VON WASSERFARBEN
FÜR AQUARELL, GOUACHE
UND BUCHMALEREI
Klaus-Peter Schäffel
12. Januar 2011
Der Artikel erschien 2007 im Verlag der Basler Papiermühle unter dem Titel
«Wasserfarben aus Naturmaterialien selber machen»
INHALT
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VORWORT
Die Herstellung historischer Malfarben wird in man- dertjähriges Experimentieren hat dort sogar neue, in
chen Publikationen gern als geheimnisvolle, alchemisti- alten Rezepten nicht überlieferte Farben erschlossen. Die
sche Handlung verkauft. Fast immer ist von leider mineralischen Farbmittel werden jedoch in diesen Krei-
verstorbenen alten Mönchen die Rede, die dem jeweili- sen bewußt ausgegrenzt unter Hinweis auf deren «Erden-
gen Autor mit letzter Kraft ihre verschwiegene Kunst schwere». Das mag bei den typischen Farberden Ocker
offenbart haben. Kommt eine gewisse Art von Journali- und Umbra mit ihren deckenden, gebrochenen Gelb-,
sten ins Spiel, müssen noch Jungfrauen zitiert werden, Rot- Violett- und Brauntönen durchaus gerechtfertigt
die bei Vollmond Knoblauch kauen und dazu Frauen- sein. Weniger leicht einsehbar erscheint diese Charakte-
milch absondern. Anschließend wird von gegerbten risierung bei der Betrachtung einer goldgelben Terra di
Eselshäuten, Schildläusen und Sonnenblumenkernen Siena oder einer lichten grünen Erde, ganz zu schweigen
berichtet und daß die wichtigste Chemikalie gefaulte von der «ätherischen Licht-Aura» echten Lapislazulis
Pisse sei. (verglichen mit der «Erdenschwere» von pflanzlichem
Die Realität ist weit prosaischer. Die Farbentechnolo- Indigo). Wie zu sehen sein wird, müssen die meisten
gie der Alten ist außerordentlich gut dokumentiert; die pflanzlichen Farbstoffe zur Verwendung in der Malerei
meisten handwerklichen Methoden zur Farbenherstel- ohnehin auf einen mineralischen Träger wie Kreide,
lung sind in mittelalterlichen Rezeptbüchern detailliert weiße Erde oder Alaun aufgefärbt («verlackt» → 51) wer-
überliefert; einige hundert davon wurden in modernen den oder erhalten ihre spezielle Färbung überhaupt erst
Editionen übersetzt und können von jedem, der sich von den beigefügten Metallsalzen, so daß dann von einer
dafür interessiert, eingesehen und in die Praxis umgesetzt reinen Pflanzenfarbenmalerei keine Rede mehr sein
werden. Natürlich gibt es auch bei den alten Autoren kann.
Schaumschläger oder Kopisten, die in Unkenntnis der
Praxis Fehler überliefern, doch in der Regel spricht aus Natürliche oder chemische Farben?
einem maltechnischen Traktat des elften oder vierzehn- Mit dem wachsenden Interesse für elementare Dinge
ten Jahrhunderts eine aufgeklärte Vernunft, die uns hat sich mancherorts die Hoffnung kundgetan, «Natur-
modern anmutet. farben» seien stets «gute» Farben, und die Unabhängig-
Historische Farben sind einfache Farben. Als Rohstof- keit von Produkten der chemischen Großindustrie kön-
fe dienen Mineralien, Metalle und Pflanzen, die uns auch ne nur ein Gewinn sein. Wie sich jedoch zeigen wird, sind
heute zur Verfügung stehen, und die Methoden zur Ge- gerade natürliche Farbmaterialien oft gar nicht so harm-
winnung sind so simpel, daß zur Herstellung eines eige- los, wie man gern glauben möchte. Es wäre heute verbo-
nen Farbkastens ein wenig handwerkliches Geschick ten, einen Farbkasten mit der vollständigen Palette hi-
genügt. storischer Farben auf den Markt zu bringen. Wahrschein-
lich ist deshalb bisher noch keine Anleitung zu diesem
Mineralfarben und Pflanzenfarben Thema erschienen.
Die Farben der Malerei lassen sich in zwei Kategorien In der belebten Natur erfüllen Farben eine wichtige
einteilen: Organische und anorganische. Anorganische Aufgabe: Anlocken, abwehren, warnen, tarnen. Kräftige
Farbmittel stammen von «totem» Material wie Gestei- Farben dienen manchmal als Warnzeichen für Giftigkeit,
nen/Erden, Mineralien und Metallen oder deren Verbin- zum Beispiel bei gewissen Pfeilfröschen, Korallenschlan-
dungen. Zu den organischen Farben zählt man Kohlen- gen oder unseren heimischen Wespen und Hornissen.
wasserstoffe aus «lebender» Materie, wie aus Pflanzen Andererseits gibt es auch leuchtend farbige, aber ungifti-
und Tieren, aber auch solche aus fossilem biologischem ge Blüten und schlimme farblose Gifte. Die kräftig getön-
Material wie Erdöl und Steinkohle. Schwieriger einzu- ten natürlichen Mineralfarben sind (außer Lapislazuli
ordnen sind Farbmittel, die aus Grundstoffen ehemals und Hämatit) alle giftig (→ 24). Sie enthalten Schwerme-
organischer Herkunft synthetisiert wurden oder ganz talle wie Blei, Quecksilber, Kupfer und Arsen. Sogar bei
einfach Verbrennungsprodukte aus organischen Roh- den meist harmlosen Pflanzenfarben gibt es einige, die
stoffen sind, wie z.B. elementarer Kohlenstoff aus ver- gesundheitsschädlich sind (→ 54).
brannten Pflanzenteilen, Knochen und fossilen Energie- Viele «Naturfarben» sind unbeständig oder mit ande-
trägern. Hier hat eine Umwandlung von organischem in ren Farben unverträglich. Einige sind schwierig zu verar-
anorganisches Material stattgefunden, ähnlich wie bei beiten oder ganz einfach selten und kostbar. Eine Um-
der Diamantherstellung aus verstorbenen Personen. stellung unserer Pigmentindustrie auf rohe Naturmate-
Farben aus lebenden Pflanzen genießen heute wieder rialien wäre deshalb kaum realistisch. Es gibt keinen
besondere Aufmerksamkeit. Aus der Malerei anthropo- qualitativen Unterschied, ob die Kriege in gewissen
sophischer Kreise sind sie nicht wegzudenken; fast hun- Gegenden der Erde um Erdöl (Rohstoff für synthetische
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Farben und Bindemittel) oder um Lapislazuli und Mala- der Praxis auf Pflanzen- und Erdfarben beschränken
chit (Rohstoffe für Naturfarben) geführt werden. Hinge- müssen: Sie finden sich an vielen Orten auf der Welt,
gen ist der vermehrte Anbau von nachwachsenden Farb- lassen sich mit einfachen Küchenutensilien verarbeiten
stofflieferanten, sprich Färberpflanzen, ebenso wün- und können Kindern bedenkenlos anvertraut werden,
schenswert wie die Pflege der naturnahen Nahrungsmit- da sie im allgemeinen ungiftig sind. Doch auf wirklich
telproduktion. reine, deckende, haltbar leuchtende Farbtöne wird man
Bei den Mineralfarben gibt es für eine klare Trennung dabei verzichten müssen. Solche Forderungen erfüllten
von «natürlichen» und «künstlichen» kaum eine Recht- vor der Industrialisierung nur die Mineralfarben, natür-
fertigung. Seit den Anfängen der Malerei hat man «syn- liche und auch künstliche.
thetische» Farben verwendet, zum Beispiel Holzkohle Durch das reiche Angebot billiger, gebrauchsfertiger
oder gebrannte Erden. Künstliche Bleipigmente wurden Farbmittel sind wir heute daran gewöhnt, großzügig und
schon in der griechischen Antike beschrieben. Spätestens großflächig mit Farben umzugehen. Unsere Kleidung
seit der Bronzezeit kannte man den Grünspan, der auf und Umgebung sind bunter als nie zuvor. Farben sind in
jeder kupferhaltigen Metalloberfläche als Patina ent- fast jedem industriellen Nahrungsmittel, Toilettenarti-
steht, wenn man nur lange genug wartet. Aus dem Mit- kel und Verbrauchsgut enthalten. Wem es einfallen
telalter sind zahlreiche Rezepte überliefert, nach denen sollte, einen Wasserfarbkasten mit reinen Naturfarben
man Malachit durch «chemische» Behandlung grüner in Umlauf zu bringen, der dürfte zuschauen, wie ah-
und Azurit blauer machen konnte. Für die Synthese von nungslose Konsumenten echtes Gold mit großen Gesten
Zinnober aus Quecksilber und Schwefel gibt es seit dem breitschmieren oder Lapislazuli sorglos mit anderen
8. Jahrhundert überlieferte Rezepte; das künstliche Farben verschmutzen würden. Welche Gefahren sind in
Produkt ist qualitativ besser und weniger giftig (weil den in bis zu 5000 Meter Höhe liegenden afghanischen
weniger verunreinigt) als das natürliche. Es wäre sinn- Minen damit verbunden, den Rohstein aus den Felsen zu
voll, weniger zwischen synthetisch und natürlich zu brechen! Auf Eselsrücken wird er Hunderte von Kilome-
unterscheiden als vielmehr zwischen industriell und tern durch den Himalaya geschmuggelt und schließlich
vordindustriell, wobei letzteres Methoden einschließt, für bis zu 10 Franken pro Gramm auf unseren Minera-
die mit relativ einfachen Mitteln in einer normalen Kü- lienmessen verkauft. Beim Ausglühen (→ 40) kann man
che ausführbar sind. Für die Herstellung des Zinnobers, sich leicht die Finger verbrennen; beim Pulverisieren holt
des Bleizinngelbs, des Aurum musicum oder gar Ägyp- man sich Blasen und beim Kneten mit Harz und Wachs
tischblaus wird man allerdings kaum an der Einrichtung Muskelkater – wer diese Erfahrungen gemacht hat, wird
eines chemischen Versuchslabors vorbeikommen. sich hüten, mit der Materie zu aquarellieren und den
Kurioserweise war für einen mittelalterlichen Maler halbvollen Pinsel im schmutzigen Malwasser auszuwa-
und Autor eines Traktats über die Farbenherstellung («de schen. Farben aus Edelsteinen wollen in Sorgfalt und
arte illuminandi», 14. Jh.) sogar die Herstellung einer Hingabe gefaßt werden. Aus diesem Grunde ist in den
grünen Saftfarbe aus den Beeren des Kreuzdorns (→ 66) folgenden Anleitungen immer wieder von Buchmalerei
nur durch «artificium», also künstliche Behandlung die Rede, wo die Schönheit der Naturfarben vielleicht am
realisierbar, während wir heute dieselbe Farbe als reine besten zur Geltung kommt. Doch diese Betrachtungswei-
Naturfarbe bezeichnen würden. se entspringt einer persönlichen Leidenschaft des Autors.
Wer seine Wasserfarben selber macht, soll auch damit
Die Verwendung selbstgemachter Wasserfarben malen dürfen, was er will.
Wer aus ökologischem oder pädagogischem Interesse
mit historischen Farben arbeiten möchte, wird sich in
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I. TEIL
REZEPTE ZUR HERSTELLUNG
VON WASSERFARBEN
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3. Die Zusammensetzung span (löslich in Essig) und Drachenblut (löslich in Öl,
Alkohol oder anderen organischen Lösungsmitteln).
von Wasserfarben Die Verarbeitung von pflanzlichen Farbstoffen ist im
Wasserfarben bestehen aus vier Bestandteilen: dritten Teil dieses Buches beschrieben.
1. Das Pigment als farbgebender Teil (→ 4).
2. Das Bindemittel als verbindender Teil (Leim; → 5). Unterschied zwischen Pigmentenund Farbstoffen:
3. Der Weichmacher zur Erhöhung der Elastizität (→ 6). Pigmentteilchen sind deutlich größer als Farbstoff-
4. Als Lösungsmittel für Bindemittel und Weichmacher partikel. Neben einem Wassermolekül ist ein Pigment-
sowie als Malmittel dient Wasser (→ 7). Auch in der korn ein Ungetüm, während ein Farbstoffmolekül sich
«getrockneten» Farbe sind je nach Weichmacheranteil etwa auf gleicher Ebene mit den Wassermolekülen
noch gewisse Mengen von Wasser enthalten. mischt. Deshalb schweben Farbstoffe im Wasser (Tinte),
während Pigmente mit der Zeit einen Bodensatz bilden
(Tusche). Pigmente bleiben in Kaffeefiltern hängen;
Farbstoffe gehen hindurch. Eine Ausnahme bilden die
Pigmente Flammruß (→ 46) und Indigo (→ 65). Sie
können so feinteilig sein, daß sie durch Filterpapiere
(und Fliegenmägen → 6; 50) hindurchgehen.
In den meisten Maltechniken werden ausschließlich
körperhafte Pigmente verwendet, weil nur sie pastos
vermalbare, deckende und beständige Farbschichten
ermöglichen. Farbstoffe werden eher der Färberei zuge-
ordnet. In Malfarben tendieren sie zum Auslaufen («Blu-
ten»).
Die Buchmalerei ist eine der wenigen Techniken, in
der sowohl Pigmente als auch Farbstoffe unmittelbar
Schema für die Zusammensetzung von Wasserfarben
verwendet werden.
