam, stellen die Hirnzellen durch Ein- bzw. Aus-
eine inadäquat hohe Natriumzufuhr verursacht wer- schleusung osmotisch aktiver Substanzen ein neues
den. Durch nahezu alle Körpersekrete wird freies Was- osmotisches Gleichgewicht her und wirken so zellulä-
ser verloren, da deren Natriumkonzentration in der ren Schwellungs- bzw. Schrumpfungszuständen entge-
Regel geringer ist als der Natriumwert im Blut. Wäh- gen. Bei der Therapie der Dysnatriämie benötigen die
rend Urin- und Magensaftmengen relativ leicht mess- Hirnzellen wiederum mehrere Stunden bis Tage, um
bar sind, ist die Bilanzierung anderer Körpersekrete ein neues osmotisches Gleichgewicht aufzubauen und
sehr ungenau. Dies gilt insbesondere für Diarrhö oder das intrazelluläre Volumen zu kontrollieren.
7.5 · Störungen des Elektrolythaushalts
101 7
> Bei der Therapie der Dysnatriämie sollte das als auch als osmotisch wichtige Komponente von Be-
Serumnatrium um initial maximal deutung. Chlorid hat daneben als sog. starkes Anion
1–2 mmol/h bzw. 12 mmol/l pro 24 h bzw. und Ersatz für Bikarbonat bei Erkrankungen mit Bi-
18 mmol/l pro 48 h verändert werden, um karbonatverlust eine wichtige Bedeutung für den Säu-
eine Demyelinisierung von Hirnstamm- re-Basen-Haushalt und geht als wesentlicher Faktor
axonen mit irreversiblen neurologischen in die Berechnung der Anionenlücke ein (7 Abschn.
Defiziten zu verhindern. 7.6.5).
chen der Hypokaliämie. Diese sind häufig kombiniert bedrohliche Herzrhythmusstörungen. In einigen Fäl-
mit Hypovolämie und perioperativem Absetzen von len finden sich auch typische EKG-Veränderungen bei
Antiarrhythmika. Darmatonien, häufig durch lang an- Hyperkaliämie (. Abb. 7.1):
haltenden Laxanzienabusus aggraviert, sind ebenfalls 4 hohe, spitze und schmale T-Welle,
mit Hypokaliämien assoziiert. 4 Verlust der P-Welle, Zunahme des PR-Intervalls,
AV-Block,
jTherapie der Hypokaliämie 4 QRS-Verbreiterung,
Der tägliche Basisbedarf beträgt etwa 1 mmol/kg, bei 4 Bradykardie, Asystolie.
Intensivpatienten mit intakter Nierenfunktion ist er
jedoch häufig erhöht. Bei einem Abfall des Serumka- jTherapie der Hyperkaliämie
liums unter 3,5 mmol/l muss bereits von einer signifi- Je nach klinischem Zustand des Patienten ist eine ab-
kanten Erniedrigung des Gesamtkaliumbestands um gestufte Therapie indiziert (7 Übersicht).
mindestens 200 mmol ausgegangen werden.
> Eine begleitende Hypomagnesiämie muss in Therapie der Hyperkaliämie
jedem Fall mit therapiert werden. Wichtig ist eine möglichst kausale Therapie der
zugrundeliegenden Störung. Die symptomatische
Indikationen und Dosierungen von Medikamenten, die
7 eine Hypokaliämie fördern – Diuretika, Steroide, Insu-
Therapie beruht auf folgenden Mechanismen:
4 Antagonistische Wirkung:
lin, Katecholamine, Theophyllin – sollten überprüft
– Kalzium 10% 10–20 ml, Wirkdauer ca. 30 min.
und eine Alkalose therapiert werden, um dem intra-
4 Verschiebung nach intrazellulär:
extrazellulären Austausch und einer weiteren renalen
– Natriumbikarbonat 8,4% 50 ml über 5 min,
Kaliumelimination im Austausch für H+ zu begegnen.
Wirkeintritt nach ca.10 min, nach Blutgas-
Praxistipp analyse ggf. wiederholen,
– Insulin-Glukose-Methode: 500 ml 10%ige
Auf der Intensivstation erfolgt die Kaliumsubstitu- Glukoselösung über 5 h infundieren, gleich-
tion vorzugsweise zentralvenös über einen Perfu- zeitig Insulin-Perfusor (50 IE auf 50 ml) mit
sor. Bei normalgewichtigen Erwachsenen werden 2 ml/h starten und mittels engmaschiger
10–20 mmol KCl/h infundiert, bei schwerer Hypo- Laborkontrollen so anpassen, dass der
kaliämie (<3,0 mmol/l) und klinischen Sympto- Blutzucker möglichst zwischen 100 und
men kann die Infusionsrate auf bis zu 30 mmol 150 mg/dl liegt. Je nach Dringlichkeit ggf.
KCl/h gesteigert werden. Bei diesen Dosierungen Glukose- und Insulinzufuhr steigern.
muss der Serumkaliumwert mindestens stündlich 4 Kaliumelimination aus dem Körper:
kontrolliert werden! – Hämodialyse: effektivstes Verfahren der K+-
Elimination,
– Furosemid 20 mg als Bolus und dann
Hyperkaliämie (Serumkalium >5 mmol/l) 5–10 mg/h,
– Resonium-A-Austauscherharz 30 g oral in
Die wichtigsten Ursachen für eine Hyperkaliämie sind:
200 ml Wasser oder Laktuloselösung bzw.
4 Extrarenale Ursachen:
50 g rektal in 400 ml Wasser oder Laktulose-
5 Bilanzierungsfehler,
lösung suspendiert (Effektivität umstritten).
5 transzelluläre Verschiebung, z. B. durch
Azidose oder Insulinmangel, Bei Reanimation ggf. passageren Schrittmacher
5 Zellzerfall, Rhabdomyolyse, Hämolyse, verwenden.
5 Succinylcholin bei prädisponierenden
neurologischen Erkrankungen.
4 Renale Ursachen:
5 (prä)terminale Niereninsuffizienz, 7.5.4 Magnesium
5 Medikamente, z. B. kaliumsparende Diuretika,
ACE-Hemmer, β-Blocker und NSAID, Der Normalwert im Serum liegt bei 1,25 mmol/l und
5 Hypoaldosteronismus. beinhaltet das ionisierte, proteingebundene und in
Anionenkomplexen gebundene Magnesium. Der nor-
Muskelschwäche als Hyperkaliämiesymptom ist sehr male tägliche Magnesiumbedarf beträgt etwa 0,05–
unspezifisch. Therapeutisch relevant sind u. U. lebens- 0,3 mmol/kg.
7.5 · Störungen des Elektrolythaushalts
103 7
. Abb. 7.1 EKG bei Hyperkaliämie. a Typische EKG-Veränderungen
bei Hyperkaliämie: Zuerst tritt eine hohe, spitze T-Welle auf, danach
kommt es zum Verlust der P-Welle, anschließend zu einer Verbreite-
rung des QRS-Komplexes und schließlich zu bedrohlichen Bradykar-
dien oder einer Asystolie. Eine Hyperkaliämie ist immer potenziell le-
bensbedrohlich und muss sofort behandelt werden! Keinesfalls darf
man sich darauf verlassen, dass man noch viel Zeit habe, wenn die
T-Wellen »nur spitz« sind. b Original-EKG-Ableitung bei einer Patientin,
bei der über 12 h ein kompletter distaler Aortenverschluss bestand.
