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Automotive-Projekte („Single-PM“)
In der Automobilindustrie und auch innerhalb der Unternehmen der Branche herr-
schen relativ unterschiedliche Vorstellungen über Projekte. Vielfach werden Aufga-
benstellungen zum Projekt erklärt, um sie für die Verantwortlichen und Beteiligten
interessanter zu machen. Deshalb werden zu Anfang dieses Kapitels einige grundle-
gende Begriffe in Kurzform geklärt, soweit dies für das Verständnis erforderlich ist.
Generelle Projektmanagement-Grundlagen und Methoden werden allerdings nur im
Zusammenhang mit den Besonderheiten von Automotive-Projekten erläutert. Insbe-
sondere wird auf Projektmanagement-Vorgehensweisen und Methoden eingegangen,
die bei Automotive-Projekten verbreitet sind oder denen aufgrund der Erfahrung der
Autoren und der Erkenntnisse aus einschlägigen Untersuchungen29 besondere Bedeu-
tung zukommt.
Nach DIN 69901-5 ist ein Projekt ein Vorhaben, das gekennzeichnet ist durch:30
Einmaligkeit
Zielvorgabe (Kosten, Termin, Qualität)
Zeitliche, finanzielle und personelle Begrenzungen
Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben (Rahmenbedingungen)
Projektspezifische Organisation (Team...)
Durch die oben genannten Projektkriterien ergeben sich zwangsläufig besondere An-
forderungen an die Führung und das Management eines solchen Vorhabens, das ei-
gentliche „Projektmanagement“.
23
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
G. Hab und R. Wagner, Projektmanagement in der
Automobilindustrie, DOI 10.1007/978-3-658-10472-6_2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Projekte sind keine Routinevorgänge, sondern zeichnen sich durch eine gewisse Ein-
maligkeit aus. Das heißt, dass Anforderung und Aufgabenstellung in aller Regel unter-
schiedlich sind. Das bedeutet aber nicht, dass Strukturen und Methoden unterschied-
lich sein müssen. In der Automobilindustrie geht es auf Herstellerseite immer um
gesamte Fahrzeuge und bestimmte Komponenten. Die Zulieferer haben sich oft auf
bestimmte Produkte, Komponenten, Baugruppen oder Systeme spezialisiert. Dadurch
sind die Strukturen von Projekt zu Projekt relativ ähnlich, auch wenn durch ständige
Innovation immer neue Anforderungen und Erkenntnisse in die Projekte einfließen.
Damit lassen sich zumindest die Projektmanagement-Prozesse und Methoden zum
großen Teil standardisieren.
Wir wollen uns in den folgenden Ausführungen auf die klassischen Projektarten in der
automobilen Wertschöpfungskette konzentrieren, das sind im Wesentlichen die Fahr-
zeugentwicklungs- und Betriebsmittel-Projekte. Diese Projektarten sind typisch für die
Automobilindustrie und bringen auch die „automotive-spezifischen“ Anforderungen
mit sich. Sie finden sich im Modell des VDA wieder.31
24
Management einzelnerAutomotive-Projekte („Single-PM“)
2
Automotive-Projekte dauern in vielen Fällen länger als ursprünglich geplant, sprengen
den Kostenrahmen und benötigen mehr Ressourcen als vorgesehen. Wichtige Termine
und entscheidende Arbeitsergebnisse werden nicht systematisch vorbereitet und
„wandern“ deshalb auf der Zeitachse. Abhängigkeiten der verschiedenen Aktivitäten
untereinander werden zu spät oder gar nicht erkannt. Meist werden aber durchaus
hohe Erwartungen mit der Aufgabenstellung verbunden und Auftraggeber wollen
konkrete Ergebnisse sehen. Dadurch entstehen Frustration und Konflikte bei allen
Beteiligten.32
Systematisches Projektmanagement kann hier Abhilfe schaffen. Der Prozess, nach dem
Projekte ablaufen, ist vielschichtig und komplex. Alle Aktivitäten beeinflussen sich
gegenseitig und bauen aufeinander auf. Die Frage ist, auf welchem Weg und wie
schnell ein Projektleiter zu einem fundierten Projektplan und so zu einer erfolgreichen
Realisierung des Projekts kommen kann. Dieses Thema steht im Mittelpunkt dieses
Kapitels.
