Religionsgeschichte 2008
Herausgegeben von
Jan Assmann et al.
Walter de Gruyter
Archiv für Religionsgeschichte
≥
Archiv
für Religionsgeschichte
Herausgegeben von
Jan Assmann Fritz Graf Tonio Hölscher
Ludwig Koenen Jörg Rüpke John Scheid
Unter Mitwirkung von
Mary Beard Philippe Borgeaud David Frankfurter Cristiano Grottanelli
Albert Henrichs Alexander Knysh FrancX ois Lissarrague Charles Malamoud
Stefan Maul Shaul Shaked Guy Stroumsa Michel Tardieu
Zehnter Band
Das Werk einschließlich aller Beiträge ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der
engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeiche-
rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
앪
앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier,
das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISSN 1436-3038
ISBN (Print) 978-3-11-020139-0
ISBN (Online) 978-3-11-020288-5
ISBN (Print + Online) 978-3-11-020289-2
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Printed in Germany
Satz: Jürgen Franssen
Einbandentwurf: Christopher Schneider, Berlin
Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen
Inhaltsverzeichnis
Joannis Mylonopoulos
Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum ..............................................
Patrick Marchetti
Les dieux et héros du dromos dorien I. Réflexions sur les références légen-
daires de l’espace civique de Sparte et d’Argos chez Pausanias ...................
Diamantis Panagiotopoulos
Natur als sakraler Raum in der minoischen Kultur ...................................
Vinciane Pirenne-Delforge
Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias .......................
David Frankfurter
Preface .....................................................................................................
David Frankfurter
The Interpenetration of Ritual Spaces in Late Antique Religions:
An Overview ...........................................................................................
Blake Leyerle
Pilgrim Eulogiae and Domestic Rituals ....................................................
Charlotte E. Fonrobert
Neighborhood as Ritual Space: The Case of the Rabbinic Eruv ...............
Jason D. BeDuhn
The Domestic Setting of Manichaean Cultic Associations in Roman Late
Antiquity .................................................................................................
III. Varia
Jens Halfwassen
Der Gott des Xenophanes: Überlegungen über Ursprung und Struktur
eines philosophischen Monotheismus ......................................................
I. Religion und Raum
Einleitung
Fernande und Tonio Hölscher
Das erste Rahmenthema dieses Bandes ist dem Phänomen Religion und Raum
gewidmet. Dass Räumlichkeit als eine fruchtbare Kategorie von Religion betrach-
tet werden kann, beruht auf neueren Ansätzen der Raumtheorie im Rahmen der
kultur- und sozialgeschichtlichen Wissenschaften. Raum wird in diesem Sinn
nicht als abstraktes System von drei Dimensionen, auch nicht als Schale eines
nicht näher bestimmten Inhalts betrachtet, sondern als dynamische Konstella-
tion von Lebewesen und Körpern, die in konkreter oder symbolischer Interaktion
zueinander in Beziehung treten und dadurch Raum schaffen. Daraus ergibt sich
ein Konzept für eine vielfältige Erfassung und Analyse räumlicher Strukturen der
religiösen Praxis.
Die räumlichen Dimensionen von Religion können in vier konzentrischen
Kreisen geordnet werden. Eine erste Kategorie ist der rituelle Raum der sakralen
Stätten: Rituelles Handeln entfaltet sich einerseits in einem strukturierten Raum
und gibt andererseits diesem Raum eine religiöse Ordnung. Prozessionen und
Opfer, Reinigungen und Ausschließungen spielen sich zwischen drinnen und
draußen, rechts und links, oben und unten ab. Darüber hinaus geht die Kategorie
der religiösen Topographie des Lebensraumes: Das soziale Leben spielt sich in Räu-
men ab, die durch religiöse Orte, Wege und Grenzen eine signifikante Gliederung
erhalten. Stadt, Fruchtland und Wildnis, Berg, Fluss und Meer, sakrale, politische
und profane Bereiche werden durch Kultorte und Kulthandlungen definiert. Wei-
terhin lassen großräumige Gemeinsamkeiten religiöser Vorstellungen eine religiöse
Geographie erkennen, die viel über kulturelle Grenzen und Verbindungen aussagt.
Schließlich stellt der gesamte Kosmos, mit den Himmelsrichtungen wie mit der
Dreiteilung in Himmel, Erde und Unterwelt, einen umfassenden, religiös struktu-
rierten Rahmen des menschlichen Lebens dar.
Die Herausgeber haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Beitrag der archäo-
logischen Forschung zu einer integrierten Religionswissenschaft herauszustellen.
Die Erforschung der antiken Religionen ist seit ihren Anfängen weitgehend von
den Schriftquellen ausgegangen. Diese Tradition ist bis heute vielfach prägend
geblieben. Daneben hat aber die Archäologie eine große Fülle von Befunden,
Gegenständen und Bildzeugnissen erschlossen und untersucht, die vielfach ganz
andere Aspekte der Religion betreffen, welche in den schriftlichen Quellen nicht
oder zumindest nicht explizit zur Sprache gebracht werden. Philologische und
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4 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Der Mythos im Alten Ägypten ist bekanntlich kein ganz einfaches Phänomen. Eine
bis heute sehr wirkmächtige Forschungstradition hat von seiner „Verborgenheit“
gesprochen und ihn für das Nilland als dezidiert spätes Phänomen angesehen.¹
Ich selbst sehe diese Fragen durchaus etwas anders und würde die Frage lieber
darauf verlagert wissen wollen, in welchen Situationen die Benutzung des Mythos
in welchem Medium opportun war.²
Heutzutage ist man aus der Außenperspektive geneigt, die Mythen einer Kul-
tur als homogenen Block zu betrachten; und so verpackt kann man sie dann in
populären Büchern als Übersetzungssammlung oder lose Nacherzählung kaufen.
Unausgesprochene Annahme ist, daß es eine einheitliche, landesweit anerkannte
Theologie gibt; d.h. „der alte Ägypter“ hätte das, was man so deklariert, insgesamt
als Teil seiner Tradition aufgefaßt und allenfalls noch um Episoden ergänzt, die
uns aufgrund von Überlieferungslücken nicht bekannt sind. Nun ist aber „der alte
Ägypter“ als solcher ein Konzept, mit dem ich nie sonderlich glücklich geworden
bin. Es gab mehrere Millionen Einwohner eines Landes von fast 1000 Kilometer
Länge, und diese auch noch in sozial höchst unterschiedlichen Situationen. Es
ist nicht ohne Anmaßung, für diese doch zahlenstarke und in sich uneinheitliche
Gruppe eine einzige übergreifende Tradition religiösen Wissens zu postulieren.
Immerhin ist in der Forschung für andere Kulturen, insbesondere Indien, schon
sehr bewußt ein Unterschied zwischen „großen“, also landesübergreifenden, und
„kleinen“, also lokalen Traditionen gemacht worden.³ Sicher ist Ägypten in sich
weniger disparat als Indien. Es fehlt schon allein alles, was dem dort als „Sanskri-
tisierung“ bezeichneten Vorgang entsprechen könnte, einfach weil die Sprachen-
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6 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
situation eine andere ist. Dennoch kann man einmal den Versuch machen, nach
ortsspezifischen religiösen Traditionen zu suchen, zumal es durchaus Quellen gibt,
welche wenigstens für die späten Epochen Ägyptens, also ab dem 1. Jahrtausend
v. Chr., einem solchen Unternehmen Aussicht auf Erfolg geben.
Eine ganz spezielle Textgattung, die ohnehin wenig zum Konzept eines angeb-
lich mythenscheuen Ägypten paßt, sind nämlich große textliche Zusammenstel-
lungen von Mythen in geographischer Organisation. Bei diesen wiederum sollte
man zwei Basistypen unterscheiden. Zum einen gibt es die übergreifenden Samm-
lungen, welche für ganz Ägypten oder zumindest für wesentliche Teile davon die
relevanten Mythen und religiösen Traditionen zusammenstellen. Musterbeispiele
hierfür sind erst rezent zugänglich gemacht worden, besonders zum einen das
Mythologische Handbuch, von dem Jürgen Osing inzwischen eine Florentiner
Handschrift der Römerzeit publiziert hat,⁴ während weitere noch in Bearbeitung
sind, zum anderen ein Handbuch der Mythologie des Deltas, das Dimitri Meeks
jüngst nach einer frühsaitischen Handschrift in Brooklyn vorgelegt hat.⁵ Ange-
sichts der fragmentarischen Erhaltung der Handschrift wäre es dabei übrigens
nicht auszuschließen, daß sie ursprünglich entweder ganz Ägypten abgedeckt hat
oder daß Oberägypten auf einer weiteren, heute verlorenen Rolle behandelt wurde
– jedenfalls wäre eine Beschränkung allein auf das Delta nicht wirklich ersichtlich,
und an einzelnen Stellen greift der Text sogar evident oberägyptische Traditionen
um Oxyrhynchos auf.
Neben diesen übergreifenden Darstellungen gibt es als weitere Kategorie die
Textsorte, die seit Adolphe Gutbub gerne als „Monographien“ bezeichnet wird.⁶
Sie beschränken sich auf das Territorium eines einzigen Gaues, stellen dessen reli-
giöse Traditionen aber in größerer Ausführlichkeit dar, als es in den oft änigma-
tisch knapp anmutenden übergreifenden Handbüchern möglich wäre. Vielleicht
das bestbekannte Beispiel ist der Papyrus Jumilhac, eine fast neun Meter lange
Papyrusrolle, in welcher der 18. oberägyptische Gau sowohl für seinen Hauptort als
auch (viel kürzer) für die wichtigsten weiteren Orte abgehandelt wird.⁷
Während es hier nur eine einzige Handschrift gibt, ist das Buch vom Fayum
in einer ganzen Reihe von Kopien auf uns gekommen, sowohl in hieroglyphi-
schen und bebilderten Fassungen als auch in rein hieratischen Versionen ohne Bil-
der, und schließlich (derzeit noch unpubliziert) in einer hieratischen Version mit
Edition H. Beinlich, Das Buch vom Fayum. Zum religiösen Eigenverständnis einer ägyp-
tischen Landschaft. Ägyptologische Abhandlungen (); ergänzend H. Beinlich, „Ein
Fragment des Buches vom Fayum (W/P) in Berlin“, Zeitschrift für ägyptische Sprache und
Altertumskunde () -; ders., „Hieratische Fragmente des ‚Buches vom Fayum’
und ein Nachtrag zu BF Carlsberg“, Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde
() -; ders., „Drei weitere hieratische Fragmente des „Buch vom Fayum“ und
Überlegungen zur Meßbarkeit der Unterwelt“, Zeitschrift für ägyptische Sprache und Alter-
tumskunde () -, Taf. -. Kalkulation der derzeit faßbaren Menge wirklich ver-
schiedener Handschriften bei J. F. Quack, „Die Dienstanweisung des Oberlehrers im Buch
vom Tempel“, in: H. Beinlich – J. Hallof – H. Hussy – Chr. von Pfeil (Hgg.), . Ägypto-
logische Tempeltagung Würzburg, .-. September . Ägypten und Altes Testament /
() -, dort S. Anm. ; eine etwas niedrigere Zahl setzt K. Ryholt, „On
the Contents and Nature of the Tebtunis Temple Library. A Status Report“, in: S. Lippert
– M. Schentuleit (Hgg.), Tebtynis und Soknopaiou Nesos. Leben im römerzeitlichen Fajum
() -, dort f. mit Anm. an.
Wichtigste Texteditionen und Bemerkungen bei K. Sethe, Dramatische Texte zu altägyp-
tischen Mysterienspielen. Untersuchungen zur Geschichte und Altertumskunde Ägyptens
() -; H. Junker, Die Götterlehre von Memphis (Schabaka-Inschrift). Abhandlungen
der Preußischen Akademie der Wissenschaften / (); ders., Die politische Lehre von
Memphis. Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften / (); J. P.
Allen, Genesis in Egypt. The Philosophy of Ancient Egyptian Creation Accounts. Yale Egypto-
logical Studies () - und -; rezente Neubearbeitung durch A. El Hawary,
Schöpfung als die letzte (Be)Gründung. Die Memphitische Theologie und die Siegesstele des
Pije – zwei Zeugen kultureller Repräsentation in der . Dynastie. Orbis biblicus et orientalis
(in Vorbereitung). Zur Datierung und zur Frage der Echtheit der Fundangabe vgl. A. von
Lieven, Grundriß des Laufes der Sterne. Das sogenannte Nutbuch, The Carlsberg Papyri . The
Carsten Niebuhr Institute of Near Eastern Studies, Publications () -.
Diese Texte sind stark auf die Kultnamen der Orte fixiert und enthalten wenig narrative
mythische Entwicklungen.
Diese bei Gutbub, Textes fondamentaux, a. O. (Anm. ) behandelt, einschließlich einiger
sicher nicht zur selben Gattung gehöriger Texte.
Ediert in É. Drioton – G. Posener – J. Vandier – J. C. Grenier, Tôd. Les inscriptions du
temple ptolémaïque et romain I. La salle hypostyle, textes Nos -. Fouilles de l’Institut fran-
çais d’archéologie orientale de Cairo / (); Chr. Thiers, Tôd. Les inscriptions du temple
8 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
oder Esna,¹³ in denen bestimmte mythische Episoden erzählt werden. Sehr gerne
finden sich diese Monographien gerade in Durchgangssituationen, wo die verfüg-
baren Flächen des Steines groß angelegte Bildkompositionen schwierig machen,
eine textlastige Ausschmückung jedoch dem Auge des Durchschreitenden eine
rasche und gründliche Orientierung bieten konnte. Weiterhin finden sich Mono-
graphien gerne als Dekoration später Naoi mit Kultstatuen von Gottheiten.¹⁴
Allerdings dürfte es sinnvoll sein, gerade diese Darlegung etwas zu nuancieren.
Der Vorgang mag insofern korrekt beschrieben sein, als die Monumentalversionen
mutmaßlich tatsächlich von Papyrushandschriften abhängig sind, die als Vorla-
gen benutzt wurden; und in der modernen Forschung ist sogar evident, daß es
etwa Gutbub darum gegangen ist, quasi den Papyrus Jumilhac von Kom Ombo
zu rekonstruieren. Jedoch kann man diese Papyrushandschriften nur mit großen
Einschränkungen als homogene Kompositionen bezeichnen. Zu offensichtlich
ist es, daß sie erst langsam gewachsen sind und auf Einzelpassagen höchst unter-
schiedlichen Alters zurückgreifen. Ich selbst habe dies vor kurzem für den Papyrus
Jumilhac untersucht, wo man mehrere verschiedene Hauptstufen der Redaktion
im Neuen Reich mit Weiterarbeit bis in die Spätzeit fassen kann.¹⁵ Für das Buch
vom Fayum oder das Handbuch des Deltas wäre diese Arbeit noch zu leisten,
könnte aber ohne weiteres durchgeführt werden.¹⁶ Dabei hat man teilweise so
eklatante Phänomene zur Hand wie die Tatsache, daß das Handbuch des Deltas
in einer Sektion über Heliopolis einige Sätze aus dem epigraphisch seit der 19.
Dynastie belegten (aber sicher noch deutlich älteren) Grundriß des Laufes der
Sterne aufgreift, diese aber in ihrer Reihenfolge erheblich modifiziert und lexika-
lisch gelegentlich modernisiert.¹⁷
ptolémaïque et romain II. Textes et scènes nos -. Fouilles de l’Institut français d’archéologie
orientale de Cairo / ().
Zu Esna vgl. besonders H. Sternberg, Mythische Motive und Mythenbildung in den ägyp-
tischen Tempeln und Papyri der griechisch-römischen Zeit. Göttinger Orientforschungen IV/
(), bes. S. -.
Vgl. etwa V. Rondot, „Une monographie bubastide“, Bulletin de l’Institut français d’archéo-
logie orientale () -; ders., „Le naos de Domitian, Toutou et les sept flèches“,
Bulletin de l’Institut français d’archéologie orientale () -; G. Goyon, „Les tra-
vaux de Chou et les tribulations de Geb d’après le Naos d’Ismailia“, Kêmi () -
; Chr. Leitz, Altägyptische Sternuhren. Orientalia Lovaniensia Periodica () -.
J. F. Quack, „Corpus oder Membra disjecta. Zur Sprach- und Redaktionskritik des Papyrus
Jumilhac“, in: W. Waitkus (Hg.), Diener des Horus. Festschrift für Dieter Kurth zum .
Geburtstag. Aegyptiaca Hamburgensia () -.
Erinnert sei hier etwa daran, daß die Sektion über die Grenzen Ägyptens im Buch vom
Fayum (Ed. Beinlich Z. -) in der Wahl der Präpositionen n-ç#+ „von“ und r-hn-r
„bis“ deutlich demotische Spracheinflüsse zeigt.
von Lieven, Grundriß des Laufes der Sterne, a. O. (Anm. ) -.
J. F. Quack, Lokalressourcen oder Zentraltheologie? 9
Als erstes konkretes Fallbeispiel greife ich einen Text aus dem Brooklyner
mythologischen Handbuch auf, der unter den Titel „Osiris als Geflügelpastete in
Letopolis“ gestellt werden könnte. Der Text lautet im Gesamtzusammenhang der
Sektion:
„Betreffend das Darreichen der Stäbe: Betreffend den Feiertag, der in Letopolis begangen
wird, so heißt er ‚Darreichen der Stäbe‘. Betreffend (?)¹⁸ die beiden Herren, und ebenso(?)
ihren Kampf, so war es so, daß es zu einem Heldenwerk überging, wobei sie es gemeinsam
als Werk wiederholten beim Vogelfang, als die Seelen seiner Rebellen aufstiegen. Er fing die
Seele des Müdherzigen ein, wobei es so war, daß sie <als> fähige Seelen aufstiegen, wobei
es so war, daß er als sein Vater herabschwebte, wobei es so war, daß er ihn heftigst schlug.
Sein Vater litt, ohne daß er es wußte.
Dann bereitete Horus sein Klappnetz vor, um die Seelen – Variante: Rebellen – einzufan-
gen in Form von (?)¹⁹ Amsti, Hapi, Duamutef und Kebehsenuef, als sie herabschwebten
als das, was auffliegt und landet, auf dem Sand des Landes von Letopolis. Die Seele des
Müdherzigen ließ sich bei ihnen nieder. Da ließ Horus seinen Strick zur Erde nieder, um
die Seelen einzufangen, um seine Feinde zurückzutreiben. Nun kamen die Seelen dieser
Götter, indem sie sich bei seinem Fangnetz niederließen. Es ‚war fern davon‘, daß man die
Seele seines Vaters schlug. Er verstarb nicht sofort. Da strengte sich Thot gemeinsam mit
Horus dabei an, ihn vielfach zu schlagen.
Dann ließ Thot ihn in Stoff einwickeln. Man grenzte ihn ab mit der zugehörigen Behand-
lung im Goldhaus. Seine Einwicklung wurde gemacht, als er aus ihm herauskam. Dann
legte er ihn in einen Sarkophag auf dem Feld. Er ist dort bis heute als Serech (Palastfas-
sade) des Herrn von Letopolis. Schentait und Meherchetes grenzen von ihm ab, während
sein Sohn Horus von ihm fernhält. Da waren die Gottessubstanzen mit ihm genau so“
(pBrooklyn 47.218.84, 8, 2-11).
Das ist zunächst einmal ein Text, der inhaltlich evident inhomogen und nicht
aus einem, ja wahrscheinlich noch nicht einmal aus zwei Güssen ist. Zu deutlich
wird, wie er Textbrocken zusammenstoppelt und mehrfach auf dasselbe Thema
zu sprechen kommt. Gleichzeitig ist es inhaltlich ein ziemlich unerhörter Text.
Zwar kennen wir auch sonst vage Anzeichen dafür, daß Thot sich Osiris gegenüber
nicht immer positiv verhalten hat.²⁰ Daß er und vor allem Horus selbst sich des
aktiven Totschlags an der Seele des Osiris schuldig gemacht haben, ist jedoch kaum
normaler Standard. Selbst wenn man hier das Ganze als Versehen darstellt, bei
dem der Ba des Osiris nicht als solcher erkannt wurde, bleibt Horus als derjenige,
der seinen Vater tötet statt ihn zu beschützen, doch eine schockierende Gestalt.
Die Brutalität der Behandlung des mit vielen kraftvollen Hieben geradezu zu
Mus gemachten Gottes kommt hinzu. Man denkt zuerst an eine ganz obskure
Hier und an manchen weiteren Stellen der Handschrift (, ; , . (bis); , ) ver-
mute ich, daß |n eine (auch sonst bezeugte) spätzeitliche Orthographie für |r darstellt.
Ich würde die Präposition m an dieser Stelle lieber so denn als „zusammen mit“ auffassen.
Vgl. G. Meurer, Die Feinde des Königs in den Pyramidentexten. Orbis biblicus et orientalis
() -.
10 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Abb. 1: Götter unter Beteiligung des Horus beim Vogelfang unter Leitung durch Thot, Relief im Tempel
von Esna.
M. Alliot,„Les rites de chasse au filet dans les temples de Karnak, d’Edfou et d’Esna“, Revue
d’Égyptologie () -; J. F. Quack, „Das Pavianshaar und die Taten des Thot“,
Studien zur Altägyptischen Kultur () -, dort f.
Meeks, Mythes et légendes, a. O. (Anm. ) .
Vgl. etwa O. Keel, Vögel als Boten. Studien zu Ps , -, Gen , -, Koh , und dem
Aussenden von Botenvögeln in Ägypten. Orbis biblicus et orientalis (), bes. -.
J. F. Quack, Lokalressourcen oder Zentraltheologie? 11
Edition R. Jasnow – K.-Th. Zauzich, The Ancient Egyptian Book of Thot. A Demotic Dis-
course on Knowledge and Pendant to the Classical Hermetica (); vgl. weiter J. F. Quack,
„Die Initiation zum Schreiberberuf im Alten Ägypten“, Studien zur Altägyptischen Kultur
() - (zum Vogelfang bes. f.); ders., „Ein ägyptischer Dialog über die
Schreibkunst und das arkane Wissen“, Archiv für Religionsgeschichte () -.
Vgl. O. Mahmoud, Die wirtschaftliche Bedeutung der Vögel im Alten Reich. Europäische
Hochschulschriften, Reihe Archäologie, Band ().
M. Herb, Der Wettkampf in den Sümpfen. Quellenkritische, naturkundliche und sporthisto-
rische Untersuchungen zu einem altägyptischen Szenentyp. Nikephoros Beiheft () -
.
12 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
einer lokalen kleinen Tradition. Andererseits ist unübersehbar, daß diese Lokal-
form schon in der Benennung der Protagonisten als Horus, Thot und Osiris keine
ganz unabhängige Entwicklung darstellt, sondern die Kenntnis der landesweiten
Grundstrukturen voraussetzt. Ebenso zeigt auch die Tatsache, daß landesweit das
Thema „Vogelfang durch Götter“ am Ort Letopolis festgemacht wird, daß es kei-
neswegs auf dem Status einer kleinen Tradition geblieben, sondern Teil der großen
geworden ist. Wesentliche Komponenten, insbesondere die changierende Bewer-
tung der gefangenen Vögel, teils als negative, teils als positive Gestalten, ohne wel-
che die Tragik der überlieferten Fassung gar nicht denkbar wäre, scheinen sogar
eng an zentral konzipierten Texten zu hängen. Schließlich sollte man beachten, wie
im Mythos letztlich eine Erklärung für einen konkreten Zug geliefert wird, der bis
zum Zeitpunkt der Niederschrift des Papyrus in der Landschaft wahrzunehmen
war, nämlich die Bestattung der Gottessubstanz im Acker von Letopolis.
Als zweites Beispiel möchte ich den „Speienden Hund von Assiut“ anführen.
Dieser Text ist im Mythologischen Handbuch aus Tebtynis überliefert. Um den
Text richtig einzubetten, möchte ich ihn im größeren Zusammenhang zitieren. Es
heißt dort:
„Betreffend Assiut (und) die (Göttin) von der Küche. Es ist ein geschützter Gau. Man
bezeichnet das Bewachen (s#w) der Dinge als ‚Assiut‘ (s#w.t|). Ein Hund ernährte sich
davon und spie es aus. Man bezeichnet die Speisen in Einwickelung als ‚Djetef-chent‘. Das
ist das Götterbild in Assiut, das man in der Küche der Herrin der 16 aufsucht, bis zum
Tag des Dastehens.²⁷ Betreffend²⁸ Hämatit und Gold, so sind es die Knochen des Horus.
Betreffend das Eisen (b|#-n-p.t), so ist es die Knochen des Seth. Sie kämpften einmal, so wie
sie es seit vordem getan hatten. Upuaut verbarg das Zerstückelte in der Höhle seines Hau-
ses. Horus verbarg ihn / sich und sprang wieder empor, um seinem Vater freie Bewegung
zu geben. Er kontrollierte die Rotte des Finsterlings. Er leckte die Fäulnisstoffe (|w.t|w) der
Mumie auf. Deswegen kam es, daß der Schakal (s#b), der über der Götterfigur (wrm) ist,
hergestellt wird (?).²⁹ Er spie aus, was er verschluckt hatte. Die edle Gestalt wurde festge-
setzt. Die Ausflüsse des Gottes wurden bewacht. Er […] die Substanz seines Vaters Osiris.
Man nennt ihn: ‚Dieser Hund hat gefressen und ausgespieen und sich umgewandt, um
es wieder zu fressen‘, als man ‚Hund‘ (|w|w) sagte, als er kam (|w+), um zu essen, was er
Der „Tag des Dastehens“ (hrw n oHo) wird im Buch vom Tempel als Termin der Amtsüber-
gabe vom Vater auf den Sohn genannt, vgl. J. F. Quack, „Ämtererblichkeit und Abstam-
mungsvorschriften bei Priestern nach dem Buch vom Tempel“, in: M. Fitzenreiter (Hg.),
Genealogie – Realität und Fiktion von Identität. Internetbeiträge zur Ägyptologie und Sudan-
archäologie V () -, dort .
Ungeachtet Osings Lesung für den unpublizierten Paralleltext kann aus inhaltlichen
Erwägungen m. E. nichts anderes als |r angesetzt werden.
Ich möchte im Zeilenübergang [ms]s.(t)w s#b pw Hr| wrm.t Hr=s lesen; Osings Lesung
s |w am Zeilenbeginn ist weder paläographisch evident noch sprachlich sinnvoll analysier-
bar.
J. F. Quack, Lokalressourcen oder Zentraltheologie? 13
ausgespieen hatte, wobei er zu(?) seinen Herren kam(?),³⁰ wobei er vor ihm bellte für seine
Belohnung. Sein Herr wurde matt. Er fraß nicht und haßte sehr, was er verschlungen hatte;
die Ausflüsse, die aus dem Abbild gekommen waren sowie den Fingern des Müdherzigen.
Dann spie er sie zu Boden aus. Das ist ein Geben, das er machte, nachdem er sie erneut
verzehrt hatte“ (PSI Inv. I 72, x+3, 1-12).
Typisch für den ägyptischen Mythos sind die „Wortspiele“,³¹ mit denen über das
Instrumentarium des ähnlichen Klanges inhaltliche Stimmigkeit erzielt wird, hier
zwischen „Hund“, „kommen“ und „Fäulnisstoffe“. Auch dies ist ein inhaltlich nicht
ganz unproblematischer Text, bedenkt man den Umgang des Hundes mit Osiris.
Ihn zu bewachen ist lobenswert und das, was man von einem guten Wachhund
erwartet. Auch das erwartungsfrohe Bellen des Hundes, der von seinem Herrn eine
Belohnung mit Futter erwartet, scheint braves Verhalten zu sein. Manche Hunde
sollen auch eine Vorliebe dafür haben, ihre Herrchen oder sonst beliebte Personen
abzuschlecken. Aber richtig Substanz vom Herrn abzulecken, dann auszuspeien
und erneut zu verschlingen, zeigt nicht nur schlechte Tafelmanieren, sondern auch
einen arg respektlosen Umgang mit dem verstorbenen Gott. Gemildert wird die
Sache allenfalls durch die psychologische Ausdeutung, dem Hund sei der Appetit
vergangen, als er merkte, daß er von seinem Herren gefressen hatte, und deshalb
habe er es wieder ausgespieen.
In dieser Passage dürfen wir zunächst einmal die Ätiologie für den Namen
der Stadt Assiut (wörtlich „Wächter“) erkennen, wobei der dortige Canidenkult
prominent aufgearbeitet wird. Ein in seinem Umkreis hergestelltes Kultbild wird
genauer erörtert. Für das Verhalten des Hundes kann man durchaus naturkund-
liche Parallelen anführen. So wenig dies den meisten heutigen Hundefreunden
gefällt, aber Hunde brauchen für ihre Gesundheit ein gewisses Maß an bereits
Osings Lesung Hr |@ô überzeugt mich weder paläographisch noch inhaltlich. Ich lese
und verstehe m als Schreibung für n.
Der Begriff ist natürlich wenig angemessen, da es sich gerade nicht um ein Spiel im „ent-
spannten Bereich“ handelt, sondern um innerkulturell höchst relevante hermeneutische
Prozesse. Vgl. zu ägyptischen Wortspielen einstweilen C. E. Sander-Hansen, „Die phone-
tischen Wortspiele des ältesten Ägyptischen“, Acta Orientalia () -; S. Morenz,
„Wortspiele in Ägypten“, in: Festschrift Johannes Jahn zum XXII. November MCMLVII
() -; W. Guglielmi, „Zu einigen literarischen Funktionen des Wortspiels“, in:
Studien zu Sprache und Religion Ägyptens zu Ehren von Wolfhard Westendorf () -
; F. Junge, „Zur ‚Sprachwissenschaft‘ der Ägypter“, in: Studien zu Sprache und Religion
Ägyptens zu Ehren von Wolfhard Westendorf () -; A. Loprieno, „Puns and Word
Play in Ancient Egyptian“, in: S. B. Noegel (ed.), Puns and Pundits. Wordplay in the Hebrew
Bible and Ancient Near Eastern Literature () -; S. B. Noegel, „On Puns and Divina-
tion: Egyptian Dream Exegesis from a Comparative Perspective“, in: K. Szpakowska (ed.),
Through a Glass Darkly. Magic, Divination & Prophecy in Ancient Egypt () -;
S. B. Noegel – K. Szpakowska, „‚Word Play‘ in the Ramesside Dream Manual“, Studien zur
Altägyptischen Kultur () -.
14 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
verfaultem Fleisch. Als reales Verhalten kann man zumindest beobachten, daß sie
Futter erst einmal im Mund wegtragen, dann ausspucken, vergraben, und erst im
richtigen Reifegrad wieder ausbuddeln und verzehren. Gerade der schockierendste
Zug von allen, daß nämlich der Hund vom Leichnam und den Fäulnisprodukten
des Osiris gefressen hat, ergibt sich einfach mit fast zwingender Logik daraus, daß
Caniden eben eine gewisse Vorliebe für verfaultes Fleisch haben, Osiris aber eben
der faulende Leichnam par excellence ist.³²
Relevant ist hier auch, inwieweit die mittelägyptischen Regionen gerade um
Assiut tatsächlich in besonderem Maße ein Lebensraum für bestimmte Caniden
sind. Leider dürfte angesichts der völligen Umstrukturierung der Kulturlandschaft
im Zusammenhang mit der heutigen weit höheren Bevölkerungszahl wenig Aus-
sicht bestehen, für das Altertum zu verläßlichen Schlußfolgerungen zu kommen.
Tatsächlich wird in rezenter Zeit über das Erscheinen eines als „Salawa“ bezeich-
neten Caniden in der Region von Sohag / Luxor berichtet, bei dem es sich um eine
Art Hund, aber mit kräftigerer Schnauze handeln soll.³³ Jedoch mag es sich hier
um eine „urban legend“ handeln.
Demnach ist dieser Text also lokal basiert in dem Sinne, daß er sicher einen
spezifischen Ortskult verarbeitet, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch
ein Element der lokalen Fauna, und in gewissem Grad ein reales Verhalten eines
Tieres. Es handelt sich aber auch nachweislich um eine überregional bekannte
Episode, denn im „Geiertext des Thotbuches“, auf den ich im Folgenden noch
eingehen werde, wird gerade zum Gau von Assiut das Motiv des Speiens wieder
aufgegriffen.³⁴
Nun ist natürlich das Verhalten eines Caniden gegenüber einem verrottenden
Leichnam irgendwie zu erwarten, und von daher überrascht es nicht, daß eine
ähnliche Episode auch im Papyrus Jumilhac zu finden ist, nämlich im Zusammen-
hang einer Klassifizierung der verschiedenen Canidensorten (15, 9-16, 22).³⁵ Diese
zeichnet sich zunächst durch eine Fluktuation zwischen positiver und negativer
Bewertung ein und desselben Tieres aus, die einen modernen Leser fast zum Wahn-
sinn treiben kann. Man würde sie a priori auf das Konto redaktioneller Schichten
schieben wollen, aber zumindest in sprachlicher Hinsicht gibt es keine Indizien
für eine Separierung der Einheiten.³⁶ Hier heißt es dann auch von einem Hund:
Vgl. hierzu S. Banaschak – M. Grothoff, „Osiris – der grüne Totengott“, Göttinger Miszel-
len () -.
http://www.newton.cam.ac.uk/egypt/lxr/Luxor.html.
Quack, „Die Initiation zum Schreiberberuf im Alten Ägypten“, a. O. (Anm. ) .
Vgl. dazu A. von Lieven, „Das Göttliche in der Natur erkennen. Tiere, Pflanzen und Phä-
nomene der unbelebten Natur als Manifestationen des Göttlichen“, Zeitschrift für ägyp-
tische Sprache und Altertumskunde () -, dort S. -.
Quack, “Corpus oder membra disiecta”, a. O. (Anm. ) f.
J. F. Quack, Lokalressourcen oder Zentraltheologie? 15
„Der ‚Feind des‘ Osiris³⁷ war es, der bei ihm litt“ (15, 13 f.), von einem anderen,
er habe in der Balsamierungsstätte an den Gliedern des Osiris geleckt und sich
dabei in den Mumienbinden verheddert – was als Erklärung seiner teilweise wei-
ßen Fellfarbe dient (16, 3 f.). Das mythologische Motiv, daß ein Canide sich bei der
Behandlung der Osirismumie vergißt und sie als Nahrung statt als schützenswertes
Gut behandelt, ist also durchaus an verschiedenen Orten präsent.
Mein drittes Beispiel kann man unter die Überschrift „Isis als Ziel der Lust des
Seth“ stellen. Der Text steht im Rahmen der mythologischen Lokaltraditionen des
Papyrus Jumilhac und lautet:
„Dann versammelte Seth seine Rotte erneut. Isis ging gegen ihn los, indem sie sich auf
diesem Berg im Süden von Dun-Awi verbarg, und sie verwandelte sich in die Form ihrer
Mutter Sachmet.³⁸ Das Feuer kam gegen sie alle hervor; sie wurden verbrannt, sie wurden
verzehrt von der Flamme. Man nennt sie ‚Hathor von den beiden Feuerbecken‘. Dann
erschuf sie sich dort einen Ort, um zu erkennen, was der Finsterling mit seiner Rotte
machte. Man nennt ihn ‚Haus der Herrin der beiden Feuerbecken‘. Betreffend den Priester
dieser Göttin, ‚Groß an Fressen‘ ist sein Name. Dann sah Seth Isis an diesem Ort, und er
verwandelte sich in einen Stier, der ihr nachlief. Sie veränderte ihre Gestalt in die einer
Hündin mit einem Flintmesser an ihrem Schwanz. Sie lief vor ihm her, und er konnte sie
nicht erreichen. Da ergoß er seinen Samen zu Boden. Darauf sagte diese Göttin: ‚Es ist
Abscheu, daß du Samen ergossen hast‘ (bw.t m wô+=k k#). Da wuchs sein Same als Pflanze
auf diesem Berg, und sein Name wurde bôô-k# (Flaschenkürbis?).“ (pJumilhac 2, 21-3, 5)
Nun mag der zentrale Punkt, der Samenerguß des Seth ohne Kopulationserfolg,
etwas an die athenische Tradition über Athena und Hephaistos erinnern, dennoch
möchte ich hier zunächst auf die lokalspezifischen Punkte fokussieren. Seth als Stier
mag uns noch ganz vertraut sein, aber Isis als Hündin ist es schon erheblich weniger.
Ebenso ist Sachmet als Mutter der Isis kaum ein Standardmodell. Man kann sogar
guten Gewissens die Frage stellen, ob hier in einer früheren Entwicklungsphase
vielleicht eine ganz andere lokale Göttin im Plot agierte, die erst später auf das
Normmodell von Isis als erfolgreicher Widersacherin des Seth umgeschrieben
wurde. Dafür spricht auch, daß die Göttin dieses Ortes auch als Hathor bezeichnet
Eine für Ägypten durchaus typische Ausdrucksweise; „Feind des NN“ wird verwendet,
wenn einer kulturell positiv konnotierten Person Unheil zustößt. Vgl. G. Posener, „Sur
l’emploi euphémique de Xftj(w) ‚ennemi(s)‘“, Zeitschrift für ägyptische Sprache und Alter-
tumskunde () -; J. F. Borghouts, Lexikon der Ägyptologie III (), Sp.
u. Anm. s. v. „Magie“; J. F. Quack, „Sur l’emploi euphémique de Xfß ‚ennemi‘ en
démotique“, Revue d’Égyptologie () -; ders., „Ein altägyptisches Sprachtabu“,
Lingua Aegyptia () , , dort Anm. (mit weiterer Literatur); ders., „Rezen-
sion zu S. Lippert, Ein demotisches juristisches Lehrbuch“, Archiv für Papyrusforschung
() ; G. Vittmann, Der demotische Papyrus Rylands . Ägypten und Altes Testament
() f.
So durch Zusatz eines Suffixes nachträglich aus Mut-Sachmet korrigiert.
16 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
wird. Auf jeden Fall ist deutlich, wie hier der Mythos als Erklärungsmodell eine
Sinnhaftigkeit der realen Gegebenheiten produziert: Ein Ort und sein Kult, dessen
Namen Assoziationen zu Feuer und Verzehren liefern, wird in einem Mythos vom
verzehrenden Feuer, das gegen Feindgestalten wirkt, plausibel gemacht – der
konkrete Felstempel ist bis heute erhalten.³⁹ Ein Vegetationszug, daß eine bestimmte
Pflanzensorte in einer lokalen Region ein geeignetes Biotop gefunden hat, wird
über den Mechanismus des Wortspiels mit deren Namen verkoppelt, und dieses
Wortspiel produziert wiederum eine mythische Episode über unangemessenen
Samenerguß.
Freie Auswahl des Textproduzenten ist natürlich, an welchem Götterpaar das
dann konkret festgemacht wird. Daß man Seth als einen Partner wählt, ist viel-
leicht nicht sehr überraschend, spielt er doch im Mythos auch sonst die Rolle des-
sen mit übertriebener und ungeordneter Sexualität, der verschiedene Göttinnen
vergewaltigt.⁴⁰ Isis ist dagegen etwas weniger evident. Zwar kennen wir aus dem
Streit zwischen Horus und Seth das Motiv, daß Isis in Verwandlung als schönes
Mädchen ihre weiblichen Reize bei Seth spielen läßt. Aber eine aktive sexuelle
Belästigung der Isis durch Seth kennt man sonst nicht einmal aus Texten wie eini-
gen spätzeitlichen Zaubersprüchen, welche Isis sehr durch Seth bedrückt darstel-
len.⁴¹ Von den Fällen, die ich bislang vorgestellt habe, ist dies wohl derjenige,
der am meisten lokal konzipiert wirkt und vielleicht in nicht viel mehr als den
Namen der Hauptfiguren an die überregionalen Mythen angeschlossen ist.⁴² Es
mag bezeichnend sein, daß der hauptsächliche Kultname der Göttin als „Hathor“,
nicht Isis angegeben wird. Mir ist auch derzeit kein sicherer Beleg für eine Rezep-
tion außerhalb des eng begrenzten regionalen Umfelds bekannt.
Im Papyrus Jumilhac kann man auch an einer anderen Stelle sehr gut nachverfolgen,
wie ein ganz spezifischer Zug der Landschaft, nämlich die Anwesenheit eines
Weinberges, eine Wurzel in der Mythologie erhält. Ohne den langen Text (13, 15-
14, 21) in extenso zitieren zu können, seien die wesentlichsten Punkte resümiert.
Ausgangspunkt sind zwei Kästen, in denen sich angeblich die Augen des Horus
befunden haben. Sie werden zunächst von Seth geraubt und im Gebirge deponiert,
wo er in Form eines Krokodils über sie wacht. Anubis verwandelt sich in eine große
Schlange, um sie zu retten. Mit weiteren Schlangen in seinem Gefolge zerstört er
den Ort des Seth. Nunmehr gibt Anubis den beiden Kästen mit den Augen des
Horus einen dauerhaften Ort. Als Isis kommt, um sie zu besichtigen, stellt man
fest, daß sie in Weinstöcken ausgetrieben haben. Man baut eine Ansiedlung, wo
sich Isis niederläßt und die Pflanzen begießt. Auf Bitte der Isis hin erhält Horus von
Re dann auch Augen sowie das Recht auf den Thron seines Vaters Osiris. Letztlich
wird damit die Existenz eines Weinberges und eines „Hauses der Gottesgemahlin“
als noch in der Aktualität des Papyrus präsenter Landschaftszüge erklärt, zudem
nebenbei auch noch die Palme als Hypostase der Isis sowie die Präsenz einer Stele,
die zum Ortsnamen Pa-Ahay, d. h. „die Stele“ führt.
Es fällt relativ leicht, die Realien zu erkennen, an denen der Mythos hier auf-
gehängt ist. Im lokalen Raum gibt es vermutlich einen Ruinenhügel und sicher
eine Siedlung, die „Haus der Gottesgemahlin“ heißt, de facto vermutlich, weil sie
von einer Gottesgemahlin des Amun bzw. für ihr Gut angelegt wurde.⁴³ Dane-
ben kann man die reale Existenz eines Weinberges plausibel ansetzen. Auch der
Ortsname „die Stele“ ist sicher lokal in der Aktualität präsent gewesen. Über die
Deutungsschiene des Weines als Horusauge wird aus diesen Realien nunmehr eine
Anbindung an den Mythos etabliert. Die Konzeption als solche ist sicher lokal,
da sie detailtopographische Realitäten aufgreift, um welche die Zentrale des Lan-
des kaum mit gesteigertem Interesse gewußt haben wird. Die Grundparameter
des dann kreierten Mythos bewegen sich jedoch in irgendwie vertrautem Rahmen
– das Grundmuster des Streites zwischen Horus und Seth um das Erbe des Osi-
ris und die Hilfe der Isis für Horus sind so präsent, daß man sich diesem Jargon
kaum entziehen kann. Auch das Motiv, daß aus den vergrabenen Augen des Horus
Pflanzen wachsen, ist sonst z.B. im Papyrus Chester Beatty I (10, 3-5) bekannt.⁴⁴
Lokalkonzeptionen können sich also der Zentraltradition kaum entziehen.
Andererseits muß man doch zur Ehrenrettung der lokalen Köpfe sagen, daß sie
zumindest einige unkonventionelle Züge in die konkrete Ausformung des Mythos
hineingebracht haben. Weder die Krokodilsform des Seth noch die Schlangenform
des Anubis sind Fakten, auf die man im ersten Reflex sofort kommen würde.
Der Ort ist bereits im pWilbour B , bezeugt, vgl. E. Graefe, Untersuchungen zur Ver-
waltung und Geschichte der Institution der Gottesgemahlin des Amun vom Beginn des Neuen
Reiches bis zur Spätzeit. Ägyptologische Abhandlungen () § .
M. Broze, Mythe et roman en Égypte ancienne. Les aventures d’Horus et Seth dans le Papyrus
Chester Beatty I. Orientalia Lovaniensia Analecta () f.
18 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
das Blut ‚der Feinde‘ des Horus.⁴⁵ Man nennt ihn See des Feuers bis zum heutigen
Tag“ (pJumilhac XI, 17 f.). Einerseits kann man guten Gewissens annehmen,
daß sowohl der Name „See des Feuers“ als auch die mythologische Episode
vom Fließen des Blutes auf der konkreten Erscheinung des Sees beruhen, dessen
Wasser vielleicht infolge der Bodenbeschaffenheit oder eines Algenvorkommens
relativ rötlich wirkte. Andererseits ist in der mythologischen Episode selbst ein
eklatanter Bruch zu verzeichnen. Einerseits ist die eine Kampfpartei Anubis als
Hauptgott des konkreten Gaues, andererseits wird Horus als derjenige bezeichnet,
der konkret verletzt wird, also der überregionale Standardgegner des Seth. Ob
hier eher eine zentrale Konzeption regionalisiert oder eine regionale an zentrale
Normen angeglichen wurde, wird sich schwer absichern lassen, in jedem Fall ist die
enge Verzahnung dieser beiden Bereiche unverkennbar.
ten kaum zu finden ist.⁴⁶ Lokale Herkunft ist hier zweifelsfrei, auch wenn die gro-
ßen Traditionen bei den Deutungsmustern fallweise behilflich sind.
Wie sehr die lokalen religiösen Denker umgekehrt kreativ auf die Tradition des
Gesamtlandes zurückgreifen, zeigt sich auch in zwei strukturell hochinteressanten
Sektionen im Rahmen des Buches vom Fayum. Die eine betrifft die verschiedenen
Siedlungen im Gelände. Im Papyrus sind sie teilweise in den ersten Sektionen
zu finden, die – geographisch gesprochen – den Bereich der Zuflüsse des Bahr
Yussuf zum Fayumsee betreffen dürften, teilweise an den oberen und unteren
Rändern eines Bereiches, der evident eben den See als Mitte der Zeichnung
versteht. Sie werden relativ ausführlich thematisiert, wobei es zu jedem Ort einen
kurzen „Paß“ gibt, welcher die wichtigste Information zusammenfaßt. Ein Beispiel
ist etwa „Dieser Platz, Ideb (?) ist es. Der Tempel des Sobek von Krokodilopolis
im südlichen See. Das ist Atum, der vor seinem See ist. Er ist an der südlichen
Seite des Sees als Barriere zwischen Seth und Osiris. Imi-netjeri ist der Name
des Priesters des Sobek,⁴⁷ Herrn von Ideb. – Re, Herr von Ideb“ (Z. 221-228).
In der Nennung eines spezifischen Priestertitels geht dieser Eintrag bereits über
das sonst übliche Formular hinaus. Relevant ist vor allem eine ganz essentielle
Kenntnis der wichtigsten Elemente: Name des Ortes, ungefähre Lage und religiöse
Zuordnung, d. h. Hauptgottheit. Ein wesentlicher Punkt kommt aber noch hinzu:
Bei der religiösen Zuordnung wird über den Lokalgott Sobek hinaus der deutlich
überregionale Atum bzw. Re genannt. Vor allem werden in vielen Fällen diese
nichtregionalen Gottheiten spezifisch auch als Herren einer Ortschaft außerhalb
des Fayums selbst bezeichnet.
Ihre wirkliche Relevanz gibt diese Art der Zuordnung erst am Ende des gan-
zen Abschnittes preis. Dort heißt es in einer Beischrift: „Summe der Gaue 60.
Gering / gefallen 6, Summe 66. Ober- und Unterägypten 42, Seeland 24. Summe
erneut“ (Z. 501). Ebenso einschlägig ist die monumentale Schlußformel der gesam-
ten Sektion des Papyrus: „Willkommen in Frieden mit seinen Gauen und den
Göttern und Göttinnen, die ihre Speise Tag für Tag in ihm haben. Jedes Feucht-
gebiet von Ober- und Unterägypten lebt von ihm, und das Gottesland ebenso“
(Z. 506-511).⁴⁸
Um diese Aussage ernst zu nehmen, muß man zunächst suchen, wie die im
Text real genannten Ortschaften mit den in der Summierung genannten Zahlen
korreliert werden können. Das ist gar nicht so einfach. M. E. muß man sich hier-
für den gesamten dieser Summierung vorausgehenden Papyrus anschauen, der sich
bereits über mehrere Einzelsektionen erstreckt, die auch erkennbar eine Verortung
in der Geographie haben bzw. konkreter gesprochen in verschiedenen Bereichen
vom Zuflußbereich des Bahr Yussuf und der sonstigen in den See mündenden
Wasserläufe bis hin zu einem großen Zentraloval, das den See mit Orten auf seinen
Seiten darstellen dürfte.
Im Zuflußbereich haben wir zunächst am oberen Rand 5 definierte Orte,
dahinter eine monumentalisierte Inschrift, im unteren 8 Orte sowie Freiraum,
in dem ein bis zwei weitere untergebracht werden könnten. In einem eigenen
Abschnitt direkt vor der großen Figur der Göttin sind jeweils oben und unten ein
weiterer Ort untergebracht, hinter der Göttin ist in quergelegter Schrift der Platz
der Achtheit eigens definiert. Im Rahmen des Ovals selbst gibt es oben 20 defi-
nierte Orte und noch etwas unbenutzten Freiraum, ebenso im unteren Register,
zudem „auf Kante“ quer zum Rest ganz am Ende des Ovals noch einen weiteren
Ort. Zusammengenommen macht das also für die vorderen Bereiche 16 definierte
Orte, für das Oval 41. Insgesamt kommt man auf 57, d. h. knapp unterhalb der
in der Summe angegebenen Zahl. Ohne dies leider formal absichern zu können,
möchte ich die Frage aufwerfen, ob eventuell aufgrund von Überlieferungsproble-
men drei Orte, die im selben Umfang wie die vorhandenen hätten dargestellt wer-
den sollen und für die auch Platz vorhanden wäre, versehentlich ausgefallen sind.
Damit käme man auf 60, und die als „gering“ bzw. „gefallen“ angegebenen Orte
waren ja logischerweise solche, die keine ausführliche Darstellung erhalten haben.
Es scheint mir also zumindest nicht ausgeschlossen, daß die Rechnung früher ein-
mal aufging und tatsächlich 60 Orte mit Bild und Textfeld thematisiert waren,
dazu 6 weitere konzeptuell vorhanden, aber aufgrund bestimmter negativer Züge
nicht ausgearbeitet.⁴⁹ Die Orte beinhalten einerseits 42, die als Korrelate zu den
einzelnen Gauen Ober- und Unterägyptens betrachtet werden, und andererseits
24 – sozusagen die Umkehrzahl dazu –, die als Spezifika der lokalen Umgebung
betrachtet werden.
Zusammengenommen wird hier also ein zweifellos lokales Element entwickelt,
das aber Kenntnis und bewußte Anknüpfung an das Gesamtland voraussetzt: Man
sieht sich gleichsam als Keimzelle, in der in nuce neben den regional spezifischen
Größen über Kultidentifikationen auch das gesamte Land verfügbar ist.
Man vergleiche damit, wie im Buch vom Fayum zweimal gesagt wird, bestimmte Dinge
würden aus religiöser Scheu nicht schriftlich aufgeführt, s. J. F. Quack, „Explizite Aufzeich-
nungsmeidung im Alten Ägypten“, Lingua Aegyptia () -.
J. F. Quack, Lokalressourcen oder Zentraltheologie? 21
Wird hiermit also Ägypten in eine einzelne Region und ihre religiöse Topo-
graphie hineinprojiziert, so kann man im Buch vom Fayum auch das umgekehrte
Phänomen nachweisen, nämlich die Projektion des lokalen Kultes ins ganze Land
hinein. Ein Musterbeispiel, wie so etwas geht, stellt die sogenannte Sobeklitanei
dar (Z. 590-825).
In ihr werden mit Abbildungen und Beischriften 40 verschiedene Krokodils-
gottheiten dargestellt. Jede von ihnen wird durch die Inschrift einem bestimm-
ten ägyptischen Gau zugeordnet, als dessen Gottheit bzw. Herr sie deklariert ist.
Dahinter zeigt sich also die durchaus anspruchsvolle Position, daß sich hinter der
Maske der unterschiedlichen Lokalgötter aller ägyptischen Gaue doch in tieferer
Wahrheit stets der eine Gott verbirgt, nämlich der Krokodilsgott Sobek, Herr des
Fayums. Eine solche Hochschätzung des Lokalgottes kann kaum anders als vor
Ort entstanden sein. Aber sie setzt voraus, daß die Lokalregion nicht als Lokal-
region autonom konzipiert wird, sondern man Wissen um das Land im Ganzen
einbringt.
Zusammenfassend kann man also sehen, und könnte es auch noch mit beliebig
viel mehr Beispielen hinterfüttern, wie in diesen Handbüchern eine Interaktion
zwischen lokaler und überregionaler Theologie stattfindet. Viele Dinge sind
ohne Intimkenntnisse vor Ort, insbesondere über geographische Kleinräume
und ihre Ressourcen, überhaupt nicht vorstellbar, dürften also tatsächlich als vor
Ort entstandene Konzeptionen einzustufen sein. In ihrer konkret überlieferten
Ausprägung sind sie aber kaum ohne eine bereits vollzogene Interaktion mit den
gesamtägyptischen religiösen Mustern verständlich. Umgekehrt werden auch vor
Ort Kenntnisse um Ägypten insgesamt ausgenutzt, um die eigenen religiösen
Traditionen dadurch aufzuwerten und zu überhöhen. Wir können also nur von
einer gegenseitigen Beeinflussung reden, eine scharfe Trennung von großer und
kleiner Tradition ist dagegen kaum möglich.⁵⁰ Als ganz wichtigen Zug möchte
ich betonen, wie sich in der Perspektive dieser Texte der Mythos quasi in das Land
Ägypten und seine spezifischen Orte eingeschrieben hat, das mit seinen konkreten
Erscheinungen und Ressourcen aus den Ereignissen des Mythos resultiert, sei es
mit Mineralvorkommen, Fanggebieten, Fauna, Pflanzenbiotopen, oder Orten und
Kultformen.
Aber auch wenn wir hier mit lokal entstandenen und allenfalls nachträglich
im Sinne der Landesnorm überformten Mythen zu rechnen haben, können wir sie
keineswegs ohne weiteres als „Volkstraditionen“ ausgeben. Ein relevanter Punkt,
Auch McKim Mariott, in: Village India, a. O. (Anm. ) betont ja die dauernde Interak-
tion zwischen großer und kleinen Traditionen sowie das Bestehen einer heiligen Literatur,
einer Literatenklasse, heiliger Geographie und den damit verbundenen Riten und Zeremo-
nien.
22 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
den man für diese Kompositionen bedenken muß, ist die Frage der Trägerschaft
und Verfügbarkeit. Als niedergeschriebene Papyri (bzw. teilweise aus solchen extra-
hierte Inschriften) sind sie auf Anhieb als Produkt der schriftkundigen Elite zu
erkennen. Sofern man ihren Inhalt als Produkt lokaler Volkstraditionen auffassen
will, muß man also zum mindesten beachten, daß es sich nicht um ungebrochene
Abbilder einer vorgeblich reinen Volkskultur handelt, sondern daß sie durch die
Hände von Schreibern und Redakteuren gegangen sind, die mit den landesweiten
religiösen Traditionen intim vertraut waren. Die obige Analyse einzelner ausge-
wählter Passagen hat ja bereits gezeigt, daß sie in ihrer aktuellen Gestalt nur als
Ergebnis einer intensiven Interaktion zwischen Lokalgebiet und zentraler Konzep-
tion zu verstehen sind.
Ebenso ist zu beachten, daß es sich teilweise ja nicht einfach um die Samm-
lung der religiösen Bräuche und Traditionen einer spezifischen Region handelt,
sondern um größer angelegte Sammelwerke. Das mythologische Handbuch aus
Tebtynis ebenso wie das Handbuch über die Mythologie des Delta sind überregio-
nale Kompilationen. Man kann plausibel annehmen, daß derartige Handbücher
als Nachschlagewerke landesweit verfügbar waren und somit überall ein Aufgreifen
auch spezifisch lokal angebundener Traditionen leicht möglich war.
Das Buch vom Fayum ist zwar insofern eine lokale Größe, als alle Kopien
einigermaßen verläßlich bekannter Herkunft tatsächlich aus dem Fayum stam-
men,⁵¹ seine Verfügbarkeit in anderen Regionen läßt sich aber dadurch plausibili-
sieren, daß Teilbereiche des Textes in einer hieroglyphischen Inschrift im Tempel
von Kom Ombo in Oberägypten auftauchen.⁵² Bezugsgröße dürfte hier der in
Kom Ombo betriebene Sobekkult gewesen sein, der Verbindungen zum Fayum
befördert hat.
Wie sehr die lokalen Ausformungen tatsächlich landesweit greifbar waren,
kann man auch an einem anderen Punkt illustrieren. In extremster Verknappung,
nämlich einer Reduktion auf Dinge wie die wichtigsten Festdaten, spezifische
Bezeichnungen der lokalen männlichen und weiblichen Priester, der heiligen
Schlangen, heiligen Bäume, heiligen Seen und heiligen Hügel sowie die Namen
vom Ackerland und Sumpfgebiet, gibt es ganz manifest Zusammenstellungen,
die überall verfügbar waren. Am besten vertraut ist uns eine derartige Sammlung
aus dem sogenannten hieroglyphischen Papyrus von Tanis, zu dem inzwischen
ein hieroglyphischer und zwei hieratische Paralleltexte aus Tebtynis hinzugetreten
Gerade für die besterhaltene hieroglyphische Version, die in Theben angekauft wurde, sind
allerdings die Fundumstände in tiefes Dunkel gehüllt, vgl. Beinlich, Buch vom Fayum, a. O.
(Anm. ) f.
J. Yoyotte, „Processions géographiques mentionnant le Fayoum et ses localités“, Bulletin
de l’Institut français d’archéologie orientale () -, dort ; Beinlich, Buch vom
Fayum, a. O. (Anm. ) f.
J. F. Quack, Lokalressourcen oder Zentraltheologie? 23
sind.⁵³ Vor allem kann man sehen, wie im Tempel von Edfu im Soubassement
der Außenseite des Sanktuars derartige Angaben ausgezogen und in eine geogra-
phische Prozession eingebaut werden (Edfou I², 329-344). Damit ist eine Zugriffs-
möglichkeit über fast ganz Ägypten hin faktisch nachgewiesen; man kann guten
Gewissens davon ausgehen, daß diese Sammlung wenigstens im späten Ägypten
als kanonisches Wissen an jedem wichtigeren religiösen Zentrum verfügbar war.
Tatsächlich ist aus dem „Buch vom Tempel“ sogar konkret nachweisbar, daß der
Oberlehrer den Dienstauftrag hatte, den Priesterkindern Kenntnisse im Bereich
der spezifischen Lokaltraditionen zu vermitteln.⁵⁴
Tatsächlich griff man sogar in einem noch ganz anderen Ausmaß auf lokale
religiöse Traditionen zurück. Es gibt eine ganze Reihe von Kompositionen, in
denen die Geographie und die an der Geographie hängenden lokalen kultischen
und mythologischen Traditionen ein wesentliches Strukturelement sind.⁵⁵
Zuerst nennen möchte ich dabei eine Passage, die ich bereits kurz erwähnt
habe, nämlich den Geierinnentext aus dem sogenannten Thotbuch. In ihm geht
es darum, daß der Kandidat für den Zutritt zu den Geheimnissen der Schriftkunst
seine Kompetenz auch dadurch nachweist, daß er eine Aufzählung von 42 spezi-
fischen Geierinnen mit ihren Jungen vorlegt. Sie sind jeweils in Situationen und
Tätigkeiten beschrieben, welche individuell und spezifisch sind. Dabei hängen sie
über die Mittel des Wortspiels, der Ausdeutung des Gauzeichens sowie der Auf-
nahme lokaler Mythen sehr konkret an den religiösen Traditionen des Gaues, dem
sie zugeordnet sind. So wird etwa der Gau von Assiut beschrieben als „Eine Geie-
rin, in deren Hand ihr Junges ist, während es das ausspeit, was es gegessen hat – das
ist Assi[ut]“.⁵⁶ Hier wird also das oben behandelte Motiv des speienden Hundes
aufgegriffen, aber in der spezifischen Perspektive des Geiertextes umgeschrieben.
Diesem geht es darum, die Geierin als Protagonistin des Wissens in ganz Ägyp-
ten wiederzufinden, und so setzt er die Geierin eben dort ein, wo die eigentliche
F. Ll. Griffith – W. M. F. Petrie, Two Hieroglyphic Papyri from Tanis (); J. Osing, Hie-
ratische Texte aus Tebtunis I, The Carlsberg Papyri . The Carsten Niebuhr Institute of Near
Eastern Studies, Publications () -; Osing – Rosati, Papiri geroglifici e iera-
tici, a. O. (Anm. ) -. Vgl. zum Inhalt B. H. Stricker, „Aantekeningen of egyptische
literatur- en godsdienstgeschiedenis I-II“, Oudheidkundige Mededelingen uit het Rijks-
museum van Oudheden te Leiden () -; J. Yoyotte, „La science sacerdotale égyp-
tienne à l’époque gréco-romaine (le papyrus géographique de Tanis)“, Bulletin de la société
Ernest Renan, NS () - = Revue de l’Histoire des Religions () -.
Quack, in: Beinlich – Hallof – Hussy – von Pfeil (Hgg.), . Ägyptologische Tempeltagung,
a. O. (Anm. ) f.
Vgl. J. F. Quack, „Geographie als Struktur in Literatur und Religion“, in: K. Maurer –
F. Adrom – A. Schlüter (Hgg.), Altägyptische Weltsichten (im Druck).
In der Zählung der Erstedition ist diese Stelle L (VT), x+/.
24 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Lokaltheologie etwas ganz anderes konzipiert hat. Die regionalen religiösen Tradi-
tionen werden somit aufgegriffen, aber gerade zur Verherrlichung einer einzigen
Konzeption verwendet, der überregionale, landesweite Relevanz gegeben wird.
Besonders häufig ist das Aufgreifen der lokalen religiösen Traditionen im
Bereich des Osiris sowie der Funerärkultur. Zumindest in der Spätzeit, für welche
man die klarste Dokumentation hat, erhält Osiris einen großen überregionalen
Kult, der das Land vereint. Ein gutes Fallbeispiel liefert das sogenannte „Buch
vom Durchwandern der Ewigkeit“, das in der Römerzeit recht oft als Text dem
Verstorbenen mitgegeben wird.⁵⁷ In ihm geht es darum, daß dem Nutznießer im
Verklärungsstil gewünscht wird, an den verschiedensten Orten bei den jeweils
bedeutenden lokalen Festen zugegen zu sein. Während manche anderen religiösen
Kompositionen der Spätzeit dies in relativ klaren Worten ausdrücken, ergeht sich
das Buch vom Durchwandeln der Ewigkeit gerade darin, änigmatisch zu sein und
seinen Leser zu fordern. Oft wird nur das absolut nötige Minimum an Informatio-
nen geboten, mit dem man bei entsprechend guter Bildung eben noch erschließen
kann, wann und wo man sich gerade befindet – und selbstverständlich mit dem
Kenntnisschatz eines Alten Ägypters, d. h. für heutige Forscher ist es oft kaum noch
absicherbar. Bezeichnend ist, daß es durchaus Diskussionen etwa über die korrekte
kalendarische Einordnung bestimmter Sektionen gibt.⁵⁸ Damit wird Wissen um
die diversen lokalen Einzeltraditionen gleichsam ein definierendes Kriterium für
die Zugehörigkeit zu einer intellektuellen Elite.
Noch stärker dürfte der Punkt in den Osirismysterien zu erkennen sein, wie sie
besonders in den Osiriskapellen des Tempels von Dendera überliefert sind. Hier
werden bewußt die unterschiedlichen Traditionen einzelner Gaue hervorgeho-
ben. Die Hauptkomposition über die Osirismysterien liefert gerade in den ersten
Büchern Angaben, die für die wichtigsten Orte des Osiriskultes jeweils spezifische
Daten und Verfahren nennt. Das geht bis dahin, daß man etwa in Sais, wie der
Text sagt „abweichend von allem anderen“, die Osirisfigurine aus reiner Erde ohne
Getreidebeimischung und ohne Model frei skulptiert und nach Ende der Rituale
im Wasser des heiligen Sees deponiert.⁵⁹ Bildlich sieht man auch gut, wie in einer
der Kammern von Dendera in schon quasi-antiquarischer Sammelarbeit die Iko-
Vgl. S. Cauville, Dendara, les chapelles osiriennes. Commentaire. Bibliothèque d’étude, Institut
français d’archéologie orientale, Kairo () -.
So als Titel des bekannten Aufsatzes von A. Herrmann, „Zergliedern und Zusammenfügen.
Religionsgeschichtliches zur Mumifizierung“, Numen () -.
Dendara X, -; vgl. auch H. Beinlich, Die „Osirisreliquien“. Zum Motiv der Körperzer-
gliederung in der altägyptischen Religion. Ägyptologische Abhandlungen () -.
Vgl. etwa T. Wilkinson, Early Dynastic Egypt () -.
26 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Zudem kann man ja kaum von der Mythologie der heliopolitanischen Neun-
heit sprechen, ohne ein Wespennest von Problemen anzustechen. Wir bezeichnen
die Neunheit als heliopolitanisch, weil auch die Ägypter selbst sie als Gesamtgröße
schon dort verortet haben. Aber es dürfte wenige Forscher geben, welche ernstlich
die Theorie vertreten, alle Mitglieder der heliopolitanischen Neunheit seien primär
und hauptsächlich in Heliopolis zu Hause.⁶⁴ Isis, Osiris und Horus haben z. B.
ausgeprägte Bodenhaftung in den recht nahe beieinander liegenden Regionen von
Behbeit el-Hagar, Busiris und Buto im Delta. Nach Heliopolis dürften sie erst
sekundär gekommen sein, in dem Maße, wie Re-Atum als verbindlicher Ahn aller
Götter festgeschrieben wurde. Das, was wir als zentrale religiöse Konzeptionen
Ägyptens verstehen, kann eigentlich erst durch eine spätere Zusammenarbeitung
von einst separaten Lokaltraditionen entstanden sein.
Ich möchte aber noch auf einen anderen Punkt fokussieren, nämlich die
bewußte Interaktion von Lokalität und Universalismus in den oben angesproche-
nen Kompositionen. Zum einen ist es vielleicht nicht selbstverständlich, wie sehr
offiziell und mit Zustimmung und tatkräftiger Mitarbeit aller staatlichen Stellen
hier geradezu der Partikularismus zelebriert wird. Man ist geradezu stolz darauf,
daß es so viele unterschiedliche lokale Bräuche um Osiris und so viele ortsgebun-
dene Mythenvarianten gibt, und man macht geradezu ihre korrekte Kenntnis zum
markierenden Proprium einer Elite. Kulturpolitik eines Staates muß keineswegs
zwangsläufig so aussehen, und man kann sicher aus der Moderne genügend Bei-
spiele aufführen, in denen lokale Traditionen und regionale Sprachen ungern gese-
hen oder sogar aktiv bekämpft werden. Die Behandlung Tibets durch die Chinesen
ist ja gerade wieder ins Auge der Welt getreten, und die Behandlung der Kurden
durch die Türken ist, wenngleich derzeit etwas weniger schlagzeilenträchtig, doch
auch seit Jahrzehnten virulent.
Nun ist ein wesentlicher Gesichtspunkt für derart unterschiedliche zentrale
Reaktionen natürlich in den realen politischen Gegebenheiten zu suchen. Die
Kurden wollen lieber heute als morgen einen eigenen Staat, und die Chinesen
glauben derzeit wohl nicht, daß ein kulturell autonomes Tibet in allen machtpoli-
tischen Fragen in ihrer Hand bleiben würde. Dagegen war in Ägypten zumindest
in der Spätzeit das Risiko eines ernstlichen Separatismus, in dem Sinne, daß etwa
das Fayum sich vom Rest des Landes unabhängig erklären würde, völlig irreal.
Was immer an kulturellen Divergenzen und direktem Antagonismus der lokalen
Regionen zum Zeitpunkt der Reichseinigung auch vorhanden gewesen sein mag,
bis zum vollen Einsetzen der von mir ausgewerteten Quellen im 1. Jahrtausend
v. Chr. gibt es keine ernstlich zentrifugalen Kräften, sondern es wird allenfalls als
eine Art von gepflegtem Trachtenverein zelebriert.
Vgl. etwa die Diskussion bei H. Kees, Der Götterglaube im alten Ägypten () -.
J. F. Quack, Lokalressourcen oder Zentraltheologie? 27
Wie wenig für die Macht der Zentrale die divergierenden Lokaltraditionen
eine Bedrohung darstellten, kann man vielleicht ganz gut gerade an einem Beispiel
illustrieren, das zeigt, bis zu welchen Extremen die Kultivierung einer Ortsidenti-
tät in religiösen Fragen gehen konnte. Plutarch, De Iside 72 (380 B) überliefert, daß
es in der römischen Zeit Streit zwischen den Gauen von Oxyrhynchos und Kyno-
polis gab. Die Oxyrhynchiten waren darüber erbost, daß die Kynopoliten den
ihnen heiligen Fisch als Speise verzehrten, und aus Rache opferten und verspeisten
sie selbst einen Hund, der in Kynopolis heilig war. Die Dinge gerieten außer Kon-
trolle und die Bewohner der beiden Gaue behandelten einander feindselig und
gewaltsam,⁶⁵ bis die römische Macht sie zur Ordnung rief.⁶⁶ Ebenso berichtet
Juvenal in einer Satire (15, 27 ff.) (und sicher nicht ohne Übertreibung), daß jede
ägyptische Stadt die Götter der anderen haßt, und daß in einer Fehde zwischen
Dendera und Kom Ombo sogar ein Mensch getötet und verspeist wurde.
Vielleicht wäre man geneigt, solche Vorkommnisse zunächst als Beleg gegen
meine These zu verwenden, beim genaueren Hinschauen zeigt sich aber gerade
ihre Stimmigkeit. Plutarch überliefert diese Episode im Zusammenhang seiner
Darlegung des ägyptischen Tierkultes nämlich gerade im Rahmen einer Deutung,
welche den lokal aufgefächerten Tierkult als bewußte Aufoktroyierung durch den
König und den Zentralstaat versteht. Demnach habe der Herrscher Sorge gehabt,
die Ägypter könnten als tendenziell aufsässiges Volk, sofern sie nur eine innere Ein-
tracht gewännen, genügend Macht entwickeln, um ihm gefährlich zu sein. Folg-
lich habe er sie angewiesen, verschiedene Tiere zu verehren, und zwar lokal spezi-
fisch jeweils solche, die von Natur aus denen anderer Orte feindlich seien. Ziel ist
somit, ein Maß inneren Zwists in der Bevölkerung der verschiedenen Regionen zu
schaffen, das es der Zentrale nach dem Prinzip „divide et impera“ leicht macht, die
Dinge ungefährdet unter Kontrolle zu halten.
Weiterhin muß man beachten, daß die konzeptuellen geographischen Ein-
heiten Ägyptens, wie sie in der religiösen Topographie hochgehalten werden, herz-
lich wenig mit den realen Raumstrukturen der Macht zu tun haben. Bezeichnend
ist etwa, daß die wichtigste Basistrennung der traditionellen Konzeption Ägyptens
die zwischen Ober- und Unterägypten war. Eine solche Organisation ist in der
Struktur des Raumes insofern sehr gut nachvollziehbar, als der Kontrast zwischen
dem schmalen Alluvialbereich zwischen den Uferbergen einerseits und der weiten
Ebene andererseits sehr markant ist. In der politischen Struktur Ägyptens war dies
Eine solche Grundeinstellung paßt bestens zum Papyrus Jumilhac, der ja gerade aus dieser
Region stammt und von immer neuen Aggressionsversuchen des Seth vom Gau von Oxy-
rhynchos aus berichtet.
Vgl. J. G. Griffiths, Plutarch’s De Iside et Osiride () - und f.; Chr. Froide-
fond, Plutarque, Œuvres morales, tome V, e partie. Traité . Isis et Osiris (; ²) f.
und f.
28 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
aber wohl nicht einmal zum Zeitpunkt der sogenannten Reichseinigung ein wirk-
lich markanter Gegensatz – jedenfalls fehlen derzeit klare Beweise dafür, daß es
im Delta ein einheitlich organisiertes protostaatliches Gebilde gegeben hat, das als
gleichwertige Größe der Einheit entgegentrat, die durch zunehmende Expansions-
und Integrationsprozesse in Oberägypten zusammengewachsen war.⁶⁷ Eine reale
politische Situation, in der die südliche Deltagrenze eine politische Wasserscheide
war, kann es allenfalls sehr ephemer gegeben haben. Man kann gut sehen, wie in
allen Epochen schwacher Zentralstaatlichkeit, die es in der ägyptischen Geschichte
gegeben hat – die von Forschern heute als Erste, Zweite und Dritte Zwischenzeit
bezeichnet werden – die politischen Hauptgrenzen keineswegs zwischen Delta und
Oberägypten verlaufen, sondern in Mittelägypten, sozusagen der Region, wo sich
die durch Ressourcen und Distanzen bedingte Kontrollfähigkeit von einem nörd-
lichen und einem südlichen Zentrum begegneten.⁶⁸ Und bei einer noch stärkeren
Fragmentierung, die es teilweise auch gegeben hat, waren die alten traditionellen
Gaugrenzen herzlich irrelevant. Bezeichnend ist, wie in der Ersten Zwischenzeit
ein Festungskommandant von Armant im 4. oberägyptischen Gau einen erfolg-
reichen Militärführer aus dem 3. oberägyptischen Gau um Hilfe bittet, während
andere Teile des 4. Gaues sowie der 5. Gau seine Gegner sind.⁶⁹
Hier möchte ich ein abschließendes Fazit ziehen: Es gibt in Ägypten in nicht
geringem Maß Mythen und religiöse Konzeptionen, welche regional verortete lokale
Entstehungspunkte haben. Sie hängen oft gut erkennbar an den landschaftlichen
Ressourcen und topographischen Gegebenheiten, die sie mit einem bis in die
Gegenwart der Textautoren reichenden tiefen Sinn erfüllen: Die Götter und ihre
Aktionen hinterlassen unauslöschbare Spuren in der Landschaft. Allerdings ist die
Entstehung und Ausformulierung dieser Mythen in Gelehrtenkreisen zu suchen,
denen auch die landesweite religiöse Tradition gut vertraut war; als Reflexe lokaler
Volkstradition kann man sie nur in dem Maße werten, wie solche Volkstraditionen
bis in die regionale intellektuelle Elite aufsteigen können. In jedem Fall kann man
Abbildungsnachweis
Abb. 1: nach S. Sauneron, Esna VI/1. Le temple d‘Esna Nos 473-546 (1975) 164.
Reinheit, Verborgenheit, Wirksamkeit
Innen-, An- und Außensichten eines ägyptischen Sanktuars
jenseits der zentralen Residenzkulte*
Peter Kopp und Dietrich Raue
Die strukturell aktive Rolle von Denkmälern und Objekten ist im Grunde nicht
mehr umstritten, seitdem sich die Altertumswissenschaften mehr den theore-
tischen Diskursen der Kulturwissenschaften geöffnet haben. Wenngleich die Rich-
tungen im Detail stark divergieren, wird es weitgehend als gegeben angenommen,
dass Produkte einer Kultur ihrerseits wieder die Kultur prägen und fortan eine
kontinuierliche Wechselwirkung besteht.¹ Zugleich ist auch anhand isolierter
Streufunde noch eine kulturelle Gesamtaussage zumindest theoretisch denkbar.
Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes „Produkt“ der Kultur und somit Ergebnisse
eines multifaktoriellen Prozesses, dessen Bestandteile bei entsprechender Beleglage
bestimmbar sind.²
Zum „Sitz im Leben“ eines derart entstandenen Produkts ist also die Auswir-
kung auf Denken und Verhalten durch die schiere Präsenz stets eine lohnende
Perspektive. Das Produkt wirkt von dem Moment seiner Entstehung an aktiv auf
seine Umgebung ein. Eine gewisse Hausform bestimmt beispielsweise fortan die
Gestalt festlicher Anlässe, die Größe der Festgemeinschaft und die Frage, welche
Feste überhaupt im Haus gefeiert werden können. Es bedarf jeweils gravierender
Anlässe, diesen Rahmen wieder zu sprengen.
Ein Gebiet, in dem in Ägypten aus wissenschaftsgeschichtlichen Gründen
eingehend geforscht wurde, sind die Heiligtümer des Landes. Dabei entsteht in
* Die folgenden Ausführungen basieren auf den jüngeren Untersuchungen im Rahmen des
Forschungsclusters „Heiligtümer. Gestalt und Ritual. Kontinuität und Veränderung“ des
Deutschen Archäologischen Instituts, siehe http://www.dainst.org/index__de.html.
Aus der Vielzahl der Beiträge zu diesem Thema siehe z. B. S. Jones, The Archaeology of Eth-
nicity (, reprint ) -.
H.-P. Wotzka, „‚Kultur‘ in der deutschsprachigen Urgeschichtsforschung“, in: S. Fröhlich
(Hg.), Kultur – Ein interdisziplinäres Kolloquium zur Begrifflichkeit, Halle (Saale), .–.
Februar () –.
DOI 10.1515/ARG.2008.003
32 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
der Darstellung ägyptischer Kulte und Königsdogmen häufig der Eindruck, der
König würde als Amtsverpflichtung allüberall An- oder Umbauten in den Landes-
tempeln, oder zumindest eine inschriftliche Tätigkeit regulär durchführen. Die
Realität sieht jedoch oftmals vollkommen anders aus.
Auf der Nilinsel Elephantine (Abb. 1) an der politischen Südgrenze Ägyptens
konnte durch die Arbeiten des Deutschen Archäologischen Instituts Abt. Kairo, in
Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Institut für Ägyptische Bauforschung
und Altertumskunde, die Geschichte des Stadttempels der Satet von seinen Anfän-
gen im späteren 4. Jahrtausend v. Chr. bis zum Ende der paganen Kulte Ägyp-
tens am Übergang vom 4. zum 5. Jahrhundert n. Chr. archäologisch untersucht
werden.³ Während die frühen Stufen des Tempels aus ungebrannten Lehmzie-
geln noch häufige Modifikationen und Reparaturen aufweisen, ändert sich das
Bild mit den ersten, vollständig aus Stein errichteten Sanktuaren. Im Tempelhaus
Sesostris’ I. (um 1950 v. Chr.) wurde während der Dauer von 500 Jahren – und im
Anschluss hieran im Tempel der Königin Hatschepsut und ihres Koregenten Thut-
W. Kaiser, Elephantine – Die antike Stadt () -, -; ders., „Satettempel: Gesamt-
befund und geplante Dokumentation ausgewählter Entwicklungsphasen“, in: W. Kaiser et
al., „Stadt und Tempel von Elephantine. Siebter Grabungsbericht“, Mitteilungen des Deut-
schen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo () -; ders., „Zu den Erneue-
rungen des Satettempels in der . Dynastie“, in: W. Kaiser et al., „Stadt und Tempel von
Elephantine. ././. Grabungsbericht“, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen
Instituts, Abteilung Kairo () -; G. Dreyer, Elephantine VIII. Der Tempel der
Satet – Die Funde I. Archäologische Veröffentlichungen () -.
P. Kopp – D. Raue, Reinheit, Verborgenheit, Wirksamkeit 33
mosis III. von etwa 1450 bis 150 v. Chr. – der Götterkult vollzogen.⁴ Es fehlen dort
beispielsweise Reliefs berühmter Herrscher wie Amenophis III. oder Ramses II.
und eine Dekorationstätigkeit des gesamten 1. Jahrtausends v. Chr.⁵ Für spätere
Könige gehörte es ganz selbstverständlich zu ihrer Kultur, bei Tempelbesuchen vor
den Bildern alter Könige ihren Opferkult zu vollziehen. Dies gilt in weit größerem
Ausmaße auch für Orte wie Theben, Memphis und Heliopolis. Der Bauentwurf
der Hatschepsut besaß somit direkten Einfluss z.B. auf die 860 Jahre spätere Fest-
und Prozessionsgestaltung Psammetichs II., und die Vorstellung dieses Königs, wie
ein korrekter Heiligtumsbau aussehen könnte oder sollte, orientierte sich um 590
v. Chr. zwangsläufig an der Option des vorbildhaft präsenten Gebäudeentwurfs der
Hatschepsut.