Mit Wiedereröffnung der aortalen Strombahn kam es zu einer massi-
ven Kaliumeinschwemmung. Die EKG-Aufzeichnung erfolgte bei einem
Serumkaliumspiegel von 6,6 mmol/l. Hier sieht man eine hohe, spitze
a T-Welle, die P-Welle ist nur noch schwach zu erkennen
Hyperphosphatämie Thyreotoxikose
Biphosphonattherapie
Vitamin-D-Mangel
Azidose bei chronischer Niereninsuffizienz Bei fort- über Puffersysteme kompensiert werden. Die renale
schreitendem Nierenfunktionsverlust entwickelt sich Kompensation stellt sich dagegen nur langsam über
meist eine chronische metabolische Azidose durch ein- einen Zeitraum von etwa 3–5 Tagen ein. Anhand des
geschränkte tubuläre Ammoniumbildung und dadurch Anstiegs des Bikarbonats kann somit eine akute von
verringerte H+-Ionen-Elimination. Moderne Dialyse- einer chronischen respiratorischen Dekompensation
verfahren verwenden bikarbonatgepufferte Lösungen, unterschieden werden.
die zumindest bei chronischen Nierenersatzverfahren Der Bikarbonatanstieg als Antwort auf einen
azetatgepufferten Lösungen vorzuziehen sind. paCO2-Anstieg um 10 mmHg beträgt 1 mmol/l bei
akuten bzw. 3,5 mmol/l bei chronischen Erkrankungen.
Auch bei der respiratorischen Alkalose sind die
7.6.5 Metabolische Alkalose Kompensationsvorgänge ausgeprägter, wenn eine
(pH n, BE n) chronische Erkrankung vorliegt: Bei akutem Verlauf
fällt der Bikarbonatwert um 2 mmol/l, bei chronischem
Die metabolische Alkalose kann mehrere Ursachen Verlauf jedoch um bis zu 4 mmol/l je Abfall des pCO2
haben: um 10 mmHg.
4 vermehrter Verlust von Säuren, z. B. durch
> Die Beurteilung des Ausmaßes der Bikarbo-
Diuretikagabe oder Verlust von Magensaft durch
7 Erbrechen oder über eine Magensonde,
natkompensation ist bei der Differenzierung
einer akuten oder chronischen respiratori-
4 vermehrte Zufuhr von Basen, z. B. Bikarbonat,
schen Insuffizienz hilfreich.
4 übermäßige Bildung von Bikarbonat, z. B. bei
Cushing-Syndrom.
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111 8
Literatur – 121
Internetlinks – 121
. Abb. 8.1 Entscheidungsfindung zur Ernährungsstrategie. Bei der Darmzottenernährung erfolgt eine Benetzung der
Darmschleimhaut mit enteraler Sondenkost zum Erhalt von Struktur und Funktion der intestinalen Mukosa mit dem Ziel der
Risikominimierung einer bakteriellen Translokation. Hierzu reicht eine kleine Menge Sondenkost aus, z. B. 10 ml/h
Gleichzeitig müssen folgende Kontraindikationen der > Fehlende Darmgeräusche oder kein Stuhl-
enteralen Ernährung beachtet werden: gang sind keine Kontraindikationen gegen
4 intestinale Ischämie, den Beginn eines enteralen Kostaufbaus.
4 Ileus,
4 Hohlorganperforation,
4 akutes Abdomen, 8.1.1 Substrate der enteralen
4 gastrointestinale Blutung. Ernährung
jPraktisches Vorgehen Sonden- und Trinknahrung sind diätetische Lebens-
Der enterale Kostaufbau über die Ernährungssonde mittel. Standardsondennahrung hat einen Energiege-
sollte standardisiert erfolgen: Zu Beginn ist eine kon- halt von 1 kcal/ml und ist gemäß den Empfehlungen
tinuierliche Laufrate von 10 ml/h Sondenkost (1 ml = der ernährungsmedizinischen Fachgesellschaften aus
1 kcal), entsprechend 240 ml/Tag, empfehlenswert. 15–20% Protein-, 40–60% Kohlenhydrat- und 30–35%
Im Rahmen des Kostaufbaus muss der Nahrungs- Fettanteil (bezogen auf die Gesamtenergiemenge) zu-
transport durch Aspiration von Mageninhalt über die sammengesetzt. Sie ist glutenfrei, laktosearm oder -frei,
Magensonde regelmäßig alle 4 h kontrolliert werden. steril und sollte eine maximale Osmolarität von
Bei Mengen <100 ml aspirierten Mageninhalts wird 450 mosm/l aufweisen. Des Weiteren sollte die Stan-
die Sondenkostzufuhr jeweils um 10 ml/h gesteigert, dardsondennahrung Ballaststoffe enthalten, sodass der
bei Mengen zwischen 100 ml und 250 ml wird die ak- vollständig enteral ernährte Patient auf eine Menge von
tuelle Laufrate beibehalten und bei Mengen >250 ml 20–30 g Ballaststoffe pro Tag kommt.
wird auf die vorherige Stufe reduziert. Vor Steigerung
der Sondenkost >1000 ml/Tag sollte der Patient abge- > Für die enterale Ernährung ist in den allermeis-
führt haben. Ab ≥1500 ml Sondenkost (=1500 kcal) ten Fällen eine Standardsondenkost mit Ballast-
sollten keine parenterale Ernährung und keine Subs- stoffen (1 kcal/ml) ausreichend. Standardson-
titution von Vitaminen und Spurenelementen mehr denkost deckt den täglichen Bedarf an Vitami-
erfolgen. nen und Spurenelementen ab ca. 1500 kcal, die
meisten Trinknahrungen ab 2 Einzelpackungen.
114 Kapitel 8 · Parenterale und enterale Ernährungstherapie
Für wenige Situationen kommen weitere Formen der sodass in diesen Fällen die Anlage einer postpylori-
Sondenkost zur Anwendung: schen Ernährungssonde (»Jejunalsonde«) empfohlen
4 Sondenkost unterschiedlicher Energiedichte mit wird. Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten:
1,5 oder 2 kcal/ml bei Flüssigkeitsrestriktion. 4 Intraoperative Anlage: Bei einer Laparotomie
4 »Lebersondenkost« mit einem höheren Gehalt an kann die Sonde direkt »prophylaktisch« bei zu er-
verzweigtkettigen Aminosäuren für Patienten mit wartender ausgeprägter Motilitätsstörung ange-
schwerer hepatischer Enzephalopathie Grad III–IV. legt werden. Bei Operationen am oberen Gastro-
4 Niedermolekulare Lösung für Patienten mit intestinaltrakt wird die Sonde mit ihrem Lumen
Malassimilation bei Kurzdarmsyndrom, Strah- distal der Anastomose platziert: Der Anästhesist
lenenteritis oder Pankreatitis. Diese Lösungen führt die Sonde ein, die exakte postpylorische Po-
enthalten Oligopeptide und mittelkettige sitionierung erfolgt durch den Chirurgen.