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(Talens). In beiden Produkten sind Konservierungsmittel sierte. Honig hat wegen der enthaltenen natürlichen
sowie vermutlich bereits Weichmacher (→ 6) enthalten, Antibiotika eine konservierende Wirkung. In verdünn-
da sie erheblich elastischer eintrocknen als die selber ten Lösungen können sowohl Zucker als auch Honig in
hergestellte Lösung, die 50%ig ist. Gärung übergehen (Rum, Met).
Ansetzen der Gummi arabicum-Lösung: Ansetzen der Zuckerlösung: Zwei Gewichtsteile Zucker
1 Zerkleinern: Größere Brocken im Mörser oder mit (weiß oder roh) mit einem Teil Wasser ansetzen. Die
dem Hammer zerschlagen; eventuell in Reibschale pul- vollständige Auflösung kann bei Zimmertemperatur bis
verisieren. zu einer Woche dauern. Mit einer Reibschale kann der
2 Filtrieren: Gummi arabicum-Körner mit der unge- Prozeß beschleunigt werden. Noch besser ist das Erhitzen
fähr dreifachen Menge Wasser ansetzen; mindestens 24 während 5 bis 10 Minuten (verdunstendes Wasser erset-
Stunden quellen lassen (Erwärmung auf höchstens 50°C zen). Die Zuckerlösung sollte man ebenso wie die Binde-
beschleunigt die Auflösung). Durch Baumwolltuch fil- mittellösung im Kühlschrank aufbewahren.
trieren, um die enthaltenen Holz- und Rindenstücke
herauszuziehen. Dann auf glatter, biegsamer, wasserfe- 7. Wasser
ster Unterlage eintrocknen lassen. Nach etwa einer Wo- Das verwendete Wasser sollte möglichst destilliert
che löst sich das Filtrat in Scherben ab, sofern keine oder zumindest weich (kalkarm) und abgestanden sein.
Weichmacher zugegeben wurden. In dieser Form kann es Historische Rezepte empfehlen z.B. Regenwasser aus
aufgehoben werden und jederzeit in einigen Stunden in Baumhöhlungen.
der gewünschten Konzentration wieder gelöst werden.
Statt eigenem Filtrat kann auch Gummi arabicum- 8. Ochsengalle
Pulver aus dem Farbengeschäft verwendet werden. Ochsengalle ist ein sogenanntes Netzmittel. Es setzt
3 Ansetzen der 50%igen Stammlösung: Bei Be- die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten herab und
darf 1:1 in destilliertem Wasser lösen. Die beste Konsi- verhindert ihr Abperlen (von Pigmenten, aber auch von
stenz ist etwa 3–10 Tage nach dem Ansetzen erreicht. Malgründen). Manche Pigmente (z.B. Flammruß, Grün-
Ohne Konservierungsmittel kann die Lösung nach eini- span, Karmin) verhalten sich wie rohes Kakaopulver,
gen Woche anfangen, säuerlich zu riechen und zu faulen wenn sie mit der Bindemittellösung in Berührung kom-
(vor allem weißes und gebleichtes Gummi arabicum). men. Setzt man dann einen Tropfen Ochsengalle hinzu,
Zum längeren Aufbewahren mit einem Konservie- lassen sich die Teile rascher vermengen. Beim Anreiben
rungsmittel (→ 9) versetzen. Steriles Gefäß verwenden; auf der Glasplatte mit dem Palettmesser läßt sich auf
kühl stellen. Ochsengalle verzichten, da sich die Abstoßungskräfte
nach einer Weile auch mechanisch überwinden lassen.
6. Weichmacher Beim Malen in großflächiger Aquarellmalweise er-
leichtert Ochsengalle das Verteilen der Farbe, vor allem
Weichmacher sind hygroskopische Zusätze (Honig,
auf harzgeleimten Papieren. Diese Beobachtung hat viele
Zucker, Glyzerin), die das vollständige Austrocknen
Maler dazu veranlaßt, Ochsengalle als Hilfsmittel zum
und damit Sprödewerden der Farbe verhindern.
Beschriften und Bemalen von Pergament zu empfehlen.
Weichmacher verbessern außerdem die Vermalbarkeit
Davon ist entschieden abzuraten! Ochsengalle verbessert
der Farbe. Die folgenden Rezepte basieren auf weißem
zwar die Netzung, aber nicht die Haftung der Farbe. Eine
Kristallzucker oder braunem Rohzucker (Glucose).
spröde Gouachefarbe, auf einem glatten Pergament mit
Moderne Weichmacher wie Glyzerin (ein 3-wertiger
Hilfe von Ochsengalle vermalbar gemacht (Praxis bei
Alkohol) haben allerdings den Vorteil, daß sie die Flie-
zahlreichen Heraldikern), wird früher oder später groß-
gen nicht anziehen (→ 50) und weniger gären und
flächig abplatzen. Viel besser ist es, das Pergament vor
schimmeln können.
dem Bemalen mit dem Radiergummi zu entfetten
Zuckerwasser und Honig: In einem Liter und/oder mit feinem Schmirgelpapier anzurauhen, die
Wasser lösen sich bei 20°C 2039 g Glucose (Rohrzucker).
Farbe mit einigen Tropfen Zuckerwasser geschmeidig zu
Kochendes Wasser kann sogar die doppelte Zucker-
machen und in mehreren dünnen Schichten aufzutragen.
menge aufnehmen, also mehr als 4 kg pro Liter, wovon
beim Abkühlen allerdings die Hälfte wieder auskristal-
lisiert. Eine gesättigte Zuckerlösung kann bei Zimmer- 9. Weitere Zusätze
temperatur höchstens zwei Drittel (66%) Zucker enthal- Als weitere Zusätze können unter Umständen Mittel
ten. gebraucht werden, die den Farbton des Pigments vertie-
Der Zuckergehalt von Honig liegt zwischen 60 und 80 fen (z.B. eine Spur Wachs oder Öl zum Lapislazuli-
Prozent Fructose, kann also sogar höher sein als der von Pigment), eventuell entstehenden Schaum auflösen
gesättigter Zuckerlösung. Gemäß «De arte illumi- (Ohrenschmalz oder ein anderes Öl) oder der Kon-
nandi» (Neapel, 14. Jh.) wurde damals Honig mit Was- servierung dienen. Letzteres ist jedoch nur sinnvoll,
ser verdünnt und dann mit Kandiszucker zu einer gesät- wenn die Farben in Pastenform z.B. in Tuben aufbewahrt
tigten Lösung angereichert. Die Lösung war gebrauchs- werden sollen; Näpfchenfarben müssen nicht konser-
freundlicher als reiner Honig, da sie nicht auskristalli- viert werden, da sie ja fast vollständig eintrocknen.
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Historische Konservierungsmittel sind vor allem Das Palettmesser hat gegenüber den anderen Reib-
Kampfer(öl), Nelken(öl) und das schlimme Gift Realgar werkzeugen den Vorteil, daß sich die Farben mit nur sehr
(→ 34). Im 19. Jahrhundert verwendete man auch Dinge wenig Wasser anteigen lassen (das in den hier vorgestell-
wie Teer, Karbolsäure oder Formalin. Sinnvoller sind ten Lösungen enthaltene Wasser genügt). Es entstehen
Konservierungsmittel, wie sie für Lebensmittel oder praktisch keine Verluste, weil man die Farbe fast voll-
Kosmetika im Handel sind (E 200 bis 297). ständig vom Glas abrakeln kann. Das Anreiben in der
Reibschale empfiehlt sich bloß bei größeren Mengen oder
10. Benötigtes Material bei Pigmenten, die noch körnig sind (Grünspan, → 44;
Waage (tarierbar; mindestens auf 0.1 Gramm genau) Azurit, → 38) oder leicht verklumpen oder schmieren
Reibschalen aus Porzellan (Indigo, → 65; Auripigment, → 34). Nachteilig wirkt
Glasplatte, sandgestrahlt (Milchglas) oder glatt. sich dabei aus, daß beim Anreiben Schaum entsteht,
Palettmesser (rostfrei). Rostende Palettmesser kön- mehr Wasser benötigt wird und sich die Farbe deshalb
nen besonders auf Pflanzenfarblacke eine verheerende beim Trocknen entmischen kann. Auch die Reinigung
Wirkung haben. des Geschirrs ist aufwendiger; außerdem geht dabei eine
Pipettenfläschchen gewisse Menge des Pigments verloren.
Gefäße, Filterpapier, Tücher, Löffel, Spatel, Glasstäbe
o.ä. 12. Farbnäpfchen
Farbnäpfchen (leere Aquarellnäpfchen, Mineralien- Auf keinen Fall sollte die Reibschale als Farbnapf
sockel, Muschelschalen, Puppengeschirr o.ä.) verwendet werden; ihre rauhe Innenfläche würde feine
Pigmente (gemäß Liste) Haarpinsel in kürzester Zeit ruinieren. Gegen das Malen
Gummi arabicum (Körner oder Pulver) direkt ab der glatten Glasplatte ist hingegen nichts ein-
Zucker (roh oder weiß) zuwenden. Praktischer zum Aufbewahren sind jedoch
destilliertes Wasser kleine Näpfchen. Früher verwendete man Muscheln,
glasierte Tongefäße, Elfenbeinpaletten mit entsprechen-
den Vertiefungen sowie Schweineblasen. Muschelscha-
len sind ideal in der Form und schonen die Pinsel, kleben
aber leicht ineinander fest und zerbrechen dann. Ton-
schälchen sind gut, aber schwer und voluminös. Paletten
gibt es aus Keramik und Plastik, doch ist der Platz darauf
beschränkt. Tierblasen sind die Vorläufer unserer heuti-
gen Tuben, doch für Wasserfarben unpraktisch. Leertu-
ben findet man in verschiedenen Grössen, doch gibt es
bei der Aufbewahrung von selbstgemachten Wasserfar-
ben in Tuben oft Konservierungsprobleme. Am besten
besorgt man sich leere Aquarellnäpfchen (die großen sind
besser für den Pinsel als die kleinen) oder kauft die Böden
der kleinen Plastikbehälter, die zum Aufbewahren von
Mineralien im Handel sind. Es gibt sogar passende Dek-
kel dazu. – Zum Mischen von Farben empfiehlt sich eine
11. Das Anreiben der Farben glatte, nicht saugende Oberfläche, z.B. eine alte CD-Rom
oder eine Kreditkarte.
Das Anreiben kann auf einem Stein aus Porphyr oder
Marmor, auf einer Glasplatte oder mit Hilfe einer Reib-
13. Historische Rezepte
schale erfolgen. Zu letzterer braucht man einen Pistill.
Quantitative Angaben gibt es in den zahlreich überlie-
Auf den flachen Materialien können ein Läufer aus Stein
ferten Rezepten durchaus; z.B. müssen Mengen vom
oder Glas sowie ein Palettmesser oder eine Art Spachtel
Volumen einer Handvoll, einer Walnuß, einer Bohne,
dienen. Was davon man bevorzugt, ist eine Frage der
etc. für die Dauer eines Vaterunser usw. erhitzt / ver-
Gewohnheit. Für kleine Mengen Pigment (bis etwa 5
mengt / ruhengelassen etc. werden. Auch Gewichtsanga-
Gramm) genügt ein Stück Fensterglas von etwa 15 × 15 cm
ben (Pfund, Unze, Pencta usw.) kommen vor, doch vor-
Größe und ein Palettmesser.
herrschend sind Angaben wie: «daß es dir genügend
erscheint», «wie es sein muß» usw., also durch Gefühl
und Erfahrung kontrollierte Rezepturen.
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14. Vorgehen zum Finden 15. Die Korrektur
eigener Rezepte von Farbzubereitungen
Das Anreiben von Farben ist keine Hexerei, und eine 1. Die Farbe ist rissig, im Napf geschrumpft, läßt sich
Rückmeldung über ihre richtige Zusammensetzung gibt nicht gut lösen:
jede Farbe spätestens beim Trocknen. Bei einem unbe- — Mit Wasser fluten, einweichen lassen, völlig aufmi-
kannten Pigment, besonders wenn noch keine Ver- schen, nachzuckern, eintrocknen lassen.
gleichswerte mit verwandten Pigmenten vorliegen, wird 2. Die Farbe trocknet nicht oder wird sehr hart und glän-
man einfach ein Häufchen Pigment auf eine Glasplatte zend (im ersten Fall ist zu viel Weichmacher, im zweiten
geben, daneben je einige Tropfen Bindemittellösung und zu viel Bindemittel vorhanden):
Zuckerwasser setzen und das Ganze mit dem Palettmes- — Mit Wasser fluten, aufrühren, sich setzen lassen, einen
ser gründlich vermengen. Sorgfältiges Abwiegen aller Teil der geklärten Flüssigkeit abgießen und wieder ein-
Teile erleichtert die Wiederholung oder die Korrektur trocknen lassen.
eines einmal gefundenen Rezeptes. Ist die Mischung zu Je nasser beim Malen mit Näpfchenfarbe gearbeitet
trocken, helfen einige Tropfen Wasser; findet gar keine wird, umso schneller werden ihr mit dem abgehenden
Vermischung statt, kann ein Tröpfchen Ochsengalle Malwasser Bindemittel und Weichmacher entzogen.
zugesetzt werden (→8). Von Zeit zu Zeit sollte daher nachgeleimt und -gezuckert
Mit einiger Routine erkennt man das richtige Mi- werden. Manche Aquarellmaler setzen zu diesem Zweck
schungsverhältnis an dem beim Reiben entstehenden dem Malwasser ein wenig Gummi arabicum-Lösung zu.