Management Führung
(Sache) (Mensch)
Systematik Ziele Rollenverteilung
und Strukturen Teamarbeit
Planung Kommunikation
Methodik Analyse Moderation
Steuerung Zielvereinbarungen
Formulare Organigramm
Checklisten Funktionsdiagramm
Hilfsmittel DV-Tools Spielregeln
und Vorlagen- und Besprechungen
Standards Präsentationstechn.
Werkzeuge
25
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Projektmanagement ist eine Vorgehensweise zur ergebnisorientierten Planung und
Steuerung. Damit steht die Frage nach der „Effektivität“ (die „richtigen“ Dinge tun)
im Vordergrund. Denn was nützt es dem Projektleiter, wenn er mit viel Aufwand und
Engagement ein perfektes Produkt entwickelt hat, die Anforderungen des Kunden
aber nicht ausreichend berücksichtigt sind? In zweiter Linie wird natürlich auch die
„Effizienz“ der Projektarbeit gesteigert, indem bewährte Methoden und Tools (Check-
listen, Vorlagen etc.) zur Anwendung kommen, die das Vorankommen erleichtern.
Diese ergebnisorientierte Sichtweise wird im folgenden Kapitel erläutert.
26
PM-Erklärungsmodell und Einordnung in Prozesse der Automobilindustrie
2.1
Abbildung 2-3: Erklärungsmodell zum Automotive Projektmanagement-Prozess
Projektmanagement-Prozess
Projektorganisation
Qualitätsmanagement-System
Kommunikation + Teamarbeit
Steuerung+
Definition Planung Änderung Abschluss
Standard-Automotive Geschäftsprozesse
27
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Im Projektmanagement-Prozess werden alle Themen behandelt, die Planung und
Steuerung des Projekts betreffen (Managementaufgaben). Hier werden folgende Fra-
gen beantwortet: Wer? Macht was? Bis wann? Und damit wird der terminliche Fort-
schritt gewährleistet. Der fachliche Inhalt, die eigentliche „Arbeit“, wird im „Fahr-
zeugentwicklungs-Prozess“ geleistet. Hier stellt sich die Frage nach dem Wie.
Projektorganisation
Kommunikation + Teamarbeit
Steuerung+
Definition Planung Änderung Abschluss
Konzeption
Produktentwicklung und Verifizierung
Serienanlauf
Serienproduktion
A B C D E F G
Projekt- Freigabe Freigabe Freigabe z. Freigabe Freigabe Ab-
auftrag/ zur Grob- zur Detail- Detailplanung Beschaffung u. zur Serien- schluß
-anfrage entwicklung entwicklung Produktions- Herstellung Produktion (Kamm
Prod. + Proz. Produkt prozess Produktions- (SOP/Job#1) -linie)
mittel
28
PM-Erklärungsmodell und Einordnung in Prozesse der Automobilindustrie
2.1
Wesentliche Voraussetzung für ein funktionierendes Projektmanagement in der Fahr-
zeugentwicklung sind stabile technische Prozesse. In den meisten Unternehmen der
Automobilindustrie sind diese auch mehr oder weniger standardisiert vorhanden.
Problematisch ist, dass die Prozesse bei manchen Automobilzulieferern nur zu „Zerti-
fizierungszwecken“ eingeführt wurden und nicht richtig „gelebt“ werden. Damit wird
auch das Projektmanagement erschwert.
Besondere Komplexität für das Projektmanagement ergibt sich aus dem Sachverhalt,
dass in Fahrzeugentwicklungsprojekten in der Regel parallel am Produkt und an der
Produktionsanlage entwickelt wird. Abbildung 2-5 zeigt am Beispiel eines Fahrzeug-
herstellers den Zusammenhang nochmals deutlich auf.
Produktentwicklung
Design
Konstruktion Freigabe PVS O-S SOP
Vor-Prototypen Prototypen
Optimierung Abnahme
Produktionsanlagenentwicklung
Für die Koordination der parallel laufenden Prozesse spielen Meilensteine und Syn-
chronisationspunkte eine wesentliche Rolle. Im Kapitel 2.4 wird auf dieses Thema im
Detail eingegangen. Wichtige „Top-Meilensteine“, die sogenannten „Quality Gates“
(nach VDA 6 und QS 9000) und die wesentlichen Prozesse in der Gesamtfahrzeugent-
wicklung zeigt das folgende Beispiel (Abbildung 2-6).