Triglyzeride und sind ballaststofffrei. 4 Endoskopische Sondenanlage: Diese dauert
4 Nierenlösung, eiweißlimitiert und reduzierter etwa 15 min und besitzt eine Erfolgsrate über
Mineralstoffgehalt, bei Dialysepatienten. 90%.
4 Sondenkost auf Sojabasis (laktose- und milch- 4 Selbstpositionierende Jejunalsonden: Hier ste-
eiweißfrei) bei Unverträglichkeit. hen verschiedene Modelle zur Verfügung, z. B.
Tiger-Tube-Sonde (Cook; . Abb. 8.2) oder Beng-
Eine Indikation für spezielle Diabetikernahrungen be- mark-Sonde (Pfrimmer Nutricia). Beide Sonden
steht nicht, da diese durch ihren Gehalt an Zuckeraus- werden in den Magen vorgeschoben und sollen
8 tauschstoffen häufig zu Unverträglichkeitsreaktionen dann durch eine geringe Restperistaltik über den
führen, ohne Vorteile zu bieten. Pylorus in das Jejunum wandern. Die Zeitdauer,
Trinknahrung ist der Sondenkost sehr ähnlich, bis sich die Sonde erfolgreich selbst positioniert
enthält aber eine Geschmackskomponente und hat hat, kann mehrere Stunden betragen; die Ein-
meist eine höhere Energiedichte über 1,5 kcal/ml. Da- dringtiefe ab Nasenloch beträgt – je nach Größe
rüber hinaus besitzt Trinknahrung häufig einen erhöh- des Patienten – etwa 70–90 cm. Eine radiologi-
ten Proteingehalt oder einen geringeren Fettgehalt und sche Lagekontrolle wird empfohlen, um die kor-
ist daher nicht zur ausschließlichen Ernährung zuge- rekte postpylorische Lage zu verifizieren.
lassen. 4 Elektromagnetisch unterstützte Sondenanlage:
Dabei wird die Corflo-Tube-Sonde (CORPAK
Praxistipp MedSystems) mit Hilfe eines Detektors und Mo-
nitors, auf dem der Verlauf der magnetisierten
Trinknahrung sollte nicht über eine Magensonde
Spitze vom Mandrin abgebildet wird, aktiv mit
verabreicht werden, weil sie die Magensonde
dem Ziel der postpylorischen Positionierung
aufgrund ihrer dickflüssigen Konsistenz verstop-
vorgeschoben. Bei erfolgreicher postpylorischer
fen kann.
Anlage zeigt sich auf dem Monitor der typische
bogenförmige Verlauf im duodenalen C. Die
Zeitdauer einer erfolgreichen Anlage ist bei ei-
nem geübten Anwender vergleichbar mit dem
8.1.2 Applikationswege und Sonden endoskopischen Verfahren.
Für die enterale Ernährung werden nasointestinale Bei der Verwendung von Ernährungssonden mit nur
Sonden aus Polyurethan oder Silikon mit einer Liege- einem jejunalen Lumen, z. B. Tiger-Tube-, Bengmark-
dauer von 2–3 Wochen verwendet. Hierbei ist die Ma- oder Corflo-Tube-Sonde, sollte zusätzlich eine Magen-
gensonde der primäre Zugangsweg, da dies der physio- sonde zur gastralen Entlastung bzw. zur Kontrolle ei-
logischen Nahrungsaufnahme am ehesten entspricht. nes gastralen Refluxes angelegt werden. Für die intra-
Bei vielen Intensivpatienten besteht allerdings eine operative oder endoskopische Anlage empfiehlt sich
Magen-Darm-Atonie, z. B. postoperativ, traumatisch die Verwendung einer mehrlumigen Ernährungsson-
oder durch eine Sepsis, die zudem an verschiedenen de mit der gleichzeitigen Möglichkeit der gastralen
Abschnitten unterschiedlich lang dauern kann: Gast- Entlastung, wie z. B. Freka-Trelumina-Sonde (Frese-
roparese 24–48 h, Dünndarmatonie bis zu 24 h und nius Kabi).
Dickdarmatonie 3–5 Tage.
Patienten mit ausgeprägter Gastroparese sind
durch Regurgitation und Mikroaspiration gefährdet,
8.1 · Enterale Ernährung
115 8
700 mosm/l, Dünndarm nur bis 300 mosm/l.
Sondennahrung hat 150–500 mosm/l, Rivotril-
Tropfen haben z. B. 1450 mosm/l, sodass Rivotril-
Tropfen verdünnt werden müssen.
4 Ein niedriger pH-Wert lässt Sondennahrung ge-
rinnen, z. B. haben Atosil-Tropfen einen pH von
2,3, sodass sie alleine verabreicht werden müssen
und die Sonde anschließend mit Wasser gespült
wird.
4 Brausetabletten zur Vermeidung einer Schleim-
a hautirritation in mindestens 50 ml Flüssigkeit
auflösen.
4 Hartgelatinekapseln öffnen und Inhalt in 10–
15 ml Wasser suspendieren.
4 Weichgelatinekapseln in warmen Wasser auflösen
und ggf. Kapselreste entfernen.
b 4 Magensaftresistente und retardierte Arzneimittel
sind zumeist ungeeignet.
. Abb. 8.2 Selbstpositionierende Jejunalsonde. a Tiger- 4 Antazida sind ungeeignet, da sie mit der Nahrung
Tube-Sonde der Firma Cook; b In der Vergrößerung sind die eine gipsartige Masse bilden.
seitlichen »Flaps« sowie Auslässe für Nahrung und Medika- 4 Buccal- bzw. Sublingualtabletten werden enteral
mente zu erkennen evtl. vermindert resorbiert, sodass eine Unter-
dosierung erfolgt.
besonders bei alten Menschen zu Azotämie3, Dehydra- Schließlich können auch Sondenfehllagen auftreten.
tation und Hypernatriämie kommen (»Tube-feeding- Die Lage der Sonde kann klinisch durch Auskultation
Syndrom«). und pH-Wertmessungen des abgesaugten Sekrets
überprüft werden. Mehr Sicherheit über die Lage ver-
> Standardsondenkost hat zumeist nur einen
schaffen aber Endoskopie und Röntgendiagnostik.
Wasseranteil von ca. 80%. Dies sollte bei der
Berechnung des individuellen Flüssigkeitsbe-
darfs berücksichtigt werden. Die zusätzliche
Flüssigkeit sollte enteral, kann aber auch pa-
8.2 Parenterale Ernährung
renteral substituiert werden.
Eine den individuellen Bedarf deckende, totale paren-
Ein häufiges Problem der enteralen Ernährung bei bis terale Ernährung (TPE) sollte erst nach Ausschöpfung
zu 25% der Intensivpatienten sind Diarrhöen, deren aller Möglichkeiten der enteralen Ernährung erwogen
verschiedene Ursachen folgendermaßen gelöst werden werden.
können:
> Eine parenterale Ernährung wird nicht
4 zu kühle Sondenkost o Sondenkost mit Raum-
empfohlen, wenn Patienten in einem aus-
temperatur geben,
reichenden Ernährungszustand spätestens
4 bakterielle Kontamination der Sondenkost o
nach 5–7 Tagen wieder vollständig oral oder
Fertigbeutel und Systeme nur 24 h, Flaschen nur
enteral ernährt werden können.