Dieses bis hierhin rein theoretisch postulierte Verhalten eines Herrschers des
6. Jahrhunderts v. Chr. entzieht sich im Detail aufgrund der Quellenlage unserer
Kenntnis. Vor allem die Berichterstattung des Herodot lässt jeoch erahnen, wie
sehr das Bewusstsein der Stadtbevölkerungen hiervon mitgetragen wurde. Es mag
seine moderne Entsprechung in dem Selbstbewusstsein eines heutigen Bürgers von
Rom finden, das sich unter anderem aus der Summe der ihn umgebenden großen
Architektur und Kunst zahlreicher Jahrhunderte speist. Aber auch auf konkret
politische Entscheidungen können derartige Gebäude einwirken, wie das aktuelle
Beispiel des Streits um die Gebäudehöhe im inneren Stadtgebiet von Köln zeigt.
Das Ideal eines vom Dom bestimmten Stadtbildes führt derzeit von einem post-
modern geprägten Panoramabedürfnis zu einer Bauschicht des 21. Jahrhunderts
ohne die großen Neubauten der Wirtschaftswelt in einer innerstädtischen Archi-
tekturform der Moderne, dem Hochhaus.
An letzteren Beispielen ist ersichtlich, wie Produkte der Kultur wiederum auf
Mentalität und Verhalten einwirken. Die Sichtbarkeit entwickelt sich lange nach
Abschluss der letzten Bauarbeiten zum Agens, und das Spannende dieser Kom-
ponente ist: Sie ist nur begrenzt vorhersehbar und ganz sicher nicht planbar. Das
Phänomen des Zusammenspiels optischer Reize und Wahrnehmungen wurde vor
Längerem im Rahmen einer Vorlesung an der Universität Heidelberg von Tonio
W. Kaiser, „Satettempel: Architektur und Reliefdekor des Tempels der . Dynastie“, in:
W. Kaiser et al., „Stadt und Tempel von Elephantine – Achter Grabungsbericht“, Mittei-
lungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo () -.
Lediglich an den Pfeilern vor dem Eingang zum Tempelhaus fügte ein Wesir Psammetichs I.
seine Darstellungen ein. Vor dem Tempeleingang wurde um v. Chr. eine Kolonnade
von König Amasis zur festlichen Ausgestaltung des Prozessionsweges, und möglicherweise
eines ersten Barkenstandortes errichtet: W. Kaiser, „Zum Satettempel des Neuen Reiches
und der Spätzeit“, in: W. Kaiser et al., „Stadt und Tempel von Elephantine. ././.
Grabungsbericht“, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo
() -.
34 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Hölscher mit Bezug auf die Wirkung einer römischen Anlage wie des Traians-
Forums in Rom als „visueller Sound“ bezeichnet.
Die Sphären, in die damit eingegriffen wird, gehören gleichzeitig auch in die
Matrix, auf der religiöses Agieren stattfindet. Eine christliche Formulierung hier-
für wurde 1529 von Martin Luther mit den Zeilen „Ein feste Burg ist unser Gott“
geprägt. Die Beispiele, in denen einer / der Hochgottheit herrschaftliche Höhen-
sitze eingeräumt und vorbehalten werden, sind allgegenwärtig und werden als
selbstverständlich wahrgenommen; sie reichen von Jupiter Capitolinus in Rom
bis zu den muslimischen Gebetshäusern auf den Höhepunkten von Städten wie
Kairo, Istanbul und Jerusalem. Sie können, bei entsprechender Verquickung, auch
den wirtschaftlichen Hort mit bedeutenden spirituellen Zentren verbinden, wie
die alles überschauenden Bauten der Akropolis mit dem Parthenon in Athen. Wo
steht nun in diesem Rahmen der altägyptische Tempel des 3. Jahrtausends v. Chr.
und wie ist seine Außenwirkung konzipiert?
Die Betrachtung ägyptischer Heiligtümer führt zu dem Ergebnis, dass hier vieles
anders verlaufen sein muss. Herodot beschreibt dies aus eigener Anschauung nach
seinen Erfahrungen in Bubastis, einer der wichtigsten Großstädte Unterägyptens:
Der Tempel der Bastet liegt in der Stadtmitte und ist von allen Seiten einsehbar,
da er in einer Senke liegt, die durch die Entwicklung der umliegenden Stadt ent-
stand.⁶ Einen guten Eindruck von dieser Situation erhält der Besucher noch heute
in einem oberägyptischen Ort wie Syene / Assuan:⁷ Vielerorts stieg man zum ägyp-
tischen Tempel hinab.
Der Hauptgrund für die eingetiefte Lage altägyptischer Tempel ist das Bau-
material. Die Tempel der ägyptischen Städte werden bis in das späte 3. Jahrtau-
send v. Chr. grundsätzlich aus ungebrannten Lehmziegeln errichtet. Im Tempel
wird handwerklich sauber gearbeitet, ordentlich verfugt, Baumüll entsorgt, und
vor allem: Es wird regelmäßig gereinigt. Das Niveau hält sich auf diese Weise über
lange Zeiträume auf konstant gleichbleibender Höhe.
Direkt vor der Türe zeigt sich aber eine gänzlich andere Situation: Lehmziegel-
architektur hat auf der Seite der positiven Eigenschaften ihre Klimagerechtheit, die
einfache Beschaffung des Baumaterials und die einfache Modifizierbarkeit der Ent-
würfe. Auf der Gegenseite dieser Medaille befinden sich dagegen schnell akkumu-
Vgl. C. von Pilgrim, „Zur Stadtentwicklung nach dem Alten Reich“, in: G. Dreyer et
al., „Stadt und Tempel von Elephantine – ././. Grabungsbericht“, Mitteilungen des
Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo () - mit Taf. a. Zum
Niveauanstieg in Bereich XXIV-XXX-XXXI siehe D. Raue, „Untersuchungen in der Stadt
des . Jahrtausends v. Chr. “, in: G. Dreyer et al., „Stadt und Tempel von Elephantine
– ././. Grabungsbericht“, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abtei-
lung Kairo () im Druck.
Zur einer der wenigen Ausnahmen siehe G. Vörös, „Hungarian Excavations on Thot Hill
at the Temple of Pharaoh Montuhotep Sankhkara in Thebes (-)“, in: H. Beinlich
– J. Hallof – H. Hussy – Chr. von Pfeil (Hgg.), . Ägyptologische Tempeltagung, Würzburg,
.-. September () -.
D. Raue, „Mastaba III/“, in: R. Stadelmann et al., „Pyramiden und Nekropole des Snofru
in Dahschur. Dritter Vorbericht über die Grabungen des Deutschen Archäologischen Insti-
tuts in Dahschur“, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo
() . Anhand der Relieffragmente kann diese spezielle Opferformel inzwischen
auch für eine Inschrift an Mastaba I/ (ebd., -) rekonstruiert werden.
36 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
einer Art Bannmeile: Anders als später üblich scheint es eine Tabuzone von min-
destens 500 m im Umkreis des Herrschergrabes gegeben zu haben.¹¹ Die derartig
landschaftlich visualisierte Herrschaft spiegelt sich auch in der Namensgebung
– oder besser: Namensannahme – wider, in der Snofru in Gestalt der basilophoren
Namen von Personen¹² und den Pyramidenstädten¹³ nun selbstverständlich auf-
scheint.
Auf Elephantine zeigt sich ein gegenteiliges Bild: Die archäologische Evidenz
kennt im 3. Jahrtausend nur ein Heiligtum, den Tempel der Satet. In einer natür-
lich gebildeten Felsnische befindet sich das einzige nachweisbare, spirituelle Zen-
trum der Stadt. Doch bestimmt Satet deshalb auch das Stadtbild? Dies kann man
während des 3. Jahrtausends v. Chr. gesichert ausschließen.
Es ist notwendig, sich in diesem Zusammenhang den relativ geringen Umfang
der Siedlungsgröße an der ägyptischen Südgrenze im 3. Jahrtausend v. Chr. vor
Augen zu führen. Der Durchmesser der Stadt Elephantine entspricht mit 250 m
in Berlin ungefähr 16 Hausnummern am Prenzlauer Berg. Auch die Befunde der
Umgebung erfordern sehr moderate Bevölkerungsschätzungen. Mit der Annah-
me von 1200 gleichzeitig lebenden Personen für den Bereich Elephantine/West-
Assuan dürfte man nicht allzu weit von der Realität entfernt sein.¹⁴ Der Tempel
der Satet befindet sich im nördlichen Drittel der Stadt (Abb. 2). Verfolgt man die
Inselkontur und die Bebauungsgrenzen, so ist auszuschließen, dass das Heiligtum
vom Fluss oder aus den meisten Himmelsrichtungen zu sehen gewesen ist. Einzig
von Nordwesten gab es möglicherweise Blickwinkel, von denen aus das sakrale
Gebiet hinter der Stadtmauer zu erahnen war. Die Stadtansicht war geprägt von
der Umfassungsmauer und von der nach außen schmucklosen Parzellenbebauung
der Wirtschafts- und Verwaltungskomplexe, die auch den höchsten Punkt der In-
sel einnahmen.¹⁵ In der Stadtmitte erhob sich etwa unter dem heutigen Portal der
Vorhalle des 2000 Jahre jüngeren spätzeitlichen Chnumtempels, eine Gebäude-
einheit mit Höfen und Speichern. Sie stand 6 m höher als das Stadttor des Alten
Reiches im Südwesten, 10 m
höher als die Gebäude der
Vorstadt – und überschat-
tete wohl um die spätere
Mittagszeit schon den Tem-
pel der Satet, der nach Nor-
den hin 7,5 m tiefer lag. Die
Inselsiedlung Elephantine
bestand für den Ankom-
menden zuallererst einmal
aus einer ummauerten, ma-
ximal zweistöckigen Bebau-
ung von gleichförmigen,
mit einfachen Geäst-Mat-
ten-Dachkon struktionen
gedeckten Gebäudeeinhei-
ten.
Die reguläre Reinigung
des sakralen Bereiches hat Abb. 2: Elephantine im späten Alten Reich (um 2200 v. Chr.).
somit, im Verbund mit den
zuvor beschriebenen Gesetzmäßigkeiten des Baumaterials, jährlich den Effekt der
Verborgenheit des Tempels verstärkt. Die Außenwirkung der Stadt muss ausge-
sprochen dominant profan gewirkt haben (Abb. 1),¹⁶ je nach Wasserstand thronten
die Verwaltungs- und Produktionsstätten bis zu 20 m oberhalb des Wasserspiegels.
Das Alltagsleben ist folglich zu keinem Zeitpunkt durch visuelle Reize religiöser
Architektur beeinflusst oder geformt worden. Das Sanktuar lag schachtartig zwi-
schen den rasch wachsenden Gebäudeniveaus. Es bedurfte daher u. E. der gra-
vierenden, alle Lebensbereiche betreffenden Verwerfungen der kommenden Jahr-
hunderte, um die Ortsgottheit in allen Lebensbereichen zur Stadtgottheit ihrer
Bewohner werden zu lassen.
Einen Eindruck hiervon kann die Rekonstruktion der kleinteiligeren Bebauung der früh-
dynastischen Zeit vermitteln, siehe M. Ziermann, Elephantine XXVIII. Die Baustrukturen
der älteren Stadt (Frühzeit und Altes Reich). Archäologische Veröffentlichungen ()
Abb. .
38 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Auf sicherem Boden befindet man sich mit den Namen und Titeln, die zu
Hunderten auf den beschrifteten Töpfen aus den Felsgräbern der späten 6. Dynas-
tie auf der Westseite von Assuan, gegenüber von Elephantine, erhalten sind. Unter
ihnen erscheint nur dreimal ein theophorer Frauenname „Satet-hetep“.²³ Die
verwandtschaftlich wohl verbundenen Damen gehören einem Stifterverband an,
engere Beziehungen zum Tempel der Satet lassen sich nicht erkennen. Innerhalb
der Topfaufschriften sowie der Namen, Titel und Inschriften der Qubbet el-Hawa
stehen sie gleichfalls alleine.²⁴ Satet ist sicherlich im 3. Jahrtausend v. Chr. als
Bestandteil der Personennamen eine Ausnahme.
Allein die räumlichen Voraussetzungen des Tempels von Elephantine geben
für Zutrittsberechtigte einen engen quantitativen Rahmen. Kaum mehr als 25 Per-
sonen werden gleichzeitig im Heiligtum Platz gefunden haben, ein großräumigerer
Vorplatz existierte zu dieser Zeit nicht. Auch die Zahl der Votivgaben, die in den
Abfallhalden und den Objektdeponien des Tempels gefunden wurden, sprechen
für ein bescheideneres Votivaufkommen.²⁵ Ein kalendarisch-fixiertes, obligato-
risches Votivbrauchtum kann angesichts der Zahlen beispielsweise für die Stadt-
lungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo () -, mit einem
Angehörigen der Pyramidenstiftung des Teti, der unter Pepi I. in Elephantine an der süd-
lichen Anlegestelle seine Inschrift hinterließ. Die Situation vor der . Dynastie ist weniger
deutlich. Hier erscheint in den Siegeln von Elephantine in keinem der mehr als
Abrollungen die Göttin Satet. Lediglich in einem Fall der . Dynastie wird ein „Prophet
der Göttin“ erwähnt. J.-P. Pätznick geht von Tabu-Regelungen im Alten Reich aus und
untermauerte diese Vermutung mit dem Verweis auf Elkab, wo gleichfalls die Stadtgöttin
Nechbet in keinem Fall in den Siegelungen erscheint. Eine Umschreibungsmöglichkeit
erkennt er in dem Zeichen der Göttin Neith, womit sich die Frage nach der konkreten
Identität der Kultinhaberin im frühen Alten Reich stellt, siehe J.-P. Pätznick, Die Siegelab-
rollungen und Rollsiegel der Stadt Elephantine im . Jahrtausend v. Chr., British Archaeolo-
gical Reports - International Series () –. Für männliche Gottheiten wie
Chnum und Sobek scheinen keinerlei kulturimmanente Restriktionen zu gelten, allerdings
ist grundsätzlich auch auf die Konsonantenschreibung von Götternamen wie Horus zu
verweisen, siehe H. Ranke, Die Ägyptischen Personennamen I () -.
E. Edel, Die Felsgräbernekropole der Qubbet el-Hawa bei Assuan, II. Abteilung Band . Die
Topfaufschriften aus den Grabungsjahren – und () No. –, , ,
Taf. sowie – mit Stiftertabelle –; ders., Die Felsgräbernekropole der Qubbet el-
Hawa bei Assuan, II. Abteilung. Die althieratischen Topfaufschriften aus den Grabungsjahren
und () X, Taf. –, –, –.
Für eine Durchsicht der z. T. noch unpublizierten prosopographischen Daten danken wir
K.-J. Seyfried. Unter der Vielzahl von Personennamen, die aus den Gräbern überliefert
sind, kann jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass hinter dem einen oder ande-
ren Kurznamen zeitspezielle Abkürzungen und Andeutungen standen, die einen Bezug zu
Satet herstellten.
G. Dreyer, Elephantine VIII. Der Tempel der Satet – Die Funde I. Archäologische Veröffentli-
chungen (). Durch die aktuellen Grabungen erhöhte sich die Zahl der Votivgaben
nochmals, siehe P. Kopp, in: D. Raue et al., „Report on the t season of excavation and
40 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
bevölkerung insgesamt, aber auch für die Eliten vor Ort, ausgeschlossen werden.
Die Gottheit ist auch im Fundgut der Insel im 3. Jahrtausend v. Chr. de facto nicht
existent. Hierfür können eine Reihe von Vermutungen angestellt werden (siehe
unten, Abschnitt 4). Generell entsteht der Anschein, als würde das Stadtbild sich
nicht nur in der Namenswirkung sondern auch in den Votivgaben spiegeln: Der
Kultbezug ist ähnlich verborgen wie das Sanktuar in der Stadt.
Die Gottheit Satet ist auf Elephantine mit dem Flutgeschehen verbunden.²⁶
Ihr Tempel liegt auf Elephantine im südlichsten Randgebiet Oberägyptens am
Einstieg in den Ersten Katarakt. Wenig weiter flussaufwärts befindet sich die Insel
Sehel, auf der der Tempel der Anuket stand. Ihr Name beinhaltet das Abschwel-
len der Pegelhöhen. Beide Inseln stehen in einem kulttopographischen Zusam-
menhang. Die kultische Inszenierung des hydrologischen Gleichgewichts ist das
zentrale Thema der expliziten Religionsausübung am Ersten Katarakt. Die Fluss-
prozessionen setzen den Gedanken der Harmonisierung des Flutanstiegs (Satet)
mit dem des Abschwellens der Flut (Anuket) eins.²⁷ Als weitere Kraft erscheint
am Ersten Katarakt die Gottheit Chnum. Chnum, Herr der Kataraktenland-
schaft, gehört zum ältesten Bestand der Kulttopographie und als „Gastgottheit“
wohl auch auf Elephantine zu den frühesten Kultempfängern.²⁸ Sein Name („der
Zusammenführende“, „der Vereinigende“) könnte hier gleichfalls in seiner theolo-
gischen Ausdeutung auf eine verbindend-vereinigende, harmonisierende Funktion
hindeuten.
Doch für wen besaß dies existenzielle Bedeutung? Die landwirtschaftlich nutz-
baren Flächen dieser Region sind hier äußerst begrenzt und zum Teil nur wenige
Meter breit. Auf der Westseite eröffnet sich ein etwas breiterer Streifen Acker-
lands, der jedoch, dies zeigen die jüngsten Surveys,²⁹ deutlich schmaler war als es
das heutige Aussehen suggeriert. Hier findet sich der Hauptgrund für die relativ
geringe Bevölkerungsdichte. Die Flut war entscheidend für den Ausgang des land-
wirtschaftlichen Jahres in Ägypten – jedoch wird die Qualität des Ausgangs sehr
restoration on the island of Elephantine“, Annales du service des antiquités de l´Égypte (im
Druck), siehe vorläufig: http://www.dainst.org/medien/en/daik_ele_rep_en.pdf.
St. J. Seidlmayer, „Landschaft und Religion“, Archäologischer Anzeiger , -.
Seidlmayer, „Landschaft und Religion“, a. O. (Anm. ) -.
W. Kaiser, „Die Entwicklung des Satettempels in der . Dynastie“, in: W. Kaiser et al.,
„Stadt und Tempel von Elephantine. ./. Grabungsbericht“, Mitteilungen des Deutschen
Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo () .
In Zusammenarbeit mit dem italienisch-englischen Survey auf dem Westufer des Nils
(siehe M. Gatto, „Survey between Aswan and Kom Ombo”, Egyptian Archaeology. The Bul-
letin of the Egypt Exploration Society [] -) wurde nördlich der Felsgräber im Früh-
jahr im Rahmen des DAI-Forschungsclusters „Politische Räume“ ein Bohrungssur-
vey begonnen. Die Hinweise auf die ersten Ergebnisse dieses großflächigen Ansatzes einer
Landschaftsrekonstruktion werden I. Klose und M. De Dapper verdankt.
P. Kopp – D. Raue, Reinheit, Verborgenheit, Wirksamkeit 41
Pepi I. (um 2325 v. Chr.),³⁶ die auf Initiative der zentralen Herrschaft in Auftrag
gegeben werden – und zumindest im letzten Fall mit einem Regierungsjubiläum in
Zusammenhang stehen. Offensichtlich war es ausschließlich dem König möglich,
in der Felsnische Inschriften zu hinterlassen.³⁷
Die Außenwirkung des Tempels scheint sich somit ausschließlich über die
Funktionalität der Kult-Ursache zu entfalten – und könnte damit einhergehend
im 3. Jahrtausend v. Chr. auf jegliche lokal-visuelle Komponente verzichtet haben.
Da hiermit die zentrale Verbindlichkeit der Satet für die Religiosität der Bevöl-
kerung von Elephantine zumindest relativiert wird und ihr Hauptpublikum im
3. Jahrtausend v. Chr. auch außerhalb der Insel gesucht wird, so muss natürlich
mit einigen Sätzen beschrieben werden, welche Felder der Religionsausübung für
die einfachere Bevölkerung zu konstatieren sind. Parallel zu diesem hochtheolo-
gischen Konstrukt existierten sicher zwei weitere Sphären. Zum einen ist stark ver-
allgemeinernd eine grundsätzlich beseelt vorzustellende Umgebung anzunehmen.
Gerade die Kleinkunst des 3. Jahrtausends gibt zumindest Anhaltspunkte für einen
komplementären Kosmos der Dämonen und Geister, wie sie etwa in der Siegelwelt
erscheint.³⁸ Die zweite Gruppe, die für die Bewohner eine alltägliche Relevanz
hatte, entstammt den Eliten. Die Expeditionsleiter des späten Alten Reiches blei-
ben im späteren Alten Reich, anders als ihre Vorgänger, in der Region und lassen
sich auch vor Ort bestatten.³⁹ Die Nekropolenfeste mit dem Kult der Eliten an
der Spitze – dies lassen die Reliefs der Felsgräber gegenüber von Elephantine erah-
nen – strukturierten das tägliche Leben der ortsansässigen Personen tiefgreifend.
Objekte aus diesem Prozessionsgeschehen wurden in der Stadt gefunden.⁴⁰ Die
Wirkungstiefe dieser Beziehung lässt sich an der Kontinuität ermessen, die der
W. Kaiser et al. „Stadt und Tempel von Elephantine – ././. Grabungsbericht”, Mit-
teilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo () –.
D. Raue, „Éléphantine: Cinq campagnes de fouilles dans la ville du ème millénaire avant
J.-C.“, Bulletin de la Societé Française d´Égyptologie () -, fig. .
xwj.t njw.t=s „die ihre Stadt schützt“. Die Publikation dieser Darstellung ist in Vorbe-
reitung, zum Barkensanktuar Sesostris´ I., siehe W. Kaiser, Elephantine – Die antike Stadt
() .
M. Bommas, „Untersuchungen im Bereich der Verbindungstreppe zwischen den Tem-
peln des Chnum und der Satet“, in: W. Kaiser et al. „Stadt und Tempel von Elephantine
– ./. Grabungsbericht“, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung
Kairo () , Abb. ; C. von Pilgrim, „Untersuchungen im Stadtgebiet west-
lich des Satettempels“, in: W. Kaiser et al. „Stadt und Tempel von Elephantine – . / .
Grabungsbericht“, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo
() -, Abb. ; W. Kaiser, „Zum Chnumtempel des Mittleren Reichs“, in:
W. Kaiser et al. „Stadt und Tempel von Elephantine – . /. /. Grabungsbericht”, Mit-
teilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo () -.
Vgl. Turmbauten der Tempelverwaltung, die vielerorts das eigentliche Tempelhaus ver-
deckten: Turmhaus K auf Elephantine: F. Arnold, „Der Bezirk des Chnumtempels:
Stratigraphische Untersuchungen südlich des Tempelhauses“, in: G. Dreyer et al., „Stadt
und Tempel von Elephantine – ././. Grabungsbericht“, Mitteilungen des Deutschen
Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo () im Druck; zum drei- bis vierstöckigen
Turmhaus H, siehe F. Arnold, „The Khnum Temple Precinct in the Ptolemaic-Roman
period“, in: D. Raue et al., „Report on the t season of excavation and restoration on
the island of Elephantine“, Annales du service des antiquités de l´Égypte (im Druck), siehe
vorläufig: http://www.dainst.org/medien/en/daik_ele_rep_en.pdf.
44 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
gelt immer deutlicher die Präsenz einer schützenden Stadtgottheit wider⁴⁵ und
der Stadtgottgedanke wird seit der 1. Zwischenzeit in allen Metropolen Ägyptens
explizit von der Bevölkerung mit Leben erfüllt.
Gut 500 Jahre später haben sich die Verschiebungen, die im frühen Mittleren
Reich ihren Ausgang nahmen, verfestigt und lassen sich auf breiterer Ebene im
Neuen Reich ab 1550 v. Chr. verfolgen. Aus einer ganzen Reihe ägyptischer Göt-
tertempel sind verschiedenste Arten von Votivgaben bekannt. Sie waren für einen
gewissen Zeitraum in den Tempeln aufgestellt: entweder wurden sie im öffentlich
zugänglichen Bereich deponiert oder Priester platzierten sie näher am Sanktuar.
Danach wurden sie innerhalb des Tempelareals entsorgt. Bekannte Beispiele für
diese Praxis sind die Cachettes im Luxor- und im Karnaktempel, in denen jeweils
eine größere Anzahl von steinernen Statuen vergraben wurde.⁴⁶ Aber auch die ein-
fachen, kleineren Votive wurden an mehreren Orten in Abfalldepots von Tempeln
gefunden, die zwischen Heiligtümern verschiedener Gottheiten und Regionen
deutliche Übereinstimmungen im Inventar zeigen. So sind als typische Kleinfunde
aus einem ägyptischen Tempel des Neuen Reiches (ca. 1550–1070 v. Chr.), insbe-
sondere aber der frühen 18. Dynastie (1550–1492 v. Chr.), Perlen und Amulette,
weibliche Figurinen, kleine Fayencegefäße sowie auffällig geformte Steine anzu-
führen (Abb. 3). Hinzu kommen verschiedene andere Funde, die jedoch überwie-
gend als Einzelstücke oder in geringer Anzahl vorhanden sind und zudem nicht
regelmäßig in Tempeln auftreten.
Schmuck ist durch zahllose Perlen belegt (Abb. 3.1–2), die größtenteils aus
Fayence hergestellt sind und das gängige Formenspektrum dieser Zeit abdecken.⁴⁷
Nur in wenigen Fällen waren die Perlen noch aufgefädelt oder lagen so zusammen,
dass sich darüber Aufschluss gewinnen ließ, von welcher Art von Schmuckstücken
sie stammten. Sie gehörten überwiegend zu einfachen Ketten, gelegentlich auch
zu komplizierter zusammengesetzten Schmuckbändern. Durch die Funde von
Meniten, den Gegengewichten von breiten, um den Hals zu tragenden Ketten,
sind auch die sog. Halskragen belegt, die darüber hinaus als Musikinstrumente
zum Rasseln benutzt wurden. Amulette, d. h. Anhänger und Perlen in figürlicher
Abb. 3: Votive der 18. Dynastie aus dem Chnum- und Satettempel von Elephantine:
1 Fayenceperle (KF-Nr. 1860); 2 Fayenceperle (KF-Nr. 1863); 3 Fayencefigurine (KF-Nr. 1858);
4 Fayencefigurine (Fund-Nr. 27605G/c-9); 5 Skarabäus (Fund-Nr. 27604Q/b-1); 6 Fayence-
schale (Fund-Nr. 27605F/d-6); 7 Steinkugel (KF-Nr. 1863).
Abb. 4: Anhänger aus dem Satettempel von Elephantine: 1 Nilpferdgottheit, 1. Zwzt. (KF-Nr.
663); 2 Hathormaske, Neues Reich (KF-Nr. 732); 3 Sechmet/Bastet, 3. Zwzt. (KF-Nr. 1651).
Wie die Amulette sind auch die Skarabäen als Teile von Schmuckstücken anzu-
sehen (Abb. 3. 5).⁵⁰ Sie treten in allen Tempeln zahlreich auf, wobei einige kleinere
Exemplare Fruchtbarkeitsfigurinen als Schmuck dienten. Obwohl Skarabäen auch
zum Siegeln benutzt wurden,⁵¹ steht außer Frage, dass die Masse der im Tempel-
bereich gefundenen Stücke als Amulette getragen wurden und in dieser Funktion
ein Symbol für Erneuerung und Wiedergeburt darstellten.
Eine andere Art von Votivgaben in Tempeln sind weibliche Figurinen. Die
typische Form in der frühen 18. Dynastie ist eine in offenen Modeln hergestellte
und somit nur einseitig reliefierte Massenware (Abb. 3. 3–4). Sie stellen eine nackte
Frau dar und sind überwiegend aus blauer Fayence, seltener aus Keramik geformt.
Die meist 5–10 cm hohen Figuren gehören vornehmlich in die Sphäre der magisch-
religiösen Praxis und sollen die Fruchtbarkeit der Frau fördern und schützen, wobei
der Begriff Fruchtbarkeit den gesamten Bereich von der Empfängnis bis zum Stil-
len des Säuglings beinhaltet. Fruchtbarkeitsfigurinen treten häufig in Tempeln der
Göttin Hathor auf, jener Gottheit, die am engsten mit den Aspekten der Frucht-
barkeit assoziiert ist, wurden aber ebenso in Tempeln der Gottheiten Nechbet,
Min, Satet und Chnum gefunden.⁵²
Pinch, Votive Offerings, a. O. (Anm. ) –; W. M. F. Petrie, Koptos () pls.
XXIV–XXV. Auf Elephantine stammen drei Skarabäen aus dem Satettempel sowie zwei
weitere aus dem Bereich des Chnumtempels.
C. von Pilgrim, Elephantine XVIII. Untersuchungen in der Stadt des Mittleren Reiches und
der Zweiten Zwischenzeit. Archäologische Veröffentlichungen () -.
Pinch, Votive Offerings, a. O. (Anm. ) . Auch die Figurinen aus Koptos, die in einer
Grube entsorgt wurden, sind als Votivgaben anzusehen. Die Zusammensetzung der Funde
spricht eindeutig gegen die Deutung von Petrie, a. O. (Anm. ) und J. M. Weinstein,
Foundation Deposits in Ancient Egypt, Diss. University of Pennsylvania () als
Gründungsdepot. Auf Elephantine wurden Fragmente von Fayencefigurinen gefunden,
die sich dem Chnumtempel zuordnen ließen, sowie neun weitere im Bereich des Satettem-
pels.
P. Kopp – D. Raue, Reinheit, Verborgenheit, Wirksamkeit 47
Eine weniger tragende Rolle scheint der Punkt, welchem Gott der Tempel
offiziell geweiht war, gespielt zu haben. Wie sich zeigte, sind verschiedene Objekt-
gattungen wie Fruchtbarkeitsfigurinen oder die bemalten Fayenceschalen, die
deutlich mit der Göttin Hathor assoziiert sind, auch in Tempeln der Gottheiten
Nechbet, Min, Satet und Chnum dargereicht worden. Der Tempel fungiert also
für die lokale Bevölkerung als Schnittstelle zwischen den Menschen und allen Göt-
tern, ungeachtet seines offiziellen Kults. Somit ist es wenig verwunderlich, dass
auch Amulette in der Form „ortsfremder“ Götter in einem Tempel gefunden wur-
den. Untermauert wird diese Annahme durch Votivinschriften, die Besucher in
Tempeln hinterlassen haben. So sind im Tempel Thutmosis’ III. in Deir el-Bahari
auch Inschriften zu finden, die Osiris anrufen⁵⁷ und nicht, wie zu erwarten wäre,
Hathor oder Amun.
Ein weiteres Beispiel sind die gelegentlich in Tempeln auftretenden Amulette
in Form des Gottes Bes oder der Nilpferdgöttin Thoeris. Beide entstammen dem
Mythenkreis um Hathor und sind volkstümliche Götter, die insbesondere wäh-
rend der Schwangerschaft und Geburt Schutz gewähren. Da Bes keinen offiziellen
Kult hatte und Thoeris offenbar nur an wenigen Orten Tempel geweiht waren,
wurden ihnen bestimmte Votive auch in Tempeln anderer Gottheiten aufgestellt.
Hieraus erklärt sich zudem die Uniformität der Inventare an verschiedenen
Orten. Die Masse der Votive läßt sich mit der Göttin Hathor in Verbindung
bringen. Dies gilt sowohl für die in Hathortempeln wie anderen Göttertempeln
gefundenen Votivgaben. Auch bei letzteren ist davon auszugehen, dass sie zwar
tatsächlich der Göttin Hathor geweiht waren, aber trotzdem in Göttertempeln mit
anderem offiziellen Kult aufgestellt werden konnten. Der Tempel als Mikrokosmos
garantierte die Nähe zu den Göttern und verstärkte damit die magisch-religiöse
Wirksamkeit des Objektes.
5. Ausblick.
Die mittel- wie unmittelbaren Folgen von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, wie sie
am Beispiel des Tempels der Satet auf Elephantine skizziert wurden, können über
den hier behandelten Zeitraum hinaus und in weitere Teilbereiche der ägyptischen
Kultur verfolgt werden.
Um 2300 v. Chr. wird eine dominierende Höhenlage auf dem Westufer des
Flusses von der Felsnekropole der Eliten des späten Alten Reichs eingenommen.
Die diachrone Sicht zeigt, dass in der Namensgebung der folgenden 1. Zwischen-
zeit und des frühen Mittleren Reichs (2100-2000 v. Chr.) auf Elephantine einige
z. B. A. I. Sadek, „An Attempt to Translate the Corpus of the Deir el-Bahari Hieratic
Inscriptions“, Göttinger Miszellen () , DB .
P. Kopp – D. Raue, Reinheit, Verborgenheit, Wirksamkeit 49
H.-W. Fischer-Elfert, „Hieratische Schriftzeugnisse“, in: G. Dreyer et al., „Stadt und Tem-
pel von Elephantine – . / . / . Grabungsbericht“, Mitteilungen des Deutschen Archäo-
logischen Instituts, Abteilung Kairo () .
A. Dorn, Die Funde aus dem älteren Heqaibheiligtum auf Elephantine, unpublizierte Lizen-
ziatsarbeit Basel, ; C. von Pilgrim, „Zur Entwicklung der Verehrungsstätten des
Heqaib in Elephantine“, in: E. Czerny et al. (Hgg.), Timelines. Studies in Honour of Man-
fred Bietak I. Orientalia Lovaniensia Analecta () –; D. Franke, Das Heilig-
tum des Heqaib auf Elephantine, Studien zur Archäologie und Geschichte Altägyptens ()
-.
Ein vergleichbarer Befund liegt in Tell Ibrahim Awad im Ostdelta vor: D. Eigner, „Design,
Space and Function: The Old Kingdom Temple of Tell Ibrahim Awad“, in: B. J. J. Haring
– A. Klug, Akten der ägyptologischen Tempeltagung : Funktion und Gebrauch altägyptischer
Tempelräume, Leiden, . – . September , Königtum, Staat und Gesellschaft früher Hoch-
kulturen () -.
50 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Abbildungsnachweis
Abb. 1-4: Deutsches Archäologisches Institut, Abt. Kairo.
Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum*
Joannis Mylonopoulos
Charles l’Eplattenier, der Lehrer Le Corbusiers, bezieht sich in der zitieren Passage
auf die Natur als Quelle der Inspiration für das Erschaffen von Architektur und
nicht als Prototyp, den es zu imitieren und sklavisch „à la manière des paysagis-
tes“ zu reproduzieren gilt. Natur sollte in architektonischen Formen symbolhaft,
ornamental umgewandelt werden. Solche Lehren kombiniert mit einer profun-
den Kenntnis der antiken griechischen Architektur und Philosophie haben Le
Corbusier, für den Natur eine elementare Basis des architektonischen Schaffens
bilden sollte, geprägt.² Natur wurde von Le Corbusier nicht nur als Rahmen, son-
dern vielmehr als Material, geometrische Form, mathematische Gesetzmäßigkeit
und lineare Abstraktion verstanden und so in Architektur transformiert bzw. mit
Architektur harmonisch kombiniert. Eine solche Vorstellung von den Interak-
tionsmöglichkeiten zwischen gebauter Wirklichkeit und Natur darf für die antike
Welt nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden.³ Auch wenn die Anleihen
* Eine frühere Version dieses Beitrags wurde im Mai unter dem Titel „Imitation und
Integration landschaftlicher Elemente in griechischen Heiligtümern“ in Stuttgart im Rah-
men des . Historisch-Geographischen Kolloquiums „Die Landschaft und die Religion“
vorgetragen. Ich möchte mich sehr herzlich bei dem Organisator der Tagung, Eckart Ols-
hausen, und den Teilnehmern für die wertvollen Diskussionsbeiträge bedanken. Mein
Dank gilt auch Fernande und Tonio Hölscher, die mich eingeladen haben, meine Gedan-
ken zu diesem Thema in dem vorliegenden Sammelband zu veröffentlichen.
Le Corbusier, L’Art décoratif d’aujourd’hui () .
Siehe allgemein hierzu S. Menin – F. Samuel, Nature and Space: Aalto and Le Corbusier
().
Zum Thema ‚Natur‘ in der griechischen Welt siehe zuletzt A. L. Giesecke, The Epic City.
Urbanism, Utopia, and the Garden in Ancient Greece and Rome () -; P. Horden –
N. Purcell, The Corrupting Sea. A Study of the Mediterranean History () - bieten
eine allgemeine und doch provozierende Sicht auf das Thema ‚Landschaft und Religion‘.
DOI 10.1515/ARG.2008.004
52 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
aus der Natur in der Formung und künstlerischen Ausprägung des korinthischen
Kapitells – wodurch l’Eplatteniers Aufruf nach dem Beitrag der Natur „en créant
des ornements“ bereits in der Antike wahr geworden wäre – offensichtlich sind
und keiner eingehenden Diskussion bedürfen, hatte das Zusammenspiel zwischen
Architektur und Natur in der antiken griechischen Welt noch nicht eine solche
Ebene der Abstraktion und der vollständigen Abstimmung von natürlichen und
von Menschen kreierten Elementen erreicht.
Im antiken Griechenland war die natürliche Umgebung primär und aus guten
Gründen eine großartige Kulisse für architektonisches Schaffen. Dass hierbei
mit Architektur in erster Linie Tempelarchitektur gemeint ist, sollte besonders
betont werden. Kein Altertumswissenschaftler wird der Aussage Walter Burkerts
widersprechen können, dass die griechische Welt eindeutig als Tempelkultur cha-
rakterisiert werden sollte.⁴ Der Tempel des Poseidon auf dem Kap Sounion und
die Heiligtümer des Apollon im Ptoon und in Delphi – um lediglich drei der
bekanntesten Beispiele zu nennen – zeugen von der bewussten Wahl einer Örtlich-
keit für die Gründung einer Kultstätte und der eindrucksvollen Verbindung von
Architektur und Natur zum Zweck der Betonung und Erhöhung der sakralen Aura
eines heiligen, von Menschen beeinflussten Ortes (Abb. 1).⁵ Die enge Verknüpfung
zwischen landschaftlicher Umgebung und Religion wird noch heute jedem, der
den heiligen Berg Athos besucht, aufs eindrucksvollste bewusst. Zu den imposan-
testen Bauten auf dem Athos gehört mit Sicherheit das Kloster Simonos Petra, das
der Legende nach um die Mitte des 14. Jhs. n. Chr. gegründet wurde, nachdem der
Asket Simon ein Licht auf dem Felsen erblickte, auf dem später das Kloster errich-
W. Burkert, „The Meaning and Function of the Temple in Classical Greece“, in: M. V. Fox
(Hg.), Temple in Society () .
Jedes dieser drei Heiligtümer demonstriert auf eine leicht unterschiedliche Art, wie sakrale
Architektur Natur als erhöhenden Rahmen optimal nutzt und dadurch selbst zu einem
optischen, künstlich erschaffenen Referenzpunkt in der natürlichen Umgebung wird: Der
Tempel des Poseidon auf Sounion thront majestätisch auf dem Kap; es wundert nicht
weiter, dass die allerersten Worte des Periegeten Pausanias (I, , ) dem Kap Sounion und
seinem Tempel gewidmet sind (von Pausanias mit dem Tempel der Athena Sounias iden-
tifiziert): Τῆς ἠπείρου τῆς Ἑλληνικῆς κατὰ νήσους τὰς Κυκλάδας καὶ πέλαγος τὸ
Αἰγαῖον ἄκρα Σούνιον πρόκειται γῆς τῆς Ἀττικῆς· καὶ λιμήν τε παραπλεύσαντι
τὴν ἄκραν ἐστὶ καὶ ναὸς Ἀθηνᾶς Σουνιάδος ἐπὶ κορυφῇ τῆς ἄκρας. Das Apollon-
heiligtum im Ptoon befindet sich auf einem Berg und bietet einen atemberaubenden Blick
auf den Kopais-See und die sich davor erstreckende Ebene. Das Apollonheiligtum in Del-
phi – die vielleicht landschaftlich imposanteste Kultstätte der antiken griechischen Welt
– schmiegt sich wie eine Theateranlage an die zerklüftete, fast senkrecht abfallende südliche
Seite des Parnassos, direkt unterhalb der Phädriaden, und präsentierte sich in der Antike in
mehreren Ebenen sowohl den Besuchern, die von Osten die Landstraße nehmend kamen,
als auch denen, die auf dem Seeweg und über Kirrha das Heiligtum erreichten.
J. Mylonopoulos, Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum 53
Abb. 1: Oben: Blick auf das Poseidonheiligtum auf Kap Sounion; Mitte: Blick vom Apollonheiligtum im
Ptoon; unten: Blick auf das Apollonheiligtum in Delphi.
54 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
tet werden sollte.⁶ In der antiken griechischen Tradition würde man von einer
Kratophanie, vergleichbar mit den Zeus’schen Blitzeinschlägen, sprechen, welche
die Örtlichkeit geheiligt hat. Dieselbe Verknüpfung zwischen Natur und Religion
lässt sich in Le Corbusiers fast surrealistischer Kirche Notre Dame du Haut im
französischen Ronchamp ablesen. Im Sinne antiker Vorstellungen befindet sich
die nicht besonders große Kirche erhöht auf einem Hügel mit freiem Blick in alle
vier Himmelsrichtungen.⁷
Allerdings steht im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrags nicht die Positionie-
rung von Heiligtümern in einem räumlichen Kontext, sondern die Frage nach der
Funktion von landschaftlichen Elementen als eigenständigen Kultplätzen, weiter-
hin nach ihrer Integration in einen größeren Komplex und schließlich nach ihrer
mehr abstrakten, symbolhaften als genauen Imitation im Kontext eines architek-
tonisch definierten und definierbaren Heiligtums.
F. Spunda, Der heilige Berg Athos. Landschaft und Legende () f.: „Simonos Petra
aber geht über unsere Vorstellungskraft hinaus durch das Wuchern seiner Steilheits-Idee;
es ist ein Zerbrechen aller räumlichen Baubegriffe, fast schon ein Frevel […] Von unten,
von der gestaffelten Bucht […] erscheint das Kloster wie eine gemalte Kulisse […] Vor
mir aber flammt Simonos Petras Steilwand wie weißglühendes Eisen“. Trotz der romanti-
sierenden Beschreibung kommt man nicht umhin, bereits im Vorfeld die Planung einer zu
erzielenden Wirkung solch sakraler Gebäude in einer dermaßen imposanten natürlichen
Umgebung anzunehmen.
H. Hertzberger, Space and the Architect () : „Whether or not you find it beautiful,
you may wonder if that is the way to crown the top of a hill, like an untamed species of
Parthenon. You can advocate or vilify it but it is impossible to ignore it.“ Hertzberger
spricht mit diesen zwei kurzen Sätzen Aspekte wie die Positionierung der Kirche sowie die
Anspielung auf die antike griechische sakrale Architektur und ihre kommunikative Inter-
aktion mit der natürlichen Umgebung an.
J. Mylonopoulos, Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum 55
gewaltigen Stromes, aus dem Unbekannten heraus, läßt uns Altäre gründen. Verehrung
finden die heißen Quellen, und manchem stehenden Gewässer hat die schattige Lage oder
die unergründliche Tiefe Weihe verliehen (E. Glaser-Gerhard).⁸
Senecas Text ist in vielerlei Hinsicht außerordentlich interessant: Der Leser wird
in einer ersten, relativ direkten Ebene über die Mannigfaltigkeit potentieller heili-
ger Naturräume informiert; es handelt sich um Haine, Grotten, die Quellen von
Flüssen, Wasserströme, Quellen und Seen. Und doch erläutert Seneca in einer
weiteren, quasi exegetischen Ebene die besonderen Charakteristika, die aus einem
Ort der Natur einen Sitz des Heiligen machen können. Die Bäume solcher Haine
bilden eine undurchdringbare, fast unheimlich wirkende Trennung zwischen Erde
und Himmel; Grotten reichen tief und in wilden Felsformationen bis in die Unter-
welt, aber vor allem sind sie nicht von Menschen geschaffen; Flüsse und Wasser-
ströme sind in ihrer Größe imposant; die Quellen sind heiß und stellen hierdurch
eine Ausnahme von der Regel kühlender Wasserquellen dar, während Seen dunkel
wirken und unergründlich tief sein sollen. Das Unerwartete, das Außergewöhn-
liche, das Unheimliche, die Abwesenheit menschlichen Wirkens in der Entste-
hungsgeschichte dieser Naturerscheinungen lässt in Senecas Worten die Seelen der
Sterblichen von göttlicher Kraft erfüllt werden.
Die Übertragung von Informationen, die man dem Werk eines lateinischen
Autors entnehmen kann, auf die antike griechische Realität könnte zumindest
methodisch als problematisch angesehen werden. Und doch gibt es einige, wenn
auch nicht so ausführliche griechische Texte, die eindeutig in dieselbe Richtung
weisen und das Besondere, das ‚Heilige‘ einer Landschaft oder eines speziellen
landschaftlichen Elements preisen. Der platonische Dialog Phaedrus findet unter
einer Platane in der Nähe einer Quelle statt, und Sokrates verherrlicht die Schön-
heit und die Höhe des Schatten spendenden Baums, den Duft der Blüten, die
erfrischende Wirkung des kalten Wassers der Quelle, die angenehme Luft, die
‚Musik‘ der Zikaden und das wunderbar anmutende Gras. Der einzige Eingriff
des Menschen scheinen Votive zu sein, die Sokrates dazu verleiten, in dem offen-
sichtlich sonst unberührten Ort eine Kultstätte des Acheloos und der Musen zu
vermuten.⁹
Seneca, Epistulae morales , : Si tibi occurrerit vetustis arboribus et solitam altitudinem
egressis frequens lucus et conspectum caeli ramorum aliorum alios protegentium sum-
movens obtentu, illa proceritas silvae et secretum loci et admiratio umbrae in aperto tam
densae atque continuae fidem tibi numinis faciet. Si quis specus saxis penitus exesis mon-
tem suspenderit, non manu factus, sed naturalibus causis in tantam laxitatem excavatus,
animum tuum quadam religionis suspicione percutiet. Magnorum fluminum capita vene-
ramur; subita ex abdito vasti amnis eruptio aras habet; coluntur aquarum calentium fontes,
et stagna quaedam vel opacitas vel inmensa altitudo sacravit.
Plato, Phaedrus b-c: Νὴ τὴν Ἥραν, καλή γε ἡ καταγωγή. ἥ τε γὰρ πλάτανος αὕτη
μάλ’ ἀμφιλαφής τε καὶ ὑψηλή, τοῦ τε ἄγνου τὸ ὕψος καὶ τὸ σύσκιον πάγκαλον, καὶ ὡς
56 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Wie Mircea Eliade treffend bemerkte, kann der Mensch, „welche Spannung
nun auch zwischen dem heiligen und dem profanen Raum bestehe, nicht ohne
einen solchen heiligen Raum leben“.¹⁰ Aber was macht eine Örtlichkeit heilig und
lässt eine andere ‚profan‘ bleiben? Sind bestimmte Orte oder Naturerscheinungen
per se heilig oder werden sie von Menschen entdeckt, als heilig erklärt und durch
rituelle Handlungen geheiligt? Eliade, der sich intensiv mit dieser Thematik ausein-
andergesetzt hatte, war der Auffassung, dass ein Ort allein durch seine natürliche
Erscheinung heilig sein kann; es gäbe eine absolute Idee des „Heiligen Ortes“, des-
sen physische Manifestationen erst durch das Eingreifen des Menschen zu gehei-
ligten Orten werden.¹¹ In einfachen Worten: Eine geheimnisvolle Grotte, eine
natürliche Quelle, ein Hain sind durch ihre Erscheinung per se im Sinne Senecas
heilige Orte. In der Tat aber ist es die menschliche Aktivität an solchen Orten, die
sie zu geheiligten Plätzen, zu Kultstätten macht. Nicht jede Grotte oder Quelle
wird zum Bestandteil einer Kultstätte, wie auch Senecas Text impliziert, aber sie
haben das Potential dazu.
Im Folgenden soll auf verschiedene Elemente der natürlichen Umgebung des
Menschen kurz eingegangen werden, die mehr oder weniger in ihrer Eigenständig-
keit als Kultstätten verstanden und verwendet wurden.
Grotten
ἀκμὴν ἔχει τῆς ἄνθης, ὡς ἂν εὐωδέστατον παρέχοι τὸν τόπον ἥ τε αὖ πηγὴ χαριεστάτη
ὑπὸ τῆς πλατάνου ῥεῖ μάλα ψυχροῦ ὕδατος, ὥστε γε τῷ ποδὶ τεκμήρασθαι. Νυμφῶν
τέ τινων καὶ Ἀχελῴου ἱερὸν ἀπὸ τῶν κορῶν τε καὶ ἀγαλμάτων ἔοικεν εἶναι. εἰ δ’ αὖ
βούλει, τὸ εὔπνουν τοῦ τόπου ὡς ἀγαπητὸν καὶ σφόδρα ἡδύ· θερινόν τε καὶ λιγυρὸν
ὑπηχεῖ τῷ τῶν τεττίγων χορῷ. πάντων δὲ κομψότατον τὸ τῆς πόας, ὅτι ἐν ἠρέμα
προσάντει ἱκανὴ πέφυκε κατακλινέντι τὴν κεφαλὴν παγκάλως ἔχειν.
M. Eliade, Die Religionen und das Heilige. Elemente der Religionsgeschichte () .
Ebenda : „Der Ort wird keinesfalls vom Menschen ‚gewählt‘, er wird nur von ihm ‚ent-
deckt‘; anders ausgedrückt, der sakrale Raum offenbart sich ihm auf die eine oder andere
Weise.“
A. Zois, Κρήτη – Ἐποχή τοῦ Λίθου () sammelte zuletzt die Daten zur kultischen
Nutzung kretischer Grotten in der Steinzeit (z. B. Agios Ioannis: ; Ellinospilios (?): ;
Koumarospilios: ; Platyvola (?): ; Skaphidia: f.; Stravomiti: ).
J. Mylonopoulos, Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum 57
Vgl. bes. P. Faure, Fonctions des cavernes cretoises () -. Faure präsentiert eine Liste
aller ihm bekannten Grotten auf Kreta, die als Grabstätten, Behausungen und Kultstätten
zwischen der Neolithischen und der Kaiserzeit benutzt wurden.
Siehe allgemein U. Egelhaaf-Gaiser – J. Rüpke, „Orte des Erscheinens – Orte des Ver-
bergens. Höhlen in Kult und Theologie“, Orbis Terrarum () -, wobei der
Gleichsetzung des Totenorakels am Acheron mit dem von Sotirios Dakaris ausgegrabenen
Gebäude zu widersprechen wäre (s. u.).
K. Clinton, Myth and Cult. The Iconography of the Eleusinian Mysteries () -.
J. Mylonopoulos, Πελοπόννησος οἰκητήριον Ποσειδῶνος. Heiligtümer und Kulte des
Poseidon auf der Peloponnes. Kernos, Suppl. () -.
K. Sporn, „Höhlenheiligtümer in Griechenland“, in: Chr. Frevel – H. v. Hesberg (Hgg.),
Kult und Kommunikation. Medien in Heiligtümern der Antike () - macht keine
Unterscheidung zwischen Kulthöhlen als Teil eines größeren Komplexes und solchen, die
eigenständig als Kultstätten benutzt wurden.
Diodor , , -: δοῦναι λάθρᾳ τοῖς Κούρησιν ἐκθρέψαι τοῖς κατοικοῦσι πλησίον
ὄρους τῆς Ἴδης. τούτους δ’ ἀπενέγκαντας εἴς τι ἄντρον παραδοῦναι ταῖς Νύμφαις,
παρακελευσαμένους τὴν πᾶσαν ἐπιμέλειαν αὐτοῦ ποιεῖσθαι.
Kallimachos, In Jovem , : Ζεῦ, σὲ μὲν Ἰδαίοισιν ἐν οὔρεσί φασι γενέσθαι. Ausführlicher
zu den verschiedenen kretischen mythologischen Traditionen siehe H. Verbruggen, Le Zeus
Cretois () -.
58 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
aus Bronze, hergestellt teilweise auf Kreta teilweise im Orient.²⁰ Das reiche archä-
ologische Material und die literarischen Quellen verraten uns, dass die Idäische
Grotte eine internationale Pilgerstätte war, in der nach Hendrik Verbruggen unter
anderem auch Initiationen kollektiven Charakters stattfanden.²¹ So groß war die
Bedeutung und die Ausstrahlung dieser Kultgrotte, dass sie als Ort der religiösen
Kultausübung bis in das 12. Jh. n. Chr. Erwähnung in den literarischen Quellen
findet.²²
Am häufigsten wird allerdings ein anderer Gott in Grotten verehrt: der the-
riomorphe Pan. Neben Arkadien war sein Kult besonders in Attika verbreitet.
Mehrere Kultgrotten in dieser Landschaft waren Pan geweiht.²³ In der Landschaft
Phokis deuten das archäologische Material sowie die Einrichtung eines Weges, der
Delphi mit der Korykeischen Grotte verband, darauf hin, dass diese Grotte als
eine der bedeutendsten Kultstätten des Pan und der Nymphen angesehen werden
muss.²⁴
Nach Katja Sporns Überblick waren in der Tat die meisten Grotten Pan und
den Nymphen geweiht,²⁵ während andere Gottheiten oft später dazu gesellt wur-
H. Matthäus, „Die idäische Zeus-Grotte auf Kreta. Griechenland und der Vordere Ori-
ent im frühen . Jahrtausend v. Chr.“, Archäologischer Anzeiger , - bes. -
. Jüngst interpretierte N. C. Stampolides, „Από την Ελεύθερνα και το Ιδαίον: μια
απόπειρα ερμηνείας χαμένων τελετουργιών“, Eulimene - (-) - die
Votivschilde aus der Idäischen Grotte auf der Basis ähnlicher Funde aus der Nekropole
von Eleutherna als Deckel von Graburnen oder von Bronzekesseln. Da solche Objekte als
multifunktional angesehen werden sollten – auch Bronzephialen wurden als Deckel von
Grabamphoren verwendet –, schließen sich die zwei Deutungen nicht gegenseitig aus. Für
die kunsthistorische Auswertung dieser Objekte bleibt E. Kunze, Kretische Bronzereliefs
() die Referenzarbeit.
Verbruggen, Zeus Cretois, a. O. (Anm. ) - bes. -. Riten initiatorischen Cha-
rakters werden auch für die Pan-Grotte in Vari angenommen, siehe G. Schörner – H. R.
Goette, Die Pan-Grotte von Vari () .
A. Chaniotis, „Μια άγνωστη πηγή για τη λατρεία στο Ιδαίο Άντρο στην ύστερη
αρχαιότητα“, in: Πεπραγμένα του Στ΄ Διεθνούς Κρητολογικού Συνεδρίου () -
.
Ph. Borgeaud, Recherches sur le dieu Pan (). Der Autor konzentriert sich fast ausschließ-
lich auf den arkadischen Kult des Gottes; zu Pan in Athen S. -. Zum gemeinsamen
Kult der Nymphen mit Pan in attischen Grotten siehe zuletzt J. Larson, Greek Nymphs.
Myth, Cult, Lore () -.
Die Grotte gehört darüber hinaus auch zu den besterforschten Kultgrotten Griechenlands,
vgl. L’antre corycien I, Bulletin de correspondance hellénique, Suppl. () und L’antre
corycien II, Bulletin de correspondance hellénique, Suppl. ().
Sporn, „Höhlenheiligtümer“, a. O. (Anm. ) f. Allerdings ist keineswegs immer sicher,
ob sich die verschiedenen Dedikationen auf Mitinhaber der Kultstätte beziehen oder ob
solche Gottheiten von den Dedikanten einmalig und nur im Rahmen der eigenen indivi-
duellen Weihung erwähnt werden. Ein großes Heiligtum mit panhellenischer Wirkung wie
das Asklepieion in Epidauros liefert ein gutes Beispiel für diese Haltung: Obwohl die ‚offi-
J. Mylonopoulos, Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum 59
den.²⁶ Von den Beispielen, die Sporn in Bezug auf andere individuell in Grotten
verehrte Götter erwähnt, erscheinen vor allem die Grotte des Herakles Bouraï-
kos in Boura und die Grotte der Aphrodite in Naupaktos besonders interessant.
Die Herakles-Grotte funktionierte als ein manteion, in dem Orakel mit Hilfe von
Astragalen erteilt wurden,²⁷ während in Naupaktos Frauen und vor allem Wit-
wen zur Aphrodite-Grotte gingen, um eine baldige Hochzeit zu erbitten.²⁸ Im
Gegensatz zu Sporns Annahme erwähnt Pausanias keine Grotte in Bezug auf den
Demeterkult auf dem megarischen Hügel Ikaria, sondern spricht ganz explizit von
einem „gemachten“ megaron.²⁹ Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Kreta
mit ihren unzähligen Kultgrotten eindeutig eine Ausnahme darstellt, sollte man
sich die Frage stellen, ob Gottheiten außer Pan und den Nymphen, die in einer
Grotte Verehrung fanden, in der lokalen Ausprägung ihres Kults außergewöhn-
liche Merkmale besaßen, wie die persönliche und sehr direkte Zukunftsbefragung
vor der Statue des Herakles in Boura oder die erwähnenswerte Affinität der Wit-
wen zum Aphroditekult in Naupaktos.³⁰
Haine
Trotz der Bedeutung und der internationalen Ausstrahlung einer Kultstätte wie
der Idäischen Grotte sowie der häufigen Verehrung Pans in Grotten, spielen Haine
als heilige Orte in der Antike eine weitaus wichtigere Rolle, da sie in kaum einem
griechischen Heiligtum gefehlt haben. Was macht aber die Heiligkeit von Bäumen
aus? In der spätgeometrischen und orientalisierenden Epoche finden wir häufig auf
Gefäßen die Darstellung des sog. Lebensbaumes.³¹ Der Begriff „Lebensbaum“ ist
in der Tat nicht zufällig gewählt, denn hier liegt die Erklärung für die Heiligkeit
der Bäume: Sie sind eng mit dem Lebenszyklus verbunden, sie manifestieren die
kontinuierliche Erneuerung der Natur.³²
Wegen der heiligen Aura der Bäume eigneten sich Haine vorzüglich als Orte
der Götterverehrung. Der in der Antike geläufige griechische Begriff für die
Bezeichnung eines bewaldeten Landstücks mit eindeutig sakraler Nutzung war
alsos. Allerdings konnte Darice Elisabeth Birge demonstrieren, dass der Begriff alsos
doch mehrdeutig sein kann.³³ Bereits in den homerischen Epen wird dieser Begriff
benutzt, und obwohl seine Bedeutung im Laufe der Zeit erweitert wird, bleibt die
enge Verbindung zu einem aus Bäumen bestehenden sakralen Raum bestehen.
Eine Stelle bei Lukian spricht von Hainen als dem anfänglichen Haus der
Götter:
Zuerst haben sie (die Menschen) für die Götter Haine abgesondert, Höhen geweiht, Vögel
geheiligt und jeder Gottheit eine besondere Pflanze beigelegt; und dann habe jedes Volk
für sich eine Gottheit verehrt und sie als bei sich wohnend betrachtet […]. Zuletzt endlich
habe man den Göttern erst Tempel errichtet, damit sie nicht ohne Haus und ohne Herd
sind, sowie Bilder, welche die Götter darstellten.³⁴
Die Forschung des 19. Jahrhunderts hat die heiligen Haine in Anlehnung an
Lukian und weitere griechische und lateinische Autoren als eine frühe, vielleicht
sogar die ursprüngliche Form des sakralen Raumes angesehen.³⁵ Man wird jedoch
in den heiligen Hainen lediglich eine der mannigfaltigen Formen des Sakralraums
und keine frühe Entwicklungsstufe des griechischen Heiligtums im Sinne eines
linearen Prozesses erkennen können. Ein Hain kann in manchen Fällen die eigent-
liche Kultstätte und in anderen wiederum einen wichtigen, aber doch nur einen
manchmal sehr kleinen Teil eines Heiligtums darstellen. Viele der Sakralgesetze,
die sich intensiv mit den verschiedenen Angelegenheiten einer Kultstätte ausein-
andersetzen, beschäftigen sich auch mit dem Schutz und der Nutzung der in den
Heiligtümern vorhandenen Haine.³⁶
Zu den Gottheiten, die häufig in einem heiligen Hain verehrt werden oder
Kultstätten besitzen, die einen Hain als wichtigen Bestandteil ihres Gesamtbildes
aufweisen, gehören Artemis, Apollon, Demeter und Poseidon.³⁷ Die zwei berühm-
testen heiligen Haine auf dem griechischen Festland waren die olympische Altis,
die Teil eines größeren baulichen Zusammenhangs war und der Poseidonhain im
böotischen Onchestos mit seinem berühmten rituellen Wagenrennen, der bereits
in archaischer Zeit im homerischen Hymnus an Apollon eine wichtige Rolle
spielt.³⁸ Im Gegensatz zu Olympia bestand die Kultstätte in Onchestos ausschließ-
lich aus dem heiligen Hain. Archäologisch lassen sich heilige Haine äußerst schwer
oder gar nicht nachweisen; die meisten uns bekannten Haine sind literarisch oder
epigraphisch überliefert. Eine erfreuliche Ausnahme stellt in dieser Hinsicht der
Poseidonhain beim korinthischen Penteskouphia dar. Hier wurden 1879 zahlreiche
Votivpinakes des 7. und 6. Jhs. in einem tiefen Bachbett gefunden, die inzwischen
in Berlin, Paris und Korinth aufbewahrt werden. In der Nähe des Fundortes konn-
ten überhaupt keine architektonischen Reste entdeckt werden, so dass Adolf Furt-
wängler, der sich als erster mit den Pinakes auseinandergesetzt hat, die Vermutung
äußerte, bei Penteskouphia sollte man einen Hain annehmen.³⁹ Allem Anschein
nach wurde die Kultstätte vorwiegend von den Malern und Töpfern Korinths fre-
C. Boetticher, Der Baumkultus der Hellenen nach den gottesdienstlichen Gebräuchen und den
überlieferten Bildwerken () -.
M. P. J. Dillon, „The Ecology of the Greek Sanctuary“, Zeitschrift für Papyrologie und Epi-
graphik () -; M. Horster, Landbesitz griechischer Heiligtümer in archaischer
und klassischer Zeit () -; E. Lupu, Greek Sacred Law. A Collection of New Docu-
ments () f.
Chr. Jacob, „Paysage et bois sacré dans la Périégèse de la Grèce de Pausanias“, in: O. de
Cazanove – J. Scheid (Hgg.), Les bois sacrés. Actes du colloque international de Naples ()
-, bes. -; Horster, Landbesitz, a. O. (Anm. ) Anm. ; Mylonopoulos, Heilig-
tümer und Kulte des Poseidon, a. O. (Anm. ) -.
G. Roux, „Sur deux passages de l’Hymne homérique à Apollon“, Revue des Études Grecques
() -; A. Schachter, „Homeric Hymn to Apollo, lines - (the Onchestos
episode). Another Interpretation“, Bulletin of the Institute of Classical Studies of the Univer-
sity of London () -.
Mylonopoulos, Heiligtümer uund Kulte des Poseidon, a. O. (Anm. ) -.
62 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Eine rotfigurige Oinochoe im Louvre (L ) ist eines der vielen Beispiele in der Vasen-
malerei, die einen Baum mit an seinen Zweigen hängenden Pinakes als Chiffre für das
Gesamtheiligtum verwenden, siehe z. B. Thesaurus Cultus et Rituum Antiquorum IV ()
Nr. b, Taf. s. v. „Darstellungen von Kultorten“ (A. Kossatz-Deissmann).
Boetticher, Baumkultus, a. O. (Anm. ) -.
Plato, Leges e: πέριξ δένδρων ἄλσος περιφυτεύσουσι πλὴν κώλου ἑνός.
J. D. Beazley, Attic Red-Figure Vase Painters² () f. Nr. schrieb das Gefäss dem
Vogel-Maler zu. D. C. Kurtz, Athenian White Lekythoi. Potters and Painters () ver-
suchte – m. E. wenig überzeugend – die Lekythos mit dem sog. Schilf-Maler in Verbindung
zu bringen. Zuletzt führte J. H. Oakley, Picturing Death in Classical Athens. The Evidence
of the White Lekythoi () Nr. das Gefäss in einer Liste auf und schrieb es erneut
dem Vogel-Maler zu, ohne allerdings im Text darauf näher einzugehen.
Zu solchen Szenen siehe zuletzt Oakley, Picturing Death, a. O. (Anm. ) -. Es ist
bemerkenswert, dass in dieser ersten, sehr detaillierten und reich bebilderten ikonogra-
J. Mylonopoulos, Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum 63
sog. Trauerrituale nicht vor einem Grabmonument, sondern vor einem Baum
stattfinden, der auf einer niedrigen Erdanhäufung steht. Der einzelne Baum steht
nicht nur als Bildchiffre für einen anzunehmenden Hain, sondern übernimmt viel-
mehr die eigentliche Rolle des Grabmonuments. Der Baum ist auf diesem und
vergleichbaren Bildern vollständig an die Stelle des funerären Semas getreten; er
wird ikonographisch durch die Bänder, die an seinen Zweigen hängen, explizit
als „natürliche Grabstele“ aufgefasst. Das Anbinden von Bändern um das Grab-
monument bzw. die bereits vom Grabmonument herabhängenden Bänder sind
ein omnipräsentes Thema in Grabbesuchsszenen auf weißgrundigen Lekythen,⁴⁵
obwohl keine einzige Passage in den erhaltenen Tragödien diesen rituellen Akt
dokumentiert.⁴⁶ Solche Bilder sind sicherlich keine realistischen Dokumente für
die Verwendung einzelner Bäume als Grabmonumente, sondern verweisen bild-
lich auf Heroisierungsvorstellungen, da nach den schriftlichen Quellen Haine im
funerären Kontext fast ausschließlich mit Heroengräbern in Verbindung stehen.⁴⁷
Berggipfel
In den meisten antiken Kulturen symbolisiert der heilige Berg das Zentrum der
Welt, die axis mundi, an der Himmel, Erde und Unterwelt aufeinander treffen.
Tempel und königliche Residenzen werden häufig als symbolische Spitze eines
heiligen Berges verstanden und übernehmen dadurch ebenfalls die Eigenschaften
einer Mitte der Welt.⁴⁸ Im antiken Griechenland werden zwar Berge häufig als hei-
lige, transzendierende Orte angesehen, aber nicht als Zentrum der Welt; nur vom
Apollonheiligtum in Delphi berichten die antiken Quellen von dem Anspruch,
Nabel der Welt zu sein, aber hier fehlt die Konzeption des heiligen Berges. Die
enge Verbindung zwischen der Götterwelt und den Bergen manifestiert sich in
phischen Untersuchung der weißgrundigen Lekythen das Thema des Baumes als ‚Grabmo-
nument‘ in einem einzigen Satz abgehandelt wird: „In other cases, a tree serves to mark the
grave“ (S. ).
Wegen der besonders auffälligen Zahl der Bänder um die dargestellte Grabstele stellt eine
Lekythos des sog. Vouni-Malers im Metropolitan Museum in New York (Inv. Nr. ..)
einen sehr anschaulichen Fall für einen solchen rituellen Akt dar.
Siehe demnächst J. Mylonopoulos, „Remember the dead! Private post-burial rituals in the
light of literary sources and white-ground lekythoi“, in: M. Gaifman – I. Rutherford
(Hgg.), Perceptions of polis-religion: inside/outside. A symposium in memory of Christiane
Sourvinou-Inwood.
J. Fabricius, Die hellenistischen Totenmahlreliefs. Grabrepräsentation und Wertvorstellungen
in ostgriechischen Städten () - bes. . Fabricius betont zu Recht die Verbindung
zwischen Heroen und Bäumen bzw. alse, weist aber nicht auf die Verwendung des Baum-
Motivs bereits auf weißgrundigen Lekythen hin.
Eliade, Religionen und das Heilige, a. O. (Anm. ) -.
64 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
der Tatsache, dass der thessalische Berg Olymp als der Sitz der Götter angesehen
wurde. Und doch gab es in Griechenland im Gegensatz zu Flüssen oder Quellen
keine Personifikationen von Bergen, die eine kultische Verehrung erfuhren.⁴⁹ Hier
unterscheidet sich die griechische Kultur grundsätzlich von Kulturen des Vorderen
Orients, wo Berge in menschlicher Gestalt dargestellt und verehrt werden.⁵⁰
Interessanterweise gehören Berggipfel außerhalb von Städten im Normalfall
zum Machtbereich des Zeus. Obwohl er, unter anderem mit den Kultepitheta
Polieus oder Agoraios, fast in jeder griechischen Polis anzutreffen ist, besitzt er
sehr wichtige alte Kultplätze auf Bergen; hierzu gehören das Heiligtum des Zeus
Hellanios auf der Insel Ägina,⁵¹ das Heiligtum auf dem attischen Berg Hymettos⁵²
oder die Kultstätte auf dem arkadischen Lykaion, für die sogar Menschenopfer
literarisch überliefert sind.⁵³ Zeus wird an solchen Kultorten als Wolkensammler
und Regenspender verehrt. Häufig sind mit dieser Vorstellung eigenartige, alter-
tümlich wirkende Rituale verbunden: Zu Ehren des Zeus Akraios in Thessalien
begaben sich im Hochsommer Männer in frischen Widderfellen auf den höchsten
Gipfel des Pelion, um von Zeus Regen zu erflehen.⁵⁴ Schriftliche Quellen über-
liefern auch die Tradition um das Opfer des Aiakos an Zeus Hellanios, wodurch
Regen für ganz Griechenland erfleht wurde, offensichtlich ein mythisches pangrie-
chisches Opfer.⁵⁵
Wie wichtig Berge für religiöse Vorstellungen sein können, zeigt sich häufig
in den Fällen, in denen religiöse oder ethnische Gruppierungen außerhalb ihres
sozialen Kontextes existieren müssen: Die Samariter, die auf Delos lebten, waren
so eng mit dem heiligen Berg ihres Heimatlandes verbunden, dass sie sich selbst
M. Clarke, „Gods and mountains in Greek myth and poetry“, in: A. B. Lloyd (Hg.), What
is a God? Studies in the Nature of Greek Divinity () -.
S. Lloyd, Early Highland Peoples of Anatolia () ; V. Haas, Hethitische Berggötter und
Hurritische Steindämonen () .
H. R. Goette, Athen – Attika – Megaris () -; E. Walter-Karydi, How the Aigine-
tans Formed Their Identity () f. mit Anm. .
M. K. Langdon, A Sanctuary of Zeus on Mount Hymettos. Hesperia, Suppl. ().
N. Kreutz, Zeus und die griechischen Poleis. Topographische und religionsgeschichtliche Unter-
suchungen von archaischer bis in hellenistische Zeit () -; speziell zu den literarisch
überlieferten Menschenopfern siehe zuletzt M. Jost, „The Religious System in Arcadia“, in:
D. Ogden (Hg.), A Companion to Greek Religion () f.
W. Burkert, Homo Necans. Interpretationen altgriechischer Opferriten und Mythen ()
f.
Das Opfer des Aiakos wird unter anderem von Isokrates (Evagoras -), Diodor (, )
und Pausanias (II, , -) überliefert. Isokrates bezeichnet sogar das Heiligtum des Zeus
auf Ägina als eine Kultstätte, die von allen Griechen gegründet war.
J. Mylonopoulos, Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum 65
relativ umständlich als „diejenigen, die auf dem Berg Argarizein opfern“ bezeich-
neten.⁵⁶
R. Parker, Polytheism and Society at Athens () Anm. lehnt die Vorstellung ab,
dass Xenokrateia das Heiligtum gegründet hat, weil seiner Meinung nach die Lesung des
Anfangs der Inschrift falsch sei.
L. Beschi, „Culti stranieri e fondazioni private nell’Attica classica: alcuni casi“, Annuario
della Scuola Archeologica di Atene e delle Missioni Italiane in Oriente () - geht
von einer gemeinsamen, zeitgleichen Stiftung des Kephisodotos und der Xenokrateia aus.
Inscriptiones Graecae I³ A: Κηφισόδοτος Δεμογένος | Βουτάδες ἱδρύσατο | καὶ τὸν
βωμόν.
Chr. Sourvinou-Inwood, ‘Reading’ Greek Death to the End of the Classical Period ()
-; Oakley, Picturing Death, a. O. (Anm. ) -.
J. Mylonopoulos, Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum 67
schließlich Grenzpunkte; oft verlaufen die Grenzen einer Stadt oder einer Land-
schaft entlang eines Flusses.⁶⁷ Jede Überquerung eines größeren Wasserstroms war
zugleich eine bedrohliche Handlung, die durch eine Opferung neutralisiert wer-
den musste.⁶⁸
Der chthonische Charakter von Quellen und in einem weiteren Sinne von
Brunnen manifestiert sich auch in der Tatsache, dass sie in der Antike beliebte
Plätze für die Deponierung von defixiones waren.⁶⁹ Nach den antiken religiösen
Vorstellungen sind solche Wünsche, die einem Feind Schaden zufügen sollten,
durch die Deponierung an bzw. in einer Quelle schneller und direkter zu den
Mächten der Unterwelt gebracht worden. In dieser Hinsicht lassen sich Quel-
len / Brunnen mit Gräbern vergleichen, die zumindest in klassischer Zeit der bei
weitem beliebteste Ort für die Deponierung von Fluchtäfelchen gewesen sind.⁷⁰
Nach den Grotten und teilweise den Bäumen begegnet uns mit den Flüssen und
Quellen ein weiteres landschaftliches Element, das einen potentiell unheimlichen
Aspekt in sich zu tragen scheint.
Natur im Heiligtum
Integration
hierfür sind mit Sicherheit die lygos im samischen Heraion,⁷² der Olivenbaum
auf der Athener Akropolis⁷³ oder die Eiche im Zeusheiligtum von Dodona.⁷⁴ Im
Falle des dodonäischen Kultortes sind wir sogar in der Lage nachzuvollziehen, wie
ein Naturheiligtum, bestehend ursprünglich aus einem einzigen Baum, im Laufe
der Zeit zu einem der architektonisch imposantesten Kultplätze Griechenlands
wird, da die „Steinwerdung“ des Kultes sehr spät einsetzt. Erst am Ende des 5. Jhs.
entsteht neben der heiligen Eiche ein bescheidener Naiskos. In dieser Zeit dürfen
wir lediglich von einer Koexistenz von Naturerscheinung und menschlichem Ein-
greifen sprechen. Erst mit der Errichtung einer niedrigen Temenosmauer in der
zweiten Hälfte des 4. Jhs. werden Kultbau und Baum zu einer Einheit. Die weitere
Entwicklung der Zeusanlage zu einem Peristylheiligtum im 3. Jh. offenbart die
immer deutlichere Integration der Eiche in einen größeren architektonischen Kon-
text. Der Peristylhof betont die Zusammengehörigkeit des Tempels und der Eiche
und schirmt gleichzeitig beide vom restlichen erweiterten Heiligtum ab.⁷⁵
Abgesehen von den angesprochenen heiligen Bäumen sind Haine meistens
ein landschaftliches Element, das die Sakralität des Ortes betont, eine Art heilige
Kulisse.⁷⁶ In ihrer Berühmtheit als eigenständige Kultstätten sind der heilige Hain
H. J. Kienast, „Zum heiligen Baum der Hera auf Samos“, Mitteilungen des Deutschen Archäo-
logischen Instituts, Athenische Abteilung () -; H. Kyrieleis, „The Heraion at
Samos“, in: N. Marinatos – R. Hägg (Hgg.), Greek Sanctuaries. New Approaches ()
.
Nicht nur die zentrale Positionierung des heiligen Olivenbaums im Westgiebel des Parthe-
non, sondern auch seine Darstellung auf Reliefs, die wichtige attische Urkunden krönten,
betonen die Bedeutung des im oder am Erechtheion wachsenden Olivenbaums (Pausanias
I, , -) für die attische Identität, vgl. C. L. Lawton, Attic Document Reliefs. Art and Poli-
tics in Ancient Athens () f. Taf. . Es ist m. E. von Bedeutung, dass antike Akropolis-
Besucher nach dem Durchschreiten der Propyläen mittels des parthenonischen Westgiebels
mit dem Mythos um den heiligen Olivenbaum und den Beginn der ‚Beziehung‘ Athenas
zu ihrer Stadt visuell konfrontiert wurden.
P. R. Parke, „Das Taubenorakel zu Dodona und die Eiche als der heilige Baum des Zeus
Naios“, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung ()
-.
J. Mylonopoulos, „Das Zeusheiligtum in Dodona: Zwischen Orakel und venatio“, in:
J. Mylonopoulos – H. Roeder (Hgg.), Archäologie und Ritual. Auf der Suche nach der ritu-
ellen Handlung in den antiken Kulturen Ägyptens und Griechenlands () - bes.
-.
Jüngst spekulierte P. Bonnechere, „The Place of the Sacred Grove (Alsos) in the Mantic
Rituals of Greece: The Example of the Alsos of Trophonios at Lebadeia (Boeotia)“ in:
M. Conan (Hg.), Sacred Gardens and Landscapes: Ritual and Agency () - bes. -
über die Funktion von alse und brachte sie schließlich mit Mysterien, Divination (siehe
hierzu auch F. Graf, „Bois sacrés et oracles en Asie Mineure“, in: de Cazanove – Scheid
[Hgg.], Les bois sacrés, a. O. [Anm. ] -) und Initiation in Verbindung. Das häufige
Vorhandensein von heiligen Hainen in Heiligtümern solchen Charakters sagt m. E. sehr
wenig über die Funktion von Hainen im Allgemeinen aus. Wie soll dieser Deutungsansatz
J. Mylonopoulos, Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum 69
des Poseidon in Onchestos mit dem paradox anmutenden Ritual der Durchque-
rung des Haines durch einen führerlosen diphros⁷⁷ oder der Eichenwald in der
Nähe des böotischen Alalkomenai, der das Holz für die Erschaffung der Daidala
für das gleichnamige platäische bzw. panböotische Fest lieferte,⁷⁸ eher die Ausnah-
men. Und doch wird das Heiligtum des Trophonios in Lebadeia von Pausanias als
alsos und nicht als hieron bezeichnet, obwohl der Perieget explizit den Tempel und
die praxitelische Statue des Trophonios erwähnt.⁷⁹
Grotten bzw. Erdspalten werden ebenfalls sehr häufig zu einem integralen
Bestandteil einer Kultstätte und spielen im rituellen Alltag in den meisten Fäl-
len eine wichtigere Rolle als die heiligen Haine. Vor allem mit Totenorakeln wer-
den Grotten in Verbindung gebracht. Von der Existenz einer Grotte, in der die
Begegnung zwischen Lebenden und Toten stattzufinden hat, berichten literarische
Quellen in Bezug auf die vier berühmtesten Totenorakel der Antike, bei dem See
Avernus in der Nähe von Cumae, beim Acheron in Epirus, im Poseidonheiligtum
auf dem Kap Tainaron und in Herakleia Pontike.⁸⁰
Relativ sichere archäologische Zeugnisse besitzen wir lediglich für Tainaron
und Herakleia Pontike, da für das Orakel von Avernus nur literarische Quellen
existieren,⁸¹ während die von Sotirios Dakaris vorgeschlagene Identifizierung
eines Gebäudes in Ephyra mit dem Totenorakel des Acheron mehr als fraglich
erscheint.⁸² Die von Wolfram Hoepfner mit dem Totenorakel von Herakleia Pon-
tike identifizierte Grotte präsentiert sich im Sinne der kretischen Idäischen Grotte
Haine in Kultstätten für Ares, Asklepios, Athena, Hera oder Poseidon beleuchten? Solche
Interpretationen, die mit der Überbetonung einzelner Aspekte eines Kultes einhergehen,
können m. E. ein so allgemeines Phänomen wie die Existenz von Hainen in Heiligtümern
nicht adäquat erklären.