37 Quelle: Volkswagen AG
29
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-6: Gesamtfahrzeugentwicklungsprozess 38
Die große Bedeutung der Meilensteine für ein erfolgreiches Projektmanagement in der
Automobilindustrie ist hinreichend bekannt. Besonders wichtig erscheinen uns die
Meilensteine in den frühen Phasen eines Projektes. Gerade die strategischen Meilen-
stein-Entscheidungen in der Angebotsphase wie Anfrageselektion, Angebotsfreigabe
und Projektfreigabe werden bei den Automobilzulieferern noch vielfach vernachläs-
sigt. Auf die praktische Umsetzung der Meilensteinplanung im Projekt wird in Kapitel
2.4 vertiefend eingegangen.
38 Quelle: Bertrandt
30
PM-Erklärungsmodell und Einordnung in Prozesse der Automobilindustrie
2.1
In der folgenden modellhaften Darstellung des Projektmanagement-Prozess sind die
Methoden und Ereignisse zusammengefasst, mit denen der Projektmanager sein Au-
tomotive-Projekt planen und steuern kann. Sie lassen sich auf eine Vielzahl von Pro-
jektarten und -ebenen anwenden und sind wie die „Tasten eines Klaviers, auf dem der
Projektleiter spielt“. Wie bereits am Anfang des Kapitels erwähnt, lässt sich der PM-
Prozess in die Phasen Definition, Planung, Steuerung und Abschluss gliedern. Diesen
Phasen können dann die entsprechenden Methoden und Ereignisse zugeordnet wer-
den. Damit entsteht ein Modell, das wie ein Baukasten aufgebaut ist und analog zum
Entwicklungsprozess als Standard für bestimmte Projektarten im Unternehmen ver-
einbart werden kann. Ganzheitlich betrachtet fehlt in dieser sachorientierten Darstel-
lung allerdings noch der Faktor „Mensch“. Nachdem empirisch nachgewiesen ist, dass
die „weichen Faktoren“ der Führung, Kommunikation, Beziehungen und Zusammen-
arbeit zu mehr als 50% über den Erfolg von Projekten entscheiden, wurde dieser As-
pekt in Abbildung 2-7 besonders hervorgehoben.
Projektmanagement-Prozess
Projektorganisation
Kommunikation + Teamarbeit
Steuerung+
Definition Planung Änderung Abschluss
31
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Der „PM-Prozess“ stellt die PM-Methoden und Ereignisse, die in den einzelnen Pha-
sen der Fahrzeugprojekte zur Anwendung kommen im Überblick dar. Werden die hier
aufgeführten Methoden konsequent angewandt, so können besonders in der kritischen
Anlaufphase von Fahrzeugprojekten die Früchte geerntet werden. Der Nutzen der
Investition in professionelles Projektmanagement äußert sich dann in reduzierten
Änderungsschleifen, geringerem „Troubleshooting“ und höherer Produktqualität zum
Serienbeginn. Faktoren, die gerade in der aktuellen Situation der Automobilindustrie
besonders wichtig sind. Abbildung 2-8 visualisiert diesen Zusammenhang.
Planungs-/
Koordinations- Projektabwicklung ohne PM Eskalation der Probleme
aufwand Projektabwicklung mit PM
Problem-
erkennung
Endtermin Zeit
39 Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 7
32
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
2.2 Organisation im Automotive-Projekt
Die Person des Projektleiters spielt erfahrungsgemäß eine zentrale Rolle in Projekten.
In Automotive-Projekten scheinen die Anforderungen besonders hoch zu sein, weil sie
durch ihren technologischen Anspruch Projektleiter erfordern, die zum einen gute
Manager sind und zum anderen ein Gesamtverständnis für die Prozesse und Techno-
logien der Fahrzeugentwicklung und -produktion besitzen. Damit ist der Automotive-
Projektleiter eher ein Generalist. Abbildung 2-9 zeigt schematisch die Abgrenzung des
Kompetenzprofils zu klassischen Fach- bzw. Führungskräften.