8 h verwenden,
8 4 ballaststofffreie Sondenkost o besser ballaststoff- Kritisch Kranke, die voraussichtlich auch nach einer
reiche Sondenkost als Standard verwenden, Woche nicht ausreichend oral oder enteral ernährt
4 zu hohe Osmolarität der Sondenkost o Son- werden können, können von Anbeginn der Intensiv-
denkost mit physiologischer Osmolarität ver- therapie (zusätzlich) parenteral ernährt werden. Neu-
wenden, ere Daten der EPaNIC-Studie deuten allerdings darauf
4 Natriummangel bei natriumarmer Sondenkost o hin, dass ein verzögerter Beginn der parenteralen Er-
täglich 1 Teelöffel Kochsalz auf 100 ml Flüssigkeit nährung erst an Tag 8 keinen nachteiligen Effekt auf
via Ernährungssonde, das Outcome von Intensivpatienten hat, sodass bei
4 Laktoseintoleranz o Speziallösung verwenden, Anzeichen von enteralen Verwertungsstörungen (au-
denn Standardlösungen sind laktosearm, aber ßer vielleicht bei bereits mangelernährten Patienten
nicht laktosefrei, und solchen mit Substratverlust wie Dialyse oder Ver-
4 Milcheiweißallergie o Speziallösungen verwen- brennungen etc.) der Aufbau der parenteralen Ernäh-
den, z. B. auf Sojabasis, rung nicht sofort erzwungen werden muss.
4 Malassimilationssyndrom o Oligopeptidlösung Dabei lässt es sich in der klinischen Praxis nicht
verwenden, vermeiden, dass gelegentlich die Indikation zur paren-
4 Medikamente wie Sorbitol, Laktulose, Magne- teralen Ernährung bei Patienten gestellt wird, die dann
sium und Antibiotika o Indikation überlegen, doch schneller als erwartet enteral ernährt werden
ggf. absetzen, können, aber auch, dass bei Patienten, die sich uner-
4 Infektion mit Clostridium difficile ausschließen. wartet verschlechtern, die Indikation zur parenteralen
Ernährung erst spät gestellt wird. Die vollständige pa-
Als eine weitere Komplikation können Sonden ver- renterale Ernährung ist kosten- und personalintensiv,
stopfen. Überzeugende Daten zur Wiedereröffnung der Applikationsweg unphysiologisch und der obligate
gibt es weder zu den »Hausmitteln« (Cola, Ascorbin- zentralvenöse Zugang infektionsgefährdet. Dabei kann
säure, kohlensäurehaltige Getränke, Pepsinwein, der enterale Nahrungsentzug zu einer gestörten intes-
Pankreaslipase in Natriumbikarbonat) noch zu ent- tinalen Integrität und so zur Translokation von Darm-
sprechenden mechanischen Hilfsmitteln wie z. B. den bakterien in das Blut führen – mit einer potenziell ge-
»enteral feeding tube DeCloggers« für die PEG. steigerten Infektionsgefahr bis zum Multiorganver-
sagen. Daher bedarf die ausschließlich parenterale
> Von der Benutzung von Drähten wird Ernährung immer einer eindeutigen Indikationsstel-
dringend abgeraten. Wichtig ist ein aus- lung. Wenn eine parenterale Ernährung unumgänglich
reichendes Spülen der Sonden. ist, dann sollte immer eine Kombination aus enteraler
Darmzottenernährung und parenteraler Ernährung
3 Azotämie meint einen erhöhten Gehalt an harnpflichtigen angestrebt werden, damit die Integrität der Darm-
Substanzen im Blut, z. B. Harnstoff, Kreatinin u. a. schleimhaut erhalten bleibt.
8.2 · Parenterale Ernährung
117 8
8.2.1 Substrate der parenteralen ten Blutzuckerwerten sollte dann die Kohlenhydratzu-
Ernährung fuhr reduziert werden.
Glukose Praxistipp
Glukose gilt als wichtigster Energieträger der paren-
Hingegen sollen Zuckeraustauschstoffe wie Fruk-
teralen Ernährung und wird in Form von Glykogen
tose, Sorbit und Xylit wegen teilweise erheblicher
gespeichert. Die Glykogenspeicher sind bei fehlender
Nebenwirkungen nicht mehr zur parenteralen
Glukosezufuhr schnell erschöpft. Das zentrale Ner-
Ernährung verwendet werden.
vensystem, die Erythrozyten und das retikuloendothe-
liale System sind auf Glukose als Energieträger ange-
wiesen. Deshalb ist eine minimale Glukosezufuhr von
ca. 150 g/Tag bedeutsam, auch zur Vorbeugung einer Aminosäuren
endogenen Glukoseproduktion aus glukoplastischen Aminosäuren werden für den Baustoffwechsel benö-
Aminosäuren. Die Glukoseaufnahme in Muskulatur tigt und sind nicht durch Kohlenhydrate und Fette zu
und Fettgewebe ist insulinabhängig, in Neurone, Ery- ersetzen, können aber im Hungerzustand dem Körper
throzyten und Leber erfolgt sie dagegen insulinunab- als Reservesubstanz zur Energiegewinnung dienen.
hängig. Isotone Glukoselösungen haben einen relativ Dabei werden die in Leber, Milz und Muskel gespei-
niedrigen Kaloriengehalt (z. B. Glukose 5% mit ca. cherten Proteine im Hungerzustand zur Glukoneoge-
200 kcal/l). Deshalb kommen bei einer vollständig nese genutzt und können so lebensnotwendige Kör-
parenteralen Ernährung Glukoselösungen in konzen- perfunktionen aufrechterhalten. Aminosäurelösungen
trierter und somit hypertoner Form zur Anwen- sind ein wesentlicher Bestandteil der vollständigen
dung, was eine zentralvenöse Applikation notwendig parenteralen Ernährung und werden in der Klinik als
macht. Dabei werden 20–40%ige Glukoselösungen 10 und 15%ige Aminosäurelösungen eingesetzt. Auf-
verwendet. grund ihrer hohen Osmolarität ist eine zentralvenöse
Infusion notwendig.
> 1 g Glukose hat einen Energiewert von ca.
4 kcal. In der klinischen Praxis wird die > In der klinischen Praxis werden Aminosäure-
Glukoseinfusion mit 2–3 g/kg/Tag dosiert, die lösungen mit 1–1,5 g/kg/Tag dosiert, die
maximale Dosierung beträgt 6 g/kg/Tag. maximale Dosierung beträgt 2 g/kg/Tag.