A. Teffeteller, „The Chariot Rite at Onchestos: Homeric Hymn to Apollo -“, Journal
of Hellenic Studies () - argumentiert für einen mykenischen Ursprung des
gefährlichen Rituals im Hain des Poseidon Gaiochos.
A. Chaniotis, „Ritual Dynamics: The Boiotian Festival of the Daidala“, in: H. F. J. Horst-
manshoff u. a. (Hgg.), Kykeon. Studies in Honour of H. S. Versnel () -.
Pausanias IX, , : κεκόσμηται μὲν δὴ τὰ ἄλλα σφίσιν ἡ πόλις ὁμοίως τοῖς Ἑλλήνων
μάλιστα εὐδαίμοσι, διείργει δὲ ἀπ’ αὐτῆς τὸ ἄλσος τοῦ Τροφωνίου. , , : τὰ δὲ
ἐπιφανέστατα ἐν τῷ ἄλσει Τροφωνίου ναὸς καὶ ἄγαλμά ἐστιν, Ἀσκληπιῷ καὶ τοῦτο
εἰκασμένον· Πραξιτέλης δὲ ἐποίησε τὸ ἄγαλμα. Der Perieget bezeichent auch das Hei-
ligtum des Apollon Maleatas und des Asklepios in Epidauros als alsos (s. u.).
Allgemein zu den vier wichtigsten Totenorakeln der griechisch-römischen Welt, siehe
D. Ogden, Greek and Roman Necromancy () -.
Die längste Beschreibung findet sich bei Strabo (, , ).
S. I. Dakaris, „Das Taubenorakel von Dodona und das Totenorakel bei Ephyra“, in: Neue
Ausgrabungen in Griechenland. Antike Kunst, Beih. () -; D. Baatz, „Hellenis-
tische Katapulte aus Ephyra (Epirus)“, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Insti-
tuts, Athenische Abteilung () -; ders., „Wehrhaftes Wohnen. Ein befestigter
Adelssitz bei Ephyra (Nordgriechenland)“, Antike Welt () - zeigte völlig
70 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
als eine eigenständige Kultstätte.⁸³ Die Grotte auf Tainaron wurde dagegen in
eine größere Kultstätte integriert, denn das Heiligtum bestand nicht nur aus der
Grotte, sondern aus einem lang gestreckten Gebäude (Abb. 2), einem kleinen spät-
hellenistischen Naiskos und mehreren Nebengebäuden. Eine ähnliche Integration
erfuhr allem Anschein nach eine kleine Höhle im Orakelheiligtum des Trophonios
bei Lebadeia. Sowohl die Gestaltung der trophonischen Kultstätte als auch der
Kultablauf lassen sich ausschließlich anhand der literarischen Quellen rekonstru-
ieren.⁸⁴ Im Zentrum der Kultstätte befand sich der Eingang in die unterirdische
Höhle des Trophonios, in der bemerkenswerterweise der Ratsuchende direkt mit
dem Orakel gebenden Heros in Verbindung trat.⁸⁵
Außerhalb der Orakelkultstätten begegnen uns interessante Beispiele für die
Integration von Grotten im Demeterheiligtum von Eleusis und im Poseidonhei-
ligtum von Isthmia. In Eleusis wurde die Grotte nordöstlich des Telesterion tra-
ditionell als ein Kultplatz zu Ehren des Hades angesprochen;⁸⁶ hier befand sich
einer der zahlreichen Eingänge in die Unterwelt. Kevin Clinton identifizierte aller-
dings diesen Platz mit der berühmten agelastos petra.⁸⁷ Es spricht einiges dafür,
dass hier in einer Art mimetischer Kulthandlung die anodos der Kore in Begleitung
des Eubuleus zu ihrer auf der agelastos petra sitzenden Mutter zelebriert wurde.
So wurde die natürliche Grotte nicht nur in die mythische Tradition des Heilig-
tums, sondern auch in den rituellen Alltag integriert.⁸⁸ Eine Besonderheit liefert
überzeugend, dass es sich bei dem von Dakaris ausgegrabenen „nekyomanteion“ in Wirk-
lichkeit um ein frühhellenistisches befestigtes Turmgehöft handelt.
Unter den drei in der Gegend von Herakleia Pontike untersuchten Grotten identifizierte
W. Hoepfner, „Topographische Forschungen“, in: D. Asheri – W. Hoepfner – A. Erichsen,
Forschungen an der Nordküste Kleinasiens I () f. die Höhle II mit dem Totenorakel.
In einem Vortrag am Seminar für Religionswissenschaft der Universität Erfurt hat Pauline
Hanesworth (Exeter) aufgrund aller relevanten schriftlichen Quellen Hoepfners Identifi-
zierung überzeugend abgelehnt.
Wie so häufig ist die längste und an Details reichste antike Quelle der Bericht des Pausa-
nias (IX, , – , ). Spätere Quellen berichten auch von der Existenz von Mysterien im
Heiligtum des Trophonios, siehe dazu P. Bonnechere, „Trophonius of Lebadea. Mystery
Aspects of an Oracular Cult in Boeotia“, in: M. B. Cosmopoulos (Hg.), Greek Mysteries.
The Archaeology and Ritual of Ancient Greek Secret Cults () -.
P. Bonnechere, Trophonios de Lébadée. Cultes et mythes d’une cité béotienne au miroir de la
mentalité antique () -.
F. Noack, Eleusis. Die baugeschichtliche Entwicklung des Heiligtums () -; G. E.
Mylonas, Eleusis and the Eleusinian Mysteries () f.
Clinton, Myth and Cult, a. O. (Anm. ) -.
Zu den mimetischen Handlungen in Eleusis ohne eine topographische Verankerung siehe
Chr. Sourvinou-Inwood, „Festival and Mysteries. Aspects of the Eleusinian Cult“, in: Cos-
mopoulos (Hg.), Greek Mysteries, a. O. (Anm. ) -. Dagegen vermutet I. Nielsen,
Cultic Theatres and Ritual Drama () f., dass die eleusinischen rituellen dramata
am theaterförmigen Platz südlich des Telesterion stattgefunden haben. Es ist m. E. sehr
J. Mylonopoulos, Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum 71
nung mit dem Heros, aber auch danach musste das Wasser des Vergessens bzw. des
Erinnerns getrunken werden.⁹⁴ Auch für Didyma überliefern die Gründungsmy-
then und die rituelle Praxis die enge Verbindung zwischen der apollinischen Kult-
stätte und einer Quelle.⁹⁵ Nach den Berichten einiger antiker Autoren spielte diese
Quelle eine besondere Rolle bei der Erteilung von Orakeln: Das Einatmen des
Dunstes aus der heiligen Quelle rief Ekstase hervor, die wiederum zur Weissagung
führte.⁹⁶ Die Bedeutung des Wassers allgemein im didymäischen Heiligtum belegt
auch die Bezeichnung der Priesterinnen der Artemis als Hydrophoren.⁹⁷ Innerhalb
des Heiligtums hat es nachweislich auch ein hieron der Artemis gegeben, das aller-
dings nach den neuesten Untersuchungen von Helga Bumke nicht mit dem sog.
Heiligtum auf der Felsbarre direkt an der Heiligen Straße von Milet nach Didyma
zu identifizieren ist.⁹⁸ Ob die Hydrophoren der Artemis mit der apollinischen
Hydromantik in Verbindung stehen, lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten.
Allerdings deutet unter anderem die Kultepiklese Pytheie für die didymäische Arte-
mis doch darauf hin.⁹⁹
Auch für das berühmteste Orakelheiligtum der antiken Welt, für Delphi, sind
mehrere Quellen namentlich überliefert, darunter zwei, die Kastalia und die Kas-
sotis, die im rituellen Alltag Delphis eine wichtige Rolle spielten. Die meisten
antiken Zeugnisse bringen die Quelle Kastalia,¹⁰⁰ die sich außerhalb des Temenos
befindet, mit der Orakel gebenden Funktion des Heiligtums in Verbindung: Bereits
Pindar spricht in seiner vierten pythischen Ode vom „Orakel bei der Kastalia“.¹⁰¹
Dagegen war laut Pausanias die Quelle Kassotis in der Nähe der nordöstlichen
Pausanias IX, , -: τὸ ἐντεῦθεν ὑπὸ τῶν ἱερέων οὐκ αὐτίκα ἐπὶ τὸ μαντεῖον, ἐπὶ δὲ
ὕδατος πηγὰς ἄγεται· αἱ δὲ ἐγγύτατά εἰσιν ἀλλήλων. ἐνταῦθα δὴ χρὴ πιεῖν αὐτὸν
Λήθης τε ὕδωρ καλούμενον, ἵνα λήθη γένηταί οἱ πάντων ἃ τέως ἐφρόντιζε, καὶ ἐπὶ
τῷδε ἄλλο αὖθις ὕδωρ πίνειν Μνημοσύνης· ἀπὸ τούτου τε μνημονεύει τὰ ὀφθέντα οἱ
καταβάντι.
W. Günther, Das Orakel von Didyma in hellenistischer Zeit. Eine Interpretation von Stein-
Urkunden. Istanbuler Mitteilungen, Beih. () mit Anm. .
J. Fontenrose, Didyma. Apollo’s Oracle, Cult, and Companions () -.
M. C. Marcellesi, „Les hydrophores d’Artémis Pythiè à Milet“, in: M.-F. Baslez (Hg.), Pro-
sopographie et histoire religieuse () - bes. f. Die Autorin sieht die Funktion der
Hydrophoren im Kontext von Mysterien, Opfern, Libationen und διανομαί.
H. Bumke, „Die Schwester des Orakelgottes. Zum Artemiskult in Didyma“, in: Mylonop-
oulos – Roeder (Hgg.), Archäologie und Ritual, a. O. (Anm. ) -.
Ebenda f.
H. W. Parke, „Castalia“, Bulletin de correspondance hellénique () -. Zum
archäologischen Befund der sog. Alten (fontaine archaïque) und Neuen (fontaine rupestre)
Kastalia siehe P. Amandry, „Notes de topographie et d’architecture delphiques. VI. La fon-
taine Castalie“, in: Études Delphiques. Bulletin de correspondance hellénique, Suppl. ()
-; „Notes de topographie et d’architecture delphiques. VII. La fontaine Castalie
(compléments)“, Bulletin de correspondance hellénique () -.
Pindar, Pyth. , f.: μεμάντευμαι δ’ ἐπὶ Κασταλίᾳ, εἰ μετάλλατόν τι.
J. Mylonopoulos, Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum 73
Ecke des Tempels diejenige Quelle, die der Priesterin die Gabe der Weissagung
verlieh, da nach dem antiken Periegeten ihr Wasser unterirdisch das Adyton des
Tempels erreichte.¹⁰² Genauso divergierend sind auch die Forschungsmeinungen:
Michael Maass bringt die Kastalia mit der Orakelfunktion in Verbindung;¹⁰³ Veit
Rosenberger folgt dagegen dem Bericht des Pausanias und sieht in der Kassotis die
delphische Orakelquelle, während nach ihm in Anlehnung an Euripides’ Ion das
Wasser der Kastalia „zur kultischen Reinigung verwendet“ wurde.¹⁰⁴ Trotz dieser
Problematik lässt sich festhalten, dass auch in Delphi eine Quelle eine eminente
Bedeutung bei der wichtigsten Funktion der Kultstätte hatte.
Die real und symbolisch reinigende oder heilende Wirkung des Wassers machte
Quellen und ihre unmittelbare Umgebung zu hervorragenden Plätzen für die
Gründung von Heilkultstätten.¹⁰⁵ Bekanntlich war Asklepios die wichtigste Heil-
gottheit des antiken Griechenland. Ein unabdingbares Element seiner Kultstätten
war die Existenz von Wasser und von entsprechenden Anlagen.¹⁰⁶ In Epidauros,
dem wohl berühmtesten Asklepieion der antiken Welt, befand sich ganz in der
Nähe der Hallen, wo die Patienten den heilenden Schlaf vollzogen, eine Badan-
lage, während mindestens sechs Quell- und Brunnenhäuser sich über den gesamten
Bereich des Heiligtums verteilten.¹⁰⁷ Der Kult des epidaurischen Asklepios wird
im ausgehenden 5. Jh. in Athen eingeführt. Die berühmte Telemachosstele liefert
wertvolle Informationen zur Gründung der Kultstätte am Südabhang der Akropo-
lis.¹⁰⁸ In dem athenischen Asklepieion wurde kongenial die alte, seit archaischer
Zeit benutzte heilige Quelle Hallirhotis im späten 5. Jh. allgemein in die Topogra-
Pausanias X, , : ἰοῦσι δὲ ὡς ἐπὶ τὸν ναὸν αὖθις μετὰ τοῦ λίθου τὴν θέαν ἐστὶν ἡ
Κασσοτὶς καλουμένη πηγή· τεῖχος δὲ οὐ μέγα ἐπ’ αὐτῇ καὶ ἡ ἄνοδος διὰ τοῦ τείχους
ἐστὶν ἐπὶ τὴν πηγήν. ταύτης τῆς Κασσοτίδος δύεσθαί τε κατὰ τῆς γῆς λέγουσι τὸ
ὕδωρ καὶ ἐν τῷ ἀδύτῳ τοῦ θεοῦ τὰς γυναῖκας μαντικὰς ποιεῖν.
M. Maass, Das antike Delphi. Orakel, Schätze und Monumente () -.
V. Rosenberger, Griechische Orakel. Eine Kulturgeschichte () , . Euripides, Ion
-: ἀλλ’ ἐκπαύσω γὰρ μόχθους δάφνας ὁλκοῖς, χρυσέων δ’ ἐκ τευχέων ῥίψω
γαίας παγάν, ἃν ἀποχεύονται Κασταλίας δῖναι, νοτερὸν ὕδωρ βάλλων, ὅσιος ἀπ’
εὐνᾶς ὤν. Hinweise auf die kultisch reinigende Funktion der Kastalia gibt es auch in den
Phoinissai -: ἔτι δὲ Κασταλίας ὕδωρ περιμένει με κόμας ἐμᾶς δεῦσαι παρθένιον
χλιδὰν Φοιβείαισι λατρείαις.
R. Ginouvès, „L’eau dans les sanctuaires médicaux“, in: R. Ginouvès u. a. (Hgg.), L’eau, la
santé et la maladie dans le monde grec. Bulletin de correspondance hellénique, Suppl. ()
-.
J. Riethmüller, Asklepios. Heiligtümer und Kulte ().
V. Lambrinoudakis, „L’eau médicale à Épidaure“, in: Ginouvès u. a. (Hgg.), L’Eau, a. O.
(Anm. ) -.
L. Beschi, „Il monumento di Telemachos, fondatore dell’Asklepieion Ateniese“, Annuario
della Scuola Archeologica di Atene e delle Missioni Italiane in Oriente / (/) -
; K. Clinton, „The Epidauria and the Arrival of Aclepius in Athens“, in: R. Hägg (Hg.),
Ancient Greek Cult Practice from the Epigraphical Evidence () -.
74 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Riethmüller, Asklepios, a. O. (Anm. ) -, bes. zur Hallirhotis. In S. B. Ale-
shire, The Athenian Asklepieion. The People, their Dedications, and the Inventories ()
- findet sich ebenfalls eine Rekonstruktion der historischen Entwicklung des Heilig-
tums, allerdings ausschließlich auf der Basis der literarischen und inschriftlichen Zeug-
nisse.
F. Graf, „Heiligtum und Ritual. Das Beispiel der griechisch-römischen Asklepieia“, in:
A. Schachter – J. Bingen (Hgg.), Le sanctuaire grec () -.
V. C. Petrakos, Ὁ Ὠρωπὸς καὶ τὸ ἱερὸν τοῦ Ἀμφιαράου (). Siehe allgemeiner zum
Kult des Amphiaraos P. Sineux, Amphiaraos. Guerrier, devin et guérisseur ().
J. Mylonopoulos, Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum 75
genesen ist, wirft er ein silbernes oder goldenes Geldstück in die Quelle, denn hier soll
Amphiaraos bereits als Gott aufgetaucht sein (Ernst Meyer).¹¹²
Die Quelle markierte also den Ort der ersten Epiphanie des verehrten Gottes,
wodurch der gesamte Platz geheiligt wurde. Aus diesem Grund durfte auch das
Wasser aus dieser Quelle nicht für praktische Zwecke verwendet werden. Die
Quelle im Amphiareion als permanente visuelle Markierung der epiphanischen
Präsenz des Kultinhabers lässt sich mit der Salzwasserquelle und dem Olivenbaum
auf der Athener Akropolis sowie der Stelle des Einschlags von Zeus’ Blitz in Olym-
pia vergleichen, obwohl im Amphiareion durch die Quelle eine Epiphanie und
nicht nur eine Kratophanie zelebriert wurde.
Imitation
Pausanias I, , : ἔστι δὲ Ὠρωπίοις πηγὴ πλησίον τοῦ ναοῦ, ἣν Ἀμφιαράου καλοῦσιν,
οὔτε θύοντες οὐδὲν ἐς αὐτὴν οὔτ’ ἐπὶ καθαρσίοις ἢ χέρνιβι χρῆσθαι νομίζοντες·
νόσου δὲ ἀκεσθείσης ἀνδρὶ μαντεύματος γενομένου καθέστηκεν ἄργυρον ἀφεῖναι καὶ
χρυσὸν ἐπίσημον ἐς τὴν πηγήν, ταύτῃ γὰρ ἀνελθεῖν τὸν Ἀμφιάραον λέγουσιν ἤδη
θεόν.
J. Riethmüller, „Bothros and Tetrastyle: The Heroon of Asclepius in Athens“, in: R. Hägg
(Hgg.), Ancient Greek Hero Cult () -. A. Verbanck-Piérard, „Les héros guéris-
seurs: des dieux comme les autres! À propos des cultes médicaux dans l’Attique classique“,
in: V. Pirenne-Delforge – E. Suárez de la Torre (Hgg.), Héros et héroïnes dans les mythes et
les cultes grecs. Kernos, Suppl. () - lehnte die Thesen Riethmüllers ab; ihre
76 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Athen auch die Übernahme von landschaftlichen Elementen? Die bereits ange-
sprochene Telemachosstele liefert vielleicht einen Hinweis hierauf: Im Jahre 413/12
v. Chr., unter dem Archon Kleokritos, sollten die Pflanzung eines Haines sowie
weitere dekorative Maßnahmen erfolgen.¹¹⁴ Fritz Graf wies darauf hin, dass heilige
Haine sehr wahrscheinlich konstitutive Elemente griechischer Asklepieia gewesen
sein könnten;¹¹⁵ in Epidauros gab es sicherlich einen Hain, denn Pausanias ver-
wendet häufig den Begriff alsos, um das gesamte Heiligtum zu umschreiben.¹¹⁶
Auch wenn es keine Belege für die Anlegung eines Haines im athenischen Askle-
pieion in Anlehnung an Epidauros gibt, deuten alle Indizien doch darauf hin,
dass die bewusste Pflanzung des neuen Haines am Südabhang der Akropolis einen
Akt der imitatio darstellt.¹¹⁷ Eine artifizielle Erschaffung eines Haines kann man
archäologisch sehr gut am Beispiel des „Gartens“ um den Hephaistostempel an
der Athener Agora nachweisen, der aller Wahrscheinlichkeit nach im frühen 3. Jh.
angelegt wurde, und am heiligen Hain südöstlich des Zeustempels in Nemea, der
im 5. und 4. Jh. entstand.¹¹⁸
Schwer erklärbar erscheint die sehr späte literarische Überlieferung über
die Existenz einer Quelle namens Kastalia im oder beim Apollonheiligtum des
syrischen Daphne bei Antiocheia. Die bloße Nennung der syrischen Quelle in
der Suda¹¹⁹ erlaubt keinen Aufschluss darüber, ob zwischen dem delphischen und
dem daphnischen Apollonheiligtum je eine Verbindung existiert hat. Die Berichte
des Prokopios¹²⁰ und des Pseudo-Nonnos¹²¹ aus dem 5./6. Jh. n. Chr. muten wie
eine literarische bricolage an, in der eine womöglich existierende Quelle mit ritu-
ellen Akten in Verbindung gebracht wurde, die traditionell für die zwei wichtigs-
ten Apollonorakelheiligtümer der antiken Welt überliefert wurden. Man muss
allerdings nicht, wie Herbert W. Parke, von einer „mental confusion“ der Autoren
ausgehen.¹²² Es ist m. E. wahrscheinlicher, dass die mantische Quelle im Apollon-
heiligtum von Daphne bewusst mit der delphischen Kastalia onomastisch gleich-
gesetzt wurde. Die Verbindung der aus Didyma und Delphi bekannten Riten mit
der Quelle in Daphne vervollständigte dann die symbolische lokale imitatio des
berühmten Vorbilds. In diesem Fall wurde nicht, wie im athenischen Asklepieion,
ein landschaftliches Element neu geschaffen, sondern vielmehr für ein bereits exis-
tierendes eine neue Tradition erfunden.
Die überwiegende Mehrzahl der Heiligtümer der ägyptischen Gottheiten wei-
sen Wassereinrichtugen auf,¹²³ und dies hängt sicherlich eng mit der ursprünglichen
Bedeutung des Nils in der ägyptischen Religion zusammen.¹²⁴ Die relevanten lite-
rarischen Quellen bestätigen die antike religiöse Vorstellung, dass das Wasser in sol-
chen Kultstätten tatsächlich als Nilwasser aufgefasst wurde.¹²⁵ Die virtuelle Präsenz
des Nils zeigt sich am eindrucksvollsten am Beispiel des imposanten und in seiner
architektonischen Konzeption einzigartigen Komplexes hadrianischer Zeit für die
Prokopios, Epist. : Σὺ μὲν ἔτι σιγᾷς, καὶ ταῦτα τὴν Δάφνην οἰκῶν, τὸ λάλον ὕδωρ
ἐκεῖνο καὶ μαντικόν […] ἀλλ’ ἤδη που τάχα τὸ πρᾶγμα μαντεύομαι, μηδὲ τῆς ὑμετέρας
Δάφνης πιών.
Pseudo-Nonnos, Schol. myth. , : Ἑξκαιδεκάτη ἐστὶν ἱστορία ἡ περὶ τῆς Κασταλίας.
ἔστι δὲ αὕτη. Πηγή ἐστιν ἐν Ἀντιοχείᾳ ἐν ᾗ λέγεται τὸν Ἀπόλλωνα παρεδρεύειν,
καὶ μαντείας καὶ χρησμοὺς τοῖς ἐρχομένοις περὶ τὸ ὕδωρ λέγεσθαι. λέγεται δὲ ὅτι,
ἡνίκα ἐμαντεύετό τις, αὔρας καὶ πνοὰς τὸ ὕδωρ ἀνεδίδου. καὶ ἀναδιδομένων τῶν
τοιούτων πνευμάτων, οἱ ἱερεῖς οἱ περὶ τὴν πηγὴν ἔλεγον ἃ ἤθελεν ὁ δαίμων. , :
Τεσσαρεσκαιδεκάτη ἐστὶν ἱστορία ἡ περὶ τῆς Κασταλίας. Ἔστι δὲ αὕτη πηγὴ περὶ
τὴν Ἀντιόχειαν ἐν ᾗ ὁ Ἀπόλλων ἐφορεύει. ἐν ᾗ πηγῇ μαντεία τις ἐξεφέρετο κατὰ
τὴν τοιάνδε ἐκροὴν τοῦ ὕδατος, οὐ κατὰ φωνήν. οὐ γὰρ φωνή τις ἐξηχεῖτο, ἀλλ’
ἁπλῶς ἤχου τινὸς καὶ πνεύματος ἀναδιδομένου καὶ ἐκροῆς, πρὸς ἅ τινες ἱστάμενοι
καὶ νοοῦντες τὰ σύμβολα ταῦτα ἔλεγον τὰ μέλλοντα.
Parke, „Castalia“, a. O. (Anm. ) .
M. Bommas, Heiligtum und Mysterium. Griechenland und seine ägyptischen Gottheiten
().
B. Gessler-Löhr, Die heiligen Seen ägyptischer Tempel: Ein Beitrag zur Deutung sakraler Bau-
kunst im Alten Ägypten (); K. Lembke, „The Relevance of Water in Religious Worship
of Ancient Egypt and the Middle East“, in: H.-D. Bienert – J. Häser (Hgg.), Men of Dikes
and Canals. The Archaeology of Water in the Middle East () -.
Der kleine Fluss Inopos, von dem das Wasserreservoir unter dem Serapeion A auf Delos
gespeist wird, war nach einigen Autoren mit dem Nil direkt verbunden, siehe R. A. Wild,
Water in the Cultic Worship of Isis and Sarapis () mit Anm .
78 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
ägyptischen Götter in
Pergamon (Abb. 6).¹²⁶
Neben ägyptisierenden
Stützfiguren in den Sei-
tenhöfen der Gesamt-
anlage offenbaren die
wasserbezogenen Einrich-
tungen (Becken verschie-
dener Größe, Überbrü-
ckung des Selinous) den
Versuch, eine nilotisch
anmutende Umgebung
zu schaffen.¹²⁷ Denkt Abb. 6: Das Heiligtum der ägyptischen Götter in Pergamon.
man an die Funktion
und Gestaltung des großen Isisheiligtums in Rom, als Heiligtum und zugleich als
öffentlichen ägyptisierenden „Erholungspark“,¹²⁸ dürfte man auch für die sog. Rote
Halle entsprechende Bepflanzung annehmen, die den Eindruck einer ägyptischen
Umgebung erhöhen sollte. Das pergamenische Heiligtum für die ägyptischen Göt-
ter offenbart einen in der Tat architektonisch und symbolisch beeindruckenden
Umgang mit der Natur. Durch die Eingliederung des Flusses Selinous in die archi-
tektonische Konzeption und die Erschaffung von Zisternen und Wasserbassins
bedient man sich sowohl des Mittels der Integration als auch der Imitation.
Besonders aufschlussreich für das Phänomen der Imitation und der künstli-
chen Erschaffung von landschaftlichen Elementen im religiösen Kontext sind die
gebauten Grotten im Kult des Dionysos und des Mithras, wobei im Falle der Mith-
räen ein kurzer Ausflug in den römischen Kulturkreis unabdingbar erscheint. In
diesem Zusammenhang sollten noch die gebauten Grotten unter dem Tempel des
Apollon in Klaros wohl aus dem 3. Jh. v. Chr.¹²⁹ und dem jüngst in die flavische
W. Radt, Pergamon. Geschichte und Bauten einer antiken Metropole () -. Die
meisten Beiträge in A. Hoffmann (Hg.), Ägyptische Kulte und ihre Heiligtümer im Osten des
römischen Reiches, Byzas () konzentrieren sich auf die sog. Rote Halle.
U. Mania, „Neue Ausgrabungen – neue Aspekte in der Erforschung der Roten Halle“, in:
Hoffmann (Hg.), Ägyptische Kulte, a. O. (Anm. ) -.
K. Lembke, Das Iseum Campense in Rom. Studie über den Isiskult unter Domitian ()
: „Die Römer, die kein Interesse am Isiskult hatten, konnten die Anlage auf dem Mars-
feld als Erholungspark genießen und die Exotik der Objekte bewundern; für die Isiaci
waren die ägyptischen Objekte Teile der Heiligtümer des Mutterlandes“.
L. Robert, Les fouilles de Claros () . Jüngst schlug Y. Ustinova, „Truth lies at the bot-
tom of a cave: Apollo Pholeuterios, the pholarchs of the Eleats, and subterranean oracles“,
La Parola del Passato () - vor, dass Apollon Pholeuterios in Histria in einer
Grotte verehrt wurde, die als manteion diente. Auch ein Ärztekollegium um den Kult des
J. Mylonopoulos, Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum 79
Zeit datierten Tempel des Zeus in Aizanoi¹³⁰ erwähnt werden. Wie bereits ange-
sprochen, war die klarische „Grotte“ in die Orakelbefragungsprozesse unmittelbar
eingebunden, so dass ihre Existenz leicht erklärbar wäre. Dagegen erscheint mir
die Verbindung des unterirdischen Raumes in Aizanoi mit dem Kult der Meter
Steunene unhaltbar;¹³¹ diese Hypothese stützt sich auf eine weibliche Büste im
Mittelakroter des Westgiebels, derer Deutung als Kybele mehr als problematisch
ist.¹³² Die Gründe für die Einrichtung des unterirdischen Raumes müssen im Kult
des Zeus (Mantik?) gesucht werden.
Die Bedeutung natürlicher Grotten im dionysischen Kult ist bekannt und
hängt natürlich eng mit dem mythischen „Lebenslauf“ des Gottes zusammen.¹³³
Epigraphische Zeugnisse belegen aber auch die Existenz künstlicher Grotten:
Offensichtlich gab es in Kallatis bereits am Ende des 3. Jhs. v. Chr. eine artifi-
zielle Grotte, die vom lokalen thiasos des Dionysos als naos angesprochen und
verwendet wurde.¹³⁴ Verglichen allerdings mit der engen Verbindung der Nym-
phen und des Pan mit Höhlen, die auch im realen alltäglichen Kultgeschehen
ihren Niederschlag findet, bleibt m. E. der Zusammenhang zwischen Dionysos
und den Grotten viel deutlicher ein literarischer und mythologischer Topos denn
eine archäologisch nachvollziehbare Realität. Unabhängig von der Frage nach dem
Ursprung der Mithras-Mysterien, die nach der Publikation der Mithräen im kom-
magenischen Doliche durch Anke Schütte-Maischatz und Engelbert Winter in
jedem Fall neu aufgerollt werden sollte,¹³⁵ ist die Tatsache besonders auffällig, dass
Apollon Oulios in Elea traf sich höchst wahrscheinlich in einem unterirdischen Raum
(Supplementum Epigraphicum Graecum , ).
R. Naumann, Der Zeustempel zu Aizanoi () f. Zur neuen Datierung siehe R. Posa-
mentir – M. Wörrle, „Der Zeustempel von Aizanoi, ein Großbau flavischer Zeit“, Istanbu-
ler Mitteilungen () -.
Naumann, Zeustempel, a. O. (Anm. ) . K. Rheidt, „Ländlicher Kult und städtische
Siedlung: Aizanoi in Phrygien“, in: E.-L. Schwandner – K. Rheidt (Hgg.), Stadt und
Umland. Neue Ergebnisse der archäologischen Bau- und Siedlungsforschung () f. hat
sich auf der Basis der „Entwicklung und Struktur der Stadt“ ebenfalls gegen eine Verbin-
dung zwischen dem Zeustempel und dem Meterkult ausgesprochen.
Naumann, Zeustempel, a. O. (Anm. ) Taf. a. Es gibt keinen einzigen sicheren ikono-
graphischen Hinweis auf Kybele.
P. Boyancé, „L’antre dans les mystères de Dionysos“, Rendiconti. Atti della Pontificia accade-
mia romana di archeologia (-) -.
A.-F. Jaccottet, Choisir Dionysos. Les associations dionysiaques ou la face cachée du dionysisme
() -.
Es handelt sich nicht um natürliche Höhlen, sondern um artifiziell zum Zwecke des Stein-
abbaus entstandene Stollen, die zu einem späteren Zeitpunkt in Mithräen umgewandelt
wurden. A. Schütte-Maischatz – E. Winter, Doliche – Eine kommagenische Stadt und ihre
Götter. Mithras und Iupiter Dolichenus () -. - datieren die zwei Komplexe
in das . Jh. v. Chr. In seinem Rezensionsbeitrag lehnt R. Gordon, „Mithras in Dolichê:
issues of date and origin“, Journal of Roman Archaeology () - diese Datietung
80 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
bei der Gründung von Mithräen in landschaftlichen Kontexten, die keine geeig-
neten natürlichen Grotten aufzuweisen hatten, der Versuch unternommen wurde,
eine solche räumliche Umgebung künstlich zu schaffen. Es lässt sich nicht mit
Sicherheit beantworten, ob die Schaffung einer Grotte ausschließlich auf religiöse
Vorstellungen (Tötung des Stieres durch Mithras in einer Höhle) oder auch auf
ein als „Prototyp“ wirkendes Mutterheiligtum zurückgeht. In jedem Falle betont
Porphyrios im 3. Jh. n. Chr., daß die allererste Verehrung des Gottes in einer natür-
lichen Grotte stattgefunden habe, und fügt allerdings in derselben Passage hinzu,
dass danach der Kult sowohl in natürlichen als auch in „von Händen geschaffenen“
Höhlen stattgefunden hat.¹³⁶ Wichtig für unsere Fragestellung ist, dass die Kult-
gemeinde in Porphyrios’ Sinne in der Tat entweder natürliche Höhlen gefunden,
aus- bzw. umgebaut und schließlich als Mithräen benutzt hat (z. B. in Angera,
Saarbrücken, Carnuntum oder Prilep), oder – und viel wichtiger – diese offen-
sichtlich normative natürliche Umgebung zu imitieren und künstlich zu erschaffen
gesucht hat (z. B. in Perge, Ostia, Capua oder Aigion).
Schlussbetrachtung
In einem für ein solch umfangreiches Thema doch kurzen Beitrag kann aus offen-
sichtlichen Gründen auf eine große Anzahl interessanter Aspekte nicht eingegan-
gen werden. Die Präsenz landschaftlicher Elemente in der griechischen Bilderwelt
wurde zwar kurz angesprochen, aber keineswegs ihrer Bedeutung entsprechend
gewürdigt.¹³⁷ Es würde den Rahmen des vorliegenden Beitrages bei weitem spren-
komplett ab und vermutet stattdessen, dass die Mithräen erst im . Jh. n. Chr. entstanden
sind. Die vorgelegten Grabungsbefunde offenbaren eine so stark gestörte Stratigraphie,
dass weder für die frühe noch für die späte Datierung genügend Argumente vorhanden
sind.
Porphyrios, De antro nympharum : πρώτου μέν, ὡς ἔφη Εὔβουλος, Ζωροάστρου
αὐτοφυὲς σπήλαιον ἐν τοῖς πλησίον ὄρεσι τῆς Περσίδος ἀνθηρὸν καὶ πηγὰς ἔχον
ἀνιερώσαντος εἰς τιμὴν τοῦ πάντων ποιητοῦ καὶ πατρὸς Μίθρου, εἰκόνα φέροντος
αὐτῷ τοῦ σπηλαίου τοῦ κόσμου, ὃν ὁ Μίθρας ἐδημιούργησε, τῶν δ’ ἐντὸς κατὰ
συμμέτρους ἀποστάσεις σύμβολα φερόντων τῶν κοσμικῶν στοιχείων καὶ κλιμάτων·
μετὰ δὲ τοῦτον τὸν Ζωροάστρην κρατήσαντος καὶ παρὰ τοῖς ἄλλοις, δι’ ἄντρων καὶ
σπηλαίων εἴτ’ οὖν αὐτοφυῶν εἴτε χειροποιήτων τὰς τελετὰς ἀποδιδόναι. Überhaupt
ist Porphyrios’ Text in seiner Gesamtheit sehr wichtig für die hier angesprochenen Phäno-
mene.
Zu diesem unerschöpflichen Thema siehe unter anderem S. Wegener, Funktion und
Bedeutung landschaftlicher Elemente in der griechischen Reliefkunst archaischer bis hellenis-
tischer Zeit (); mehrere Beiträge in G. Siebert (Hg.), Nature et paysage dans la pensée
et l’environnement des civilisations antiques () widmen sich dem Thema „Kunst und
Natur“.
J. Mylonopoulos, Natur als Heiligtum – Natur im Heiligtum 81
gen, wenn man die Naturphilosophie der Vorsokratiker¹³⁸ oder die Behandlung
und symbolhafte Verwendung von Natur in den unterschiedlichen literarischen
Gattungen¹³⁹ auch nur anzusprechen versucht hätte. Aber auch in dem hier unter-
suchten Kontext wurden interessante Fallbeispiele wie die rätselhafte Krypta unter
dem Zeustempel in Nemea, die Grotte des Euripides auf Salamis, die genaue Ver-
bindung zwischen dem heiligen Olivenbaum Athens und dem Erechtheion, die
auffällige Konzentration von Nymphengrotten auf Kephallonia und Ithaka, die
besondere Nutzung der Nymphengrotte im zyprischen Kafizin von Töpfern, die
Rolle von unterirdischen Kammern in den katabaseis von Figuren wie Zalmoxis
oder Pythagoras oder die visionäre Kommunikation zwischen Epimenides und den
Göttern in der Diktäischen Grotte auf Kreta nicht thematisiert.
Man muss sich nicht totemistischer oder animistischer Ansätze bedienen,
um behaupten zu können, dass Grotten, Quellen, Flüsse, Berggipfel oder Haine
die Aura des Heiligen umgab und dass dieser Umstand sich eindeutig nicht aus-
schließlich auf die griechisch-römische Antike beschränkt. Die Einbindung der
Klöster auf dem Berg Athos in die sie umgebende Landschaft, die Bedeutung der
Grotte des Apostels Johannes auf Patmos oder die transzendierende Funktion von
Grotten in der Religion und Kultausübung in Tibet zeugen von der diachronen
und universellen Interaktion zwischen Landschaft und Religion. Man muss aller-
dings nicht wie Sporn annehmen, „der Gott wurde durch den Naturraum verkör-
pert“.¹⁴⁰ Auch wenn im mythologischen Geschehen göttliche Transformationen
in Pflanzen, Bäume oder Quellen eine wichtige Rolle spielten, handelte es sich
im religiösen bzw. kultischen Kontext weniger um Verkörperung durch die Natur
als vielmehr um die Evokation des Göttlichen durch das Unberührbare, Unheim-
liche, Andersartige der Natur im Sinne Senecas. Und dennoch wurde Natur in
der Antike über das „Andere“ bzw. das „Fremde“ hinaus verstanden. Sie wurde
nicht nur als natürliche, manchmal Gefahren bringende manchmal ökonomisch
nutzbare Umgebung oder als Akkumulation einzelner, auffälliger landschaftlicher
Komponenten gesehen, sondern vielmehr als ein geologisch, geographisch, kli-
matisch aber auch sozial und kulturell definiertes System von Interdependenzen
zwischen Menschen und ihrem physischen Aktionskontext konzeptuell aufgefasst.
Aus diesem Grund war es erst möglich, dass natürliche landschaftliche Elemente
transformiert und in den von Menschen konzipierten sozialen Raum integriert
werden konnten, ohne ihre religiöse bzw. kultische Relevanz einzubüssen. Die
natürliche Unberührtheit einer Landschaft konnte bis zu einem gewissen Grad
kulturell definiert und neu konstruiert werden; antike Quellen scheinen deshalb
nicht immer strikt zwischen „artifiziell“ und „natürlich“ zu differenzieren, denn
Siehe zuletzt J. Warren, Presocratics. Natural Philosophers before Sokrates ().
Siehe z. B. W. Elliger, Die Darstellung der Landschaft in der griechischen Dichtung ().
Sporn, „Höhlenheiligtümer“, a. O. (Anm. ) .
82 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Natur wurde definitiv nicht als eine statische und unveränderbare Größe konzep-
tualisiert.
Naturräume konnten im antiken Griechenland auf zweierlei Arten kultisch
genutzt werden: zum einen als unveränderte Naturerscheinung, in oder bei der die
rituellen Abläufe stattfanden, und zum anderen als Kulisse für die Errichtung von
Altären und Tempeln; im zweiten Fall darf der Begriff „Kulisse“ uns nicht in die
Irre leiten, denn nur die physische Umgebung legitimierte und erklärte manchmal
das menschliche, religiös konnotierte Eingreifen in das natürliche Landschafts-
bild und übernahm demnach die Rolle eines den Kult konstituierenden Elements.
Diese natürliche Umgebung bekommt manchmal eine solch wichtige Bedeutung,
dass sie beim Transfer von Kulten in einen anderen geographischen und kulturellen
Kontext imitiert bzw. konstruiert wird. Als mehr oder weniger naturbelassene Kult-
stätten treten vorwiegend Grotten und heilige Haine in Erscheinung. Diese land-
schaftlichen Elemente, aber auch Quellen werden am häufigsten in einen größeren
baulich geformten Komplex integriert. Hierbei muss allerdings eine semantische
Differenzierung vorgenommen werden: Während Grotten und Quellen in die
rituellen Handlungen explizit eingebunden werden, man denke z. B. an die Toten-
orakel oder an die Asklepieia, dienen die heiligen Haine „unmittelbar der Verherr-
lichung einer Gottheit“, wie Marietta Horster es treffend formulierte.¹⁴¹ In Bezug
auf die Imitation von landschaftlichen Elementen, wobei der Begriff „Imitation“
keineswegs als eine direkte Übertragung verstanden werden sollte, begegnen uns
erneut vorwiegend Wassereinrichtungen und Grotten. Es handelte sich in diesen
Fällen um Landschaftsmerkmale, die für das rituelle Leben offensichtlich eine fast
normative Bedeutung hatten und durch ihre künstliche, bewusste Schaffung die
enge Verbindung zwischen Natur und Religion am deutlichsten demonstrieren.
Abbildungsnachweis
Abb. 1: Verf.
Abb. 2: nach L. Moschou, „Τοπογραφικὰ Μάνης“, Ἀρχαιολογικὰ Ἀνάλεκτα
ἐξ Ἀθηνῶν 8 (1975) 168, Abb. 5.
Abb. 3: Verf.
Abb. 4: Verf.
Abb. 5: nach J. Riethmüller, Asklepios. Heiligtümer und Kulte, Bd. I (2005) 253,
Abb. 36.
Abb. 6: nach W. Radt, Pergamon. Geschichte und Bauten einer antiken Metropole
(1999) 202, Abb. 144.
Les dieux et héros du dromos dorien I.
Réflexions sur les références légendaires de l’espace civique
de Sparte et d’Argos chez Pausanias
Patrick Marchetti
Pour étudier la religion d’une cité grecque, on peut, par exemple, inventorier la
théorie des dieux et déesses qui constituent les cultes civiques¹ ou se concentrer sur
son panthéon,² on peut s’intéresser plus particulièrement à l’un ou l’autre d’entre
eux – le panthéon d’Argos a donc lui aussi été dépecé³ –, on peut aussi, plus
À l’image du monument fourni par L. R. Farnell, The Cults of the Greek States (-
).
À l’exemple de W. Burkert, « La Cité d’Argos entre la tradition mycénienne, dorienne
et homérique », dans : V. Pirenne-Delforge (éd.), Les Panthéons des cités, des origines à la
« Périégèse » de Pausanias. Actes du colloque organisé à l’Université de Valladolid, du au
mai . Kernos, suppl. () -, qui offre de ce type d’inventaire l’analyse la plus
complète. Dans le même volume la contribution de Cl. Calame, « Logique du temps légen-
daire et de l’espace cultuel selon Pausanias : une représentation discursive du ‹panthéon›
de Trézène », - propose une approche sémiotique intéressante d’un site très proche
d’Argos.
Par ex. M. Detienne, Dionysos mis à mort () ; W. F. Otto, Dionysos, Mythos und Kul-
tus. Frankfurter Studien zur Religion und Kultur der Antike () ; V. Pirenne-Delforge,
L’Aphrodite grecque : contributions à l’étude de ses cultes et de sa personnalité dans le pan-
théon archaïque et classique. Kernos, suppl. () ; J. Mylonopoulos, Πελοπόννησος
οἰκητήριον Ποσειδῶνος. Heiligtümer und Kulte des Poseidon auf der Peloponnes. Kernos,
suppl. () ; M. Detienne, Apollon, le couteau à la main : une approche expérimentale
du polythéisme grec () ; R. M. Cook, Zeus. A Study of Ancient Religion, vol. (-
) (au titre si évocateur : « A Study of Ancient Greek Religion », pour une étude globale
menée à partir d’un dieu), où les dieux d’Argos se retrouvent peu ou prou, tandis qu’ils sont
traités pour eux-mêmes chez M. Piérart, « La mort de Dionysos à Argos », dans : R. Hägg
(éd.), The Role of Religion in the Early Greek Polis. Proceedings of the Third Intern. Seminar
on Ancient Greek Cult organized by the Swedish Institute at Athens, - Oct. ()
- et M. Piérart, « Le culte de Dionysos à Argos », Kernos () - ; M.-F.
Billot, « Sanctuaires et cultes d’Athéna à Argos », Opuscula Atheniensia - (-)
- ou, dans leur environnement régional, chez P. Sauzeau, Les Partages d’Argos : sur les
pas des Danaïdes (), qui, au terme d’une analyse purement philologique, isole deux
divinités du panthéon (Héra et Poseidon), opposées certes dans une lutte symbolique pour
le contrôle de la plaine argienne, mais les prend pour prétextes de gloses sans fin, dans le
prolongement des termes dérivés de la racine *arg. L’étroitesse du propos explique l’ana-
thème jeté d’emblée sur tout autre type d’analyse.
DOI 10.1515/ARG.2008.005
86 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
efficacement, les étudier dans le cadre de comportements sociaux, comme ceux liés
à ce que l’on appelle l’initiation ;⁴ on peut, enfin, reconstituer la légende héroïque
locale⁵ pour retrouver les fondements d’une pensée où les actes des vivants, en
s’articulant au monde des héros et des dieux, trouvent à s’inscrire dans des schémas
qui les transcendent, ou encore dresser plus simplement l’inventaire des cycles pour
ordonner la matière et penser l’organisation des lieux.⁶ En chacune de ces approches
singulières, la tâche première de l’historien se confond nécessairement avec une
heuristique des données d’abord, qu’il convient ensuite de soumettre à une analyse
systématique. La dispersion des informations est telle, en effet, qu’une perception
globale et immédiate de la pensée religieuse et des actes qui l’inspirent est au-
delà de ce que nos connaissances autorisent. À défaut, on a très opportunément
compensé cette impossibilité exégétique en éclairant les récits étiologiques et les
rituels qu’ils impliquent au moyen des leçons tirées de l’étude anthropologique⁷
qui parvient effectivement à mettre en perspective des comportements jugés, avant
cela, étranges, voire incompréhensibles, mais rend mieux compte surtout des
structures des récits qui soutiennent les rituels.
Voies multiples où chacun s’engage et souvent s’enlise, n’hésitant pas dans le
pire des cas à exiger d’autrui qu’il partage ses choix méthodologiques, comme pour
se rassurer, démarche injustifiable toutefois tant la recherche a démontré qu’en
matière d’histoire des religions, et singulièrement de la religion grecque, il n’est pas
une voie qui puisse être privilégiée et que les règles de la critique historique classi-
que, ici comme en tout autre secteur de la recherche historique, gardent tous leurs
droits. L’homme antique vit tant avec ses dieux, s’en imprègne si profondément
que ceux-ci ont constamment été visités, repensés, modifiés. Il suffit de songer à
quel point le théâtre athénien a réinvesti les mythes d’autrui, du Péloponnèse et de
Par ex. chez H. Jeanmaire, Couroi et Courètes () ou A. Brelich, Paides e Parthenoi
().
La synthèse de P. Chuvin, La mythologie grecque () est, à cet égard, intéressante, comme
ultime essai de reconstitution du monde de l’épopée et des légendes. On y mesure efficace-
ment l’importance et la richesse des mythes péloponnésiens dans la constitution d’un vaste
univers imaginaire.
Ainsi M. Piérart, « ‹Argos assoiffée› et ‹Argos riche en cavales›. Provinces culturelles à l’épo-
que protohistorique », dans : M. Piérart (éd.), Polydipsion Argos : Argos de la fin des palais
mycéniens à la constitution de l’État classique. Table ronde, Fribourg (Suisse), - mai
() - parmi bien d’autres contributions (l’auteur est convaincu que les héros de
l’espace argien sont disposés le long d’itinéraires qui mènent aux différents centres héroï-
ques ou religieux, dans le prolongement des analyses de Robert notamment).
La liste est longue des émules de J. G. Frazer, Le Rameau d’or : Étude sur la magie et la
religion (trad. de l’anglais par R. Stiebel – J. Toutin [-]). Le plus marquant est
W. Burkert, Homo Necans () et l’on trouvera dans M. Detienne, Les Grecs et nous :
une anthropologie comparée de la Grèce ancienne () des réflexions récentes sur ce type
d’approche.
P. Marchetti, Les dieux et héros du dromos dorien 87
Dans ces démarches multiples, à vrai dire complémentaires, l’historien trouvera toujours à
s’investir, quitte à s’arrêter – nous y sommes désormais contraints – à faire l’histoire de l’his-
toire des religions : la nouvelle revue de l’Université de Toulouse, Anabases, rend d’éminents
services, autant que la réédition commentée des travaux de F. Cumont. Il est désormais
indispensable, en effet, de comprendre d’où nous sont venues nos obsessions.
Les analyses de ce texte majeur pour l’histoire de la religion grecque ne cessent de se mul-
tiplier, depuis J. G. Frazer, Pausanias. Description of Greece III : Commentary on books II-V
() et J. G. Frazer, Maps and Plans to illustrate Pausanias’ Description of Greece, with
explanatory text by A. W. Buren (). Q’il s’intéresse aux schémas et mises en scène litté-
raires (comme C. Robert, Pausanias als Schriftsteller : Studien und Beobachtungen [] ou
J. Heer, La Personnalité de Pausanias []), au rapport avec le pouvoir romain (comme
chez K. W. Arafat, Pausanias’ Greece : Ancient artists and Roman rulers []), au caractère
plus historique des notices (comme K. Pritchett, Pausanias Periegetes II []) ou, plus
simplement, à une analyse de l’œuvre (Ch. Habicht, Pausanias’ Guide to Ancient Greece.
Sather Classical Lectures [] ; O. Reverdin – B. Grange, Pausanias Historien. Entre-
tiens Hardt []) et à des commentaires systématiques (D. Musti – M. Torelli [éds.],
Pausania, Guida della Grecia II, La Corinzia et l’Argolide [] ; III, La Laconia [],
outre les volumes en cours de parution dans la collection des Universités de France), l’his-
torien d’Argos trouve à glaner chez chacun.
88 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
d’hommes qui savent pourquoi ils rendent hommage à ces divinités que d’autres,
alors, remplaçent. Foin de cela, ceux qui exploitent le Périégète pour écrire une
histoire des dieux ou de l’un d’eux se contentent souvent de le paraphraser, de
l’exploiter au premier degré,¹⁰ alors que Pausanias s’est constamment heurté en son
temps, d’une ville à l’autre, à des incohérences, a dû constater les contradictions,
n’a pu que souligner la vanité des prétentions locales, témoignant ainsi de l’extrême
difficulté que l’on rencontrait au IIe siècle à comprendre la réelle organisation reli-
gieuse des cités les plus vénérables : sous l’Empire, la Grèce archaïque survit à peine
et les souvenirs qu’on en conserve sont le plus souvent dénaturés. Partant de là, on
peut interroger Pausanias de deux façons : comme le témoin des ignorances ou des
propagandes de son temps¹¹ ou pour extraire de descriptions honnêtes les linéa-
ments d’une reconstruction du passé. À cet égard le cas du dromos argien est réelle-
ment exemplaire : nous en avons retrouvé les éléments essentiels – piste de course,
orchestra, palestre / gymnase notamment¹² –, mais Pausanias qui a visité Argos n’en
a pas parlé, parce que de son temps le souvenir du dromos s’était estompé. Il a donc
décrit les lieux comme représentatifs d’une « agora »,¹³ mais la comparaison avec
Sparte ne laisse aucun doute sur l’identité structurelle des espaces publics, de part
et d’autre.
À Sparte, cité plus conservatrice ou plus superficiellement traditionnelle, le
dromos est resté un élément identifiable, que Pausanias, toutefois, ici non plus, ne
distingue pas d’abord de l’agora, avant d’en faire état comme en un remords et
de récapituler ce qui le caractérise (14, 6 ss.). Il suffit de confronter sa perception
d’Argos avec sa description de Sparte pour réaliser à quel point le témoignage du
Périégète demande à être dépecé pour progresser dans notre reconstruction du
passé religieux des cités grecques, car le dromos était, à Sparte comme à Argos, le
Le travail de Pirenne-Delforge, Aphrodite, op. cit. (note ) est de ce point de vue symp-
tomatique. L’Aphrodite grecque y est étudiée avant tout au départ et au fil des notices de
Pausanias.
Ainsi F. Jourdan, « Orphée, sorcier ou mage », Revue de l’histoire des religions ()
- ; surtout -, qui tient Pausanias pour le témoin d’une réhabilitation à l’époque
impériale de l’Orphée thrace et mage. C’est dans la même perspective que se place O. Gen-
gler, « Héraklès, Tyndare et Hippocoon dans la description de Sparte par Pausanias : mise
en espace d’une tradition mythique », Kernos () -.
Voir la maquette dans L’Espace grec : ans de fouilles de l’Ecole française d’Athènes ()
et, pour une première approche du dromos, P. Marchetti – K. Kolokotsas, Le Nymphée
de l’agora d’Argos : fouille, étude architecturale et historique () -, où l’on souligne
la « restauration » de ces édifices à l’époque impériale.
Désormais restreinte à un espace de plus en plus étriqué, envahi par les constructions
romaines, au point que Pausanias nous empêche littéralement de comprendre que la cité
d’Argos était à l’époque classique un vaste espace ouvert. Pour restituer le modèle originel,
nous avons intérêt à méditer sur les analyses particulièrement judicieuses de T. Hölscher,
Öffentliche Räume in frühen griechischen Städten ().
P. Marchetti, Les dieux et héros du dromos dorien 89
les dieux qui le patronnent. Au nombre de ceux-ci on peut, à partir d’une certaine
époque du moins, inscrire Héra, qu’à Sicyone, au voisinage d’Apollon Karneios, on
appelait prodromia,²⁴ tandis qu’à Thèra une dédicace à Apollon Karneios se trouve
gravée sur le même fragment de colonne que la mention d’honneurs décernés à
Héra dromaia.²⁵ Ces deux témoignages complémentaires, notamment, confirment
le rapport très étroit qui s’établit entre Apollon Karneios et d’autres dieux associés
au dromos, parmi lesquels figurent encore les Dioscures ou Artémis, puisque les
courses en armes qui se déroulaient au dromos spartiate étaient, d’après Platon, pla-
cées sous leur patronage.²⁶ Le dromos est donc bien un lieu « sacré » où les hommes
visitent leurs dieux. Le plus important est manifestement Apollon, qui est aussi
sans aucun doute le « premier » de tous, celui sur lequel les autres se sont greffés.
Pour les repérer efficacement, la première démarche consiste à réinvestir la descrip-
tion que nous propose Pausanias du dromos de Sparte, qui offre l’unique possibilité
de les identifier au sein d’un ensemble constitué.
La description de Sparte par Pausanias présente plus d’une difficulté, qui ont
compliqué la perception de l’espace politico-religieux. Le texte décrit apparemment
deux quartiers au cœur de la cité : l’agora d’un côté (III, 11 à 14, 5), le dromos de
l’autre (ibid., 14, 6 à 15, 7), auxquels s’ajoutent, ici comme ailleurs, des notes hors
contexte pour évoquer tout ce qui n’a pas fait l’objet de mentions appropriées
dans les chapitres précédents (ibid., 15, 8 à 18, 5). Des chapitres 12 à 16, on repère
toutefois trois ensembles qui ressemblent à des « itinéraires » différents,²⁸ sans qu’il
s’agisse à proprement parler de « parcours » organisés. Ce ne sont que les chapitres
nombreuses pistes qui traversaient les agoras grecques étaient, tout naturellement, aussi des
rues.
Pausanias II, , .
Inscriptiones Graecae XII , . Qu’Héra ait porté cette épiclèse de dromaia ne doit pas
surprendre : la déesse, à l’époque classique au plus tard, a patronné des courses de jeunes
filles à Élis / Olympie et ailleurs, cf. Marchetti – Kolokotsas, Le Nymphée, op. cit. (note )
.
Lois VII, b.
Nous reprenons en partie et approfondissons ici l’analyse proposée déjà dans Marchetti
– Kolokotsas, Le Nymphée, op. cit. (note ).
Nous les avions appelés « circuits » et « itinéraires » dans Marchetti – Kolokotsas, Le Nym-
phée, op. cit. (note ) -. Le mot « itinéraire », qui s’inscrit dans une longue tra-
dition d’analyse du texte de Pausanias (Robert, Pausanias, op. cit. [note ] et M. Piérart,
« Deux notes sur l’itinéraire argien de Pausanias », Bulletin de correspondance hellénique
[], -) peut toutefois prêter à confusion.
92 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
distincts d’un texte plus brouillon et moins bien élaboré qu’il n’y paraît :²⁹ en
séparant la description de l’« Aphétaïde » (12. 1 – 12. 9) de celle du dromos (14. 6
– 15. 6), le Périégète a durablement contribué à brouiller les pistes, dans la mesure
où ses exégètes reproduisent inlassablement ses propos, incapables de sortir du
piège d’une description compliquée.
Les difficultés particulières que pose ce texte doivent trouver leur explication
dans les conditions mêmes de son élaboration : ce n’est pas à Sparte que la présen-
tation du site a été rédigée en l’état où nous la lisons, mais plus tard, lors d’une
édition³⁰ qui a succédé à la visite des lieux, quand le Périégète³¹ a mis par écrit les
notes accumulées au cours de ses périples, à un moment où les souvenirs de tant de
lieux visités devaient s’embrouiller dans sa mémoire. Les contraintes liées à la pro-
duction d’un texte dans l’Antiquité, sur des matériaux coûteux, ne devaient pas faci-
liter les réécritures mais entraîner inévitablement des juxtapositions de notes plutôt
qu’une élaboration systématique, comme l’apprend la pratique de la plupart des
historiens, surtout des compilateurs, que l’on dépèce si aisément en « fragments ».
De fait, le texte même de Pausanias, pour Sparte en particulier, trahit clairement
une telle accumulation de notices autour d’un concept assez vague, l’« agora », et
l’on démontre sans trop de peine que le dromos ne doit pas en être détaché, qu’il
en constitue un élément majeur.³² Ce que Pausanias appelle à Sparte, et ailleurs,
« agora », est avant tout le centre urbain où se localisent les temples, sanctuaires et
édifices publics. À cet égard la ville de Sparte devait ressembler à ses correspondants
en d’autres cités, mais Sparte – et elle seule probablement à cette époque – conser-
vait au centre de la Cité une structure, devenue exceptionnelle à l’époque de Pau-
Pace P. Sauzeau, Les Partages d’Argos : sur les pas des Danaïdes () qui, à la suite de
J. Heer, La Personnalité de Pausanias (), reconnaît volontiers à Pausanias, à partir de
ses introductions, des qualités de construction littéraire, ce qui l’entraîne à surévaluer les
talents du Périégète. L’intérêt de ses notices vient moins de la qualité du texte que des
innombrables détails livrés par un chercheur d’antiquités, fort heureusement honnête dans
sa démarche. Il est notoire en tout cas qu’il n’a pas impressionné ses contemporains et qu’on
ne l’a guère lu avant le IVe siècle, voir Ch. Habicht, Pausanias’ Guide to Ancient Greece.
Sather Classical Lectures ().
Dont le plan a dû être dessiné assez tôt, cf. Habicht, Pausanias’ Guide, op. cit. (note ) .
Les introductions historiques aux différents livres ont pu avoir préparé le voyage. Elles sont,
en général, bien charpentées. Notons que « by the time Pausanias wrote (the first book), he
had already seen a good part of Egypt but also most of Greece » (ibid. ).
Mais est-ce bien le même qui a composé les notes au moment de la visite des lieux et qui,
en un second temps, a rassemblé l’ensemble pour en faire la « Périégèse » que nous lisons ?
N’oublions pas que l’auteur ne se nomme jamais. La question n’a jamais été posée, ce qui
inquiète, car les désordres de la description, quel que soit le lieu concerné, sont patents.
Pour comprendre cette structure des lieux, il importe, bien entendu, de ne pas avoir de
l’espace une vision étriquée, mais voir en Sparte comme en Argos des villes « largement
ouvertes », comme le préconise à juste titre Hölscher, Öffentliche Räume, op. cit. (note ).
P. Marchetti, Les dieux et héros du dromos dorien 93
Grâce à l’inscription qui mentionne les dieux de l’Hélos : Inscriptiones Graecae V , ,
citée in extenso par O. Gengler, « Héraklès, Tyndare et Hippocoon dans la description
de Sparte par Pausanias : mise en espace d’une tradition mythique », Kernos ()
; l’analyse en a été reprise par A. Hupfloher, Kulte im kaiserzeitlichen Sparta. Eine
Rekonstruktion anhand der Priesterämter () -, dont le titre est explicite. D’autres
inscriptions complètent la précédente, notamment Inscriptiones Graecae V , , sur-
tout, . Pour les familles romaines de cette époque, on verra maintenant A. D. Rizakis
– S. Zoumbaki, Roman Peloponese : Roman personal names in their social context (Laconia
and Messenia). Mélétèmata ().
Pausanias paraît distinguer deux collines, celle de Dionysos et une autre où se dresserait le
temple d’Héra, mais nous aurions tort de nous laisser berner, cf. Marchetti – Kolokotsas,
Le Nymphée, op. cit. (note ) - : cette unique colline est un lieu stratégique, qui
domine la limnè / Hélos de Sparte et où doit aussi prendre place Artémis Issôria (ibid., , ),
d’où la certitude qu’elle est proche du théâtre.
Non pas, bien entendu l’Hélos du littoral, comme on s’obstine à le penser (not. Hupfloher,
Kulte, op. cit. [note ]) mais la limnè de l’agora, comme cela se démontre assez aisément
et comme l’avait, du reste, fort bien compris A. Boeckh, dès la publication dans le Corpus
Inscriptionum Graecarum I, . Il n’y a pas de raison de pêcher par excès de prudence,
comme le fait encore Gengler, « Héraklès », op. cit. (note ) . Le doute, en effet, n’est
pas permis. Tous les dieux de l’Hélos se retrouvent dans la description de Sparte par Pausa-
nias, ce qui n’est pas fortuit et interdit de confondre l’Hélos des inscriptions de Sparte avec
la ville homonyme du littoral (en ruines à l’époque de Pausanias [III, . ] et, par ailleurs,
trop insignifiante pour que les plus hauts personnages de Sparte se préoccupassent de ces
cultes-là).
P. Marchetti, Les dieux et héros du dromos dorien 95
La procession qui menait les Spartiates de la Corè Soteira (la Corè de l’Hélos) à l’Eleusinion
du Taygète partait évidemment de Sparte. Nous avons là, du reste, une clé précieuse pour
comprendre la véritable nature des lieux sacralisés du dromos. Car l’Eleusinion du Taygète
est un sanctuaire très caractéristique, bien connu depuis les fouilles de l’École anglaise. Voir
le rapport détaillé de C. M. Stibbe, « Das Eleusinion am Fusse des Taygetos in Lakonien »,
Bulletin Antieke Beschaving () -.
Le nom du quartier est limpide. Cet Hélos ne pouvait qu’être un ancien marécage. Ce
n’est donc pas uniquement leur regroupement dans des prêtrises exercées par des titulaires
uniques, mais aussi leur implantation dans un Hélos unique, qui nous assurent que les sanc-
tuaires concernés se localisent en un seul quartier, cf. Marchetti – Kolokotsas, Le Nymphée,
op. cit. (note ) -.
Le parallèle avec Argos, où le sanctuaire d’Apollon Lycien jouxte et domine tout à la fois le
dromos, est éclairant, cf. infra, - et fig. .
Voir Marchetti – Kolokotsas, Le Nymphée, op. cit. (note ) . Une confirmation en est
donnée par Hérodote VI, (voir ibid., n. ). C’est là aussi que se situe le Choros.
Pausania, Guida della Grecia III (). Sur ce que nous pensons de l’identification de la
Stoa Persikè, voir O. Gengler – P. Marchetti, « Sparte hellénistique et romaine. Dix années
de recherche (-) », Topoi () -, où l’on trouvera d’utiles compléments
96 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Il est difficile de trouver en une autre ville grecque un ensemble héroïque aussi
cohérent que celui dont le souvenir était entretenu à Sparte. Tous les héros présents,
sans exception, proviennent d’une unique famille légendaire (voir tableau), comme
le révèle le seul inventaire des personnages héroïques mentionnés par Pausanias.
Les deux époux de Gorgophonè, Oibalos et Périérès, ont fini par recevoir le même
père : Kynortas. Pausanias⁴⁴ le présente comme père d’Oibalos (III, 1, 3), mais à
Messénie, avant que la conquête de la Messénie les rapatrie tous à Sparte, en ce compris
d’autres descendants d’Oibalos, les Hippocoontides. Dans tous les cas de figure, Kynortas
et Gorgophonè sont les personnages incontournables de cette saga et là est l’essentiel, pour
le moment.
Roscher II (-) s. v. « Kynortas ».
Pseudo-Apollodore III, , , et scholie à Euripide, Oreste, v. .
Le rapport entre Kynortas et le Kynortion est indéniable. Or, le Kynortion n’est autre que
le promontoire où se trouvait Apollon Maléate, près d’Épidaure et de Trézène (Pausanias
II, , ). On n’est donc pas surpris de trouver à Sparte un Apollon Maléate (Pausanias
III, , ).
Toutes les sources qui le concernent sont tardives.
Avec de légères variantes sans conséquence, qui soulignent la fragilité de ces reconstructions
épichoriques.
À compléter par III, , .
Sur ces constructions généalogiques spartiates, voir I. Malkin, La Méditerranée spartiate :
mythe et territoire (traduit par O. Meslier) () et, du même, « The Polis between Myths
of Land and Territory », dans : R. Hägg, (éd.), The Role of Religion in the Early Greek Polis.
Proceedings of the Third Intern. Seminar on Ancient Greek Cult organized by the Swedish
Institute at Athens, - Oct. () -, surtout -, ainsi que C. Calame, « Le
récit généalogique spartiate. La représentation mythologique d’une organisation spatiale »,
Quaderni di Storia () -.
Qu’on aura soin de ne pas confondre avec la ville dorienne d’Argos, cf. P. Marchetti,
« Homère, Diomède et l’Argos polydipsion : de la guerre thébaine à la guerre de Troie »,
dans : L. Isebaert – R. Lebrun (éds.), Quaestiones homericae. Acta colloquii namurcensis
habiti diebus - mensis septembriis anni () -. Le nom de sa mère, Dio-
mèdè, confirme le rapport avec l’argeia.
98 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Ici aussi les versions varient. Il ne pouvait en aller autrement, en raison du va-et-vient
entre Sparte et Messène. Insistons-y : l’essentiel est que, à Sparte comme à Messène, puis à
Sparte seule, la légitimité dorienne procédait de Gorgophonè, une « argienne » (Pausanias
III, , ).
Ceci en contradiction flagrante avec son introduction au livre III, où le Périégète attire
fortement l’attention sur eux.
P. Marchetti, Les dieux et héros du dromos dorien 99
4. Les filles de Leucippos sont les épouses des Tyndarides, Castor et Pollux, qu’ils
enlevèrent au terme d’un agôn qui les opposa à leurs cousins, les Apharétides.
Mais ce rapt, une évocation avant tout du mariage « par enlèvement » comme
celui des épouses que l’on gagne à la course,⁵⁵ était préparé à Sparte par des
cérémonies où les jeunes filles, appelées « Leucippides », étaient associées à des
Dionysiades […] qui couraient (13, 7), coutume qui trouve un correspondant
limpide à Élis.⁵⁶ Dionysiades et Leucippides sont rattachées au temple du
Dionysos « de la Colline », tandis que le sanctuaire des Leucippides se trouve
à proximité de celui d’Aphrodite, où l’on conservait une statue consacrée par
Tyndare, érigé sur une « petite colline ». Comment hésiter à installer Dionysos
et Aphrodite sur la même colline ? Le point commun qui les relie, outre la
mention de la « colline », est évidemment la présence, dans l’un et l’autre
sanctuaire, des Leucippides.⁵⁷ On aurait tort aussi de situer la « colline » de
Dionysos et d’Aphrodite loin du dromos : les Leucippides sont, en effet, les
épouses des Dioscures […] « Aphétériens », installés au début de l’Aphétaïde,
donc « au début du dromos » (14, 7). Il n’est guère aventureux, à ce stade, de
conclure qu’aux Dioscures, installés en tête de la piste, devait répondre, en
fin de piste, le sanctuaire des Leucippides, près du temple de Dionysos « de la
Colline », où elles étaient effectivement associées aux Dionysiades.
5. C’est au même horizon mythique qu’il faut aussi rattacher les consécrations
à Léda et Hélène. Léda, épouse de Tyndare, rappelons-le, aimée de Zeus
métamorphosé en cygne, était réputée avoir pondu l’œuf d’où sortirent Castor
et Pollux. Cet œuf « de Léda », enveloppé de bandelettes, dont l’Orphisme
s’emparera,⁵⁸ était suspendu dans le sanctuaire des Leucippides (16, 1). C’est
l’importance de Léda comme mère des Tyndarides qui rend compte de l’hérôon
spartiate de Pleuron (13, 8), à propos duquel le Périégète, très opportunément,
cite un poème d’Asios qui rattache Pleuron à Agénor et en fait le père de
Léda.
6. Avant son mariage avec Gorgophonè, Oibalos était réputé avoir été le père
d’Hippocôon qui à sa mort s’emparera du trône de Sparte, déclenchant
l’intervention d’Héraklès qui tuera ses douze fils et restaurera Tyndare sur
le trône, le roi légitime issu de Gorgophonè. Pausanias inscrit l’intervention
d’Héraklès dans une vengeance du héros pour punir les Spartiates pré-doriens
de l’avoir rejeté de leur ville (15, 3). Il n’y a pas, en réalité, de meilleure mise
en scène de la conquête de Sparte par les Héraclides doriens.⁵⁹ Rien de
surprenant donc à trouver dans le paysage spartiate tant d’évocations de la
lutte d’Héraklès contre les Hippocoontides (14, 6-7 ; 15, 1-2 ; 15, 3-5 ; 15, 6),
jusqu’à la consécration par le héros d’un sanctuaire d’Héra « Aigophage »,⁶⁰ en
commémoration de sa lutte victorieuse (15, 9). Toutes les consécrations liées à
la mort des Hippocoontides se regroupent aisément en un faisceau clairement
articulé au dromos. Il n’est pas vain de constater que cette légende est associée
à un rite d’intégration majeur, celui des Sphaireis, qui rendent un sacrifice au
pied de la statue d’Héraklès, sans aucun doute l’Héraklès génarchas de l’Hélos.⁶¹
Dans ce rite on verra, sans hésiter, une cérémonie caractéristique destinée à
sacraliser le passage de la classe des éphèbes⁶² à celle des andres, des neoi ou des
δέκα ἀφ᾿ ἥβης, comme les appelait Xénophon⁶³ et qui ne sont autres, quel
que soit leur nom d’une époque à l’autre, que les Spartiates installés dans le
dromos.
Qui se trouve évoquée, à propos de Sparte, à plusieurs endroits du texte, d’abord dans
l’introduction au livre III, puis en , (rencontre entre les éclaireurs doriens et la fille de
Karneios oikétas, récit classique d’une conquête de ville, qui trouve un équivalent dans la
légende de Tarpeia à Rome, notamment) et en , (légende étiologique du sanctuaire de
Zeus tropaios). C’est aussi à ce même fonds légendaire, plus clairement articulé encore à
la légende des Héraclides, que l’on attachera l’héroôn de Kléodaios, fils de Hyllos (, ).
On ne peut manquer de constater que la conquête de Sparte par Héraklès ne s’inscrit pas
dans le schéma bien connu de la descente des Héraclides. Avons-nous ici la preuve que la
légende des Héraclides serait postérieure à l’installation des Doriens à Sparte, comme le
concluait F. Prinz, Gründungsmythen und Sagenchronologie () ? On rattache souvent
l’extermination des Hippocoontides et la restauration de Tyndare à la conquête spartiate
de la Messénie, mais le lien avec Messène est, à vrai dire, secondaire à tous points de vue.
La lutte contre les Hippocoontides est incompréhensible sans la référence à la légende
dorienne et, à côté de Sparte et de Messène, c’est aussi l’histoire d’Argos qui s’y dessine en
filigrane.
La seule épiclèse de la déesse révèle à la fois son étrangeté (Héra n’a que faire de chèvres),
l’association très claire de la déesse « aigophage » primitive avec Dionysos et son rapport
aussi avec la Juno lanuvina qu’un syncrétisme tardif a assimilée à Héra.
Celui mentionné dans Inscriptiones Graecae V , , l. , à côté de Poseidon dômatitès.
Que Pausanias évoque en , , à propos du Choros où, nous dit-il, ils dansent en l’honneur
d’Apollon lors des gymnopédies.
Agésilaos, , et Hellenika III, , .
P. Marchetti, Les dieux et héros du dromos dorien 101
Si l’on compare la description que Pausanias nous donne de Sparte avec celle
d’Argos, sans perdre de vue qu’il a visité ces cités à la fin du IIe s. ap. J.-C., c’est-à-
dire près d’un millénaire après la mise en place des « agoras » de part et d’autre, on
ne peut manquer de relever entre les deux d’étonnantes ressemblances, que nous
avons soulignées déjà, et qu’il est temps de récapituler.
L’existence d’un dromos à Argos ne fait aucun doute : une orchestra, une piste
de course, un gymnase / palestre, mais aussi un nymphée autorisent à le localiser
avec certitude (fig. 1).⁶⁶
Ce dromos, qui a été réactivé au Ier s. ap. J.-C., était ensuite rapidement tombé
à nouveau en désuétude. Nous n’en trouvons aucun écho chez le Périégète. Cette
absence de toute référence explicite chez Pausanias confirme son incapacité à ana-
lyser correctement les lieux visités. Tout ce qui l’a intéressé à Argos relève pour lui
d’une « agora ». Et il s’en est fallu de peu, nous l’avons vu, qu’il eût fait de même à
Sparte, pour laquelle nous avons constaté que derrière sa description de l’« agora »
se cache très souvent, en filigrane, celle du dromos. Pour Argos donc, c’est dans les
chapitres relatifs à l’agora qu’il faut rechercher le souvenir des éléments référentiels
qui, aux époques archaïque et classique, ont défini le dromos argien. Tous ceux qui
Qu’on a proposé, sans indice probant, de situer sur la base circulaire, près du théâtre,
cf. C. M. Stibbe, « Beobachtungen zur Topographie des antiken Sparta », Bulletin Antieke
Beschaving () -.
Nous prolongeons ici Marchetti – Kolokotsas, Le Nymphée, op. cit. (note ) -.
La maquette du site est à cet égard explicite, cf. L’Espace grec : ans de fouilles de l’Ecole
française d’Athènes () -, que l’on complètera pour une approche plus pointue
du site par P. Marchetti – Y. Rizakis, « Recherches sur les mythes et la topographie d’Argos.
IV. L’agora revisitée », Bulletin de correspondance hellénique () - dont nous
reproduisons ici la fig. .
102 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
trouvent écho à Sparte constituent évidemment les repères les plus sûrs. Les plus
caractéristiques sont :
1. le personnage de Danaos en premier lieu, qui, avec ses cinquante filles, occupe
une grande partie de l’espace. L’édifice le plus important qui lui reste attaché
est son mnéma (II, 19, 5), que nous n’avons pas encore localisé avec certitude,
mais que de forts indices amènent à identifier à la salle hypostyle⁶⁷ qui domine
la piste de course, celle que les Argiens et tous les Doriens qui prenaient exem-
ple sur ce prototype référaient à la course des Danaïdes. C’est évidemment la
proximité de l’édifice et de la piste de course, dans un environnement sacralisé
par la légende des Danaïdes, qui invite à « consacrer » résolument à Danaos la
salle hypostyle.
Parmi les filles de Danaos ont toujours été distinguées Hypermnestre et
Amymonè. Certaines consécrations attribuées à Hypermnestre, en relation
avec le kritérion de Pausanias, ont été localisées, grâce aux objets découverts
dans la fosse aux tortues, qui ne peuvent être que ceux déposés sous les sta-
tues d’Hermès et d’Aphrodite Nicéphore (II, 19, 6).⁶⁸ Ces découvertes majeu-
res permettent de situer avec une quasi-certitude le temple d’Apollon Lycien
– l’équivalent du Karneion spartiate – , en l’honneur duquel étaient célébrés
à Argos les karneia doriens, sur la vaste terrasse qui surplombe l’orchestra.⁶⁹
D’où l’on peut vérifier comment le sanctuaire d’Apollon s’articule au dromos :
il en est indissociable, tout en étant situé, comme il se devait, à la périphérie.
La structure des lieux argiens montre, mieux que tout discours, comment un
sanctuaire d’Apollon peut être isolé, dans une description de la ville, du dromos
qu’il protège.
L’autre fille de Danaos, Amymonè, a laissé son nom au nymphée⁷⁰ du dro-
mos, l’un des quatre nymphées identifiés par le nom d’une Danaïde,⁷¹ l’équi-
valent argien du dorkeion spartiate. Le lien indissoluble qui unit Amymonè à
Poseidon permet de rapprocher de ce nymphée Poseidon prosklystios (22, 4),
dont on fit l’adversaire d’Héra à Argos comme à Sparte.⁷² C’est donc, sans le
moindre doute, du côté du nymphée qu’il faut installer les dieux et héros de
l’« agora » voisins de Poseidon : parmi les premiers Déméter, Corè, Léto⁷³ et
Ilithyie, au nombre des seconds : Persée.⁷⁴
2. Le personnage de Persée ne surprend pas, au cœur du dromos argien : il est l’élé-
ment central de la dynastie fondée par Acrisios. À Argos, sa légende s’articule
à des « Dionysiades » d’un type particulier,⁷⁵ les Haliées, associant ainsi, très
étroitement ici aussi, Dionysos aux autres dieux et héros du dromos. À Argos,
Persée occupe la place dévolue, à Sparte, à Héraklès. C’est la différence la plus
nette, mais la moins significative, entre les deux cités : si Héraklès est absent
de la description d’Argos chez Pausanias,⁷⁶ il n’y était pas moins honoré⁷⁷ et
il n’est pas fortuit que les deux héros aient été confondus comme prototypes
héroïques, à tel point qu’à l’époque impériale on les associera dans la collation
d’honneurs caractéristiques décernés aux meilleurs citoyens.⁷⁸ Le prototype ori-
ginel, dans l’horizon du dromos, était certainement Persée, en tant que père de
Les trois divinités sont évoquées l’une après l’autre, après la mention de la tombe de Gorgo-
phonè : d’abord Léto (, ), puis Déméter (, ) et Corè (, ) en l’honneur de laquelle
étaient organisées des courses aux flambeaux conformément à un rite institué par Nico-
stratos qui ne devrait être autre que le fils d’Hélène et de Ménélas (Realencyklopädie der clas-
sischen Altertumswissenschaft XVII/ [] - s. v. « Nikostratos » [R. Hanslik]),
avant d’arriver à Poseidon prosklystios (, ), au-delà duquel Pausanias mentionne alors
le temple des Dioscures (, ) et le sanctuaire d’Ilithyie (, ). Il faut être aveugle pour
ne pas réaliser à quel point cet environnement est cohérent. Il n’y manque à cet endroit
qu’un temple de Dionysos. Il ne saurait être loin : Héra antheia (, ), dont l’épiclèse est
plus significative que le nom de la déesse, y renvoie d’autant plus manifestement que c’est
« devant le temple » de cette Antheia que l’on montrait la tombe des Haliées, les compagnes
du dieu symboliquement refoulées par Persée. Insistons ici : la chaïne qui, chez Pausanias,
mène de la tombe de Gorgophonè (, ) au sanctuaire d’Ilithyie (, ) est la plus dense
de toute la description.