Fachkompetenz
_
_
Methodenkompetenz
Sozialkompetenz
Fachmann ---
Führungskraft ........
_
_
_
Projektleiter ____
_
Persönlichkeitskompetenz
Als Projektleiter sehen wir hier nicht nur die Stars, die auf oberster Ebene eines Fahr-
zeugprogramms als Gesamtprojektleiter agieren. Den gleichen Anforderungen, wenn
auch mit eingeschränktem Verantwortungsbereich, unterliegen auch Projektleiter und
Arbeitspaketverantwortliche auf den darunter liegenden Ebenen eines Gesamtpro-
jekts, sei es beim OEM oder bei Zulieferern und Entwicklungsdienstleistern.
33
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Das organisatorische Zusammenwirken der verschiedenen Projektebenen und Hierar-
chien, auf denen Projektleiter agieren, wird im folgenden Abschnitt unter „Projektor-
ganisation“ erläutert. Die folgende Auflistung (Abbildung 2-10) zeigt eine unvollstän-
dige Auswahl von Projektleiter-Positionen in der Automobilindustrie, die sowohl auf
Hersteller- als auch auf Zuliefererseite relevant sind.
Fahrzeug-/Baureihen-Programm Manager
Gesamtfahrzeugprojektleiter/-manager
Entwicklungs-Projektleiter/-manager
Betriebsmittel-/Produktionsanlagen-Projektleiter/-manager
Bereichsprojektleiter
Funktionsgruppen-Sprecher / Modul-Teamleiter
Teilprojektleiter Bereich xy
SE-Teamsprecher, etc.
Arbeitspaketverantwortliche
Abhängig von der jeweiligen Projektleiter-Rolle, Ebene der Projekthierarchie und vom
Unternehmensumfeld sollte für jeden Projektleiter eine klare Funktionsbeschreibung
vorliegen. Sie definiert Aufgaben, Befugnisse/Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und
notwendige Fähigkeiten. In Unternehmen der Automobilindustrie mit einer reifen
Projektmanagement-Organisation gibt es Standard-Funktionsbeschreibungen für
verschiedene Führungsfunktionen im Projekt. Durch den unternehmensspezifischen
Standard muss nicht von Projekt zu Projekt neu ausgehandelt werden, was der Pro-
jektleiter darf oder nicht. Abbildung 2-11 zeigt beispielhaft eine Auswahl wesentlicher
Funktions-Kriterien für Projektleiter in der Automobilindustrie. Sie kann als Checkliste
für die Entwicklung eines unternehmensspezifischen Standards verwendet werden.
Dabei liegt die schwierigste Aufgabe darin, für die Projektleiter ausreichende Befug-
nisse bzw. Kompetenzen durchzusetzen. Die Aufgaben und die Verantwortung sind
meist schnell definiert. Widerstände gibt es bei der „Machtfrage“, weil größere Befug-
nisse der Projektleiter meist zu Lasten des etablierten Linienmanagements gehen.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Projektleitung ist die Regelung der „Mannschafts-
aufstellung“ im Projekt. Begrifflich wird dies oft als Projektorganisation und teilweise
fälschlich auch als Projektstruktur bezeichnet. Wir verwenden hier den Begriff Projek-
torganigramm, als Synonym für Darstellung und Inhalt der Projektorganisationsstruk-
tur.
34
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
Abbildung 2-11: Beispiel: Projektleiter – Funktionsbeschreibung
Befugnisse / Kompetenzen:
Präsentationsgeschick, Humor
Fachliche Kompetenz
DV-Hilfsmittel anwenden können, Organisationstalent
„Rückgrat“ intern und gegenüber Kunden
35
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.2.2 Projektorganigramm als Instrument der Rollen-
klärung
„Die richtigen Leute einzustellen ist das Beste, was ein Manager tun kann.ʺ Lee Iacocca, US-
amerikanischer Industriemanager
Projektleiter (PL) PL
Kernteam /
Teilprojekt- TPL TPL TPL TPL TPL
Leiter (TPL)
Erweitertes
ooo
Team / APV APV APV APV APV
Arbeitspaket-
Verantwortliche
(APV)
36
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
Das Ganze kann natürlich beliebig um übergeordnete Lenkungsgremien wie den Pro-
jekt-Steuerkreis, Auftraggeber, Partner im Projekt bzw. Lieferanten und sonstige pro-
jektrelevante Fach-Experten erweitert werden. Das folgende Beispiel (Abbildung 2-13)
zeigt die Teamorganisation eines Systemlieferanten.