Geräusch und Geruch: Wenn es kratzt, ist das Pigment
noch zu grob. Schmatzende Klänge lassen auf ein Über- 16. Toleranzen
maß an Bindemittel schließen. Ein dumpfer Ton bei Für jedes Pigment gibt es zahlreiche mögliche Rezepte.
erdigem Geruch weist auf Bundemittel-Mangel hin. Von Technische Gründe sowie künstlerische Absichten kön-
dem Moment an, an dem die Pigmentkörner von Bin- nen Änderungen rechtfertigen:
demittel eingeschlossen sind, beginnt die Mischung, 1. Soll die Farbe glänzen oder matt sein? Traditionell
süßlich zu riechen.– Die Geruchsprobe ist jedoch nicht werden rote Farben (Mennige, Zinnober) eher überleimt,
anwendbar, wenn das Bindemittel mit Konservierungs- da der Glanz ihre Leuchtkraft verstärkt; Erdfarben, Mala-
mitteln versetzt wurde oder zu säuern anfängt, oder chit und Azurit werden hingegen besser matt aufgetra-
wenn die Pigmente z.B. in einer Kugelmühle aus Kau- gen, um möglichst viel Oberflächenlicht zu zeigen.
tschuk gemahlen wurden, in welchem Falle sie eher nach 2. Der Bindemittelbedarf eines Pigments steigt auch mit
Gummi als nach Stein riechen. seiner Kornfeinheit (größere Oberfläche trotz kleineren
Mit der erhaltenen Farbe macht man dann einen Pro- Zwischenräumen).
beaufstrich auf einem biegsamen, glatten Material, z.B. 3. Deckender Farbauftrag erfordert weniger Bindemittel
einem Stück hartem Pergament. Nach dem Trocknen als lasierender.
wird der Aufstrich untersucht: 4. Eine gute Näpfchenkonsistenz muß nicht automatisch
1. Die Nagelprobe (eventuell auch mit dem Skalpell): eine gute Malkonsistenz sein, und umgekehrt. Für eine
Ist die Farbe kratzfest? Wenn nicht, ist zu wenig Binde- dauerhaft gute Näpfchenkonsistenz ist oft mehr Weich-
mittel enthalten. macher notwendig, als für die Maleigenschaften von
2. Die Biegeprobe: Beim Biegen des Beschreibstoffes Vorteil ist. Kupferhaltige Pigmente (Azurit, Malachit,
darf die Farbe nicht knacken oder gar abplatzen. In die- Grünspan) neigen z.B. dazu, mit der Zeit das Bindemittel
sem Fall wäre zu viel Bindemittel bzw. zu wenig Zucker «aufzufressen» und gleichzeitig wasserfest zu werden.
enthalten. Deshalb sind in den hier vorgestellten Rezepten solche
3. glänzend oder matt? Im ersten Fall ist relativ viel, Farben eher überzuckert und überleimt. Nach dem Ein-
im zweiten wenig Bindemittel in der Farbe enthalten. trocknen im Näpfchen ist die Konsitenz meist in Ord-
4. Trocknungszeit? Braucht die Farbe übertrieben nung. Sollen solche Farben hingegen frisch vermalt wer-
lange zum Trocknen, ist zu viel Zucker enthalten. den, müssen Bindemittel- und Weichmachergehalt um
Ist die Farbe so weit zufriedenstellend, wird sie in mindestens 30 % verringert werden, um Glanz und Kleb-
Näpfchen (→ 12) abgefüllt. Die Beobachtung des entste- rigkeit zu verringern.
henden Farbziegels über Tage oder gar Monate dient der 5. Zum Schutz vor Korrosion sollten folgende Pigmente
Feinregulierung, vor allem was den Weichmachergehalt nicht zu schwach geleimt werden: Bleiweiß, Blei(zinn)-
betrifft. Korrekturen sind auch noch nach Jahren mög- gelb, Mennige, Silber.
lich. Farben mit wenig Weichmacheranteil schrumpfen 6. Folgende Farben dürfen wegen ihrer Giftigkeit auf
stark und «lösen» sich beim Wiederanfeuchten nur keinen Fall abpulvern (also zu schwach gebunden sein):
schlecht. Deswegen werden Gouachefarben in der Regel Auripigment, Bleiweiß, Bergzinnober, Grünspan. Sie
in Tuben gehandelt. müssen stets kratzfest und elastisch auftrocknen (viel
Bindemittel, viel Weichmacher).
Die folgenden Rezepte wurden durch die in Ab-
schnitt 14 beschriebenen Beobachtungen (über 10 Jahre)
ermittelt. Die Pigmentliste enthält außer wenigen Aus-
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nahmen (Gruppe F) nur historische Pigmente, die (außer schlämmen und trocknen lassen. Giftige Pigmente
einigen Erdfarben; Gruppe A) nicht fertig angerieben im naß verreiben.
Handel erhältlich sind. Verglichen mit handelsüblichen 3 Glasplatte (ca. 15 x 15 cm, glatt oder mattiert) auf Waa-
Tuben- und Näpfchenfarben können einige davon ge legen und tarieren. Zum Finden eigener Rezepte Pa-
durchaus ziemlich grobkörnig sein und dadurch Ober- lettmesser mittarieren (Korrekturmöglichkeit).
flächeneffekte erzeugen, die mit feinstdispersen 4 Pigment, Gummilösung und Zuckerwasser nebenein-
Künstlerfarben kaum möglich wären. ander (damit Korrekturen möglich sind) auf Glasplat-
te sorgfältig abwiegen.
17. Vorgehen bei der Ausführung 5 Glas von der Waage nehmen und die drei Bestandteile
mit dem Palettmesser oder Glasläufer einige Minuten
der Rezepte gründlich vermengen bzw. verreiben.
1 Gummi arabicum-Lösung (1 Gewichtsteil filtriertes 6 Farbe mit dem Palettmesser aufnehmen und in
Gummi auf 1 Teil destilliertes Wasser; → 5) und Zuk- Farbnäpfchen (→ 12) abstreifen.
kerwasser (2 Teile Rohrzucker auf 1 Teil Wasser; → 6) 7 Näpfchen in waagrechter Lage möglichst rasch ein-
rechtzeitig (spätestens am Vortag) ansetzen. Nur neue trocknen lassen. Nicht erhitzen. Falls die Farbe zu dünn-
bzw. sterilisierte Gefäße verwenden und diese stets flüssig ist, muß sie bis zum vollständigen Erstarren noch
verschlossen halten, damit die Konzentration der Lö- mehrmals durchgerührt werden. Nach dem Trocknen
sungen erhalten bleibt. lassen sich die Farben wie gewöhnliche Näpfchenfarben
2 Pigmente, die noch zu grob sind oder zusammen- stets wieder mit dem feuchten Pinsel aufnehmen.
klumpen, in der Reibschale vorreiben; gegebenenfalls
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18. Die Rezepte
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19. Originalaufstriche der Farben 20. Ergänzungen zur Rezeptliste
Welche Farben haben Gouache-Charakter; welche sind
A. ERDFARBEN
eher aquarellartig?
Kreide
Gelber Ocker Gouache-artige:
• Alle Erdfarben außer Kreide; Terra di Siena; Grüne
Roter Ocker Erde.
Terra di Siena • Alle natürlichen Mineralfarben außer reinen Sorten
Lapislazuli (nat. Ultramarin).
Umbra Natur • Alle künstlichen Mineralfarben außer Grünspan.
Umbra gebrannt • Reb- und Elfenbeinschwarz.
• Alle Sorten Deckweiß.
Grüne Erde
Aquarell-artige:
B. NATÜRL.MINERALFARBEN • Grüne Erden (reine Sorten); Terra di Siena; Kreide u.
Gold Gips.
• Natürliches Ultramarin (gereinigter Lapislazuli).
Silber • Grünspan.
Auripigment / Realgar • Alle pflanzlichen und tierischen Farblacke, auch Car-
Bergzinnober min.
• Alle Pflanzensäfte (Saft- und Tüchleinfarben; nicht in
Hämatit der Liste enthalten, weil nicht auf Pigmenten beru-
Lapislazuli (roh) hend, sondern auf Farbstoffen; → 48- 50).
• Drachenblut und Indigo (reine Sorten).
Natürl. Ultramarin (gereinigt)
Azurit Aquarellfarben können durch Weißzusätze Gou-
ache-Charakter erhalten. Sie glänzen jedoch wegen ihres
Malachit
hohen Bindemittelgehalts stärker als echte Gouachefar-
ben. Eine Gouache kann man im umgekehrten Fall
C. KÜNSTL.MINERALFARBEN nicht einfach in eine Aquarellfarbe verwandeln. In
Flammruß Aquarellsortimenten sind dennoch auch von Natur aus
deckende Pigmente enthalten. Durch extrem feine
Aurum musicum Mahlung und hohen Bindemittel- und Weichmacher-
Bleiweiß zusatz wirken sie transparent und können in typischer
Aquarellmalweise verarbeitet werden.
Bleizinngelb (hell)
Mennige ENDE DES ERSTEN TEILS.
Zinnober
Grünspan
Kupferresinat
Eisenoxidbraun
D. PFLANZENFARBEN
Drachenblut
Waid-Indigo
Rebschwarz
E. TIERISCHE FARBEN
Carmin Naccarat
II. TEIL: MINERALISCHE PIGMENTE
21. Überblick über die mineralischen oder verbessern konnte: Gelber Ocker wurde durch
Brennen rot, Malachit durch Behandlung mit Essig
Pigmente: grüner, Azurit durch Pottasche blauer, Lapislazuli
Historische Pigmente sind meist anorganische Metall- durch eine aufwendige Behandlung reiner. Für die
verbindungen und werden aus Erden, Mineralien und Synthese von Zinnober aus Quecksilber und Schwefel
Metallen gewonnen. gibt es seit dem 8. Jahrhundert überlieferte Rezepte; das
A) Erdpigmente (→ 25) künstliche Produkt ist qualitativ besser und weniger
• gelber, roter, und brauner Ocker (→ 26) giftig (weil reiner) als das natürliche.
• grüne und weiße Erden (→ 28); Kreide (→ 27) Auch Flammruß sei unter den künstlichen Mineral-
• Umbra, natürlich und gebrannt (→ 29). pigmenten eingeordnet, obwohl man ihn (wegen seines
Ursprungs aus organischem Material) ebenso den orga-
B) Natürliche Mineralpigmente (→ 31) nischen Farbmitteln zuordnen könnte.
• Gold (→ 32) und Silber (→ 33)
• Auripigment und Realgar (→34 )
• Cinnabarit (→ 35) 24. Für die Pigmentgewinnung
• Hämatit (→36 ) geeigneteMineralien
• Lapislazuli (→37 ) Farbe: Das Pigment muß eine deutliche Eigenfarbe
• Azurit (→ 38) und Malachit (→ 39). zeigen, auch wenn es fein pulverisiert ist. Geeignete
Mineralien erkennt man an der sogenannten «Strich-
C) Künstliche Mineralpigmente
farbe». Man kratzt dazu mit dem entsprechenden Mine-
• Bleiweiß, Blei(zinn)gelb, Mennige (→ 41)
ral über eine unglasierte Porzellanoberfläche (z.B. den
• Zinnober (→ 42)
Unterboden einer Reibschale). Dabei soll durch Abrieb
• Aurum musicum (→ 43)
ein deutlicher, farbiger Strich entstehen. Den Strich von
• Grünspan und Kupferblau (→ 44)
Erdfarben kann man einfach auf dem Handrücken
• künstliche Eisenoxide (→ 45)
ausprobieren.
• Flammruß (→ 46).
Manche Mineralien (z.B. Sodalit, Türkis, Sugilit,
Rubin, Smaragd, Granat usw.) mögen zwar stark ge-
22. Definitionen färbt aussehen, haben aber eine nahezu weiße Strich-
Mineralien haben im Gegensatz zu Erden und Gestei- farbe. Sie würden dementsprechend nur ein weißes
nen eine klare chemische Struktur. Besonders reine Pigment liefern. Gewisse Mineralpigmente werden
Sorten von Mineralien können Kristalle bilden. beim Feinmahlen etwas heller (z.B. Azurit und Mala-
Gesteine sind Mischungen von Mineralien (Granit, chit), bei anderen intensiviert sich der Farbton hingegen
Porphyr und Lapislazuli sind Gesteine). (z.B. Cinnabarit und Hämatit).
Farberden sind weiche Gesteine, also ebenfalls Mine- Giftigkeit: Abgesehen von den Edelmetallen sowie
ralmischungen. Grüne Erde kann z.B. aus den Minera- Lapislazuli und Hämatit (und anderen Eisenoxidpig-
lien Glauconit und Seladonit bestehen, Ocker aus Eisen- menten) sind alle starkfarbigen natürlichen und künst-
oxiden, Tonerden und Sand. In der Natur kommen lichen Mineralpigmente giftig!