500 ml Glukose 40% enthalten 200 g Glukose 1000 ml einer 10%igen Aminosäurelösung
und decken den Tagesbedarf eines 80-kg- enthalten 100 g Aminosäuren und decken
Patienten mit 2,5 g/kg/Tag. den Tagesbedarf eines 80-kg-Patienten mit
1,25 g/kg/Tag. 1 g Protein hat einen Energie-
Ein höheres Glukoseangebot führt zu vermehrten Fett-
wert von ca. 4 kcal.
ablagerungen in den Leberzellen, gleichzeitig steigt die
Kohlendioxidproduktion. Ein »duales« Kalorienre- Zur Gewährleistung einer optimalen Aminosäuren-
gime mit reduzierter Glukose- bei gleichzeitig gestei- verstoffwechselung sollten ausreichend Nichtstick-
gerter Fettzufuhr führt zu einer Abnahme der Kohlen- stoffenergieträger zugegeben werden. Dabei wird
dioxidproduktion mit verminderter Atemarbeit, was ein Aminosäuren-Kalorien-Verhältnis von 1 g Ami-
bei kritisch Kranken mit gestörtem Gasaustausch bei nosäuren pro 20 kcal empfohlen. Höhere Dosierun-
Lungendysfunktion ein sinnvolles Konzept darstellen gen führen zu einer Steigerung des Proteinumsatzes
kann. Eine exzessive Glukoseinfusion kann zur symp- mit einer unnötigen Erhöhung der Harnstoffproduk-
tomatischen Hyperglykämie führen, die zu den häu- tion. Dies gilt jedoch nicht für glutaminenthaltende
figsten iatrogenen Störungen bei totaler parenteraler Dipeptide, die eine Sonderstellung einnehmen. Glut-
Ernährung gehört. amin gilt bei schwerkranken Intensivpatienten als be-
Etwa 60% der Nicht-Eiweiß-Energie sollten als dingt essenziell, da es das entscheidende Energiesub-
Kohlenhydrate zugeführt werden. Dabei ist die Einhal- strat für den Darm und die immunkompetenten Zel-
tung der Normoglykämie anzustreben. Kommt es im len ist.
Rahmen der parenteralen Ernährung bei adäquater
Substratzufuhr zu einem Anstieg des Blutzuckers über Leber- und Nierenlösungen Bei Nieren- und Leber-
150 mg/dl, sollte dieser durch eine kontinuierliche in- insuffizienz ist in den meisten Fällen eine Standard-
travenöse Insulingabe gesenkt werden; dies ist mit ei- aminosäurelösung ausreichend. Für Patienten mit he-
ner verminderten Morbidität und Letalität verbunden. patischer Enzephalopathie Grad III–IV wird der Ein-
Bei Insulindosen >6 IU/h und weiter deutlich erhöh- satz von leberadaptierten Aminosäurelösungen emp-
118 Kapitel 8 · Parenterale und enterale Ernährungstherapie
fohlen, die einen höheren Anteil an verzweigtkettigen »medium chain triglycerides«) mit einem MCT-Anteil
Aminosäuren enthalten. von maximal 50% empfohlen.
Omega-3-Fettsäuren
8.3.1 Substrate für die Diese verdrängen die proinflammatorische n-6-Ara-
Immunonutrition chidonsäure aus den Zellmembranen und stellen selbst
einen Vorläufer antiinflammatorischer Eicosanoide
Glutamin dar. Omega-3-Fettsäuren sind v. a. in Fischöl enthal-
Dies ist eine unter physiologischen Bedingungen ten, Hauptvertreter sind die Eicosapentaensäure und
nichtessenzielle Aminosäure, die das Hauptenergie- die Docosahexaensäure.
substrat von Enterozyten und immunkompetenten
Zellen darstellt. So konnte experimentell gezeigt wer- Antioxidanzien
den, dass Glutamin die Integrität der Darmmukosa Weiterhin werden auch Antioxidanzien, insbesondere
nach Trauma wiederherstellen und eine bakterielle hochdosierte Spurenelemente und Vitamine, zur Im-
Internetlinks
121 8
munonutrition gezählt. Alle genannten immunkom- sowie Tee und Zwieback angeboten. Nach weiteren 2 Ta-
petenten Nährstoffe sind in Kombinationspräparaten gen wird die Trilumensonde bei jetzt intakter gastrointes-
wie z. B. Impact oder Immune-Aid enthalten. DSG tinaler Motilität entfernt. Die Patientin verträgt leichte
und DIVI schreiben in ihren aktuellen Leitlinien: Kost und erhält zur Nahrungsergänzung weiter die hoch-
4 »Der perioperative bzw. postoperative Einsatz kalorische und eiweißreiche Trinknahrung. Am nächsten
von immunmodulierenden Sondennahrungen Tag wird sie in die geriatrische Frührehabilitation verlegt.
(Arginin, Omega-3-Fettsäuren, Nukleotide) bei
elektiven chirurgischen Patienten mit gastrointes-
Literatur
tinalen Tumoren oder Polytraumapatienten, die
enteral ernährt werden können, wird empfohlen.
Braun J, Bein T, Wiese CHR, Graf BM, Zausig YA (2011) Ernäh-
4 Für Patienten mit schwerer Sepsis oder septischem rungssonden bei kritisch kranken Patienten. Anaesthe-
Schock ist der Einsatz von immunnutritiven For- sist 60: 352–365
meln mit einem erhöhten Letalitätsrisiko assoziiert Casaer MP, Mesotten D, Hermans G et al. (2011) Early versus
und kann daher nicht empfohlen werden.« late parenteral nutrition in critically ill adults (EPaNIC). N
Engl J Med 365: 506–517
Heller AR, Ragaller M (2008) Störung des Gastrointestinal-
8.4 Metabolisches Monitoring trakts auf der Intensivstation. Anästh Intensivmed 49:
20–31
Max M (2007) Ernährung des Intensivpatienten: Strategien zu
Das metabolische Monitoring im Rahmen der Ernäh-
Planung und Umsetzung. Anästhesiol Intensivmed Not-
rungstherapie sollte standardisiert erfolgen. Für das
fallmed Schmerzther 42: 592–598
laborchemische Basismonitoring sind folgende Para- Reinhart K, Brunkhorst FM, Bone HG et al. (2010) Prävention,
meter empfehlenswert: Diagnose, Therapie und Nachsorge der Sepsis. Erste Revi-
4 Tägliche Bestimmung von Blutzucker, Natrium, sion der S2k-Leitlinien der Deutschen Sepsis-Gesellschaft
Kalium, Chlorid, Kalzium, Magnesium, Phos- e.V. und der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für
phat, Laktat, Kreatinin (zur Abschätzung der Nie- Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Anaesthesist 59:
renfunktion mittels Cockroft-Gault-Formel oder 347–370
MDRD-Formel nach Levey) und Harnstoff im Weimann A (2013) Immunonutrition in der Intensivmedizin.
Serum, Blutgasanalyse. Med Klin Intensivmed Notfmed 108: 85–95
Ziegler TR (2009) Parenteral nutrition in the critically ill pa-
4 2- bis 3-tägige Bestimmung von Triglyzeriden, Li-
tient. N Engl J Med 361:1088–1097
pase, γ-GT und AP im Serum.