Projektrahmenorganisation
Kunde Projekteinzelorganisation
PL
Contr.
Q AV
PMA
Vertrieb
PMA L
PMA
AV Werk
Kernteam
Fachteam
Entwicklung PI PMA PMA
Ein-
kauf
PMA ...
PMA Q
Lieferanten
Die Aufteilung der Verantwortungsbereiche hängt immer von der Art des Projektes ab.
Bei Fahrzeugentwicklungsprojekten kann das Kernteam folgende Funktionen bein-
halten:
Gesamtprojektleiter/Programm Manager
Teilprojektleiter Entwicklung/Design
Teilprojektleiter Einkauf/Beschaffung
Teilprojektleiter Produktionsvorbereitung/Betriebsmittel
Qualitätsmanager
Projektcontroller/-supporter
40 Quelle: Webasto
37
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Das erweiterte Team erfordert neben den klassischen Arbeitspaket-Verantwortlichen
bei Fahrzeugentwicklungsprojekten z.B. Vertreter folgender Funktionen:
Vertrieb
Logistik
Lieferanten
Produktion
Serienbetreuung/Service
Fabrikplanung/Arbeitsvorbereitung
Abbildung 2-14 zeigt das Projektorganigramm einer Gesamtfahrzeugentwicklung aus
Sicht des Entwicklungsdienstleisters, der in diesem Fall als Integrationspartner des
Automobilherstellers auftritt.
41 Quelle: Bertrandt
38
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
Abbildung 2-15 zeigt das Projektorganigramm für eine neue Fahrzeug-Baureihe eines
Automobilherstellers.
Strategischer
Projektunterstützer
Projektleiter
Auf der Ebene der Teilprojekte innerhalb eines Gesamtfahrzeugprojekts spielt der
Bereich Produktionsanlagen eine besondere Rolle. Aufgrund der Komplexität dieses
Projektumfangs und der unterschiedlichen Aufgabenstellung im Gegensatz zur klassi-
schen Entwicklung sehen die Verantwortungsbereiche im Projektorganigramm etwas
anders aus. Es findet sich häufig folgende Aufteilung:
Projektleiter
Projektkaufmann/-controller
Teilprojektleiter Engineering
Teilprojektleiter Mechanik
Teilprojektleiter Elektrik
Einkäufer
Baustellenleiter
Abbildung 2-16 zeigt das fiktive Beispiel für ein Anlagenprojekt.
42 Quelle: Daimler
39
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-16: Beispiel: Projektorganigramm Produktionsanlagen (fiktiv)
Projektleiter
Franz Fleissig Maria Fein Einkauf Fremdumfänge und Großteile
Ass.: Helga Gut Lieferantenkoordination
NN Qualitätsmanagement
Generell gilt, dass ein Projektorganigramm immer durch Personen definiert ist und
deshalb diese auch namentlich dort dokumentiert sein müssen. Eigentlich selbstver-
ständlich, aber die Erfahrung hat uns gelehrt, dies explizit zu fordern. Für jeden Pro-
jektleiter und Teilprojektleiter ist eine verbindliche Stellvertreterregelung zu treffen,
die auch namentlich im Organigramm dokumentiert sein muss. Damit wird Klarheit
geschaffen, Verfügbarkeit sichergestellt (zumindest auf dem Papier) und Mehrfachbe-
lastung von Mitarbeitern offenbar.
Das Kernteam sollte nicht mehr als 7 Personen umfassen (Effizienz, Kommunikation
und Zusammenarbeit), d.h. bei größeren Projekten muss aus Gründen der Effizienz
mehr Verantwortung in Form von Arbeitspaketen delegiert werden. Bei kleineren
Projekten müssen mehrere Verantwortungsbereiche von einer Person abgedeckt wer-
den bzw. bestimmte Funktionen in der Linienorganisation durch Arbeitspakete abge-
wickelt werden.