Erdpigmente in brockiger Form (als Sekundärmineral Das leuchtendgelbe Auripigment enthält bis zu 70 %
bzw. Verwitterungsprodukt) oder als Sediment vor. Arsen, der rote Cinnabarit besteht aus Quecksilbersul-
Farberden bestehen aus anorganischem Material, im fid und ist oftmals mit überschüssigem Quecksilber
Gegensatz zu Humus oder Braunkohle, die organischen verunreinigt, was ihn gefährlicher macht als künstlich
Ursprungs sind. hergestellter Zinnober. Die in der Malerei unverzichtba-
ren deckenden Weiß-, Gelb- und Orangetöne waren
23. Natürlich und künstlich früher nur durch giftige Bleiverbindungen zu gewinnen,
Künstliche Mineralpigmente sind keinesfalls erst seit und auch die Blau- und Grüntöne Azurit, Malachit und
der Entwicklung der modernen chemischen Industrie Grünspan sind durch die Kupferanteile wasser- und
bekannt. Bereits in der Antike stellte man einfache gesundheitsgefährdend. Gewisse Mineralien wären aus
Metallverbindungen, z.B. Bleiweiß, Bleigelb, Mennige, technischen Gründen zur Pigmentherstellung geeignet
Grünspan, Ägyptischblau usw. synthetisch her; später (z.B. das gelborange Bleichromat Crocoit und die leuch-
kamen Zinnober, Bleizinngelb und Aurum musicum tend gelben bzw. grünen Uranmineralien Torbernit und
dazu. Darüber hinaus sind zahlreiche Rezepte überlie- Autunit), müssen aber wegen des hohen Gesundheitsri-
fert, nach denen man Erden und natürliche Mineral- sikos gemieden werden (Bleichromate gelten als krebs-
pigmente durch «chemische» Behandlung umwandeln erzeugend; die letzten beiden sind radioaktiv!).
giftklassen: Die fehlenden reinen Gelb-, Rot- und Grüntöne
• Giftklasse 2 (sehr giftig): Auripigment, Realgar, können aus Pflanzenfarbstoffen gewonnen werden
Bergzinnober, Bleiweiß, Blei(zinn)gelb. (siehe drittes Kapitel), wobei es auch dort einige gibt,
• Giftklasse 3 (giftig): die nicht ganz ungiftig sind (→ 54).
Malachit, Azurit, Mennige, Grünspan. Für deckende Weiß- und Gelbtöne handelsübliches
• Mit Vorsicht zu handhaben: Deckweiß aus der Tube verwenden.
Zinnober, Aurum musicum.
Härte: Das Mineral darf nicht härter (bzw. zäher) sein
vorsichtsmassnahmen:
als das zum Zerreiben verwendete Werkzeug. Früher lag
Farben der Giftklasse 2 dürfen keinesfalls in die
die Grenze in der geringen Härte der Mörser aus Bronze
Hände von Kindern gelangen und sollten auch in Kur-
und Marmor. Sie waren für Mineralien wie Lapislazuli
sen nicht verwendet werden, da Teilnehmer immer
und Hämatit eigentlich zu weich. Nur Achatmörser
wieder Warnungen mißachten und das Material hin-
waren härter, aber gewöhnlich unbezahlbar. Heute
terher an Kinder weitergeben («Es sind ja Naturfar-
verfügen wir über Mörsermaterialien aus Stahl, Zirko-
ben!»). Der Gebrauch solcher Farben ist im industriellen
nium, Porzellan usw. und können damit auch verhält-
Maßstab seit einigen Jahren verboten. Wer als Maler
nismäßig harte Farbmineralien zerkleinern. Mit einer
oder Restaurator damit hantiert, muß sich der Risiken
Reibschale aus Porzellan (Härte 8) lassen sich alle geeig-
bewußt sein und die entsprechenden Sicherheitsvor-
neten Farbmineralien pulverisieren.
kehrungen treffen (Sauberkeit am Arbeitsplatz, Staub-
Die Härte von Mineralien wird im Allgemeinen nach
maske, Abzug). Das Entstehen von Farbstaub ist unbe-
der Mohs'schen Härteskala bestimmt (aufgestellt 1822
dingt zu verhindern, es darf keinerlei Kontakt mit
von F. Mohs). Die Härte wird durch Ritzen von Einzel-
Lebensmitteln entstehen, Farbreste dürfen nicht ins
kristallen ermittelt: Ein härteres Mineral ritzt ein wei-
Abwasser gelangen oder verbrannt werden. Bereits die
cheres; durch Vergleichsproben entsteht eine Skala
Lagerung größerer Mengen giftiger Mineralien oder
relativer Ritzhärten. Ein Mineral der Härte 4 ist nicht
Pigmente (Auripigment, Zinnober) kann im Fall eines
doppelt so hart wie eines der Härte 2, sondern es ritzt
Brandes einen ganzen Stadtteil vergiften. Da es unver-
lediglich ein Mineral der Härte 3, welches wiederum
meidlich ist, daß beim Pulverisieren, Anreiben und
das der Härte 2 ritzt. Es exisitiert eine moderne Skala
Malen (Malwasser!) Farbreste entstehen, müssen diese
absoluter Härten, aber die alte Mohs-Skala bleibt we-
in einem gesonderten Sedimentierbehälter gesammelt
gen ihrer Einfachheit weiterhin gültig.
und korrekt als Gift entsorgt werden.
Die Ritzhärte ist nicht immer in jede Richtung
Bei der Arbeit mit Kindern dürfen nur die folgenden,
gleich. Beim Zerkleinern eines Minerals ist die Härte
ungiftigen Mineralfarben verwendet werden:
auch nicht immer allein ausschlaggebend. Ein Pigment,
Alle Ocker (gelb, rot, violett, braun)
das zwar hart, aber spröde ist (z.B. ausgeglühter Lapisla-
Alle Kreiden, weißen und grünen Erden
zuli), läßt sich leichter pulverisieren als ein zwar wei-
Umbra natur und gebrannt (nicht ganz ungiftig)
ches, aber elastisches Mineral (z.B. Gold). Manche Mine-
Gold und Silber
ralien sind leicht spaltbar (z.B. Chrysocoll), andere
Lapislazuli
extrem zäh (z.B. Hämatit, das härteste der in der Male-
Hämatit
rei verwendeten Farbmineralien).
Graphit; Manganschwarz
Alle künstlichen Eisenoxidpigmente
Flammruß
Z E I CH EN E RK L Ä RU N G : Â 15
 Ocker (gelb, rot, violett usw.)
Ä Grüne Erde
Å Umbra
Á Graphit
À Kreide
Á24
O CK E R:
1 Bassin von Apt
2 Burgund 3 Siena
4 Elba 5 Korsika 6 Sardinien
7 Cavradi 8 Traversella
9 Ostpyrenäen 10 Sistema
À Íberico 11 Kastilien 12 Vogesen
26 13 Altenberg 14 Kreta 15 Kiruna
GR Ü NE ER D E N: 16 Monte Baldo
21Á
23 Á 27 À
17 Tirol 18 Mainfranken 19 Böhmen
13ÂÄ19 20 Zypern (auch UM BR A );
18 Ä G RA P HI T : 21 Bad Harzburg
12Â
22Á
22 Passau 23 Cornwall 24 Pargas
25ÀÂ2 KR E ID E: 25 Meudon b. Paris
26 Rügen 27 Sussex
7 Â Ä17
8 Â Ä16
Â1
4 Â Â3
Â9 5Â
 10
 11 6Â
Anmerkung:
Die Karte erhebt keinen
Anspruch auf Vollständigkeit! 14 Â 20ÄÅ
DIE ERDPIGMENTE (GRUPPE A)
Die Ocker der Provence: Die bekannteste und Terra di Siena: Nur ein einziges der zu den Ocker
größte Lagerstätte der Welt ist das Bassin von Apt (Pro- zählenden Pigmente bildet transparente, lichtdurchflu-
vence), wo sich an zahlreichen Orten alte Gruben fin- tete Farbschichten, und zwar der Typus, der als Terra di
den, die im Tagebau und auch mit Hilfe von kilometer- Siena bezeichnet wird. Seine Gelbfärbung kommt eben-
langen, bis zu zwölf Metern hohen Stollen ausgebeutet falls von Eisenoxiden, doch ist die Zusammensetzung
wurden. In der Nähe des Dorfes Roussillon befindet eine andere, ähnlich wie Umbra (→ 29).
sich die Usine Mathieu, eine alte Ockerfabrik, die heute Cennino Cennini, Maltechniker der italienischen Renaissance,
als Museum betrieben wird. Es zeigt die verschiedenen beschreibt im 45. Kapitel seines «Libro dell'Arte» (um 1400) einen
Fundort zwischen Colle di Val d'Elsa und Cásore (Siena), den er in
Arbeitsgänge der frühindustriellen Ockerproduktion. seiner Jugendzeit mit seinem Vater, dem Maler Andrea Cennini,
Das Gebiet um Roussillon ist touristisch so stark besucht hat. Die im Text erwähnte Villa «Dometaia» existiert auch
erschlossen, daß die Mitnahme von Ockerproben an heute noch. Über eine Agriturismo-Agentur kann man darin Ferien-
wohnungen mieten. Nach Cenninis Text soll sich in einem Tälchen in
einigen Stellen inzwischen verboten ist. Man muß eini- der Nähe eine Grotte befinden, voll mit Erdfarben in gelben, roten
ge Kilometer weiter gehen, um z.B. in den verlassenen und sogar weißen, schwarzen und sogar blauen Tönen. Da die Gegend
Gruben bei Gargas fündig zu werden. Das größte zu- sich in 600 Jahren wenig verändert hat, könnte die Grotte in einem
der dichten Wälder durchaus noch existieren.
sammenhängende Ockerfeld dieser Gegend ist der soge-
nannte Colorado Provençal in der Nähe des Dorfes Ru- Die Fundstätten südwestlich von Siena werden heu-
strel. Senkrechte Ockerwände verschiedenster Färbun- te nicht mehr im industriellen Maßstab ausgebeutet,
gen wechseln sich mit wüstenartigen Abschnitten und und auch am nahegelegenen Monte Amiata ist der
dunklen, von kleinen Bächen durchflossenen Wäldchen Abbau seit etwa 1930 nicht mehr rentabel. «Terra di
ab. In den zahlreichen Becken und Rinnsalen der Boa, Siena» kommt heute meist aus Korsika, Sardinien und
des Hauptbachs dieses Tals, hat sich ein natürlicher, sogar England.
feiner Ockerschlamm abgesetzt, der in der Sonne leuch- Terra di Siena ist wegen ihrer Transparenz eine ideale
tendrot und gelb strahlt. Hinter der «Sahara» ist wäh- Aquarellfarbe. Sie nimmt deutlich mehr Bindemittel
rend des Ockerabbaus bis zur Mitte des 20. Jahrhun- auf als die anderen Ocker. Im gebrannten Zustand wird
derts ein regelrechtes Labyrinth aus kleinen Schluchten sie rotbraun, verliert ihre Transparenz und benötigt
entstanden. Die Regenerosion nagt an den weichen weniger Bindemittel.
Hängen; wegen Einsturzgefahr sind auch die meisten Auf der Suche nach Ockern
der insgesamt über 40 Kilometer langen Tunnels dieser Wer eine Wanderkarte richtig zu lesen weiß, findet
Gegend geschlossen. In einigen werden heute «Champi- allenthalben Hinweise auf mögliche Vorkommen an
gnons de Paris» angebaut. Farberden und -Mineralien. Schutthalden alter Minen-
Die Ocker der Provence sind meist stark mit Quarz- anlagen sind oft reich an interessanten Sekundärmine-
sand verunreinigt (bis zu 85 %) und werden traditionell ralien (Vorsicht vor Verletzung von Eigentumsrechten,
in großen Sedimentiergruben unter freiem Himmel baufälligen Anlagen, giftigen Schwermetallen und
geschlämmt. Gehandelt werden sie gewöhnlich als Gasen!). Ortsnamenforschung führt zu weiteren Spu-
sogenannte «Buchstabenocker». Ein Buchstabenocker ren: Begriffe mit Rötel-, Redel-, Rot-, Hütten- usw.
kann z.B. unter der Bezeichnung «JOLES» gehandelt können wertvolle Indizien auf Ockervorkommen sein
werden. Die Abkürzungen bedeuten: (ebenso wie «Hall» auf Salzvorkommen (Halit) hin-
J gelb (jaune) L gewaschen (lavé) weist). Auf französischen Karten achte man auf alles
O gold (or). T sehr (très) mit «rouge», in Italien denke man nur an die «colline
R rot (rouge) E extra metallífere», an «Montieri» (=mons aeris) usw. Weitere
S super
C hell (clair); Hinweise gibt die industriegeschichtliche und minera-
F dunkel (foncé) logische Literatur.
Es besteht ein großer Unterschied, ob ein Erdpigment
«von Hand» gesucht wird oder im industriellen Maß-
stab abgebaut wird: Für den Eigenbedarf kann man te, letzterer sedimentierte Formen bezeichnet. Auch der
gezielt Nester von farbstarken Mineralien aussuchen, Farbton von Grüner Erde ist nicht immer gleich. Im
weite Wege zurücklegen und auch an Orte gehen, wo Pigmenthandel werden graugrüne Sorten als Veroneser
die Ausbeute gering sein wird. Der industrielle Abbau Grüne Erde gehandelt (heute meist aus Zypern) und
muß jeden Tag Tonnen von Material verarbeiten und olivgrüne als Böhmische. Die Maler bevorzugten zum
vermischt dabei die einzelnen Nuancen zu einer stan- Malen von Hauttönen, Landschaften und Grisaillen
dardisierten Einheitsqualität. stets Grünerden von graugrüner Färbung.