Évoqué entre les sanctuaires d’Héra antheia et de Déméter pélasgis (, ).
On ne peut trop insister ici sur l’intérêt que présente, pour comprendre les légendes dio-
nysiaques argiennes, la lecture attentive des livres à des Dionysiaques de Nonnos
de Panopolis qui rassemble très utilement, fût-ce à époque tardive, tous les souvenirs des
hauts faits prêtés au dieu. L’évocation d’Amymonè derrière Béroè et le récit de la lutte qui
opposa Poseidon et Dionysos sont du plus haut intérêt. Cet épyllion est décrit par Nonnos
lui-même comme l’hymne d’Amymonè !
Si l’on fait exception de sa mention dans l’exposé introducteur (II, , ), consacré au par-
tage entre les Héraclides, où l’on découvre aisément la raison du silence de Pausanias.
Cf. e. a. J.-Ch. Moretti, dans : Pariente – Touchais (éds.), Argos et l’Argolide, op. cit. (note
) et le monument delphique des « Rois d’Argos » (J.-Fr. Bommelaer, Guide de Del-
phes [] -).
Sur ces honneurs, M. Piérart, « Les honneurs de Persée et Héraklès », dans : C. Bonnet
– Cl. Jourdain-Annequin (éds.), Héraklès : d’une rive à l’autre de la Méditerranée. Bilans et
perspectives. Institut Historique Belge de Rome, Études de philologie, d’archéologie et d’histoire
ancienne () -, et Marchetti – Kolokotsas, Le Nymphée, op. cit. (note ) ,
n. .
P. Marchetti, Les dieux et héros du dromos dorien 105
Qui est dit « fils d’Aiolos » et non d’Oibalos, comme dans d’autres versions, voir supra,
n. .
Voir Archaiologikon Deltion (-), B’, -, et J.-Ch. Moretti, « L’implan-
tation du théâtre d’Argos dans un lieu plein de sanctuaires », dans : Pariente – Touchais
(éds.), Argos et l’Argolide, op. cit. (note ) - ; M. Piérart, « Un oracle d’Apollon à
Argos », Kernos () , n. . Voir aussi la Xe Néméenne de Pindare.
Ce que confirment des fêtes anciennes en leur honneur, attestées par Inscriptiones Graecae
IV, (L. Moretti, Iscrizioni agonistiche greche [] n° ).
106 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
tôt Cerdô, tantôt Peithô,⁹⁰ deux noms qu’évoque Pausanias quand de l’Aphrodi-
sion il « se rend à nouveau sur l’agora » (21, 1) : « Cerdô, femme de Phoronée »,
nous dit-il, a reçu les honneurs d’un mnéma, tandis que Peithô se retrouve comme
épiclèse, bien singulière, d’Artémis, que l’on comprend mieux en la référant à la
femme de Phoronée, à tout le moins en regardant vers Sicyone, l’authentique patrie
de Phoronée.⁹¹ Ce « premier homme » était aussi le père d’une fille, Niobè, qui a
subi, à Argos, bien des avatars au cours du temps. On a donné à cette Niobè un
fils, Argos, « fils de Zeus et de Niobè, fille de Phoronée » nous dit Pausanias (22, 5).
Mais nous savons que cet Argos avait un frère, Pélasgos,⁹² duquel les Argiens déri-
vaient l’épiclèse de Déméter pélasgis (22, 1). Pausanias, à son propos, a reproduit
l’étrange filiation qu’on lui en a proposée : Pélasgos était le fils de Triopas, mais
le Périégète ne l’avait pas mentionné à ce titre dans la descendance de Phoronée
(II, 16, 1),⁹³ autant dire que ce Triopas père de Pélasgos est bien étrange. Pour peu
que l’on soit versé dans la mythologie argienne, il n’est pas difficile de reconnaître
en ce « Triopas », ce mystérieux « Trois Yeux », le Zeus vénéré sur la Larissa d’Ar-
L’épigramme, nouvellement découverte à Argos (supra, n. ) et qui dans l’Antiquité était
inscrite sur la tombe de Phoronée, la mentionne expressément, voir le texte dans Psycho-
giou, « Επιτύμβια », op. cit. (note ) , l. , où, p. , n. , sont analysées toutes les
sources connues précédemment. La troisième épouse de Phoronée, Télédikè, est beaucoup
plus évanescente. Il est particulièrement étrange de retrouver sur l’agora d’Argos un mnèma
de Cerdô, femme de Phoronée, alors que l’épigramme gravée sur la tombe de Phoronée lui
donne pour unique épouse Peithô ! Pausanias, et d’autres indices le prouvent, n’a manifes-
tement pas pris la peine de lire l’inscription !
Peithô était à Sicyone inséparable d’Apollon (voir Realencyclopädie der classischen Alter-
tumswissenschaft XIX/ [] s. v. « Peitho » [Voigt]), mais, comme épiclèse, conve-
nait mieux à Aphrodite (ibid., col. -), voir V. Pirenne-Delforge, « Le culte de la
Persuasion. Peithô en Grèce ancienne », Revue de l’histoire des religions () -
et Pirenne-Delforge, Aphrodite op. cit. (note ) (où est évoqué le lien d’Hermès et
d’Aphrodite Peithô, mais l’auteur oublie le couple très éloquent que forment à Argos Her-
mès et la déesse, cf. P. Marchetti, « Recherches sur les mythes et la topographie d’Argos. I.
Hermès et Aphrodite », Bulletin de correspondance hellénique [] -).
Dont l’identification a été brouillée dans nos sources. Il n’est rien de plus complexe que les
tribulations dont le ou les Pélasgos ont fait l’objet au gré des reconstructions généalogiques,
cf. Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft XIX/ () - s. v. « Pelas-
gos » (J. Krischan).
Il est, toutefois, mentionné comme fils de Phorbas et père de Pélasgos, dans une scholie à
l’Oreste d’Euripide, (Scholia in Euripidem, éd. E. Schwartz [] ), mais on ne
peut manquer de constater que le témoignage de cette scholie s’accorde, pratiquement en
tous points, avec celui de l’épigramme publiée par Psychogiou, « Επιτύμβια », op. cit. (note
), ce qui permet de dater au plus tard des environs de av. J.-C. la mise au point de
cette généalogie particulière et suspecte, absente des sources plus anciennes. Dans la scholie
comme dans l’épigramme, Phoronée n’a qu’une unique épouse : Peithô, mère d’Argos.
Rien n’est plus fluctuant que les généalogies de l’Argolide, cf. J. M. Hall, Ethnic Identity in
Greek Antiquity ().
108 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
gos,⁹⁴ dont le xoanon portait deux yeux normaux et un troisième sur le front (24, 2)
et, ainsi, de retrouver dans ce fils de Zeus triopas l’autre enfant mâle de Niobè, « la
première mortelle a être entrée au lit de Zeus », comme le rappelle l’épigramme
récemment découverte.⁹⁵ On constate ainsi que des personnages comme Pélas-
gos n’avaient pas la même consistance que les authentiques et vénérables patrons
du dromos. Les explications artificielles que l’on en donnait étaient aussi fragiles
qu’était factice leur intégration en un lieu qui n’était pas le leur. Elles ont évolué
au goût des modes, comme le montre tout autant l’histoire de la Chloris / Mélibée
argienne.
Cette pauvre Chloris était, disait-on, elle aussi fille d’une Niobè (21, 9). À
l’époque impériale, la Tantalide Niobè, épouse d’Amphion, était devenue si célè-
bre comme malheureuse mère des Niobides que les Argiens se sont mis au goût
du jour en faisant de leur Chloris, « fille de Niobè », une miraculeuse survivante
au massacre de ses frères et sœurs. Ce qui rendait Pausanias bien perplexe, lui
qui, citant Homère, rappelle que « la maison d’Amphion fut détruite de fond en
comble » (21, 10). Autant dire que les enfants d’Amphion n’ont pas leur place à
Argos. Nous pouvons en tirer la certitude qu’avant d’être artificiellement assimilée
aux Niobides, Chloris n’était pas la petite-fille de Tantale,⁹⁶ que sa mère n’était
pas l’épouse d’Amphion, mais la fille de Phoronée. Pour retrouver l’histoire pri-
mitive de cette Chloris changée en Mélibée, on devrait toutefois remonter plus
haut encore : cette Chloris, si bien à sa place en compagnie de Léto (21, 8-9) et
de Déméter (22, 1), ne devait avoir au départ aucun lien avec Phoronée, mais être
associée, de quelque manière, à une fête des Chloia : c’est la Chloris patronne des
courses de jeunes filles.⁹⁷ Et elle n’était pas seule : elle était, en effet, inséparable
d’Amyklas, qui se confondait très probablement avec le père de Kynortas, dont le
souvenir était conservé à Sparte (III, 13, 1). Que ce soit du côté de l’argeia primitive
qu’il faille chercher les éléments originels de la légende ne surprendra pas. On véri-
fie ici, sans trop de peine, comment l’intrusion de la légende phoronéenne dans le
tissu légendaire primitif a entraîné, en cascade, ces curieuses réinterprétations qui
brouillent les pistes, mais dont le caractère artificiel est dénoncé par Pausanias lui-
même et ne peut faire illusion.
C’est de la même manière que l’on rendrait aisément compte d’autres consé-
crations adventices liées à la conquête des Jeux Néméens ou au contrôle exercé sur
Triopas ne s’est affranchi de Zeus qu’après l’intégration de Phoronée, comme cela ressort de
la généalogie transmise par Pausanias (II, , ).
Psychogiou, « Επιτύμβια », op. cit. (note ) , l. .
Que l’on retrouve, tout aussi étrangement intégré sur l’agora d’Argos, que sa fausse petite-
fille. Ici aussi Pausanias (, ) n’a pas été dupe.
Marchetti – Kolokotsas, Le Nymphée, op. cit. (note ) .
P. Marchetti, Les dieux et héros du dromos dorien 109
Pour saisir la portée historique de ces ressemblances entre les tissus civiques de
Sparte et d’Argos, il faut nécessairement, logiquement, remonter à un temps où
Argos et Sparte n’étaient pas encore deux cités ennemies. À un temps qui est
celui de la constitution de l’identité dorienne. L’ethnos existait¹⁰⁰ et le groupe
s’identifiait, sans peine, par l’appartenance à des tribus communes, par les clans
au sein de celles-ci, par le dialecte, mais pour s’enraciner dans les pays de tradition
mycénienne il lui manquait des structures. C’est autour d’Apollon, leur dieu et
leur point de ralliement, qu’ils allaient les construire, par un double processus,
en renforçant les liens communautaires autour du dromos où se regroupaient les
andres¹⁰¹ et en enrichissant leur imaginaire de références « argiennes », c’est-à-dire
issues de l’argeia.
Dans la définition du dromos, la Crète¹⁰² a joué un rôle décisif, comme en fait
foi la référence commune au législateur Épiménidès. Le dromos était le lieu par
excellence de la vie communautaire des Doriens, patronnée par Apollon. On y
pratiquait les mariages collectifs par agelai, qui devaient constituer l’une des cou-
tumes les plus caractéristiques des peuples pastoraux. C’est dans la mise au point
Ch. Kritzas, « Aspects de la vie d’Argos au Ve s. av. J.-C. », dans : Piérart, Polydipsion Argos,
op. cit. (note ) - ; M. Piérart, « L’attitude d’Argos à l’égard des autres cités d’Ar-
golide », dans : M. H. Hansen (éd.), The Polis as an Urban Centre and as a Political Commu-
nity. Symposium, August -, . Acts of the Copenhagen Polis Center () -
(voir aussi M. Piérart – G. Touchais, Argos : une ville grecque de ans []) me paraît
avoir tort lorsqu’il confond en une même histoire l’intégration de Tirynthe et de Mycènes
au territoire argien dès l’époque archaïque.
Nous ne pouvons qu’inviter le lecteur à confronter le schéma ici proposé avec l’analyse, en
partie différente, qu’en a proposée Hall, Ethnic Identity, op. cit. (note ) dans son qua-
trième chapitre (Ethnography and Genealogy : an Argolic Case-Study).
Nous sommes sur ce point en net désaccord avec Hall (note ).
Comme l’a très bien expliqué, e. a., R. Willetts, dans ses différents travaux (notes e ;
id., Cretan Cults and Festivals []).
Une Crète historique, qui se profile solidement derrière la Crète idéale, telle que l’ont ima-
ginée les philosophes (là-dessus, voir P. Perlman, « Imagining Crete », dans : M. H. Hansen
(éd.), The Imaginary Polis. Symposium, January -, , Acts of the Copenhagen Polis Cen-
ter [] -). La fascination exercée par la Crète sur les philosophes et historiens
postérieurs ne se comprendrait pas si les Doriens de l’île n’avaient pas offert, dans la réalité,
des modèles politiques très construits.
110 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
de ces rites et leur transfert dans un nouvel horizon, celui de la polis, que la Crète
a dû occuper une place éminente, elle qui est restée, dans le souvenir des Doriens,
comme la mère patrie, d’où provenaient les législateurs et donc les prototypes.
Les traditions communautaires doriennes et les coutumes matrimoniales qui
en étaient la plus forte expression allaient, par agglomération, s’enrichir assez faci-
lement des légendes de l’argeia mycénienne, qui toutes, elles aussi, tournaient peu
ou prou autour du mariage ou des naissances perturbées, sans que cela doive nous
surprendre : la base de toute société, de toute communauté humaine tradition-
nelle, est la nécessaire union des hommes et des femmes. Inévitablement l’histoire
d’une société est donc celle des générations qui se succèdent, de pères et mères en
filles et fils : Pausanias n’est guère plus que le témoin tardif de la mise en scène de
ces innombrables filiations à l’origine des cités, chaque fois particulières certes,
mais constamment répétées à l’identique. C’est donc en analysant prioritairement
les familles légendaires que l’on peut réinvestir leur histoire. Quand elle s’écrit par
le truchement de héros, elle n’est pas directement réelle, mais nous renseigne sur
les strates référentielles d’une construction médiatisée par les mythes. Les référen-
ces aux données légendaires deviennent ainsi fondamentalement « historiques » :
même si elles ne s’inscrivent pas dans un donné immédiatement temporel, elles
nous indiquent les différents « moments » d’une construction symbolique, à ce
titre plus authentique que la banale réalité. C’est l’Argolide qui de toute évidence
a été le point de convergence mythique de cette construction consciente, avec
deux pôles : Lerne et sa légende des Danaïdes d’une part,¹⁰³ l’argeia mycénienne
et la légende de Persée-Gorgophonè d’autre part. Du premier complexe viennent
Démèter, Poseidon, Dionysos¹⁰⁴ et Aphrodite, non point en ordre dispersé mais
comme éléments constitutifs d’un mini-panthéon, au caractère « éleusinien » très
marqué,¹⁰⁵ dont les Doriens ont souligné la cohérence et le caractère infernal par
Sur l’intégration des Danaïdes comme ancêtres fictifs à Argos, voir l’étude de C. Auffarth,
« Constructing the Identity of the Polis : The Danaides as ‹Ancestors› », dans : R. Hägg
(éd.), Ancient Greek Hero Cult. Proceedings of the Fifth International Seminar on Ancient
Greek Cult, - April () -.
Sur l’importance de Dionysos à Lerne, voir Ch. Sourvinou-Inwood, Hylas, the Nymphs,
Dionysos and Others. Myth, Ritual, Ethnicity () -.
De ce point de vue il n’est pas fortuit qu’Ilithyie soit présente aussi bien à Sparte (Pausanias
III, , ) qu’à Argos (Pausanias II, , ), elle dont dérive précisément le nom d’Eleusinion
qui a fini par devenir celui des sanctuaires où elle était vénérée. De ce point de vue le rap-
port entre la Corè soteira de l’Hélos de Sparte et l’Eleusinion du Taygète à Sparte est décisif,
voir supra, n. . Pour l’Éleusis attique, rappelons que les traces de culte n’y remontent pas
avant l’époque archaïque, voir e. a. J. Binder, « The Early History of the Demeter and Kore
Sanctuary at Eleusis », dans : R. Hägg, Ancient Greek Cult Practice from the Archaeological
Evidence. Proceedings of the Fourth International Seminar on Ancient Greek Cult, - Octo-
ber () -. Fort heureusement Pausanias était attiré par les divinités éleusi-
P. Marchetti, Les dieux et héros du dromos dorien 111
niennes et nous a particulièrement bien informé à cet égard, voir J. Heer, La Personnalité de
Pausanias () -, not. p. -.
Oublié par Pausanias pour Argos, mais dont le souvenir est resté vivace à Sparte. Et en
cet Orphée du dromos on verra évidemment l’Orphée primitif, celui dont les chants « ini-
tiaient », même si Pausanias, victime de son temps, en fait un Orphée « thrace ».
La légende de Persée s’est incrustée facilement dans l’horizon dorien, à côté de celle des
Danaïdes, tout de même que l’agôn dromou institué par Danaos devient à Sparte une course
des prétendants à la main de Pénélope, avec référence fondatrice à Danaos.
Dont les différents éléments ont été utilement rassemblés et étudiés par F. Prinz, Grün-
dungsmythen und Sagenchronologie () que développe pour l’Argolide M. Piérart, « Deux
notes sur l’itinéraire argien de Pausanias », Bulletin de correspondance hellénique ()
-.
Mais des trouvailles viennent régulièrement rappeler que la discrétion de Pausanias ne doit
pas être surestimée, cf. J.-Ch. Moretti, dans : Pariente – Touchais (éds.), Argos et l’Argolide,
op. cit. (note ) .
Hippocôon, fils d’Oibalos, deuxième époux de Gorgophonè, était en vérité au départ cer-
tainement indépendant, mais en le donnant pour époux à Gorgophonè, on confisquait le
héros local en l’articulant à la légende fondatrice mise au point en pays argien.
Et aussi à Messène. C’est la conquête ultérieure de la Messénie qui est venue brouiller les
cartes.
L’épigramme récemment découverte (Psychogiou, « Επιτύμβια », op. cit. [note ]) est
venue rappeler l’importance accordée par les Argiens à ce personnage central de l’Adrasteia.
112 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Il suffit de comparer les éléments de Sparte et d’Argos pour constater que les per-
sonnages de la Phoronis et ceux liés aux familles de l’expédition contre Thèbes sont
venus se surimposer, à Argos seulement, aux souvenirs des Danaïdes et de Persée,
au point de les estomper en partie. Ces deux ensembles légendaires complémen-
taires sont toutefois secondaires : leur absence de l’horizon spartiate le démontre
à suffisance. Ils n’appartiennent pas au fonds structurel du dromos, mais n’en sont
qu’un décor adventice, avant tout les témoins des conquêtes argiennes.
On peut donc conclure que la structure mythico-religieuse originale du dromos
« dorien », celle qui s’articule dans le souvenir des Spartiates comme des Argiens
à Épiménidès s’est restructurée autour de Persée et de sa fille Gorgophonè d’un
côté, des Danaïdes de l’autre. L’adaptation de la course matrimoniale à Sparte (elle
devient, à l’imitation de Danaos, une course pour le mariage de Pénélope) ne doit
pas nous détourner de l’essentiel : le prototype qui a servi de référence est bien celui
des Danaïdes, comme le démontre définitivement le même type d’adaptation réa-
lisé à Cyrène où c’est aussi « à l’imitation de Danaos » qu’Antée a marié sa fille.¹¹³
Le référent de base se trouve donc, chaque fois, adapté à des légendes épichoriques
mais il reste bien le prototype. L’habillage héroïque commun des structures du
dromos, à Sparte comme à Argos, montre assez, par ailleurs, que c’est en Argolide,
du moins à partir de mythes et légendes de l’endroit – Persée est un héros mycé-
nien, la légende des Danaïdes est incrustée à Lerne – que le dromos a reçu ses lettres
de noblesse dans le Péloponnèse. Nous retrouvons là des éléments essentiels de
l’habillage culturel des Doriens du Péloponnèse, quand les Doriens y ont nourri
de légendes issues de l’argeia,¹¹⁴ des us et coutumes qui leur étaient propres.¹¹⁵
On ne doutera pas un seul instant, en effet, que les « rites » du dromos fussent
typiquement doriens : leur caractère fortement communautaire ne s’accorde pas
avec les traditions aristocratiques caractéristiques de l’épopée. Ne craignons pas
de conclure : c’est en Crète, en milieu dorien, que les institutions qui aboutirent à
définir le citoyen comme un dromeus ont, logiquement, été structurées, pour deve-
nir un modèle socio-politique accompli. C’est de Crète que ce modèle définitive-
ment élaboré a, logiquement, été transféré dans le Péloponnèse, comme le révèle la
référence à Épiménidès. Mais dans le Péloponnèse les coutumes du dromos ont reçu
L’inscription date des années av. J.-C., c’est-à-dire d’un temps où Argos disputait l’hé-
gémonie de la ligue achéenne à Sicyone.
Comme le narre Pindare, à la fin de la IXe Pythique.
Celle de laquelle dérivait le nom d’« Argiens » donnés aux héros des gestes thébaines et
troyennes.
Ce qui n’a pas exclu qu’on les imite ensuite, notamment à Athènes (qu’il suffise ici de
renvoyer à Cl. Calame, Thésée et l’imaginaire athénien [], qui révèle comment la cité
d’Athènes a construit son univers référentiel), ni que le modèle se propage loin, jusqu’en
Macédoine, où de récentes découvertes offrent des champs nouveaux à la recherche, voir
M. Hatzopoulos, Cultes et rites de passage en Macédoine. Mélétémata ().
P. Marchetti, Les dieux et héros du dromos dorien 113
Qu’il conviendra de confronter systématiquement avec le riche matériau rassemblé et les
stimulantes réflexions proposées dans les volumes des Actes du Copenhagen Polis Center.
On aura soin de ne pas oublier qu’Éleusis était d’abord un sanctuaire dorien.
Cf. R. Turcan, Liturgies de l’initiation bacchique à l’époque romaine. Mémoires de l’Académie
des Inscriptions et Belles-Lettres () dont le commentaire de la documentation figurée
de la Villa Farnésine, p. - et -, relaie l’analyse subtile et adéquate de la méga-
lographie de la Villa des Mystères, p. -, tandis que la documentation épigraphique,
examinée p. -, révèle nettement la nécessité de recourir au vocabulaire grec pour une
exégèse correcte des scènes figurées.
Natur als sakraler Raum in der minoischen Kultur
Diamantis Panagiotopoulos
Unsere Vorstellung von der Andersartigkeit der minoischen Kultur ist sowohl auf
konkreter Evidenz als auch auf deren Fehlen begründet: Nicht nur die vorhande-
nen archäologischen und ikonographischen Zeugnisse, sondern auch eine Reihe
von kulturellen Erscheinungen, die trotz intensiver Forschungsaktivität nicht
dokumentiert werden konnten, haben die wissenschaftliche Erkenntnis einer
bronzezeitlichen Gesellschaft mit einer ganz besonderen Mentalität genährt. Zu
den auffälligsten Lücken in der archäologischen Überlieferung zählt das Fehlen
von Tempeln, jenem monumentalen Aspekt religiöser Praxis, der im Kontext der
orientalischen Kulturen das Erscheinungsbild einer Stadt oder eines Heiligtums
entscheidend prägte. Der künstlich erschaffene sakrale Raum hat in der mino-
ischen Kultur tatsächlich nur spärliche archäologische Spuren hinterlassen. Sieht
man von einzelnen ‚Kultbauten‘ ab, die als architektonisches Konzept sehr beschei-
den und keineswegs distinktiv sind,2 gibt es eigentlich kaum freistehende Tempel.
DOI 10.1515/ARG.2008.006
116 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Minoische Heiligtümer sind uns etwas besser bekannt, doch beschränkt sich hier
die architektonische oder künstlerische Formung der sakralen Sphäre auf umfrie-
dete Kultbezirke oder die Konstruktion von Gebäuden, die verschiedene Zwecke
erfüllten, nur nicht den eines sakralen Raumes für die Austragung von kultischen
Handlungen.3 Kleine Schreine oder Kapellen, die in größere Baukomplexe ein-
gebettet sind, sowie Kulträume in elitären Häusern, Villen oder kleinen Dörfern
sind weniger mit gemeinschaftlicher kultischer Aktivität und kollektiver religiöser
Erfahrung, als vielmehr mit den Belangen einer privaten Pietät zu verknüpfen.4
In all diesen Fällen lässt sich kein religiöses Konzept erkennen, das in architekto-
nischen Formen Ausdruck gefunden hat. Jeder Versuch, dieser recht bescheidenen
und rein zweckmäßigen Architektur symbolische Bedeutung abzugewinnen, wäre
zwecklos gewesen.5 Das rätselhafte Fehlen einer ausgeprägten, symbolisch bela-
denen sakralen Baukunst wird umso problematischer, wenn man an die sehr auf-
wendige architektonische Ummantelung des elitären Lebensraumes denkt, die sich
nicht nur im minoischen Palast, sondern auch in den anspruchsvollen Innenräu-
men von Villen und vornehmen Privathäusern manifestiert. Bei diesen Bauten
kann man die klare Umsetzung eines idealtypischen bautechnischen Konzeptes
erkennen, das man im sakralen Kontext vermisst. Hat sich tatsächlich in der mino-
ischen Kultur keine sakrale Architektur entfaltet, wie wir sie aus anderen Kulturre-
gionen des östlichen Mittelmeers kennen? Trotz des eindeutig negativen archäolo-
gischen Befundes ist bei der Beantwortung dieser Frage Vorsicht geboten. Was uns
zur Vorsicht mahnt, sind verschiedene Architekturdarstellungen, die als Fassaden
Magazintraktes ähnelt und z. T. auch tatsächlich diese Funktion erfüllte, s. hierzu Y. Sakel-
larakis – E. Sakellarakis, Archanes. Minoan Crete in a New Light () -.
A. Lebessi – P. Muhly, „Aspects of Minoan Cult. Sacred Enclosures. The Evidence from the
Syme Sanctuary (Crete)“, Archäologischer Anzeiger , -; A. Lebessi, „A Minoan
Architectural Model from the Syme Sanctuary, Crete“, Mitteilungen des Deutschen Archä-
ologischen Instituts, Athenische Abteilung () -. Zu den minoischen Okkupati-
onsphasen dieses Heiligtums liegen uns sonst nur Vorberichte vor, s. A. Lebessi u. a., „The
Runner’s Ring, a Minoan Athlete’s Dedication at the Syme Sanctuary, Crete“, Mitteilungen
des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung () Anm. -. Vgl.
ferner die minoischen Höhenheiligtümer, auf die im Folgenden näher eingegangen werden
soll.
G. C. Gesell, Town, Palace, and House Cult in Minoan Crete. Studies in Mediterranean
Archaeology (); L. A. Hitchcock, Minoan Architecture. A Contextual Analysis ()
-. Problematisch bleibt die Deutung von Kulträumen in den Palästen von Phaistos
und Malia, die nur von außen zugänglich sind und folglich einen öffentlicheren Charakter
gehabt zu haben scheinen, s. hierzu Hitchcock, a. O. -.
Zur Bedeutung der Architekturcodes (Absonderung, optische Qualifizierung, Monumen-
talität), die den Tempel und seinen Bezirk als sakrale Sphäre in seiner praktischen und
symbolischen Funktion vom übrigen Stadtbild abheben, s. z. B. B. Pongratz-Leisten, Ina
šulmi īrub. Die kulturtopographische und ideologische Programmatik der akītu-Prozession in
Babylonien und Assyrien. Bagdader Forschungen () .
D. Panagiotopoulos, Natur als sakraler Raum in der minoischen Kultur 117
Fangen wir mit einem Axiom an, das eigentlich den Charakter einer Selbstver-
ständlichkeit hat: Jede vormoderne Gesellschaft hat ihre Natur in irgendeiner
Weise sakralisiert. Die Vorstellung vom sakralen Charakter der Natur, von der
Heiligkeit der Mutter Erde, mag sicherlich in den verschiedenen vormodernen
Kulturen in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung auftreten, ist allerdings
überall präsent.7 Insbesondere die religiösen Vorstellungen der Naturvölker sind
durch einen starken seelischen Bezug der Menschen zu ihrer Umwelt geprägt. Die-
ser Grundgedanke über die sakralisierte Natur als Kern des religiösen Kosmos,
den wir auch im Kontext der minoischen Kultur voraussetzten dürfen, kann uns
eigentlich wegen seiner Allgemeinheit nicht wesentlich weiter bringen, wenn es
uns darum geht, das Verhältnis zwischen Mensch und Naturraum in einem spezi-
fischen kulturellen Kontext zu ergründen.
Eine weitaus größere Bedeutung hat in unserem Zusammenhang die Erkennt-
nis, dass der erlebte Raum und dadurch auch die Natur nicht homogen sind. Die
religiöse Bedeutungsgliederung des Raumes hat E. Cassirer in seiner „Philosophie
der symbolischen Formen“ explizit gemacht: „Die Heiligung beginnt damit, dass
aus dem Ganzen des Raumes ein bestimmtes Gebiet herausgelöst, von ande-
ren Gebieten unterschieden und gewissermaßen religiös umfriedet und umhegt
wird.“8 Dieses dualistische Konzept der Strukturierung des erlebten Raumes fand
später durch M. Eliade in seiner bahnbrechenden Abhandlung „Das Heilige und
das Profane“ eine eingehende Behandlung. Das erste Kapitel von Eliades nunmehr
klassischem Text beginnt mit folgenden Worten, die uns eine sehr einfache aber
auch luzide Definition der Spaltung des vom Menschen erlebten Raumes in zwei
Sphären bieten: „Für den religiösen Menschen ist der Raum nicht homogen; er weist
Brüche und Risse auf: er enthält Teile, die von den übrigen qualitativ verschieden
sind […]. Es gibt also einen heiligen, d. h. ‚starken‘, bedeutungsvollen Raum, und
es gibt andere Räume, die nicht heilig und folglich ohne Struktur und Festigkeit,
in einem Wort amorph sind. Mehr noch: diese Inhomogenität des Raumes erlebt
der religiöse Mensch als einen Gegensatz zwischen dem heiligen, d. h. dem allein
wirklichen, wirklich existierenden Raum und allem übrigen, was ihn als formlose
Weite umgibt.“9 Wir dürfen also davon ausgehen, dass jede vormoderne Gesell-
schaft ihren Naturraum in einen sakralen und profanen Raum strukturiert hat. Der
sakrale Raum besteht aus religiösen Bedeutungsorten als Formen ritueller Bünde-
lung und Verdichtung, Orte, die einen Bruch in der Homogenität des Raums
darstellen.10 Eine sakrale Landschaft ist allerdings weit mehr als die Summe der
E. Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen () (zitiert in Bollnow, Mensch
und Raum -). Zum Begriffspaar Heiliges und Profanes als grundlegendem Unter-
scheidungsmerkmal religiösen Denkens s. bereits E. Durkheim, Die elementaren Formen des
religiösen Lebens () -.
Eliade, Das Heilige . Zu profaner und sakraler Raumqualität s. auch A. Schart, „Die
Entgrenzung des heiligen Raumes. Tempelkonzept und Tempelkritik in der biblischen
Tradition“, Pastoraltheologie () : „Der Raum gewinnt seine Gestalt durch die
dynamischen Potenzen, die ihn erfüllen. Eine ganz wesentliche Raumstruktur wird hervor-
gerufen durch die Anwesenheit des Heiligen. Die Manifestation des Heiligen schafft eine
heilige Stätte, die sich scharf aus der profanen Sphäre ausgrenzt. Sie stellt den absoluten
Fixpunkt dar, der zielgerichteter menschlicher Bewegung die Orientierung ermöglicht.“
Eliade, Das Heilige . Zu diesem dualistischen Raumschema und der daraus resultie-
renden Strukturierung von Alltags- und Sakraltopographien s. ferner B. Hauser-Schäublin,
„Raum, Ritual und Gesellschaft. Religiöse Zentren und sozio-religiöse Verdichtungen im
Ritual“, in: Dies. – M. Dickhardt (Hgg.), Kulturelle Räume – räumliche Kultur. Zur Neube-
stimmung des Verhältnisses zweier fundamentaler Kategorien menschlicher Praxis. Göttinger
Studien zur Ethnologie () bes. -. Nach Hauser-Schäublin sind sakrale Land-
D. Panagiotopoulos, Natur als sakraler Raum in der minoischen Kultur 119
schaften als ‚leere Stellen‘ der Alltagstopographie zu begreifen, die menschlichem Handeln
auf permanenter oder temporärer Basis nicht zugänglich sind. Zu heiligen Orten als her-
ausgehobenen Stätten s. ferner Bollnow, Mensch und Raum, .
s. Fickeler, Religionsgeographie ; ferner R. Gehlen, Welt und Ordnung. Zur soziokulturellen
Dimension von Raum in frühen Gesellschaften () -.
s. auch Fickeler, Religionsgeographie . Zu Naturheiligtümern s. ferner G. van der Leeuw,
Phänomenologie der Religion () -.
Diese beiden ersten Parameter der Sakralität können als ‚naturhaft-magische’ und
‚geschichtlich-religiöse Heiligkeit‘ bezeichnet werden, s. Fickeler, Religionsgeographie .
Zu einer stark anthropo- bzw. theozentrisch geprägten Definition des sakralen Ortes, die
nicht vom Potential der Orte selbst ausgeht, s. S. Japhet, „Some Biblical Concepts of Sacred
Place“, in: B. Z. Kedar – R. J. Zwi Werblowsky (Hgg.), Sacred Space. Shrine, City, Land
() -.
Ein gutes Beispiel für diese Option bietet die christliche Liturgiefeier, die nicht auf einen
sakralen Raum angewiesen ist, sondern ihn um sich schafft. Zu religiösen Ritualen als Aus-
lösern eines eigenständigen Raumverständnisses, s. R. Volp, „Das offene Labyrinth. Über
den Wechselbezug zwischen Raum- und Ritualbewusstsein“, in: Th. Nißlmüller – R. Volp
(Hgg.), Raum als Zeichen. Wahrnehmung und Erkenntnis von Räumlichkei. Ästhetik – Theo-
logie – Liturgik () .
s. hierzu auch H. Cancik, „Rome as Sacred Landscape. Varro and the End of Republican
Religion in Rome“, Visible Religion - (-) : „Sacred landscape is a constella-
tion of natural phenomena constituted as a meaningful system by means of artificial and
120 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
minoischen Kreta könnte man mit guten Gründen für erstere Option plädieren
und die sakrale Potenz der minoischen heiligen Stätten mit der besonderen phy-
siognomischen Qualität eines Ortes in Beziehung setzen. Was uns dazu veranlasst,
ist vordergründig der besondere Charakter der kretischen Landschaft, auf den im
Folgenden näher eingegangen wird. Gemäß dieser Deutung wären die minoischen
Rituale keine Mittel zur Erzeugung von Sakralität, sondern schlicht eine Bestä-
tigung dieser Sakralität. Dabei lässt sich natürlich keineswegs ausschließen, dass
auch in der minoischen Gesellschaft sakrale Orte entweder als Schauplätze einer
mythischen Episode begriffen oder durch Rituale an einer beliebigen Stelle des
homogenen Raumes erzeugt werden konnten. Diese beiden Optionen der Sakrali-
sierung lassen sich allerdings ohne schriftliche Quellen kaum belegen.
3. Die kretische Landschaft: Diversität der Natur und ihr sakrales Potential
Verlassen wir diese theoretische Ebene und versuchen wir in einem ersten Anlauf
zu unserer Problematik einen kursorischen Blick auf die Materialität der kretischen
Landschaft zu werfen.16 Welche sind die natürlichen Eigenschaften dieses Natur-
raumes und wie helfen sie uns, das Spezifikum der minoischen naturnahen Reli-
gion greifbar zu machen? Die kretische Landschaft zeichnet sich besonders durch
Vielfalt und einen menschlichen Maßstab der Dinge aus. Vielfalt erkennt man an
den stets abwechselnden naturräumlichen Elementen, an den zahlreichen Bezugs-
punkten des Blickes, an den bewegten und immer ungeraden Linien der Hügel und
Berge, die das Erscheinungsbild der Insel dominieren (Abb. 1). Die Landschafts-
formen haben durch ihre Kleinkammerigkeit einen menschlichen Maßstab, da
religious signs, by telling names or etiological stories fixed to certain places, and by rituals
which actualize the space.“ Pongratz-Leisten unterscheidet in diesem Zusammenhang zwi-
schen zwei Formen der Sakralisierung eines Ortes: a) eine ‚Mythologisierung‘, die sich auf
die Ebene der mythischen Erzählungen bezieht, und b) eine ‚Ritualisierung‘, die sich durch
symbolische Handlungen vollzieht, s. Pongratz-Leisten, Ina šulmi īrub, a. O. (Anm. ) -
. Diese begriffliche Unterscheidung zeigt eine spürbare Referenz zur Zweiteilung der
numinosen Orte K. Hübners in solche, die in den profanen Raum eingebettet sind, und
solche, die für die Menschen unzugänglich sind, s. K. Hübner, Die Wahrheit des Mythos
() f. Man darf hier vermuten, dass Erstere in der Regel ritualisiert, Letztere hinge-
gen mythologisiert wurden.
Hier muss einleitend angemerkt werden, dass im Fall Kretas, einer dramatischen Inselland-
schaft voller Kontraste und enormer Höhenunterschiede, die Diskrepanz zwischen dem
abstrakten geometrischen Raum, den unsere Karten wiedergeben, und dem hodologischen
Raum, nämlich dem erlebten, durch Wege erschlossenen geographischen Raum, gravie-
rend ist. Täler, Schluchten, kleine Anhöhen, Hügel und Bergketten machen das kretische
Land weitaus größer, vielfältiger und letztendlich ganz andersartig als das durch Karten
vermittelte Bild. Zum hodologischen Raum s. Bollnow, Mensch und Raum -.
D. Panagiotopoulos, Natur als sakraler Raum in der minoischen Kultur 121
Die Sakralität, die einem besonderen Ort von Natur aus anhaftet, seine ‚naturhaft-
magische‘ Heiligkeit (s. o. Anm. ), kann man als eine zeit- und religionsunabhängige
Konstante betrachten, s. Bollnow, Mensch und Raum . Zu dieser ‚Beharrungsregel‘
sakraler Räume s. Fickeler, Religionsgeographie .
Zum Naturraum als ästhetischer Kategorie s. G. Böhme, Atmosphäre. Essays zur neuen Ästhe-
tik () -. Landschaftsformationen, die von der Phantasie der Menschen belebt
und mit dem Numinosen in Verbindung gebracht werden, bilden seit jeher die religiösen
Verankerungsorte der erfahrbaren und konstruierten Welt einer gesellschaftlichen Gruppe.
Zur Landschaft und Religion s. u. a. van der Leeuw, Phänomenologie, a. O. (Anm. ) ;
G. Rinschede, Religionsgeographie () -; ferner A. Michaels, „The Sacredness of
(Himalayan) Landscapes“, in: N. Gutschow u. a. (Hgg.), Sacred Landscape of the Himalaya.
Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-Hist. Klasse. Denkschriften () -
. Als Bestandteil der imaginären religiösen Topographie des minoischen Kreta darf auch
das Meer betrachtet werden. Auffallend ist in diesem Zusammenhang die Dominanz von
122 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
len, dass der genius loci Ausgangspunkt einer religiösen Empfindung und damit der
Sakralisierung eines Ortes sein kann. In einer in rezenten Studien viel zitierten Pas-
sage aus seinen Briefen hat Seneca den numinosen Charakter und die Atmosphäre
von Naturorten sehr treffend erfasst: „Wenn du einem Haine nahest, der durch
zahlreiche alte und ungewöhnlich hohe Bäume ausgezeichnet ist und in dem der
Schatten der einander bedeckenden Zweige den Eindruck des Himmelsdaches her-
vorruft: die schlanke Höhe der Bäume, das geheimnisvolle Dunkel des Orts, die
Bewunderung des so augenscheinlich dichten und durch nichts unterbrochenen
Schattens ruft in dir den Glauben an eine Gottheit wach. Und wo eine tiefe Grotte
sich unter überhängenden Felsen in den Berg hineinzieht, nicht von Menschen
gemacht, sondern durch Naturkräfte so weit ausgehöhlt, wird deine Seele von der
Ahnung des Göttlichen durchlebt werden. Großer Flüsse Ursprung verehren wir.
Wo irgendwo unvermittelt ein gewaltiger Strom hervortritt, stehen Altäre. Vereh-
rungswürdig sind warme Quellen, und manchen Seen hat schattiges Dunkel oder
unergründliche Tiefe Heiligkeit verliehen.“19 Die kretische Landschaft besitzt eine
Fülle von solchen Orten, die einen idealen Schauplatz für die Begegnung mit dem
Numinosen bieten, und hat somit ein hohes sakrales Potential.20
Trotz der Gefahr, in einen geodeterministischen Ansatz zu verfallen, dürfte
man eine Gegenüberstellung zwischen der kretischen und der ägyptischen Land-
schaft bezüglich ihres potentiellen Einflusses auf die religiöse Praxis wagen. Der
Vielfalt und Abwechselung, den bewegenden Umrissen, den zahlreichen und klar
abgegrenzten besonderen Orten Kretas steht die Einförmigkeit der Nillandschaft
mit den sich ins Unendliche fortsetzenden horizontalen Achsen der Landschafts-
elemente gegenüber: der Fluss, der schmale fruchtbare Landstrich an seinen Ufern
und die Wüste. Der Nil, die Lebensquelle Ägyptens, fließt langsam, größtenteils
geradlinig, in einer festgesetzten, unveränderten Richtung und strahlt keine Dyna-
mik, sondern Beständigkeit aus. In diesem sehr stark homogenen Naturraum sind
besondere Orte, die sich durch einen wirkungsvollen genius loci von der Einförmig-
keit ihrer Umgebung auszeichnen, rar. Es wäre nicht ganz abwegig zu vermuten,
dass man in einer solchen natürlichen Umgebung den sakralen Raum in den mei-
sten Fällen künstlich erschaffen, d. h. architektonisch gestalten musste, damit er als
ein bedeutungsvoller Ort, als Haus Gottes oder als Schnittstelle zwischen Gott und
Mensch wahrgenommen werden konnte. Im geographischen Kontext der mino-
ischen Kultur scheint auf der anderen Seite ein solcher architektonischer Eingriff
in das natürliche Milieu meist überflüssig gewesen zu sein. Vielleicht hatten die
Minoer kein besonders ausgeprägtes Bedürfnis, einen Tempel als Haus Gottes und
Kristallisationspunkt religiöser Erfahrung zu bauen, da ihnen die Natur so viele
Orte mit enormer suggestiver Kraft bot. Diese Gegenüberstellung mag vielleicht
zu vereinfacht klingen, doch kann es keinen Zweifel daran geben, dass die natürli-
che Umwelt einen gewissen Einfluss auf religiöse Vorstellungen ausübt.
Damit berühren wir eine Frage, die noch im Mittelpunkt aktueller theolo-
gischer und religionsgeschichtlicher Debatten steht.21 Der dialektische Prozess
zwischen einem religiösen Menschen und der Natur ist dabei unumstritten – das
Problem ist allerdings, wie stark das geographische Milieu die Essenz einer Reli-
gion beeinflusst. Es besteht ein gewisser Konsens darüber, dass die Gestalt des
Naturraumes das religiöse Verhalten zwar nicht formt, es dafür aber auf eine ganz
besondere Weise färbt und ihm je nach geographischem Raum und Gesellschaft
ein besonderes Lokalkolorit verleiht.22 Es wäre daher legitim zu vermuten, dass
sich die Wirkung der Geofaktoren vordergründig im Bereich der Handlungswei-
sen (Riten) und nicht in dem der Glaubensvorstellungen entfaltet.23 Auf diese Prä-
misse stützen sich nachfolgende Überlegungen zu den Interdependenzen zwischen
Religion und Raum in der minoischen Kultur.
Zu einer sehr einleuchtenden Behandlung dieses Problems s. Gehlen, Welt und Ord-
nung, a. O. (Anm. ) -, der eine sehr vorsichtige Haltung gegenüber Theorien zur
Umweltabhängigkeit der Religion einnimmt; s. ferner Rinschede, Religionsgeographie, a. O.
(Anm. ) -; M. Schwind, „Einleitung: Über die Aufgaben der Religionsgeogra-
phie“, in: Ders. (Hg.), Religionsgeographie () -. Zu einer überblickenden Darstellung
über die Entstehung und Entwicklung derartiger religionsgeographischer Vorstellungen
von der Antike bis in die Gegenwart s. Rinschede, Religionsgeographie, a. O. (Anm. ) -
.
s. hierzu Rinschede, Religionsgeographie, a. O. (Anm. ) . -; Marinatos, Ritual,
a. O. (Anm. ) : „Expression of religious feeling is, to a great extent, induced and
shaped by the natural environment.“
Zu diesen beiden elementaren Kategorien religiöser Phänomene s. Durkheim, Die elemen-
taren Formen, a. O. (Anm. ) .
124 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Die einzige umfassende ethnologische Studie zur Bergverehrung liegt bereits über ein
Jahrhundert zurück, s. F. v. Andrian, Der Höhencultus asiatischer und europäischer Völker.
Eine ethnologische Studie (), bes. S. XIII-XXXIV; s. ferner F. Tichy, Die geordnete Welt
indianischer Völker. Ein Beispiel von Raumordnung und Zeitordnung im vorkolumbianischen
Mexiko () -; E. Bernbaum, Sacred Mountains of the World () [dem Verf.
nicht zugänglich]; A. Cooper, Sacred Mountains. Ancient Wisdom and Modern Meanings
(). Zur kosmologischen und rituellen Bedeutung der Berge in verschiedenen Reli-
gionen s. Fickeler, Religionsgeographie -; I. Hori, Folk Religion in Japan. Continuity
and Change () -; P. Gerlitz, „Buddhisten in Shintoschreinen“, in: M. Büttner
(Hg.), Miteinander, Nebeneinander, Gegeneinander. Vielfalt religiöser, ethnischer, kulturel-
ler Gruppen und deren Beziehung zueinander im gemeinsamen Lebensraum. Ein Beitrag zur
Geographie der Geisteshaltung () -; Rinschede, Religionsgeographie, a. O. (Anm.
) -; Horden – Purcell, Corrupting Sea, a. O. (Anm. ) -. Zur Bedeutung
der Höhendimension in der biblischen Religion s. Schart, „Die Entgrenzung des heiligen
Raumes“, a. O. (Anm. ) -. Zur mythischen bzw. sakralen Dimension der Berge
im antiken Griechenland s. R. G. A. Buxton, „Imaginary Greek Mountains“, Journal of
Hellenic Studies () -; ders., Imaginary Greece () -. -.
Eliade, Das Heilige .
s. v. Andrian, Höhencultus, a. O. (Anm. ) S. XVI: „Die an den Berggipfeln hervortre-
tenden Lichterscheinungen, das wechselvolle Spiel der Wolken an den Höhen bezeugen
gleichsam das innige Verhältnis der Berge zu dem Himmel. Dieser überirdische Charakter
wird durch die Schwierigkeit der Annäherung, durch die über hohen Bergspitzen ausgegos-
sene erhabene Ruhe noch verstärkt.“
D. Panagiotopoulos, Natur als sakraler Raum in der minoischen Kultur 125
Besiedlung und als Lebensraum, in dem die Götter ihre Jugend verbrachten.27 Ihre
Entfernung von der urbanen Sphäre, ihre Abgeschiedenheit, das was Horden und
Purcell sehr treffend als „frightening detachment from the normal conditions of
life“28 bezeichneten, machen die Berge zu den wichtigsten Schauplätzen religiöser
und mythischer Aktion. Die in der kretischen Landschaft sehr klar umrissenen
Grenzen zwischen Flachtälern und Bergketten fassen die verschiedenen menschli-
chen Lebens- und Wirkungsbereiche sehr klar ein, unterscheiden den auf intensive
Weise wirtschaftlich erschlossenen und bewohnbaren Lebensraum von der Wild-
nis der Berge und verstärken dadurch den Eindruck einer bedeutungsvollen räum-
lichen Differenzierung, einer primordial strukturierten Welt. Der Berganstieg ist
auf Kreta immer eine ganz besondere Erfahrung, das Eindringen in eine andere
Welt, gewesen. Es liegt daher nahe zu vermuten, dass sich auch auf Kreta der
größte Teil des religiösen Geschehens in den Bergen abgespielt hat und dass diese
Gebirgsräume die Regionen waren, die dichter mit sakralen Orten besetzt wurden.
Die Ebenen gehörten offensichtlich größtenteils zum – im Sinne Eliades – amor-
phen, symbolisch nur schwach besetzten und strukturlosen Teil des erlebten Rau-
mes, eine ‚profane Provinz‘, die sich vor allem nicht durch Ritualaktion, sondern
durch „zweckrational und technologisch motiviertes Handeln“29 zur Bewältigung
des Alltags auszeichnete.
Als eine Versinnbildlichung der Sakralität der kretischen Berge oder eines
bestimmten kretischen Berges in minoischer Zeit könnte ein neupalastzeitlicher
Siegelring betrachtet werden, von dem nur seine Abdrücke aus dem Palast von
Knossos bekannt sind: Eine Göttin (Mother of the Mountain) steht auf einem kegel-
förmigen Steingebilde – offensichtlich einem Hügel oder Berg –, an deren beiden
Seiten sich je ein Löwe mit den Pfoten aufstützt (Abb. 2).30 In einer ähnlichen
Darstellung (Master Impression) sehen wir eine männliche Gestalt in einem gebie-
terischen Gestus, die auf einem Gebäude steht, welches ebenfalls auf einem Hügel
bzw. einer Felsstruktur errichtet ist.31 Auch wenn die Entzifferung der hier entfalte-
s. hierzu H. Verbruggen, Le Zeus crétois () -, mit Verweisen auf die einschlägigen
antiken Quellen.
s. zuletzt K. Sporn, Heiligtümer und Kulte Kretas in klassischer und hellenistischer Zeit. Stu-
dien zu Antiken Heiligtümern () - (mit ausführlichen Literaturangaben).
Γ. Σακελλαράκης, „Εκατό χρόνια έρευνας στο Ιδαίο Άντρο“, Archaiologike Ephemeris
() .
A. Karetsou, „The Peak Sanctuary of Mt. Juktas“, in: R. Hägg – N. Marinatos (Hgg.),
Sanctuaries and Cults in the Aegean Bronze Age. Proceedings of the First International Sympo-
sium at the Swedish Institute in Athens, - May . Acta Instituti Atheniensis regni Sue-
ciae , () -. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Überlieferung
vom Berg Jouchtas als Grabstätte des kretischen Zeus, die sich allerdings nicht bis in die
Antike verfolgen lässt, s. hierzu Sakellarakis – Sakellarakis, Archanes, a. O. (Anm. ) -;
Verbruggen, Zeus Crétois, a. O. (Anm. ) -.
D. Panagiotopoulos, Natur als sakraler Raum in der minoischen Kultur 127
Die Signifikanz dieser geographischen Faktoren lässt sich sehr gut im Fall der
minoischen Höhenheiligtümer nachvollziehen. Sie stellen den wichtigsten Typus
eines minoischen Heiligtums dar, den man archäologisch gut fassen kann.36 Solche
Höhenheiligtümer sind auf der ganzen Insel verstreut und zeigen in ihrer überwie-
genden Mehrheit eine minimale bauliche Ausgestaltung – sie werden nicht einmal
durch eine Temenos-Mauer vom profanen homogenen Raum ausgegrenzt. Auch
in den wenigen Höhenheiligtümern, die mit einfachen Bauten ausgestattet waren,
fanden die Kultaktivitäten offensichtlich im Freien statt. Diese sakralen Orte lagen
– bis auf vereinzelte Ausnahmen – nicht auf den höchsten Gipfeln der kretischen
Bergketten, sondern auf niedriger gelegenen Anhöhen, die vor allem folgende Vor-
aussetzungen erfüllten mussten:
a) prominente Lage (auffallende, dominante, weithin sichtbare Gipfel oder
Anhöhen),
b) Visibilität (Blickkontakt zu einer oder mehreren Siedlungen oder zu einem
oder mehreren Höhenheiligtümern),
c) leichter Zugang von den benachbarten Siedlungen aus,
d) Nähe zu Acker- oder Weideland und somit zur Lebensgrundlage der lokalen
Bevölkerung.37
Es wird dadurch ersichtlich, dass zur Auswahl des heiligen Ortes keine kosmolo-
gische, sondern vor allem wahrnehmungspsychologische oder ganz pragmatische
Überlegungen ausschlaggebend waren.38 Die symbolische Strukturierung der kreti-
schen Landschaft war also nicht nur religiösen, sondern auch sozio-ökonomischen
Ordnungsprinzipien unterworfen.39
Neben den Höhenheiligtümern boten Höhlen einen bevorzugten Ort kulti-
scher Aktivität.40 Höhlen besitzen von Natur aus einen liminalen Charakter und
können daher als Schnittstellen zwischen der realen und der transzendentalen Welt
fungieren.41 Der Abstieg in eine große Kulthöhle war sicherlich eine besondere
Erfahrung. Kein gebauter Tempel kann suggestiver wirken als ein dunkler, feuchter,
unterirdischer Raum, dessen tief gelegenen Kultplatz man durch einen engen, steil
absteigenden Korridor erreichte. Stalagmiten, die eine menschen- oder tierähnli-
che Form aufwiesen, erhielten offensichtlich eine religiöse oder kultische Bedeu-
tung als göttliche Erscheinungen und wurden entweder innerhalb einer Höhle
durch Weihungen markiert oder durch eine Temenos-Mauer hervorgehoben. In
der Psychro-Kulthöhle waren Doppeläxte als Votive oder sakrale Markierungen
in die Stalagmiten eingetieft.42 In der Eileithyia-Höhle in Amnissos waren zwei
Stalagmiten vielleicht bereits in minoischer Zeit durch eine kleine Temenos-Mauer
eingegrenzt.43
Das nach unserem jetzigen Kenntnisstand bedeutendste eigenständige – d. h.
nicht in einen profanen architektonischen Komplex eingebettete – minoische Hei-
s. hierzu L. V. Watrous, The Cave Sanctuary of Zeus at Psychro. A Study of Extra-urban Sanc-
tuaries in Minoan and Early Iron Age Crete. Aegaeum () -; A. Peatfield, „After
the ‚Big Bang‘ - What? or Minoan Symbol and Shrines beyond Palatial Collapse“, in: S. E.
Alcock – R. Osborne (Hgg.), Placing the Gods. Sanctuaries and Sacred Space in Ancient
Greece () . Interessanterweise haben ähnliche Überlegungen die Auswahl sakraler
Orte auf Kreta auch in späteren Perioden, sogar bis in die Gegenwart, geleitet. Die neu-
zeitlichen oder modernen kleinen Kapellen, die überall auf der Insel verstreut sind, fehlen
merkwürdigerweise in den hohen, schwer zugänglichen und ökonomisch uninteressanten
Regionen des Psiloritis und der Weißen Berge. In Madares, einer kahlen und im Winter
unzugänglichen Region der Weißen Berge, gibt es keine einzige Kapelle, s. Nixon, Making
a Landscape Sacred, a. O. (Anm. ) -.
Zu kretischen Höhlen als Kultstätten in minoischer Zeit s. Rutkowski, Cult Places, a. O.
(Anm. ) -; Marinatos, Ritual, a. O. (Anm. ) -; Watrous, Cave Sanctuary,
a. O. (Anm. ) -.
Zu Höhlen als Schnittstellen zwischen der menschlichen und der göttlichen Sphäre, s.
E. L. Tyree, „Diachronic Changes in Minoan Cave Cult“, in: Laffineur – Hägg, POTNIA,
a. O. (Anm. ) . Zur mythischen und kultischen Bedeutung von Höhlen im antiken
Griechenland s. R. G. A. Buxton, Imaginary Greece () -.
Rutkowski, Cult Places, a. O. (Anm. ) -. Zum minoischen Kult in Psychro s.
Watrous, Cave Sanctuary, a. O. (Anm. ) -. Zur kultischen Bedeutung von Stalag-
miten s. N. E. Πλάτων, „Περὶ τῆς ἐν Κρήτη λατρείας τῶν σταλακτιτῶν“, Archaiologike
Ephemeris () -.
s. Πλάτων, „Περὶ τῆς λατρείας“, a. O. (Anm. ) - Abb. ; Rutkowski, Cult
Places, a. O. (Anm. ) -.
130 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
ligtum befindet sich in Symi Viannou (Ost-Kreta).44 Die Kultterrasse und der / die
Kultgebäude der minoischen Benutzungsphase liegen unterhalb jüngerer Schich-
ten aus dem 1. Jt. v. Chr., als dieses Quellheiligtum als Kultstätte von Hermes und
Aphrodite besondere Bedeutung erlangte.45 An dieser Stelle muss betont werden,
dass dieses eindrucksvolle Bild einer Kultkontinuität keine Regel, sondern eher
die Ausnahme darstellt. Es ist sicherlich merkwürdig, dass es auf fast keinem ein-
zigen minoischen Höhenheiligtum Anzeichen eines Kultes nach dem Ende der
minoischen Ära gibt.46 Die einzige plausible Erklärung für diesen Umstand wäre
die vorhin angesprochene Bedeutung der sozio-ökonomischen Aspekte des Kultes,
wonach die Auswahl der Kultplätze nicht nur von religiösen oder kosmologischen
Überlegungen, sondern auch von den Besiedlungsmustern determiniert wurde.
5. Sakrale (Tat-)Orte
Werfen wir nun einen Blick auf das Individuum und die Interaktion zwischen
Mensch und Raum innerhalb einer sakralen Sphäre. Die Bilderwelt belehrt uns,
dass die wichtigsten Zeremonien der minoischen Religion stets in eine landschaft-
liche Umgebung eingebettet waren und im Freien, in einigen Fällen vor einem
Kultbau oder Schrein, stattfanden.47 Auf einem reliefierten Steingefäß aus Knossos
wird die Kulisse dieser Rituale mit semantisch sehr klaren Mitteln ins Bild gesetzt:48
Wir sehen eine Temenos-Mauer, die den Bereich des Heiligtums abgrenzt, in des-
sen Mitte ein Altar steht (Abb. 4). Im Hintergrund erscheint ein Baum, der viel-
leicht in einem inneren Bereich des Heiligtums – vermutlich einem heiligen Hain
– lag.
Im Mittelpunkt dieser Kultpraxis stand ein ekstatisches Ritual, bei dem Ado-
ranten bzw. Priester als Hauptakteure aufgetreten sind.49 Die hier stattfindende
Ritualaktion hatte drei Bestandteile: das kräftige Schütteln eines Baums, einen eks-
tatischen Tanz oder kräftiges Schwingen des Körpers sowie das Berühren, Umar-
Zu den Baityloi s. Warren, Minoan Religion, a. O. (Anm. ) -; ders., „Of Bae-
tyls“, Opuscula Atheniensia () -; Θ. Ηλιόπουλος, „Ο Υστερομινωικός
ΙΙΙΓ ‚ομφαλόεις‘ βωμός της Κεφάλας Βασιλικής“, in: Βλαχόπουλος – Μπίρταχα,
Αργοναύτης, a. O. (Anm. ) -. Zu heiligen Bäumen und ihrer kultischen Vereh-
rung s. M. P. Nilsson, The Minoan-Mycenaean Religion and its Survival in Greek Religion²
() -; B. Rutkowski, „Der Baumkult in der Ägäis“, Visible Religion ()
-; Eliade, Das Heilige ; N. Marinatos, „The Tree as a Focus of Ritual Action in
Minoan Glyptic Art“, in: W. Müller (Hg.), Fragen und Probleme der bronzezeitlichen ägä-
ischen Glyptik. Beiträge zum . Internationalen Marburger Siegel-Symposium, .-. Septem-
ber . Corpus minoischer und mykenischer Siegel, Beih. () -; W. Pötscher,
Aspekte und Probleme der minoischen Religion. Ein Versuch () .
„[…] con furore orgiastico“ wie es L. Savignoni treffend ausdrückte, s. L. Savignoni, „Scavi
e scoperte nella necropoli di Phaestos“, Monumenti antichi () (zitiert in War-
ren, Minoan Religion, a. O. [Anm. ] ).
Nilsson, Minoan-Mycenaean Religion, a. O. (Anm. ) -; R. Hägg, „Die göttliche
Epiphanie im minoischen Ritual“, Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts,
Athenische Abteilung () . ; A. Evans, The Palace of Minos at Knossos III ()
-. ; Marinatos, Ritual, a. O. (Anm. ) ; B. Gladigow, „Epiphanie, Statuette,
Kultbild. Griechische Gottesvorstellungen im Wechsel von Kontext und Medium“, Visible
Religion () .
Zum Epiphanie-Gestus der am Ritualgeschehen beteiligten Personen s. Gladigow, „Epi-
phanie“, a. O. (Anm. ) . ; zur spiegelbildlichen Symmetrie des Gestus der Göttin
und der Kultpersonen s. auch E. Brandt, Gruß und Gebet. Eine Studie zu Gebärden in der
minoisch-mykenischen und frühgriechischen Kunst () -.
Hier soll angemerkt werden, dass der von Eliade bevorzugte Begriff ‚Hierophanie‘, die
„von Menschen wahrnehmbare oder empfundene Manifestation des Heiligen“, eine bes-
sere Alternative als das semantisch neutrale Wort ‚Epiphanie‘ bietet, s. Eliade, Das Heilige
.
Das bekannteste Beispiel dieser Epiphanie-Szenen stellt der Goldring aus dem Kammer-
grab von Isopata dar. Zu dieser Darstellung und den damit verbundenen Interpretations-
problemen s. C. D. Cain, „Dancing in the Dark: Deconstructing a Narrative of Epiphany
on the Isopata Ring“, American Journal of Archaeology () -. Trotz Cains
berechtigter Kritik an bisherigen Versuchen, die narrative Struktur dieser Szene zu rekons-
truieren, bleibt die traditionelle Deutung als göttliche Epiphanie die plausibelste.
132 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Anstelle des Begriffs ‚Ekstase‘ bevorzugen Chr. Morris und A. Peatfield den neutraleren
Terminus altered state of consciousness, s. Chr. Morris – A. Peatfield, „Feeling through the
Body. Gesture in Cretan Bronze Age Religion“, in: Y. Hamilakis – M. Pluciennik – S. Tar-
low (Hgg.), Thinking through the Body. Archaeologies of Corporeality () ; s. hierzu
auch C. T. Tart (Hg.), Altered States of Consciousness ().
s. hierzu auch F. Matz, Göttererscheinung und Kultbild im minoischen Kreta. Akademie der
Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Abhandlungen der Geistes- und Sozialwissen-
schaftlichen Klasse () ; ferner Marinatos, Ritual, a. O. (Anm. ) . Entschei-
dend ist aus soziologischer Sicht nicht der Trance-Zustand des Einzelnen, sondern die reli-
giöse Exaltation der dem Ritual beiwohnenden Gruppe, s. Lewis, Anthropologic Study, a. O.
(Anm. ) -.
Diese orgiastischen oder schamanistischen Aspekte der minoischen Religion, die bereits
von A. Evans und seiner Generation erkannt wurden, rückten erst in den letzten Jahren
wieder in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit, s. A. Peatfield, „Divi-
nity and Performance on Minoan Peak Sanctuaries“, in: Laffineur – Hägg, POTNIA, a. O.
(Anm. ) -.
D. Panagiotopoulos, Natur als sakraler Raum in der minoischen Kultur 133
verschiedene Modi des Räumlichen bezogen sind“.61 Er unterstrich, dass man mit
dem Tanz ein verändertes Verhältnis zum Raum gewinne: „Beim Gehen bewegen
wir uns durch den Raum, von einem Ort zum andern, beim Tanzen bewegen wir
uns im Raum.“62 In diesem durch das Tanzen erschaffenen und erlebten Raum, der
sich vom alltäglichen Zweckraum absetzt, vollzieht sich die „Aufhebung der zwi-
schen Subjekt und Objekt, Ich und Welt bestehenden Spannung“ – der Mensch
wird selber gewissermaßen ein Teil dieses Raums.63 Eine weitere Beobachtung von
Straus ist schließlich im Kontext der minoischen ekstatischen Rituale von beson-
deren Bedeutung: „Dass die Tanzbewegung keine zeitliche Grenze kennt, dass sie
erst durch die Erschöpfung oder Ekstase beendet wird, das ist überall zu beobach-
ten, wo der Tanz noch nicht zum Gesellschafts- oder Kunsttanz geworden ist.“64
Der aus räumlicher Sicht zweckfreie Tanz, diese in B. Waldenfels’ Worten „Sus-
pendierung von Bewegungszielen und Bewegungsumständen“,65 trägt als Medium
eines veränderten Verhältnisses zum Raum das Potential einer tiefen metaphy-
sischen Erfahrung.66 Diese religiöse Sinndimension des Tanzens wäre mit dem
oben erläuterten Charakter der minoischen heiligen Räume als Stimmungsräume,
die ihre Sakralität der atmosphärischen Wirkung der von Menschen wahrgenom-
men Natur verdankten, völlig kongruent. Der ekstatische Tanz als Entrücken von
der alltäglich-praktischen Welt des zweckhaften Handelns, als tiefe metaphysische
Erfahrung, war herausgehoben aus dem historischen Geschehen67 und zielte auf
die Vereinigung des Menschen mit dem Raum. Diese nachvollziehbare körper-
liche und mentale Erfahrung dürfte man als reale Grundlage des minoischen Epi-
phanie-Rituals betrachten: Raumwahrnehmung als Ausgangspunkt des Sakralen,
zweckfreies Bewegen in diesem Raum mit dem Ziel, eins mit diesem Raum zu
werden, ekstatische Erfahrung als Höhepunkt dieser Erfahrung, die schließlich in
der visionären Erscheinung des Göttlichen gipfelte. Es ist vielleicht überflüssig auf
den krassen Gegensatz hinzuweisen zwischen diesem ekstatischen Ritual, dessen
Potenz in leiblich ergreifenden Gefühlen besteht, und einer kultischen Prozession,
Straus, „Formen des Räumlichen“, a. O. (Anm. ) ; s. hierzu auch B. Waldenfels,
„Sichbewegen“, in: G. Brandstetter – Chr. Wulf (Hgg.), Tanz als Anthropologie () :
„Der Tanz lebt von den Überschüssen einer Beweglichkeit, die sich nicht in Zwecken und
Regeln fassen lässt. Er ist zweck- und regellos, gemessen an den Zwecken und Regeln des
gewöhnlichen Lebens.“
Straus, „Formen des Räumlichen“, a. O. (Anm. ) .
Bollnow, Mensch und Raum . Wenn der Mensch eins mit dem Raum wird, lässt sich
Natur nicht als ‚Umwelt‘, sondern als ‚Mitwelt‘ – eine in vielen vormodernen Gesellschaft
übliche Vorstellung – begreifen.
Straus „Formen des Räumlichen“, a. O. (Anm. ) .
Waldenfels, „Sichbewegen“, a. O. (Anm. ) .
s. auch Bollnow, Mensch und Raum, -.
Straus, „Formen des Räumlichen“, a. O. (Anm. ) nennt diese aus dem historischen
Geschehen herausgehobene Zeitdimension ‚präsentische Zeit‘.
D. Panagiotopoulos, Natur als sakraler Raum in der minoischen Kultur 135
der Quintessenz einer eher nüchternen Beziehung zwischen Mensch und Gott, die
ihren Sinn in der Versorgung des Letzteren durch Ersteren im Rahmen eines do-
ut-des-Verhältnisses findet. Eine Prozession, das zweckgerichtete Fortbewegen mit
der konkreten Absicht der Darbringung der Gaben, wäre im Rahmen dieser sehr
schöpferischen Raumwahrnehmung in Naturräumen fehl am Platz.
Es gibt eine Reihe von Indizien aus der kretischen Neupalastzeit, wonach die
Durchführung der orgiastischen Riten und die damit verbundenen transzenden-
talen Erfahrungen nicht nur in der kretischen Wildnis möglich waren. Spätestens
in der Neupalastzeit stellen wir fest, dass einige Elemente dieses sehr naturnahen
Rituals ihre standörtliche Verbundenheit verloren und in die ‚urbane‘ Landschaft
der minoischen Siedlungszentren verpflanzt wurden. Steine und Stalagmiten wur-
den z. B. als Gegenstände religiöser Verehrung in offenen oder inneren Räumen
einer Siedlung aufgestellt.68 Welche Rituale sich in diesen Räumen vollzogen und
inwieweit diese Räume sakralisiert wurden, lässt sich allerdings nicht sagen. Die
bloße Existenz eines Gegenstandes religiöser Verehrung ist sicherlich nicht ausrei-
chend, um das unmittelbare räumliche Umfeld dieses Objekts als sakrale Sphäre zu
deklarieren. Auf etwas sichererem Boden stehen wir in einem besonders interessan-
ten Fall, dem des Zentralhofs des Palastes von Malia. Ein großer runder Stein, der
zur Hälfte in die festgetretene Erde des Hofs eingetieft war, ist offensichtlich ein
Baitylos, der interessanterweise nicht im Zentrum des Zentralhofs, sondern in glei-
cher Flucht mit einer Loggia am Westflügel des Palastes lag.69 Diese Loggia diente
offensichtlich als Tribüne für die residierende Elite, die an dieser Stelle Ritualen
und Zeremonien im Zentralhof des Palastes beiwohnte. Die Vermutung liegt daher
nahe, dass sich das ursprünglich in Naturräumen angesiedelte ekstatische Ritual,
das wir aus der Ikonographie kennen, auch innerhalb eines städtischen Kontextes,
ja sogar innerhalb eines größeren architektonischen Komplexes vollzog.
In derselben Zeit, in der wir eine Übertragung von Elementen des orgiastischen
Kultes auf die urbane Sphäre dingfest machen können, ergriff die Naturwelt Besitz
von dem privaten oder semiprivaten Lebensraum der minoischen Elite. Zahlreiche
Räume in Palästen und elitären Privathäusern wurden nämlich mit einem male-
rischen Raumdekor ausgestattet, der die Natur verherrlichte. In vielen Fällen han-
delt es sich um einen erdachten Biotop mit einer Fülle von Tieren, Vögeln und
Pflanzen, die in der Natur nicht gemeinsam vorkommen, eine gemischte Flora
und Fauna aus der Berg- und Flusswelt.70 In einigen Fällen wurden diese ‘Traum-
landschaften’ mit einem Aktionsbild, offensichtlich einem Ritual, belebt. Hinter
diesem sehr beliebten Darstellungstypus erkannten verschiedene Forscher – etwas
voreilig – Bilder von sakralen Landschaften, eine Meinung, die sich hartnäckig bis
heute hält. Doch sind eine rituelle Deutung der Bildthemen selbst, der Räume, in
denen sie sich befinden, ja sogar des Mediums der Freskomalerei nichts anderes als
methodisch unzulässige Verallgemeinerungen. Die Frage nach dem sakralen Cha-
rakter der dargestellten Natur muss in jedem einzelnen Fall separat und zwar durch
einen kontextimmanenten Ansatz beantwortet werden. Nicht jede Landschafts-
darstellung im Raum eines Hauses oder Palastes muss religiös konnotiert gewesen
sein.71 Daher empfiehlt es sich in unserem Zusammenhang, nur auf einige dieser
Bilder zu fokussieren, für die ein sakraler Gehalt sehr wahrscheinlich erscheint.
Dabei handelt es sich um eine kleine homogene Gruppe von Wandmalereien in
Erdgeschossräumen von elitären Häusern auf Kreta und auf der benachbarten
Insel Thera, deren kontextbezogene Betrachtung uns zunächst mit einem Para-
doxon konfrontiert. Diese Räume, die nicht größer als 4 bis 6 m² sind, wurden
vollständig mit Naturszenen ausgemalt.72 Ihr besonderes Merkmal besteht darin,
dass es sich dabei um fensterlose oder schlecht beleuchtete Kammern handelt, in
denen die prächtigen Farben der Wandmalereien, ja sogar das Bildthema selbst
nur mit der Hilfe von Kunstlicht visuell wahrgenommen werden konnte. Das
beste kretische Beispiel bietet Raum 14 der Villa von Ajia Triada, der lediglich
1,60 × 2,35 m misst (also 3,76 m² groß ist)73. Drei Wände dieses fensterlosen Raumes
waren vollständig ausgemalt, die vierte nahm zwei Türen eines Polythyron ein, von
denen eine als Eingang diente. Die Beleuchtung dieses Raumes war nur mit Kunst-
licht möglich gewesen, weil sich die schmale Tür gegen eine Vorhalle und nicht
zu einem offenen Raum öffnete.74 Die Darstellung nahm ursprünglich eine Höhe
von ca. 2,20 m ein. Auf der O-Wand sehen wir eine sehr anmutige landschaftliche
Szenerie mit reichem vegetabilem Dekor, in der eine fein bekleidete Frau barfuss
in einer eigenartigen Haltung vor einer Mauer steht. Die Fresken der Seitenwände
Die Raumfunktion bleibt problematisch.78 Wie kann man die Tatsache erklären,
dass die Minoer einen kleinen schlecht beleuchteten Raum, der architektonisch
schlicht und unauffällig gestaltet war, mit einem Bildteppich in Freskotechnik aus-
malten? Der Widerspruch zwischen Größe und ästhetischer Qualität der gemalten
Bilder zum einen und ihrer visuellen Wahrnehmung nur durch künstliches Licht
zum anderen, scheint einen rein profanen Charakter dieser Räume auszuschließen.
Die vollständige Übermalung der Wände eines kleinen fensterlosen Raumes legt
die Vermutung nahe, dass man hier eine Naturwelt in Miniatur schaffen wollte,
einen Illusionsraum, den man im Anschluss an M. Foucault als ‚Heterotopie‘ einer
sakralen Landschaft bezeichnen dürfte.79 Worin könnte der religiöse oder rituelle
Sinn einer solchen ‚Heterotopie‘ bestanden haben? Es ist sehr unwahrscheinlich,
dass diese Räume als künstlich erschaffene Kulisse für die Durchführung des eks-
tatischen Rituals fungieren konnten. Obwohl im Mittelpunkt dieses Rituals der
Trance-Zustand der Akteure stand, wie bereits angesprochen, war die Ritualaktion
offensichtlich nicht introvertiert. Sie muss ihren Sinn nicht in der transzendentalen
Erfahrung des Einen, sondern in der Teilhabe und Ergriffenheit der Kultgemeinde
erfüllt haben, eine Kultgemeinde, die – wenn auch passiv – diesem Ritual bei-
wohnte. Die Vorstellung eines orgiastischen Tanzes in einer dunklen, 4 m² großen
Kammer ist in jeder Hinsicht ‚unnatürlich‘ und wäre nur im Rahmen eines Mys-
terienkultes denkbar, an dem nur ein sehr kleiner Personenkreis teilgenommen
hätte. Aus diesem Grund erscheint die von V. Stürmer geäußerte Hypothese eines
Meditationsraumes für einen minoischen Priester, Schamanen oder eine andere
Person nicht ganz abwegig zu sein.80 Es ist möglich, dass die Minoer im urbanen
Kontext – und zwar in einer dunklen Kammer – einen künstlichen Naturraum,
einen abgeschotteten ‚Erlebnisraum‘ erschufen, in dem Priester, Akteure des eks-
tatischen Rituals oder sogar der Lokalherrscher selbst umgeben von Bildern einer
paradiesischen Landschaft, die sie unter dem gedämpften Licht einer Öllampe
Eine Deutung dieser Kammern als luxuriöse Schlafräume wegen der vermuteten oder erwie-
senen Existenz von Betten kann kaum befriedigend sein, s. Stürmer, „‚Naturkulträume‘“,
a. O. (Anm. ) . Das einzige Bett, das tatsächlich in einem dieser Räume entdeckt
wurde (‘Lilienzimmer’ in Gebäudekomplex Delta von Akrotiri) entsprach offensichtlich
nicht der ursprünglichen Funktion dieses kleinen Raumes.
M. Foucault, „Andere Räume“, in: M. Wentz (Hg.), Stadt-Räume () : „Es gibt
gleichfalls – und das wohl in jeder Kultur, in jeder Zivilisation – wirkliche Orte, wirksame
Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplat-
zierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze
innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewisserma-
ßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können“.
Stürmer, „‚Naturkulträume‘“, a. O. (Anm. ) . Aufgrund des häufigen Vorkommens
von Wandschränken bzw. -nischen mit Tongefäßen schlägt er ferner eine zusätzliche Funk-
tion als Sakristei vor.
D. Panagiotopoulos, Natur als sakraler Raum in der minoischen Kultur 139
Die punktuelle bzw. graduelle visuelle Wahrnehmung der Wandbilder mit Hilfe des künst-
lichen Lichts einer Öllampe, diese Inszenierung des Erlebens einer konstruierten Land-
schaft, hätte zweifellos seine suggestive Wirkung auf den Betrachter gesteigert.
Eine überlegenswerte Parallele für die Erschaffung solcher künstlichen Miniaturwelten bie-
ten die seit dem . Jh. belegten Anlagen von Gärten in Wasserbecken bei chinesischen
Gelehrten, s. Eliade, Das Heilige -. Ziel dieser Miniaturlandschaften, die aus Fel-
sen mit Zwergbäumen, Blumen, Miniaturhäusern, Pagoden, Brücken und menschlichen
Figuren bestanden, war, einen künstlichen Stimmungsraum zu schaffen, in dem man durch
Meditation zur Harmonie mit der Welt gelangen konnte.
Doumas, Wall-Paintings of Thera, a. O. (Anm. ) - Abb. -; Marinatos, Ritual,
a. O. (Anm. ) -; A. G. Vlachopoulos, „The Wall Paintings from the Xeste Buil-
140 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Als am Allerheiligen-Tag 1755 Lissabon nach drei kurz aufeinander folgenden hef-
tigen Erdstößen und einer gewaltigen Flutwelle in Trümmern lag, waren nicht
nur eine der bedeutendsten europäischen Handelsmetropolen zerstört und, nach
schwankenden Schätzungen, 30.000 bis 60.000 Menschen getötet worden. Die
schreckliche Naturkatastrophe erschütterte auch die Fundamente des christlichen
Glaubens im gesamten Europa und stellte die damals noch junge Theodizee-
Debatte auf eine völlig neue Grundlage.85 Von einer ähnlichen, wenn nicht noch
schrecklicheren Naturkatastrophe wurde auch die minoische Welt heimgesucht:
dem Vulkanausbruch von Thera. Auch wenn wir nicht unbedingt die Meinung
einiger Naturwissenschaftler teilen müssen, wonach es sich dabei um eine der ver-
heerendsten Naturkatastrophen handelte, die die Menschheit erlebte, kann es kei-
nen Zweifel daran geben, dass diese Vulkaneruption dramatische Auswirkungen
auf Landschaft und Menschen hatte. Wie stark die minoischen Zentren in Mitlei-
denschaft gezogen wurden durch Tsunamis, Erdbeben oder Aschenregen, die das
Klima in der Region über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg beeinträchtigt haben
müssen, lässt sich immer noch nicht eindeutig sagen. Was in unserem Zusam-
menhang von besonderem Interesse ist, bezieht sich weniger auf die materiellen
Folgen des Vulkanausbruchs, sondern vielmehr auf ihren psychologischen Effekt
auf die Gesellschaft, die diese sintflutartige Katastrophe erlebte. Viele Kulturen
und Religionen haben gewisse Strategien zur rituellen und sozialen Bewältigung
elementarer Gewalten entwickelt. Dasselbe haben sicherlich auch die Minoer im
Fall der wiederkehrenden Erdbeben getan. Es ist allerdings sehr zweifelhaft, dass
die etablierten Mittel der priesterlichen Elite zur psychologischen Bewältigung
von Naturkatastrophen imstande waren, mit dem in ihrer Art und ihrem Aus-
maß völlig unfassbaren Vulkanausbruch von Thera zurecht zu kommen. Dieses
tragische Ereignis, das sicherlich keinem vorhandenen theologischen Deutungs-
schema passte, könnte die Fundamente des religiösen Glaubens der Minoer so
stark erschüttert haben, so dass ihr harmonisches und rituell überbautes Verhältnis
zur Natur auf psychologischer Ebene ‚kontaminiert‘ wurde. Dennoch, trotz der
hohen Plausibilität einer sozialen bzw. religiösen Krise, die durch die Thera-Erup-
tion und ihre Folgen ausgelöst wurde, stellt man fest, dass das vermutete kollektive
Trauma keine deutlichen Spuren in der archäologischen Überlieferung hinterlassen
hat. Es gibt nichts in der minoischen Kunst in der Zeit nach dieser Katastrophe,
dass auf ein solches dramatisches Ereignis hinweist.86 Einige Jahrzehnte nach dieser
Katastrophe bricht die neupalastzeitliche Kultur Kretas zusammen. Im Zuge eines
allgemeinen Mentalitätswechsels, dessen Ursachen wir nicht leicht nachvollziehen
können, wird die materielle Kultur der Insel von mykenischen Elementen domi-
niert. Die dinglichen Spuren des Kultes gehören nun einem ganz anderen Kultur-
horizont an, den Anfängen der frühgriechischen Geschichte, die uns wesentlich
weniger Raum für Spekulationen lässt, als die Zeit, die im Mittelpunkt dieses Bei-
trags stand.