Der Projektleiter erstellt und pflegt das Organigramm. Die Besetzung der einzelnen
Verantwortungsbereiche wird im Regelfall im Vorfeld des Projektstarts bzw. des Pro-
jektübergabegesprächs mit dem Linienmanagement abgestimmt. Die Art und Weise,
wie diese Abstimmung erfolgt und welchen Einfluss das Linienmanagement auf das
Projektgeschehen hat, hängt von der generellen Einbindung des Projekts in die Unter-
nehmensorganisation ab.
40
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
2.2.3 Einbindung in die Unternehmensorganisation
Automobil-Unternehmen stehen in wachsendem Maße vor dem Problem, dass die
gegebene Organisationsstruktur nicht den Anforderungen innovativer Produktent-
wicklungsprojekte gerecht wird. Als Folge wird eine Projektorganisation als zusätzli-
che Dimension zur Koordination der Produktentwicklung eingeführt. Dadurch steigt
natürlich die Komplexität der Gesamtorganisation.
Abbildung 2-17 zeigt das Schema einer Matrixorganisation mit den funktionalen Lini-
enbereichen (vertikal) und den Projekten als Querschnittsfunktion (horizontal). Die
interne Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung zwischen Projekt und Linie wird
durch die symbolisch dargestellten Arbeitspaket-Aufträge verdeutlicht.
41
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-17: Projektorientierte Matrixorganisation, schematisch
Unternehmensleitung
Projekt ..
A .. .. .. .
. . .
Projekt
.. ..
B . . ..
..
. .
Abbildung 2-18 zeigt auf 2 Ebenen das Beispiel der Matrixorganisation eines Gesamt-
fahrzeugentwicklers mit Produktionsanlagensparte. Bereichsübergreifend werden
Gesamtfahrzeugprojekte abgewickelt und die Projektleiter berichten direkt an den
Vorstand. Bereichsintern werden Dienstleistungs- und Anlagenprojekte abgewickelt.
Die Matrixorganisation, wie sie hier dargestellt ist, soll eine Klammerfunktion darstel-
len, zwischen der Linienorganisation einerseits und der Projektorganisation ander-
seits. Bedingt durch die unterschiedlichen Zielsetzungen beider Organisationsformen
(Linie = fachorientiert; Projekt = ergebnisorientiert), die beide berechtigt und notwen-
dig sind, ergeben sich zwangsläufig Konfliktpotenziale. Diese sollen mit Hilfe von
klaren Rollenverteilungen und Spielregeln minimiert werden. Details dazu erläutern
wir in Kapitel 3.4.
42
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
Abbildung 2-18: Beispiel: Matrixorganisation eines Gesamtfahrzeugentwicklers 44
PM: Projektmanager
PM AB: Anlagenbau
Fachbereiche Partnerfirmen
TE MP BM AB
PMO PMO PMO PMO PMO PMO
Int. NL´s
LA
PM
LA
PM
44 Quelle: EDAG
43
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.2.4 Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten
der Projektbeteiligten
Wesentliche Effizienzverluste in der Projektarbeit entstehen vor allem durch Unklar-
heit bei Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungsbereichen. Deshalb ist ein klares
Rollenkonzept bezogen auf die Aufgabenpakete und Meilensteine im Projekt unab-
dingbar. Auf dieser Basis kann ein ebenso einfaches wie wirkungsvolles Instrument
zur klaren Abgrenzung von Aufgaben und Verantwortungsbereichen eingesetzt wer-
den, das sogenannte Funktionendiagramm. Mit Hilfe einer Matrix werden die Zu-
ständigkeiten der Aufbauorganisation mit den Prozessschritten und Aktivitäten der
Ablauforganisation abgestimmt. Doppelarbeit und Verantwortungsvakuum werden
durch dieses Instrument vermieden. Es ist einfach in der Handhabung und stärkt das
Verständnis für das Zusammenwirken von verschiedenen Beteiligten im Rahmen
eines Projekts. Abbildung 2-19 zeigt das Schema.