Einen wegen der Vermischung verschiedenster Sorten Die Qualität einer Grünen Erde ist durch die Her-
entstandenen bräunlichen Durchschnittston erhält kunftsbezeichnung keineswegs definiert. Es gibt böh-
man auch, wenn man die natürlichen Sedimente aus mische und mainfränkische Sorten von reinstem Tan-
den Bächen als Pigment verwendet oder Proben von nengrün ebenso wie bräunliche Qualitäten aus der
Stellen nimmt, an denen das Regenwasser zusammen- Veroneser Gegend.
fließt. Viel besser ist es, rein gelbe, rote oder violette Ein klassischer Fundort für eine graugrüne Sorte ist
Brocken von den Ockerwänden abzugraben und zur die Gegend um den Lago di Garda. Bekannt ist vor allem
Pigmentgewinnung selber zu schlämmen. der Monte Baldo, eine Gebirgskette ohne klaren Gipfel,
der auf der Höhe der Nordkante des Gardasees beginnt
Das Brennen von Ocker: Gelber Ocker kann
und sich über 30 km nach Süden hin erstreckt. Grüne
durch Erhitzen in einem Brennofen oder über einer
Erden finden sich auch im benachbarten Valpolicella
Gasflamme (notfalls Teelöffel über Kerzenflamme) auf
und weiter nördlich in den Tiroler Bergen. Heute noch
etwa 350°C in sogenannten gebrannten Ocker verwan-
zugängliche Fundorte sind verschiedene aufgelassene
delt werden, der rot ist. Seine Farbe ist kräftiger als die
Steinbrüche bei Belluno Veronese, im Etschtal zwischen
der meisten natürlichen roten Ocker, so daß man auf
Dolcè und Peri (z.B. die sog. Cava del Prete), die Hügel-
jene im Prinzip verzichten könnte. Die Palette der na-
kette nördlich des Dorfes Prun im Valpolicella sowie
türlichen Ocker ist allerdings viel reicher als gelb und
das hinterste Bachbett an der Nordseite des Stausees Pra
rot: Zwischen Zitronengelb über Grünlichgelb, Grün-
da Stua, gelegen auf 1200 Metern Höhe im Monte Baldo-
lichbraun, Goldgelb, Orange, Hautfarben, Rot, Violett
Massiv.
und Braun kann man unzählige Tönungen von Ocker in
In der Westschweiz gibt es zahlreiche Vorkommen
der Natur finden. Alle diese Farben sind jedoch vergli-
von grünem Seladonit-Sandstein, der pulverisiert sehr
chen mit reinen Gelb- und Rottönen ein bißchen gebro-
nahe an helle grüne Erden herankommt. In den Mauern
chen, schwer und deckend, eben «erdig».
von Bern, Fribourg, Neuchâtel, Murten usw. sieht man
Auch andere Erdpigmente können durch Hitze ver-
diese Steine in großer Menge verarbeitet.
ändert werden: Grüne Erde wird beim Brennen rot-
Bekannt sind auch die grünen Erden von Marokko.
braun; natürliche grünliche Umbra verwandelt sich in
Im westlichen Atlasgebirge liegen ganze Berge davon
Dunkelbraun. Das Brennen hat Auswirkungen auf die
herum.
technische Beschaffenheit eines Erdpigments (Höhere
Nah verwandt mit den hellen Grünen Erden ist die
Korngröße, höhere Deckkraft, niederer Bindemittel-
Weisse Erde von Vicenza. Solche Pigmente sind transpa-
bedarf).
rent, leicht hygroskopisch und lassen sich hervorragend
27. Kreide mit organischen Farbstoffen einfärben. Sie sind deshalb
Kreide ist eine weiße Erde, die zum Beispiel als Ver- ideale Substrate für Farblacke (→ 51).
witterungsprodukt von Kalkstein vorkommt (diese
Sorte wird als Champagnerkreide, Rügener Kreide usw.
29. Umbra
verkauft). Wenn Schwefel darin gebunden ist, kommt
Umbra wird in den mittelalterlichen Rezepten für
sie als sogenannte Bologneser Kreide (= Gips) in den Han-
Malerei nicht genannt. Braune Töne mischte man lieber
del (benannt nach dem Bois de Boulogne). Kreide kann
aus Abfällen der Buntfarben oder Pflanzensäften, vor
man auch gewinnen, indem man Eierschalen, Sepiaschul-
allem durch die Verwendung von Rotholz. Als typische
pe, Korallen, Muscheln oder Schneckenhäuser pulverisiert.
Erdfarbe soll jedoch die Umbra hier erwähnt sein, vor
Kreide ist als weißes Pigment für die Buchmalerei
allem weil sie sich chemisch und farblich beinahe naht-
ungeeignet (zu pastos und transparent); Weiß aus pul-
los in die Lücke zwischen Terra di Siena und Grüner
verisierten Eierschalen wurde jedoch z.B. für Mischun-
Erde einfügt. Ähnlich wie Sieneser Erde ist Umbra eine
gen mit schwefelhaltigen Farben verwendet, die mit
Eisen-Manganverbindung; natürliche Sorten können
Bleiweiß unverträglich sind. Kreiden sind auch ein
farblich wie eine bräunliche Grüne Erde aussehen, ver-
wichtiges Pigment für Grundierungen, Goldgründe
wandeln sich jedoch beim Brennen in ein tiefes, dek-
sowie Pflanzenfarblacke, wo sie als Substrat dienen.
kendes Dunkelbraun. Hauptlieferant für Umbren ist
die Insel Zypern, doch auch in der Sieneser Gegend gibt
28. Grüne Erde es Vorkommen. Einen Zusammenhang zwischen Um-
Grüne Erde, ist mineralogisch nicht klar definiert. In bra («Schatten») und der Landschaft Umbrien scheint
manchen Büchern ist von den Eisensilikaten Seladonit nicht zu bestehen, da letztere von dem Umbrern, einem
und Glauconit die Rede, wobei ersterer auskristallisier- alten italischen Volksstamm, abgeleitet wurde.
30. Grundlegende Techniken für die Gewinnung von Erdpigmenten:
1 Pulverisieren (trocken) Durch die Zugabe von Wasser verhindert man er-
Man nehme eine Reibschale aus Porzellan und zer- stens die Entwicklung von Pigmentstaub und zweitens
drücke darin das Mahlgut. Dann zerreibe man es ohne das Herausspritzen von Mineralsplittern. Bei zu viel
nennenswerten Kraftaufwand in kreisförmigen, nie- Wasser weicht das Mahlgut aus oder schwappt über. Bei
mals schlagenden Bewegungen. zu wenig krümelt es oder klebt am Reibschalenrand.
Wasser abziehen.
Dies soll zügig geschehen, weil sonst die Flüssigkeit Das Wasser beginnt sich bereits nach einigen Minu-
außen an der Reibschale herunterläuft. Das Auffangglas ten zu klären, so daß schon nach ca. 5 Minuten Wasser
sollte groß genug sein, damit sowohl der Abguß als abgezogen werden kann. Da es noch feine Pigmentteile
auch das an der Reibschale Heruntergelaufene aufge- enthält, sollte es in den Kreislauf «Netzen - Naß verrei-
fangen werden kann. – Das Abgegossene kann nach ben - Fluten» zurückgeführt werden. Im Lauf der Zeit
Bedarf noch mehrmals in weitere Gefäße umgegossen wird so das zirkulierende Wasser mit Pigment angerei-
werden (stets unter Vermeidung des Bodensatzes), chert, ohne daß Pigment verlorengeht.
wobei zunehmend feinere, aber auch hellere und leich- Das Sediment verdichtet sich im Lauf von Stunden
tere, schmierigere Sorten entstehen. und Tagen zusehends. Dadurch kann immer wieder
Der grobe Rest geht zurück in die Reibschale (Stufe 1) klares Wasser oben abgezogen werden. Bei längerem
und wird von nun an naß weiter verrieben. Stehenlassen empfiehlt sich ein Deckel als Insekten-
Beim Schlämmen eines Gesteinspulvers oder Pig- schutz.
ments mit Wasser können zwei Ziele verfolgt werden: Zum Abgießen des Wassers sind Marmeladengläser
Erstens die Auftrennung ein- und desselben homogenen besser geeignet als Bechergläser mit Ausguß, da das
Minerals in feinere und gröbere Partikel. Dieser Prozeß Pigment beim Abgießen des Wassers an der Verengung
ersetzt das Sieben bzw. Windsichten (Erklärung siehe des Glases aufgehalten wird.
unten) des Pigments. Zweitens können beim Schläm-
men verschiedene, grob zerriebene Mineralien unter- 6 Trocknen:
schiedlichen spezifischen Gewichts (z.B. Sand und Im Glas verbliebenen Pigmentschlamm schwenken,
Ocker; Ocker und Tonerde) voneinander getrennt wer- bis alle Sedimente in Suspension sind. Dann auf ungla-
den. sierten Tonteller gießen. Nach dem Trocknen abschaben
Es steht keineswegs von Anfang an fest, ob nach dem und abfüllen.
Schlämmen die leichten, zuoberst abgegossenen Parti-
kel oder die schweren, zu Boden gesunkenen Teile ver-
wendet werden. Bei einem Sand- und Eisenoxidge-
misch (Ocker aus der Provence) sedimentiert der schwe-
re, unerwünschte Quarzsand und wird weggeworfen,
das Ockerpigment geht mit dem überfließenden
Schlämmwasser ab. Liegt jedoch ein Eisenoxid-
Tongemisch vor, wird die leichtere Tonerde abgegossen
und das zuerst sedimentierte, schwere Eisenoxid dient
als Pigment und muß separat feingemahlen und ge-
schlämmt werden.
Sieben: Ein einfaches Teesieb ist für Pigmente zu grob.
Die Korngröße von mineralischen Pigmenten kann
etwa zwischen 0.01 und 0.2 mm liegen; entsprechende
Das Trocknen auf dem Tonteller ist eine wirksame filter mit Filterpapier oder auch einfach ein flach auf
Methode, um das Restwasser aus dem Pigment- eine Zeitung gelegter Papierfilter. Hitzebeständige Pig-
schlamm zu entfernen. Trockener, unglasierter Ton, der mente können ohne Weiteres auch durch Kochen de-
zwischen 800 und 950°C gebrannt ist, saugt das Wasser hydriert werden.
innerhalb weniger Minuten auf, ohne daß das Pigment Die meisten Pigmente klumpen beim Trocknen stark
daran haften bleibt. Die Trocknung verzögert sich stark, zusammen. Um ein pulverförmiges Pigment zu erhal-
wenn der Tonteller einmal mit Wasser gesättigt ist und ten, muß man es noch einmal trocken in der Reibschale
nach unten zu nässen beginnt (auf Zeitung stellen). Zum zerkleinern.
schnellen Weitertrocknen Pigmentschlamm auf neuen Man kann das Pigment auch in feuchtem Zustand
Teller geben oder den Teller auf die Heizung stellen. Das aufbewahren, da es sich dann leichter mit Bindemitteln
trockene Pigment wird vorsichtig abgeschabt und zur und Zusatzstoffen benetzen läßt. Möchte man jedoch
Weiterverarbeitung staubgeschützt aufbewahrt. Eine die Pigmente zur Befolgung von Rezepten abwiegen,
Alternative zum Tonteller ist ein gewöhnlicher Kaffee- müssen sie vollständig getrocknet sein.
Ze i ch en e rk l ä ru ng :
Æ Auripigment und Realgar
Ç Bergzinnober
È Azurit
É Malachit
É
NATÜRLICHE MINERALPIGMENTE (GRUPPE B)
Bronzemörser Stahlmörser
3 Das Zerreiben in der Reibschale Die Lapis-Reinigungspaste beruht auf der Beobach-
Der grob zerquetschte Stein kann daraufhin in einer tung, daß das Lapislazulipigment hydrophil (wasserlie-
Porzellan-Reibschale weiter pulverisiert werden. bend) ist, während die anhaftenden Fremdmineralien
Die obere Korngröße des Mahlgutes hängt von der lipophil (fettliebend) sind. Sie werden daher von der
Größe der Reibschale ab. In Reibschalen ab ca. 15 cm Knetmasse festgehalten, während das blaue Pigment
Durchmesser kann Splitt bis ca. 3 mm Teilchengröße sich im Wasser absetzt. Ein funktionierendes Rezept für
bequem zerrieben werden. das Pastillum findet sich in Cenninis «Libro dell'Arte»
Um zu verhindern, daß beim Reiben in der Reib- (Kap. 62; hier vereinfacht):
schale Steinbrocken herausspringen, empfiehlt sich die
• Lapislazuli-Pulver 4 Gewichtsteile
Verwendung einer Kartonmanschette, die über den
• Fichtenharz oder Kolophonium 2 Gewichtsteile
Pistill gesteckt wird.
• Mastix 1 Gewichtsteil
• Bienenwachs 1 Gewichtsteil
Wachs, Mastix und Harz werden (in dieser Reihen-
folge) zusammen in einem Topf geschmolzen. Zur Prü-
fung der Konsistenz läßt man einen Tropfen davon in
kaltes Wasser fallen. Die Masse soll sich danach gut mit
den Fingern kneten lassen, ohne auseinanderzufallen. –
Dann streut man das Lapislazuli-Pulver in die ge-
schmolzene Masse ein, rührt gründlich um und schüttet
alles in ein Becken mit kaltem Wasser. Mit den Händen
formt man eine Kugel daraus, die man beliebig lange
aufheben kann. Vor der Weiterverarbeitung soll man
sie etwa zwei Wochen im Wasser liegen lassen; manche
Rezepte empfehlen, das Wasser jeden Tag auszuwech-
Bei manchen Mineralien (Lapislazuli, Azurit, Grüne seln.