Als einzige mögliche Ausnahme könnte die Beliebtheit der ‚Meeresstil‘-Keramik auf der
Insel unmittelbar nach der Vulkaneruption betrachtet werden, hinter der man eine reli-
giös motivierte Reaktion auf dieses Naturereignis erkennen möchte, s. hierzu J. Driessen
– C. MacDonald, The Troubled Island. Minoan Crete before and after the Santorini Eruption.
Aegaeum () ; ferner Müller, Kretische Tongefäße, a. O. (Anm. ) .
142 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Abbildungsnachweis:
Abb. 1: Sp. Marinatos, Kreta, Thera und das mykenische Hellas (1973²) Taf. I.
Abb. 2: M. A. V. Gill – W. Müller – I Pini, Corpus der minoischen und myke-
nischen Siegel II 8. Iraklion, Archäologisches Museum. Die Siegelabdrücke
von Knossos (2002) Nr. 256.
Abb. 3: H. Siebenmorgen (Hg.), Im Labyrinth des Minos. Kreta – die erste euro-
päische Hochkultur (2000) 228, Abb. 186.
Abb. 4: A. Evans, The Palace of Minos at Knossos 2 (1928) 614, Abb. 386.
Abb. 5: J. – E. Sakellarakis, Kreta. Archanes (1991) 79, Abb. 53.
Abb. 6: Sp. Marinatos, Kreta, Thera und das mykenische Hellas (19732) Taf. XXX-
VII.
Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias*
Vinciane Pirenne-Delforge
Quiconque a déjà étudié l’un ou l’autre aspect de cet ensemble complexe qu’est la
religion des anciens Grecs n’a sans doute pas échappé à la consultation de la Périé-
gèse de Pausanias. Cette œuvre du iie siècle de notre ère est une source fondamentale
pour appréhender le paysage religieux de la Grèce. Toutefois, le cadre chronologi-
que de ce texte – à savoir la période romaine impériale – impose une sorte de doute
méthodique quant à l’ancienneté des données qui s’y trouvent. Un autre problème,
inhérent à l’œuvre elle-même, vient doubler celui de la chronologie : Pausanias
est volontairement sélectif et il opère des choix qui livrent une image forcément
tronquée des réalités du terrain. À cela s’ajoute une utilisation problématique de
la Périégèse par ses lecteurs modernes. Ainsi, la consultation ponctuelle et souvent
morcelée de ce vaste ensemble ne permet guère de mesurer l’exacte portée des
informations obtenues.
Pour affiner l’analyse, il convient de replacer la Périégèse dans son contexte
romain, de tenir compte du caractère sélectif des descriptions proposées, mais aussi
de prendre en compte l’ensemble des données d’un même type au fil des dix livres
rédigés par l’érudit voyageur. Pour ce dernier point, l’étude du lexique religieux est
une option intéressante : elle permet d’éviter le caractère aléatoire des choix qui
ne seraient guidés que par une nécessité particulière et elle contraint l’interprète à
tenir compte de la totalité de l’œuvre.
Dans cette perspective, le vocabulaire est devenu le fil rouge d’une enquête
menée sur les relations entre Pausanias et ce que l’on appelle conventionnellement
« la religion grecque » : la représentation du monde des dieux, la description des
statues, des sacrifices, des fêtes, ainsi que l’évocation des cultes à mystères ont été
abordées en partant du vocabulaire employé par Pausanias.1 Un tel lexique reli-
gieux comprend aussi le vocabulaire varié servant à désigner les lieux de culte.
Or la Périégèse compte des centaines de sanctuaires qui sont tantôt simplement
mentionnés en passant, tantôt décrits avec plus ou moins de détails selon les cas.
* Cette étude a bénéficié de la lecture et des conseils de Pierre Bonnechere (Université de
Montréal) et de Gérald Purnelle (Université de Liège). Qu’ils en soient tous deux remerciés.
Je suis également très reconnaissante à Fernande et Tonio Hölscher de m’avoir associée à ce
volume de l’Archiv für Religionsgeschichte.
1 V. Pirenne-Delforge, Retour à la source. Pausanias et la religion grecque, Kernos supplément
20 (2008).
DOI 10.1515/ARG.2008.007
144 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Dès lors, l’ambition de cet article est de fournir le cadre « interne » de l’utilisation
du vocabulaire des lieux de culte dans l’œuvre de Pausanias. Il s’agit de mettre en
perspective l’ensemble des occurrences de ce lexique pour en déduire des lignes
de force. On pourra peut-être s’étonner de l’absence de recours systématique aux
fouilles archéologiques menées sur certains des sites que compte la description de
Pausanias. Ce choix est délibéré pour d’évidentes raisons pratiques : la confronta-
tion avec le terrain reviendrait à produire un commentaire archéologique systéma-
tique de la Périégèse, ce qui est un autre travail.
Au-delà des raisons pratiques, toutefois, ce choix relève surtout d’un impératif
de méthode. En effet, le risque de raisonnement circulaire qu’impliquerait une telle
démarche n’est pas mince. Bon nombre de fouilles sur le continent grec ont été
guidées par les comptes rendus des visites de Pausanias et bien des structures ont
été identifiées en fonction des renseignements qu’il a livrés. En privilégiant l’ana-
lyse interne du lexique, on peut espérer sortir des cercles vicieux de l’identification,
fondée sur le texte de Pausanias, d’une structure mise au jour et contribuant, à son
tour, à donner son sens au vocabulaire utilisé par Pausanias pour désigner ladite
structure … Cependant, il est clair qu’une telle adéquation est parfois possible et
a donné de bons résultats.2 On ne se privera dès lors pas de faire parfois appel aux
données du terrain lorsque les certitudes d’une identification ne reposeront pas sur
le seul Pausanias. Mais au-delà de l’éventuel ancrage matériel de l’argumentation,
l’objectif du présent article est de fournir une base de travail qui permette à d’autres
d’élargir l’enquête aux données de terrain et d’affiner les résultats de la présente
analyse interne du lexique des lieux de culte.3
La langue grecque dispose d’un vocabulaire varié pour désigner les lieux du
culte.4 Pour rendre compte de ces réalités qui hantent les lieux visités, Pausanias
suit le principe directeur général de sa présentation de « ce qu’il faut voir » :5 il
sélectionne l’information qui lui semble digne d’intérêt et de mémoire, sans s’ar-
rêter toujours à une description précise. Cela ne manque pas de poser bien des
problèmes à l’interprète moderne.
Pausanias utilise, pour ce type de description, une bonne part des ressour-
ces du vocabulaire par l’emploi des mots6 ἱερόν (675), ναός (446), ἄλσος (85),
τέμενος (58), ἡρῷον (42), ἄδυτον (23), ἄντρον (16), μέγαρον (10), μαντεῖον (31)
et χρηστήριον (16), auxquels on ajoutera le περίβολος (70) qui désigne surtout
l’enclos des sanctuaires.7 On sera amenée à nuancer ces chiffres en cours de route
car toutes les occurrences de certains termes n’ont pas nécessairement une por-
tée religieuse et certaines occurrences entrent dans des citations et non dans des
descriptions.
1. 1. Ἱερόν8
6 Le chiffre indiqué entre parenthèses correspond à l’ensemble des occurrences du mot qui
précède.
7 La limite physique de l’enclos est parfois une « barrière de pierres » (θριγκὸς λίθων) :
I, 42, 7 ; II, 15, 3 ; 35, 10 ; V, 13, 1 ; VI, 20, 7 ; 25, 1 ; VIII, 31, 5 ; 37, 10 ; X, 38, 6 (2 occ.).
8 675 occurrences, dont une restitution.
9 Casevitz, « Temples et sanctuaires », loc. cit. (note 4) 82-85. – En Linéaire B, le neutre sub-
stantivé apparaît, mais chez Homère, τὰ ἱερά désigne les cérémonies sacrées et τὸ ἱερόν
n’est pas employé (ibid. 82-83). Cf. aussi J. Rudhardt, Notions fondamentales de la pensée
religieuse et actes constitutifs du culte dans la Grèce classique (1958, 1992²) 23, 26-27.
10 Paus. I, 2, 5 ; 5, 5 ; 13, 8 ; 21, 7 ; 29, 2 ; 29, 3 ; II, 5, 5 ; 20, 9 ; 30, 10 ; 34, 10 ; III, 21, 4 ; IV, 5, 9 ;
7, 10 ; 23, 8 ; 27, 5-7 ; 29, 10 ; 34, 11 ; V, 5, 6 ; 20, 5 ; VI, 18, 4 ; VII, 5, 4 ; 15, 10 ; 25, 8 ; VIII, 21, 3 ;
IX, 1, 8 ; 7, 6 ; 22, 2 ; 30, 11 ; 37, 5 ; X, 19, 8 ; 22, 6 ; 33, 4 ; 35, 2.
146 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
son caractère général offre une belle opportunité de variatio sermonis dans une
série de termes plus spécialisés. Ainsi, dans l’ancien port athénien du Phalère, se
trouvent un hieron de Déméter, un naos d’Athéna Skiras, un autre de Zeus, des
autels,11 sans qu’il soit possible de préciser quel type de sanctuaire était dédié à
Déméter. De même – et l’on pourrait multiplier les exemples12 –, au flanc sud de
l’acropole athénienne se succèdent un hieron d’Asclépios, un naos de Thémis, un
mnèma d’Hippolyte, des statues d’Aphrodite Pandemos et de Peitho, un hieron
de Déméter Chloè et Gè Kourotrophos.13 Le sanctuaire d’Asclépios a été fouillé et
comprenait plusieurs édifices construits,14 tandis que les statues d’Aphrodite et de
Peithô désignent par synecdoque le petit temple qui les accueillait.15 Le vocabulaire
employé par Pausanias ne permet donc pas d’identifier l’apparence des éléments
qu’il désigne de la sorte. De la même manière, au sommet de l’acropole Karia de
Mégare se succèdent un naos de Dionysos Nyktelios, un hieron d’Aphrodite, un
manteion de la Nuit, un naos de Zeus Konios, des agalmata d’Asclépios et Hygie
réalisées par Bryaxis, un megaron de Déméter.16 L’archéologie n’est d’aucun secours
et l’on ne peut guère déterminer à quoi ressemblait le hieron d’Aphrodite ou quelle
structure accueillait les statues de Bryaxis, si c’était bien le cas.17
Une telle incertitude n’est cependant pas le seul fait d’un hieron s’inscrivant
dans une série descriptive. On rencontre de nombreux cas où la mention isolée
d’un hieron, en l’absence de tout indice complémentaire, ne permet pas de dépasser
le simple constat de l’existence d’un « sanctuaire » en ce lieu.18
(2) Tout aussi nombreux sont les cas où l’on est incapable d’affirmer, sans autre
élément pour asseoir une quelconque certitude, que hieron désigne un sanctuaire
dépourvu de temple, à l’exception du hieron d’Apollon situé dans une grotte du
11 Paus. I, 1, 4.
12 E. g. Paus. II, 23, 2-4 ; 24, 1-2 ; 27, 5 ; VII, 21, 10-11 ; 23, 9 ; 24, 1 ; X, 38, 12.
13 Paus. I, 22, 1-3 : μετὰ δὲ τὸ ἱερὸν τοῦ Ἀσκληπιοῦ […] Θέμιδος ναός ἐστι. κέχωσται δὲ
πρὸ αὐτοῦ μνῆμα Ἱππολύτῳ (suit l’histoire du héros). 3. Ἀφροδίτην δὲ τὴν Πάνδημον,
ἐπεί τε Ἀθηναίους Θησεὺς ἐς μίαν ἤγαγεν ἀπὸ τῶν δήμων πόλιν, αὐτήν τε σέβεσθαι
καὶ Πειθὼ κατέστησε· τὰ μὲν δὴ παλαιὰ ἀγάλματα οὐκ ἦν ἐπ’ ἐμοῦ, τὰ δὲ ἐπ’ ἐμοῦ
τεχνιτῶν ἦν οὐ τῶν ἀφανεστάτων. ἔστι δὲ καὶ Γῆς Κουροτρόφου καὶ Δήμητρος ἱερὸν
Χλόης.
14 Cf. J. W. Riethmüller, Asklepios. Heiligtümer und Kulte I (2005) 250-273.
15 Cf. V. Pirenne-Delforge, L’Aphrodite grecque (1994) 26-34.
16 Paus. I, 40, 6 : ἔστι μὲν Διονύσου ναὸς Νυκτελίου, πεποίηται δὲ Ἀφροδίτης Ἐπιστροφίας
ἱερὸν καὶ Νυκτὸς καλούμενόν ἐστι μαντεῖον καὶ Διὸς Κονίου ναὸς οὐκ ἔχων ὄροφον.
τοῦ δὲ Ἀσκληπιοῦ τὸ ἄγαλμα Βρύαξις καὶ αὐτὸ καὶ τὴν Ὑγείαν ἐποίησεν. ἐνταῦθα καὶ
τῆς Δήμητρος τὸ καλούμενον μέγαρον.
17 A. Muller, « Megarika I-II », Bulletin de Correspondance Hellénique 104 (1980) 83-92.
18 E. g. le hieron de Peitho à Sicyone (II, 7, 7-8) ; celui d’Artémis Peitho à Argos (II, 21, 1) ; celui
d’Aphrodite Nymphia entre Hermione et Trézène (II, 32, 7) ; ceux de Poséidon et Artémis à
Sparte (III, 14, 2) ; ceux d’Asclépios et Aphrodite à Cyllène (VI, 26, 5) ; ceux de Dionysos et
Artémis à Phelloè (VII, 26, 11) ; ceux de Déméter, Dionysos et Sarapis à Kopai (IX, 24, 1).
V. Pirenne-Delforge, Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias 147
flanc sud de l’acropole d’Athènes,19 ou de celui des Praxidikai d’Haliarte que Pau-
sanias localise en plein air.20 La seule mention de statues ou d’autels dans un hie-
ron n’implique pas nécessairement l’absence d’une structure bâtie de plus grande
envergure, dans la mesure où les sélections opérées par le visiteur lui font souvent
préférer la partie au tout, laissé dans l’ombre d’une appellation générique com-
mode.21
(3) Ce générique peut aussi s’appliquer à un ensemble consacré dont les com-
posantes sont clairement décrites. La mention d’un hieron sert alors d’introduc-
tion à un panorama plus précis. Le sanctuaire de Dionysos au pied de l’acropole
athénienne en offre un très bel exemple. Qualifiant tout d’abord le hieron de très
ancien, Pausanias précise que deux naoi s’élèvent dans le peribolos, pour terminer
par l’évocation des deux statues de culte et la description de peintures.22 De la même
manière, le hieron d’Amphiaraos à Oropos accueillait un naos, une statue en mar-
bre blanc et Pausanias décrit également l’autel compartimenté.23 De tels emplois
sont heureusement nombreux24 et confirment le caractère général de l’appellation,
que ce soit dans les parties descriptives de l’œuvre ou dans ses narrations.25
(4) Néanmoins, la signification de « temple », et donc la synonymie avec naos,
est bien attestée. La variatio sermonis dans la description d’un même sanctuaire
peut justifier un tel usage. À Hermione, le hieron de Déméter Chthonia est remar-
quable, de même que la fête qui s’y tient tous les ans. Dans la description du mode
de sacrifice en l’honneur de la déesse, Pausanias alterne l’utilisation de hieron et de
naos pour désigner le temple de Déméter où les animaux pénètrent avant d’être
égorgés.26 Dans d’autres cas, plus nombreux, le détail de la description montre que
Pausanias parle d’un naos sous le terme hieron : un toit,27 des portes,28 un plafond,29
des colonnes,30 des briques31 sont autant d’indices clairs de cette synonymie. Un
hieron en ruines semble de même n’être souvent qu’un naos ayant subi les outrages
du temps ou des hommes.32 Un hieron dont on ne peut voir l’intérieur à la suite
d’un interdit peut éventuellement être un naos, mais aussi un espace enclos d’un
mur suffisamment haut pour entraver la vue de l’intérieur.33 Enfin, quand une des-
cription fait suivre la mention du hieron du groupe καὶ ἕτερος ναός, on a affaire
à deux temples.34
Il reste à envisager quelques passages complexes. Le premier apparaît au livre
II, lors de la visite de Sicyone. À la faveur de la mention d’une statue d’Héraclès
dans le gymnase de l’agora, Pausanias enchaîne en précisant que :
Ailleurs se trouve un hieron d’Héraclès ; ils appellent Paidizè tout le peribolos à cet endroit,
au milieu duquel se trouve le hieron avec un xoanon ancien à l’intérieur, une œuvre de
Laphaès de Phlionte.35
Si tout le peribolos est bien consacré à Héraclès,36 le premier hieron désigne le sanc-
tuaire au sens large, et le second, le temple dans lequel se trouve le xoanon. En
revanche, si le Paidizè n’est pas comme tel un « sanctuaire d’Héraclès », les deux
mentions de hieron désignent le lieu consacré à l’intérieur d’une enceinte « pro-
fane » et rien ne permet de l’identifier à un temple. La première hypothèse semble
la plus probable, comme le montre la suite immédiate de la visite de Pausanias.
Une route le conduit, en effet, vers le hieron d’Asclépios :
26 Paus. II, 35, 6 : ἐλάσαντες δὲ πρὸς τὸν ναὸν οἱ μὲν ἔσω φέρεσθαι τὴν βοῦν ἐς τὸ ἱερὸν
ἀνῆκαν ἐκ τῶν δεσμῶν […] ἐπειδὰν τὴν βοῦν ἴδωσιν ἐντὸς τοῦ ναοῦ, προσέθεσαν τὰς
θύρας. – Bon nombre d’occurrences en alternance avec naos pour un même sanctuaire ne
permettent cependant pas d’être aussi affirmatif : hieron est soit le générique qui désigne le
sanctuaire intégrant le temple, soit le temple lui-même ; e. g. II, 21, 8-10 et 22, 1 ; III, 17, 2 ;
VIII, 25, 4 & 6 ; 31, 5-6 ; IX, 33, 5-6.
27 Paus. I, 44, 3 ; II, 34, 10 ; III, 22, 10.
28 Paus. II, 21, 4.
29 Paus. III, 16, 1.
30 Paus. VIII, 44, 2.
31 Paus. V, 5, 6 ; IX, 19, 5 ; 25, 3 ; X, 36, 8. Cf. IX, 16, 6.
32 Paus. II, 9, 7 ; 36, 8 ; VI, 20, 6 ; 21, 3 ; VI, 21, 6 ; VIII, 12, 9 ; 24, 6 ; 25, 3 ; 31, 9 ; 32, 2 (mention
du pronaos) ; VIII, 54, 5. Cf. aussi l’autel d’Arès à Mantinée (VIII, 32, 3 : ἐλέγετο δὲ ὡς καὶ
ἱερὸν ἐξ ἀρχῆς οἰκοδομηθείη τῷ θεῷ).
33 Paus. III, 20, 8 ; VIII, 41, 4 ; IX, 19, 5 ; 25, 3. Cf. IX, 16, 6 et X, 35, 7, où le naos apparaît comme
tel.
34 E. g. Paus. II, 25, 6.
35 Paus. II, 10, 1 : ἔστι μὲν πάντα ἐνταῦθα περίβολον Παιδιζὴν ὀνομάζουσιν, ἐν μέσῳ δέ
ἐστι τῷ περιβόλῳ τὸ ἱερόν, ἐν δὲ αὐτῷ ξόανον ἀρχαῖον, τέχνη Φλιασίου Λαφάους.
36 Cf. infra, pour l’étude du mot.
V. Pirenne-Delforge, Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias 149
En entrant dans le peribolos se trouve sur la gauche un bâtiment double […] à l’entrée de
l’Asclépieion s’élèvent de part et d’autre de l’entrée une statue de Pan assis et une Artémis
debout ; à l’intérieur se trouve le dieu, imberbe, fait d’or et d’ivoire, une œuvre de Kala-
mis.37
37 Paus. II, 10, 2 : ἐντεῦθέν ἐστιν ὁδὸς ἐς ἱερὸν Ἀσκληπιοῦ. παρελθοῦσι δὲ ἐς τὸν περίβολον
ἐν ἀριστερᾷ διπλοῦν ἐστιν οἴκημα […] ἐς δὲ τὸ Ἀσκληπιεῖον ἐσιοῦσι καθ’ ἑκάτερον
τῆς ἐσόδου τῇ μὲν Πανὸς καθήμενον ἄγαλμά ἐστι, τῇ δὲ Ἄρτεμις ἕστηκεν. II, 10, 3 :
ἐσελθοῦσι δὲ ὁ θεός ἐστιν οὐκ ἔχων γένεια, χρυσοῦ καὶ ἐλέφαντος, Καλάμιδος δὲ
ἔργον.
38 Paus. II, 10, 4-6 : δι’ αὐτοῦ δὲ ἄλλο ἐστὶν Ἀφροδίτης ἱερόν ἐν δὲ αὐτῷ πρῶτον ἄγαλμά
ἐστιν Ἀντιόπης […] μετὰ τοῦτο ἤδη τὸ τῆς Ἀφροδίτης ἐστὶν ἱερόν. ἐσίασι μὲν δὴ ἐς
αὐτὸ γυνή τε νεωκόρος, […] τοῖς δὲ ἄλλοις κατὰ ταὐτὰ καὶ ὁρᾶν ἀπὸ τῆς ἐσόδου τὴν
θεὸν καὶ αὐτόθεν προσεύχεσθαι. […] 6. ἔνεστι δὲ ὁ παιδέρως ἐν ὑπαίθρῳ τοῦ περι-
βόλου πόα […].
39 Paus. II, 18, 3 : […] Δήμητρος Μυσίας ἱερὸν […] τούτῳ μὲν οὖν οὐκ ἔπεστιν ὄροφος· ἐν
δὲ αὐτῷ ναός ἐστιν ἄλλος ἑπτῆς πλίνθου […].
40 Cf. Paus. VIII, 10, 2 : […] τοῦ Ποσειδῶνός ἐστι τοῦ Ἱππίου τὸ ἱερόν […] τὸ μὲν δὴ ἱερὸν
τὸ ἐφ’ ἡμῶν ᾠκοδομήσατο Ἀδριανὸς […] τὸ ἱερὸν τὸ ἀρχαῖον […] πέριξ δὲ ἐκέλευε τὸν
ναὸν σφᾶς οἰκοδομείσθαι τὸν καινόν.
150 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
La grande majorité des emplois de hieron, quand le mot est déterminé par
le nom de son propriétaire, concerne des divinités, locales ou olympiennes. À
quelques reprises, cependant, Pausanias parle du hieron d’un personnage que nous
qualifions d’héroïque41 et pour lequel on s’attendrait davantage à la mention d’un
hèrôon. Ce dernier mot sera envisagé plus loin,42 mais tentons dès à présent de com-
prendre le choix de la désignation en hieron. Une telle attribution peut s’expliquer
par l’interprétation divine du personnage à l’échelon du culte local.43 C’est le cas
pour le hieron que les Spartiates ont élevé au législateur Lycurgue « comme à un
dieu »44 et aux différents héros guérisseurs apparentés à Asclépios.45 Quant à Baton,
le cocher d’Amphiaraos, peut-être son statut est-il assimilé à celui de son maître :
tous deux ont été aspirés par la terre entrouverte.46 Dans ce cas précis, l’absence de
tombeau est un critère important. C’est probablement le cas aussi pour le hieron
de Kychreus, à Salamine, que l’oracle de Delphes avait identifié sous les traits d’un
serpent apparu pendant la bataille de Salamine.47 Son lieu de culte sur l’île était
indépendant de tout tombeau.
Le cas de Thésée à Athènes montre toutefois qu’une telle explication ne peut
être appliquée de façon mécanique. Pausanias consacre cinq paragraphes au récit
des exploits du héros à la faveur de la description de son sanctuaire de l’agora.48
Il s’agit d’un hieron accueillant les représentations peintes de ses hauts faits. C’est
après le débarquement des Mèdes à Marathon qu’a été dédié le σηκός,49 c’est-à-dire
l’enceinte pour Thésée. C’est la seule occurrence de sèkos dans toute la Périégèse.
Aux dires de Pollux, le σηκός est réservé au culte des héros, mais nous savons que
41 Thésée à Athènes (I, 17, 2) ; le héros Kychreus à Salamine, sorte de démon ophidien (I, 36, 1),
Métanire près d’Éleusis (I, 39, 2), les Leucippides (III, 12, 8 ; 16, 1), Achille (III, 20, 8) et
Hélène (III, 15, 3) à Sparte, Dryops à Asinè (IV, 34, 11). Cf. aussi notes suivantes. – Indé-
pendamment d’une description directe est encore mentionné le hieron d’Hélène à Rhodes
(III, 19, 10).
42 Cf. infra, p. 163-165.
43 Sur les variations rituelles dans le culte des « héros », voir notamment G. Ekroth, The Sacri-
ficial Rituals of Greek Hero-Cults (2002).
44 Paus. III, 16, 6 : […] οἶα δὴ θεῷ πεποιήκασι καὶ τούτῳ ἱερόν et il s’avère un peu plus loin
qu’il comprend même un temple (ὄπισθε μὲν τοῦ ναοῦ […]).
45 Machaon (III, 26, 9), ses enfants (IV, 3, 2), Polémokratos (II, 38, 6). Peut-être Mélampous à
Aigosthènes entre-t-il dans cette catégorie (I, 44, 5).
46 Paus. II, 23, 2.
47 Paus. I, 36, 1 : καὶ Κυχρέως ἐστὶν ἱερόν. ναυμαχούντων δὲ Ἀθηναίων πρὸς Μήδους
δράκοντα ἐν ταῖς ναυσὶ λέγεται φανῆναι· τοῦτον ὁ θεὸς ἔχρησεν Ἀθηναίοις Κυχρέα
εἶναι τὸν ἥρωα.
48 Paus. I, 17, 2-6.
49 Paus. I, 17, 6 : ὁ μὲν δὴ Θησέως σηκὸς Ἀθηναίοις ἐγένετο ὕστερον ἢ Μῆδοι Μαραθῶνι
ἔσχον, Κίμωνος τοῦ Μιλτιάδου Σκυρίους ποιήσαντος ἀναστάτους – δίκην δὴ τοῦ
Θησέως θανάτου – καὶ τὰ ὀστᾶ κομίσαντος ἐς Ἀθήνας.
V. Pirenne-Delforge, Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias 151
les poètes parlent aussi de sèkos des dieux.50 Le Theseion remontant au moins au
milieu du vie siècle,51 le sèkos est peut-être l’enclos aménagé à l’intérieur du hieron
lors du rapatriement des ossements du héros par Cimon peu après 476.52 Quoi qu’il
en soit, ce passage est manifestement inspiré de la Vie de Cimon de Plutarque qui
parle lui aussi d’un sèkos pour Thésée.53
Le hieron est donc le lieu sacré par excellence et son attribution à une personnalité
divine est largement prédominante, même si le terme n’est pas incompatible avec
un propriétaire « héroïque ». Son emploi par Pausanias rencontre à la fois le souci
de varier son style et de rendre compte des realia du terrain. Toutefois, cette der-
nière préoccupation est parfois fortement compromise par la première. Il ne faut
pas en outre exclure la volonté, affichée par l’auteur, de négliger des informations
jugées inutiles. Bon nombre d’occurrences conduisent dès lors au simple constat de
l’existence d’un sanctuaire dont l’ordonnancement reste obscur.
1. 2. Ναός54
Le mot désigne toujours un édifice construit, qu’il forme le sanctuaire à lui seul ou
qu’il en soit la réalisation architecturale maîtresse.55 Pausanias ne prend que rare-
ment la peine de décrire le naos avec précision, mais deux passages permettent de
dessiner le noyau minimal de la structure qu’il désigne sous ce terme. Tout d’abord
à Sicyone, évoquant une forme particulière de sépulture, il explique que les gens du
lieu « ensevelissent le corps en pleine terre et construisent par dessus un soubasse-
ment de pierre qui porte des colonnes surmontées d’un couronnement, reprodui-
sant à peu près les frontons des temples (κατὰ τοὺς ἀετοὺς μάλιστα τοὺς ἐν τοῖς
ναοῖς) ».56 Ensuite, lors de sa visite d’Olympie, le visiteur évoque un monument
funéraire « en forme de naos : il n’est pas très haut, il n’a pas de mur et des colonnes
de chêne soutiennent le toit ».57 Pausanias ne fera pas le lien entre les traditions
sicyoniennes et ce tombeau anonyme, mais le rapprochement de ces deux passages
livre la structure architecturale minimale qui commande l’usage du terme de naos :
un soubassement, des colonnes et des frontons. Mais, une fois cette architecture
repérée – fût-ce avec toutes les variations qu’atteste pour nous l’architecture reli-
gieuse,58 – encore faut-il que le propriétaire du lieu soit une divinité : colonnes et
frontons de propylées, par exemple, ne pourront évidemment suffire.
Les évocations de naoi restent souvent désespérément allusives. On apprend
parfois que la construction n’est pas grande59 ou, au contraire, que sa taille est
exceptionnelle,60 que le temple est en briques,61 en marbre,62 ou même en pierre
locale.63 Il lui arrive de préciser qu’il est inachevé,64 endommagé,65 ruiné,66 qu’il a
été foudroyé67 ou simplement qu’il est ancien.68 Un aménagement particulier reçoit
aussi une attention plus précise : à Sparte, un des sanctuaires d’Aphrodite est un
340 ; G. Ferrari, « The Ancient Temple on the Acropolis at Athens », American Journal of
Archaeology 106 (2002) 11-35 ; J. Pakkanen, « The Erechtheion Construction Work Inven-
tory (IG I³ 474) and the Dörpfeld Temple », American Journal of Archaeology 110 (2006)
275-281 ; H. Gerding, « The Erechtheion and the Panathenaic procession », American Jour-
nal of Archaeology 110 (2006) 389-401 (avec une bibliographie complémentaire).
56 Paus. II, 7, 2 (trad. G. Roux, infra n. 83, p. 54).
57 Paus. VI, 24, 10 : ναοῦ σχῆμα· ἔστι δὲ οὐχ ὑψηλόν, καὶ τοῖχοι μὲν οὐκ εἰσί, τὸν ὄροφον
δὲ δρυὸς ἀνέχουσιν εἰργασμένοι κίονες. τοῦτο εἶναι μὲν ὁμολογοῦσιν οἱ ἐπιχώριοι
μνῆμα, ὅτου δὲ οὐ μνημονεύουσιν.
58 Sur ce point, la synthèse de M. Chr. Hellmann est particulièrement éclairante : L’architec-
ture grecque. 2. Architecture religieuse et funéraire (2006) 28-34.
59 Paus. I, 29, 2 ; V, 20, 9 ; IX, 27, 5 ; X, 35, 4.
60 Paus. IV, 31, 8 ; VIII, 45, 4-5 ; IX, 2, 7 ; X, 35, 4.
61 Paus. I, 42, 5 ; II, 18, 3.
62 Paus. I, 42, 5 ; VIII, 28, 1 ; 41, 7.
63 Paus. VI, 27, 2.
64 Paus. IX, 4, 4 ; 39, 4.
65 Paus. I, 1, 5 ; 40, 6 ; II, 7, 6 ; 5, 5 ; 7, 9 ; 11, 2 ; 12, 2 ; 18, 3 ; 24, 3 ; 34, 10 ; 36, 2 ; III, 21, 8 ;
VI, 24, 10 ; VIII, 41, 10 ; 44, 3 ; IX, 33, 3 et 7; X, 35, 2.
66 Paus. VIII, 9, 6 ; 14, 4 ; 15, 5 ; 26, 2 ; 30, 6 ; 31, 9 ; 32, 3 ; 36, 8 ; 53, 11 ; X, 8, 6.
67 Paus. II, 11, 1 ; VIII, 32, 3.
68 Paus. VIII, 22, 7.
V. Pirenne-Delforge, Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias 153
temple à étage, ce que Pausanias affirme n’avoir jamais vu ailleurs ;69 toujours en
Laconie, au cap Ténare, s’élève un naos en forme de grotte, précédé d’une statue
de Poséidon ;70 à Mantinée, Léto et ses enfants partagent avec Asclépios un naos
double divisé par un mur.71
Même quand l’importance du culte ou la beauté du temple le conduit à s’ar-
rêter plus longuement sur l’apparence d’un édifice, Pausanias, fidèle en cela aux
principes généraux de son ouvrage, sélectionne l’information. Le Parthénon se voit
ainsi gratifié de la seule évocation du thème de ses frontons : la naissance d’Athéna
et la querelle entre la déesse et Poséidon pour la possession de l’Attique.72 L’Héraion
argien se résume à quelques-unes de ses décorations sculptées : la naissance de
Zeus, la gigantomachie, la guerre de Troie.73
La description du temple de Zeus à Olympie est davantage détaillée : l’édi-
fice est dorique, périptère, en calcaire local ; on en connaît les mesures ; ses tuiles
sont en marbre pentélique et les décorations sculptées extérieures sont passées en
revue. Véritable écrin pour la gigantesque statue du dieu, l’intérieur du temple est
brièvement évoqué et la statue décrite.74 Également situé dans l’Altis, l’Héraion,
dont Pausanias précise aussi la taille, est dorique, périptère et l’une des colonnes de
l’opisthodome est en chêne.75 La description du naos proprement dit s’arrêtera là.
Selon Pausanias, de tous ceux du Péloponnèse, le temple d’Apollon à Bassai
est le premier, après celui de Tégée, par la beauté de ses pierres et l’harmonie de
ses proportions,76 mais on n’en saura pas plus. Quant à ce temple d’Athéna Alea
à Tégée, dont – Pausanias l’affirme une fois encore – la structure et la taille sont
exceptionnelles, il apparaît plus précisément dans une description attentive : la
première rangée de colonnes est dorique et la suivante, corinthienne ; à l’intérieur,
l’ordre est ionique. Les frontons sont également décrits : chasse de Kalydon d’un
côté, combat de Télèphe et d’Achille de l’autre.77
Comme pour le hieron, les propriétaires de ces naoi énumérés par le visiteur
sont essentiellement des divinités, locales ou olympiennes. Les quelques « héros »
qui s’en voient attribuer en certains endroits assument à l’échelon local un statut
69 Paus. III, 15, 10 : ἐπὶ δὲ αὐτῷ ναὸς ἀρχαῖος καὶ Ἀφροδίτης ξόανον ὡπλισμένης. ναῶν
δὲ ὧν οἶδα μόνῳ τούτῳ καὶ ὑπερῷον ἄλλο ἐπῳκοδόμηται Μορφοῦς ἱερόν.
70 Paus. III, 25, 4 : ἐπὶ δὲ τῇ ἄκρῳ ναὸς εἰκασμένος σπηλαίῳ καὶ πρὸ αὐτοῦ Ποσειδῶνος
ἄγαλμα.
71 Paus. VIII, 9, 1 : ναὸς διπλοῦς μάλιστά που κατὰ μέσον τοίχῳ διειργόμενος.
72 Paus. I, 24, 5.
73 Paus. II, 17, 3.
74 Paus. V, 10, 2-10.
75 Paus. V, 16, 1.
76 Paus. VIII, 41, 8.
77 Paus. VIII, 45, 5-7.
154 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
1. 3. Ἄλσος82
78 Paus. I, 35, 3.
79 Paus. II, 32, 1.
80 Paus. III, 19, 2.
81 Paus. III, 26, 5.
82 Sur 85 occurrences, 67 emplois s’inscrivent dans une description et concernent 44 endroits
différents, 17 fois le mot est employé hors de toute description pour évoquer 11 lieux diffé-
rents, et il apparaît également dans une citation.
83 À deux reprises, sans préciser l’espèce des arbres, il détermine ἄλσος par δένδρων (VIII,
35, 6 ; VIII, 38, 5). Il serait absurde d’en déduire que l’alsos indéterminé n’était pas nécessai-
rement boisé. Cf. les emplois repris chez Casevitz, « Temples et anctuaires », loc. cit. (note
4) 91-93.
84 À cinq reprises, Pausanias qualifie ἄλσος d’ἱερόν (II, 27, 1 : τὸ δὲ ἱερὸν ἄλσος τοῦ
Ἀσκληπιοῦ à Épidaure ; II, 36, 8 : l’alsos de Lerne où Déméter et Dionysos étaient parti-
culièrement honorés ; III, 4, 1 : l’alsos d’Argos, hors description ; V, 10, 1 : τὸ δὲ ἄλσος τοῦ
Διός, c’est-à-dire l’Altis d’Olympie ; VIII, 37, 10 : ἄλσος τῆς Δεσποίνης ἱερόν), et pas
en II, 11, 3 comme l’affirme Chr. Jacob, « Paysage et bois sacrés : ἄλσος dans la Périégèse
de la Grèce de Pausanias », in : O. de Cazenove – J. Scheid (éds.), Les Bois sacrés. Actes du
Colloque International organisé par le Centre Jean Bérard et l’École Pratique des Hautes Études
(Ve section) (1993) 31-44, spéc. 34. Pour une tentative de définition de l’alsos, voir P. Bon-
nechere, « The Place of the sacred grove (alsos) in the mantic rituals of Greece : the example
of the oracle of Trophonios at Lebadeia (Boeotia) », in : M. Conan (éd.), Sacred Gardens
and Landscapes : Ritual and Agency (2007) 17-41, spéc. 41.
85 G. Roux, Pausanias en Corinthie (Livre II, 1 à 15) (1958) 96, a bien mis cette prédilection en
évidence. Cf. plus récemment D. Birge, « Trees in the Landscape of Pausanias’ Periegesis »,
in : S. Alcock – R. Osborne (éds.), Placing the Gods. Sanctuaries and Sacred Space in Ancient
Greece (1994) 231-245 et A. Jacquemin, « Les curiosités naturelles chez Pausanias », in :
G. Siebert (éd.), Nature et paysage dans la pensée et l’environnement des civilisations antiques.
Actes du Colloque de Strasbourg 11-12 juin 1992 (1996) 121-128.
86 Paus. II, 2, 4 : κυπαρίσσων […] ἄλσος ; II, 11, 4 : ἄλσος πρίνων ; II, 13, 3 et 15, 2 :
κυπαρίσσων ἄλσος ; II, 37, 1 : ἄλσος […] πλατάνων τὸ πολύ ; IV, 33, 4 : ἄλσος,
κυπαρίσσων μάλιστα πλῆρες ; VII, 22, 1 : πλατάνων […] ἄλσος ; VII, 22, 5 : δάφναι
μάλιστα ἐν αὐτῷ πεφύκασι ; VII, 27, 9 : δένδρα ὁμοίως τὰ πάντα ; VIII, 37, 10 : δένδρα
καὶ ἄλλα καὶ ἐλαία καὶ πρῖνος ἐκ ῥίζης μιᾶς πεφύκασι ; VIII, 42, 12 : δρυῶν ἄλσος ;
VIII, 54, 5 : ἄλσος δρυῶν ; IX, 24, 4 : ἤμερα δὲ ὁμοίως πάντα ἐν τῷ ἄλσει δένδρα ;
V. Pirenne-Delforge, Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias 155
IX, 24, 5 : δένδρων ἄλσος οὐχ ἡμέρων· πρῖνοι τὸ πολύ εἰσι ; X, 38, 9 : κυπαρίσσου τε
ἀναμὶξ καὶ τῆς πίτυός ἐστιν ἄλσος.
87 Paus. I, 21, 7 (à Gryneion en Éolide) : κάλλιστον ἄλσος δένδρων καὶ ἡμέρων καὶ ὅσα
τῶν ἀκάρπων ὀσμῆς παρέχεταί τινα ἢ θέας ἡδονήν ; VII, 5, 10 (à Colophon) : ἄλσος
[…] δένδρα μελίαι. Cf. aussi des références littéraires : III, 13, 5 ; X, 30, 6.
88 Paus. III, 22, 8 : ἄλσος παρεχόμενον πηγάς ; IV, 31, 1 : ὕδατος ἐν αὐτῷ πηγή ; VII, 27, 3 :
ἄλσος περιωκοδομημένον τείχει ; VII, 27, 9 : ὕδωρ ἄφθονον ἄνεισιν ἐκ πηγῶν ;
VIII, 31, 5 : ἄλσος οὐ μέγα, θριγκῷ περιεχόμενον ; VIII, 37, 10 : ἄλσος […] θριγκῷ λίθων
περιεχόμενον ; IX, 24, 4 : ὕδωρ ψυχρὸν ἐκ πέτρας ἀνερχόμενον.
89 Sur la route vers Pharai, en Achaïe, Pausanias a vu un alsos de platanes que le temps a creu-
sés et tellement grands que les gens pique-niquent ou dorment dans leurs troncs (VII, 22, 1).
– L’analyse qui suit prend uniquement en compte les 42 bois sacrés inclus dans une descrip-
tion topographique, et non les évocations de mémoire ou littéraires.
90 Paus. II, 2, 4.
91 Paus. II, 11, 3.
92 Paus. IV, 33, 4.
93 Paus. II, 2, 4 : dans l’alsos appelé Kraneion, à l’extérieur de Corinthe, se trouvent un temenos
de Bellérophon, un naos d’Aphrodite et un taphos de Laïs ; VII, 21, 11 : au rivage de Patras,
en Achaïe, un alsos aux promenades rafraîchissantes en été abrite des temples de dieux, en
l’occurrence Apollon et Aphrodite.
94 Paus. I, 30, 4 : ἄλσος τοῦ Ποσειδῶνος ; II, 27, 1 : ἄλσος τοῦ Ἀσκληπιοῦ ; II, 29, 1 :
Ἀρτέμιδός ἐστιν ἄλσος ; IV, 31, 1 : Ἀπόλλωνος ἄλσος ἐστι Καρνείου ; VII, 22, 5 : ἄλσος
Διοσκούρων ; VII, 23, 9 : Ἥρας ἐστὶν ἄλσος ; VII, 24, 12 : τὸ ἄλσος τοῦ Ποσειδῶνος ;
VII, 27, 3 : ἄλσος […] Σωτείρας ἐπίκλησιν Ἀρτέμιδος ; VIII, 10, 1 : Δήμητρος ἄλσος ;
156 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
cède le groupe ναὸς καὶ ἄλσος, le bois appartient également au dieu en question.95
Parfois, des explications complémentaires viennent affirmer ce rapport. Ainsi sur
l’acropole de Phlionte96 se trouvent un κυπαρίσσων ἄλσος καὶ ἱερὸν ἀγιώτατον
ἐκ παλαιοῦ dont la propriétaire est Ganyméda, variante locale de Hèbè.97 Bien-
veillante pour les fuyards suppliants, la déesse reçoit l’hommage des anciens prison-
niers qui suspendent aux arbres de l’alsos les liens qu’ils portaient aux pieds. L’alsos
est incontestablement consacré à Hèbè puisqu’il accueille les marques d’action de
grâce qui lui sont destinées. Quant au « sanctuaire très saint de longue date »,
il semble renvoyer aux structures qui aménagent le lieu sacré de Ganyméda sur
l’acropole de Phlionte, que ce soit dans l’alsos ou à côté de lui. Il n’est toutefois pas
assuré que, dans ce cas précis, hieron soit le terme non marqué pour désigner un
naos. En effet, à la fin de l’évocation du lieu et de sa déesse, Pausanias précise qu’il
n’y a pas de statue, ni dans un endroit caché ni à la vue de tous, et qu’une telle
absence fait localement l’objet d’un hieros logos.98 Une statue peut s’élever à l’air
libre, mais a fortiori, lorsque le hieron qui s’ajoute à l’alsos est dépourvu de statue, il
est d’autant moins certain que ce hieron soit un naos proprement dit.
Sur la route de Titanè, Pausanias a vu l’alsos de pins et le naos des déesses que
les Sicyoniens appellent Euménides. Après avoir décrit le rite sacrificiel particu-
lier qu’accueille leur autel, il conclut sur l’identité du rituel réservé aux Moires ἐν
ὑπαίθρῳ τοῦ ἄλσους.99 Les affinités de fonction des deux groupes de déesses, pré-
sentes dans les Euménides d’Eschyle,100 permettent d’affirmer la cohérence cultuelle
du bois sacré et son statut de sanctuaire conjoint des Euménides et des Moires. À
Lerne, la configuration du lieu est plus complexe. L’alsos est vaste et Pausanias en
indique les limites : le mont Pontinos, la mer, les fleuves Amymoné et Pontinos.101
On y trouve des agalmata de Déméter Prosymné, de Dionysos, et un petit agalma
VIII, 23, 6 : Ἀρτέμιδος ἄλσος ; VIII, 38, 2 : Ἀπόλλωνος ἄλσους ἐπίκλησιν Παρρασίου ;
IX, 8, 1 : ἄλσος Δήμητρος καὶ Κόρης ; IX, 25, 5 : Δήμητρος Καβειρίας καὶ Κόρης ἐστὶν
ἄλσος ; IX, 39, 2 : τὸ ἄλσος τοῦ Τροφωνίου (id. IX, 39, 4) ; X, 33, 12 : Ἀπόλλωνος […]
ἄλσος καὶ βωμοί. À ces références, il faut ajouter les cas repris supra, à la note 84 et infra,
n. 95.
95 Paus. III, 22, 6 : Ἄρεως ναὸς καὶ ἄλσος ; III, 26, 5 : Ἔρωτός ἐστιν […] ναὸς καὶ ἄλσος ;
VIII, 36, 6 : Δήμητρος καλουμένης ἐν ἕλει ναός τε καὶ ἄλσος ; IX, 24, 4 : Ἀπόλλωνος
[…] ναός τε καὶ ἄλσος. Dans ces deux derniers cas la conjonction τε καὶ rend la relation
entre le naos et l’alsos tout à fait claire.
96 Paus. II, 13, 3-4.
97 Si l’on en croit Strabon, Dia est le nom local d’Hèbè (VIII, 6, 24). Il use du terme hieron
pour évoquer son sanctuaire.
98 Paus. II, 13, 4 : ἄγαλμα δὲ οὔτε ἐν ἀπορρήτῳ φυλάσσουσιν οὐδὲν οὔτε ἐστὶν ἐν φανερῷ
δεικνύμενον – ἐφ’ ὅτῳ δὲ οὕτω νομίζουσιν, ἱερός ἐστιν αὐτοῖς λόγος.
99 Paus. II, 11, 4.
100 Eschyle, Euménides 956-967.
101 Paus. II, 37, 1.
V. Pirenne-Delforge, Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias 157
l’alsos est dit se situer περὶ τὸ ἱερόν,111 il est probable que le sanctuaire, qu’il soit ou
non affecté d’un naos, se confondait avec l’alsos.
La formulation de l’ordonnancement peut également s’inverser : le hieron est
alors situé à l’intérieur d’un alsos. Ainsi, sur la route entre Sicyone et Phlionte s’élève
l’alsos Pyraia, avec un ἱερὸν δὲ ἐν αὐτῷ Προστασίας Δήμητρος καὶ Κόρης. La
structuration des lieux devait être complexe car Pausanias précise que les hommes
y célèbrent une fête entre eux, laissant aux femmes le Nymphôn qui abrite des sta-
tues de Dionysos, de Déméter et de Korè dont seuls les visages sont apparents.112 Le
Nymphôn est vraisemblablement un bâtiment laissé à la disposition des femmes.
Quant à la fête des hommes, si elle n’était pas frappée d’un quelconque interdit,
elle pouvait se tenir à l’air libre. Le statut de l’alsos Pyraia semble intimement lié au
culte de Déméter et de sa fille, mais leur hieron pouvait être une zone plus réduite
à l’intérieur du bois.
Entre Tégée et Argos, un alsos de chênes abrite un naos de Déméter ἐν
Κορυθεῦσι et Pausanias d’enchaîner : πλησίον δὲ ἄλλο ἐστὶν ἱερὸν Διονύσου
Μύστου.113 Deux interprétations sont possibles, en fonction du sens de hieron dans
cette phrase. Soit hieron est synonyme de naos et le temple de Dionysos se trouve
dans l’alsos en tant qu’« autre » temple, soit hieron est utilisé comme générique, ce
qui fait du lieu de culte de Dionysos le pendant sacré de l’alsos de Déméter entendu
comme « sanctuaire ». Dans ce cas précis, la qualité d’« initié » de Dionysos ins-
taure un lien privilégié entre son culte et celui de Déméter. Il est donc probable que
la première interprétation est la bonne.114
Pausanias ne fait parfois référence qu’à un autel ou à une statue présents dans
un alsos. Ainsi, à un demi-stade de Korseia, en Béotie, se trouve un alsos de pins
sauvages où s’élève un agalma d’Hermès οὐ μέγα ἐν ὑπαίθρῳ τοῦ ἄλσους.115 La
statue est manifestement indépendante de toute construction et rien ne permet de
préciser les relations existant entre l’alsos et Hermès.
(4) Le quatrième cas de figure fait d’un alsos de grande taille la structure d’ac-
cueil d’un lieu de culte important auquel sont subordonnés toute une série de divi-
nités ou de héros. Les deux exemples les plus célèbres sont le sanctuaire d’Asclépios
111 Paus., III, 22, 8 : ἱερόν ἐστιν αὐτόθι ἀρχαῖον κοινὸν θεῶν ἁπάντων καὶ περὶ αὐτὸ
ἄλσος παρεχόμενον πηγάς ; VIII, 35, 6 : ἔτι ἐπὶ λόφου Ποσειδῶνος ἱερὸν καὶ ἄγαλμα
τετράγωνον, καὶ δένδρων περὶ τὸ ἱερόν ἐστιν ἄλσος. VIII, 42, 12 : ἔστι δὲ δρυῶν τε
ἄλσος περὶ τὸ σπήλαιον καὶ ὕδωρ ψυχρὸν ἄνεισι ἐκ τῆς γῆς ; IX, 22, 5 : Καβείρων
ἱερὸν καὶ ἄλσος περὶ αὐτό.
112 Paus. II, 11, 3.
113 Paus. VIII, 54, 5.
114 Sur Dionysos Mystès, voir Jost, Sanctuaires, op. cit. (note 2) 435-436.
115 Paus. IX, 24, 5.
V. Pirenne-Delforge, Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias 159
à Pellène ne peuvent pénétrer que les prêtres125 et la statue d’Héra dans l’alsos de la
déesse à Aigion n’est visible que par la prêtresse.126
L’alsos est un lieu naturellement circonscrit dans le paysage, où la présence
divine a pu être ressentie avec une intensité particulière.127 Pausanias est très sensi-
ble au charme de ces endroits ombragés et frais auxquels arbres et sources confèrent
une ancienneté tangible, indépendamment des constructions humaines. Hormis
l’alsos d’Argos le Niobide, dont il ne parle que dans les récits sur le sacrilège de
Cléomène de Sparte,128 Pausanias ne décrit d’alsos qu’en référence à des dieux ou,
dans le cas de Trophonios, à un héros dont le culte est manifestement divin,129 à
l’instar de celui d’Héraclès ou d’Asclépios. Jamais les groupements d’arbres autour
d’un tombeau héroïque ne reçoivent le nom d’alsos sous sa plume.130
Dans le cas de l’Altis, le nom d’alsos relève autant de la convention que de la
réalité du paysage. Pausanias se fait l’écho d’un usage. Établir une telle distinc-
tion pour d’autres lieux n’est guère aussi aisé. Ainsi, de vieux cyprès poussent dans
l’Asclépieion de Titanè et des oliviers dans celui d’Épidaura Limera. Une frondai-
son touffue de cyprès entoure le sanctuaire d’Eurynomè à Phigalie et des palmiers
poussent devant le sanctuaire d’Artémis à Aulis.131 Les oliviers peuvent éventuelle-
ment appartenir à des parcelles dont l’affermage permettait d’accroître les revenus
du sanctuaire et l’exploitation du bois d’autres arbres pouvait également y contri-
buer.132 Dans ce dernier cas, l’emploi du terme d’alsos, avec sa dimension religieuse,
ne devait pas correspondre, dans la perspective de Pausanias, aux réalités du terrain.
Mais une telle hypothèse ne peut s’appliquer systématiquement aux différents lieux
boisés d’un sanctuaire dont le visiteur ne fait pas un alsos.133
1. 4. Τέμενος134
Si le terme n’eut pas, à l’origine, une signification religieuse,135 c’est pourtant une
telle connotation – et rien qu’elle – que reçoit le mot dans les descriptions et les
évocations de Pausanias. La notion de « découpage », présente dans son sens éty-
mologique, permet de comprendre bon nombre d’emplois de temenos par rapport à
ceux de hieron : c’est l’espace sacré, le terrain réservé à un dieu ou à un héros qui est
ainsi mis en évidence, et pas seulement la sacralité du lieu. De surcroît – contraire-
ment aux doutes que suscite de ce point de vue l’usage de hieron –, la présence d’un
naos n’est pas une hypothèse nécessaire en l’absence d’une référence explicite.
À Athènes, le grand sanctuaire de Zeus Olympien accueille bon nombre d’an-
tiquités, un Zeus en bronze, un naos de Cronos et Rhéa, un temenos de la Terre
Olympienne.136 C’est à cet endroit qu’une ouverture d’une coudée dans le sol aurait
absorbé les flots du déluge. Le temenos est ici un espace non bâti, clairement déli-
mité au sein d’un ensemble plus vaste. L’explication par le souci stylistique d’une
variatio sermonis137 (hieron de Zeus, naos de Cronos et Rhéa, temenos de Gè) n’est
peut-être pas absent du choix de désigner ainsi le sanctuaire de Gè, mais l’espace
non construit qui accueille une faille ancestrale reçoit de la sorte une dimension
davantage explicite de domaine réservé à la puissance primordiale de la Terre au
sein même du sanctuaire de Zeus.
149 Paus. III, 20, 9. Ce Kranios semble être une version locale d’Apollon Karneios : D. Musti
– M. Torelli, Pausania. Guida della Grecia. Libro III : La Laconia (1991, 1992²) 259.
150 Paus. III, 26, 7. En II, 1, 8, Pausanias décrit le socle d’une des statues du sanctuaire de Poséi-
don sur l’Isthme où apparaissent les Néréides. Saisissant l’occasion de cette mention, il pré-
cise que ces déesses reçoivent des honneurs en maintes places et que, notamment, on leur
dédie des temenè près des ports. – À Patras, près du port, un temenos d’Aphrodite accueillait
une statue acrolithe de la déesse (VII, 21, 10).
151 Paus. VIII, 54, 6.
152 Paus. IX, 34, 5. – Le sanctuaire de Zeus sur le mont Ithomè en Messénie ne fait pas l’objet
d’une description directe, mais se voit évoqué à maintes reprises au fil des récits sur les
guerres avec Sparte qui occupent la majeure partie du livre IV. Pausanias use une fois du
mot temenos (IV, 3, 9) et deux fois de hieron (IV, 12, 8 ; 33, 1) pour le désigner.
153 Paus. X, 38, 8 : ἐν δὲ αὐτῷ ναὸς […].
154 Paus. I, 40, 4 et 6.
155 Paus. VII, 20, 7-9 : τῆς δὲ ἀγορᾶς ἄντικρυς κατὰ ταύτην τὴν διέξοδον τέμενός ἐστιν
Ἀρτέμιδος καὶ ναὸς Λιμνάτιδος […] τούτου δὲ τοῦ τεμένους ἐστί καὶ ἄλλα τοῖς
Πατρεύσιν ἱερά […].
156 I, 1, 3. Cf. D. Musti – L. Beschi, Pausania. Guida della Grecia. Libro I : L’Attica (1982,
19954) 254. – Un temenos était consacré au même Zeus Sôter, avec des agalmata, à Aigion
(VII, 23, 9).
157 Strabon (IX, 15 [C396]) évoque pareillement le hieron accueillant de petits portiques avec
des peintures et des statues à l’air libre.
158 Paus. I, 18, 2.
159 G. Dontas, « The True Aglaurion », Hesperia 52 (1983) 48-63.
164 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
160 Paus. II, 4, 6 : un temenos d’Isis Pelagia, l’autre d’Isis Égyptienne, un temenos de Sarapis ἐν
Κανώβῳ et l’autre du même dieu sans qualification particulière.
161 Paus. III, 12, 5.
162 Paus. VIII, 30, 2-3 : sur l’agora, περίβολος δέ ἐστιν ἐν ταύτῃ λίθων καὶ ἱερὸν Λυκαίου
Διός, ἔσοδος δὲ ἐς αὐτὸ οὐκ ἔστι. Suit alors la description de ce qu’on aperçoit depuis
l’extérieur. Et Pausanias d’enchaîner, ἔστι δὲ πρὸ τοῦ τεμένους τούτου […].
163 Paus. III, 25, 4 : ἐπὶ δὲ τῇ ἄκρῳ ναὸς εἰκασμένος σπηλαίῳ καὶ πρὸ αὐτοῦ Ποσειδῶνος
ἄγαλμα.
164 Paus. VIII, 36, 6. Pour le récit de cette victoire, cf. VIII, 27, 14.
165 Paus. II, 23, 2.
166 Paus. II, 29, 1.
167 Paus. VII, 23, 7.
168 Paus. VIII, 32, 4.
169 Paus. I, 37, 2.
170 Paus. II, 2, 4.
171 Paus. III, 13, 7.
172 Paus. VII, 21, 6.
173 Paus. X, 8, 7.
V. Pirenne-Delforge, Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias 165
174 Paus. II, 18, 1. – Dans le récit des aventures d’Euthymos de Locres à Témessa, Pausanias
rapporte un oracle de la Pythie qui ordonna aux gens du lieu de se rendre le daimôn Hérô
favorable en lui « découpant » (ἀποτεμομένους) un temenos et en y construisant un temple
(VI, 6, 8).
175 Paus. I, 2, 5 : ἐπ’ ἐμοῦ δὲ ἀνεῖτο Διονύσῳ […] μετὰ δὲ τὸ τοῦ Διονύσου τέμενός […].
176 Paus. II, 8, 2 : τὸ ἐγγὺς τέμενος ἀνειμένον βασιλεῦσι Ῥωμαίων οἰκία ποτὲ ἦν Κλέωνος
τυράννου.
177 À Thèbes, la maison de Kadmos et de ses descendants serait devenue le hieron de Déméter
Thesmophoros (IX, 16, 5).
178 Paus. II, 23, 7.
179 Casevitz, « Temples et sanctuaires », loc. cit. (note 4) 86 ; Donlan, « Homeric temenos »,
loc. cit. (note 135) 145.
180 Paus. VI, 25, 1 : ἔστι δὲ τῆς στοᾶς ὀπίσω τῆς ἀπὸ τῶν λαφύρων τῶν ἐκ Κορκύρας
Ἀφροδίτης ναός, τὸ δὲ ἐν ὑπαίθρῳ τέμενος οὐ πολὺ ἀφεστηκὸς ἀπὸ τοῦ ναοῦ. καὶ τὴν
μὲν ἐν τῷ ναῷ καλοῦσιν Οὐρανίαν, ἐλέφαντος δέ ἐστι καὶ χρυσοῦ, τέχνη Φειδίου, τῷ
δὲ ἑτέρῳ ποδὶ ἐπὶ χελώνης βέβηκε· τῆς δὲ περιέχεται μὲν τὸ τέμενος θριγκῷ, κρηπὶς
δὲ ἐντὸς τοῦ τεμένους πεποίηται καὶ ἐπὶ τῇ κρηπῖδι ἄγαλμα Ἀφροδίτης χαλκοῦν ἐπὶ
τράγῳ κάθηται χαλκῷ· Σκόπα τοῦτο ἔργον, Ἀφροδίτην δὲ Πάνδημον ὀνομάζουσι. τὰ
δὲ ἐπὶ τῇ χελώνῃ τε καὶ ἐς τὸν τράγον παρίημι τοῖς θέλουσιν εἰκάζειν.
166 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Derrière le portique construit avec le butin pris à Corcyre, il y a un temple d’Aphrodite et,
se trouvant non loin du temple, le temenos à l’air libre. Celle qui se trouve dans le temple,
ils l’appellent Ourania, elle est en ivoire et en or, et due à l’art de Phidias ; elle pose l’un
des deux pieds sur une tortue. Le temenos de l’autre est entouré d’un mur. À l’intérieur du
temenos se trouve une krepis et, sur la krepis, une statue d’Aphrodite en bronze est assise sur
un bouc en bronze. L’œuvre est de Scopas et ils nomment Aphrodite Pandèmos. Quant à
la signification de la tortue et du bouc, je laisse à ceux qui le désirent le soin de la conjec-
turer.
181 Sur ces deux statues, voir V. Pirenne-Delforge, « Des épithètes exclusives dans la Grèce
polythéiste ? L’exemple d’Ourania », in : N. Belayche – P. Brulé – G. Freyburger – Y. Leh-
mann – L. Pernot – F. Prost (éds.), Nommer les dieux. Théonymes, épithètes, épiclèses dans
l’Antiquité (2005) 271-290, spéc. 283-286.
V. Pirenne-Delforge, Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias 167
1. 5. Περίβολος
Le mot, qui désigne une enceinte, n’appartient pas à proprement parler au voca-
bulaire religieux. Ainsi, sur 70 occurrences, 14 désignent des remparts,182 quatre des
enclos où s’exercent des athlètes,183 deux des enceintes d’agora.184 Toutefois, la prise
en considération du mot dans le contexte qui nous occupe n’est pas négligeable
puisque 50 emplois entrent en ligne de compte pour la description de sanctuai-
res.185
Le peribolos désigne aussi bien la vaste enceinte d’un sanctuaire important186 que
les quelques pierres qui enserrent une béance réputée pour ses liens avec l’au-delà.187
Le choix du terme relève d’un souci d’exactitude dans la description puisqu’il fait
référence à une réalité topographique tangible ; il articule également la présenta-
tion des diverses composantes d’un sanctuaire. Ainsi, près du théâtre d’Athènes
s’élève, au dire de Pausanias, le plus ancien hieron de Dionysos188 et à l’intérieur de
son peribolos se trouvent deux temples, l’un pour le Dionysos d’Éleuthères, l’autre
abritant une réalisation d’Alkamène. Le propos passe donc graduellement du géné-
rique d’un lieu sacré au particulier des statues de culte. La référence au peribolos
permet de situer les temples jumeaux dans une même structure sans recourir à
nouveau à l’emploi de hieron.
182 Paus. I, 25, 8 ; 41, 6 ; II, 3, 3 ; 16, 5 ; IV, 9, 2 ; 27, 7 ; VI, 19, 11 ; VII, 18, 5 (2 occ.) ; VIII, 13, 2 ;
38, 1 ; IX, 7, 4 ; 8, 4 ; X, 4, 2.
183 Paus. VI, 21, 2 ; 23, 1 et 4-5.
184 Paus. VII, 22, 2 ; X, 32, 10.
185 46 emplois s’inscrivent dans une description et concernent 31 endroits différents, 4 fois le
mot est employé en dehors d’une description. Pour les descriptions, il faut préciser que près
de la moitié des periboloi apparaissent au livre II (21 occurrences pour 14 lieux).
186 Paus. I, 18, 6 et 7 : Zeus Olympien à Athènes ; II, 2, 1 : Poséidon sur l’Isthme ; II, 27, 1 et 3 :
l’alsos sacré d’Asclépios à Épidaure ; II, 33, 3 : Poséidon à Kalaurie ; V, 4, 8 ; 15, 2 ; 27, 11 :
Zeus à Olympie ; VIII, 31, 1 et 4 et 5 et 7 : les Grandes déesses à Mégalopolis ; VIII, 37, 1
et 3 : Despoina à Lykosoura ; X, 9, 1 ; 32, 1 : Apollon à Delphes ; X, 32, 12 : Asclépios à Titho-
réa ; X, 32, 13 : Isis à Tithoréa. – Pour désigner l’intérieur du sanctuaire de Déméter à Éleu-
sis, Pausanias écrira ἐντὸς τοῦ τεῖχους τοῦ ἱεροῦ (I, 38, 7).
187 Paus. II, 15, 3 : dans le district de Némée, le tombeau d’Opheltès est une béance entourée
d’un mur de pierres intégrant des autels ; Paus. II, 36, 7 : aux environs de Lerne, un peri-
bolos de pierres désigne le lieu où Plouton a enlevé Korè ; IX, 8, 3 : sur la route de Potniai
à Thèbes. À ces diverses enceintes, on peut ajouter le peribolos du manteion de Trophonios
à Lébadée : le manteion est ici le lieu même de la consultation, c’est-à-dire le χάσμα γῆς
artificiel par lequel descendent les consultants et autour duquel devait s’élever une bar-
rière (IX, 39, 9), et peut-être même des periboloi où s’accomplissent de mystérieux rituels en
l’honneur de Déméter à Hermione (II, 34, 10). Soulignons enfin, pour clore cette énuméra-
tion, qu’à Élis, Hadès a un hieros peribolos et un naos, affirmation que Pausanias répète afin
d’en souligner le caractère exceptionnel (VI, 25, 2).
188 Paus. I, 20, 3 : τοῦ Διονύσου […] τὸ ἀρχαιότατον ἱερον.
168 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
À l’instar de ses temenè, les periboloi d’Asclépios sont plus nombreux que pour
n’importe quelle autre divinité : à Sicyone,189 à Titanè,190 à Épidaure,191 à Tithoréa,192
ce qui tend à confirmer la similitude de caractère des lieux sacrés que Pausanias
désigne du nom de temenos et de hieron enclos, à l’exception de la présence d’un
temple qui est assurée dans les quatre periboloi. Cette similitude est encore attestée
par la description du sanctuaire urbain de Zeus Lykaios, sur l’agora de Mégalopo-
lis.193 Pausanias y a vu un peribolos de pierres et un hieron du dieu dont l’entrée est
interdite. Il décrit néanmoins ce qu’il y voit de l’extérieur, ce qui laisse clairement
entendre que le hieron n’est pas, dans ce cas, un naos. Il clôt sa description par la
mention du temenos de Zeus, appellation générique du hieron enclos d’un peribo-
los qu’il attribue explicitement au dieu six paragraphes plus loin.194 Cet exemple
vient confirmer l’interprétation du hieron d’Héraclès donnée plus haut :195 le mot
hieron désigne tout d’abord l’ensemble du sanctuaire, que Pausanias détaille par
l’énumération du peribolos Paidizè, dans lequel se trouve le hieron qui, cette fois,
est le temple dans lequel s’élève le xoanon.196 C’est donc bien tout le peribolos qui
est le hieron d’Héraclès, comme le peribolos de l’agora mégalopolitaine est consacré
à Zeus.
Les nombreuses tombes de héros relevées au passage par Pausanias,208 sans qu’il
soit fait mention d’un hèrôon, font parfois l’objet d’un rituel particulier,209 quand
ce ne sont pas leurs caractéristiques formelles210 qui reçoivent une attention spéciale
dans la description. Sans prétendre qu’aucune de ces tombes ne puisse être qualifiée
de hèrôon en l’absence d’une telle notation, et donc que Pausanias ait fait preuve
de la rigueur la plus grande dans l’évocation de ces réalités héroïques, on est tenté
de concevoir, là où il parle d’un hèrôon, l’existence d’une structure bâtie autour ou
à l’entour du tombeau. Car, à une exception près, quand il parle d’un mnèma ou
d’un taphos isolé, jamais une telle structure n’apparaît. L’exception concerne Castor
à Sparte, qui possède un μνῆμα sur lequel un hieron a été établi.211 L’explication
d’une telle structuration du lieu sacré réside dans le processus de divinisation qui a
frappé les Tyndarides.212 Par analogie, on peut supposer que le hèrôon est une struc-
ture bâtie sur – ou à côté de – certaines tombes de héros pour accroître le prestige
de leur statut. Et le fait que le hèrôon d’Alkathoos soit devenu un dépôt d’archives
lorsque Pausanias visite Mégare viendrait confirmer cette hypothèse.213
208 218 occurrences pour μνῆμα (dont 3 citations et une restitution), 163 pour τάφος, 6 pour
σῆμα (dont 2 citations). L’utilisation respective de μνῆμα et de τάφος ne semble pas tra-
duire une différence formelle (les équivalents français « tombeau » et « tombe » seraient
pareillement interchangeables) car, à de nombreuses reprises, les deux termes interviennent
dans la description d’un même monument et répondent donc à des impératifs plus stylis-
tiques que sémantiques (e.g. II, 11, 1 ; 22, 1 ; V, 6, 6 ; VI, 21, 3 ; VII, 17, 8 ; 25, 13 ; VIII, 11, 8 ;
13, 5 ; 26, 4 ; IX, 17, 6 ; 22, 6 ; X, 24, 6). S’il faut tout de même refléter dans la traduction la
différence de terme, on peut traduire taphos par « tombe / tombeau » et mnèma par « monu-
ment funéraire ». Cf. M. Jost, in : M. Casevitz – M. Jost, Pausanias. Description de la Grèce,
tome VIII. Livre VIII : L’Arcadie (1998) xlii : tombe et monument.
209 E. g. Paus. I, 41, 9 (le tombeau de Térée à Mégare) ; II, 20, 3 (Phoroneus à Argos) ; IV, 32, 3
(Aristomène à Messène) ; VII, 17, 8 (Sostratos peu avant Dymaion) ; VII, 20, 9 (Preugénès à
Patras) ; IX, 18, 3 (les enfants d’Œdipe sur la route de Thèbes à Chalcis).
210 E. g. Paus. I, 43, 8 (le tombeau de Koroibos sur l’agora de Mégare) ; I, 44, 6 (Kar sur la route
de Mégare à Corinthe) ; II, 2, 4 (Laïs dans le Kraneion aux abords de Corinthe) ; II, 15, 3
(Opheltès dans le hieron de Zeus à Némée) ; II, 29, 9 (Phokos à Égine) ; VIII, 16, 5 (une
Hélène indigène de Jérusalem).
211 Paus. III, 13, 1 : ἔστι δὲ Κάστορος μνῆμα, ἐπὶ δὲ αὐτῷ καὶ ἱερὸν πεποίηται.
212 Ibid. : τεσσαρακοστῷ γὰρ ὕστερον ἔτει τῆς μάχης τῆς πρὸς Ἴδαν καὶ Λυγκέα θεοὺς
τοὺς Τυνδάρεω παῖδας καὶ οὐ πρότερον νομισθῆναι φασι.
213 Paus. I, 43, 4 : ἐντεῦθεν πρὸς τὸ Ἀλκάθου βαδίζουσιν ἡρῷον, ᾧ Μεγαρεῖς ἐς γραμμάτων
φυλακὴν ἐχρῶντο ἐπ’ ἐμοῦ. Comme la formulation est différente dans le cas du Bouleu-
tèrion de Mégare, qui est venu surplomber des tombeaux héroïques, on peut supposer que
c’est la structure bâtie du hèrôon qui accueillait les archives (I, 43, 3 : βουλευτήριον ἐνταῦθα
ᾠκοδόμησαν, ἵνα σφίσιν ὁ τάφος τῶν ἡρώων ἐντὸς τοῦ βουλευτηρίου γένηται). Sur
les formes diverses des hèroa, voir Hellmann, L’architecture grecque, op. cit. (note 58) 281-
287.
V. Pirenne-Delforge, Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias 171
2. 2. Ἄδυτον214
214 23 occurrences pour 8 lieux différents. – Ἄβατον n’apparaît que trois fois et une seule
occurrence concerne un sanctuaire : Pausanias l’utilise pour qualifier le thalamos de Sémélè
à Thèbes (IX, 12, 3). Cf. M. B. Hollinshead, « ‹Adyton›, ‹Opisthodomos›, and the Inner
Room of the Greek Temple », Hesperia 68 (1999) 189-218.
215 Paus. II, 2, 1 : τοῦ περιβόλου δέ ἐστιν ἐντὸς Παλαίμονος ἐν ἀριστερᾷ ναός, ἀγάλματα
δὲ ἐν αὐτῷ Ποσειδῶν καὶ Λευκοθέα καὶ αὐτὸς Παλαίμων. ἔστι δὲ καὶ ἄλλο Ἄδυτον
καλούμενον, κάθοδος δὲ ἐς αὐτὸ ὑπόγεως, ἐνθα δὴ τὸν Παλαίμονα κεκρύφθαι φασίν.
216 Paus. IV, 16, 7 : καταβὰς ἐς τὸ ἄδυτον ἱερὸν τοῦ Τροφωνίου τὸ ἐν Λεβαδείῳ […] ;
IX, 39, 13 : τὸν δὲ ἀναβάντα παρὰ τοῦ Τροφωνίου […].
217 Paus. VII, 27, 2 : λέγουσι δὲ οἱ Πελληνεῖς καὶ ἄδυτον τῆς Ἀθηνᾶς καθήκειν ἐς βάθος
τῆς γῆς, εἶναι δε τὸ ἄδυτον τοῦτο ὑπὸ τοῦ ἀγάλματος τῷ βάθρῳ, καὶ τὸν ἀέρα ἐκ τοῦ
ἀδύτου νότιόν τε εἶναι καὶ δι’ αὐτὸ τῷ ἐλέφαντι ἐπιτήδειον.
218 Paus. X, 32, 18 : […] ἐς τὸ ἄδυτον καταπέμψαι τῆς Ἴσιδος τὸ ἐν Κόπτῳ […] ἀνέστρεψε
ἐκ τοῦ ἀδύτου.
219 Paus. X, 32, 13 : τὸ δὲ αὐτὸ καὶ ἐν ταῖς ὑπὲρ Μαιάνδρου πόλεσι θεοὶ ποιοῦσιν οἱ
καταχθόνιοι· οὓς γὰρ ἂν ἐς τὰ ἄδυτα ἐσιέναι θελήσωσιν, ἀποστέλλουσιν αὐτοῖς
ὀνειράτων ὄψεις.
172 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
2. 3. Ἄντρον224
L’antre est une grotte vouée au culte d’une ou de plusieurs divinité(s),225 Dionysos
s’y voit représenté sur le coffre de Kypsélos226 et, en Laconie, les gens de Brasiai ont
montré au visiteur l’antre où Ino éleva le dieu.227 La grotte de Déméter Melaina à
Phigalie est ainsi désignée dans un oracle de Delphes228 et Pausanias use de la même
appellation.229 L’antre des nymphes coryciennes, rendu célèbre par les fouilles de
l’École française, se taille une part de choix dans l’ensemble des occurrences du
mot (5) et d’autres nymphes, sphragidiennes, trouvent également refuge dans un
220 Paus. X, 24, 7 : ταύτης τῆς Κασσοτίδος δύεθαί τε κατὰ τῆς γῆς λέγουσι τὸ ὕδωρ καὶ ἐν
τῷ ἀδύτῳ τοῦ θεοῦ τὰς γυναῖκας μαντικὰς ποιεῖν.
221 Paus. X, 24, 5.
222 Cf. G. Daux, Delphes, son oracle et ses dieux (1976) 105-110.
223 Paus. X, 33, 11 : θέας δὲ μάλιστα ἄξια Διονύσῳ δρῶσιν ὄργια, ἔσοδος δὲ ἐς τὸ ἄδυτον
<οὐκ ἔστι> οὐδὲ ἐν φανερῷ σφισιν ἄγαλμα [οὐκ ἔστι].
224 16 occurrences (dont une citation) pour 9 lieux différents, dont 4 sont indépendants d’une
description directe.
225 À propos de Clazomènes, Pausanias évoque l’existence d’un antre « de la mère de Pyrrhos »
et une histoire locale sur le berger Pyrrhos (VII, 5, 11).
226 Paus. V, 19, 6.
227 Paus. III, 24, 4.
228 Paus. VIII, 42, 6.
229 Paus. VIII, 42, 1.
V. Pirenne-Delforge, Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias 173
antre, sur le Cithéron.230 Toujours en Béotie, à Lébadée, une grotte vouée à des
dieux guérisseurs est appelée antron dans le récit mythique de sa découverte.231
Pausanias mentionne également deux antres de Phrygie232 dont la description inter-
vient parmi celle d’autres grottes remarquables. Toute grotte vouée à un dieu ne
reçoit cependant pas systématiquement le nom d’ἄντρον dans la Périégèse233 et le
mot n’est pas limité à la désignation d’un sanctuaire.
2. 4. Μέγαρον234
Le megaron ancien est une vaste salle du palais mycénien comportant un foyer,
parfois l’appartement des femmes.235 Hormis les deux extraits des Ehoai que cite
Pausanias,236 ce sens archaïque n’apparaît pas dans le texte.
Au livre I, parlant du toponyme Μέγαρα, Pausanias se lance dans une expli-
cation étymologique du nom de la cité. C’est sous le règne du roi Kar que, pour
la première fois, apparurent des hiera de Déméter et que les hommes usèrent du
nom de Megara.237 Que le μέγαρον soit bien, à l’origine, un sanctuaire de Déméter,
dans l’esprit du Périégète, est confirmé lors de la description de l’acropole Karia
de Mégare où se trouve τῆς Δήμητρος τὸ καλούμενον μέγαρον qui fut établi au
temps du roi éponyme de la citadelle.238 Quant à savoir quelle réalité topographi-
que ou architecturale une telle appellation recouvre, Pausanias n’en offre guère la
possibilité, pas plus à Mégare qu’ailleurs. L’évocation du megaron de la déesse à Kai-
nèpolis en Laconie ne dépasse pas le simple énoncé,239 mais la juxtaposition d’un
naos d’Aphrodite laisse entendre que l’édifice pour Déméter n’est pas identifiable à
un « temple » au sens strict.
L’apparence des megara attribués à d’autres dieux n’est pas plus claire. Les
Méliastes de Dionysos célèbrent les orgia du dieu dans la campagne de Manti-
née ; une fontaine porte leur nom et près d’elle se trouve un megaron de Diony-
240 Paus. VIII, 6, 5 : οἱ Μελιασταὶ δὲ οὗτοι δρῶσι τὰ ὄργια τοῦ Διονύσου, καὶ Διονύσου τε
μέγαρον πρὸς τῇ κρήνῃ […].
241 Paus. IV, 31, 9 : πλησίον δὲ Κουρήτων μέγαρον, ἔνθα ζῷα τὰ πάντα ὁμοίως
καθαγίζουσιν.
242 Paus. VIII, 37, 8 : παρὰ δὲ τὸν ναὸν τῆς Δεσποίνης ὀλίγον ἐπαναβάντι ἐν δεξιᾷ
Μέγαρόν ἐστι καλούμενον, καὶ τελετήν τε δρῶσιν ἐνταῦθα καὶ τῇ Δεσποίνῃ θύουσιν
ἱερεῖα οἱ Ἀρκάδες πολλά τε καὶ ἄφθονα (cf. aussi VIII, 37, 10). – Par analogie avec ce
passage, on a restitué un megaron pour l’initiation dans la description du sanctuaire des
Grandes déesses à Mégalopolis (VIII, 31, 7).