4 1-mal wöchentlich Differenzialblutbild, Gesamtei- Internetlinks
weiß, Albumin, Cholinesterase und Gerinnung.
www.criticalcarenutrition.com/: Kanadische Gruppe um Da-
Die Laborkontrollen sollten entsprechend des klini- ren Heyland, die sich mit Ernährung in der Intensivmedi-
schen Verlaufs adaptiert werden, zu Beginn der Ernäh- zin beschäftigt und auch entsprechende Leitlinien (nut-
rungstherapie in der Akutphase einer Erkrankung sind ritional clinical practice guidelines) publiziert und aktua-
lisiert
engmaschige Kontrollen sinnvoll, während bei stabiler
www.dgem.de/leit.htm: Leitlinien zur enteralen und parente-
Klinik und Langzeiternährung die Messintervalle ver-
ralen Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernäh-
längert werden können. rungsmedizin. Auf dieser Internetseite können einzelne
Kapitel der Leitlinien, u. a. auch zur Intensivmedizin, als
PDF-Dateien herunter geladen werden
Fallbeispiel Teil 2 www.medicom.cc/medicom/inhalte/nutrition-news/index.
Die Patientin erhält eine frühenterale Ernährungstherapie php: Online-Version der Zeitschrift »Nutrition-News« mit
mit bedarfsdeckender parenteraler Substitution von Er- aktuellen Themen zur klinischen Ernährung, Infusions-
nährungssubstraten. Prokinetika und eine thorakale Epi- therapie und Diätetik sowie Mitteilungen der Ernäh-
duralanalgesie kommen zum Einsatz. Darunter kann die rungsgesellschaften AKE, DGEM, GESKES und Kongress-
veranstaltungen
enterale Ernährung bei rückläufigem Reflux stufenweise
www.pharmatrix.de/cms/front_content.php: PHARMATRIX
gesteigert werden. Am 4. postoperativen Tag hat die Pa-
bietet unter anderem Informationen zur Anwendung von
tientin Stuhlgang und am 7. postoperativen Tag kann sie Arzneimitteln im Rahmen einer Sondenapplikation an
komplett enteral mit dem individuell errechneten Kalo- www.fresenius-kabi.de/intensivmedizin.htm: Online-Ange-
rienbedarf ernährt werden. Zusätzlich werden der Patien- bot der Firma Fresenius Kabi mit umfassenden Informa-
tin eine hochkalorische und eiweißreiche Trinknahrung tionen zur klinischen Praxis der enteralen Ernährung in
6 der Intensivmedizin
123 9
Stressulkusprophylaxe
Stefan Kleinschmidt
Literatur – 128
Fallbeispiel Teil 1
Ein 30-jähriger Patient mit Schädel-Hirn-Trauma und Fe- Risikofaktoren für das Auftreten einer
murschaftfraktur befindet sich in intensivmedizinischer stressinduzierten Blutung
Behandlung. Aufgrund der initialen CCT-Diagnostik und Damit sind diese Risikofaktoren gleichzeitig Indi-
des klinischen Status (Glasgow-Koma-Skala 6) wurde kationen für eine Stressblutungsprophylaxe!
eine intraventrikuläre Hirndrucksonde implantiert. 4 Beatmung über mindestens 48 h
Aktuell ist der intrakranielle Druck (ICP) mit 25 mmHg 4 akutes Nierenversagen
kritisch erhöht; daher wird der Patient mit Remifentanil 4 Hämostasestörung (Koagulopathie und/oder
und Propofol analgosediert und erhält zur Hirndrucksen- Thrombozytopenie)
kung intermittierend Mannitol-20%-Infusionen. Die Erst- 4 Hypotension
versorgung der Femurschaftfraktur erfolgte mit einem 4 Grunderkrankungen wie Schädel-Hirn-
Fixateur externe. Der kreislaufstabile Patient ist oral intu- Trauma, Verbrennung oder Polytrauma
biert und assistiert beatmet; der stufenweise enterale
Nahrungsaufbau über eine Magensonde mit einer bilan-
zierten ballaststoffhaltigen Standarddiät wurde am ers- Auch wenn bisher in klinischen Untersuchungen kein
ten posttraumatischen Tag begonnen und gestaltet sich direkter Einfluss einer medikamentösen Stressulkus-
über mehrere Tage problemlos. prophylaxe auf die Mortalität nachgewiesen werden
Am 7. Behandlungstag kommt es innerhalb von 24 h zu konnte, sollte zur Vermeidung dieser Komplikation
einem Abfall der Hämoglobinkonzentration um 2 g/dl; und deren Folgen, z. B. von Transfusionen, bei den
außerdem lässt sich in einer Ernährungspause über die oben aufgeführten Risikofaktoren – insbesondere der
Magensonde rötliche Flüssigkeit aspirieren. Der Stuhl ist prolongierten Beatmung – eine medikamentöse Pro-
dunkel gefärbt. Aufgrund des klinischen Bildes wird un- phylaxe erfolgen. Dies bedeutet im Umkehrschluss:
9 ter dem Verdacht einer oberen gastrointestinalen Blu-
> Nicht alle Patienten auf der Intensivstation
tung eine Notfallendoskopie (Gastroduodenoskopie)
benötigen zwangsläufig eine medikamen-
durchgeführt. Hier zeigt sich im Magenkorpusbereich
töse Stressulkusprophylaxe!
ein Ulkus mit einer Sickerblutung (Klassifikation For-
rest Ib). Diese Blutung wird als Stressulkusblutung einge- Trotzdem gibt es viele Intensivstationen, auf denen »si-
stuft und der sichtbare Gefäßstumpf mit Clips verschlos- cherheitshalber« jeder Patient eine Stressulkusprophy-
sen, woraufhin die Blutung sistiert. Eine Transfusion ist laxe erhält.
nicht notwendig. In Anlehnung an die aktuelle Literatur
erfolgt eine medikamentöse Therapie mit einem Proto- kRepetitorium Physiologie der Magensekretion
nenpumpeninhibitor (Pantoprazol) über insgesamt In der Magenmukosa befinden sich verschiedene Zell-
3 Tage. Die enterale Ernährung wird für 3 Tage unterbro- typen, die im komplexen Ablauf der Nahrungsaufnah-
chen und der Patient in dieser Zeit parenteral ernährt. me und Verdauung unterschiedliche Funktionen er-
füllen. Dies sind im Einzelnen:
Das Fallbeispiel zeigt eine typische Risikokonstellation 4 Die Nebenzellen sind hauptsächlich im Fundus
für das Auftreten einer sog. »Stressblutung« als Maxi- und Korpus lokalisiert und für die Schleimpro-
malvariante einer stressinduzierten Läsion (»stress duktion verantwortlich,
related mucosal disease«, SRMD). Auch wenn sie nur 4 die Hauptzellen produzieren Pepsinogene zur
bei etwa 4% aller Intensivpatienten auftreten, führen Eiweißverdauung,
klinisch relevante Stressblutungen zu einer deutlichen 4 die Belegzellen (= Parietalzellen) bilden Salzsäure
Erhöhung der Mortalität. Es handelt sich hier um ei- (HCl), die sog. Magensäure,
nen über mehrere Tage beatmeten Patienten mit einer 4 die G-Zellen befinden sich im Magenantrum und
schweren Grunderkrankung (Schädel-Hirn-Trauma), produzieren Gastrin. Gastrin selbst stimuliert die
bei dem es trotz klinischer Kreislaufstabilität offen- Bildung von Salzsäure in den Belegzellen und von
sichtlich zu einer lokalen Hypoperfusion der Splanch- Pepsinogen in den Hauptzellen.