Erde) lohnt es sich, während dem Mahlen mit einer Um das Blau zu extrahieren, füllt man eine Schüssel
feinen Pinzette Verunreinigungen von Fremdmineralien mit handwarmem Wasser und legt die Kugel zum
herauszulesen. Weichwerden hinein. Dann soll man sich die Hände
Wer größere Mengen an Pigment gewinnen will, mit Leinöl einsalben, damit die Masse nicht an den
schafft sich am zweckmäßigsten ein paar Kugelmühlen Fingern kleben bleibt. Das Pastillum wird dann wäh-
an, verschließbare, zylindrische Porzellanbehälter, in rend einiger Zeit im Wasser mit der Hand geknetet. Das
die zusammen mit dem Mahlgut einige unglasierte erste Blau, das sich am Boden absetzt, ist die beste Qua-
Porzellankugeln gegeben werden. Das Gefäß wird auf lität und wird mit dem Wasser beiseite gestellt, um
eine Vorrichtung aus zwei rotierenden Achsen gelegt, sich abzusetzen. Währenddessen knetet man mit neu-
wo es sich während einiger Tage dreht und jedes fremde em Wasser weiter, solange das Pastillum Ultramarin
Material bis ca. Härte 7 pulverisiert. Es gibt auch Ku- abgibt. Die Qualität sinkt bei den weiteren Auszügen
gelmühlen aus Stahl (mit Zirkonkugeln), Glas und sogar rapide ab; das restliche Pastillum kann mit kochendem
Gummi, welche mit verschiedenen Sorten von Schleif- Wasser aufgelöst werden und schwimmt nach dem
körpern aus Keramik betrieben werden können. In der Abkühlen auf der Wasseroberfläche. Wenn es gelingt,
Industrie sind diverse elektrische Mühlen zum Pulveri- das abgesunkene Blaugrau von den öligen Substanzen
sieren von Steinen in Gebrauch. zu trennen, gewinnt man die sogenannte «Ultramarina-
Die weiteren Arbeitsgänge beim Pulverisieren, sche».
Schlämmen und Waschen von Farbmineralien entspre- Die Ausbeute an gutem Pigment liegt (bezogen auf
chen den im Abschnitt 30 beschriebenen Vorgängen. das Gewicht des ursprünglichen Steins) etwa zwischen 5
% und 30 %.
4 Weitere Methoden zur Reinigung von
Lapislazuli-Pigment Von diesem Rezept existieren zahlreiche Varianten,
Im Spätmittelalter tauchen erste Rezepte zur «che- bei denen unter anderem Holzaschen, Ammonium-
mischen» Reinigung von Lapislazulipigment auf, um chlorid, Honig, Tonerde, Eidotter, Pech, Gummiwasser
daraus das reine Ultramarin zu isolieren. Man vereinig- und verschiedene Öle zur Anwendung kommen. Mo-
te dazu das feingemahlene Pigment mit einer Masse aus derne Vereinfachungen empfehlen z.B., das Lapispulver
Harz, Wachs und Öl, welche man «Pastillum» nannte. einfach mit einer Wasser/Ölmischung aufzuschütteln
Wurde diese Mischung danach in lauwarmem Wasser und die Suspension in einen Scheidetrichter zu geben,
oder schwacher Lauge mit den Händen geknetet, trat bis sich die Bestandteile getrennt haben und man das
das Blau aus der Masse aus und setzte sich im Wasser Pigment unten ablassen kann. Das Pigment kann mit
ab, während die Verunreinigungen (Marmor- und Pyri- heißer Lauge von anhaftenden Ölresten gereinigt wer-
treste) in der Knetmasse hängen blieben. den.
KÜNSTLICHE MINERALPIGMENTE (GRUPPE C)
41. Die Bleipigmente: Bleiweiß, frischen Pferdemist einbringt, möglichst mit einer
kleinen Menge uringetränktem Stroh.
Bleigelb, Bleizinngelb, Mennige Auf der Oberfläche des Bleies bildet sich eine weiße
Bleiweiß kommt als natürliches Mineral vor (Cerus- Patina, die man nach dem Trocknen abschaben und
sit), doch die künstliche Herstellung ist billiger. Bereits waschen kann und die aus Bleiweiß besteht (giftig!).
die Griechen und Römer stellten auf künstlichem Wege Verwendet man statt des Bleies Kupferblech, erhält
Bleiweiß her und wußten es durch Hitzebehandlung in man Grünspan (→ 44).
Massikot (Bleigelb) und Mennige (Minium) umzuwan-
deln. Aus dem Mittelalter sind zahlreiche Rezepte über- Durch Erhitzen kann Bleiweiß in andere deckende
liefert, wie man aus Bleiplatten in der warmen, am- Bleipigmente verwandelt werden (nur in professionel-
moniakhaltigen Atmosphäre eines Misthaufens unter lem Labor):
der Einwirkung von Essigdämpfen Bleiweiß gewinnt. 300°C: Bleigelb (Massikot)
Zur Herstellung von kleinen Mengen Bleiweiß neh- 480°C: Mennige, dieses zusammen mit
me man ein Deckelglas mit rostfreiem Deckel, am Zinndioxid auf
besten ein Einmachglas mit Glasdeckel und Gum- 650–800°C: Blei-Zinn-Gelb.
midichtung. Metalldeckel, auch solche mit Beschich- Massikot ist unbeständig; es wird an der Luft oliv-
tung, fangen beim Angriff der scharfen Gase schnell an grün. Für Wasserfarben ungeeignet.
zu rosten und verderben das Produkt. Unten gieße etwa Mennige ist ein leuchtendes Orange, das auch durch
einen Zentimeter starken Essig hinein, baue ein kleines beste Reproduktionstechniken nicht wiedergegeben
Podest aus nicht korrodierendem Material und stelle werden kann.
ein Stück Bleiblech darauf, wobei darauf zu achten ist, Blei-Zinn-Gelb wird bei niedrigeren Temperaturen
daß der Essig das Blei nicht berühre. Das verschlossene eher gelborange, bei höheren zitronengelb. Nach Anga-
Glas stelle man einige Tage an einen warmen Ort. ben aus dem 14. und 15. Jahrhundert (De arte illumi-
nandi, Neapeler Manuskript) war Blei-Zinn-Gelb ein
Nebenprodukt bei der Herstellung von farbigem Glas
für die Mosaikherstellung.
Ersatz für Bleiweiss: Seine Giftigkeit, das hohe
Gewicht und die Neigung, an der Luft braunschwarz zu
oxidieren, legen nahe, das Bleiweiß durch moderne,
ungiftige und beständigere Pigmente zu ersetzen. Die
Vorteile des Bleiweißes, wie der warme Weißton, seine
gute Deckkraft, die dichte salbenartige Oberfläche und
seine Polierfähigkeit (als Bestandteil eines Goldgrundes)
werden von diesen jedoch kaum erreicht. Am besten
eignet sich Zinkweiß, und zwar sowohl das Oxid als
auch das Sulfid des Zinks, da beide farblich am ehesten
dem Bleiweiß entsprechen. Zinksulfid ist zudem ein
hervorragender Silberstiftgrund. Weniger empfehlens-
wert ist Titanweiß, dessen Farbton kalt, fast bläulich
wirkt und sich sowohl bei Mischungen als auch bei
Weißhöhungen weniger gut in das Farbensystem der
Buchmalerei integriert. Außerdem wurde von Doerner
(1921) beobachtet, daß sich seine Nachbarschaft ver-
hängnisvoll auf Pflanzenfarben auswirken kann, indem
Die Bleiweissfabrik:
es durch die Umwandlung von sichtbarem Licht in
1 Einmachglas (verschlossen)
zerstörerische Energie deren Ausbleichen beschleunigt.
2 Bleibleche auf gläsernem Podest (Petrischale o.ä.)
Neuere Sorten Titanweiß üben angeblich keine schädli-
3 Essigdämpfe
chen Wirkungen mehr auf organische Farbmittel aus.
4 Ammoniakhaltige Gärungsdämpfe aus Pferdemist
Zudem sind sie giftklassefrei. Die Ungiftigkeit des Pig-
5 Pferdemist und Stroh in gläsernem Aschenbecher
ments mag zwar erfreulich sein (es ist in vielen Zahn-
6 Essig
cremes und Sonnenschutzmitteln enthalten), doch darf
7 warme Unterlage (Heizung)
man nicht vergessen, daß bis heute Millionen Tonnen
giftiger, bei der Herstellung von Titanweiß anfallender
Essig allein genügt; das Bleiweiß wird jedoch besser,
Dünnsäure in Flüsse und Meere verklappt werden.
wenn man in den Reaktionsraum in einem kleinen
Stoffbeutel oder in einem anderen Gefäß ein wenig
42. Zinnober Möglichkeiten zur Veränderung von Kupfer-
Es herrscht Unklarheit darüber, seit wann das rote grünpigmenten:
Quecksilbersulfid Zinnober künstlich hergestellt wird. • Lösen von Kupfergrün in Essig und anschließendes
Möglicherweise kannte man in der Antike nur das wochenlanges Stehenlassen: Es bilden sich teilweise
natürliche Bergzinnober aus Cinnabarit (→ 39), welches recht große Grünspankristalle, die zerrieben ein kräfti-
vor allem im spanischen Almadén abgebaut wurde und ges Blaugrün abgeben (destillierter, sog. «neutraler»
Tausende von Bergleuten das Leben gekostet hat. Rezep- Grünspan; Kupferacetat). Das Pigment schädigt Pinsel,
te zur künstlichen Herstellung von Zinnober sind seit Papier, Pergament und Bindemittel. Man kann die
dem 8. Jahrhundert überliefert. Doch auch für die Methode auch anwenden, um braun gewordenes Grün-
Sythese von Zinnober braucht man Quecksilber, das spanpigment wieder grün zu machen.
man in denselben Minen abbaute wie den Bergzinno- • Unter der Einwirkung von Salz und Honig entsteht
ber. eine Art künstliches Malachitgrün, welches Anteile vom
Die Herstellung von künstlichem Zinnober ist nichts Kupferchlorid enthält.
für den Hausgebrauch. Das Pigment ist im Fachhandel • Besonders lohnend sind Versuche, Kupfergrün mit
erhältlich. gelben Pflanzenfarbstoffen zu vermengen oder zu über-
färben. In der Kombination mit Safran (→ 58), Färber-
reseda (→ 59), Rautenkrautsaft (→ 60) oder Curcuma
43. Aurum musicum (Musivgold) (→ 61) entsteht ein wunderbares, leuchtendes Grasgrün.
Dieses erst im Spätmittelalter erfundene Pigment • Reine Grüntöne können auch durch Schmelzen von
diente als Goldersatz und könnte als Zufallsprodukt in Grünspan in erhitztem Kolophonium gewonnen wer-
einer Alchemistenküche entstanden sein. In der goti- den (Kupferresinat). Letzteres läßt sich nach dem Ab-
schen Buchmalerei war es eine der Grundfarben, vom kühlen leicht pulverisieren und liefert ein zuverlässiges,
Farbton her ähnlich wie ein heller Goldocker, doch wenig korrosives Kupfergrün für Wasserfarben und
silbrig bronzierend. Chemisch handelt es sich um Zinn- Tempera.
sulfid. • Grünspan verbindet sich auch mit wässerigen Binde-
Leider ist die Herstellung von Aurum musicum in mitteln wie Gummi arabicum oder Eikläre, indem es
einer normalen Küche nicht möglich, weil dazu hohe sich den Bindemittelanteil einer Wasserfarbe einfach
Temperaturen, ein luftdicht verschließbarer Reaktions- einverleibt und unlösliche Kupfer-Protein-Verbindun-
behälter und, den alten Rezepten zufolge, das giftige gen damit eingeht. Erneutes Pulverisieren und Anreiben
Quecksilber erforderlich sind. Auch im Handel ist tut hier meist Abhilfe; die entstandenen Produkte sind
dieses Pigment nicht erhältlich. stabiler und ebenso wie Kupferresinat wenig korrosiv.
• Umwandlung in «basischen Grünspan»:
44. Kupfergrün und Kupferblau
Künstliches Kupferblau: Die Rezeptammlungen
Neben dem Malachit war künstliches Kupfergrün
sind voll mit Anleitungen, eine Art künstlichen Azurit
die wichtigste Grünfarbe der Buchmalerei. Seine einfa-
aus Grünspan zu gewinnen, da dieser bedeutend billiger
che Herstellung, die große Variabilität (olivgrün über
als die blaue Mineralfarbe war. Ziel war die Umwand-
grasgrün bis blaugrün) und hohe Leuchtkraft machten
lung des blaugrünen Kupferacetats in ein blaues, basi-
sie überall dort unersetzbar, wo kräftige, reine Grüntö-
sches Kupfercarbonat, Kupfer-Calcium-Acetat oder
ne gewünscht waren. Nachteile des Kupfergrüns sind
Kupfer-Calcium-Carbonat. Man versuchte dies zu errei-
seine Veränderlichkeit, seine Giftigkeit (Giftklasse 3)
chen, indem man Grünspan mit Aschenlauge, gebrann-
sowie die korrosive Wirkung (Grünspanfraß). Kupfer-
tem Kalk, Essig und Ammoniumchlorid vermengte
grün ist zudem der schlimmste Pinselfresser, den die
oder Grünspankristalle ganz einfach Ammoniakdämp-
Buchmalerei kennt! Nur alte oder synthetische Pinsel
fen aussetzte. Auch durch Vermengen von Grünspankri-
verwenden.
stallen mit Ammoniumcarbonat (Riechsalz) oder
Die Herstellung des Kupfergrüns lief analog der im
Ammoniumhydrogencarbonat (Hirschhornsalz bzw.