243 Cf. Jost, Sanctuaires, op. cit. (note 2) 177, qui argumente en faveur d’une telle identifica-
tion.
244 A. Tresp, Die Fragmente der griechischen Kultschriftsteller (1914) 90-96, fr. I. Cf. L. Robert,
« Sur deux inscriptions grecques », in : Mélanges Bidez (Annuaire de l’Institut de Philologie
et d’Histoire orientales) 2 (1934) 793-812 (= Opera Minora Selecta II [1969] 988-1007), spéc.
810-812.
245 Paus. IX, 8, 1 : ἐν χρόνῳ δὲ εἰρημένῳ δρῶσι καὶ ἄλλα ὁπόσα καθέστηκέ σφισι καὶ ἐς τὰ
μέγαρα καλούμενα ἀφιᾶσιν ὗς τῶν νεογνῶν.
246 W. Burkert, Greek Religion (1985) 242-243.
247 Le mot bothros peut être qualifié de « technique » et désigne un trou, une fosse qui accueille
un rituel particulier. Les bômoi portent en hauteur les parts sacrificielles. Le mouvement du
V. Pirenne-Delforge, Le lexique des lieux de culte dans la Périégèse de Pausanias 175
turaux que croise Pausanias ne sont pas assimilables, ipso facto, à des structures
souterraines.248
2. 5. Μαντεῖον249 et χρηστήριον250
deux termes en alternance pour évoquer Delphes et Lébadée,254 et l’on ne peut que
constater la parfaite synonymie de ce couple de mots dans son texte.
L’ambivalence de la notion d’« oracle » provient de l’ancrage local des instances
divinatoires évoquées par manteion et chrèstèrion. Les sentences ou les signes éclai-
rants des dieux sont délivrés dans un sanctuaire, mais rien ne permet d’en déduire
que les deux termes font référence à une forme architecturale ou à un complexe
naturel déterminés. Manteion et chrèstèrion désignent avant tout l’« institution »
oraculaire associée à un endroit donné, ce qui explique pourquoi Pausanias peut
se permettre de qualifier un manteion d’ἀψευδές255 ou d’en faire le sujet d’une
action.256
Un exemple de l’emploi de chacun des termes devrait permettre d’en com-
prendre davantage encore la portée et l’ambiguïté. À Lébadée, où Pausanias s’est
lui-même soumis aux procédures oraculaires, le parcours de sa visite est tout entier
orienté vers le manteion dont il décrit, d’une part le mode de consultation et,
d’autre part, l’apparence formelle, rassemblant dès lors sous une même appellation
l’idée de révélation et celle de lieu.257 Sur l’agora de Pharai, Pausanias a vu un pilier
hermaïque d’Hermès barbu portant l’épiclèse d’Agoraios. Et il enchaîne,« à côté de
lui est établi un chrèstèrion ». Il s’agit en fait d’un foyer en pierre situé devant la sta-
tue et auquel sont scellées deux lampes en bronze. S’ensuit alors la description du
rituel oraculaire. La notion de chrestèrion mêle à la fois la donnée concrète de l’hes-
tia sur laquelle le consultant brûle de l’encens et la notion abstraite d’instance ora-
culaire à laquelle préside la statue d’Hermès.258 En d’autres sanctuaires, le manteion
ou le chrèstèrion est caractérisé par une source,259 une béance géologique260 ou par la
conviction que les rêves faits en un tel lieu offrent une réponse aux questions.261
tion fréquente du mot ἱερόν dans une perspective générique ne permet pas, dans
bon nombre de cas, de concevoir la réalité topographique que dissimule le mot.
Le recours à des termes comme ναός, ἄλσος, ἡρῷον, ἄδυτον, ἄντρον,
μέγαρον renvoie à un lexique plus ou moins « technique » : le sanctuaire ainsi
dénommé, en tout ou en partie, comporte l’un ou l’autre élément particulier ou
se signale globalement par sa forme singulière. Mais une telle « technicité » reste
toute relative dans des descriptions souvent allusives. Des réalités diverses peuvent
se cacher derrière un label de ce type. Ainsi, le ναός renvoie à la notion générique
de temple, dont l’utilisation implique une structure architecturale spécifique – c’est
le ναοῦ σχῆμα de certaines tombes –, mais cette donnée n’est pas pour autant
« canonique ». L’ἄλσος implique un cadre arboré et sacralisé, mais il est des cas où
la description semble appeler une désignation en ἄλσος que Pausanias n’utilise pas
dans le contexte apparemment adéquat. Le ἡρῷον, quant à lui, est l’appellation
générique des aménagements entrepris autour d’un tombeau héroïque : le terme est
donc technique, mais les réalités concrètes auxquelles ils renvoient sont sans doute
plus complexes et plus variées que ne laisse entendre l’usage un peu mécanique du
mot par Pausanias. L’ἄδυτον renvoie, lui, à un espace souterrain, quel qu’il soit, et
l’ἄντρον, à un espace naturel auquel le nom de σπήλαιον semble convenir tout
autant. Le μέγαρον, pour sa part, renvoie à des données architecturales fuyantes,
mais le plus petit commun dénominateur des occurrences du terme pourrait être,
comme l’affirmait Ammonios de Lamptres, l’existence d’un foyer à la structure
monumentalisée.
Les cas où apparaît un τέμενος renvoient essentiellement – mais pas unique-
ment – à un espace non construit qui tient lieu de « domaine » dévolu à un dieu
ou à un héros. Ce sens est également perceptible quand un bâtiment profane passe
dans le domaine du culte. D’autres occurrences de temenè divins devaient relever
de l’apparence des lieux : il y a fort à parier que le sanctuaire delphique d’Apollon
reçoit l’appellation de temenos au vu de la situation particulière de ce vaste ensem-
ble foisonnant qui devait contraster fortement, au temps de sa splendeur, avec
l’âpre flanc montagneux du Parnasse.
Les conclusions qu’il est possible de tirer de ce parcours lexical restent certes limi-
tées, et un usage rigoureux de son vocabulaire par Pausanais ne signifie pas que le
lecteur moderne puisse systématiquement postuler une même réalité derrière un
même mot. De plus, invoquer les nécessités de style pour expliquer nos incompré-
hensions n’apporte guère d’explication satisfaisante dans bon nombre de cas. En
appeler à une logique religieuse dont Pausanias ne ferait pas clairement état semble
tout aussi peu convaincant.
178 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Will man der bekannten Legende der Siebenschläfer Glauben schenken, dann
ereigneten sich unter Kaiser Decius (249-251) grausame Christenverfolgungen.¹
Angeblich war Decius im Jahre 251 nach Ephesos gekommen, um persönlich über
die Opfer an die Götter zu wachen. Sieben Christen jedoch, Palastdiener des Kai-
sers, weigerten sich, ihrer Opferpflicht nachzukommen. Der Kaiser, der im Begriff
war Ephesos für einige Zeit zu verlassen, räumte ihnen Bedenkzeit bis zu seiner
Rückkunft ein. Nicht willens, ihrem christlichen Glauben abzuschwören, zogen es
die Sieben vor, sich in einer Höhle im Berg Anchilus zu verstecken, um ungestört
zu Gott beten zu können. Da Nahrungsmittel beschafft werden mußten, ging der
jüngste regelmäßig als Bettler verkleidet in die Stadt. Als er sah, daß Decius nach
Ephesos zurückgekehrt war, beeilte er sich, zu den anderen zurückzugehen, und
konnte nur wenig Brot mitbringen. Nachdem der spärliche Vorrat unter Wehkla-
gen aufgezehrt worden war, fielen die Sieben in Schlaf. Decius wiederum machte
sich auf die Suche nach seinen Palastdienern und fand ihr Versteck erst, als er deren
Vätern Folter androhte. Daraufhin ließ er den Höhleneingang verschließen, um
sie lebend zu begraben. Theodorus und Rufinus, zwei weitere christliche Diener
des Kaisers, schrieben das Geschehene heimlich auf bleiernen Tafeln nieder und
versteckten diese unter den Steinen am Höhleneingang. Bald darauf starb Decius.
Fast zwei Jahrhunderte später, unter der Regierung des Kaisers Theodosius II.
(408-450), führte man einen heftigen Disput über Fragen der Auferstehung nach
dem Tode. Häretiker bestritten die leibliche Auferstehung, und selbst Theodosius
II. war sich nicht mehr sicher. Da geschah es, daß in Ephesos ein gewisser Ado-
lius einen Viehstall errichten und dabei Steine vom Eingang der Siebenschläfer-
DOI 10.1515/ARG.2008.008
180 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
höhle verwenden ließ. Als dabei die Höhle geöffnet wurde, wachten die Sieben
auf, erkannten aber nicht, fast zwei Jahrhunderte geschlafen zu haben. Abermals
machte sich also der jüngste nach Ephesos auf, um Nahrungsmittel zu besorgen.
Doch hatte sich das Erscheinungsbild der Stadt verändert:² „Als er sich dem Stadt-
tor näherte, sah er Kreuze über dem Tor, und voller Verwunderung sprach er zu
sich: ‚Was geschah seit dem gestrigen Sonnenuntergang, als ich die Stadt verließ?
Ließ sich das Herz des Decius erweichen, daß er das Stadttor mit dem Zeichen
des Kreuzes versah?‘ Und als er die Stadt betrat, bemerkte er, wie Menschen auf
den Namen Christi schworen und zur Kirche blickten, wie sich Kleriker durch die
Stadt bewegten und die Stadtmauer erneuerten. Voller Erstaunen sprach er zu sich
selbst: ‚Glaubst Du, eine andere Stadt betreten zu haben?‘“
Der Händler, bei dem er Brote kaufen wollte, konnte sich die Herkunft der
alten Münzen mit dem Bild des Kaisers Decius nicht erklären und schöpfte Ver-
dacht. Man nahm den Jüngling also fest und führte ihn vor den Bischof und den
Statthalter. Jetzt erst erfuhr er, daß Decius schon lange tot war, daß er mit seinen
Gefährten fast zwei Jahrhunderte geschlafen hatte. Er führte Statthalter, Bischof
und Volk zur Höhle, man entdeckte die unter einem Stein verborgene Tafel mit
dem Bericht von der Zumauerung der Höhle. Sogar Kaiser Theodosius II. kam
nach Ephesos, um sich von dem Wunder zu überzeugen. Die Sieben bezeugten vor
dem Herrscher ihre Auferweckung und entschliefen dann endgültig. Theodosius,
nunmehr überzeugt von der leiblichen Auferstehung, ließ über der Höhle eine
Kirche errichten.
verlor und sich das Christentum als vorherrschende Religion etablierte – mit ent-
sprechenden Auswirkungen auf das Stadtbild, auf die Vorgänge in der Stadt und
die religiöse Artikulation ihrer Bewohner. Kreuze zierten das Stadttor, Kirchen
bereicherten die Stadtlandschaft, Kleriker eilten durch die Stadt, und die öffent-
lichen Diskurse betrafen Fragen des christlichen Glaubens. Damit sind wesent-
liche Kategorien der Definition der spätantiken Stadt als religiöser Raum genannt,
die wir im folgenden in einen breiteren Kontext stellen wollen.
Zu den Veränderungen, die unser zeitreisender Jüngling beim Betreten der Stadt
Ephesos bemerkte, zählten die Kirchenbauten. Er nennt damit ein wesentliches
Kriterium, das auch in der modernen Forschung immer wieder als Grundlage für
die ‚Christianisierung‘ einer Stadt angeführt wird: Lage und Häufigkeit von Kir-
chenbauten.⁴ Dabei wird der Begriff ‚Christianisierung‘ oft in einem sehr abstrak-
ten Sinne verstanden, als sei die Stadt ein Organismus, der einer schleichenden
Veränderung unterzogen wurde, als sei das Symptom dieses Prozesses die Häufig-
keit zentral gelegener Kirchen.⁵ Dabei sind die Voraussetzungen von Stadt zu Stadt
höchst unterschiedlich: Lage, Größe und Ausstattung eines Baus hingen zunächst
von den Besitzverhältnissen und von der ökonomischen (und politischen) Potenz
des Stifters ab. Ferner spielten die urbanistischen Rahmenbedingungen eine Rolle:
Konnte man funktionslose Bauten oder verfallene Areale übernehmen? Und wenn
ja: Wo befanden sich diese? Und schließlich wird auch die öffentliche Akzeptanz
eine Rolle gespielt haben: Gab es Bereiche, in denen gerade Nichtchristen die
Errichtung einer Kirche verhindern wollten? Gab es christliche, heidnische oder
jüdische Stadtviertel?
Die Lage der Kirchen innerhalb einer Stadt ist nur sehr bedingt Ausdruck einer
wachsenden Macht der Amtskirche oder einer bestimmten Strategie visueller
Bekehrung von Nichtchristen. Sie ist zunächst Folge spezifischer regionaler Voraus-
Vgl. etwa Reallexikon für Antike und Christentum II () - s. v. „Christianisie-
rung“ (F. W. Deichmann).
Vgl. die Kritik am Begriff ‚Christianisierung‘ bei B. Brenk, „Zur Christianisierung der
spätrömischen Stadt im östlichen Mittelmeerraum“, in: G. Brands – H.-G. Severin (Hgg.),
Die spätantike Stadt und ihre Christianisierung () -, hier -; B. Brenk, Die
Christianisierung der spätrömischen Welt () -.
182 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Reallexikon für Antike und Christentum XXII () - s. v. „Kultgebäude“ (S. de
Blaauw).
H. Brandenburg, Die frühchristlichen Kirchen in Rom () -.
Eusebius, Historia Ecclesiastica X, , -.
Vgl. C. Mango, Le développement urbain de Constantinople (IVe – VIIe siècle). Travaux et
Mémoires, Monographies (²) .
F. A. Bauer, Die Stadt als religiöser Raum in der Spätantike 183
R. M. Rothaus, Corinth: The First City of Greece. An Urban History of Late Antique Cult and
Religion () -.
Vgl. H.-R. Meier, „Zentrumsverlagerung oder Deurbanisierung? Eine Frage zur ‚Christi-
anisierung‘ der spätantiken Stadt“, in: G. Brands – H.-G. Severin (Hgg.), Die spätantike
Stadt und ihre Christianisierung () -.
Zur Frage der Besitzverhältnisse s. R. Krautheimer, „The Ecclesiastical Building Policy
of Constantine“, in: G. Bonamente – F. Fusco (Hgg.) Costantino il Grande dall’antichità
all’umanesimo II () -.
A. Arbeiter, Alt-St. Peter in Geschichte und Wissenschaft ().
Vgl. hierzu R. Krautheimer, Three Christian Capitals. Topography and Politics () -
.
Vgl. hierzu E. Dassmann, „Ambrosius und die Märtyrer“, Jahrbuch für Antike und Chris-
tentum () -.
F. A. Bauer, Die Stadt als religiöser Raum in der Spätantike 185
Johannes (Abb. 4).¹⁹ Wenig später, im Jahr 395, kamen noch die Reliquien des hl.
Nazarius hinzu; man hatte die Reliquien in einem Garten vor den Mauern der
Stadt ‚gefunden‘.²⁰ Die 386/87 fertiggestellte Basilica Martyrum (Sant’Ambrogio)
erhielt die Gebeine der hll. Gervasius und Protasius; man hatte sie zuvor bei der
benachbarten Basilica der hll. Nabor und Felix entdeckt.²¹ Das reliquienlose Stad-
tinnere war für die Gläubigen weniger attraktiv; die größte Anziehung besaßen die
Verehrungsorte außerhalb der Stadt, im Bereich der Nekropolen.
Paulinus, vita Ambrosii , p. Pellegrino: quo in tempore sancti Nazarii martyris corpus,
quod erat in hortum positum extra civitatem, levatum ad basilicam apostolorum quae
est Romana, transtulit. Ibid. , p. Pellegrino: translato itaque corpore martyris ad
basilicam Apostolorum ubi pridem sanctorum apostolorum reliquiae summa omnium
devotione depositae fuerant, cum tractaret episcopus, quidem de populo repletus spiritu
immondo, clamare coepit se torqueri ab Ambrosio. Zu San Nazaro zuletzt Haug, Stadt,
a. O. (Anm. ) - (mit ausführlichen Literaturangaben).
Paulinus, vita Ambrosii (s. vorangehende Anmerkung). Dassmann, „Ambrosius“, a. O.
(Anm. ) .
Ambrosius, epistulae , - (Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum , , -
). Haug, Stadt, a. O. (Anm. ) -. Dassmann, „Ambrosius“, a. O. (Anm. )
-.
186 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Doch bedeutet die bloße Errichtung von Kirchenbauten eine sichtbare Christia-
nisierung des städtischen Raums? Bedeutet die Existenz eines Kultbaus auch die
öffentliche Wahrnehmbarkeit desselben?²² Gewiß nicht: Denn so wie es weithin
sichtbare Kultbauten gab, die für eine Stadt identitätsstiftende Funktion haben
konnten, so gab es zahlreiche Kultbauten im Verborgenen, Kultbauten, die von
außen als solche nicht wahrgenommen werden konnten und wollten.
Versammlungen christlicher Gemeinden fanden ja zunächst im Rahmen des
römischen Hauses statt.²³ Wenn wir den Befund von Dura Europos verallgemei-
nern dürfen, dann handelte es sich um Versammlungsräume, auch Taufräume, die
sich in den domus etablierten (Abb. 5).²⁴
Von außen gesehen, wies nichts auf einen
christlichen Kultraum hin. Dies bedeutet
jedoch nicht zwingend, daß man den Ver-
sammlungsort geheim halten mußte,²⁵
denn auch die jüdische Gemeinde von
Dura Europos traf sich unter ähnlichen
Bedingungen. Offenbar bestand für die
überschaubare Christengemeinde von
Dura gar nicht das Bedürfnis, sich öf-
fentlich zu manifestieren.
Mit dem frühen vierten Jahrhun-
dert änderte sich die architektonische
Form christlicher Kultbauten. Man er-
richtete – unter Rückgriff auf eine Archi-
tekturform, die von profanen Markt-
basiliken und Empfangsaulen bekannt
war – mehrschiffige Apsidenhallen, in
denen sich eine stetig wachsende Ge- Abb. 5: Dura Europos, Hauskirche: isometrische
meinde versammeln konnte.²⁶ Nach all Ansicht (J. W. Crowfoot).
Vgl. hierzu Reallexikon für Antike und Christentum XXII () - s. v. „Kultge-
bäude“ (S. de Blaauw).
Vgl. Reallexikon für Antike und Christentum XXII () - s. v. „Kultgebäude“
(S. de Blaauw).
Zu Dura vgl. C. H. Kraeling, The Excavation at Dura Europos. Final Report VIII/: The
Christian Building (); B. Brenk, Die Christianisierung der spätrömischen Welt ()
-.
Vgl. Brenk, Christianisierung, a. O. (Anm. ) .
Zur architektonischen und funktionalen Genese der christlichen Basilika s. Reallexikon
für Antike und Christentum I () - s. v. „Basilika“ (E. Langlotz – F. W. Deich-
F. A. Bauer, Die Stadt als religiöser Raum in der Spätantike 187
mann); Reallexikon zur byzantinischen Kunst I () - s. v. „Basilika“ (C. Delvoye);
R. Krautheimer, Early Christian and Byzantine Architecture (⁴) -; J. G. Deckers,
„Constantin und Christus. Das Bildprogramm in Kaiserkulträumen und Kirchen“, in:
Spätantike und Frühes Christentum () -.
Vgl. H. Brandenburg, Die frühchristlichen Kirchen in Rom () u. , sowie – allge-
meiner – Reallexikon für Antike und Christentum XXII () - s. v. „Kultgebäude“
(S. de Blaauw).
Brenk, Christianisierung,, a. O. (Anm. ) -.
Vgl. M. F. Hansen, „Meanings of Style. On the ‚Interiorization‘ of Late Antique Architec-
ture“, in: J. Fleischer – J. Lund – M. Nielsen (Hgg.), Late Antiquity – Art in Context ()
188 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
-; Reallexikon für Antike und Christentum XXII () - s. v. „Kultgebäude“
(S. de Blaauw).
R. Krautheimer, Corpus Basilicarum Christianarum Romae I () -; Lexicon Topo-
graphicum Urbis Romae I () - s. v. “Ss. Cosmas et Damianus, basilica” (S. Epis-
copo).
Zu dem Rundbau jüngst H. Leppin – H. Ziemssen, Maxentius. Der letzte Kaiser in Rom
() -. S. ferner F. A. Bauer, Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike () -
; Lexicon Topographicum Urbis Romae IV () - s. v. „Romulus, divus, temp-
lum“ (E. Papi).
F. A. Bauer, Die Stadt als religiöser Raum in der Spätantike 189
hundert wurde – wohl auf Initiative des Bischofs Plakkos – der Tempel niederge-
legt und darüber eine dreischiffige Kathedrale errichtet. Dabei beließ man das alte
Portal und die Treppe und übernahm somit eine Zugangssituation, die bislang
auf einen Tempel hinführte:³² „Da man die Kirche wegen der steilen Treppe vom
Cardo aus nicht sehen konnte, änderte sich aus der Sicht der Passanten nicht viel.“³³
Dieser ‚Effekt‘ wurde verstärkt, indem die Kirche geostet wurde, indem man also
zunächst um den Kirchenbau herumgehen mußte, bevor man das Atrium betreten
konnte. Nur wer wußte, daß sich hinter der Treppe eine Kirche verbarg, assoziierte
die Repräsentativität des Zugangs mit der christlichen Kultanlage.
Besonders deutlich wird dieser bewußte Verzicht auf Neugestaltung des städ-
tischen Umfelds dann, wenn ältere Tempel in christliche Kultbauten umgewan-
delt werden. Der Parthenon von Athen, allseits sichtbar auf der Akropolis gelegen,
wurde vermutlich im sechsten Jahrhundert in eine Kirche zu Ehren der Mutter-
gottes umgestaltet (Abb. 8).³⁴ Die Cella des Parthenon bot sich aufgrund ihrer
dreischiffigen Struktur für eine Umwandlung in eine Emporenkirche an: Man
errichtete drei Türöffnungen im Westen und erweiterte den Ostzugang, um eine
Apsis anfügen zu können. Eigens eingebrochene Fenster im Dach beleuchteten
den Innenraum. Von außen war der Wandel jedoch kaum festzustellen: Die Ring-
halle blieb weitgehend unverändert und auch der Skulpturenschmuck, der Pan-
athenäenfries, blieb an Ort und Stelle, vielleicht zunächst auch die Metopen.³⁵
Der Parthenon blieb der Parthenon, auch wenn nun Gottesdienste im Tempelin-
neren stattfanden. Die Bürger des spätantiken Athen wußten natürlich, daß sich in
dem Tempel eine Kirche der Muttergottes befand, doch resultierte diese religiöse
Zuordnung eines Baus nicht aus seiner Erscheinung, sondern aus der Erfahrung
und dem Wissen der Stadtbewohner.
Voller Verwunderung nahm unser Siebenschläfer bei seinem erneuten Besuch der
Stadt Ephesos Kreuze auf den Stadtmauern wahr. Wie konnte es sein – so fragte er
sich –, daß man das christliche Heilszeichen in einer Stadt sah, in der eben noch
Christenverfolgungen stattgefunden hatten?
Wer die Hauptstraßen des spätantiken Ephesos entlangging, der bewegte
sich in einer Stadt, die von den Repräsentations- und Kultbauten der vorchrist-
lichen Zeit bestimmt war: Die bereits erwähnte Marienkirche lag in einer weni-
ger frequentierten Gegend nördlich der Constantius-Thermen und der Palästra.
Alle anderen christlichen Kultbauten befanden sich außerhalb des Stadtareals, die
Johanneskirche auf dem Ayasoluk-Hügel, die Siebenschläfergrotte am Panayır
Dağ, die Paulus-Grotte am Abhang des Bülbül Dağ (Abb. 2). Und doch ließen
sich auf den Straßen und Plätzen von Ephesos zahlreiche Hinweise auf eine Chris-
tianisierung der Stadt feststellen, nur waren diese Hinweise nicht architektonischer
Natur, sondern eher dekorativer Art: Es waren Kreuzzeichen, die in den verschie-
densten Kontexten begegnen.
Dem Passanten im spätantiken Ephesos werden vor allem die Straßenbrun-
nen mit Kreuzdekor aufgefallen sein.³⁶ Die Beckeneinfassung einer Brunnenan-
lage, die vermutlich im sechsten Jahrhundert vor dem Heroon des Androklos am
Embolos errichtet wurde, wurde aus Schrankenplatten errichtet, die mit Kreuzen
verziert waren (Abb. 9).³⁷ Etwas früher entstand wohl ein weiteres Nymphäum
am Südhang des gegenüber dem Stadion gelegenen Hügels: Hier errichtete man
Die Metopen weisen bis auf jene der Südseite intentionelle Zerstörungen auf, die einer
oft wiederholten Hypothese C. Praschnikers als antiheidnische Maßnahme von Seiten der
Christen Athens zu werten sind: C. Praschniker, Parthenonstudien () -. Ob die
Zerstörung bereits zum Zeitpunkt der Umwandlung in eine Kirche erfolgte, ist bislang
ungeklärt, ebenso die Frage, warum die Südmetopen intakt blieben.
E. Russo, „La scultura a Efeso in età paleocristiana e bizantina. Primi lineamenti“, in:
R. Pillinger – O. Kresten – F. Krinzinger – E. Russo (Hgg.), Efeso paleocristiana e bizantina
– Frühchristliches und byzantinisches Ephesos () -.
Datierung: Russo, „La scultura“, a. O. (Anm. ) .
F. A. Bauer, Die Stadt als religiöser Raum in der Spätantike 191
W. Jobst, „Ein spätantiker Straßenbrunnen in Ephesos“, in: Studien zur spätantiken und
byzantinischen Kunst Friedrich Wilhelm Deichmann gewidmet I () -.
Theophanes p. 26 de Boor; Breviarium de Hierosolyma, Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum
Latinorum , p. -.
Hieronymus, epistulae , (ibid. , p. ).
Johannes Malalas p. Thurn.
Inschriften von Ephesos IV () ; vgl. H. Thür, „Die spätantike Bauphase der Kure-
tenstraße“, in: R. Pillinger – O. Kresten – F. Krinzinger – E. Russo (Hgg.), Efeso paleocristi-
ana e bizantina –Frühchristliches und byzantinisches Ephesos () -, hier -.
192 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
C. Roueché, Aphrodisias in Late Antiquity () -. Jüdische Graffiti (Menorah und
andere jüdische Symbole) zusammengefaßt bei Chaniotis, „Konfrontation“, a. O. (Anm.
) -.
Roueché, Aphrodisias, a. O. (Anm. ) Nr. .
Roueché, Aphrodisias, a. O. (Anm. ) - Nr. .
Roueché, Aphrodisias, a. O. (Anm. ) Nr. .
Roueché, Aphrodisias, a. O. (Anm. ) - Nr. -.
194 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
W. F. Volbach, Elfenbeinarbeiten der Spätantike und des frühen Mittelalters () - Nr.
; W. Weber, „Die Reliquienprozession auf der Elfenbeintafel des Trierer Domschatzes
und das kaiserliche Hofzeremoniell“, Trierer Zeitschrift () -; K. G. Holum
– G. Vikan, „The Trier Ivory, Adventus Ceremonial and the Relics of S. Stephen“, Dumbar-
ton Oaks Papers () -; Chr. Stiegemann – M. Wemhoff (Hgg.), – Kunst
und Kultur der Karolingerzeit. Karl der Große und Papst Leo in Paderborn. Ausstellungskatalog
Paderborn I () - (A. Lohbeck); A. Demandt – J. Engemann (Hgg.), Konstantin
der Große. Ausstellungskatalog Trier (), Begleit-CD Kat. Nr. II. . (W. Weber).
Für Konstantinopel s. J. F. Baldovin, The Urban Character of Christian Worship. The Origins,
Development, and Meaning of Stational Liturgy. Orientalia Christiana Analecta ()
.
F. A. Bauer, Die Stadt als religiöser Raum in der Spätantike 195
Abb. 12.: Trier, Domschatz: Elfenbeintafel mit Darstellung einer Reliquienprozession (6.-9. Jh.).
rungsstätt en innerhalb und außerhalb der Stadt.⁵⁵ Hinzu kamen jene Prozessionen
aus Anlaß von Überführungen von Heiligenreliquien, an denen ein Großteil der
Bevölkerung und auch der Kaiser teilnahmen.⁵⁶ Daneben organisierten aber auch
rivalisierende Sekten Prozessionen, um ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen und
sich öffentlich zu profilieren. Nachdem den Arianern verboten wurde, innerhalb
der Stadt Gottesdienste zu feiern, organisierten sie nächtliche Prozessionszüge
innerhalb der Mauern, bevor sie außerhalb der Mauern ihren Gottesdienst feierten.
Als Reaktion hierauf organisierte Johannes Chrysostomos Gegenprozessionen,
deren Teilnehmer nikänische Psalmen sangen. Wir sehen: Das expandierende
Prozessionswesen in Konstantinopel kann auch als Folge der Rivalität zwischen
Nikänern und Arianern erklärt werden. Daß sie nicht die einzigen waren, zeigt
ein Verbot des Jahres 396, in dem Häretikern, Manichäern, Donatisten und Sama-
ritern, öffentliche Kundgebungen in Form von religiösen Prozessionen verboten
wurden.⁵⁷ Folge der mit den Prozessionen oftmals verbundenen Unruhen war, daß
der Kaiser kirchliche Prozessionen unter die Kontrolle des Stadtpräfekten stellte.
Dissens wurde offenbar sehr stark ins Religiöse ausgelagert; die Austragung des
Dissenses erfolgte in kollektiven Begehungen der Stadt.⁵⁸
Wie sehr das Prozessionswesen im Verhalten der Konstantinopler Bevölkerung
verankert war, zeigen jene Prozessionen, die sich spontan konstituierten, etwa aus
Baldovin, Urban Character, a. O. (Anm. ) -.
F. A. Bauer, „Urban Space and Ritual. Constantinople in Late Antiquity“, in: J. R. Brandt
– O. Steen (Hgg.), Imperial Art as Christian Art – Christian Art as Imperial Art. Acta ad
Archaeologiam et Artium Historiam pertinentia N. S. () -, hier -.
Codex Theodosianus XVI, , (= Codex Justinianus . . ).
Vgl. Baldovin, Urban Character, a. O. (Anm. ) .
196 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Schließlich wundert sich unser Siebenschläfer auch über die Christianisierung der
Alltagskommunikation: Menschen schworen auf den Namen Christi, religiöser
und moralischer Bezugspunkt waren nicht mehr die heidnischen Götter, sondern
der Christengott. Wie sehr christliche Anschauungen und theologische Fragen
das Alltagsgespräch bestimmten, illustriert ein vielzitierter Ausspruch Gregors von
Nyssa:⁶³ „Denn alle Orte der Stadt, alle Winkel, Märkte, Plätze und Abzweigungen
sind mit solchen (scil. Hobby-Theologen) angefüllt, Kleiderhändler, Geldwechsler
und Imbißverkäufer. Bittest du einen von ihnen, dir eine Münze zu wechseln, so
belehrt er dich über die geborene und die ungeborene Natur. Fragst du nach dem
Preis eines Brotlaibes, so gibt man dir zur Antwort, daß der Sohn unter dem Vater
sei, und erkundigst du dich danach, ob das Bad bereit sei, so erwidert man dir,
daß der Sohn aus dem Nichts erzeugt worden sei. Ich weiß nicht, wie man dieses
Übel benennen soll, Fieber oder Wahnsinn, und welches andere verbreitete Übel
größere Verwirrung stiftet.“
Theologische Fragen wurden offenbar breit diskutiert; die Meinungsbildung
scheint sich zu einem Gutteil vom Politischen ins Religiöse verlagert zu haben.
Entsprechend griff der spätantike Kaiser regulierend ein. Ein Erlaß des Jahres 452
an den Prätorianerpräfekten von Konstantinopel verbat Geistlichen und Laien
öffentliche Reden zu religiösen Fragen, da man Massenaufläufe fürchtete.⁶⁴
Wie sehr theologische Fragen zum Inhalt öffentlicher Diskurse wurden, zeigt
ein einzigartiger Befund aus Aphrodisias: Man hatte in den Porträtkopf der Statue
des Statthalters Oikumenios nachträglich die Abkürzung ΧΜΓ – wohl Χ(ριστὸν)
Μ(αρία) Γ(εννᾷ) – eingemeißelt.⁶⁵ Was auch immer Intention und Umstände
dieser für den vor der Statue stehenden Betrachter unsichtbaren Kennzeichnung
waren, sie muß nicht als gegen die aphrodisischen Heiden gerichtet verstanden
werden. Hierfür hätte sich das Kreuz besser geeignet.⁶⁶ Vermutlich handelt es sich
um den Ausdruck einer Parteinahme innerhalb verschiedener christlicher Positi-
onen zur Naturenfrage Christi oder Muttergottesschaft Mariens. Die Kennzeich-
nung ΧΜΓ wäre dann kein gegen die Heiden gerichtetes ‚Zeichen‘, sondern Aus-
druck eines innerchristlichen Konflikts.
Befunde wie diese sollten uns davor warnen, Heidentum und Christentum als
unversöhnliche, einander entgegengestellte Pole in der spätantiken Gesellschaft
anzusehen. Bis in die jüngste Zeit sind gerade Instandhaltungen von Tempeln bzw.
deren Zerstörung und Umnutzung als Konflikt zwischen Christentum und Hei-
dentum hingestellt worden. Das ist auch nicht von der Hand zu weisen, doch
wurden einige dieser Bauten – zusammen mit anderen Repräsentationsbauten
nichtkultischer Natur – auch als ornamenta urbis renoviert, als repräsentative,
identitätsstiftende Bauten, an denen sich die Geschichtlichkeit und die Bedeutung
Codex Justinuanus I , .
R. R. R. Smith, „The Statue Monument of Oecumenius: A New Portrait of a Late Antique
Governor from Aphrodisias“, Journal of Roman Studies () -, hier -.
Zur Auflösung der Abbreviatur ΧΜΓ s. Ch. Roueché, Aphrodisias in Late Antiquity ()
-.
vgl. hierzu A. Chaniotis, „Zwischen Konfrontation und Interaktion: Christen, Juden und
Heiden im spätantiken Aphrodisias“, in: A. Ackermann – K. E. Müller (Hgg.), Patchwork:
Dimensionen multikultureller Gesellschaften. Geschichte, Problematik und Chancen ()
-, hier -.
198 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
einer Stadt festmachte.⁶⁷ Das Forum Romanum in Rom war ein solcher Bereich:
Hier wurden auf Betreiben des Senats bzw. der Senatsaristokratie in der 2. Hälfte
des 4. Jhs. der Tempel des Saturn (Abb. 13) wiedererrichtet und die Porticus Deo-
rum Consentium instandgesetzt. Ob diese Bauten in der Folgezeit kultisch genutzt
wurden, ist nicht sicher; wahrscheinlich waren ihre traditionsreiche Erscheinung
und identitätsstiftende Funktion für alle Römer Grund genug für eine Wiederher-
stellung.⁶⁸
Man könnte sich entsprechend fragen, ob nicht auch bestimmte religiöse
Praktiken und Riten, die im öffentlichen Raum vollzogen wurden, den Charak-
ter von Traditionserhalt besaßen. Dies sei im folgenden an zwei ebenfalls stadtrö-
mischen Beispielen herausgestellt. Das erste Beispiel betrifft den bekannten Streit
um den Victoriaaltar in
der Kurie.⁶⁹ Der Altar
befand sich vor jener Vic-
toriastatue, die Augustus
29 v. Chr. zur Feier sei-
nes Sieges bei Actium im
Gebäude des Senats hatte
aufstellen lassen. Seither
war es Sitte, der Göttin
vor jeder Sitzung auf dem
eigens dazu errichteten
Altar ein Rauchopfer dar-
zubringen. Der eigent-
liche Streit um den Altar
wurde im Jahr 357 ausge-
löst, als Kaiser Constanti-
us II. (337-361) ihn entfer-
nen ließ. Sein Nachfolger
Julian (361-363) machte
diese Entscheidung noch
einmal rückgängig, aber
382/83 ordnete Gratian
(375-383) die erneute Ent- Abb. 13: Rom, Forum Romanum: Tempel des Saturn (wiedererrich-
fernung von Altar und tet im späten 4. Jh.).
Vgl. F. A. Bauer, „Beatitudo temporum. Die Gegenwart der Vergangenheit im Stadtbild des
spätantiken Rom“, in: F. A. Bauer – N. Zimmermann (Hgg.), Epochenwandel? Kunst und
Kultur zwischen Antike und Mittelalter () -.
Porticus Deorum Consentium: Lexicon Topographicum Urbis Romae II () - s. v. „Dei
consentes, aedes“ (G. Nieddu); Saturntempel: P. Pensabene, Tempio di Saturno ().
R. Klein, Der Streit um den Victoriaaltar ().
F. A. Bauer, Die Stadt als religiöser Raum in der Spätantike 199
Statue an. Nachdem eine erste Petition heidnischer Senatoren abschlägig beschie-
den worden war, schrieb der Stadtpräfekt Symmachus eine relatio, in der er Valen-
tinian II. (375-392) um die Rücknahme der Entscheidung bat.⁷⁰ Dieser relatio trat
Bischof Ambrosius von Mailand in zwei Briefen energisch entgegen.⁷¹ Erst unter
dem Usurpator Eugenius (392-394) scheint der Altar wieder aufgerichtet worden
zu sein; wann er endgültig entfernt wurde, ist nicht bekannt.
Der literarisch ausgetragene Disput um den Altar war nur teilweise eine reli-
giöse bzw. religionspolitische Auseinandersetzung. Symmachus forderte nicht die
Vormachtstellung des heidnischen Glaubens; in seiner Rede artikuliert sich viel-
mehr die Bitte um Wahrung der traditionsreichen Riten Roms, aus denen das
spätantike Rom seine Identität bezog.⁷² Das Eintreten für traditionelle Werte war
notwendigerweise mit der Verteidigung heidnischer Kultpraktiken verbunden.
Der Streit um den Victoriaaltar geriet so zu einem Mißverständnis, da der Altar
der einen Seite als Monument des Götzenglaubens, der anderen Seite als Sinnbild
altehrwürdiger Grundwerte galt, die von niemandem – auch nicht von den christ-
lichen Römern – in Frage zu stellen waren.
Wie sehr gerade traditionelle Riten Selbstgefühl stärkten, zeigt ein zweites Bei-
spiel, eine Episode, die sich in einer Zeit akuter Bedrohung Roms ereignete:⁷³
Alarich belagerte 408 ein erstes Mal die Stadt Rom, und angesichts dieser Bedro-
hung hatte der Stadtpräfekt Pompeianus folgende Idee: Er traf Seher aus Etrurien,
die ihren Aussagen zufolge die Stadt Narni durch ‚altväterliche Zeremonien‘ vor
den Angriffen der Barbaren bewahrt hatten, und überlegte, ob solch ein Vorgehen
nicht auch Rom retten könnte. Um aber nicht in Konflikt mit den Christen zu
kommen, richtete er eine Anfrage an den Papst, und dieser „stellte die Rettung der
Stadt über seinen eigenen Glauben“ und erlaubte den Zauber, sofern er heimlich
vonstatten ginge. Als die Etrusker jedoch erwiderten, dies habe in der Öffentlich-
keit, auf den Plätzen der Stadt stattzufinden, da blies man die Sache ab.
Man könnte diese Episode als Beleg für das Verbot heidnischer Kultpraktiken
in der Öffentlichkeit in Anspruch nehmen, man kann darin aber auch einen Hin-
weis auf traditionelle, nichtchristliche Kultpraktiken als Mittel zur Abwehr von
Bedrohung und Stiftung von Sicherheit und Selbstgefühl sehen. Das Wirken der
Stadtpräfekten und der Senatsaristokratie ist in erster Linie als Bemühung um
die Wahrung der stadtrömischen kulturellen und historischen Identität aufzufas-
sen. Vermutlich ist es diese traditionelle statt religiöse Komponente ‚heidnischen‘
Brauchtums, die immer wieder Mißverständnisse und Anklagen provozierte: Sal-
vian klagte die Christen Nordafrikas an, heimlich die Dea Caelestis zu verehren.⁷⁴
Theodoret bezeichnet die Bewohner von Heliopolis-Baalbek um 450 als Götterdie-
ner.⁷⁵ Vermutlich handelt es sich in beiden Fällen um einstmals pagane Riten, die,
ihrer religiösen Komponente beraubt, auch von Christen weitergeführt wurden.
Gerade lokale Kulte, die an bedeutende Kultmale gebunden waren, mochten so im
Gewand des Brauchtums von Christen weitertradiert worden sein.
Dies soll nicht ausschließen, daß es zum Teil erhebliche religiöse Konflikte
in der Spätantike gab. Vor allem aus dem Nahen Osten hören wir immer wieder
von zum Teil blutigen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf Bevölkerungsgrup-
pen nach ihrer religiösen Zuordnung verfolgt wurden. Da sich seit dem vierten
Jahrhundert auch Nachrichten über Verfolgungen von Juden und Zerstörungen
von Synagogen häufen, kann der Konflikt nicht nur auf die Pole Christentum
und Heidentum und auf religiöse Motive reduziert werden. Die Zerstörung einer
Synagoge von Kallinikon durch den dortigen Bischof und die durch Ambrosius
von Mailand erzwungene Billigung durch den Kaiser Theodosius I. sind nur zwei
Fälle von vielen.⁷⁶ In Apameia am Orontes hat man vermutlich im frühen fünften
Jahrhundert eine an der Hauptstraße gelegene Synagoge bis auf die Grundmau-
ern geschleift, um darüber eine Kirche zu errichten.⁷⁷ Auch aus Antiochia sind
mehrfach zum Teil gewaltsame Konflikte zwischen Heiden, Juden und Christen
überliefert. Als Bischof Porphyrios 402 mit kaiserlichen Truppen in Gaza einzog,
provozierte er durch die Zerstörung einer heidnischen Kultstatue einen Tumult,
der zahlreiche Menschenleben kostete.⁷⁸ In Alexandria ließ Bischof Theophilos
mit Billigung des Kaisers und mit Hilfe des Militärs Tempel und Kultbilder zerstö-
ren, darunter das berühmte Serapeion, über dessen Ruinen eine Kirche zu Ehren
des Kaisers Arcadius errichtet wurde.⁷⁹ In der christlichen Geschichtsschreibung
sind diese Zerstörungen von Tempeln und Kultbildern Etappen einer Ausrottung
des Irrglaubens; in vielen Fällen jedoch dürften wirtschaftliche Krisen und ökono-
mischer Druck, Bedrohungen, Katastrophen und die Suche nach Sündenböcken
Ursachen gewesen sein.
Die Siebenschläferlegende in der bei Gregor von Tours überlieferten Version ist
insofern einzigartig, als sie versucht, einen Betrachter zu rekonstruieren, dessen
Sehgewohnheiten nicht aktuellen Sehgewohnheiten entsprachen. Der Plot der
Geschichte besteht ja darin, innerhalb der Banalität eigener Wahrnehmung Beson-
derheiten zu definieren, bestimmte epochenspezifische Charakteristika, die eine
Innovation gegenüber der Vergangenheit bedeuteten und entsprechend auch von
Zeitreisenden wie den Siebenschläfern als unerklärliche Neuerung wahrgenommen
wurden. Damit haben wir den Bereich der vermeintlich objektiven Beschreibung
der Stadt als eines religiösen Raumes verlassen und wollen nach der subjektiven
Wahrnehmung fragen.
Die sichtbare Christianisierung einer Stadt und die Wahrnehmung eines
Umfelds als christlich sind zwei unterschiedliche Dinge. Erstere Kategorie beruht
auf scheinbar objektiven Kriterien wie christlichen Symbolen oder eindeutig reli-
giös konnotierten Zeichen, letztere Kategorie fragt danach, wie ein Betrachter das,
was er sieht, religiös klassifiziert. Gerade die oft tendenziös eingefärbten Heiligen-
legenden lassen immer wieder erkennen, wie unspezifische Befunde, Monumente
wie Bauten, ‚christianisiert‘ wurden, indem man sie mit Passion, Tod und Bestat-
tung von Heiligen in Verbindung bringt.
Diese Wechselwirkung zwischen Stadtbild und Heiligenlegenden läßt sich am
Beispiel Ostias, der Hafenstadt Roms, gut verfolgen, einer Stadt, die sowohl archäo-
logisch gut bekannt ist, als auch über mehrere Heilige und Heiligenlegenden ver-
fügt.⁸⁰ Diese Heiligenlegenden nennen, wenn es um die Hinrichtung und die
anschließende Bestattung geht, konkrete Ortsangaben und Monumente. So wer-
den bestimmte Bauten christianisiert, nicht aber durch eine bauliche oder dekora-
tive Veränderung, sondern durch die Verknüpfung mit einer Heiligenlegende. In
den Akten der hl. Aurea und weiterer Ostienser Märtyrer ist von einem Ostienser
Bischof namens Cyriacus die Rede, der zusammen mit weiteren Gefährten unter
Kaiser Claudius Gothicus das Martyrium erlitt:⁸¹ „Zu dieser Stunde befahl er (scil.
Claudius), sie zu dem Bogen vor dem Theater zu führen und dort das Todesur-
teil zu vollstrecken. Daraufhin sprachen sie wie aus einem Mund: Allmächtiger
Herr und Gott, Empfänger unschuldiger Seelen, nimm unseren Geist auf. Und so
Wahrsagegeistes sein Geschäft verdarben, zeigte dieser sie wegen Aufwiegelung der
Bevölkerung an. Kaum waren sie ins Gefängnis geworfen, erschütterte ein Erdbe-
ben das Gefängnis, alle Türen öffneten sich, alle Ketten wurden gesprengt, doch
die Gefangenen, anstatt zu entfliehen, warteten auf den Aufseher. Dieser wurde
hierauf zum Christentum bekehrt und nahm die Gefangenen bei sich auf. Als die
Stadtoberen erfuhren, daß Paulus römischer Bürger war, ließen sie ihn ziehen.
Man könnte nun vermuten, bei der Basilika des vierten Jahrhunderts habe es
sich um einen Bau gehandelt, der an die Anwesenheit des Paulus, seine Verurtei-
lung auf der Agora und seine Gefangennahme erinnerte.⁸⁷ Als Ort der Gefangen-
nahme des Paulus war Philippi bekannt: Das 333 verfaßte Itinerarium Burdigalense
erwähnt als Pilgerstation civitas Philippis ubi Paulus et Sileas in carcere fuerunt.⁸⁸
Das unterirdische Heroon mochte entsprechend als Verlies interpretiert worden
sein und somit als visueller ‚Beleg‘ für den Aufenthalt des Apostels in Philippi.⁸⁹
Doch hing dies ganz von der Erwartung des Bewohners bzw. Besuchers Philippis
ab: Wer mit der Hoffnung, Spuren des Paulus zu finden, dorthin kam, der fand
den sichtbaren Beleg für die Anwesenheit des Apostels; wer diese Spuren nicht
suchte, der nahm keine derartigen ‚Belege‘ wahr, der sah eine andere Stadt.
Vgl. hierzu Brenk, Christianisierung, a. O. (Anm. ) , der von einer „Memorialkirche“
spricht: „Wie es scheint, fand man in dem hellenistischen Heroon einen Anknüpfungs-
punkt, denn man hat dort die Memoria des Apostels Paulus angesiedelt.“
Itinerarium Burdigalense 10-1 = Itinera et alia geographica. Corpus Christianorum,
series latina () .
Auch eine Zisterne rechts des Aufgangs zur Basilika A wurde als Gefängnis des Paulus inter-
pretiert; doch ist diese Tradition erst seit dem Mittelalter greifbar: S. Pelekanides, „Η κατά
την παράδοση φυλακή του Αποστόλου Παύλου στους Φιλίππους“, in: Η Καβάλα και
η περιοχή της. Ist Local Symposium, Kavala - April () -. Zum spä-
teren Ausbau der Anlage s. E. Pelekanidou – A. Mentzos, „Οκτάγωνο Φιλίππων· Πρώτα
συμπεράσματα μετά τις νεότερες έρευνες“, in: Μνήμη τής Δ. Λαζαρίδη () -
, hier -.
F. Miltner, Das Cömeterium der Sieben Schläfer. Forschungen in Ephesos IV, () -
(Baubefund) u. - (Rekonstruktion der Bauabfolge); Reallexikon zur byzantinischen
204 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
tungssäle, der tiefgelegene Apsidensaal im Norden und der etwas höher gelegene
Bestattungssaal mit den zehn ‚Katakombengräbern‘ im Süden.⁹¹ In einer späteren
Phase wurde über dem südlichen Bestattungssaal eine Kirche errichtet, die über
eine Treppe mit der unterirdischen Anlage in Verbindung stand. Zugleich entstan-
den auf der sog. Nordterrasse, also in dem Bereich nördlich und oberhalb des Apsi-
densaals, zahlreiche weitere Bestattungssäle und Mausoleen. In einer späten Bau-
phase, wohl bereits im sechsten Jahrhundert, ließ ein gewisser Abradas im Süden
des Gesamtkomplexes ein kreuzförmiges, überkuppeltes Mausoleum errichten.
Über 400 Bestattungen zählten die Ausgräber: Bodengräber, Wandgräber, Einzel-
gräber, Sammelgräber, einfache Bestattungen und aufwendige Mausoleen. Aller-
dings steht die Identifikation als Coemeterium der Siebenschläfer auf wackligen
Füßen. Im Grunde deuten nur die Lage bei Ephesus, das Vorhandensein einer
natürlichen Höhle und die mit der Legende gut zu verbindende über dem Kom-
plex errichtete Kirche auf diese Identifizierung. Die zehn ‚Katakombengräber‘ im
Boden des Bestattungssaals, die man gerne als Grablegen der Siebenschläfer und
damit als Nukleus der Anlage ansah, geben kaum Anlaß zur Identifizierung mit
der Siebenschläfergrotte. Andererseits ist es durchaus möglich, daß man bereits in
der Spätantike einen zunächst unauffälligen Bestattungskomplex ‚christianisierte‘,
indem man in ihn die Siebenschläfer hineindachte oder aber die Legende auf
einen solchen Befund gründete: „Man könnte eher daran denken, daß der ganze
christliche Komplex sich an einen bereits vorhandenen Grabbezirk angelehnt hat,
die Legende also an einem plausiblen Platz fixiert und lokalisiert wurde.“⁹² Die
Legende hätte Bestattungen – gewissermaßen ad sanctos – nach sich gezogen, die
wiederum ‚anschaulicher Beleg‘ für die Richtigkeit der Legende waren.
Wir sehen am Beispiel des Coemeteriums der Siebenschläfer in Ephesos, am
Ende dieses Rundgangs durch verschiedenste spätantike Städte und ihre religi-
ösen Räume, daß es mehrere Ebenen von Wahrheit gibt, Wahrheiten, die sich
auf einer vermeintlich historisch-faktischen Ebene bewegen, Wahrheiten, die sich
die Bewohner der spätantiken Stadt zurechtlegten, und Wahrheiten, mit denen
wir heute vergangene Befunde erklären. Historisch gesicherte Erkenntnis scheint
das Vorhandensein eines Bestattungsareals aus der Zeit vor der Entstehung der
Siebenschläferlegende. Eine historische Erkenntnis wäre es auch, wenn wir heute
beweisen könnten, daß man in der Spätantike auf der Grundlage bestimmter
Befunde Legenden konstruierte oder aber – determiniert durch die Kenntnis einer
Legende wie der Siebenschläfer – in unterirdischen Bestattungsräumen die Höhle
Kunst II () - s. v. „Ephesos“ (M. Restle); W. Jobst, „Zur Bestattungskirche der
Sieben Schläfer in Ephesos“, Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Instituts
(-) Beiblatt -.
Vgl. die revidierte Chronologie bei Restle, a. O. (Anm. ) .
Restle, „Ephesos“, a. O. (Anm. ) .
F. A. Bauer, Die Stadt als religiöser Raum in der Spätantike 205
der sieben Jünglinge erkennen wollte. Aber wir können es eben nicht beweisen, wir
können es bestenfalls plausibel machen. Und genau hier verhalten wir uns nicht
anders als die Christen des spätantiken Ephesos: Unsere Kenntnis von einer Hei-
ligenlegende verführt uns dazu, Befunde christlich zu etikettieren. Die Definition
einer Stadt als religiöser Raum beruht nicht auf objektiven Kriterien, weder heute
noch damals. Religiöse Räume definierten sich in erster Linie durch Erwartungs-
haltungen, durch willentliche religiöse Klassifizierungen, die weniger in der Stadt
selbst als in der Gedankenwelt der Bewohner und Besucher vorgegeben waren.
Abbildungsnachweis
Abb. 1: H. Brandenburg, Die frühchristlichen Kirchen in Rom (2004) 259
Abb. 1.
Abb. 2: P. Scherrer (Hg.), Ephesos. Der Neue Führer (1995) Plan im Anhang
(Überarbeitung Verf.).
Abb. 3: R. Krautheimer, Early Christian and Byzantine Architecture (1986⁴) 55
Abb. 21.
Abb. 4: ibid. 82 Abb. 38.
206 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
David Frankfurter
The study of religion in late antiquity has seen a resurgent discussion over the past
few decades about private and domestic piety. Not only the new series A People’s
History of Christianity but also The Cambridge History of Christianity and the Jour-
nal of Early Christian Studies have given special attention to the forms of religious
practice that arise around – or are advised to be established in – the home. Students
of early Judaism, long acquainted with the domesticization of cult ritual, now enjoy
conversation with students of early Christianity increasingly interested in the vital-
ity of religious spheres beyond the church and procession, and also with students
of Roman and other religious systems in the Mediterranean world, as attention to
women, slaves, and subalterns (as well as to magic and sexuality) has broadened the
questions these specialists ask of archaeological and textual materials.
Virtually all students of domestic forms of piety have shown a mature, critical
sensibility towards the definition of “domestic”, the “home”, and the “private” as
zones hardly isolated from the public or civic. Most, indeed, would admit impor-
tant overlaps across these zones; and in fact many scholars have scrutinized the
very discourse of the “domestic” in various times and places as historically and
ideologically contingent. Still, the very discussion of such a (relatively) discrete
sphere of religion as the domestic encourages us to look comparatively at other
spheres, to redefine how religion might differ according to different spaces, with
different authorities and social groupings. The discussion of domestic religion, that
is, should inspire us to redefine civic religion.
It is in this context that the ongoing study group “Religious World of Late
Antiquity” of the Society of Biblical Literature held a session at its 2006 Annual
Meeting on “Ritual in Domestic and Civic Spheres,” to discuss how rituals might
shift and change between these two worlds of religious practice. Papers by Frank-
furter (with a theoretical introduction), Leyerle (on private uses of pilgrims’ souve-
nirs), Fonrobert (on the dynamics of the eruv in rabbinic discussion), and BeDuhn
(on the use of domestic spaces in Manichaean missions) each examined particular
ways in which these major religious movements allowed ritual practices to flow
between domestic and public spaces, and they were followed by active discussion
with an audience of scholars deeply engaged in questions of domestic religion, its
definition and features. It is to further this discussion and refine its terms that we
present the papers here in ARG.
DOI 10.1515/ARG.2008.009
The Interpenetration of Ritual Spaces
in Late Antique Religions: An Overview
David Frankfurter
Rituals in the home, rituals in the square, rituals in the temple, the church, or
the synagogue – how do they influence each other? It used to be that the world
of domestic piety was cast in terms of fertility, children, and hearth, the purview of
women, or else (in Weberian terms) the heterodox thinking of maverick craftsmen
and intellectuals.¹ Civic piety then comprised public sacrifice, liturgical mysteries,
high-minded theology, and the space of men. While there may be some truth to
these broad contours, work on the character of piety across these domains has
dissolved simplistic contrasts between public and private. Our now requisite atten-
tion to pilgrimage, festival, and procession has complicated the picture of public
piety, while new studies on how domestic space was represented in Christian and
rabbinic literature show the complex interpenetration of institutional ideology and
domestic sphere. The home is not isolated from public religion but, as in rab-
binic Judaism and Manichaism, the place where religion is thought out, texts are
exchanged, ideology is formulated, and individual piety modelled.²
Yet the point of models like “domestic” and “civic” religion is to be heuristic,
not absolute or polarized; and it is in this regard that we profit from Jonathan
Z. Smith’s recent essay “Here, There, and Everywhere”, in which he sketches the
different religious values and concerns revolving around home, temple, and that
intermediary phenomenon of the Greco-Roman age, the cult association.³ These
religious spheres have a certain bottom-line reality to them, since homes are indeed
Recent descriptions of domestic religion include K. van der Toorn, Family Religion in Baby-
lonia, Syria, and Israel: Continuity and Change in the Forms of Religious Life (), with
summary in “Religious Practices of the Individual and Family: Introduction”, in: S. John-
ston (ed.), Religions of the Ancient World: A Guide () -; J. Bodel – S. Olyan (eds.),
Household and Family Religion in Antiquity (), with their useful essay on “Comparative
Perspectives”, op. cit. -.
See now C. Baker, Rebuilding the House of Israel: Architectures of Gender in Jewish Anti-
quity (); G. Frank, “From Antioch to Arles: Lay Devotion in Context”, in: A. Casiday
– F. Norris (eds.), The Cambridge History of Christianity : Constantine to c. ()
-; and essays in Journal of Early Christian Studies , ().
J. Z. Smith, “Here, There, and Everywhere”, in: J. Z. Smith, Relating Religion: Essays in the
Study of Religion () -.
DOI 10.1515/ARG.2008.010
212 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
set-off from a civic sphere, and Roman and Near Eastern towns alike did have
temples and public shrines. But setting them up as distinct spheres, as heuristic
opposites, allows Smith to see their creative synthesis in the world of cult asso-
ciations, which claim cosmic authority like a temple cult while revolving around
meals, fictive kinship, and private (even secret) gatherings like a family.
In what follows I develop some general points about the sphere of domestic rit-
ual in order to frame some important ways that ritual action could extend between
the two spheres. I will first review the characteristics of domestic religion and ritual
action. Then, looking at festivals, I will discuss the penetration of the civic sphere
by the domestic sphere, with people moving from the home into public spaces for
purposes we might call domestic. Finally, I will look at the interpenetration of the
domestic sphere by civic forms of ritual: bringing institutional piety and teaching
into the home, but considering how the domestic sphere might affect that piety.
What is it, then, that characterizes domestic religion and the gestures and habits
that constitute this sphere? Beginning with a point of Smith’s, we may say that
domestic religion, in its embracing of family line, health, and fortune, is deeply
concerned with the protection of space: the absolute division of outside from
inside through (a) threshold rites and protective symbols like mezuzot, and (b) the
security of the interior through exorcistic rites. People in late antique Syria placed
inscribed bowls in corners of their houses to eliminate demonic forces, sometimes
specified and sometimes general, while many Christian structures had apotropaic
crosses and adjurations inscribed on their lintels: “My master Jesus Christ, the Son
of God, dwells inside! Let nothing evil enter!”⁴ Such apotropaic powers worked
inversely as well, with Martin of Tours unable to enter a heathen house disturbed
by a demoniac.⁵ There is also an attention to the arrangement of space: that the
layout of a typical Roman or Syrian house makes sense in the way a temple’s does,
protecting and delineating (in this case) generational continuity and hierarchy.⁶
Oil lamps: D. Jordan, “Inscribed Lamps from a Cult at Corinth in Late Antiquity”, Har-
vard Theological Review () -; J. Hermann Jr. – A. van den Hoek (eds.), Light
from the Age of Augustine: Late Antique Ceramics from North Africa (ⁿd ed. ); and
in general F. Dunand, “Lanternes gréco-romaines d’Égypte”, Dialogues d’histoire ancienne
. Annales littéraires de l’Université de Besançon () -.
In general, see D. Orr, “Roman Domestic Religion: The Evidence of the Household
Shrines”, Aufstieg und Niedergang der römischen Welt II.. () -; Y. Thébert,
“Private Life and Domestic Architecture in Roman Africa”, in: P. Veyne (ed.), A History of
Private Life I: From Pagan Rome to Byzantium () -, -; J. Bakker, Living and
Working with the Gods: Studies of Evidence for Private Religion and Its Material Environment
in the City of Ostia (); P. Foss, “Watchful Lares: Roman Household Organization and
the Rituals of Cooking and Eating”, in: R. Laurence – A. Wallace-Hadrill (eds.), Domestic
Space in the Roman World: Pompeii and Beyond. Journal of Roman Archaeology, Suppl.
() -; and M. Lipka, “Notes on Pompeian Domestic Cults”, Numen ()
-; with G. Nachtergael, “Les terres cuites du Fayoum dans les maisons de l’Égypte
romaine”, Chronique d’Égypte () - and D. Frankfurter, Religion in Roman
Egypt: Assimilation and Resistance () -.
214 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
E. g. E. Vogt, Tortillas for the Gods: A Symbolic Analysis of Zinacanteco Rituals ();
S. Feuchtwang, “Domestic and Communal Worship in Taiwan”, in: A. Wolf (ed.), Reli-
gion and Ritual in Chinese Society () -; R. Thompson, Face of the Gods: Art
and Altars of Africa and the African-Americas (); William H. Beezley, “Home Altars:
Private Reflections of Public Life”, in: D. Salvo (ed.), Home Altars of Mexico () -
; C. Pinney, “Paper Gods”, in: H. Dehejia (ed.), Gods Beyond Temples () -.
In general on the “public” and historical context of particular domestic traditions see esp.
R. Orsi, Thank You, St. Jude: Women’s Devotion to the Patron Saint of Hopeless Causes ()
and F. Graziano, Cultures of Devotion: Folk Saints in Spanish America ().
Shenoute of Atripe, The Lord Thundered p. , ed. E. Amélineau, Oeuvres de Shenoudi
() .
Chrysostomos, In epistulam ad Corinthios (Patrologia Graeca [] ), with
B. Leyerle, “Appealing to Children”, Journal of Early Christian Studies () -.
See also sources on popular religious practices in fifth-century Egypt in: R. Valantasis (ed.),
Religions of Late Antiquity in Practice () -.
Smith, “Here, There, and Everywhere”, op. cit. (note ) .
D. Frankfurter, The Interpretation of Ritual Spaces in Late Antique Religions 215
which all domestic fortunes depend. This feature of domestic piety, down to the
stamped image of the god on bread, seems to be distinctive across the religions
of the Mediterranean world.¹³ Libanius sees the holiday sacrifice and feast “at
the home of some village notable” as the centerpoint of traditional religion near
Antioch in the fourth century, everybody joining together with hymns and incense
and invocations to the gods, and adoration of the domestic altar (Oratio 30, 17).
There is inevitably a feedback between the ceremonial and the quotidian sphere
of action. As folklorists have noted, everyday acts like hearth-stoking, pot-stirring,
lamp-lighting, hair-combing, sewing cloth, and forging iron can all be appropri-
ated as ritual media – forms of attention, turned to divination or magical binding
or protection. You could light household lamps, as Christians did in Antioch, and
assign a holy name to each one; and whichever burns the longest is the name your
baby should bear – the quotidian turned into the revelatory.¹⁴ On the other hand,
overt threshold gestures like those remembered for the god Agathos Daimon in a
fifth-century Egyptian village, bowing before an image in a wall-niche, are as inte-
gral to the act of entering a house as wiping your feet.¹⁵ In the same way, a fourth-
century Alexandrian philosopher accused of subversive inquiries of the god Bes
defended himself to inquisitors by claiming that he had propitiated the god “from
early youth” – that is, as a custom, a gesture of tradition and adulthood, not occult
experimentation.¹⁶ In these cases, the gestures of domestic ritual are embedded in
the gestures of domestic life overall.
The domestic sphere seeks renewal through festivals – cultural, regional, local,
institutional. For whatever story is told or god or hero is celebrated, the domestic
sphere responds with special foods, lights, and temporary symbols. At these times
also, the domestic sphere seeks interconnection with society through activities of
the public sphere: flowers from a procession, images or foods from festival mer-
See Jaffee, Early Judaism, op. cit. (note ) - (excellent discussion of domestic bread-
rites in rabbinic Judaism). On bread stamps: S. Hirsch, “Spätantike Brotstempel mit der
Maske des ägyptischen Gottes Bes”, in: M. Immerzeel – J. van der Vliet (eds.), Coptic
Studies on the Threshold of a New Millennium. Orientalia Lovaniensia Analecta ()
-.
Chrysostomos, In epistulam ad Corinthios . (op. cit. note ). See S. Golopentia,
“Towards a Typology of Romanian Love Charms”, in: J. Roper (ed.), Charms and Charm-
ing in Europe () -. Valerie Flint attests also to the use of weaving/binding spells
in the late antique western empire: The Rise of Magic in Early Medieval Europe () -
.
Panegyric on Macarius of Tkōw ., in: Religions of Late Antiquity in Practice, -. See
now D. Frankfurter, “Illuminating the Cult of Kothos: The Panegryic on Macarius and
Local Religion in Fifth-Century Egypt”, in: J. Goehring – J. Timbie (eds.), The World of
Early Egyptian Christianity: Language, Literature, and Social Context. Essays in Honor of
David W. Johnson () -, esp. -.
Ammianus Marcellinus . . .
216 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
chants, and all the multiple gifts and exchanges by which the home opens itself up
to festival time.¹⁷
This brings us to the topic of the interpenetration of domestic and civic spheres of
religion, for festivals especially show the degree to which domestic religion does
not wall itself off from, but actively asserts itself on, multiple aspects of civic ritual.
However carefully a festival may be designed to celebrate the scriptural traditions
and ideology of a religious institution – a martyr’s noble death, the Savior’s birth,
the god Amun’s prestige in the region, or the virtues of some holy man –, a festival
inevitably invites local customs like feasting, dance, singing, and gender display that
gradually permeate and even come to define festival rites. Sozomen thus describes
the shrine of Mamre, which was shared among diverse religious communities:
[Here] the inhabitants of the country and of the regions round Palestine […] assemble
annually during the summer season to keep a brilliant feast; and many others, both buyers
and sellers, resort thither on account of the fair. Indeed, this feast is diligently frequented by
all nations. […] Here some prayed to the God of all; some called upon the angels, poured
out wine, burnt incense, or offered an ox, or a he-goat, a sheep, or a cock. Each one made
some beautiful product of his labor, and after carefully husbanding it through the entire
year, he offered it according to promise as provision for that feast, both for himself and
his dependents. […] Nor, if they chanced to appear and to take part in the public proces-
sions, did they act at all licentiously. […] [And at the sacred well of Abraham] some placed
burning lamps near it; some poured out wine, or cast in cakes; and others, coins, myrrh,
or incense.¹⁸
The very diversity of ritual acts – invocations, votive offerings, sacrifices, meals,
gestures – reflect the active importation of local traditions, including domesti-
cally-based traditions, into the space of festival. Even in a smaller catchment-area
like that of the festival of St. Cyprian in sixth-century Lucania (Italy), according
to King Athalaric, self-expression at the festival reflects domestic and village tradi-
tions of dress, meal, sexual display, and mercantilism:
There you may see wide meadows gleaming with the loveliest of market-stalls, temporary
homes quickly woven from leafy and beautiful branches, and a coming and going of people
who sing and rejoice. […] Boys and girls are on display, marked out by their differences
in sex and age, brought on the market not as captives, but by freedom […]. Why should
Frankfurter, Religion in Roman Egypt, op. cit. (note ) -. Cf. Feuchtwang, “Domestic
and Communal Worship”, op. cit. (note ).
Sozomen, Ecclesiastical History . , tr. Hartranft, Nicene and Post-Nicene Fathers, ser.
() , .
D. Frankfurter, The Interpretation of Ritual Spaces in Late Antique Religions 217
I mention the clothes, interwoven with a countless variety of threads? Why the sleek and
well-fed animals of various kinds? […] No-one will leave that fair in discontent.”¹⁹
Gregory of Tours, Vitae patrum . , tr. E. James () . C. Sotinel, “Les lieux de culte
chrétiens et le sacré dans l’Antiquité tardive”, Revue de l’Histoire des Religions ()
-.
See D. Frankfurter, “Voices, Books, and Dreams: The Diversification of Divination Media
in Late Antique Egypt”, in: S. Johnston – P. Struck (eds.), Mantikē: Studies in Ancient Divi-
nation. Religions in the Graeco-Roman World () -.
See C. Traunecker, “Une pratique de magie populaire dans les temples de Karnak”, in:
A. Roccati – A. Siliotti (eds.), La Magia in Egitto ai Tempi dei Faraoni () -,
and in general on pilgrims’ souvenir eulogia, see Frank, “From Antioch to Arles”, op. cit.
(note ) -.
Religions of Late Antiquity in Practice: ch. (abluting children), (Osiris complaint);
Evagrius, Ecclesiastical History . (Simeon’s pillar). Statuary: Eusebius, Ecclesiastical His-
tory . , and Surid legend discussed in Frankfurter, Religion in Roman Egypt, op. cit.
(note ) . Compare A. H. Betteridge, “Specialists in Miraculous Action: Some Shrines
in Shiraz”, in: A. Morinis (ed.), Sacred Journeys: The Anthropology of Pilgrimage () -
.
D. Frankfurter, The Interpretation of Ritual Spaces in Late Antique Religions 219
the holy men, whose lives virtually sanction a piety of aggressive agency by moth-
ers, fathers, daughters, demanding blessings or grabbing dirt or hair or phlegm.²⁷
Of course, it might be stretching the definition of “ritual” here to include the
simple procurement of healing substances like dust, oil, or hair, usually to bring
back into the domestic sphere (as Blake Leyerle describes in her paper, this volume:
see below). Maybe gouging sand or stealing wooden altar-rails do not strike us as
ritual; but the acts do show ritual attention, and they show the domestic sphere’s
extension to various public spheres – that the ritual and symbolic repertoire that
we associate with family and household draws in spaces well beyond the house
itself.
We can even see the penetration of civic by domestic sphere in the use and
resignification of objects associated with the domestic sphere for public or institu-
tional expression. For example, in late antique eastern Christianity bread loaves,
probably stamped with crosses or words, came to represent eulogia in a virtual
economy of materialized blessings that circulated between church, monastery, and
homes.²⁸
Of course, as we recognize this assertive expansion of domestic ritual interests
in late antique religions we also must confront intermediary spaces like courtyards,
neighborhoods, marketplaces, and cemeteries that oscillate in function and signifi-
cance, sometimes (as Charlotte E. Fonrobert describes in her essay, this volume:
see below) extending the boundaries demarcating “domestic-type” ritual, while
at other times – a holiday procession, a military curfew, or a religious pogrom,
for example – extending civic/institutional ritual boundaries into the neighbor-
hood and up to and even across the thresholds of the house. And at other times
neighborhoods, markets, and cemeteries would constitute an entirely third space
of ritual, encompassing what is communal yet local.
What of the penetration of the domestic sphere by civic ritual? Many western
church fathers, of course, sought to press the christianization of the domestic sphere
by advocating forms of private penitence, prayer, and moderate ascetic regimens
that could be conducted in the inner confines of the home.²⁹ But there are other
See D. Frankfurter, “Syncretism and the Holy Man in Late Antique Egypt”, Journal of
Early Christian Studies , () -.
See D. Caner, “Towards a Miraculous Economy: Christian Gifts and Material ‘Blessings’ in
Late Antiquity”, Journal of Early Christian Studies , () -, esp. -.
See K. Cooper, The Virgin and the Bride: Idealized Womanhood in Late Antiquity ();
P. Miller, “The Blazing Body: Ascetic Desire in Jerome’s Letter to Eustochium”, in: P. Miller,
The Poetry of Thought in Late Antiquity: Essays in Imagination and Religion () -;
220 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
situations where rituals and ritual values we associate with civic or institutional
spheres penetrate the domestic sphere. Ritual speech and sacrifices proper to civic
or temple-cult could be self-consciously approximated and miniaturized to take
place in domestic space. Healing rituals in Egypt and in early Judaism, both cul-
tures with authoritative stories linked to sacred writing traditions, often condensed
official mythic narratives for application to suffering bodies.³⁰ We know of intel-
lectual pagans of the fourth and fifth centuries who tried to maintain the elements
of official cult in their homes when it was proscribed in public. For some this use
of domestic space to maintain traditional cult might have extended the idea of the
philosophical school, which sages like Sosipatra held “in her own house”.³¹ The
corpora of spells compiled as the Greek Magical Papyri also seem to reflect this
phenomenon, although not always in domestic spaces.³² The endeavor of rabbinic
Judaism lay precisely in the relocation to the home, its life patterns, and its imme-
diate environs of sacred categories from the cultic world of the Jerusalem temple,
as reconceptualized and codified in the rarefied world of the study house. In this
regard the invention of the eruv that Fonrobert discusses in her essay, in which the
domestic space was extended into a portion of the civic sphere to resolve particular
halakhic points, externalized to the neighborhood ritual categories and issues that
had already been systematically domesticized in the rabbinic project.³³
The point is, whether under persecution or for lack of a temple (as also in cases
of immigrant communities even today), the domestic sphere is temporarily trans-
formed into an official civic sphere, propitiating gods for the fortune of the cosmos
K. Sessa, “Christianity and the Cubiculum: Spiritual Politics and Domestic Space in Late
Antique Rome”, Journal of Early Christian Studies , () -.
See texts in J. Borghouts, Ancient Egyptian Magical Texts (); texts and discussion in
L. Schiffman – M. Swartz, Hebrew and Aramaic Incantation Texts from the Cairo Genizah
(); and analysis in D. Frankfurter, “Narrating Power: The Theory and Practice of the
Magical Historiola in Ritual Spells”, in: M. Meyer – P. Mirecki (eds.), Ancient Magic and
Ritual Power. Religions in the Graeco-Roman World () -.
Eunapius, Vitae philosophorum , ed. W. C. Wright, The Loeb Classical Library, .
Domesticization/secrecy of civic cult under persecution: H. Cancik, “Occulte adhuc colunt:
Repression und Metamorphose der römischen Religion in der Spätantike”, in: H. Kippen-
berg – G. Stroumsa (eds.), Secrecy and Concealment: Studies in the History of Mediterranean
and Near Eastern Religions. Studies in the History of Religions () -. On the
secret domestic preservation of forms of civic / temple religion see now S. Emmel, “From
the Other Side of the Nile: Shenute and Panopolis”, in: A. Egberts – B. Muhs – J. van der
Vliet (eds.), Perspectives on Panopolis: An Egyptian Town from Alexander the Great to the Arab
Conquest. Papyrologica Lugduno-Batava () -. Miniaturization / domesticiza-
tion in Egyptian magical texts: J. Assmann, “Magic and Theology in Ancient Egypt”, in:
P. Schäfer – H. Kippenberg (eds.), Envisioning Magic: A Princeton Seminar and Symposium.
Studies in the History of Religions () -; and J. Z. Smith, “Trading Places”, in: J. Z.
Smith, Relating Religion: Essays in the Study of Religion () -.
See also Baker, House of Israel, op. cit. (note ).
D. Frankfurter, The Interpretation of Ritual Spaces in Late Antique Religions 221
and the community, not just the household.³⁴ The house becomes, not the spatial
symbol of domestic tradition, gender and procreation, health and prosperity, and
relations among the living and the dead, but rather the protective enclosure for
civic rites.
Somewhere in between the institutional “conversion” of the home and the
relegation of the house interior to official cult lies, perhaps, the phenomenon of
the private or secret study group – where the home becomes the place of sharing,
reading, interpreting, and writing texts. “Whoever has the martyrdom [of St. Athe-
nogenes] read aloud in the home” will have his or her sins forgiven, promises this
saint’s martyrology.³⁵ Yet bishops had long harbored suspicions about the home
as a breeding ground for heresy and subversion; and the evidence of Manichaean
religious culture that Jason D. BeDuhn discusses in his essay (this volume, see
below) would endorse their suspicions: texts and evangelists operated largely
among homes. The privacy of the domus remained a challenge to any region’s ideo-
logical purity. On the other hand, it allowed the integration of religious ideas and
gestures at many levels – textual and oral, personal and familial, magical and spiri-
tual – and their perpetuation in the face of powerful opposition from prevailing
institutions.³⁶
Still, the interest here lies not in the flow or concentration of ideas per se but
in the shifts and transformation of ritual action. What is the ritual nature of read-
ing religious texts in the home? How does reading itself transform space or bring
fortune to the family? What ritual differences arise if the book is secret or avowedly
heterodox or if it is understood as mainstream? What, in fact, are the rituals of
reading? Are there ceremonies around a codex’s or scroll’s presentation, opening,
and touching? Or is it, like some modern vernacular study Bible, regarded only
in “informative” terms, as a repository of ideas, with little regard for magical or
“performative” significance?³⁷
On the use of homes in modern immigrant communities for official worship ceremonies
see P. Belluck, “Visiting a Room Upstairs to View the Man Upstairs”, New York Times
(//) , .
Passion of St. Athenogenes , ed. P. Maraval, La passion inédite de S. Athénogène de Pédachthoé
en Cappadoce. Subsidia Hagiographica () .
H. Maier, “Religious Dissent, Heresy and Households in Late Antiquity”, Vigiliae Chris-
tianae () -, and “Heresy, Households, and the Disciplining of Diversity”, in:
V. Burrus (ed.), People’s History of Christianity : Late Ancient Christianity () -;
K. Bowes, “Personal Devotions and Private Chapels”, People’s History of Christianity , -
, and “‘Christianization’ and the Rural Home,” Journal of Early Christian Studies ,
() -. Cf. S. Lieu, Manichaeism in Mesopotamia and the Roman East () -
.
See R. Lane Fox, “Literacy and Power in Early Christianity”, in: A. Bowman – G. Woolf
(eds.), Literacy and Power in the Ancient World () -, esp. -. On “informa-
tive” vs. “performative” uses of sacred texts see S. Gill, “Nonliterate Traditions and Holy
222 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
D. Conclusion
Examining the ritual continuities between domestic and civic spheres allows us
to appreciate these spheres as discrete worlds of ceremony and focus even while
accepting their interrelationship. Certainly over history the religion of the civic
sphere might dwindle or be replaced, requiring homes either to change accord-
ingly, or to isolate themselves in an effort to preserve forms of traditional devotion.
But homes inevitably depend on a social dimension for their distinctive practices
– to reinforce calendars, holy places, traditions of ritual efficacy, and memories
– and in that way the domestic sphere is never entirely discrete.
The other dynamic that emerges in the examination of ritual continuity
between domestic and civic spheres is the agency of the domestic sphere. Where
scholars have classically viewed the home as a passive repository of superstition and
the civic realm (or church, or rabbinate, or Ulamaa) as a vital font of instruction
and theological coherence, what we see “on the ground,” as it were, is the domestic
sphere’s inevitable and continual exertion of interests on the civic sphere. As we
have seen, demands for healing oil and amuletic scripture, blessings for boats and
livestock, festivals, and oracles have a tremendous influence on the shape of reli-
gion in an area from an early point in time.
Books: Toward a New Model”, in: F. Denny – R. Taylor (eds.), The Holy Book in Compara-
tive Perspective () -.
Pilgrim Eulogiae and Domestic Rituals
Blake Leyerle
DOI 10.1515/ARG.2008.011
224 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
to understand that she intends to share the text she received from the bishop of
Edessa with her sisters back home.⁷ But neither pilgrim describes the housing of
these precious bits and pieces. On the topic of household shrines, they remain
chastely silent.