nikusregion kommt. Eine gleichzeitig verstärkte gas-
trale Säuresekretion führt dann zu einem intramukosa- Während die Schleimproduktion kontinuierlich er-
len pH-Abfall, wodurch die Entstehung der Läsion folgt und unabhängig von einer Nahrungsaufnahme
begünstigt wird. ist, erfolgen Bildung und Freisetzung von Magensäure
und Pepsinogen im Zusammenhang mit der Nah-
rungsaufnahme: Während der Nahrungsaufnahme
wird in den Belegzellen die Produktion von Magensäu-
9.2 · Medikamentöse Prophylaxe
125 9
re gesteigert, indem die Protonenpumpen »aktiviert«
werden. Die von den Nebenzellen freigesetzten Pepsi- Wesentliche medikamentöse Optionen
nogene werden durch die Magensäure zu Pepsinen der Stressblutungsprophylaxe
umgewandelt. Diese haben ihre optimale Wirkung bei 4 Sucralfat
einem pH-Wert von 2–3,5 und werden durch ein neu- 4 Histaminrezeptor-2-Antagonisten
trales bzw. alkalisches Milieu irreversibel geschädigt. 4 Protonenpumpeninhibitoren (PPI)
Die Stimulation der Säureproduktion wird über
folgende Rezeptoren vermittelt:
4 Histaminrezeptoren, wobei an der Belegzelle die Antazida und Anticholinergika wie Pirenzepin (z. B.
H2-Rezeptoren lokalisiert sind, Gastrozepin) haben in den letzten Jahren erheblich an
4 cholinerge Rezeptoren des Subtyps M1 (muska- Bedeutung verloren.
rinartige Rezeptoren), deren Aktivierung über 4 Antazida binden lediglich bereits sezernierte
den N. vagus erfolgt, Magensäure und gelten aufgrund der Belastung
4 Rezeptoren für Gastrin. des Organismus mit Aluminium oder Mag-
nesium als nicht mehr geeignet.
Diese Rezeptortypen bilden u. a. die Grundlage für die 4 Pirenzepin als Anticholinergikum an muskari-
pharmakologischen Interventionsmöglichkeiten zur nergen M1-Rezeptoren führt kaum zu einer
Stressblutungsprophylaxe, wie sie im Folgenden be- Anhebung des Magen-pH-Werts, dafür aber
schrieben werden. potenziell zu Tachykardien und wird daher kaum
noch eingesetzt.
9.1 Mukosaschädigung
9.2.1 Sucralfat
Die Entstehung der stressinduzierten Mukosaschädi-
gung ist multifaktoriell bedingt und nicht in allen Ein- Sucralfat (z. B. Ulcogant) ist ein wasserunlösliches
zelheiten geklärt. Zu den wesentlichen Faktoren ge- Aluminiumsukrosesalz und führt über die Bildung ei-
hört vermutlich eine lokale Verminderung der nes »Schutzfilms« auf der Magenschleimhaut zu einer
Splanchnikusperfusion mit Entstehung ischämischer Zellprotektion, wobei es – über eine Steigerung der
Areale; dies kann mit Blutdruckinstabilität und Prostaglandinsynthese – auch zu einer Durchblu-
Hypotonie einhergehen, aber auch bei klinischer tungsverbesserung kommt.
Kreislaufstabilität auftreten. Auch ein funktionelles Sucralfat kann in Form einer Suspension über die
Ungleichgewicht zwischen schleimhautprotektiven Magensonde (nicht Jejunalsonde!) verabreicht werden,
und schleimhautaggressiven Faktoren spielt eine Rol- wobei darauf geachtet werden muss, dass die Sonde
le, möglicherweise auch die Ausschüttung bzw. das mit Wasser nachgespült werden muss, um ein Verstop-
Überwiegen proinflammatorischer Zytokine. Als Fol- fen zu verhindern.
ge einer Gewebsazidose können Ulzerationen entste-
hen. Durch die Wirkung von Pepsin (Eiweißverdau- jDosierung
ung) kommt es zudem zu einer lokalen Beeinträchti- 1 g alle 4–6 h als Suspension über die Magensonde,
gung der Hämostase, was die Entstehung von dann nachspülen!
Blutungen weiter begünstigt.
jNebenwirkungen
Werden neben Sucralfat weitere Medikamente simul-
9.2 Medikamentöse Prophylaxe tan über die Magensonde verabreicht, muss eine ver-
minderte Resorption dieser Pharmaka in Kauf genom-
Oberstes Ziel einer Stressulkusprophylaxe ist die An- men werden!
hebung des Magen-pH-Werts über Werte von 4–6, Bei längerer Anwendung (ab etwa 1 Woche) sollte
insbesondere um eine Inaktivierung des Pepsins zu der Aluminiumspiegel im Plasma kontrolliert werden.
bewirken und damit die lokale Hämostase zu stabili-
sieren. Es ist selbstverständlich, dass parallel zur ! Cave
Stressblutungsprophylaxe eine Therapie der Grunder- Bei Patienten mit Nierenfunktionsstörungen
krankung erfolgt, z. B. bei schwerer Sepsis nach den sollte die Indikation zur Gabe von Sucralfat
Sepsisleitlinien. kritisch gestellt werden.
126 Kapitel 9 · Stressulkusprophylaxe
9
9.2.2 Histaminrezeptor-2- 4 Oral/per Magensonde: 2 x 150 mg/Tag (Tablette
Antagonisten ggf. »mörsern«).
Vertreter dieser Substanzgruppe (z. B. Ranitidin, Famo- Bei einer Kreatininclearance <30 ml/min sollte eine
tidin) hemmen kompetitiv den H2-Rezeptor der Beleg- Dosisreduktion um etwa 50% erfolgen. Wird ein Pa-
zellen und blockieren somit die histaminvermittelte tient intermittierend dialysiert, sollte die Gabe nach
Säuresekretion (. Abb. 9.1). H2-Rezeptorenblocker der Dialyse erfolgen.
konnten in klinischen Studien gegenüber Placebo und Bei H2-Rezeptorantagonisten wird bereits nach
Sucralfat die Inzidenz klinisch relevanter Blutungen, je- relativ kurzer Zeit (bei Ranitidin nach etwa 3–4 Tagen)
doch nicht die Letalität beatmeter Intensivpatienten eine Tachyphylaxie beobachtet, was evtl. eine Dosiser-
senken. Die Halbwertzeit dieser Substanzen ist mit höhung notwendig macht.