Abschnitt 41 beschriebenen Bleiweißgewinnung ab:
das Backhilfsmittel Triebsalz) erhält man tiefblaue
Kupferbleche wurden in einem Behälter möglichst aus
Pigmente. Leider zerfallen sie mit der Zeit zu hellem
Eichenholz der vereinten Wirkungen von Essig-
Blaugrün, welches aber durchaus zum Malen brauchbar
dämpfen, Ammoniak (Misthaufen) und Wärme ausge-
ist. Zudem ist es beständiger und weniger korrosiv als
setzt und setzen daraufhin eine grüne Patina an, die nur
das reine Kupferacetat.
noch abgeschabt werden mußte. Vielfältige Tönungen
stellten sich ein, wenn außerdem noch Stoffe wie Salz,
Honig, Urin, Weintrester, Kalk, Ammoniumchlorid, 45. Künstliche Eisenoxide
Aschenlauge usw. wirksam werden konnten. Kupfer- Der natürliche rote Ocker läßt sich bestens durch
grünprodukte konnten in Essig gelöst als Tinte oder in Eisenrost ersetzen, der ja aus reinem Eisenoxidhydrat
kristalliner Form als Pigment verwendet werden. besteht und keine verdünnenden Tonerden enthält. Im
Eisenbergbau und bei der Eisenverhüttung fallen große
Mengen an gelben und roten Eisenoxiden («Grubenok-
ker») an, die sich ohne aufwendige Bearbeitung als Der schwarze Ruß kann nach dem Abschaben mit
Pigment anbieten. Seifenwasser, Lauge und/oder Ochsengalle entfettet
Über die künstliche Herstellung von Eisenoxidpig- werden, damit er nicht so hydrophob (wasserabsto-
menten sind keine mittelalterlichen Rezepte überlie- ßend) ist. Mit etwas Geschick läßt sich der Ruß auch
fert, lediglich für das Umwandeln von gelbem Ocker in direkt auf dem Blech mit etwas Bindemittellösung und
gebrannten, roten Ocker. Heute laufen künstliche Ei- Zuckerwasser anteigen.
senoxide unter zahlreichen Bezeichnungen, z.B. In- Flammruß ist zwar sehr leicht für sein Volumen und
dischrot, Englischrot, Marsrot, Caput mortuum usw., benötigt wegen der zerklüfteten Oberfläche der Pig-
wobei letzteres für braunviolette Tönungen gebräuch- mentteilchen enorme Mengen Bindemittel (etwa
lich ist. sechsmal so viel wie z.B. Ocker), läßt sich aber mit
Feder und Pinsel extrem fein ausziehen. Er eignet sich
46. Schwarz dadurch sowohl zum Schreiben (chinesische Tusche) als
Bei schwarzen Farben in der Malerei handelt es sich auch für feine schwarze Konturen in Miniaturen.
meistens um Verbrennungsprodukte (Kohlenstoff, in
der natürlichen Form als Graphit oder Diamant vor- Eisengallustinte
kommend), die man durch das Verbrennen von Kno- Es gibt auch ein Schwarz, das keinerlei Kohlenstoff
chen, Elfenbeinabfällen, Traubenkernen, aber auch aus enthält, nämlich eine schwarze Eisenverbindung na-
dem Ruß von offenen Feuern gewann. mens Eisenoxidschwarz. Dieses kann sowohl in saurer
Rebschwarz aus Traubenkernen oder Weinrebenholz Lösung (Eisengallustinte) als auch als auskristallisiertes
sowie Schwarz aus anderen Holzarten (z.B. Weiden- Pigment verwendet werden. Mit der Feder gezeichnete
zweige), Knochen oder Elfenbeinabfällen kann man Eisengallustinte ist in vielen Buchmalereien als Schwarz
gewinnen, indem man das getrocknete Material in erkennbar. Manchmal hat es sich auch in Braun ver-
Alufolie einwickelt und 6 bis 8 Stunden in der Glut wandelt und ist dann eigentlich ein künstliches Eisen-
eines Holzfeuers verkohlen läßt. Geeignete Aststück- oxidbraun (→ 45) geworden.
chen zerfallen dabei nicht zu Kohlepulver, sondern Bei der Eisengallustinte überschneiden sich pflanz-
lassen sich direkt stiftförmig als Zeichenkohle verwen- liche und mineralische Farbmittel. Obwohl sie im
den. Aus den Abfällen gewinnt man Pigment. Handel manchmal als «Pflanzentinte» angeboten wird,
Flammruß kann man leicht mit Hilfe einer Kerze handelt es sich streng genommen nicht um einen Pflan-
und eines Stück Blechs herstellen: zenfarbstoff, sondern um ein Reaktionsprodukt einer
pflanzlichen Säure (Gallsäure, entstanden unter Mit-
Die Flammrussfabrik wirkung einer Wespe) mit einem eisenhaltigen Mineral
(Eisensulfat). Die Farbe kommt vom Eisen. Wenn eine
Eisengallustinte im Tintenfaß eintrocknet, kristallisiert
sie zu schwarzen Kristallen aus. Pulverisiert wäre das
im Prinzip eine Art Eisenoxidschwarz.
Auf keinen Fall sollte man Eisengallustinte mit dem
Pinsel verarbeiten. Sie ist ein Pinselmörder! Federn
verwenden.
Die mit einem Sternchen * versehenen Farben werden in den nachfolgenden Abschnitten näher behandelt.
GELB botanischer Name zu verwendender Teil; Bemerkungen Kategoie
(→ 49)
Safran* Crocus sativus L. Blütennarben; zum Färben des Bindemittels 1a
Reseda, Wau* Reseda luteola L. ganze Pflanze; beständiger Farbstoff 2
Kreuzdorn* Rhamnus cathartica L. unreife Beeren (August) 2
Raute* Ruta graveolens L. Saft aus Blättern, Mai bis Juli; giftig 1a
Curcuma* Curcuma tinctoria, Rizome; kalt verarbeiten; «Direktfarbstoff» (be- 1a
var. longa L. nötigt kein Fixiermittel)
Weitere: Blütenblätter der Färberdistel oder Saflor (Carthamus tinctorius); Rinde des Sauerdorns bzw. Berberitzenstrauchs
(Berberis vulgaris); Liguster (Ligustrum vulgare L.); Hagebutten; Gummi gutti usw.
Weitere: Sandelholz; Efeusaft (nach Heraclius; umstritten); Alkanna oder färbende Ochsenzunge (Anchusa tinctoria); Orseille
bzw. Lackmus (versch. Färberflechten; ähnlich wie Folium) usw.
57. Pflanzenfarben-Kalender
Viele Färberpflanzen lassen sich durch Trocknen oder Einfrieren konservieren. Die Erntezeiten sind jedoch saison-
abhängig . Pflanzen, die frisch verarbeitet werden müssen, sind mit einem Stern* versehen.
58. Safran (Crocus sativus L.) goldgelb glänzend den oberen Teilen mit den Samenkapseln. Die Pflan-
zenteile können getrocknet werden, ohne an Färbekraft
Safran ist wohl die einzige Pflanzenfarbe, die man in einzubüßen. Getrocknete Resedapflanzen entwickeln
jedem Lebensmittelgeschäft kaufen kann. Die Herstel- beim Erhitzen allerdings einen stärkeren (Kohl-) Geruch
lung ist sehr einfach, da bei dieser Farbe keine beson- als frische.
deren Kunstgriffe wie Verlacken (→ 51) oder Haltbar-
machen auf Pezzetten (→ 50) üblich ist. Es genügt, die Zum Extrahieren des Farbstoffs
Safranfäden (oder das Pulver, wenn sie gemahlen sind) wird empfohlen, die Pflanzenteile
in einigen Tropfen Gummi arabicum-lösung oder Eiklä- nicht höher als 70°C zu erhitzen und
re einzulegen, zu warten, bis sie diese durchgefärbt vor dem Filtrieren ein paar Stunden
haben, und den Schleim dann durch ein Stück Stoff in stehen zu lassen. Beim Verlacken
ein Näpfchen zu filtrieren, möglichst unter Zugabe von stellt man fest, daß sich der Farb-
etwas Zucker, damit sich die Farbe leicht wieder löst. stoff im Moment der Alaunzugabe
Leider ist sie im Licht nicht beständig; wenn die Sonne intensiviert und von Schwefelgelb
darauf scheint, verwandelt sie sich erst in graubraun in Goldgelb umwandelt.
und verschwindet dann ganz. Die Färberreseda wurde früher
zu den P anzen gezählt, die eine
beständige Färbung lieferten. In
manchen Ländern war es Vor-
schrift, die Hüte der Juden (daher
«herbe aux juifs») und die gelben
Bänder der Huren mit Reseda zu
färben.
Curcuma tinctoria var. longa L.; der Farbstoff ist in den Wurzelknollen
(Rizomen) enthalten, vor allem in den spindelförmigen, senkrecht stehenden
Mutterknolle.
Die Weinraute (Ruta graveolens L.), eine Verwandte der Zitrusfrüchte. Die
mittlere Blüte eines Zweiges hat stets fünf Blütenblätter; alle anderen nur vier.
Rezept zur Gewinnung von Waidindigo aus Färberwaid mit Benötigte Materialien:
einfachsten Mitteln: • 500 gr. frische Färberwaidblätter
• 2 Kochtöpfe (am besten Chromstahl mit dünnem
Diese geniale, moderne Methode kommt ohne Gä- Boden und mind. 5 l Fassungsvermögen)
rung und ohne giftige Chemikalien aus und ist beson- • 2,5 l Regenwasser, notfalls Leitungswasser
ders für kleine Mengen geeignet. (nach David J. Hill, • Holzstab zum Umrühren
Bristol 1994; mit Anpassungen von KPS) • Nudelsieb und dicht gewobenes Baumwolltuch
20×20 cm
• 0, 5 dl Aschenlauge (Herstellung siehe Abschnitt 51)
• Küchenmixer
Hilfsmittel (fakultativ): • 0, 5 dl Essig
• Universal-Indikator (Meßstreifen zum Feststellen • Wasserzerstäuber
des pH-Werts im Bereich 5-10 pH) • Kaffeefilter (Trichter und Filterpapier); Auffangbe-
• Thermometer bis 100°C hälter
Die Arbeitsschritte: gießen. Falls das erste Filterwasser noch blau ist, er-
1 Zwischen Juni und Oktober an heißem, am besten neut darüberschütten, bis es farblos, rosa oder hell-
schwülem Nachmittag etwa 500 Gramm Blätter grau abtropft. Das Abtropfen kann zwischen einigen
sammeln, vorzugsweise von jungen Blattrosetten im Stunden und mehreren Tagen dauern, weil der Indi-
ersten Jahr. Die nächste Ernte kann nach 30 Tagen go sehr feinteilig ist und die Poren des Filters ver-
stattfinden. stopft. In der Filterwand hängender Indigo kann mit
2 Im ersten Kochtopf 2,5 Liter Wasser bis zum Spru- Hilfe des Zerstäubers hinuntergewaschen werden
deln aufkochen. (erstes Abtropfwasser auffangen und falls blau wie-
3 Die Blätter nach und nach, aber innerhalb einer der in Filter geben). Wenn kein Wasser mehr heraus-
Minute, in das sprudelnd kochende Wasser einlegen. tropft, kann man das Restwasser herausziehen, in-
Weiterhin Hitze zuführen. dem man ein saugfähiges Vlies unter das Filterpapier
4 Wenn alle Blätter vom Wasser bedeckt sind, noch 3 legt. Das Indigo läßt sich am besten aus dem Filter-
Minuten sprudelnd weiterkochen, bis gelber Schaum papier lösen, wenn man den Moment abwartet, in
aufsteigt. Immer wieder mit Holzstab umrühren. dem es gerade noch leicht feucht ist und sich wie ein
Währenddessen zweiten Topf im Abwaschbecken in Schneeball zusammenpappen läßt. Dann an der frei-
kaltes Wasser einstellen und das mit dem Baum- en Luft fertig trocknen. Vom Gebrauch der sonst zum
wolltuch belegte Nudelsieb darüberhängen. Trocknen von Pigmenten empfohlenen Tontellern ist
5 Die Flüssigkeit durch das Tuch in den im Wasser abzuraten, weil der Indigo zu feinteilig ist.
stehenden Topf seihen. Die Blätter nicht ausdrücken. w So lange das Indigopigment noch weich ist, kann
Die Farbe der Flüssigkeit ist gelbgrün bis olivbraun, man es auf einer Glasplatte anreiben; ist es trocken,
der pH-Wert 6 bis 7. benötigt man eine Reibschale. Nicht in Tuben abfül-
6 Nun muß die Flüssigkeit möglichst rasch abgekühlt len; sie explodieren durch Nachgärung!
werden. Dazu mit dem Holzstab abwechselnd das
Kühlwasser und die Waidflüssigkeit umrühren, Statistik:
2
letztere aber nur sehr langsam und stets in dieselbe • 1 m Waidanbaufläche liefert etwa 2 kg Blätter pro
Richtung, damit keine Luft hineingeschlagen wird. Monat (Juni-Oktober).
Das Kühlwasser 3 bis 4 Mal wechseln, aber nicht di- • Pro Kilogramm frischen Blättern gewinnt man im
rekt zu der Färberflüssigkeit geben. Schnitt etwa 1 Gramm Pigment (in mediterranen
7 In etwa 10 bis 15 Minuten sollte die Flüssigkeit auf Ländern das Doppelte).
unter 30°C abgekühlt sein. Die Farbe ist jetzt oliv-
grün; die Oberfläche sollte kupferfarben schimmern.
8 Die Lauge (etwa 0, 5 dl, wenn pH 14) vorsichtig ein- 66. Kreuzdorn (Rhamnus cathartica L.)
gießen und leicht umrühren. Nach etwa 3 Minuten (gelber Farblack
ist die Flüssigkeit flaschengrün und der pH-Wert und dunkelgrüne Saftfarbe)
etwa 9 – 10.