But if we are willing to widen our purview to include another kind of pilgrim-
age record, we can know something more about the domestic use of eulogiae. Build-
ing upon the work of Georgia Frank,⁸ we might turn to the pilgrimage accounts
embedded in hagiographical texts such as that of Theodoret of Cyrrhus.⁹ From his
Religious History, we discover that eulogiae were employed to meet needs in three
primary areas: the bed, the threshold, and the fields. This list is hardly surprising:
the classic work of Fustel de Coulanges would have led us to expect nothing else.¹⁰
But it does direct our attention back to the largely familial orientation of the holy
men. In their preference for strict enclosure, fierce concentration on food prepara-
tion and consumption, and attention to generation (adoptive as well as biological),
they are strikingly domestic.¹¹
In addition to being a repository of information on the small-scale rituals of
household religion, Theodoret’s text is itself an act of devotion, as Derek Krueger
has argued.¹² For into his account of the Syrian ascetics, he has woven his own
household’s story; and he concludes each portrait with a request for personal bless-
ing. Thus an analysis of the Religious History promises to shed light on various
aspects of domestic ritual. What we discover, however, is that the more closely
we focus on the familial uses of pilgrim blessings, the more clearly we perceive
their tendency to move outside the household and into the civic realm. To see
this dynamic in action, we turn to Theodoret’s comments linking eulogiae and the
bed.
The bed
In one of his few comments on the domestic disposition of pilgrim blessings, Theo-
doret describes his own bed. Over it hung a flask of “oil of the martyrs” and under
his pillow “lay an old cloak of the great James”. Together they formed an effective
prophylaxis against demonic attacks.¹³ In addition to the ampulla of oil and the
cloak, Theodoret’s family possessed a piece of Peter the Galatian’s belt; this last
item was presumably used, and perhaps even stored, in the bedroom. For we are
told that whenever family members fell ill, Theodoret’s mother wrapped the belt
around their waists and “thereby expelled disease”.¹⁴
Each of these objects was acquired through pilgrimage. Theodoret and his fam-
ily enjoyed an exceptionally close relationship with the holy men, but he is clear
that eulogiae were readily available to others. Of James of Cyrhhestica, he writes:
As a result of these labors he has culled the gifts of divine grace, and these are shared by all
who desire it. Through his blessing many fevers have been quenched – and still are –, many
agues have abated or departed completely, many demons have been forced to flee; and
water blessed by his hand becomes a preventive medicine. (HR 21.14 [SC 257.90], emphasis
added).¹⁵
Pilgrims could obtain eulogiae for others, either overtly or by subterfuge.¹⁶ When
a noblemen failed to obtain a cure for his daughter, who “for a long time had been
delirious and raving”, he prevailed upon Marcianus’ servant to leave a small flask of
oil overnight by the door of his cell. When the old man discovered the ruse, he was
annoyed; but the oil had nevertheless absorbed enough power to expel the demon
from a distance of four days’ journey.¹⁷ Unlike the prescriptions and treatments of
doctors, moreover, the prayers and eulogiae of holy men were a true panacea.¹⁸
Sometimes the holy men were willing to come in person. When doctors
despaired of saving Theodoret’s mother from puerperal fever, Peter the Galatian
did not hesitate to travel right to her bedside; nor was he reluctant to come mul-
tiple times to assuage the pain of a woman with breast cancer.¹⁹ These stories indi-
13 HR 21.15 (SC 257.94). The cloak is subsequently described as “stronger than any defenses
of steel” (HR 21.16 [SC 257.96]). Compare the use of soil taken from Jerusalem (Augustine,
Civitas Dei 22.8).
14 HR 9.15 (SC 234.434).
15 People were thus understandably upset when they were later “driven away without even a
blessing” (HR 21.33 [SC 257.118-20]).
16 HR 24.7, 26.16, 26.20, 26.21 (SC 257.148, 194, 202).
17 HR 3.9 (SC 234.260-64). When a neighbor failed to return Peter the Galatian’s belt, its
efficacy remained (HR 9.7 [SC 234.434]). Cf. Kötting, Peregrinatio religiosa, op. cit. (note 2)
198.
18 HR 16.2 (SC 257.30); cf. HR 9.7 (SC 234.420).
19 HR 9.14, 9.13 (SC 234.430-32). Julian Saba healed a man “who had been appointed to very
great authority and entrusted to control the rudder of the east” (HR 2.20 [SC 234.240]).
226 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
cate the porousness of the late antique bedroom: although often private, this place
of sickness and potential healing could also be a venue for the reception of honored
visitors.²⁰ A demon’s description of Theodoret as sleeping among “the choir of the
martyrs with James” invites us to understand Theodoret’s eulogiae in precisely this
way.²¹ They are not just a threadbare garment and an oil-flask made of clay, glass
or metal,²² but distinguished guests.
In addition to being a site of convalescence, the bed was the place of procre-
ation. As such, it marks the moral center of the home.²³ Unlike other hagiogra-
phies, Theodoret’s work does not stress the denial of sexual desire.²⁴ He recounts
stories of both women and men seeking help for infertility or with the premature
death of their children.²⁵
Lineage issues may inform the curious request of a noblewoman who
approached Aphrahat. She suspected that her husband had been bewitched, on
the grounds that he had developed an attachment to his concubine and hostility
towards herself, his lawfully wedded wife. The holy man, we are told, took pity on
the woman, said a prayer, blessed a flask of oil and told her to anoint herself with
it. Exactly where on her body or in which part of her house she was to do this, we
are not told. But the result was as desired: “the woman transferred to herself her
husband’s love”.²⁶ While positioned as an exorcism, this action looks remarkably
like the concoction of an aphrodisiac, appropriate to a bedroom locale.
The importance of the bed, as the guarantor of lineage, is seen perhaps most
clearly in the conflicts that arise over the burial of the holy men. The tomb is a
Macedonius also made housecalls (HR 13.3, 13.9, 13.13, 13.17 [SC 234.478, 492, 498, 504]); he
was even willing to appear in court to cure a young girl possessed by a demon (HR 13.10-11
[SC 234.492-94]). The most common miracles attributed to the holy men are exorcism
and healing (Canivet, Le monachisme syrien, op. cit. [note 9] 117-45; A. Adnès – P. Canivet,
“Guérisons miraculeuses et exorcisme dans l’histoire Philothée de Théodoret”, Revue de
l’Histoire des Religions 171 [1967] 53-82, 150-179).
20 A. M. Riggsby, “ ‘Private’ and ‘Public’ in Roman Culture: the case of the cubiculum”, Jour-
nal of Roman Archaeology 10 (1997) 41-42; K. Sessa, “Christianity and the cubiculum: Spiri-
tual Politics and Domestic Space in Late Antique Rome”, Journal of Early Christian Studies
15, 2 (2007) esp. 177-86. Both scholars focus on the Roman cubiculum, but their observa-
tions may be more widely applicable.
21 HR 21.15 (SC 257.94).
22 A. Grabar, Ampoules de Terre Sainte (1958); D. Barag, “Glass Pilgrim Vessels from Jerusa-
lem”, Journal of Glass Studies 12 and 13 (1970, 1971) 35-63, 45-63.
23 A point made for the Roman west by Riggsby, “‘Private’ and Public’”, op. cit. (note 20)
40.
24 Th. Urbainczyk, Theodoret of Cyrrhus: The Bishop and the Holy Man (2002) 35.
25 James is credited with resurrecting a dead child whose parents “had begotten many children
and escorted them all prematurely to the grave” (HR 21.14 [SC 257.90-92]).
26 HR 8.13 (SC 234.400). Macedonius cured a young girl possessed by an erotic demon (HR
13.10-11 [SC 234.492-94]).
B. Leyerle, Pilgrim Eulogiae and Domestic Rituals 227
final bed, but a bed nonetheless. In these stories, the claims of blood relatives or
distant nobility are routinely dismissed in favor of the holy men’s spiritual family:
his “sons” (usually his disciples, but occasionally local inhabitants) or his “fathers”
(the martyrs or other holy men).²⁷ But holy bodies, like their eulogiae, could be
taken by force. After Maron died, a bitter feud broke out. “One of the adjacent
villages that was well-populated came out in mass, drove off the others and seized
this thrice desired treasure; building a great shrine, they reap benefit therefrom
even to this day”.²⁸ Theodoret recounts the violent removal of the saint’s body
as an outrage, similar in kind to that which his own family sustained. For when
acquaintances learned of the efficacy of Peter the Galatian’s belt, they began to
borrow it “constantly”. Eventually, it was not returned.²⁹ In both situations, the
rightful heirs were deprived of the remains of their “father”.
The most fully elaborated lineage in the Historia Religiosa is indeed that of
Theodoret’s own family. Into the portraits of the ascetics, he has woven his own
family story: his mother’s conversion to ascetic Christianity;³⁰ her on-going inter-
action with the holy men;³¹ his parents’ disparate reactions to their infertility;³²
the circumstances surrounding Theodoret’s birth;³³ his upbringing and continued
27 Marcianus (HR 3.18 [SC 234.280-82]); Abraham (HR 17.10 [SC 257.46-48]); Theodo-
sius (HR 10.8 [SC 234.450]). Acepsimas (HR 15.5 [SC 257.22-24]); Zebinas (HR 24.2 [SC
257.140]). Philip Rousseau has noted how Theodoret’s text not only acknowledges the lin-
eage created by the disciples of ascetic masters, but actually replicates it by the careful trac-
ing of anecdotal transmission (“The Identity of the Ascetic Master in the Historia Religiosa
of Theodoret of Cyrrhus: A New Paideia?”, Mediterranean Archaeology 11 [1998] 235-36; cf.
D. Krueger, “Typological Figuration in Theodoret of Cyrrhus’s Religious History and the Art
of Postbiblical Narrative”, Journal of Early Christian Studies 5 [1997] 409, 416; Urbainczyk,
Theodoret, op. cit. [note 24] 35).
28 HR 16.4 (SC 257.32). Fights erupted over the burial of James (HR 21.5, 9 [SC 257.76, 82]),
Abraham (HR 17.10 [SC 257.46-48]) and Theodosius (HR 10.8 [SC 234.450]). While still
alive, Salamanes was carried back and forth between villages (HR 19.3 [SC 257.60]). For the
holy man as village patron, see the classic studies by Peter Brown, “Rise and Function of
the Holy Man in Late Antiquity” and “Town, Village and Holy Man: The Case of Syria”,
in: P. Brown, Society and the Holy in Late Antiquity (1982) 103-52, 153-65.
29 HR 9.15 (SC 234.434).
30 An eye-infection first brought to Peter; her complete healing entailed her renunciation of
cosmetics and fine clothing (HR 9.5-8 [SC 234.414-22]). Peter also exorcised the family’s
cook (HR 9.9 [SC 234.422])
31 With Symeon the elder (HR 6.14 [SC 234.364]); with Macedonius, whom she supplied
with food (HR 13.3 [SC 234.476-78]).
32 Theodoret’s father was distressed, but his mother “was not greatly troubled”; when in dan-
ger of a miscarriage, she even claimed that “she had not wanted to become the mother of
children” (HR 13.16-17 [SC 234.502-04]).
33 HR 13.17 (SC 234.504-06).
228 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
interaction with the holy men.³⁴ This textual strategy, as Derek Krueger has con-
vincingly argued, makes the writing of this work into a devotional gesture, compa-
rable to the act of pilgrimage. The completed text becomes itself a eulogia designed
to circulate, a source of blessing for readers as well as for the author.³⁵
A sharpened appreciation for Theodoret’s authorial act should not deflect our
attention away from the role his text plays in domestic religion. It preserves and
recreates his family’s story. Born belatedly and an only child, Theodoret’s deci-
sion to enter orders would have signaled genealogical oblivion, had he not writ-
ten a work perpetuating his family’s memory.³⁶ As Jonathan Z. Smith notes, “to
any list of threats to domestic continuity must be added the danger of forgetful-
ness; hence, the importance of formal and informal genealogies as well as family
sagas”.³⁷ The stories effectively insert Theodoret into a group of spiritual ancestors.
The physical instantiations of this spiritual genealogy are the eulogiae surround-
ing his bed. Every time Theodoret rests his head on Peter’s cloak, he performs a
dynamic domestic ritual of family remembrance and belonging. The requests for
prayers and blessings, with which he concludes each portrait, exercise a claim upon
future generations.³⁸
The intergenerational aspect of his nightly ritual links Theodoret’s bed to the
grave. We know that pilgrims sometimes deliberately created blessings for their
tombs. The Piacenza pilgrim tells us that, after celebrating Epiphany at the Jordan
River, “every one goes down into the river to gain a blessing. Some wear linen, and
some other materials which will serve as their shrouds for burial”.³⁹ These cloths,
34 Theodoret visited Peter the Glatian as a child (HR 9.4, 9.15 [SC 234.414, 434]); and Aphra-
hat as an adolescent (HR 8.15 [SC 234.402]; cf. Price, Theodoret of Cyrrhus, op. cit. [note 9]
80 n. 15. With a group of friends, he made a retreat at the monastic community at Teleda
(HR 4.10-12 [SC 234.312-14]). As a lector, he sought information from Zeno about the
monastic life (HR 12.4 [SC 234.464]); as bishop, he visited local monks frequently (HR
20.4, 21.8, 21.11 [SC 257.66-68, 80-82, 84-86]).
35 Theodoret concludes his account of Macedonius thus: “We, on bringing this narrative to
an end, have reaped the fragrance that comes from narrating it” (HR 13.19 [SC 234.508]).
Krueger, “Writing as Devotion”, op. cit. (note 12) 708-13. For the work’s wide circulation,
see idem, “Typological Figuration”, op. cit. (note 27) 395.
36 Theodoret ends the account of the theft of Maron’s body with the words: “We ourselves
reap his blessing even at a distance; for sufficient for us instead of his tomb is his memory.”
(HR 16.4)
37 J. Z. Smith, “Here, There, and Anywhere”, in: J. Z. Smith, Relating Religion: Essays in the
Study of Religion (2004) 327.
38 P. Devos, “La structure de l’Histoire Philothée de Théodoret de Cyr: Le nombre des chapi-
tres”, Analecta Bollandiana 97 (1979) 319-335; Krueger, “Writing as Devotion”, op. cit. (note
12) 711-12.
39 Itin. Plac. 11 (CCSL 175.135). Gregory of Nyssa stipulated that his reliquary of the martyrs
be buried with him (Kötting, Peregrinatio religiosa, op. cit. [note 2] 310).
B. Leyerle, Pilgrim Eulogiae and Domestic Rituals 229
The threshold
40 For eulogia of garments, see HR 26.12 (SC 257.184); cf. HR 9.15 (SC 234.434).
41 C. Hahn, “Loca Sancta Souvenirs: Sealing the Pilgrim’s Experience”, in: R. Ousterhout
(ed.), The Blessings of Pilgrimage. Illinois Byzantine Studies 1 (1990) 87, 91, 95 n. 23; cf. Vikan,
Byzantine Pilgrimage Art, op. cit. (note 2) 42-43; Maraval, Lieux saints, op. cit. (note 2)
240.
42 Urbainczyk, Theodoret of Cyrrhus, op. cit. (note 24) 33. The work also stresses the good
relationship that exists between the Antiochene clergy, including Theodoret, and the local
monks (see H. Leppin, “Zum kirchenpolitischen Kontext von Theodorets Mönchge-
schichte”, Klio 78 [1996] 214). As Rousseau notes, “It is striking how much aristocracy one
can find in the HR, once one begins to look for it” (“The Identity of the Ascetic Master”,
op. cit. [note 27] 234-35).
43 Urbainczyk, Theodoret of Cyrrhus, op. cit. (note 24) 37.
44 HR 26.11 (SC 257.182). The affixing of votive tablets featuring pillars is ancient, see F. van
Straten, “Votives and Votaries in Greek Sanctuaries”, in: A. Schachter – J. Bingen (eds.), Le
Sanctuaire grec (1992) 247-284.
230 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
knowledge that he would stand “all night, neither beguiled by sleep nor overcome
by exertion”.⁴⁵
The holy men were, in general, very attentive to their domestic arrangements.
Some moved repeatedly in search of an ideal home.⁴⁶ Others built customized
cells.⁴⁷ Of these, none expended more thought and labor than Thalelaeus:
Making two wheels of two cubits in diameter, he joined both wheels together with planks
not fitted to each other but separated apart. Then seating himself inside and fixing these
separated planks firmly with bolts and nails, he hung the wheel up in the air. Fixing three
other tall wooden stakes in the ground and connecting their upper ends with other pieces
of wood, he fastened the double wheel in the midst of them and raised it up, the inside
of the wheel having a height of two cubits and a breadth of a cubit. Sitting or rather sus-
pended in this, he has spent ten years up till now (HR 28.3 [SC 257.226-28]).
The narrow suspended cylinder in which Thalelaeus made his ascetic home resem-
bles nothing so much as an outsized amulet.⁴⁸
Access to ascetic domiciles was usually restricted.⁴⁹ Aphrahat and Symeon
never admitted women.⁵⁰ Marana and Cyra would not interact with men. Lim-
naeus would only open his small door, sealed with mud, to Theodoret.⁵¹ The more
45 HR 26.24, 26 (SC 257.208, 210). D. G. Orr, “Roman Domestic Religion: The Evidence of
the Household Shrines”, in: Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt II 16.2 (1978) 1557-
1591. See also the cultural context of Symeon’s actions, as explored by D. T. M. Frankfurter,
“Stylites and Phallobates: Pillar Religions in Late Antique Syria”, Vigiliae Christianae 44.2
(1990) 168-198.
46 Symeon is the classic example. He lives first with some neighboring ascetics, before joining
a monastery; from there, he moves briefly into an abandoned cistern, and then into a tiny
cottage; after three years, he relocates to a hill top, where he orders a circular enclosure to
be made. Finally, he devised a pillar, on which he spent the rest of his life; though its height
needed to be modified three times (HR 26.4-7, 10, 12 [SC 257.164-76, 178-80, 184]).
47 Baradatus (HR 27.2 [SC 257.218-20]), Marcianus (HR 3.2 [SC 234.248]), Eusebius (HR 18.1
[SC 257.52]), Marana and Cyra (HR 29.1-2 [SC 257.234]) and, of course, Symeon, whose
odd choice of a pillar for a home evokes sustained apology (HR 26.12, 26.22 [SC 257. 186-
90, 204-06]). Penance was often the reason prompting unusual domestic arrangements
(HR 28.4 [SC 257.228]).
48 Usually a tubular capsule (R. Kotansky, “Incantations and Prayers for Salvation on Inscribed
Greek Amulets”, in: Ch. A. Faraone – D. Obbink [eds.], Magika Hiera: Ancient Greek
Magic and Religion [1991] 111, 114).
49 The recluse, as Theodoret observes, opens the door when he wishes and “delays as long as he
wants” (HR 21.32 [SC 257.118]). Other ascetics, like James of Cyrrhestica, chose the asceti-
cism of living always in the public eye (ibid.).
50 An unknown woman had to appeal to Aphrahat standing in front of the outer door (HR
8.13 [SC 234.400]). To Theodoret’s mother, he would only “half-open” his door (HR 8.15
[SC 234.402]); cf. Symeon Stylites (HR 26.21 [SC 257.202-04]).
51 HR 22.3 (SC 257.126); cf. Eusebius (HR 18.2 [SC 257.54]), James (HR 25.2 [SC 257.156]),
Marana and Cyra (HR 29.5 [SC 257.236]).
B. Leyerle, Pilgrim Eulogiae and Domestic Rituals 231
enterprising among the laity had recourse to peering in through windows or mak-
ing their appeals through the servants of the holy men.⁵²
The threshold is central, Jonathan Z. Smith contends, inasmuch as it distin-
guishes “those who belong or who are welcome […] from those who are not”.⁵³
The central locus of this difference is the meal: only those welcome at table are
allowed to cross the threshold. The holy men thus tend to show great hospitality
to one another. Marcianus welcomed Avitus with the words: “Come over here, my
best of friends, and let us share this table.”⁵⁴ The bread they served their visitors
was also called eulogiae.⁵⁵ Even the ascetics who repelled all others welcomed Theo-
doret; in part, presumably, because of their desire to share with him a Eucharistic
table.⁵⁶ It comes as no surprise, therefore, that one of the domestic uses of pilgrim
eulogiae was the reparation of commensality. When a high born woman, named
Astrion, developed an aversion to all food or drink, as well as an inability to recog-
nize close household members, she was cured by the application of water blessed
by Macedonius.⁵⁷ In a similar fashion, the holy man cured the wife of a nobleman
who had fallen prey to a “morbid gluttony” (adephagias), such that even thirty
chickens a day could not satisfy her hunger. Her family, fearing the exhaustion
of their resources, sent for Macedonius, who gave her blessed water to drink. The
eulogia curbed her appetite so effectively that “thereafter a small piece of chicken
each day satisfied her need for food”.⁵⁸ Here, the protection of the family group
merges imperceptibly with the safeguarding of the family assets.
Pervasive concerns for the creation and preservation of domestic enclosure
would seem to support the ascription of a largely protective function to the min-
iature statues of the stylite. Like the flasks of oil around Theodoret’s bed, they
were positioned to avert malevolent forces. But these small figurines could bear
additional meanings.
52 Access through a window (HR 3.6 [SC 234.256]); appeal to servants (HR 3.9 [SC 234.260]);
people trying to crowd in after Theodoret (HR 22.3 [SC 257.128]).
53 “Here, There, and Anywhere”, op. cit. (note 37) 327. Egeria notes that “it is customary” for
monks to give eulogia “to those whom they gladly receive in their monastic cells” (Itin. Eg.
21.3, cf. 11.1 [SC 296.222, 170-72]).
54 HR 3.12 (SC 234.270); cf. Maësymas (HR 14.2 [SC 257.10]); Domnina (HR 30.3 [SC
257.244]). While Abraham followed a regime of strict fasting, he was graciously hospitable
to others (HR 17.7 [SC 257.414]).
55 Caner, “Towards a Miraculous Economy”, op. cit. (note 3) 345-49. For this reason, Caner
believes that the monks of Palestine gave Egeria bread eulogia; but her text does not specify
the form of the “blessing” that she received (Itin. Eg. 11.1, 21.3 [SC 296. 170-72, 222]).
56 Maris (HR 20.4 [SC 257.66-68]); cf. Limnaeus (HR 22.3 [SC 257.126]); Marana and Cyra
(HR 29.5 [SC 257.236]); James (HR 25.2 [SC 257.156]); Symeon (HR 26.7, 14 [SC 257.174,
192).
57 HR 13.13 (SC 234.496-98).
58 HR 13.9 (SC 234.490-92).
232 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Theodoret celebrates Symeon, above all, as a ceaseless laborer. One index of his
fidelity to routine tasks was the one thousand, two hundred and forty-four pros-
trations he made each day.⁵⁹ One could not imagine a better patron for workers
in a factory who were, according to the late antique expression, “nailed” to their
work.⁶⁰ He was a figure of perseverance and ascetic industry.
Other holy men were directly involved in productive ventures. In addition to
farming, Theodosius’ disciples wove sails, hair coats, mats and baskets. The holy
man exhorted them to work harder by reminding them of the hardscrabble life of
small householders.
While those engaged in life toil and labor to support children and wives, and in addition
pay taxes and are dunned for tribute, and also offer the first-fruits to God and supply the
needs of beggars as far as they are able, it would be absurd for us not to supply our essen-
tial needs from labor – especially since we use scanty and simple food and simple dress –,
but to sit indoors with our arms crossed, reaping the handiwork of others (HR 10.3 [SC
234.442]).
Like the head of any workshop, Theodosius examined the monks’ finished work
“minutely, checking to see if each detail was carried out in accordance with the
rules laid down”. With the surplus goods produced, he started an import-export
business. The volume of trade was significant enough that he built a landing place
for the use of merchants. Like Symeon, his reputation was widespread: sailors
“even more than a thousand stades away” invoked “the God of Theodosius” to
calm storms.⁶¹ His business revenues may well have been substantial, for “the lead-
ers of the church” began to fear that he might be kidnapped by the Isaurians for a
huge ransom.⁶²
Kidnapping is an appalling violation, but circulation remains a defining char-
acteristic of holy objects. Eulogiae, like relics, were intended “to render the sanctity
59 HR 26.22 (SC 257.204). Ascetic labor exhibits the logic of sacrifice: it functions, in the
words of Smith “to bring the ‘below’ ever closer to the ‘above’ through ritual acts of repeti-
tion and […] rectification” (“Here, There, and Anywhere”, op. cit. [note 37] 328).
60 Binding rituals were frequent in ancient magic; they were used to ensure permanence and
stability or to promote business profit (J. J. Winkler, “The Constraints of Eros”, in: Phara-
one – Obbink (eds.), Magika Hiera, op. cit. [note 48] 220, 233).
61 HR 10.4 (SC 234.444).
62 HR 10.6 (SC 234.446). Theodoret attributes Theodosius’ value to his holiness rather than
to his wealth. But other, arguably more renowned, ascetics did not arouse similar fears. The
account seems a remarkable illustration of the ascetic basis of the production of capital,
for which see G. G. Harpham, The Ascetic Imperative in Culture and Criticism (1987) 29-30,
62-64. See also the remarks of C. Rapp on the merging of production and consumption in
monastic copying (“Christians and their Manuscripts in the Greek East in the Fourth Cen-
tury”, in: G. Cavallo – G. de Gregorio – M. Maniaci (eds.), Scritture, Libri e Testi nelle Aree
Provinciali di Bisanzio (1991) 1:142-44. Theodoret’s portrait of Domnina blends consump-
tion with production: the property spent by her reaps a blessing (HR 30.3 [SC257.244]).
B. Leyerle, Pilgrim Eulogiae and Domestic Rituals 233
63 P. Horden – N. Purcell, The Corrupting Sea: A Study of Mediterranean History (2000) 458;
R. F. Taft, S. J. notes that originally bread eulogia was distributed as a sign of unity (“One
Bread, One Body: Ritual Symbols of Eclessial Communion in the Patristic Period”, in:
D. Kries – C. Brown Tkacz (eds.), Nova Doctrina Vetusque: Essays on Early Christianity in
Honor of Frederic W. Schlatter, S. J. [1999] 28-32).
64 Caner, “Towards a Miraculous Economy”, op. cit. (note 3) 329-77, esp. 351-52, 360. Some
pilgrim tokens bear a palm imprint on their backs; for the use of clay sealings to secure
merchandise, see Vikan, Byzantine Pilgrimage Art, op. cit. (note 2) 38.
65 His pillar, as Frankfurter notes, was placed “on a mountain top in full view of the major
Syrian trade routes and of a substantial village below” (“Stylites and Phallobates”, op. cit.
[note 45]189).
66 Horden – Purcell, The Corrupting Sea, op. cit. (note 63) 123: ”Some of the most eloquent
evidence of connectivity maintained across the Mediterranean”, they assert, “comes from
hagiography” (ibid., 161).
67 HR 26.11 (SC 257.180-82).
68 Horden – Purcell, The Corrupting Sea, op. cit. (note 63) 451.
234 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
The fields
According to the Religious History, pilgrims removed soil from the mountain where
James of Cyrrhestica lived. Theodoret does not specify how this eulogia was used,
claiming only that it was “beneficial” (opheleian). But his description of the moun-
tain as “formerly undistinguished and sterile” (asemon … akarpon) suggests that
it might have been used to increase crop yields.⁶⁹ Eulogiae were certainly used to
good effect on animals. A horse suffering from urinary blockage was cured by the
application of water and oil blessed by Aphrahat.⁷⁰ And Thalelaeus was widely
known for healing camels, asses, and mules.⁷¹
Small landowners were especially vulnerable to environmental disruptions.
Theodoret tells us of a farmer who sought help from Aphrahat in protecting his
“crops, plants, marshlands, woods and meadows” from a plague of locusts.⁷² Fig-
ured as demons, the insects fall directly under the purview of the holy man.⁷³
He [i. e., Aphrahat,] ordered a gallon of water to be brought to him. When the petitioner
had brought the gallon, he placed his hand over it and besought God to fill the water with
divine power; then on finishing the prayer he told the man to sprinkle the water round the
boundaries of his property (tois tou choriou horois). The man took it and did as instructed,
and it served as an invincible and inviolable defense for those fields, for the locusts, while
crawling or flying like armies up to this boundary, retreated backwards in fear at the bless-
ing placed upon it, restrained as it were by a curb and prevented from advancing forwards
(HR 8.14 [SC 234.402]).⁷⁴
Like the oil of the martyrs around Theodoret’s bed, Aphrahat’s blessed water forms
a repellent barrier. Sprinkled around the perimeter of the fields, the eulogia effec-
tively extends the threshold. And indeed the farmer had appealed to Aphrahat
69 HR 21.4 (SC 257.74); cf. a request to Polychronius for blessed oil to counteract a drought
(HR 24.7 [SC 257.148]). Caner argues that notions of agricultural fertility and abundance
are implicit in the scriptural understanding of blessing (Caner, “Towards a Miraculous
Economy”, op. cit. [note 3] 334-40).
70 HR 8.11 (SC 234.396-98).
71 HR 28.5 (SC 257.230).
72 Horden and Purcell draw attention to the interesting inclusion of “wetlands” in the list of
vulnerable assets (The Corrupting Sea, op. cit. [note 63] 418).
73 Demons were blamed for the uprooting of five hundred olive and fig trees (HR 28.1 [SC
257.224-26])
74 Crop protection may have been an expected part of the duties of a holy man. Theodoret
makes a metaphorical appeal for this type of blessing when he asks James “to beg the God
of the universe to make the crop clear of weeds and free it altogether from the seeds of
heresy” (HR 21.19 [SC 257.100]).
B. Leyerle, Pilgrim Eulogiae and Domestic Rituals 235
precisely on this basis, noting the smallness of his holdings and the magnitude of
his household needs.⁷⁵
James of Nisibis was also celebrated for his control over insects. But the bound-
ary he reinforced was civic, rather than domestic. When Sapor, king of the Persians,
besieged Nisibis with troops and even elephants, James mounted the city wall and
called down upon the invaders an ineluctable army of gnats and mosquitoes.⁷⁶
From Egeria comes a similar story of miraculous, civic protection. When the
Persians encircled the city of Edessa, King Abgar carried the letter, believed to be
from Jesus himself, to the gate of the city. “Lord Jesus”, he cried, “You promised
us that no enemy would enter this city. But look, at this moment the Persians are
attacking us.” And he held up the open letter. Immediately, darkness descended
and threw the Persians into confusion. According to the bishop who recounted this
story, Abgar’s action established a ritual pattern: whenever an enemy subsequently
attacked the city, the letter was brought out and read at the gate. The gate itself
gradually became a holy object, through which no person who was “unclean”,
“dead” or “in mourning” was allowed to pass.⁷⁷
The bishop then gave Egeria a copy of this correspondence as a eulogia.⁷⁸ She
was delighted to receive the text, because it was “more extensive” (amplius) than
the version she had back home. And in a tantalizing aside, she promises that she
will share it with the women to whom she writes.⁷⁹ While we do not know what
domestic rituals might have surrounded the reading of this text, its characteriza-
tion as “more extensive” recalls the material splendor of Abgar’s palace that Egeria
has described.⁸⁰ What we can know with certainty is that Egeria’s expressed intent
to share the letters with her “sisters” signals the domestication of a civic ritual. The
possession of this text would seem, at least theoretically, to offer both protection
and abundance – a combination that must now strike us as typical of eulogiae.
75 He had only “a single farm from which to support himself, wife, children and household
and in addition pay imperial taxes” (HR 8.14 [SC 234.400]).
76 HR 1.11-12 (SC 234.186-88). For an analysis of the Biblical typology of this account, see
Krueger “Typological Figuration”, op. cit. (note 27) 409-11.
77 Itin. Eg. 19.8-17 (SC 296.208-12). The translation used here follows that of G. E. Gingras,
Egeria: Diary of a Pilgrimage. Ancient Christian Writers 38 (1970) 78-80.
78 Itin. Eg. 19.19 (SC 296.212).
79 Dominae animae meae (Itin. Eg. 19.19 [SC 296.212]).
80 Her description dwells on iridescent marble statues, streams like silver, and pools of remark-
able fish (Itin. Eg. 19.6-7 [SC 296.204-06]). Gingras’ translation seems better, because more
global, than that of John Wilkinson, who translates amplius as simply “longer” (Egeria’s
Travel, 3rd ed. [1999] 136).
236 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
The most striking feature of eulogiae may be this blend of domestic and civic
use.⁸¹ Obtained from people known largely for their stability, pilgrim blessings
were humble objects that served largely familial ends. They protected the bed, the
threshold and the fields. The rituals of their use were small-scale, often variants
of common daily actions such as drinking or anointing; they were not dependent
upon specialized technologies like writing. The space of their ritual performance
was primarily domestic.⁸²
At the same time, the holy men who provided pilgrims with eulogiae present
a studied contrast to familial life; they were not concerned to foster the growth of
their biological family or of their assets. Despite their occasionally claustrophobic
dimensions, their dwellings often have a public air.⁸³ Like other places of civic
religion, their architecture favors walls and gates and nested interiors.⁸⁴ Eulogiae
were used in civic rituals, occasionally to protect urban enclosures, and routinely
to express lines of dependency and proximity to power.⁸⁵ They circulated across
the Empire in the form not only of statues and ampullae but also of texts like
Theodoret’s own Religious History.⁸⁶
81 I owe many of the terms of this contrast to Smith’s analysis (“Here, There, and Anywhere”,
op. cit. [note 37] 323-39).
82 Compare Fritz Graf ’s comments on the Greek Magical Papyri (“Prayer in Magic and Reli-
gious Ritual”, in: Magika Hiera, op. cit. [note 48] 195-96; cf. J. Z. Smith, “Trading Places”,
in: J. Z. Smith, Relating Religion: Essays in the Study of Religion [2004] 222-27. In Smith’s
schema, pilgrim blessing belong firmly to the religion of “Here” [333]).
83 Theodoret’s use of spectacular, athletic imagery has often been noted; for example, he
begins the section of his work on contemporary ascetics with the words: “Now that we have
proceeded through the contests of the athletes of virtue described above, narrating in sum-
mary their laborious exercises, their exertions in the contests and their most glorious and
splendid victories, let us now record […] the way of life of those still living, who contend
magnificently and strive to surpass their predecessors in exertion” (HR 21.1 [SC 257.70]). As
Rousseau notes, “One became an ascetic in public, as part of a dialogue between one’s own
energy and the expectations of others” (“The Identity of the Ascetic Master”, op. cit. [note
27] 230).
84 Smith, “Here, There and Anywhere”, op. cit. (note 37) 328.
85 They were part of the larger gift exchange by which advancement and gain were achieved
and status maintained. See Caner, “Towards a Miraculous Economy”, op. cit. (note 3) 355-
70.
86 As we meet them in Theodoret’s text, the holy men are indissociably tied to literacy and
urbanism. On Theodoret’s erudite style, see Canivet, Le monachisme syrien, op. cit. (note
9) 51-54; Rousseau, “Identity of the Ascetic Master”, op. cit. (note 27) 229-32; E. Patlagean,
“Ancient Byzantine Hagiography and Social History”, trans. St. Wilson, Saints and Their
Cults: Studies in Religious Sociology, Folklore and History (1983) 101-21. Krueger, “Typological
Figuration”, op. cit. (note 27) 394-395.
B. Leyerle, Pilgrim Eulogiae and Domestic Rituals 237
Certainly one of the draws of pilgrimage was its remarkable ability to join the
domestic and the public. Through their travels and in their devotional gestures at
holy sites, pilgrims brought their pressing domestic needs into public view and, in
turn, took home a token from these civic spaces to serve their private ends. Even
when eulogiae were installed within homes, however, they continued to express a
fundamental mobility.
As pointed out by David Frankfurter in his essay, J. Z. Smith’s model of the juxtapo-
sition of domestic and civic religion is meant to operate as a heuristic model, rather
than as “an absolute model”. Heuristic or absolute, the question to be examined
here is how helpful Smith’s model might be for gaining insights into some of the
permutations of Judaism in Late Antiquity, in particular the religion of the rab-
binic sages. Most obviously, since the destruction of the Temple in Jerusalem and
the loss of Jewish political control over Jerusalem to the Romans, Smith’s “there”,
“the sphere of civic and national religion”¹ associated with temples, courts and
public square, lay beyond the grasp of any pragmatic law-oriented rabbinic design
and concern.² In concrete terms the rabbinic sages devote much more attention to
* For the purposes of this essay I am citing rabbinic texts in the following manner: Mishnah,
Tosefta, Babylonian Talmud and Palestinian Talmud will be abbreviated by first letter, fol-
lowed by the name of the tractate. For instance: Mishnah Eruvin will be cited as M.Eruvin,
followed by number chapter and paragraph. Tractate Berakhot in the Babylonian Talmud
will be cited as B.Berakhot, followed by folio and page number.
1 J. Z. Smith, “Here, There, and Anywhere”, in: Relating Religion: Essays in the Study of Reli-
gion (2004) 323-340.
2 The Temple in Jerusalem does, of course, persist as memory (throughout the Mishnah, but
especially in the orders of Kodashim and Tohorot), as a space of rabbinic halakhic imagina-
tion (spelled out especially in the mishnaic tractate Middot), and as an imaginary “there”,
perhaps holding out a promise for the future. See B. Z. Wacholder, Messianism and Mish-
nah. Time and Place in the Early Halakhah (1979). On the role of the Temple in early rab-
binic Judaism (a. o.), particularly with respect to the spatial imaginary, see F. Schmidt, How
the Temple Thinks. Identity and Social Cohesion in Ancient Judaism (2001). In addition, the
distinctiveness of a priestly class is maintained as group status in rabbinic law, which plays
a significant role in rabbinic marital law – and not only here – perhaps as a sort of bridge
from the past to the future Temple. The literature on the Temple as paradigm for the insti-
tution of the synagogue both in the textual and the archaeological sources is voluminous
and beyond the scope of this article. See the section on “Die Synagoge und die rabbinische
Literatur”, in: B. Ego – A. Lange – P. Pilhofer (eds.), Gemeinde ohne Tempel – Community
without Tempel. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines
Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum (1999) 323-395, as well
DOI 10.1515/ARG.2008.012
240 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
has nothing in the world but the four cubits of halakhah alone”.⁷ Halakhah is not
bound to any place, although as practice it is to be instantiated anywhere. Any-
where? What then lies beyond the domestic sphere in terms of ritual practice after
the Temple, in the absence of “there”?
I would like to propose here that the rabbinic sages addressed the loss of “there”
– the civic / institutional sphere – not only by preserving its memory or holding
on to the promise of its return, but by instituting a third sphere, an inbetween
or interstitial sphere as ritual sphere, one that is neither civic nor domestic, at
least not in the conventional sense. That sphere is what I will broadly refer to as
the neighborhood,⁸ specifically the residential neighborhood. The neighborhood,
I wish to suggest, operates as a ritualized socio-spatial framework for the rabbinic
thinking about the interaction between domestic and by and large non-Jewish
civic or public sphere.
Neither Domestic nor Civic: The Transformation of Neighborhood into Ritual Space
From the legislative discourse of the Mishnah onwards, the late antique rabbinic
sages were quite conscious of the neighborhood as a social space for communal life,
as a space where domestic and communal life intersected and where boundaries
between the two were fluid. Cynthia Baker has already demonstrated elegantly the
importance of the shared courtyard (and by extension the alleyways linking such
courtyards) of Mediterranean urban architectural design in the textual imaginings
of the rabbinic corpus. In her critique of the often simplistic narratives of public
and private life in Roman Palestine, Baker foregrounds the shared or jointly owned
courtyard as a hybrid space, or, as she would have it, as “socio-spatial border-
land” with a “chimerical” quality that negotiates private and public.⁹ In Baker’s
account the multiple apparitions of the (shared) courtyard and alleyway operate
as socio-historical backdrop to early rabbinic legal discourse (as in the Mishnah
7 B.Berakhot 8a. In its context, the dictum, attributed to Ulla, a Babylonian authority and
cited by other authorities there, is meant to juxtapose learning (halakhah) to synagogue.
That is, it is meant to elevate the enterprise of study and the house of (rabbinic) study above
the synagogue as a place of worship. But the dictum has often been cited independently to
emphasize precisely the disconnection from any particular place as sacred space in rabbinic
Judaism.
8 Although rabbinic Hebrew does have terms for “neighborhood” (shekhunah, makom, etc.),
we will see that the texts think mostly in terms of urban architectural environment, i. e., the
joined courtyard or the alleyway with its adjacent joined courtyards, rather than theorizing
the “neighborhood” per se.
9 C. Baker, Rebuilding the House of Israel. Architecture of Gender in Jewish Antiquity (2002) 113
and 118.
242 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
and beyond), and demonstrate precisely that any simple narrative of private versus
public space (whether for an analysis of the rabbinic texts or for an analysis of the
archaeological remains in Roman Palestine) cannot hold.
Building on Baker’s work, we can push the issue a bit further, beyond the
nature of the courtyard as social space to the neighborhood as ritual space, if we
consider a fascinating and rather creative ritual system¹⁰ which the rabbis of the
Mishnah (and onward) devise from scratch, not from biblical precedent, that is.
The rabbinic sages devote a considerable amount of creative energy to this ritual
system, which they refer to as the eruv hatzerot or the “eruv of courtyards”, and
the shittuf mevo’ot or “partnership of alleyways” on a slightly larger scale. The two
spatial frameworks are not exactly parallel, since the ritual script differs slightly in
each case, but the Mishnah explicitly correlates both: “The alleyway is to the joined
courtyards (that it links), as a joined courtyard is to the houses (that are connected
to it)” (M.Eruvin 6:8).¹¹ These ritual scripts establish a participatory community
of sorts, the “eruv community” for the purposes of the communal observance of
the Sabbath. The point of this excursion will be precisely to consider the neighbor-
hood as a ritualized space, as an intermediate space in which domestic religion is
turned into some form of public religion and the domestic domain is expanded to
lay claim to the public domain; in which the rabbinic religion of Torah is mapped
onto the neighborhood to provide a proximate spatial framework for a communal
life of Torah.
Towards that end we may consider Bert Lott’s study of The Neighborhoods of
Augustan Rome,¹² in which he analyzes the neighborhoods of the city of Rome (the
vici) as institutions, as quasi cultic associations. According to Lott, these Roman
urban neighborhoods were focused around (and the neighborhood identity of any
10 Ritual system seems to be an appropriate designation, when there are a variety of acts that
are connected and that are required towards the fulfillment of a specific script of ritual
behavior. This variety of interconnected acts involved in the case under discussions will be
demonstrated further below.
11 It should be mentioned that Cynthia Baker does touch upon the eruv hatzerot (“eruv of
courtyards”) and shittuf mevo’ot (“partnership of alleyways”) in her careful analysis of the
socio-historical physiognomy of the courtyard. If I understand her correctly, the point of her
brief excursion into this area of rabbinic ritual or law making is to insist that “this entire
subset of the laws of ‘erub presumes the joint ownership and sharing of courtyard space
among non-kin households, for when ‘brothers’ are the sole occupants of a shared court-
yard, ‘they need not make an ‘erub’” (op. cit. 120, my emphasis). That is, the courtyard is
socially speaking a space that is shared by many people beyond immediate kin and as such
functions as hybrid space.
12 B. Lott, The Neighborhoods of Augustan Rome (2004). Parallel to what Baker has written
with regard to the rabbinic courtyard community, Lott, p. 26 argues that the Roman neigh-
borhoods “were interstitial spaces between and among the public monuments of the official
city”, lacking any monumental focus.
Ch. E. Fonrobert, Neighborhood as Ritual Space 243
given vicus established by) a compitum (or crossroad) where people would offer
sacrifices on the state holiday for the neighborhoods’ protective spirit, the compita-
lia.¹³ Obviously, the case of Rome is historically speaking a particular urban case,
where the vici also served an important administrative function, providing thereby
the opportunity for ritualization. In that sense, we cannot simply extrapolate from
the vici in Rome and regard them a paradigm for neighborhood religion, or neigh-
borhood as religious space in the Roman world.¹⁴ But the point to be made here
is that the neighborhood appears as an interstitial sphere where “civic / public”
(or rather imperial) and “domestic” religiosity meet and are negotiated with each
other, an interstitial sphere which allows for a communal identity formation of
sorts. Something similar applies to the rabbis further east in the Mediterranean
world.
13 In addition to the traditional winter date of this holiday, Augustus instituted two new
dates for the compitalia in May and June (Lott, Neighborhoods, op. cit. [note 12] 115-117). In
general, Lott’s book focuses on the reforms instituted by Augustus in 7 B. C. E. when he
redistricted the city of Rome, and on the role that the neighborhoods played in the Augus-
tan transition from Republican to Imperial forms of governance. Accordingly, he argues
that Augustus’ new compitalia linked the traditional neighborhood rituals more closely
to other civic cults, thus emphasizing the political importance of the neighborhoods in
the administration of the city. Indeed, Lott argues that the Augustan neighborhoods were
endowed with an increasingly bureaucratic role in the administration of the City of Rome,
critiquing those scholars who disconnect the religious aspects of neighborhood rituals from
their public role in the city’s governance (Lott, Neighborhoods, op. cit. [note 12] 127).
14 Lott, Neighborhoods, op. cit. (note 12) 174, points out that while the division of the city into
vici with compital shrines was not unique to Rome, “it does not seem to have ever been
standard in Roman Italy or the provinces. Indeed, only the largest of urban centers would
have benefited from the division into smaller units for purposes of urban administration
and imperial honorific”.
15 Much as Lott, Neighborhoods, op. cit. (note 12) 177, argues about the Agustan reforms,
namely that neither the Augustan neighborhood nor their cults were new creations. Instead,
“the emperor’s attention to the neighborhoods must be judged as both an affirmation and
an adjustment of earlier practices”.
244 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
16 While the manuscript situation for the mishnaic tractate of Eruvin is not any more com-
plicate than for other mishnaic tractates, the story is different for the talmudic tractates,
especially Tractate Eruvin in the Palestinian Talmud. However, this article focuses mostly
on the earlier rabbinic tradition, namely Mishnah and Tosefta.
17 One of the classic works on the genre of legal fiction is L. L. Fuller’s Legal Fictions (1967).
18 Mishnah Shabbat 1 : 1, 7 : 2, 11 : 2 a. o. On the terminology for domains see further below.
19 Lott, Neighborhoods, op. cit. (note 12) draws on inscriptions, altars, bases for statues with
inscriptions, compital shrines, in addition to the vast Roman literature, such as Sueto-
nius, Ovid, Dionysius of Halicarnassus and the like. Jewishly speaking, only D. Syon and
Z. Yavor suggest that at Gamla there might be archaeological evidence for something like
Ch. E. Fonrobert, Neighborhood as Ritual Space 245
instituted from medieval times onwards, down to this day, and this fact would
seem to indicate that to the late antique rabbinic sages the eruv does not function
as an entirely ephemeral theory either. At the very least, I would suggest, we can
study the ways in which the rabbis imagined a place for the practice of Judaism
beyond the domestic sphere they envisioned it in the world of the Roman Empire,
in a world, that is, that had erased the political-territorial boundaries for Jews or
Judaism.
In order to make the case and to clarify what is at stake, the various presupposi-
tions, strategies and practices that are part of the eruv and that are pertinent for
our discussion at hand need to be laid out. To begin with, rabbinic traditions and
thinking often emphasize and mark the distinction between “private” and “public”
domains loosely defined. To name but a few examples, the practice of affixing a
mezuzah to the doorpost, a practice based on biblical law and already mentioned
by David Frankfurter, can easily be read as one important ritual tool of border
symbolism, of marking the boundary between the public and private domain, and
therefore highlighting it.²⁰ But further, rabbinic legal texts draw clear distinctions
an eruv, namely, an eruv doorframe at the entrance to an alleyway. This would supply
important evidence for rabbinic presence in Gamla. See D. Syon – Z. Yavor, “Gamla – Old
and New”, Qadmoniot 34 (2001) 2-33, and already earlier Sh. Gutman’s Gamla – A City in
Rebellion (1994) 144-46. I thank Prof. Zeev Weiss for the reference and Danny Syon for his
written communication regarding his work. I remain somewhat sceptical, since Gamla was
abandoned in 67 C. E., after the destruction by Vespasian and the X. Legion during the
early phase of the Roman-Jewish War. The entrance to the alleyway in Gamla would there-
fore provide pre-rabbinic evidence for a ritual system that seems otherwise to be an entirely
rabbinic invention. Further, J. B. Humbert attributes to the long walls at the archaeological
site of Qumran a “religious” function similar to that of the eruv, namely to enclose a larger
area along the coast of the Dead Sea for the purposes of Shabbat. See his article “Some
Remarks on the Archaeology of Qumran”, in: K. Galor – J.-B. Humbert - J. Zangenberg
(eds.), The Site of the Dead Sea Scrolls: Archaeological Interpretations and Debates, Proceedings
of a Conference held at Brown University, Nov 17-19, 2002 (2006) 19-41, reiterating his argu-
ment originaly developed in “L’éspace sacré à Qumrân: Propositions pour l’archéologie”,
Revue Biblique 101 (1994) 161-214. But the analogy he makes is rather loose, since he refers
to the contemporary eruv in Jerusalem, rather than to any practice contemporary to the
Qumranites themselves. So this hardly presents a historical argument, his appellation of the
wall as “the eruv of Qumran” notwithstanding, see his subscript to the map (Fig. 1.3) of the
wall on p. 28 of the English article.
20 See also J. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in
frühen Hochkulturen (1992) 219, who classifies the mezuzah as what he identifies as “limi-
tische Symbolik” (symbolism of limits). The rabbinic sages themselves later provided dif-
246 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
between what it calls the reshut ha-rabbim and the reshut ha-yahid, the “domain of
the many”, usually translated as “public domain” or “sphere”, and the domain of
the individual, usually translated as “private domain” or “sphere”.²¹
These translations may prove to be problematic since they evoke contemporary
understandings of private and public, because our current notions of private versus
public domains have much more to do with the concept of property and property
laws, of ownership, while the rabbinic reshuyot or domains are based on the notion
of accessibility. The latter does not necessarily and certainly not completely overlap
with the notion of ownership.²² A “private domain” for instance is defined as a
space that is either surrounded by walls or fences that are about 80 cm to 1 m in
height, or by drops or ditches that are at least that deep, such as in the case of a
mound in the middle of a public domain (T.Shabbat 1 : 1, cited on B.Shabbat 6a).
The enclosed space needs to have a minimum square footage (approximately 16
square inches), but can be quite large. Thus, for certain purposes a town with walls
can count as a “private” domain, as long as the gates can be closed at night. As far as
the “domain of the many” or “public” domain is concerned, the early rabbinic texts
supply only concrete examples of urban space, rather than abstract measurements,
namely “the strata and platea [of Roman urban architecture] or a thoroughfare”
(T.Shabbat 1 : 2).
Finally, we may argue, this distinction between domains is only further high-
lighted by the prohibition of carrying (i. e., transfer of an object) from one domain
ferent sorts of interpretations of the practice, such as the suggestion that the mezuzah
(which contains a small parchment inscribed with sections from Deuteronomy 6 : 4-9 and
11:13-21, referring to the biblical practice) has the pedagogical function of reminding one
to refrain from transgressions as one embarks on entering the world (B.Menahot 43b). On
the function of the mezuzah as a tool of visibly establishing domestic space as sacred in
contemporary Jewish practice see E. Meitner, “American Judaism and Constructions of
Domestic Sacred Space,” in: L. P. Nelson (ed.), American Sanctuary. Understanding Sacred
Space (2006) 182-203.
21 The distinction into private and public domain plays a role in different legal contexts,
namely, the Sabbath prohibitions as will be discussed shortly; the laws of ritual purity (e. g.,
M.Eduyot 3 : 7, M.Tohorot 6 : 9 et. al.), and the laws of findings. For the requirements of
returning lost property it makes a difference whether an object is found in a “public” or
“private” domain (M.Bava Metzia 2 : 1).
22 See also C. Hezser, “‘Privat’ und ‘öffentlich’ im Talmud Yerushalmi und in der griechisch-
römischen Antike,” in: P. Schäfer (ed.), The Talmud Yerushalmi and Graeco-Roman Culture I
(1998) 423-579. She compares the rabbinic spaces to the idealized urban architecture in
Vitruv’s De Architectura, 443-445. Hezser 445-46 claims that while the rabbinic “private”
and “public” domains are defined spatially, they cohere with definitions by ownership in
Roman law: “Der durch Gräben und Zäune eingegrenzte Bereich des einzelnen der Tosefta
ist identisch mit dem Privatgrundstück (locus privatus). Sich nicht im Privatbesitz befindli-
che Strassen einer Stadt werden auch im römischen Recht als öffentliches bzw. städtisches
Eigentum (locus publicus) gesehen”.
Ch. E. Fonrobert, Neighborhood as Ritual Space 247
into another on the Sabbath, or for that matter of transferring an object from
one private domain into another or into the public sphere. As I have discussed
elsewhere, this prohibition is widely shared by Second Temple sources and hence
not distinctive of rabbinic culture.²³ Evidence can be found in the biblical books
of Jeremiah (17 : 21) and Nehemiah (13 : 15), as well as post-biblical literature such as
Jubilees (2 : 29-30, 50 : 8), and in the Damascus Scroll (CD 11 : 7-9).²⁴ What we can
glean from this evidence is that the prohibition of carrying itself is not a specifically
rabbinic phenomenon, even as the rabbis devote considerable space of their discus-
sions of the laws and practices of the Sabbath to this particular prohibition – what
can be carried, which items should not be carried, etc.²⁵ Indeed, we may regard
the prohibition of transferring an object from inside to the outside on the Sabbath
(“carrying”) as a pan-Jewish custom that came down to the rabbinic sages from
Second Temple times. It was part of general Jewish Sabbath observance, before the
Temple was destroyed and before rabbis came onto the scene. Which is to say, in
certain respects the continued rabbinic interest in this Jewish tradition provides
23 The abstract language of “private” and “public” domain or reshut ha-yahid and reshut ha-
rabbim is distinctive of rabbinic literature. All the other texts that precede the rabbinic
ones, to be cited momentarily, use examples of concrete spatial structures, such as house,
tent, or sukkah. The Mishnah in its (arguably) earliest citation of the prohibition uses the
language of “inside” and “outside,” while the Tosefta provides the most comprehensive defi-
nition of the various spheres while drawing on the abstract language. On the connections
and differences in the Shabbat traditions of various Jewish literatures of Second Temple
times and during the early rabbinic period see L. Doering, Schabbat. Sabbathalachah und
-praxis im antiken Judentum und Urchristentum. Texts and Studies in Ancient Judaism 78
(1999).
24 See my article “From Separatism to Urbanism: The Dead Sea Scrolls and the Origins of the
Rabbinic Eruv,” Dead Sea Discoveries 11 : 1 (2004) 43-71. None of these sources, including
the rabbinic ones, provide a rationale for the prohibition, other than in the rabbinic case
the talmudic argument that it is derived from rabbinic hermeneutics, namely midrashic
exegesis of Exodus 16 : 29-30. It has been surmised that the particular context in Nehemiah
suggests a commercial context for the prohibition: if people carry into the city of Jerusalem
on the Sabbath in order to sell their burden, then carrying should be prohibited altogether.
See J. R. Lundblom, Jeremiah 1-20: A New Translation with Introduction and Commentary,
The Anchor Bible 21A (1999) 806-809. However, I am not convinced that this explains the
wide-spread agreement in the Second Temple sources on the absolute prohibition of carry-
ing out of one’s house / tent / sukkah. See my discussion in “From Separatism to Urbanism”,
op. cit. (above) 48 n. 18.
25 Here again, Cynthia Baker has demonstrated quite beautifully how gendered these discus-
sions are. See her Rebuilding the House of Israel, op. cit. (note 9) 122-144. Her book which
focuses on the legal and prescriptive discourse of the early rabbinic texts, can be supple-
mented by G. Hasan-Rokem’s Tales of the Neighborhood: Jewish Narrative Dialogues in Late
Antiquity (2003), which analyzes some of narrative rabbinic material. On women neighbors
see especially Chapters 1 and 2.
248 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
a clear case for retaining the distinction between domestic and public, between
“here” and out “there” even in post-Temple times.
But at the same time, the rabbinic sages do something else, and perfectly coun-
terintuitive: while focusing much of their concern about Sabbath observance on
the prohibition of carrying in their Sabbath laws, they simultaneously provide
a mechanism for circumventing just that, namely the eruv of courtyards, or the
neighborhood eruv.²⁶ In this context, the overt halakhic or legislative purpose of
the eruv as a system is to allow carrying to those who are comprised by and within
it. Once an eruv is put into place, that which was hitherto forbidden (carrying to
the outside and vice versa, as well as within the public domain), becomes permit-
ted. I have already argued in print²⁷ that the creativity and complexity of the sys-
tem simply exceeds this overt rabbinic halakhic purpose of the ritual system, and
that while relative leniency characterizes the rabbinic legal approach in general,
the eruv would represent an extreme case of rabbinic legal lenience. This argument
need not be repeated here, but the complexity of the ritual system as a system
requires a further, albeit brief descriptive analysis in order to advance the case for
“neighborhood” as ritual space, or for “neighborhood religion” in the rabbinic case.
I will focus on two aspects of the ritual system, the food symbolism and the border
symbolism involved in the institution of an eruv community.
As the earliest text to lay out the ritual prescriptions involved in establishing the
neighborhood as “eruv-community” or Sabbath community, the Mishnah pre-
scribes that food – and more specifically bread – should be collected from every
resident participant:
With all kinds (of food) may they perform an eruv (of the courtyard) or shittuf [of the alley-
way) [me’arvin u-mishtatfin], except with water or salt; thus according to Rabbi Eliezer.
Rabbi Joshua disagrees: A loaf of bread is a valid eruv [kikar hu eruv]. Even if it is baked
from one se’ah [of flour], but is broken [prussah], one cannot effect an eruv with it. If it is
a loaf the size of an issar, but is whole [shalem], one can effect an eruv with it (M.Eruvin
7 : 10).
26 As opposed to the eruv of distance (eruv tehumim), the eruv that allows one to walk further
than the permitted two thousand cubits.
27 “From Separatism to Urbanism”, op. cit. (note 24) 43-71.
Ch. E. Fonrobert, Neighborhood as Ritual Space 249
Further, I would suggest that as a ritual script the purely halakhic or normative
discourse is transcended and embedded in it we find a reflection on the nature of
symbolic representation of the ritual act. How so?
Both sages whose opinions are recorded here agree that it is food which is to
serve as the center of the ritual system, as that which establishes the neighborhood
as ritual community, for the purposes of its Sabbath observance. In fact, eruv is
the term for the food: “a (whole) loaf of bread is a valid eruv.”²⁸ A (whole) loaf
of bread, purposefully baked and set aside prior to the Sabbath, establishes and
represents the collective will and action of the courtyard community of residents,
with the effect of allowing them to carry on the Sabbath from one residence into
the next in that neighborhood. Is this yet another example of Smith’s argument
that cultic associations are typically organized around food? The neighborhood
converges for a Sabbath meal and thereby establishes its Sabbath cult of sorts? Food
is involved. At the same time, however, that food is not consumed (communally
or at all), but is deposited in one of the neighbor’s homes.²⁹ I. e., the collection
of food or bread (for the purposes of the eruv) does not so much establish com-
mensality, but if anything serves as a symbolic representation thereof. This point is
only underlined by the fact that Rabbi Joshua’s statement touches not only upon
the nature of the food (bread versus food in general), but on the shape of bread.
He emphatically privileges shape over quantity as a requirement for the contribu-
28 The medieval commentators on this passage differ as to the number of loaves that are
intended here. According to Rashi (Rabbi Shlomo bar Yitzhaq, d. 1105), there have to be
enough loaves, or enough of a loaf, to fulfill the minimum of a halakhic measurement for
each of the residents (B.Eruvin 81a, ad loc.). See also M.Eruvin 7 : 8. Maimonides, on the
other hand, understands this mishnah to rule that one loaf of bread, regardless of size,
would be sufficient, as long as it is whole: “An eruv [joining together] the inhabitants of a
courtyard may not be made with anything other than a whole loaf of bread (pat shlemah).
Even if a loaf of bread is a se’ah in size, but it is sliced, it may not be used for an eruv. If it is
whole, even if it is as small as an isar, it may be used for an eruv” (Mishneh Torah, Hilkhot
Eruvin 1 : 8).
29 See for instance Mishnah Eruvin 8 : 4 which specifies spaces where the eruv food may be
deposited: “If someone deposited his eruv in the gate house, the akhsadra, or a marpeset , it
is not a valid eruv […]. If (however), he deposited his eruv in a straw shed, a cattle shed, a
wood-shed or a storage chamber (in the shared courtyard), it is a valid eruv […].” An akhsa-
dra (Greek, exedra) is the place in front of the house entrance, bordered by pillars, while
the marpeset is the upper gallery or balcony, also shared by various residents. What seems to
be at stake here is the question of what counts as a residential space and what does not, or
what is part of a residential space and what is not. The symbolic food, therefore, needs to be
deposited in a residential space. See also Tosefta Eruvin 5 : 11: “The house(hold) where they
deposit the eruv does not [itself ] need to set aside a loaf (kikar). One establishes the eruv in
the house where it was previously established (lit., the old house), in order to preserve the
peace [of the community] (lit., because of the ways of peace)”. None of these texts assume
that the food will be consumed, at least not for the duration of the Sabbath.
250 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
tion: a gigantic piece of bread broken off from the loaf remains ineffective, while a
penny-size whole “loaf ” is sufficient.³⁰
It is noteworthy that this rhetoric echoes the language of what Smith would
consider a cult association, one in cultural proximity to the rabbis that privileged
bread as one of its central food rituals, namely the Pauline communities. In his
description of the “Lord’s Supper” in 1 Corinthians 10 : 16-18 Paul similarly empha-
sizes the unifying force of the bread for the community: “The bread which we
break, is it not a participation in the body of Christ? Because there is one bread,
we who are many are one body, for we all partake of the one bread” (1 Corinthians
10 : 17).³¹ Just as the one bread makes the bread breaking participants of the ritual
members of the “one body” of Christ, the whole loaf (eruv) of bread is made to rep-
resent the residential neighborhood as one unified Sabbath community. Both texts
suggest a corporate symbolism of the bread. The one difference is that Paul’s text
spells out the meaning of the ritual script, of the ritual food, while the Mishnah
abides by the ritual script itself and only implies its meaning.
I do not intend to insist on a genealogical connection between the two “ritual
theories” of Paul and the Mishnah or more precisely Rabbi Joshua in the Mishnah
here, although the parallelism is intriguing.³² But what can also be learned from
the comparison between the two is precisely where they differ. Paul immediately
proceeds to develop the sacrificial symbolism of the food practice here: “Consider
30 One of the differences between the shittuf (partnership) of the alleyways and the eruv of
courtyards lies in the kind of food permissible for the symbolic unification. In the case of
the eruv the preference is given clearly to bread (as in M.Eruvin 7 : 10 discussed above),
while the shittuf can be established by any variety of food items, such as for instance by
wine or oil (see for instance M.Eruvin 3 : 1, 7 : 6-10). See also the talmudic discussion on
B.Eruvin 71b, as well as the halakhic summary by Maimonides in his Mishneh Torah, Hilk-
hot Eruvin 1 : 8.
31 For a detailed and enlightening discussion of this passage in terms of ritual theory, as well
as of Paul’s entire theory of the “Lord’s Supper” see I. Gruenwald, “The ‘Lord’s Supper’ and
Ritual Theory,” Chapter 6 in his Rituals and Ritual Theory in Ancient Israel (2003).
32 This would be a case of the “Christian” source, i. e., Paul, preceding the rabbinic one, as
Paul can be dated to the first century C. E. For an argument for the mutual formation
of Judaism and Christianity in terms of ritual formations, see I. Yuval, Two Nations in
Your Womb. Perceptions of Jews and Christians in Late Antiquity and the Middle Ages (2006,
Hebrew edition 2000). Yuval assumes mutual influences by Jews and Christians in ritual
areas such as Easter and Passover. He touches upon the ritual of the eruv only in passing in a
much later, medieval, albeit rather interesting case of Christian misreadings of the symbol-
ism of the eruv bread. Most analyses of Paul’s text that seek Jewish parallels or background
to the ritual of what will become the eucharist, resort to rabbinic discussions of the Passover
meal and the prominence of the mazzah in that meal. See for instance G. Feeley-Harnik,
The Lord’s Table. Eucharist and Passover in Early Christianity (1981). I would consider the
rabbinic concept of the Sabbath community, underwritten by the ritual script for the eruv
community, to be the comparandum.
Ch. E. Fonrobert, Neighborhood as Ritual Space 251
the people of Israel: are not those who eat the sacrifices partners in the altar?”
(1 Corinthians 10 : 18), which would indicate that his concept of the Christian
community so to speak “brings home” the Temple, the religion of “there”.³³ The
sacrificial aspect is absent from the symbolic rhetoric of the rabbis as far as the food
symbolism of the eruv is concerned. Instead, the rabbinic sources emphasize that
the bread should be deposited in one of the residents’ houses, an insistence that
underlines a symbolism that is essentially domestic.
The early rabbinic texts do not yet have the conceptual language for creating
a collective domestic space, or of domesticating the neighborhood, although that
might very well be implied in the mishnaic script. It is only in the later talmudic
discussions that we find this spelled out. Accordingly, for the purposes of the Sab-
bath everyone in the neighborhood now lives symbolically in the house where
the bread is deposited.³⁴ The residences involved are all linked to each other by
means of the loaf of bread. Thereby, the boundaries between individual residences,
and between private space and shared courtyard are dissolved, since now everyone
in the “commingled” courtyard community can carry into and out of everyone’s
house. In Smith’s terms we could say that the “here” is now extended to include the
(Jewish) neighbors within the household. The legal fiction of the eruv community
creates one large (communal) household out of a Jewish neighborhood of previ-
ously distinct, separated Jewish residences.
So far then, the eruv-community would seem to operate as just one other
example of an “association”, about whom Smith claims that, “as religions of any-
where”, they “may be understood primarily as re-placements of the religion of
‘here’ in modes appropriate to the new world order”.³⁵ However, the rabbis add a
further step that takes the eruv-community of the neighborhood beyond the model
of Paul’s community of the “one bread”. That is, rather than contenting themselves
with the symbolic force of the bread alone to establish the neighborhood as collec-
tive household, the rabbis further develop the ritual script to include the drawing
of boundaries. The neighborhood does not just provide the opportunity for social
unification via the ritual food collection. Rather, the collective household requires
a symbolic home.
33 Which is precisely what Smith, “Here, There, and Anywhere”, op. cit. (note 1) 333 elevates
to the status of essence of the religion of “anywhere”, or of the late antique cultic “associa-
tions”: “The meal shared by these ‘brothers’ and ‘sisters’ continues to be the prime repetitive
ritual for expressing their relations, now undertaken in the setting of a privately owned cult
place or burial site, at times with hieratic practices that reflect priestly concerns character-
istic of the religions of ‘there’.”
34 B.Eruvin 49a. The phrasing is that “all [the residential neighbors participating in the eruv]
live there”.
35 Smith, “Here, There, and Anywhere”, op. cit. (note 1) 332.
252 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
The mishnaic-talmudic tractate dealing with matters related to the eruv opens with
the following text:
A [cross-beam spanning the] entrance [to a cul-de-sac alleyway] at a height of more than
twenty cubits³⁶ should be lowered [for the purposes of establishing an eruv in the neigh-
borhood].
Rabbi Yehudah disagrees: This is unnecessary.
And if it is wider than ten cubits it should be reduced [in width];
but if it has the shape of a doorway there is no need to reduce it even though it is wider than
ten cubits. (M.Eruvin 1 : 1, my emphasis)
This text harbors a number of linguistic difficulties that need not deter us here in
detail.³⁷ Most importantly, we should take note that the tractate that deals with
matters pertaining to the eruv is opened with reporting a discussion about the
spatial boundaries of the neighborhood, or the residential community in the alley-
way. In particular, it is the shape of the entry into the neighborhood that concerns
the rabbinic sages, here imagined as placed at the opening into the alleyway from
which in turn the smaller courtyard-communities branch off. The question behind
this elliptic ruling is at what point the built environment of the alleyway requires
manipulation for the purposes of preparing the spatial perimeters of the eruv-com-
munity.³⁸
For the rabbinic formulators of the Mishnah, the alleyway is presumed to pre-
exist. It is imagined as having an entry through which the resident or visitor would
come from the larger public domain, such as for example the shuq (market-place)
36 This would presumably amount to roughly ten meters.
37 One linguistic issue with this text is that the mishnaic word for alleyway and entrance to
the alleyway is potentially the same. Here, the mishnaic editors clearly refer to the entrance
rather than to the entire length of the alleyway. Further, I have supplied the cross-beam as
that which is implied in our mishnaic paragraph, since the subsequent paragraph, discussed
further below, explicates the necessity of a cross-beam, and most of the classic medieval
commentators assume that this is what is referred to in this discussion. However, this is not
the only option of reading the text, as Abraham Goldberg points out in his critical edition
and commentary The Mishna Treatise Eruvin (1986) 2.
38 The Mishnah discusses the boundary marking mostly with reference to the alleyway, i. e.,
the shittuf mevo’ot, while the social aspect of the unification, the eruv community, is framed
within the joined courtyard. For the latter, the assumption throughout is that it is walled,
as is for that matter the alleyway, which is imagined as a cul-de-sac. At this point, I remain
uncertain whether this observation is meaningful and requires explanation. The joined
courtyard elicits comment on boundary marking only when its walls are breached (see
M.Eruvin 9 : 2-3). There may simply be practical reasons at play here, such as joined owner-
ship of space in the case of the courtyard, versus joined use of space, as in the case of the
alleyway. Another aspect may be the difference of scale. On the importance of scale for
thinking about social spaces see D. Harvey, Spaces of Hope (2000).
Ch. E. Fonrobert, Neighborhood as Ritual Space 253
or the cardo of Roman towns. An entry, and no separate exit! The prescribed cul-
de-sac or dead-end implies a definite sense of entering into a circumscribed, self-
contained space. The alleyway is surrounded by enclosures on three sides, as alley-
ways often still are in the urban architecture of the Middle East today.
The opening mishnaic paragraph therefore contemplates the requirements for
designing or redesigning the point of entry, which serves also as exit – just like the
doorway of a house – in order to allow for the courtyard communities of residents
within its walled perimeters to form the eruv-community. One requirement for the
entryway is a maximum measurement of both height and width of the entryway
that cannot be surpassed. Accordingly, the measurements of a pre-existing entry-
way are to be adjusted. Another requirement is that the entryway somehow forms
a gateway. That is, it must be covered by a sort of cross-beam,³⁹ if that does not
already exist, presumably creating the appearance of a “shape of a doorway”.
This is further spelled out in the second paragraph of the chapter, immediately
following the one cited above, which opens:
Concerning the preparation of an alleyway [for the purposes of establishing a shittuf] –
The school of Shammai says: a side-post and a cross-beam [are required].
The school of Hillel says: a side-post or a cross-beam [are required] (M.Eruvin 1 : 2).
An additional manipulation of the entryway may be required beyond the cross-
beam and much further discussion is devoted to the nature of the side-post, its
height and width (M.Eruvin 1 : 6), and the material it is made from (M.Eruvin
1 : 7).⁴⁰ Again, for our purposes I am not interested in the particulars of the halakhic
disagreement between the school of Shammai and the school of Hillel, but in the
fact that the rabbinic sages require an additional marking of sorts for the entry
into the alleyway at all, before the symbolic food collection for the alleyway can
take hold. Once again we (as much as the talmudic discussions of our mishnaic
fragments) are left to ponder the thinking behind these texts, the rationale for the
particular measurements for the entryway invoked, or for the side-posts, as the
mishnaic editors themselves refuse to provide any further explanation. We have the
ritual script, but the intent and the meaning are not spelled out.
39 The subsequent paragraphs in the mishnaic chapter discuss the character of this cross-
beam, such as its minimum width, the material from which it is made (even straw or
reed (!), M.Eruvin 1 : 5). Cross-“beam” therefore should be understood broadly, it appears.
See also the interesting provision made in T.Bava Metsia 11 : 18 that “the residents of a
shared courtyard can coerce each other to provide a cross-beam or side-post”.
40 It is this “side-post” which D. Syon and Z. Yavor imagine to have identified in the archaeo-
logical remains of the city of Gamla in northern Israel (see note 19). Again, while this is
not entirely impossible, I find this to be so counter-intertuitive (as if some rabbinic sages
of the first century of whose existence we have no evidence, were to use the Mishnah as a
handbook, to influence the design of the entrance to the alleyway) as to remain uncertain
at this point.
254 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
A comparison with Lott’s case for the neighborhoods or vici of the city of Rome
may again prove to be helpful, this time by way of contrast. Lott points out that
there is no evidence of boundary markers for the Roman vici, even though their
boundaries were supposedly known approximately. To that purpose, he discusses
for instance the Severan Marble Plan (Forma Urbis Romae), a large marble map of
the city installed on a wall in the Temple of Peace in the early third century C. E.
and one of the most important topographical sources for ancient Rome.⁴¹ Lott
observes that “the names of four individual vici were listed on the map. Since the
map evidently identified relatively few urban features and monuments by name,
the inscriptions underscore the centrality of the neighborhoods in the conceived
form of the urbs. These names were inscribed in every instance down the course of
a street. Neighborhood borders and neighborhood shrines, however, do not appear
to have been regularly indicated on the map”.⁴² In the end, Lott acknowledges,
the precise borders of any specific neighborhood remain unknown. He concludes
that even in the regularized Augustan neighborhoods, boundaries were most likely
unstable, and not commonly agreed upon by those who inhabited them: “There is
no evidence that stable neighborhood boundaries were manifest in Rome’s physical
cityscapes or the mental cityscapes of its inhabitants.”⁴³
The contrast between neighborhood in Augustan Rome and the rabbinic the-
ory of neighborhood is perhaps instructive. The Roman vici’s identity is centered,
while the boundaries are less important, or at least they seem to be less important,
based on the traces they left. The domain of the neighborhood merely spreads out
from the central shrine or compitum. In the rabbinic case, the walls and gates, the
boundaries are important, for lack of a central shrine. Nowhere in the Mishnah do
we learn that the rabbinic neighborhoods were focused around a physical feature,
or even an institution such as the synagogue or house of study.
What then is the importance of the boundary and its marking, ephemeral as
it may be? I want to suggest a parallelism with the mezuzah, depending on how
conspicuous or inconspicuous the markers at the entry of the alleyway of Jewish
residents are imagined to be. Just as the mezuzah, whatever else its theological
significance might be, subtly but outwardly marks a residence more or less vis-
ibly as a law-observant Jewish residence (observant mostly in the rabbinic sense),
the boundary-markers of the eruv-community designate a neighborhood as a law-
observant Jewish neighborhood (again, observant mostly in the rabbinic sense).⁴⁴
This suggestion may be strengthened by the guiding-metaphor of the border-mark-
ing introduced in the first mishnaic fragment cited above, the door-way: As long as
the entrance has the shape of a doorway the built structure of the entrance to the
alleyway serves its symbolic purpose well, or else needs to be manipulated in order
to be able to do so.⁴⁵ These various aspects taken together underline the symbolic
work of the eruv as domestic, as home-making, as providing a home for the (Jew-
ish) community in the public, “alien” world of the Roman Empire.
This suggestion hinges of course on the question about the visibility of the
boundary-marker. Unless the sign is visible it can hardly serve as a boundary
marker, let alone a marker that “identifies” a space as collective Jewish space, law
observant or otherwise. This is precisely an issue the Babylonian Talmud raises
in its discussion of the measurements cited in the first mishnaic paragraph. After
first considering the parallelism with other built structures,⁴⁶ the discussions in
the Babylonian Talmud conclude that the maximum measurement of the height
of the entry to the alleyway has to do with visibility or recognition. According
to a statement attributed to Rav Nahman bar Yitzhaq⁴⁷ “[…] the reason of the
rabbis (in our mishnaic paragraph 1 : 1 which limited the height to twenty cubits)
is that there should be a distinguishing mark”. People (presumably Jews, that is)
should be able to see or recognize it in order to be reminded that they enter into
a set-off, distinguishable space. To be more precise, Jews – at least those who care
45 As in the case of late antique urban architecture. In contemporary cases the shape of the
doorway is often built from scratch or mapped onto existing structures such as telephone
poles and wires.
46 The talmudic discussion opens with suggesting a technical parallelism with the sukkah,
which requires an equal height (M.Sukkah 1 : 1). It further explores a physical parallelism
with the measurements for the gates of the Temple (M.Middot 4 : 1), which according to
mishnaic calculations were also 20 by 10 cubits, as if the Temple gates served as a model for
the parameters of the making of the eruv. This latter intriguing parallelism is first suggested
in the Toseftan parallel to our mishnaic paragraph which suggests that “if the entry to the
alleyway is higher than twenty cubits, [that is] higher than the gates to the Temple, one needs
to lower it […] if the entry to the alleyway is wider than ten cubits, [that is] wider than
the gates to the Temple, one needs to narrow it” (T.Eruvin 1 : 1, my emphasis). The German
architect Manuel Herz suggests that the eruv, therefore, “is a tool to project a vision of
ancient Jerusalem and its Temple onto the banality and the mundane of the everyday city”:
“Institutionalized Experiment: The Politics of ‘Jewish Architecture’ in Germany”, Jewish
Social Studies 11 : 3 (2005) 58. All these parallels are highly evocative and deserve further
exploration. But again that would go beyond the framework of this article. In the end, after
much discussion, the talmudic discussions end up rejecting the Temple measurements as
the source for the mishnaic measurements, but – to be sure – only after greatly developing
this possibility.
47 A Babylonian rabbinic scholar of the 4t generation, which would locate him somewhere in
the 4t century. While his is the opinion of one individual voice in the talmudic discourse,
this is the opinion that is valorized by the editorial layers of the Talmudic discussions and
by the later halakhic discourse.
256 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
about rabbinic Sabbath observance – should be able to see the boundary marker in
order to remember – so the rabbinic logic – how far they can carry, where the bor-
der between the public domain (where she cannot carry) and the now privatized
domain (where she can carry) lies.
The question which is not considered in the talmudic discussions is whether
other people (non-Jews) would also be able to recognize or see the markers, a fact
which is noteworthy in so far, as this has become a highly contentious issue in the
current enactment and institution of eruvin around the world.⁴⁸ Not a single story
of halakhic reflection in the Talmud is concerned about what the non-Jewish reac-
tion to the placement of such boundary markers might be. Conflict with non-Jews
is imagined in the Talmud only around the establishment of the eruv community
or ritual community by means of the food or bread collection, but not arround
the marking of the boundaries. We must ask whether this lack of concern in the
rabbinic sources is an indicator of
a) the nature of the urban space in the late antique world that the rabbis inhab-
ited – i. e., no one would care what people put up in the shared urban envi-
ronment, certainly not if it is something as inconspicuous as a cross-beam (or
reed for that matter) and a minor marking on the side of an entry gate to a
neighborhood; or of
b) the possibility that Jews lived in separated quarters and there they could do
whatever they desired to their residential environment; or of
c) the theoretical nature of the discussions – i. e., the rabbis did not rise to lead-
ership of the Jewish community till late in what we consider the late antique
period,⁴⁹ and therefore a shittuf or let alone the boundary markings required
for the institution of a shittuf would not have happened till perhaps even after
the talmudic period.
The last argument is not convincing to me and anyhow irrelevant, since what we
are ultimately concerned with (or rather all we can be concerned with, given the
nature of our sources) is where the rabbinic sages imagined or foresaw conflict and
where they did not. This applies to the second argument as well, even if it were
true that Jews lived largely in separated quarters. In fact, the Mishnah certainly
envisions the possibility and, I assume, reflects the reality that Jews lived in close
proximity with non-Jews, even in the same shared courtyard community.⁵⁰
48 In the eruv controversies in the U. S. and in the London case the placement of boundary
markers in general and their visibility and therefore supposed disruption of the urban
landscape has played a significant role. On the analysis of the London controversy, see
R. Cousineau, “Rabbinic Urbanism in London”, Jewish Social Studies 11 : 3 (2003) 36-57
49 For a recent argument in that regard see S. Schwartz, Imperialism and Jewish Society: 200
B. C. E. to 640 C. E. (2001)
50 See for instance M.Eruvin 6 : 1 which discusses what is to happen in matters regarding the
eruv community if a non-Jew lives in the shared courtyard.