2–3 h relativ kurz, sodass eine intravenöse oder gastrale
Applikation mehrmals täglich erfolgen muss. Alternativ jNebenwirkungen
kann auch eine kontinuierliche i.v.-Gabe erfolgen. Be- Typische Nebenwirkungen können sein: Kopfschmer-
züglich der Anhebung des Magen-pH-Werts sind beide zen, Halluzinationen, Bradykardie (insbesondere bei
Applikationsformen ebenbürtig, wobei die kontinuier- zu schneller Bolusapplikation!). Ebenso kann eine
liche i.v.-Gabe mittels Infusionspumpe Vorteile bezüg- Thrombozytopenie auftreten. Cimetidin als ein Ver-
lich der Steuerung des pH-Werts aufweist. treter der H2-Rezeptorantagonisten hemmt das Cyto-
Unter evidenzbasierten Kriterien sind H2-Rezeptor- chrom-P450-(CYP)-System, sodass der Metabolismus
antagonisten zugelassene Standardsubstanzen zur verschiedener Pharmaka, u. a. von Midazolam, verzö-
Stressblutungsprophylaxe und dem Sucralfat überlegen. gert werden kann!
jDosierung Praxistipp
für Ranitidin (z. B. Sostril, Ranitic)
Um eine bestehende Thrombozytopenie nicht zu
4 Intravenös: 3- bis 4-mal 50 mg/Tag langsam in
aggravieren, sollten Patienten mit Thrombozyten-
0,9%iger NaCl-Lösung verdünnt applizieren oder
zahlen <50.000/μl keine H2-Blocker erhalten.
200 mg kontinuierlich über Perfusor verabrei-
Stattdessen kann auf Protonenpumpeninhibito-
chen (Perfusoransatz: 200 mg Ranitidin mit
ren (PPI) ausgewichen werden.
0,9%iger NaCl-Lösung auf 50 ml verdünnen;
Laufgeschwindigkeit 2 ml/h).
9.3 · Begleitende Maßnahmen zur medikamentösen Prophylaxe
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9.2.3 Protonenpumpen inhibitoren lich über 3 Tage. Beispiel für einen Perfusoran-
(PPI) satz: 200 mg Pantoprazol mit 0,9%iger NaCl-
Lösung auf 50 ml verdünnen; dies entspricht
jWirkmechanismus 4 mg/ml. Die Laufgeschwindigkeit beträgt dann
PPI sind pharmakologisch sog. »Prodrugs«. Sie wer- 2 ml/h.
den im sauren Milieu des Magens in den Belegzellen
aktiviert und in die eigentliche Wirksubstanz umge- jNebenwirkungen
wandelt. Sie wirken hochselektiv durch eine irreversi- Da PPI das Cytochrom-P450-System (CYP 2C19) inhi-
ble Hemmung der aktiven H+/K+-ATPasen (»Proto- bieren, können prinzipiell Interaktionen mit anderen
nenpumpen«) und damit selektiv auf die Säuresekre- Pharmaka auftreten (z. B. Wirkverstärkung von Cyc-
tion an der Endstrecke. Im Gegensatz zu den losporin, Phenytoin, Diazepam), wobei nach den bis-
H2-Rezeptorenblockern hemmen PPI sowohl die his- herigen Erkenntnissen die Wechselwirkungsrate bei
tamin- als auch die vagusvermittelte Säuresekretion. Pantoprazol offenbar am geringsten ist. Aktuell wurde
PPI gelten daher als die potentesten antisekretorischen berichtet, dass PPI durch eine CYP-Interaktion die
Substanzen im Magen. Wirkung von Clopidogrel abschwächen können, wo-
Im Vergleich zu den H2-Rezeptorantagonisten durch sich möglicherweise ein Risiko für KHK-Patien-
führen PPI wahrscheinlich nicht zu einer geringeren ten ergeben könnte, die Clopidogrel z. B. nach Stent-
Stressblutungsrate. Durch die sichere Anhebung des implantation benötigen.
Magen-pH auf etwa 6 wird Pepsin jedoch zuverlässig
inaktiviert.
> Trotz ihrer potenten und dauerhaften anti-
9.3 Begleitende Maßnahmen zur
sekretorischen Wirkung ohne Tachyphylaxie
medikamentösen Prophylaxe
gibt es in Deutschland derzeit keine Zulas-
sung der PPI zur Stressblutungsprophylaxe.
9.3.1 Monitoring des Magen-pH-Werts
Da PPI nur die aktiven H+/K+-ATPasen (»Protonen- Das therapeutische Ziel bei der Stressblutungsprophy-
pumpen«) hemmen, kann es bis zu 2 Tage dauern, bis laxe und auch bei der Prophylaxe der Rezidivblutun-
der maximale pharmakologische Effekt erreicht ist. Da gen ist die Anhebung des Magen-pH-Werts >4 bzw. im
eine Zulassung der PPI für die Prophylaxe fehlt, beru- Idealfall >6, um über die Pepsininaktivierung die loka-
hen die folgenden Dosierungsbeispiele auf Angaben in le Hämostase zu stabilisieren. Daher erscheint es sinn-
der Literatur. voll, bei Hochrisikopatienten eine Bestimmung des
Klinisch wichtig ist die Tatsache, dass PPI in der Magensaft-pH-Werts vorzunehmen. Bezüglich der
Prophylaxe von Rezidivblutungen (diese treten bei Häufigkeit und der Art der Messung (spezielle Sonden,
etwa 20% aller Patienten auf!) den H2-Rezeptoranta- pH-Papier) gibt es jedoch keine Empfehlungen wissen-
gonisten und auch Sucralfat überlegen sind und dann schaftlicher Gesellschaften.
als Substanzgruppe der 1. Wahl gelten. Wie im Fallbei- Der pH-Wert des Aspirats über die Magensonde
spiel erläutert, besteht die Rezidivprophylaxe aus einer ist nicht zwingend mit dem pH-Wert an der Muko-
Bolusgabe und einer kontinuierlichen Applikation saoberfläche identisch; zudem gibt es z. B. beim pH-
über 3 Tage. Im folgenden Beispiel wird Pantoprazol Papier methodische Probleme der Bestimmung und
erwähnt; es ist jedoch auch die Gabe von Esomeprazol Ablesung bei laufender enteraler Ernährung. In der
möglich. Wichtig für die Arbeit auf der Intensivstation klinischen Praxis wird daher der Magen-pH-Wert –
ist die Beschränkung auf ein Präparat, um Dosierungs- wenn überhaupt – ausschließlich bei Hochrisikopati-
fehler zu vermeiden. enten gemessen, die eine medikamentöse Stressblu-
tungsprophylaxe erhalten.
jDosierung
Beispiel für Pantoprazol (z. B. Pantozol)
4 Zur Stressblutungsprophylaxe: 40 mg/Tag oral 9.3.2 Stressulkusprophylaxe
oder per Magensonde (Tablette »mörsern«) oder und Pneumoniegefahr
langsam i.v. Eine Dosisanpassung ist lediglich bei
schwerer Nieren- und Leberinsuffizienz notwen- PPI und H2-Rezeptorantagonisten führen nicht zu ei-
dig. ner höheren Rate nosokomialer Pneumonien im Ver-
4 Zur Rezidivblutungsprophylaxe: 80 mg i.v. als gleich zu Sucralfat. Daher ist es nicht gerechtfertigt,
Kurzinfusion, anschließend 8 mg/h kontinuier- einem Patienten aus Furcht vor einer nosokomialen
128 Kapitel 9 · Stressulkusprophylaxe