9 Dann muß eine halbe Stunde lang Luft eingeschlagen Die Beeren des Kreuz- oder Wegdorns (Rhamnus
werden. Dies geschieht am einfachsten mit dem Kü- cathartica L.) stehen an den Blattachseln, jeweils an
chenmixer, der so über der Flüssigkeit aufgehängt einem Einzelstiel. Aus unreifen Beeren gewinnt man
wird, daß die Rührstäbe etwa zu zwei Dritteln ein- das sogenannte «Schüttgelb», aus reifen einen leuchtend
getaucht sind. Die Flüssigkeit beginnt bald zu grünen Saft («Saftgrün»).
schäumen, und der Schaum färbt sich nach einigen
Minuten blau oder bekommt schwärzliche Krusten.
Wenn der Schaum gelb ist, ist die Flüssigkeit zu al-
kalisch. In diesem Fall sollte man mit dem Zerstäu-
ber etwas Essigwasser darübersprühen, bis der Gelb-
stich verschwindet. Schäumt die Flüssigkeit über,
kann man den Mixer einige Minuten abstellen.
0 Durch Zugabe von etwa 0, 5 dl Essig stellt man den
pH-Wert auf etwa 5 ein. Den blauen Schaum kann
man nach und nach in die Flüssigkeit hineinrühren.
Im Verlauf einer Stunde sollte der Waidindigo an-
fangen, auszuflocken und sich am Gefäßboden abzu-
setzen. Am besten über Nacht stehen lassen. Im Ide-
alfall entfärbt sich die Flüssigkeit zu hellem Orange-
rosa und kann vorsichtig abgegossen werden.
q Das Wasser bis auf den Bodensatz vorsichtig abgie-
ßen (und aufheben, falls es noch grünlich, bläulich
oder grau ist; in diesem Fall wird sich noch weiterer
Indigo absetzen). Den Bodensatz in den Kaffeefilter Kreuz- oder Wegdorn (Rhamnus cathartica L.)
Saftgrün war früher das wichtigste lasierende Grün
der Wasserfarbenmalerei. Der Saft der reifen Beeren ist
eigentlich rotviolett; er verwandelt sich aber in lebhaf-
tes Grün, sobald er mit einer schwachen Aschenlauge
oder mit der (alkalischen) Pergamentoberfläche in
Berührung kommt. Ein wenig Alaun zum Konservieren
genügt; Bindemittel und Zucker sind bereits in den
Beeren enthalten. Das Schüttgelb aus den unreifen Bee-
ren funktioniert nach der im 51. Abschnitt beschriebe-
nen Methode. Während für das Saftgrün die reifen
Beeren frisch oder tiefgekühlt sein sollten, kann man
die unreifen Beeren für die Schüttgelbgewinnung auch
getrocknet aufbewahren. Noch besser für die Farblack-
gewinnung soll der Felsenkreuzdorn (Rhamnus saxatilis)
sein.
Zur Frage der Haltbarkeit von Pflanzenfarben Im Gegensatz zu Mineralfarben sind Pflanzen-
Alle Farben verändern sich mit der Zeit, manche sehr farbstoffe transparent (lichtdurchlässig), wodurch
langsam, manche schneller. Leider gehören die meisten Lichtstrahlen, die auf eine solche Farbschicht auftreffen,
Pflanzenfarben zu den schnell bleichenden, was sie für nicht sogleich an der Oberfläche reflektiert, sondern
die Tafel- und Wandmalerei ungeeignet macht. Die zuerst einmal absorbiert werden, dann aber vom dar-
Buchmalerei ist hingegen selten dem Licht ausgesetzt. unterliegenden Grund zurückgeworfen und erneut
Außer in den kurzen Augenblicken der Betrachtung durch die Farbschicht geschickt werden, wobei sie diese
und Lektüre ist die Malerei im geschlossenen Buch und zum Leuchten bringen. Diese Farbwirkung ist uns ver-
im Dunkeln geborgen, so daß die Farben im Prinzip traut von lasierend gemalter Aquarellmalerei auf Pa-
jahrhundertelang erhalten bleiben können. Uns sind pier. Dort ist der weiße Papierton der Reflektor der
tausendjährige Handschriften erhalten geblieben, de- auffallenden Lichtstrahlen.
ren Pflanzenfarben noch heute leuchten! Probleme Eine Besonderheit der Buchmalerei besteht darin,
entstehen nur dann, wenn Buchmalerei jahrelang im daß hier bewußt deckende und transparente Farben
Licht ist, mag es auch noch so schwach sein. Einzelsei- kombiniert werden: Die deckende Grundschicht (meist
ten, vor allem kolorierte Zeichnungen, die früher in mineralischen Ursprungs) wird durch die darübergeleg-
privaten oder öffentlichen Sammlungen an der hellen ten Pflanzenfarb-Lasuren konturiert und modelliert.
Wand hingen, sind heute teilweise stark ausgeblichen. Dadurch gewinnen die Farben eine besondere Leucht-
In einer überlegt aufgebauten Buchmalerei können kraft und Tiefe, vor allem wenn es gelingt, daß sich die
auch relativ lichtempfindliche Farbstoffe verwendet zwei Schichten nicht materiell vermischen. Sie müssen
werden, wenn man die folgenden Regeln befolgt und übereinander, nicht ineinander gemalt werden.
eine allmähliche Veränderung der Farben in Kauf Das hier beschriebene Prinzip der mehrschichtigen
nimmt, ja sogar in die Malerei mit einbezieht. Buchmalerei läßt sich auch durch die Kombination von
Pflanzenfarben werden in der Buchmalerei vor allem handelsüblichen Gouache- (deckend) und Aquarellfar-
zum Schattieren von Mineralfarben verwendet: Eine ben oder gar Tinten (transparent) realisieren.
Lasur aus Kreuzdornsaft verdunkelt zum Beispiel einen Moderne Aquarellfarben sind unbestreitbar lichtbe-
Malachitgrund auch dann, wenn sie sich allmählich ständiger als Pflanzenfarben. Sie sind auch zumeist
von Grasgrün in Olivgrün oder gar Braungelb verwan- reiner, denn bei der Herstellung der synthetischen
delt hat. Auch Rotholzlasuren vertiefen einen Lapisla- Farbstoffe und Pigmente werden große Anstrengungen
zuli- oder Azuritgrund auch dann noch vollkommen, unternommen, um in ihrer Lichtrefraktion möglichst
wenn sich die ursprünglich rote Lasur in durchsichtiges nur eine bestimmte Wellenlänge herauszuarbeiten und
Graubraun entfärbt. In beiden Fällen wird das Gesamt- alle anderen zu eliminieren. Pflanzenfarbstoffe sind
bild kaum unter der Veränderung leiden. hingegen «reicher». Als Beispiel mag der Rotholzsaft
Ein- und derselbe Pflanzenfarbstoff hat als Saft und dienen. In ihm überlagern sich orangerote, rote, rotvio-
als Lack unterschiedliche Echtheiten. Soll ein Pflanzen- lette und bräunliche Nuancen, was man schon bei sei-
farbstoff selbst als tongebende Lokalfarbe dienen, wird ner Herstellung feststellt. Der Extrakt mit reinem Was-
man keine Farbsäfte, sondern Mischungen mit anderen, ser wirkt orangerot; stellt man ihn dann zum Verlacken
stabileren Pigmenten oder die relativ lichtbeständigen leicht alkalisch ein, spielt er ins Rotviolett, ja gar ins
Farblacke wählen. Farblacke sind durch mineralische Bläuliche. Bleibt er zu lange stehen, wird er beinahe
Zusätze (meist Alaun) stabilisiert und dadurch lichtbe- braun. Im Rotholzsaft sind also verschiedene Tönungen
ständiger als Farbsäfte, letztere sind hingegen konzen- angelegt und spielen je nach Umgebung, Lichteinfluß
trierter und lassen sich feiner auftragen. und pH-Wert der Grundschicht mit. Dies mag ein
Grund sein, daß der Rotholzsaft als universelle Schat-
Die Leuchtkraft der Buchmalerei tierfarbe auf beinahe allen Farben außer dem Grün –
Eines der Ziele der Buchmalerei ist die möglicht vom Gelb über Ocker und Gold zum Orange, Braun,
vorteilhafte Ausnutzung des Lichts: Einerseits, um mit Rotbraun, Rot, Rosa, Violett und Blau– geeignet ist und
wenig Licht etwas sichtbar zu machen, anderseits, um in jedem einzelnen Fall nicht einfach rot, sondern nur
mit der Reflektionskraft von Blattmetallen konkurrie- verdunkelnd-vertiefend empfunden wird. Versucht
ren zu können. man denselben Effekt mit Aquarellfarben nachzuma-
Für die starkfarbigen Lokaltöne in den Grundschich- chen – zum Beispiel, indem man verschiedene transpa-
ten der Buchmalerei sind Pflanzenfarben weniger ge- rente Rottönungen mischt, so erhält man nur schmut-
eignet. Es sind die natürlichen und künstlichen Mine- zige Farben. Variiert man hingegen die Schattiertöne je
ralfarben, die wegen ihrer Deckkraft und Lichtreflekti- nach Grundfarbe, verliert man die harmonisierende
on starke Farbigkeit erzeugen. Bei schwacher Leimung Wirkung, die der Rotholzsaft auf die gesamte Malerei
wirken sie matt und können ähnlich wie Gouachefar- ausübt.
ben oder gar Pastellkreiden wirken.
Eine weitere maltechnische Kuriosität ist das in der 69. Bezugsquellen
Buchmalerei zur Schattierung von Kupfergrüns ver- Bei folgenden Firmen können pflanzliche, minerali-
wendete Saftgrün aus Kreuzdorn oder Schwertlilien (→ sche und andere Rohstoffe bezogen werden:
55, 66, 67). Hier werden ursprünglich rötliche oder
violette Farbstoffe durch Alaunzusätze «vorgebeizt» und • Kremer Pigmente, Farbmühle, D-88317 Aichstetten
in saft- bis gallertartiger Form aufbewahrt. Frisch her- • Gerstendörfer Blattgoldfabrik, D 91189 Gustenfelden
gestellte Sorten sind noch einige Minate lang beim Ma- • Laverdure & Fils, 58 rue Traversière, F-75012 Paris
len rötlich. Da aber die verwendeten Malgründe Perga- • Zecchi, Via dello Studio 19 r, I-50122 Firenze
ment, Malachit oder künstlichen Kupfergrüns alkalisch • Dolci & Figli, Via Cantarane 16, I-37129 Verona
reagieren, findet im Moment des Malens eine Umfär- • Chrüterhüsli (Drogerie Heinis), Gerbergasse 69/Falkner-
bung und zugleich Farblackbildung (→ 51) statt, welche strasse 46, 4001 Basel (gute Qualitäten Rotholz, Krapp,
den Pflanzenfarbstoff stabilisiert. Möglicherweise spie- Cochenille, Kornblumenblüten, Galläpfel, Kreuzdorn-
len dabei auch die in der Farbe enthaltenen Kupferan- beeren, Reseda, Indigo, Drachenblut, Tonteller usw.)
teile eine Rolle. Tatasche ist, dass Saftgrün auf Kupfer- • A-Chau Trading AG, Centralbahnstrasse 4 (im Elsässertor,
grün viel haltbarer ist als nur auf Papier oder Perga- beim Bahnhof SBB), 4051 Basel (frische Curcuma-
ment. Zugleich erlaubt die Vermalung als praktisch Rizome).
körperloser Farbsaft feinste Details und nuancierteste • Bleu de Lectoure, Ancienne Tannerie, Pont de Pile, F-32700
Farbabstufungen, viel feiner noch als mit Aquarellfar- Lectoure (Färberwaid-Produkte; auch Pigment).
ben. • Farbnäpfchen (Mineraliensockel in schwarz und weiß):
Mit handelsüblichen Farben mag man andere, viel- Fa. Mineralbox, Dammstr. 2/1, D-71297 Mönsheim.
leicht ebenso faszinierende Farbsysteme erarbeiten Ebenso Fa. A. u. M. Schrag, Hohrainstrasse 23, CH-3322
können. Es soll deshalb hier gar keine Missionierungs- Schönbühl.
versuch für die Herstellung von historischem oder soge- • Universal-Indikatorstreifen (Fa. Merck): In Apotheken
nannt «natürlichem» Farbmaterial gemacht werden. kaufen (pH 0–14 Fr. 18.20), nicht in Drogerien (pH 1–11
Wer eine Vorliebe für das Selbermachen der Farben Fr. 38.-)! Ähnliches gilt für Alaun und Pottasche.
entwickelt, wird vielleicht finden, daß es das Ver- • Glasplatten kann man in größeren Baumärkten in der
ständnis für Farben erweitert und außerdem Spaß gewünschten Größe zuschneiden lassen. Das Abrunden
macht. der Kanten ist nicht billig, lohnt sich aber. Kupfer findet
man ebenfalls im Bastelbedarf, Bleiplatten in Geschäften
ENDE DES DRITTEN TEILS. für Modellbau (Ballast für Modellschiffe und –Flugzeuge).
• Reibschalen, Pipetten, Filterpapier usw. verkauft das
Pharmaziehistorische Museum, Totengässlein, Basel.
• Bronzemörser findet man auf Flohmärkten (Fr. 20-100).
• Präzisionswaagen stellt z.B. die Fa. Kern in D-Albstadt
her. Alte Laborwaagen werden manchmal günstig von der
chemischen Industrie abgegeben.
• Mineralien sind am günstigsten an den großen Fachmes-
sen. Beispiele: Im Juni in Ste.Marie-aux-Mines (Voge-
sen); im Dezember Basler Mustermesse usw.
Doerner, Max: Malmaterial und seine Verwendung im Bilde, 1921. (17. Pigments et colorants de l'antiquité et du Moyen Âge. Teinture,
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