Ch. E. Fonrobert, Neighborhood as Ritual Space 257
Which leaves the first argument: the nature of the urban space is imagined as
such that no one else (outside the Jewish community rabbinically defined) would
care about the presence of some boundary markers, especially if they are inconspic-
uous to all but those who would know what to look for (i. e., Jews who care about
the institution of an eruv). In this reading, the rabbis opted for marking their pres-
ence in the urban fabric of the late antique world (whether that be Roman Pales-
tine or later the Persian Empire) inconspicuously, almost in the mode of tricksters.
Not large buildings that inscribe the landscape as beholden to this god or that, to
any one divinized emperor in particular. Rather, a side post and a cross beam, or
a mezuzah on the door post of indivual residences, an almost invisible script that
nonetheless marks a presence.
Conclusion
hood (although not necessarily all Jews), and had many reason to do so. So I am
certainly not claiming that the concept of the eruv motivated anyone to move into
a particular courtyard, alleyway or neighborhood in Late Antiquity. The sources
do not yield such information, and even in the contemporary arena demographic
studies have not been done to investigate whether the existence of an eruv moti-
vates observant Jews to move to Boston, Washington or Los Angeles. Jewish neigh-
borhoods were known because Jews lived there, not because the boundaries were
marked, whether recognizably or not. But the rabbinic sages thought up a ritual
system that provided (and continues to provide) a rabbinic signature to Jewish
neighborhood, that turns neighborhood into what we may paradoxically designate
as a Sabbath territory. As such, neighborhood is turned into an essential communal
buffer-zone between exposure to the public world of the non-Jewish world which
is the space of the other(s), and the Jewish household which tugs Jewish practice
safely between its four walls. It is the neighborhood where rabbinic Judaism claims
a place of its own.
ibid. 128-151. Jeffers p. 131 claims: “Even more than other foreign groups, the Jews lived
together. The oldest and largest settlement of Jews was in Transtiberim (modern Traste-
vere), across the Tiber River from the center of Rome.” All of these cases precede the period
when the rabbinic movement began putting together its library.
The Domestic Setting of Manichaean Cultic Associations
in Roman Late Antiquity
Jason David BeDuhn
1 See J. Robinson, “The Fate of the Manichaean Codices of Medinet Madi 1929-1989”, in:
G. Wiessner – H.-J. Klimkeit (eds.), Studia Manichaica. II. Internationaler Kongress zum
Manichäismus (1992) 19-62.
2 See I. Gardner, “The Manichaean Community at Kellis: A Progress Report”, in: P. Mirecki
– J. BeDuhn (eds.), Emerging from Darkness: Studies in the Recovery of Manichaean Sources
(1997) 161-175.
3 B. L. Fonkič – F. B. Poljakov, “Paläographische Grundlagen der Datierung des Kölner
Mani-Kodex”, Byzantinische Zeitschrift 83 (1990) 22-30.
4 I. Gardner – A. Alcock – W.-P. Funk, Coptic Documentary Texts from Kellis, vol. 1 (1999).
DOI 10.1515/ARG.2008.013
260 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
civic or public component. There were few if any Manichaean churches, sacred
sites, pilgrimages, or processions. To a significant degree, this domestic character
was a response to legal proscriptions against the religion, starting within a genera-
tion of its introduction from beyond the eastern frontier. We know that outside of
the arm of the Roman state, Manichaeans did establish centers of religious obser-
vance, sometimes referred to as manistans. Similar religious centers appear to have
been attempted from time to time in the west, particularly during the period of
relative tolerance by the Roman government in the mid-fourth century (313-372).
We find vague references in Egyptian sources to “places” (Coptic: ma) for Man-
ichaean meetings; and now a documentary reference to a manistan, that is, a topos
mani, apparently situated on a private estate near Kellis, on which rent was paid.⁵
For the most part, however, Manichaeans did not rely on such meeting places, but
instead met in private homes. Related pieces of evidence are the Roman anti-Man-
ichaean laws that target estates on which the Manichaeans have been allowed to
meet.⁶ They thus continued to operate in a mode once shared with Christians, but
now left behind by the latter as they entered into mainstream society and power.
Two aspects of this domestically-bound religion will help us to understand
both the distinctive characteristics of Manichaeism as a lived community and its
participation in a larger religious and secular culture. The first is the central role
of the mobile Elect as holy persons around whom the Manichaean project was
formed. The second is the place of texts – read, recited, and copied – as instru-
ments of the inscribing of Manichaean identity on the individual believer.
5 It is listed in a business ledger that records rent being paid on it by the monachos Petros (R.
S. Bagnall, The Kellis agricultural account book [1997] II, 975-976, cf. 1109, 1433; see Gard-
ner – Alcock – Funk, Coptic Texts, op. cit. [note 4] 76). P. Kell. Copt. 12 speaks of a “father
Pebok” at “the monastery” (t.henete). Likewise Ephrem alludes to Manichaean “place[s] of
assembly”, Second Discourse to Hypatius (C. W. Mitchell, S. Ephraim’s Prose Refutations of
Mani, Marcion, and Bardaisan [1912]) xlvii.
6 E. g. Codex Theodosianus 16.5.3, 16.5.40 (7).
7 A figure called Apa Lysimachos had extensive interaction with the cell at Kellis, moving
between there, Antinoopolis, and Alexandria, and traveling for a time in the company of
the Teacher (P. Kell. Copt. 21, 24, 29, 30; Gardner – Alcock – Funk, Coptic Texts, op. cit.
[note 4] 31, 172-174, 182-186, 202-206). There is no reason to think that the latter ever came
to Kellis.
J. D. BeDuhn, The Domestic Setting of Manichaean Cultic Associations 261
connected them. The relative intimacy of these groups provided a private, small-
scale social reinforcement of their commitment to the religion, which in its often
illicit character in turn fostered the bonds of the group.⁸ Careful organization and
communication was necessary to prepare for the arrival and hosting of an Elect,
and is attested by the documents from Kellis. The Elect depended entirely on the
ordinary adherent for safety, housing, food, clothing, and other supplies necessary
to the Manichaean mission. These responsibilities continued to some extent even
after the Elect had departed, as the Manichaean families would continue to pro-
vide needed items as requested by letter and messenger.⁹
So Manichaeism participated in that watershed development in late antique
spirituality by which the mobile holy person became the center of religious author-
ity and practice. In the words of Peter Brown, “[T]he emergence of the holy man
at the expense of the temple marks the end of the classical world”,¹⁰ and “The
predominance of the holy man […] marked out late antiquity as a distinct phase
of religious history”.¹¹ Although Brown has given particular attention to the “holy
man” as that figure emerged in post-Constantinian Christian life, Jonathan Smith
and others have demonstrated the broader phenomenon of itinerant religious
authority that displaced more fixed, institutional forms with increasing success
across religious boundaries in the Roman imperial and late antique periods. All
are examples of more mobile, entrepreneurial substitutes for temple-bound priest-
hoods discussed by Smith in a series of articles in the 1970s. Of course there had
always been ‘freelance’ shamans, wonder workers, and diviners alongside of the
temple-based cults.¹² We are witness in late antiquity to the reassertion of their
prominence in the face of an erosion in the position of the local temple cults,
an erosion connected to Roman policies that undermined and compromised the
standing and functioning of the temples in their local context. Smith affirms
Brown’s identification of the shift from the temple to the holy man, but whereas
Brown wants to distinguish the Christian holy man from antecedents, Smith sees
8 In the Kellis letters we find extensive greetings to large numbers of mothers, fathers, sisters,
brothers, daughters, and sons, who apparently are not actual biological relatives, but rather
the extended spiritual family of the Manichaean community (see, e. g., P. Kell. Copt. 19;
Gardner – Alcock – Funk, Coptic Texts, op. cit. [note 4] 156-165).
9 Letters from Kellis show that while local people no doubt contributed fresh fruit and veg-
etables, more distant adherents were able to participate by sending less perishable contribu-
tions, such as wheat and oil (e. g., P. Kell. Copt. 32; Gardner – Alcock – Funk, Coptic Texts,
op. cit. [note 4] 213-217).
10 P. Brown, The World of Late Antiquity (1971) 103.
11 P. Brown, “Rise and Function of the Holy Man in Late Antiquity”, Journal of Roman
Studies 61 (1971) 100. “The rise of the holy man is the leitmotiv of the religious revolution of
Late Antiquity” (Brown, ibid. 99).
12 See E. R. Dodds, The Greeks and the Irrational (1951); Graham Anderson, Sage, Saint and
Sophist: Holy Men and their associates in the Early Roman Empire (1994).
262 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
continuity. The Manichaean evidence in significant ways bridges the gap between
Smith’s “magicians” and Brown’s “saints”, by showing a more low-key petit-holiness
operating in homes and local communities without the high-drama of represent-
ing whole communities to institutions of power that forms such a defining charac-
teristic of Brown’s subject matter.
Yet the common elements of this shift of the location of holiness in all its forms
seem perfectly clear. “One way of stating this shift is to note that the cosmos has
become anthropologized.”¹³ The temple spins out cultic associations that gradually
define themselves independently of its authority; in the process, they turn from
the institutionalized priesthoods to freelance figures tied to traditions with varying
degrees of organization.
Rather than a sacred place, the new center and chief means of access to divinity will be a
divine man, a magician, who will function, by and large, as an entrepreneur […]. Rather
than celebration, purification and pilgrimage, the new rituals will be those of conversion,
of initiation into the secret society or identification with the divine man. As a part of this
fundamental shift, the archaic language and ideology of the cult will be revalorized – only
those elements which contribute to this new, anthropological and highly mobile under-
standing of religion will be retained.¹⁴
13 J. Z. Smith, “The Temple and the Magician”, in: J. Z. Smith, Map is not Territory: Studies in
the History of Religions (1978) 187.
14 Smith, “The Temple”, op. cit. (note 13) 187-188.
15 See J. BeDuhn, “Digesting the Sacrifices: Ritual Internalization in Jewish, Hindu, and
Manichaean Traditions”, in: St. Lindquist (ed.), Essays in Honor of Patrick Olivelle (forth-
coming).
16 Brown, “Rise and Function”, op. cit. (note 11) 96-97.
J. D. BeDuhn, The Domestic Setting of Manichaean Cultic Associations 263
between the Temple and the Holy Man or Magician as the case may be.¹⁷ For
with legalization and enfranchisement in the fourth century, Christianity rapidly
returned to the Temple, to public and civic forms of religion, even while giving
recognition to various freelance holy men and women. Manichaeism, without the
same civil acceptance, continued down the road with the dis-located Holy person
or Magician, who was nonetheless thoroughly integrated into the traditions and
organization of the Manichaean sect.
The close contact and interaction that occurred when a Manichaean Elect was
present in a home or set of homes no doubt raised the level of excitement as well
as activity around Manichaean identity. This relationship built upon the cultural
prestige of hosting guests, adding to it the sense of participating in an important,
often clandestine, sacred mission. The Elect offered in his or her own person a liv-
ing example of ideal embodiment, displaying the proven possibility of overcoming
the evil forces embedded in all humans. As such the Elect was reverenced as a living
saint, even a divine being. In the words of Peter Brown, “the holy man was expected
to establish himself almost as a ‘blessed object’ in the midst of his fellows”.¹⁸ Feed-
ing such a person was a holy act of the utmost merit, and was conducted as a formal
ritual once each day, referred to in sources from Egypt using the term for Christian
sacred meals, agape.¹⁹ As long as the Elect remained, the laypeople who fed him or
her were active participants in a mystery that served towards the liberation of their
own souls, as well as the souls of all living beings. Angels literally filled the room
where such a sacred meal was occurring,²⁰ activating a portal between sacred and
profane dimensions of reality. Other acts of support to the Elect, such as an annual
bestowal of new clothing or the designation of a member of the household to be a
traveling companion, were regarded as high honors for the donor.
The Elect offered instruction, moral counseling, and assessment of the spiritual
condition of the members of the local cell, initiation of new converts or additions
to the family, and blessings or protective magic for individuals and households.
Direct evidence of instruction practices includes the discovery at Kellis of wooden
“flip-cards” containing theological content.²¹ Augustine attests to instruction by
means of hymn-singing,²² and at Kellis wooden prompt boards have been found
containing the beginning of each stanza of hymns to aid the memory of singers
17 Smith, “The Temple”, op. cit. (note 13) 189 calls it “one of the characteristic antinomies of
Late Antique religious life”.
18 Brown, “Rise and Function”, op. cit. (note 11) 97.
19 Kephalaia 279. 11-19 (I. Gardner, The Kephalaia of the Teacher [1995] 283); P. Kell. Copt. 15,
17, 44, 47 (See Gardner – Alcock – Funk, Coptic Texts, op. cit. [note 4] 70-71).
20 Kephalaia 193.23 - 196.31; Gardner, The Kephalaia, op. cit. (note 19) 202-205.
21 E. g., T. Kell. Copt. 1; I. Gardner, Kellis Literary Texts, vol. 1 (1996) 1-7.
22 Confessiones 3.7.14, 10.33.49; Contra Faustum 13.18; 15.15; Enarrationes in Psalmos 140.11.
264 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
27 P. Kell. Copt. 19; Gardner – Alcock – Funk, Coptic Texts, op. cit. (note 4) 161.
28 Brown, Late Antiquity, op. cit. (note 10) 93.
29 Brown, Late Antiquity, op. cit. (note 10) 93-94.
30 Brown, Late Antiquity, op. cit. (note 10) 93.
31 Augustine reviews his experience of imperfections in Elect conduct in De moribus Man-
ichaeorum.
32 Kepahalaia 219.1 – 22.17; Gardner, The Kephalaia, op. cit. (note 19) 226-228.
33 E. g., P. Kell. Copt. 31, 32; Gardner – Alcock – Funk, Coptic Texts, op. cit. (note 4) 207-217.
266 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
quite mundane matters.³⁴ The manufacture and use of amulets is attested.³⁵ Simi-
larly, in Mesopotamia just beyond the Roman frontier Manichaeans were involved
in the preparation and ritual installation of magic bowls intended to safeguard the
domestic space from harmful spirits.³⁶ In another vein, it was important to involve
the Elect in the funerary rites when a Manichaean died by sponsoring a sacred meal
ritual, at which one or a number of Elect recite specific prayers for the dead.³⁷
The Manichaean cultic association gathered as a community for certain holy
days, involving fasting and the observance of vigils. Once per year the religion’s
entire ritual repertoire was deployed at the springtime Bema festival.³⁸ Following
a month-long lenten fast, all of the Elect and laypeople in an area assembled for a
commemoration of Mani’s ascent to heaven, with confession, hymn-singing, a bit
of high liturgical ceremony, and, of course, a sacred meal. This annual observance
was the closest thing Manichaeans had to a public component to their religion.
Hymns were composed especially for the occasion. The Manichaean calendar was
based upon how many annual Bemas had been celebrated since the death of Mani.
Even if the Elect made only periodic appearances in a given community, at least
one of them must have been present annually for this symbolic renewal of the
cultic association.
When an Elect moved on from one community to the next, the way was pre-
pared by networks established among the Auditors. Those left behind shifted to
alternative modes of activity by which they maintained their Manichaean identity
and practice. Certain practices were suspended without an Elect present to play an
essential role. Other activities filled the gap, by which the local cell became the sus-
tainers of their own identification with the elusive world Manichaean organization
and world mission. They maintained their prayers, their hymn-singing, their read-
ing, and the production of all the supplies and instruments of religious life – most
of all the texts by which Manichaean discourse was perpetuated even without the
living voice of its authoritative representatives.
34 See P. Mirecki – I. Gardner – A. Alcock, “Magical Spell, Manichaean Letter”, in: P. Mirecki
– J. BeDuhn (eds.), Emerging from Darkness: Studies in the Recovery of Manichaean Sources
(1997) 1-32.
35 E. g., P. Kell. Gr. 91 (Gardner, Kellis Literary Texts, op. cit. [note 21] 132-136).
36 J. BeDuhn, “Magical Bowls and Manichaeans”, in: M. Meyer – P. Mirecki (eds.), Ancient
Magic and Ritual Power (1995) 419-434.
37 Funerary hymns are found in the Coptic Psalm-Book from Medinet Madi, and among the
literary texts recovered from Kellis (T. Kell. Copt. 2, Text A5, Gardner, Kellis Literary Texts,
op. cit. [note 21] 13-15, 25-30). Reference to Elect gathered around a dying person is found
in P. Kell. Copt. 25 (Gardner – Alcock – Funk, Coptic Texts, op. cit. [note 4] 187-193).
38 See G. Wurst, Das Bemafest der ägyptischen Manichäer (1995).
J. D. BeDuhn, The Domestic Setting of Manichaean Cultic Associations 267
Manichaeism was famously a religion of the book. Witnesses throughout the his-
tory and geographic spread of the faith attest to its distinctive connection to book-
culture. A long debate in modern scholarship over just how much the layperson
was involved in this book-culture seems to have been settled by the new material
from Kellis. That evidence shows a local group of Manichaean laypeople energeti-
cally engaged in copying books, and learning all the skills required for that task,
including not only book-making techniques and scribal art, but even the learning
of foreign languages (both Syriac from the preceding phase of the mission and
Latin for its forward thrust).³⁹ Manichaeans appear to have been encouraged to
become literate, and to deliver their children to the Elect for tutoring.⁴⁰ Letters
from Manichaean parents to relatively mature children encourage them to do a bit
of text copying every day.
Study [your] psalms, whether Greek or Coptic, <every> day […]. Do not abandon your
vow. Here, the Judgement of Peter is with you. [Do the] Apostle, or else master the Great
Prayers and the Greek Psalms. Here too, the Sayings are with you: study them! Here are
the Prostrations (n.klisis). Write a little from time to time, more and more. Write a daily
example, for I need you to write books here.⁴¹
The important role of reading for the laity offers a good explanation for the energy
Manichaeans put into translation. If reading had remained the exclusive purview
of a small spiritual elite, as it did in Medieval Europe, we might expect a conser-
vative maintenance of a holy language in its original form. Instead we find Mani-
chaeans avidly rendering their texts into local vernaculars, even introducing scripts
39 Gardner notes the variety of unpracticed hands copying psalms at Kellis (Gardner, Kellis
Literary Texts, op. cit. [note 21] vii). Besides psalms, the local Manichaeans copied New Tes-
tament texts. Fragments of Romans and Hebrews have been found, along with a reference
in a letter to copying the entire Apostle. Additionally, there is a reference to copying the
Gospel – perhaps biblical, perhaps Mani’s. Two fragmentary codices of Mani’s Epistles have
been found as well; see I. Gardner, Kellis Literary Texts, vol. 2 (2007). Bilingual phrases are
found written out on wooden boards for instruction in translation, e. g., T. Kell. Syr. / Copt.
1 and 2; I. Gardner, Kellis Literary Texts, vol. 1 (1996) 105-126.
40 The practice, encouraged in Manichaean literature (Kephalaia 193. 4-6; Gardner, The Kepha-
laia, op. cit.[note 19] 202), was already attested in Augustine, Confessions 3.12, on the tes-
timony of the bishop of Thagaste, who recalled his youth in the company of the Elect,
copying manuscripts. Several documents from Kellis refer to the same practice. Piene, a
young son of the family of Makarios, was taken by Apa Lysimachos to meet the Teacher,
and to accompany the latter to Alexandria and learn Latin (P. Kell. Copt. 24, 25, 29; Gardner
– Alcock – Funk, Coptic Texts, op. cit. [note 4] 182-193, 202-204).
41 P. Kell. Copt. 19, from Makarios to his son Matheos; Gardner – Alcock – Funk, Coptic Texts,
op. cit. (note 4) 156-165.
268 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
to formerly predominantly oral cultures outside the Roman Empire.⁴² Even when
especially reverenced texts were copied and read out in their original (or presumed
original) language, parallel and interlinear translation into the vernacular was typi-
cally provided. It was essential to their formative role in the life of the Manichaean
that the texts be understood and engage the conscious mind, so that they could
inscribe particular patterns of thought within the adherent. Manichaeans quickly
adapted from their original Syriac to Greek, Coptic, and Latin in the west, and
to Parthian, Persian, Turkic, and Chinese in Asia. Nor was this simply a matter of
linguistic adaptation. Manichaean missions systematically appropriated existing
local religious and philosophical concepts to convey essential Manichaean ideas to
new populations.
The centrality of books to Manichaean identity also manifested itself in the
production of miniature books for ease of transport and concealment. Several of
the smallest manuscripts in the world are Manichaean. The Cologne Mani Codex,
at 4. 5 cm by 3. 5 cm, is comparable to other examples known from Central Asia
of roughly the same period. Nothing else this small is found before the age of
the printing press. Other Christian groups in Egypt also made use of miniature
codices, although none at the extreme of the Cologne Mani Codex. As reported
by Malcolm Choat, more than two dozen books in Coptic of less than 10 cm on
a side from the fourth through the eighth centuries are known.⁴³ The sometimes
heard suggestion that such miniature books were used as amulets rather than read-
ing texts reflects assumptions from other, less-literate religious traditions. None of
the Manichaean miniature manuscripts show the degradation of the text or script
often seen in amulets. Nor does their content correspond to the prayer formulas or
other short passages typical of amulet texts. The Cologne Mani Codex, of course,
is a 192 page book. It is quite clear that we are dealing with books for private devo-
tion. Reading to oneself or to the family served an important role in filling one’s
head with Manichaean thoughts, in a manner closely paralleling the development
42 Linguists studying the Iranian and Turkic languages of Central Asia have long known that
Manichaean texts offer the best window into the actual spoken language of their time, car-
rying none of the antiquating conventions used in texts associated with other traditions.
43 “Miniature Codices in Coptic”, paper delivered at the Annual Meeting of the Society of
Biblical Literature, 2007. In a paper delivered at the same meeting, “Miniature Codices:
Methodological and Historical Questions”, Kim Haines-Eitzen reported that one quarter
of manuscripts of the apocryphal acts from the fifth century or earlier come from minia-
ture codices. It may be time to reconsider the religious provenance of some of these texts,
just as Iain Gardner has revisited some of the earliest “Christian” letters from Egypt and
determined that they are likely to be Manichaean; see I. Gardner – A. Nobbs – M. Choat,
“P. Harr. 107: Is this another Greek Manichaean letter?”, Zeitschrift für Papyrolgie und
Epigraphik 131 (2000) 118-124.
J. D. BeDuhn, The Domestic Setting of Manichaean Cultic Associations 269
of the reading of the Bible and devotional literature in lay Christian families in the
late medieval and Reformation period.⁴⁴
We lack specifics on the ritual framing of reading texts in the home. We find
no reference to formal opening or closing prayers, or prescriptions for handling the
manuscripts. We do find various markers of organizing texts for collective recita-
tion, such as dividing them into reading portions, or synaxeis, formatting hymns
and prayers in antiphonal structures for performance between a leader and respon-
dents, or between Elect and laypeople, using prompt boards providing the first
words of each verse in a hymn for group performance, and so forth.
What role does all this reading and copying of texts have in the development
of the Manichaean? The Manichaean case allows us to dwell on the shift from
oral to written religious culture. What does writing provide to the toolkit of reli-
gious functions that was not otherwise present? It provides for private, individual-
ized spiritual development, for the permanent access of the individual to religious
instruction even in the absence of religious authorities and professionals. The writ-
ten text offers a means of remembering, and the Manichaean emphasis on reading
seems to be aiming at a saturation in discourse that makes the person a product
of the sanctioned memory. Just as the writing of a text reduces, limits, and fixes
the unfettered flow of discourse in an economy of focused attention, producing
canonical discourse – so the constant and repeated reading of text works towards
canonical thinking, setting limits to the disordered congenital mind and self and
bringing into existence a conformed content of thought.⁴⁵ All of the references to
reading or copying texts in the Kellis documents seem to assume private study, and
the late antique world fully appreciated the self-formative power of reading.⁴⁶
The well attested obligation of the Manichaean to read or recite Manichaean
texts is only the most evident stage of a process intended to implant in the indi-
vidual the “mind of light” directly from Mani’s revelatory discourse. The written
word is the marvelous instrument of the letter from heaven, able to make present
to the reader the distant authoritative mind. Even though the perfect understand-
ing of the truth occurred in Mani’s mind, he has rendered and reduced it first to
discourse and then to text. And even though that text is an impoverishment of
what Mani knows, it is sufficient in its codified, translated content to provide the
material to be recited as an illocutionary obligation by the Manichaean adherent,
which in turn is intended to yield, as a perlocutionary consequence, the fixation or
inscription of the text within the readers’ psyche as the content of their thoughts.
44 See J. Bryan, Looking Inward: Devotional Reading and the Private Self (2008).
45 See Paul Ricœur, Interpretation Theory: Discourse and the Surplus of Meaning (1976) 26-29.
46 So, for example, Gregory the Great could say that in reading the biblical text, “we should
transform what we read within ourselves, so that the mind, roused by the ears, brings
together and puts into practice what we have heard by means of our way of life” (Moralia
in Iob 1. 33). Private reading was also done aloud.
270 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
In this way, the disjointed and conflicted thought of the individual is brought
into alignment and conformity with true Manichaean selfhood by a process of
entextualising the self. Reading therefore becomes a key ritual activity of the Man-
ichaean Auditors in the absence of the Elect, by which they maintain exposure to
the authoritative voice of the tradition, and in this way work upon themselves the
religion’s project of bringing themselves into identification with and conformity to
its discourse.⁴⁷
Conclusions
What then can we conclude about the significance and consequences of the pri-
marily domestic setting of Manichaeism? In both the panoptic interactions with
the visiting Elect and the practice of reading in their absence, as well as other
practices I have not had time to detail,⁴⁸ we see a system designed to saturate and
invest the individual with a delimited set of thoughts and behaviors that become
the Manichaean self. By its domestic location, this system of practice does not
allocate religious performance to a public sphere where the broader society’s gaze
plays a role in affirming a selfhood in conformity to social norms. On the contrary,
the confinement of Manichaeism to the domestic sphere marks a division and
separation of the Manichaean from that social gaze and norm, into a more inti-
mate sphere of affirmation and reinforcement in the close-knit family or even in
the private space of the individual alone with herself between contacts with visiting
Elect. One’s religious identity, then, cannot be dissociated from oneself in time and
place as mere convention or as part of public role playing. If there is Manichaeism
present, it is private and personal, permanent and ever-present, with no space into
which one may withdraw and remove religious commitment as a performative
mask. It is a voluntary self-subjection in which one forms a power relationship
47 See G. Flood, The Ascetic Self: Subjectivity, Memory and Tradition (2004) esp. 211-234.
48 Among non-textual domestic practices in the Manichaean home, one should mention daily
prayers very similar to the pattern practiced by Muslims at set times of the day. Although
we have no confirmation of those set times in western testimony, we do have references to
multiple daily prayers directed to the sun during the day and the moon at night. Since such
prayers could not be said facing in a standard direction, but had to be recited while in direct
sight of the appropriate celestial body, we no doubt are dealing with a practice of roof-
top prayer, as suggested also by certain polemical allusions (sunrise and sunset prayers are
attested, probably ruling out courtyard settings). These would be perhaps the most public
religious act a Manichaean would make. The Arabic writer an-Nadim quotes texts recited
with each prostration of these prayer-times. Similar texts may be referred to in P. Kell. Copt.
19, where among the texts to be studied and copied is listed “The Prostrations” (Gardner
– Alcock – Funk, Coptic Texts, op. cit. [note 4] 160, 163).
J. D. BeDuhn, The Domestic Setting of Manichaean Cultic Associations 271
with oneself, which by that fact provides the system with greater access and ability
to penetrate and permeate the self.
This certainly looks to be a very effective means of inculcating religious iden-
tity within the person, and may explain the dogged persistence of Manichaeism in
the face of a nearly perpetual state of persecution. And yet, in the end, the discon-
nect between the private and public spheres of identity eventually did its corrosive
work, as attested in the case of Augustine;⁴⁹ and we may ask if Manichaeism failed
because its adherents were denied public forms of expressing their private religious
commitment. This is part of a broader question of the specific conditions that
pertain to situations of Marranism throughout history, whether it be the Jewish
Marranos in Spain, the secret Christians of Japan, or the Manichaeans seemingly
everywhere and always. Marranism must be distinguished from other forms of per-
secution where despite the loss of equality and other rights an actual public denial
of identity is not necessitated.⁵⁰ In all three cases of Marranism I have mentioned,
we see persistence of faith among some, to be sure, but also significant erosion of
clandestine religious identity among many. This may point to an essential need
for integrity and coordination of public and private religious identity. While the
unbeliever appears able to easily assume the public role of the believer for a few
hours a week as a social nicety with no great strain on his or her identity, perhaps
the true believer labors under different psychic pressures, and cannot long sustain
the same sort of double life. Even being able to publicly express difference from the
social norm seems to work just fine. So we are not talking simply of the pressure to
conform. Instead we are dealing with something about the integration of private
and public identity somehow essential to religious commitment.
Besonders pointiert und wirkungsmächtig in diesem Sinne schon E. Zeller, Die Philosophie
der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Band I (, Nachdruck ) -
.
Die umfangreiche und kontroverse Forschung dazu wird gut diskutiert bei Ch. Schäfer,
Xenophanes von Kolophon. Ein Vorsokratiker zwischen Mythos und Philosophie () -
und bei Th. Schirren, „Xenophanes“, in: D. Bremer (Hg.), Ueberwegs Grundriß der
Geschichte der Philosophie, Band : Vorsokratiker (im Druck; mir durch die Freundlichkeit
des Verf.s im Manuskript bekannt). – Nach wie vor wichtig sind W. Jaeger, Die Theologie
der frühen griechischen Denker () -; K. von Fritz, „Xenophanes“, in: Paulys Realen-
cyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft, Band IX A () -; E. Heitsch,
Xenophanes. Die Fragmente (); ders., Xenophanes und die Anfänge kritischen Denkens
().
Die aktuelle Debatte um den Monotheismus wird wesentlich durch die Beiträge von Jan
Assmann bestimmt, vor allem durch sein Buch: Moses der Ägypter (). Vgl. zum fol-
genden bes. J. Assmann, Die Mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus
().
Vgl. dazu und zum folgenden Assmann, Mosaische Unterscheidung, a. O. (Anm. ) -.
DOI 10.1515/ARG.2008.014
276 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
nämlich einerseits so verneinen, daß die Existenz der vielen Götter grundsätzlich
geleugnet wird. Der Eine Gott schließt dann eine Vielheit von Göttern neben oder
unter ihm aus. Dies ist der exklusive Monotheismus, den ich den Monotheismus
im starken Sinne nennen möchte; paradigmatisch für ihn sind die mosaischen
Religionen, besonders das nachexilische Judentum und der Islam. Er läßt sich auf
die Formel bringen: „Es ist kein Gott außer Gott.“
Der Polytheismus läßt sich andererseits aber auch so verneinen, daß die vielen
Götter zu Momenten, Erscheinungen oder Manifestationsformen des Einen Got-
tes herabgesetzt werden.⁵ Die Existenz und Göttlichkeit der vielen Götter wird
dabei nicht geleugnet, die Vielheit der Götter also nicht ausgeschlossen, sondern
im Hegelschen Dreifachsinn in die Einheit Gottes aufgehoben:⁶ Der Eine Gott
hat die vielen Götter zwar nicht neben sich, aber entweder unter sich oder in
sich. Dies ist der inklusive Monotheismus, den ich den weichen Monotheismus
nennen möchte. Ein solcher inklusiver Monotheismus begegnet unter den Religi-
onen der klassischen und vorklassischen Antike wie unter den Religionen Indiens
recht häufig. Er charakterisiert die Spätphase sowohl der ägyptischen als auch der
griechischen Religion.⁷ Er behält eine gewisse Nähe zum Henotheismus, der keine
Verneinung des Polytheismus impliziert, sondern mit diesem kompatibel bleibt.
Im Henotheismus nämlich wird die Vielheit der Götter weder ausgeschlossen
noch aufgehoben, sondern bloß relativiert durch einen höchsten Gott, der die
übrigen Götter nicht einfach als der höchste und mächtigste übertrifft, sondern sie
so überragt, daß er in einer nicht bloß graduell, sondern qualitativ anderen Weise
Gott ist als alle anderen Götter. Die Hochgötter vieler polytheistischer Göttersys-
teme besitzen in diesem Sinne henotheistische Züge. Besonders deutlich ist das bei
Homer zu beobachten, dessen Zeus nicht einfach ein primus inter pares ist, sondern
als „Vater der Götter und Menschen“ in einem qualitativ anderen Sinne Gott ist als
alle anderen Götter. Dies zeigt nicht nur sein Vater- und Königstitel, sondern die
Ilias bringt das auch im Bild vom goldenen Seil, an dem Zeus allein die ganze Erde
samt allen Göttern und Göttinen hält, unübertrefflich zum Ausdruck.⁸ Von einem
Vgl. dazu vor allem J. Assmann, Theologie und Weisheit im alten Ägypten (), bes. -
sowie ders., Monotheismus und Kosmotheismus. Altägyptische Formen eines Denkens des Einen
und ihre europäische Wirkungsgeschichte ().
Vgl. zu Hegels eigener Deutung des Verhältnisses von Einheit und Vielheit des Göttlichen
J. Halfwassen, Hegel und der spätantike Neuplatonismus. Untersuchungen zur Metaphysik des
Einen und des Nous in Hegels spekulativer und geschichtlicher Deutung (²) -.
Dazu Assmann, Theologie und Weisheit, a. O. (Anm. ) - sowie M. P. Nilsson, Geschichte
der griechischen Religion, Band (²) -.
Homer, Ilias VIII, -: „Hängt ein goldenes Seil an den Himmel, hängt euch alle daran,
Götter und Göttinen: Nicht könntet ihr vom Himmel auf die Erde Zeus, den Höchsten
Herrn, hinabziehen, auch wenn ihr euch viel plagtet; aber wenn ich entschlossen ziehen
wollte, würde ich euch samt Erde und Meer emporziehen. Ich wickelte um den Gipfel des
J. Halfwassen, Der Gott des Xenophanes 277
solchen Henotheismus ist es oft nur noch ein Schritt zum inklusiven Monotheis-
mus, in dem die vielen Götter in der Einheit Gottes ihre Selbständigkeit verlieren.⁹
Doch leugnet der inklusive Monotheismus sowenig wie der Henotheismus die
Existenz der Götter oder ihre göttliche Macht und Wirksamkeit.
Dagegen tut der strenge, exklusive Monotheismus genau dies. Das trennt ihn
prinzipiell vom Henotheismus wie vom inklusiven Monotheismus. Der exklusive
Monotheismus kann darum mit Jan Assmann und Theo Sundermeier als „Gegen-
religion“ charakterisiert worden.¹⁰ Er setzt den Einen Gott als den einzigen und
einzig wahren Gott gegen die Vielheit der Götter, die in Wahrheit gar keine Götter
sind. Damit führt er die „Parmenideische Unterscheidung“ von wahr und falsch in
die Religion ein: er unterscheidet zwischen der einen wahren Religion des Einen
Gottes und den vielen falschen Religionen der vielen Götter, wie Jan Assmann
gezeigt hat.¹¹
Der exklusive Monotheismus ist aber auch noch in einem weiteren Sinne
„Gegenreligion“. Denn er unterscheidet kategorisch zwischen Gott und Welt.¹²
Die Götter des Polytheismus sind welthafte Götter, denn sie sind die bestimmenden
Mächte einer menschlichen Lebenswelt, die vom mythologischen Bewußtsein als
übermächtige und darum göttliche Wesen erlebt werden; sie sind Götter, aber
genau darum sind sie von dieser Welt.¹³ Der Eine Gott des exklusiven Monothe-
ismus ist dagegen prinzipiell nicht von dieser Welt. Er ist keine lebensweltliche
Macht, sondern tritt der Welt als ganzer als ihr Schöpfer oder mindestens als ihr
Herr gegenüber. Der Eine Gott ist überweltlich oder er ist gar nicht Gott. Darum
wendet sich der exklusive Monotheismus nicht nur gegen die Vielheit der mytho-
logischen Götter, sondern auch und besonders gegen jenen Zug an ihnen, der sie
als Mächte der Welt erkennen läßt: ihre menschliche (oder gegebenenfalls tierische)
Gestalt. Das Bilderverbot der Bibel und des Korans hat genau diesen Sinn, eine
anthropo- oder theriomorphe Gestalt Gottes, die sich im Bild darstellen ließe,
hohen Olympos das Seil sodann und sähe schweben das Meer und die Erd‘ und die Götter.
So viel mächtiger bin ich als alle Götter und Menschen.“
So z. B. in dem berühmten orphischen Zeushymnos Orph. Fr. a Kern; ebenso Orph. Fr.
Kern: „Einer ist Zeus, Hades, Helios und Dionysos“. Noch stärker Aischylos, Heliaden
Fr. Nauck: „Zeus ist Äther, Zeus Erde, Zeus Himmel, Zeus die Gesamtheit aller Dinge
und was noch höher ist als sie.“
Assmann, Mosaische Unterscheidung, a. O. (Anm. ) ; Assman bezieht sich im Kontext
auf die Unterscheidung zwischen „primären“ und „sekundären“ Religionen bei Th. Sun-
dermeier, „Religion, Religionen“, in: K. Müller – Th. Sundermeier (Hgg.), Lexikon missions-
theologischer Grundbegriffe () -; vgl. auch ders., Was ist Religion? Religionswis-
senschaft im theologischen Kontext ().
Assmann, Mosaische Unterscheidung, a. O. (Anm. ), bes. -.
Vgl. dazu F. Stolz, Weltbilder der Religionen () -: Monotheismus als „Unter-
scheidung von Gott und Welt“.
Vgl. für die griechischen Götter etwa W. F. Otto, Die Götter Griechenlands ().
278 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
bleme zur Sprache gebracht, die einer monotheistischen Deutung des Xenophanes
zu widersprechen scheinen.
II
Xenophanes war zweifellos der erste, der eine scharfe, ja vernichtende Kritik am
Mythos und an den mythischen Göttervorstellungen formulierte. Ebenso unbe-
stritten ist, daß er den Göttern des Mythos einen philosophisch gereinigten Got-
tesbegriff entgegensetzte, der von dem Anthropomorphismus frei ist, den Xeno-
phanes an den Göttern Homers und Hesiods kritisiert. Doch führt er den Einen
Gott als „den größten unter Göttern und Menschen“ ein,¹⁹ gebraucht also einen
typisch Homerischen Superlativ zu seiner Charakterisierung. Hat Xenophanes also
doch Götter im Plural neben oder unter dem Einen Gott angenommen? War er
Henotheist, nicht Monotheist?
Hinzu kommt eine weitere Schwierigkeit: Die antiken Doxographen setzen
den Einen Gott des Xenophanes mit dem Weltganzen gleich.²⁰ Diese Gleichset-
zung hat freilich in den wörtlich erhaltenen Fragmenten des Xenophanes keinen
Anhaltspunkt. Der Verdacht liegt darum nahe, die hellenistischen und kaiserzeit-
lichen Doxographen hätten den stoischen Pantheismus, dessen Gott, der welt-
durchwaltende Logos, in der Tat mit dem Weltganzen identisch ist, auf den frühen
Vorsokratiker zurückdatiert. Doch scheint die Gleichsetzung von Gott und Welt-
ganzem für Xenophanes schon von Aristoteles zumindest nahegelegt zu werden, der
schreibt, im Blick auf das Weltganze habe Xenophanes das Eine Gott genannt,²¹
eine Formulierung, die eine pantheistische Deutung sicher nicht erzwingt, wohl
aber zuläßt; eine ähnlich zweideutige Äußerung wird von seinem Schüler Theo-
phrast überliefert.²² War Xenophanes also Pantheist?
gie durchaus in der Ablehnung traditioneller Religiosität zu erkennen sind.“ Ähnlich Ms.
mit Bezug auf Assmanns Monotheismusbegriff.
Xenophanes, Fr. B Diels – Kranz. Vgl. dazu die Stellen aus Homer und Hesiod bei
E. Heitsch, Xenophanes. Die Fragmente () -.
Vgl. die Berichte über Xenophanes bei Diogenes Laertios (Diels – Kranz A ), Hippo-
lytos (Diels – Kranz A ), Cicero (Diels – Kranz A ), Galen, Timon und Sextus
Empiricus (Diels – Kranz A ).
Aristoteles, Metaphysik b - (Diels – Kranz A ): Ξενοφάνης δὲ […] εἰς τὸν
ὅλον οὐρανὸν ἀποβλέψας τὸ ἓν εἶναί φησι τὸν θεόν.
Simplikios, In Phys. , ff. (Diels – Kranz A ): „Theophrast berichtet, Xenophanes
aus Kolophon, der Lehrer des Parmenides, habe gelehrt, daß es nur einen einzigen Urgrund
gebe und daß das Seiende und Ganze Eines sei (und zwar weder begrenzt noch unbegrenzt,
weder bewegt noch ruhend); dabei räumt Theophrast ein, daß von der Lehre des Xenopha-
nes zu berichten, einem anderen Gebiet angehöre als der Naturphilosophie.“ Diese letzte
Bemerkung spricht dagegen, daß Theophrast der Meinung war, Xenophanes habe Gott
280 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
mit dem Weltganzen identifiziert, vielmehr scheint Theophrast hier Gott und Physis zu
unterscheiden.
Ps.-Aristoteles, De Melisso a -.
Maßgeblich sind dazu die Arbeiten von J. Wiesner, Pseudo-Aristoteles, MXG: Der historische
Wert des Xenophanes-Referates (); J. Mansfeld, „Theophrastus and the Xenophanes
Doxography“, Mnemosyne () -; ders., „De Melisso Xenophane Gorgia:
Pyrrhonizing Aristotelianism“, Rheinisches Museum () - (beide Aufsätze
auch in ders., Studies in the Historiography of Greek Philosophy []). Wiesner datiert
die Schrift ins dritte, Mansfeld ins erste vorchristliche Jahrhundert, beide verneinen ihren
Quellenwert für den historischen Xenophanes.
Ps.-Aristoteles, De Melisso b -. Die gleichzeitige Verneinung von Begrenztheit und
Unbegrenztheit, Bewegung und Ruhe soll nach Simplikios schon Theophrast Xenophanes
zugeschrieben haben: Diels – Kranz A (oben Anm. ).
Platon, Sophistes CD (Diels – Kranz A ).
J. Halfwassen, Der Gott des Xenophanes 281
Vgl. speziell Platon, Parmenides D – B zur Negation von Grenze, Gestalt, In-
etwas-Sein, Bewegung und Ruhe mit De Melisso b -. Die Übereinstimmungen sind
so auffällig, daß man auf eine direkte oder (eher) indirekte Abhängigkeit von Platon schlie-
ßen muß. Dazu unten Anm. .
Dazu J. Halfwassen, Der Aufstieg zum Einen. Untersuchungen zu Platon und Plotin (²)
-; zu Parm. D – B , speziell -.
Vgl. dazu Halfwassen, Aufstieg zum Einen, a. O. (Anm. ) -.
Mansfeld, „Theophrastus“, a. O. (Anm. ) - bestreitet denn auch, daß Simplikios
(Diels – Kranz A ) die gleichzeitige Verneinung der Gegensatzpaare „begrenzt – unbe-
grenzt“ und „bewegt – unbewegt“ zu recht Theophrast zuschreibt, vielmehr handle es sich
um die eigene Xenophanes-Deutung des Simplikios, der den Einen Gott neuplatonisch im
Sinne des übergegensätzlichen absoluten Einen deute. J. Mansfeld, „Compatible Alterna-
tives: Middle Platonist Theology and the Xenophanes Reception“, in: R. van den Broeck
(Hg.), Knowledge of God in the Graeco-Roman World () -, bes. verweist zudem
auf Simplikios, In Phys. , -, wo das Eine des Xenophanes ganz im Sinne der ersten
Hypothesis des Platonischen Parmenides als jenseits aller Gegensätze stehend apostrophiert
wird. Simplikios führt das überseiende absolute Eine Platons damit auf Xenophanes (als
den vermeintlichen Urheber der Metaphysik des Einen) zurück, ganz ähnlich wie Eudoros
von Alexandria (. Jh. v. Chr.) bei Simplikios, In Phys. , - die Lehre vom übergegen-
sätzlichen Einen auf die Pythagoreer zurückdatiert (vgl. Mansfeld, „Compatible Alterna-
tives“, a. O. -). Mansfeld (ebd. -) schließt aus dieser Übereinstimmung sowie
daraus, daß Eudoros als erster das übergegensätzliche Eine mit dem „transzendenten Gott“
(ὑπεράνω θεός) gleichgesetzt habe, daß die gleichzeitige Negation entgegengesetzter
Bestimmungen von dem Gott des Xenophanes bei Simplikios und in MXG die Henologie
des Eudoros voraussetze und direkt oder indirekt auf Eudoros zurückgehe.
282 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Die Frage, ob Xenophanes seinen Gott als den einzigen Gott angesehen und
ob er ihn von der Welt unterschieden hat, muß darum unter Hintanstellung der
doxographischen Überlieferung ausschließlich anhand der im Wortlaut überlie-
ferten Originalfragmente diskutiert und entschieden werden. Ich bin davon über-
zeugt, daß die originalen Zeugnisse eine sichere Antwort auf beide Fragen erlau-
ben. Diese Antwort scheint mir so eindeutig und klar, daß sie durch die indirekte
Überlieferung allenfalls noch zusätzlich erhärtet, aber nicht mehr prinzipiell umge-
stoßen werden kann.
III
Wenden wir uns zunächst der Mythenkritik des Xenophanes zu.³¹ Diese Kritik ist
die früheste und zugleich auch die schärfste und kompromißloseste Grundsatzkri-
tik am mythologischen Bild der Götter, die in der gesamten antiken Philosophie
geäußert wurde. Sie umfaßt zwei zentrale Kritikpunkte: Sie wendet sich einer-
seits gegen die Amoralität der mythischen Göttergeschichten; und sie wendet sich
andererseits gegen den Anthropomorphismus der mythischen Göttergestalten.
Die Amoralitätskritik besagt, Homer und Hesiod hätten ihren Göttern Hand-
lungen zugeschrieben, die unter Menschen als moralisch verwerflich gelten, wie
Diebstahl, Betrug und Ehebruch.³² Aus dieser Kritik folgt nicht, daß die Götter,
über die diese Geschichten erzählt werden, nicht existieren, sondern sie besagt
nur, daß diese Geschichten nicht wahr sind, daß also die Götter nicht so sein
können, wie sie in den mythischen Erzählungen vorgestellt werden. Für die Frage,
ob Xenophanes die Götter Homers und Hesiods als wirklich und existierend ange-
sehen hat oder nicht, gibt seine Amoralitätskritik also nichts her. Dennoch ist sie
für unsere Frage wichtig, weil sie zeigt, daß Xenophanes mit dem Gottesbild des
Mythos grundsätzlich bricht; denn für dieses Gottesbild ist es gerade konstitutiv,
daß die Götter den moralischen Maßstäben, die für die Menschen gelten, nicht
unterliegen. Im Mythos ist die Amoralität der Götter gerade ein Ausweis ihrer
Übermenschlichkeit.
Entscheidend für unsere Frage ist Xenophanes’ Kritik am Anthropomorphis-
mus. Sie besagt auf den ersten Blick, daß die Götter keine menschliche Gestalt
Dazu grundsätzlich W. Jaeger, Die Theologie der frühen griechischen Denker () -;
E. Heitsch, Xenophanes und die Anfänge kritischen Denkens (); Ch. Schäfer, Xenophanes
von Kolophon. Ein Vorsokratiker zwischen Mythos und Philosophie () -. – Der
verbreiteten Ansicht, „daß Xenophanes Homer und Hesiod nicht in Bausch und Bogen
verwirft […], sondern fast ausschließlich moralische Kritik an ihnen übt“ (Schäfer, a. O.
), muß allerdings widersprochen werden: die Kritik am Anthropomorphismus der
Homerischen Götter ist mindestens so zentral wie die Kritik an ihrer Amoralität.
Xenophanes, Fr. B und B Diels – Kranz.
J. Halfwassen, Der Gott des Xenophanes 283
haben und nicht wie Menschen geboren werden.³³ Auf den zweiten Blick aber
besagt sie, daß die (tier- und) menschengestaltigen Götter, von denen die Mythen
aller Völker berichten, überhaupt nicht wirklich existieren, sondern Ausgeburten
der menschlichen Einbildungskraft sind, Produkte der mythenbildenden Phan-
tasie. Xenophanes geht von der Beobachtung aus, daß die verschiedenen Völker
nicht nur verschiedene Götter haben, sondern daß sich jedes Volk seine Götter
auch so vorstellt, wie es selbst ist. Die Thraker verehren rothaarige und blauäugige
Götter, die Äthiopier dagegen schwarze und stumpfnasige.³⁴ Diese religionsethno-
logische Beobachtung übersteigert Xenophanes nun gezielt zur Burleske, indem er
sie auf die Tiere überträgt: Hätten Rinder, Pferde und Löwen Hände und könnten
damit Götterbilder herstellen wie die Menschen, dann würden die Pferde Pferde-
götter und die Kühe Kuhgötter erschaffen.³⁵ Gerade diese Übertragung auf die
Tiere aber gibt dem Gedanken seine eigentliche Schärfe. Sie zeigt nämlich, daß
Xenophanes die Menschen- und Tiergestalt der Götter nicht bloß als unangemes-
sen oder blaßphemisch ansieht, sondern daß er sie als Phantasieprodukte durch-
schaut, sie als bloße Projektionen erkennt.³⁶ Die Götter sind nicht nur nicht so,
wie die Menschen und gegebenenfalls die Tiere sie sich vorstellen, sondern diese
menschen- und tiergestaltigen Götter existieren überhaupt nicht wirklich, sie sind
nichts als Projektionen ihrer Verehrer.
Xenophanes formuliert somit zweieinhalb Jahrtausende vor Ludwig Feuerbach
eine Projektionstheorie der Religion. Diese zielt bei ihm freilich nur gegen den
mythologischen Polytheismus und nicht gegen die Wirklichkeit des Göttlichen
Vgl. Xenophanes, Fr. B Diels – Kranz: „Doch die Sterblichen wähnen, die Götter wür-
den geboren und hätten Gewand, Stimme und Gestalt ähnlich wie sie selber.“ (Übers.
W. Capelle, Die Vorsokratiker [] ).
Xenophanes, Fr. B Diels – Kranz: „Die Äthiopier stellen sich ihre Götter schwarz und
stumpfnasig vor, die Thraker dagegen blauäugig und rothaarig.“ (Übers. nach W. Capelle
ebd.).
Xenophanes, Fr. B Diels – Kranz: „Wenn Kühe, Pferde oder Löwen Hände hätten und
damit malen und Werke wie die Menschen schaffen könnten, dann würden die Pferde
pferdeähnliche, die Kühe kuhähnliche Götterbilder malen und solche Gestalten schaffen,
wie sie selber haben.“ (Übers. nach W. Capelle ebd.).
Für Griechen versteht es sich von selbst, daß Götter keine Tiergestalt haben können bzw.
daß tiergestaltige Götter eben keine Götter sind. Da Xenophanes nun die Tiergestalt der
Götter auf die gleiche Ursache zurückführt wie ihre Menschengestalt, nämlich die Projek-
tion ihrer Verehrer, hält er die menschengestaltigen Götter Homers offenbar für ebenso
unwirklich und ungöttlich wie die Griechen allgemein die tiergestaltigen Götter z. B. der
Ägypter. Es scheint mir darum hochgradig unlogisch, zu glauben, Xenophanes habe zwar
Apis oder Anubis nicht als Götter angesehen, wohl aber Zeus und Apollon. – Zur Bedeu-
tung der Menschengestalt der Götter für die griechische Mythologie jetzt M. Gabriel, Der
Mensch im Mythos. Untersuchungen über Ontotheologie, Anthropologie und Selbstbewußtseins-
geschichte in Schellings „Philosophie der Mythologie“ (), bes. -.
284 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
schlechthin. Denn die Konsequenz, die Xenophanes aus seiner Einsicht in den
Projektionscharakter der mythischen Götter zieht, ist nicht der Atheismus, son-
dern der Monotheismus. Gerade die klare Formulierung der Projektionsthese, die
wir bei Xenophanes finden, schließt nämlich aus, daß er die vielen Götter doch
als irgendwie existent und wirkmächtig angesehen hätte.³⁷ Wer den psychischen
Mechanismus durchschaut, dem die Götter des Mythos ihre Gestalt verdanken,
für den versinken diese Götter im Nichts. Was bleibt, ist allein der Eine Gott, der
„den Sterblichen weder an Gestalt noch an Gedanken ähnlich ist“ (οὔτι δέμας
θνητοῖσι ὁμοίιος οὔτε νόημα, Fr. B 23), und gegen den sich genau darum kein
Projektionsverdacht äußern läßt.
Aus der Einsicht in den Projektionscharakter der mythologischen Götterbilder
folgt also, daß Xenophanes den Göttern des Mythos die Existenz abgesprochen
und nur den Einen Gott als seiend, wirkmächtig und göttlich anerkannt hat. Wie
ist es dann aber zu verstehen, daß er buchstäblich in demselben Atemzug, mit
dem er den Einen Gott einführt, auch die Götter im Plural nennt: εἷς θ εὸς ἔν τε
θεοῖσι καὶ ἀνθρώποισι μέγιστος.³⁸ Wie ist diese Phrase zu übersetzen: „Ein Gott
ist unter Göttern und Menschen der größte“?³⁹ Oder: „Ist (existiert) doch nur Ein
(einziger) Gott, der größte unter Göttern und Menschen“?⁴⁰
Mir scheint allein die zweite Übersetzung den Sinn zu treffen. Denn die erste
vergißt die Radikalität der Anthropomorphismuskritik und die in ihr formulierte
Projektionsthese. Sie ist außerdem im griechischen Kontext eine Banalität. Daß
nur ein Gott unter Göttern und Menschen der größte ist (nämlich Zeus), ist für
Homer und Hesiod eine Selbstverständlichkeit. Das Pathos, mit dem Xenophanes
seinen Gott den Göttern Homers und Hesiods entgegensetzt, wird vollkommen
zerstört, wenn man seinen Satz in dieser verharmlosenden Weise versteht und
übersetzt.
Wenn der Satz aber so zu verstehen ist, daß Xenophanes die Einheit und Ein-
zigkeit Gottes der mythologischen Vielheit der Götter entgegensetzt, wie kann er
dann den Einen Gott noch den „größten unter Göttern und Menschen“ nennen?
Verrät Xenophanes seinen Gedanken von der Einzigkeit Gottes nicht gleich wie-
Dem entspricht es durchaus, daß Xenophanes Sonne, Mond und Gestirne nicht als Götter
ansieht wie der Mythos, sondern sie für verdichtete und glühende Wolken hält, die jeden
Tag aufs neue entstehen: Diels – Kranz A , , , . Auch im Blitz und im Regen-
bogen sieht er keine Götter (Zeus, Iris) wirken, sondern hält sie ebenfalls für Wolken:
Diels – Kranz A ; Fr. B .
Xenophanes, Fr. B Diels – Kranz (überliefert bei Clemens Alex., Strom. V ; Eusebios,
Praep. Ev. XIII , ).
So E. Heitsch, Xenophanes. Die Fragmente () .
Vgl. auch die Übersetzung von Capelle: „herrscht doch nur ein einziger Gott, unter Göt-
tern und Menschen der größte, […].“ (Die Vorsokratiker [] ).
J. Halfwassen, Der Gott des Xenophanes 285
der, indem er ihn formuliert, und in dieser (für uns mißverständlichen) Weise
formuliert? Mir scheint das nicht der Fall zu sein.
Xenophanes will offenbar sagen, der Eine Gott sei der größte schlechthin.⁴¹
Ein abstrakter zusammenfassender Ausdruck für das Ganze der Wirklichkeit wie
τὸ πᾶν oder ὁ κόσμος steht Xenophanes aber noch nicht zur Verfügung. Oura-
nos meint im Homerischen Sprachgebrauch, in dem sich Xenophanes, der von
Beruf Rhapsode war, noch ganz selbstverständlich bewegt, nicht das Weltganze,
sondern den Himmel in Abgrenzung von der Erde. Um das Ganze der Wirk-
lichkeit zu benennen, muß Xenophanes darum, dem Sprachgebrauch des Mythos
folgend, die wichtigsten artikulierenden Bestandteile dieses Ganzen aufzählen.
In mythischer Sprache sind das Himmel und Erde, Götter und Menschen, die
einander jeweils polar entgegengesetzt werden.⁴² „Der größte unter Göttern und
Menschen“ bedeutet darum nicht, wie der Wortlaut nahezulegen scheint, daß es
außer dem Einen Gott noch andere Götter gäbe, denen gegenüber der Eine Gott
der größte wäre. Die „Götter“ im Plural in der Formel, mit der Xenophanes die
Größe des Einen Gottes formulieren will, sind eine reine façon de parler und nicht
wörtlich zu nehmen.
Der Eine Gott ist „der größte unter Göttern und Menschen“, also nicht nur
den Göttern, sondern auch den Menschen gegenüber der größte. Warum sagt
Xenophanes das? Wörtlich verstanden, würde das ja bedeuten, daß Gott selber
ein Mensch oder wenigstens menschenartig wäre, so daß man ihn mit den Men-
schen vergleichen kann, wie es bei den Göttern des Mythos der Fall ist. Gerade
das schließt aber die zweite Zeile desselben Fragments kategorisch aus. In ihr sagt
Xenophanes nämlich, der Eine Gott sei „den Sterblichen weder an Gestalt ähnlich
noch an Gedanken“ (Fr. 23). Der Fortgang des Verses negiert also den Zusammen-
hang sofort wieder, in den er den Einen Gott anfänglich zu stellen scheint, wenn
er ihn den „größten unter Göttern und Menschen“ nennt. Sowenig Xenophanes
meint, daß Gott ein Mensch oder mit Menschen vergleichbar ist, sowenig will er
ihn mit anderen Göttern außer und neben ihm vergleichen. Der zweite Halbsatz
des Verses beweist, daß der Ausdruck ἐν ἀνθρώποισι μέγιστος nicht wörtlich,
sondern im uneigentlichen Sinne zu verstehen ist;⁴³ dann ist aber auch der Aus-
druck ἔν τε θεοῖσι μέγιστος so zu verstehen.
So schon, mit treffender Begründung und Verweis auf den polaren Sprachgebrauch Homers,
E. Zeller, Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Band I (,
Nachdruck ) - mit Anm. .
Zu dieser zuerst im Alten Orient gebräuchlichen polaren Aufzählung der wichtigsten
Bestandteile zur Bezeichnung des Ganzen, für das erst die vorsokratische Philosophie des
. Jahrhunderts den Begriff „Welt“ oder „All“ findet, vgl. R. Brague, Die Weisheit der Welt.
Kosmos und Welterfahrung im westlichen Denken (franz. zuerst , dt. ) -.
G. S. Kirk – J. E. Raven – M. Schofield, Die Vorsokratischen Philosophen (engl. zuerst ),
ins Deutsche übers. von K. Hülser (), und schon Zeller, Philosophie der Griechen,
286 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
a. O. (Anm. ) Anm. verweisen dazu auf die parallele Formulierung bei Heraklit,
Fr. B : „Diese Weltordnung (κόσμος) hier hat weder einer der Götter noch einer der
Menschen geschaffen.“ Doch ist auch schon Homers Apostrophierung von Zeus als „Vater
der Götter und Menschen“ nicht wörtlich zu verstehen: Zeus ist keineswegs der Vater aller
Götter und noch viel weniger der aller Menschen, auch ist er nicht der Schöpfer von Göt-
tern und Menschen (wie später Platons Demiurg).
Von den Göttern des Mythos unterscheidet er sich ferner auch dadurch grundlegend, daß
er nicht entstanden ist, vgl. Fr. B . Dagegen ist in der griechischen Mythologie jeder Gott
entstanden, und selbst das Chaos, der Uranfang in Hesiods Theogonie, ist nicht immer
schon, sondern nur als erstes entstanden (Theogonie : πρώτιστα Χάος γένετ᾿).
Bezeichnend ist auch, daß der Eine Gott anders als Zeus und alle anderen mythischen
Götter keinen Eigennamen hat.
J. Halfwassen, Der Gott des Xenophanes 287
Der Eine Gott, der unvorstellbar anders ist als alle menschlichen Vorstellun-
gen, ist also der einzige Gott, den Xenophanes anerkennt. Wo er die Götter im Plu-
ral nennt, handelt es sich um konventionelle Redewendungen, die der Rhapsode
nicht vermeiden kann, die aber keine Rückschlüsse auf seine eigene theologische
Position zulassen.⁴⁶ Mit der Einsicht in den Projektionscharakter der mythischen
Gottesvorstellungen und der Verkündung der Einheit Gottes ist der Polytheismus
für Xenophanes verabschiedet.
IV
Xenophanes unterscheidet Gott mit der äußersten denkbaren Schärfe von allen
menschlichen Vorstellungen. Aber unterscheidet er ihn auch von der Welt? Weder
daß Gott der größte ist, noch daß er den Menschen weder an Gestalt noch an
Gedanken ähnlich ist, schließt seine Gleichsetzung mit dem Weltganzen aus, von
der die doxographische Überlieferung zu wissen glaubt. Um die Frage entscheiden
zu können, ob Xenophanes Gott und Welt unterschieden oder gleichgesetzt hat,
ob er also Monotheist oder Pantheist war, müssen wir uns seine Charakterisierung
des Einen Gottes im Zusammenhang ansehen. Sammeln wir also seine Aussagen
über Gott:
1) Er ist der Eine (Fr. B 23);
2) Er ist der größte unter Göttern und Menschen (Fr. B 23);
3) Er ist den Sterblichen weder an Gestalt noch an Gedanken ähnlich (Fr. B
23);⁴⁷
4) ganz sieht Er, ganz erkennt Er, ganz hört Er (Fr. B 24);⁴⁸
5) ewig ruht Er in demselben (Fr. B 26);
6) Er bewegt sich überhaupt nicht, denn Veränderung geziemt Ihm nicht (Fr. B
26);⁴⁹
7) ohne Mühe allein mit der Einsicht seines Geistes erschüttert Er alles (Fr. B
25).⁵⁰
So schon Zeller, Philosophie der Griechen, a. O. (Anm. ) mit Anm. und -
mit Anm. und mit zahlreichen erhellenden Parallelen. Zeller erklärt auch den Gebrauch
des Plurals „Götter“ in den Fragmenten B , und , der immer wieder irritiert hat,
völlig überzeugend.
Xenophanes, Fr. B : εἷς θεὸς ἔν τε θεοῖσι καὶ ἀνθρώποισι μέγιστος, οὔτι δέμας
θνητοῖσι ὁμοίιος οὔτε νόημα.
Xenophanes, Fr. B : οὖλος ὁρᾷ, οὖλος δὲ νοεῖ, οὖλος δέ τ᾿ ἀκούει.
Xenophanes, Fr. B : αἰεὶ δ᾿ ἐν ταὐτῷ μίμνει κινούμενος οὐδέν, οὐδὲ μετέρχεσθαί μιν
ἐπιπρέπει ἄλλοτε ἄλλῃ.
Xenophanes, Fr. B : ἀλλ᾿ ἀπάνευθε πόνοιο νόου φρενὶ πάντα κραδαίνει.
288 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Betrachten wir diese Aussagen im Zusammenhang, so fällt zweierlei sofort ins Auge:
1. Die Charakterisierung als Vater und König, die für den Hochgott des Mythos
konstitutiv ist, fehlt samt allen ihren moralischen und politischen Konnotationen
völlig. Obwohl er die Götter des Mythos auch wegen ihrer Amoralität verwirft,
schreibt Xenophanes seinem Gott keine moralischen Eigenschaften zu. Weder
Gerechtigkeit noch Barmherzigkeit, weder Güte noch Liebe gehören zu den Prä-
dikaten des Einen Gottes. Derartige moralische Qualifikationen machen Gott mit
den Menschen vergleichbar, denn Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, Güte und
Liebe gibt es auch unter Menschen, wenn auch in unvollkommener Weise. Genau
darum hat es Xenophanes offenbar vermieden, sie seinem Gott zuzusprechen. Sein
Gott ist jenseits aller moralischen Qualitäten, weil er allen menschlichen Vorstel-
lungen gegenüber unvergleichbar anders ist.
2. Abgesehen von der traditionellen Bezeichnung Gottes als des Größten und der
Hervorhebung seiner unvorstellbaren Andersheit sind ausnahmslos alle Bestim-
mungen, die Xenophanes Gott zuspricht, ontologische Bestimmungen. Zusam-
mengenommen charakterisieren sie Gottes Sein als absolut vollkommen. Dabei
scheint für Xenophanes der Gedanke der Einheit Gottes (1) leitend gewesen zu
sein. Denn diese Einheit meint nicht nur die Einzigkeit Gottes, sondern ebenso
auch seine vollkommene Ganzheitlichkeit (4).⁵¹ Diese aber schließt eine Vielheit
von unterschiedenen Teilen in Gott aus, so daß Gott alles, was er tut, als ganzer
tut. Darum sieht, hört und erkennt Gott immer als ganzer. Er braucht also keine
Augen, um zu sehen, und keine Ohren, um zu hören, wie die Menschen und
die menschengestaltigen Götter des Mythos. Seine Ganzheitlichkeit bringt somit
gerade seine unvorstellbare Andersheit auf den Begriff. Daß Gott überhaupt nicht
nur erkennt (νοεῖ),⁵² sondern auch sieht und hört, könnte als ein von Xenopha-
älteren Bedeutung durch ihren intuitiven Charakter verbunden bleibt sowie dadurch, daß
im νοῦς und νοεῖν immer Wahrheit bzw. Realität erkannt wird; sie sind darum noch für
Platon und Aristoteles irrtumsfrei und unfehlbar.
Dazu die Standardwerke von K. Oehler, Die Lehre vom Noetischen und Dianoetischen Den-
ken bei Platon und Aristoteles (²) und H.-J. Krämer, Der Ursprung der Geistmetaphysik
(²).
Im Unterschied zu den gewordenen Göttern des griechischen Mythos kennt die altägyp-
tische Theogonie den ungewordenen Urgott Atum. Dieser wird als „der Nichtseiende“
gedacht, der sich in einer Selbstzeugung, die zugleich Erschaffung der Welt ist, aus seiner
Präexistenz in die Existenz erhebt (als Sonnengott Re). Der ungewordene Urgott macht
hier also einen Wandlungsprozeß durch, der in drastisch anthropomorphen und zoomor-
phen Bildern vorgestellt wird. Erst in der Theologie der Ramessidenzeit ist der mit Atum
gleichgesetzte Amun die verborgene Einheit hinter aller Göttervielheit der Welt, die in
ihrer Weltwerdung zugleich verborgen bleibt und so in gewisser Weise transzendent ist.
Dazu J. Assmann, Theologie und Weisheit im alten Ägypten () - und -.
Aufgrund der komplexen Bedeutungsvielfalt der Wortverbindung νόου φρενὶ mit ihren
intellektuellen und voluntativen Komponenten im älteren Sprachgebrauch übersetzt von
290 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Gott ist für Xenophanes der unbewegte Beweger der Welt, ähnlich wie später für
Aristoteles.
Ebenso wie die Einheit und Ganzheit Gottes, so unterscheiden ihn auch seine
absolute Identität und Unveränderlichkeit von allen menschlichen Vorstellungen
und von der Wandelbarkeit der mythologischen Götter in der radikalsten nur
denkbaren Weise. Der Sinn dieser ontologischen Bestimmungen liegt ganz unver-
kennbar darin, die Seinsweise Gottes von der Seinsweise der Welt als eine vollstän-
dig andere zu unterscheiden. Die zuletzt genannte Bestimmung macht die onto-
logische Differenz zwischen Gott und Welt denn auch explizit: Gott verursacht
die Bewegung der Welt, aber er tut dies, ohne sich selbst zu bewegen, allein durch
die Kraft seines Geistes. Gott und Welt treten damit als Unbewegtes und Bewegtes,
Unveränderliches und Veränderliches auseinander und einander gegenüber.
Der Sinn der ontologischen Charakterisierung Gottes, die Xenophanes vor-
nimmt, liegt offensichtlich darin, die seinsmäßige Unvollkommenheit der welt-
haften Wirklichkeit, die sich in ihrer Veränderlichkeit und Vergänglichkeit am
augenfälligsten manifestiert, von Gott fernzuhalten.⁵⁶ Darum muß Gottes Seins-
weise eine fundamental andere sein als die der Welt.
Unsere Frage, ob Xenophanes Gott und die Welt als Monotheist unterscheidet
oder ob er sie als Pantheist identifiziert, findet also in den Originalfragmenten
eine Antwort, deren Eindeutigkeit für Zweifel keinen Raum läßt. Wenn Gott die
Weltbewegung verursacht, ohne sich selbst zu bewegen, dann kann er mit dem
bewegten Weltganzen nicht identisch sein. Wenn er sich selbst unveränderlich und
unwandelbar gleichbleibt, dann kann er mit der veränderlichen Welt, in der alles
permanent anders wird, nicht identisch sein. Wenn er vollkommen und unteil-
bar einheitlich und ganz ist, dann kann er mit der durch Vielheit und Trennung
der Teile bestimmten Welt nicht identisch sein. Xenophanes hat Gott und die
Welt nicht nur unterschieden, er hat sie als erster in der Menschheitsgeschichte
kategorial unterschieden, durch eine ontologische Differenz, indem er Gott eine
vollkommen andere Seinsweise zuschrieb als der Welt.
Fritz, „Die Rolle des ΝΟΥΣ“, a. O. (Anm. ) Fr. B folgendermaßen: „Er erschüt-
tert die Welt durch seinen tätigen Willen (oder Impuls), der von seiner alles durchdrin-
genden Einsicht ausgeht.“ – Wie ein Echo hieran klingt Aischylos, Supplices -: „Er
(Zeus) stürzt völlig verdorbene Menschen hinab von ihren hochgetürmten Hoffnungen,
rüstet aber keine Gewalt. Alles von den Göttern wirkt mühelos. Sitzend setzt er sein Den-
ken (φρόνημα) gleichwohl von heiligem Throne aus auf irgendeine Weise unverzüglich ins
Werk.“
In diesem Sinne verstehe ich auch Xenophanes’ Begriff des „Geziemenden“, wenn er in Fr.
B sagt, es gezieme sich (ἐπιπρέπει) für Gott nicht, einmal dem und einmal dem nach-
zugehen: Denn Veränderung bedeutet eben immer eine Unvollkommenheit dessen, der
sich verändert, sei es, daß er etwas gewinnt, das er vorher nicht hatte, sei es, daß er etwas
verliert.
J. Halfwassen, Der Gott des Xenophanes 291
Xenophanes ist also nicht nur Monotheist, er hat den Monotheismus auch
in seiner ganzen Radikalität erfaßt und zuendegedacht, und dies, wie es scheint,
als erster. Sein philosophischer Monotheismus unterscheidet sich von den gleich-
zeitigen oder früheren Monotheismen des Orients vor allem darin, daß diese die
Unterscheidung Gottes von der Welt nicht durch ontologische Bestimmungen
beschreiben, Gott also keine prinzipiell andere Seinsweise zuschreiben als der Welt.
Die Trennung von Gott und Welt wird aber dann am konsequentesten vollzogen,
wenn sie ontologisch gedacht wird, wenn also Gott und Welt durch ihre Seinswei-
sen unterschieden werden.
Xenophanes hat Gott und die Welt ontologisch voneinander geschieden, indem
er Gott ein Sein zuschrieb, das sich durch strenge Einheit, Ganzheit, Identität
und Unveränderlichkeit auszeichnet und sich eben dadurch vom Sein der Welt
fundamental und kategorisch unterscheidet. Indem Xenophanes als erster aus
der Einheit Gottes seine teillose Ganzheit, seine strenge Identität mit sich selbst
und seine absolute Unveränderlichkeit ableitete, wurde er zum Wegbereiter des
Seinsgedankens des Parmenides. Die monotheistische Theologie des Xenophanes
gebiert die Ontologie des Einen, ewigen und unveränderlichen Seins, von dem
Parmenides spricht. Wie immer es um das Lehrer-Schüler-Verhältnis der beiden,
von dem die Doxographen zu wissen vorgeben, auch bestellt sein mag, eines ist
ganz unverkennbar: Die ontologischen Bestimmungen des Einen Gottes sind die
ontologischen Bestimmungen des Einen Seins.⁵⁷ Die Ontologie der Eleaten ist
insofern bereits eine Ontotheologie, weil sie dem Sein die Charaktere des Einen
wahren Gottes zuschreibt. Parmenides tut dabei explizit, was Xenophanes (jeden-
falls in den uns erhaltenen Fragmenten) nur zwischen den Zeilen suggeriert: Er
leitet alle ontolgischen Vollkommenheitscharaktere in einer einheitlichen Gedan-
kensequenz aus der Einheit her, die er als absolute, d. h. als teillose und ununter-
schiedene Ganzheit auffaßt.⁵⁸
Parmenides zog aus dem Einheitsgedanken des Xenophanes freilich noch eine
andere ontologische Konsequenz, welche den Monotheismus, für den das Gegen-
über von Gott und Welt konstitutiv ist, wieder aufhebt, und zwar durch die Radi-
Vgl. Parmenides, Fr. B , -: Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit des Seins; Fr. B , -
: Unentstandenheit und Unvergänglichkeit des Seins; Fr. B , -: Identität des Seins
mit sich selbst; Fr. B , -: Unveränderlichkeit des Seins; Fr. B , -: Einzigkeit und
Geistigkeit des Seins.
Dazu im einzelnen K. Bormann, Parmenides. Untersuchungen zu den Fragmenten ()
-.
292 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
wie die Fragmente beweisen, gerade anders herum: Aus der Nichtigkeit der als
Projektionen durchschauten Götter ergab sich Xenophanes die Einheit Gottes und
aus dieser die ontologische Differenz von Gott und Welt. Xenophanes ontologi-
siert den Gottesbegriff, um die Einheit Gottes anthropomorphismusfrei denken zu
können, aber er annihiliert nicht die Welt. Sein Gott bleibt als unbewegter Bewe-
ger auf die Welt bezogen. Er verursacht die Bewegung der Welt, deren Realität
Xenophanes nicht geleugnet hat. Daß er die Welt auch erschaffe, sagt Xenophanes
in den erhaltenen Fragmenten nirgends,⁶³ vielleicht weil ihm die Vorstellung einer
göttlichen Weltdemiurgie,⁶⁴ wie sie den Kosmogonien des Orients geläufig war, als
Anthropomorphismus erschien.
Die einzige nicht-anthropomorphe Vorstellung vom Göttlichen, die Xenopha-
nes kennen konnte, war die Ursprungsspekulation Anaximanders. Anaximander
dachte als Urgrund und Ursprung der Welt das Apeiron (ἄπειρον), das Grenzen-
lose und Unendliche, aus dem die Gegensätze, welche die strukturierte Welt aus-
machen, entstehen und in das sie durch ihre wechselseitige Vernichtung auch wie-
der vergehen.⁶⁵ Auf die altorientalischen und altägyptischen Hintergründe dieser
Ursprungsspekulation hat Uvo Hölscher schon vor langer Zeit hingewiesen.⁶⁶ Als
Ursprung aller Weltgestalten entsteht und vergeht das Apeiron selber nicht, son-
dern bleibt als einziges bestehen. Charakterisiert ist dieser Ursprung nur negativ,
durch die Verneinung aller Weltstruktur. Aristoteles berichtet, Anaximander habe
das Apeiron aufgrund seiner Unvergänglichkeit mit einem abstrakten Neutrum
„das Göttliche“ genannt und von ihm gesagt, es umfasse und regiere oder lenke die
Welt (περιέχειν ἅπαντα καὶ πάντα κυβερνᾶν).⁶⁷ Diese Nachricht paßt gut zu
den ägyptischen Vorstellungen von einer verborgenen, aber im Verborgenen len-
kend wirksamen göttlichen Einheit hinter aller Vielheit der Welt,⁶⁸ die Anaximan-
der vermutlich aufnimmt. Vielleicht knüpft Xenophanes hieran an, wenn er von
seinem Gott sagt, er erschüttere alles (πάντα κραδαίνει), bewege also die Welt.⁶⁹
Xenophanes sagt in Fr. B immerhin, Gott habe den gelben Honig erschaffen (ἔφυσε).
Da Gott hier im Singular steht, liegt es nahe, die Aussage auf den Einen Gott zu beziehen
und sie theologisch ernstzunehmen. Man kann jedenfalls nicht ausschließen, daß Xeno-
phanes den Gedanken generalisiert und Gott als Schöpfer der Welt angesehen hat.
Vgl. nur den überaus materialreichen Artikel von H. Schwabl, „Weltschöpfung“, in: Paulys
Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft, Supplementband IX () -
.
Anaximander, Fr. B ; vgl. zum Kontext Simplikios, In Phys. , ff. (Diels – Kranz
A ).
U. Hölscher, „Anaximander und die Anfänge der Philosophie“ (zuerst ), in: H. G.
Gadamer (Hg.), Um die Begriffswelt der Vorsokratiker () -, bes. -.
Aristoteles, Physik b - (Diels – Kranz A ).
Dazu J. Assmann, Theologie und Weisheit im alten Ägypten () -.
In einem ganz ähnlichen Kontext sagt Heraklit, Diels – Kranz B , das Eine Weise (d. h.
Gott) steuere (ἐκυβέρνησε) alles durch alles hindurch.
294 Archiv für Religionsgeschichte, 10. Band, 2008
Aber der Gott des Xenophanes ist Geist (νόος) und kein anonymer Abgrund der
Welt wie das göttliche Apeiron Anaximanders. Er ist von der Welt durch seine
Seinsweise prinzipiell verschieden, also transzendent.
Mit Xenophanes beginnt darum etwas wahrhaft Neues, dessen Geschichts-
mächtigkeit gar nicht überschätzt werden kann: ein Monotheismus durch Ontologie.
Die Verwandlung von Theologie in Ontologie auf der Grundlage des Einheitsge-
dankens, die sich bei Xenophanes anbahnt und dann von Parmenides vollstreckt
wird, ist für den Gottesbegriff der Metaphysik dauerhaft bestimmend geworden,⁷⁰
bis hin zu Hegel und Schelling, und bis zu den ontotheologischen Denkversu-
chen der Gegenwart. Die jüdische, christliche und islamische Rezeption der grie-
chischen Metaphysik hat diese Umwandlung auf dem Boden der drei mosaischen
Religionen nachvollzogen: sie vollzieht die Einschmelzung des überweltlichen
Gottes der Bibel und des Korans in eine henologische Ontotheologie durch seine
konsequente Reinigung von allen anthropomorphen Vorstellungsresten unter dem
Vorzeichen einer negativen Theologie. Insofern hatte Nikolaus von Kues durchaus
recht, wenn er bei Christen, Juden, Moslems und Philosophen denselben Gott
fand, denn sie alle verehren den Einen Gott, mehr noch, sie verehren in Gott das
Eine.⁷¹
Grundlegend bleibt dazu D. Henrich, Der ontologische Gottesbeweis. Sein Problem und seine
Geschichte in der Neuzeit (²). Vgl. auch J. Halfwassen, „Sein als uneingeschränkte
Fülle. Zur Vorgeschichte des ontologischen Gottesbeweises im antiken Platonismus“, Zeit-
schrift für philosophische Forschung () -.
Vgl. z. B. Nikolaus von Kues, De docta ignorantia, Liber I, cap. -.