Aufbauorganisation / Struktur
X = Verantwortlich
Projektsteuerkreis
Projektcontroller
o = Mitwirkung
Linienmanager
Teammitglied
Projektleiter
Grundaufgaben
Vollständige Zielsetzung o o X
Ablauforganisation / Prozess
Projektstruktur / -Plan X o
Ressourcenplan / -Antrag X o
Ressourcen- / Gesamtfreigabe o X
Erarbeiten Detaillösungen X o
Stimmigkeit Gesamtlösung o o X
Istwerterfassung (Projektstatus) o o X
Bewertung Projektstatus X o
Vorschlag Korrekturen X o
Projektsteuer-Entscheidungen o X
Projektberichtswesen X o
44
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
Durch eine frühzeitige Erarbeitung des Funktionendiagramms (schon während der
Angebotsphase) und entsprechende Diskussionen im Vorfeld eines Projektes wird die
Identifikation des einzelnen Mitarbeiters mit seiner Aufgabe gestärkt und Konflikte
vermieden. Abbildung 2-20 zeigt das Beispiel eines Funktionendiagramms für ein
„Key 1“-Projekt.
Teilprojekt-
Teilprojekt-
Verwaltung
Infor-
männische
Geschäfts-
(Konstruktion) mations-
Gesamt-
lieferant
Leitung
leiter 1
leiter 2
leitung
Kunde
Office/
führer
transfer
Back-
Kauf-
Sub-
Aufgabenbereich / Aufgaben
Sonderprojekte / Mehrleist.
1.3 K I I P P 1x / Woche
(Fuktionsm ., RPS, PDM,DMU)
Schnittstellenbetreuung
2. E,P I I I Eg 1x / Woche
(Datentransfer ...)
7. Personal / Ressourceneinsatz E M M M P
45
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Das in der Praxis immer wieder auftretende Phänomen, dass nachgelagerte Prozess-
funktionen Informationen für vorgelagerte Prozessfunktionen bewusst nicht zur Ver-
fügung stellen, um sich am Ende als „Retter des Projektes“ feiern zu lassen, wird da-
durch vermieden. Auch „Kompetenzgerangel“ zwischen Linie und Projekt kann
mittels Funktionendiagrammen unterbunden werden.46 Im englischsprachigen Raum
hat sich der Begriff „RASIC“-Chart durchgesetzt, wobei die Buchstaben jeweils für
„Responsible, Approve, Support, Inform, Consult“ stehen.
Abbildung 2-21 auf der nächsten Seite zeigt das Beispiel einer SE-Team-Struktur in der
Fahrzeugentwicklung. Im SE-Hauptteam werden Vorgaben, Lösungen und Entschei-
dungen abgestimmt, die das gesamte Fahrzeug bzw. die Schnittstellen zwischen den
Modulen oder Haupt-Funktionsgruppen betreffen. Dies ist die Ebene des technischen
Projektmanagements. Innerhalb der Module gibt es je nach Komplexität des Moduls
noch eine Unterstruktur, die wieder ein entsprechendes Team erforderlich macht. Für
den Entwicklungsprozess eines jeden Submoduls oder einer jeden Funktionsgruppe
arbeiten dann die einzelnen Fachabteilungen prozessorientiert zusammen. Deren
Koordination erfolgt in einem interdisziplinären, prozessorientierten SE-Team mit je
einem Vertreter aus jeder Abteilung.
46
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
Abbildung 2-21: Beispiel: SE-Teamstruktur Gesamtfahrzeugentwicklung 48
Interieur
Elektrik Exterieur
SE-Hauptteam
Fachliche Abstimmung
Gesamtfahrzeuge
Dichtungen Klappen
Türen Modulorientierung
Entwicklung Prozessorientierung
Montageein-
Elektrik Modulteam / richtungen
Funktionsgruppe (Serie)
Presswerk-
CAE
zeuge
(Serie)
Versuch
Prototypen Rohbau-
anlagen (Serie)
Projektarbeit ist in den meisten Fällen Teamarbeit. Vielfach sind die Beteiligten aber
noch kein Team, weil ihnen das Bewusstsein dafür fehlt oder sie mehr oder weniger
wegen der „Verfügbarkeit“ oder „Anordnung von oben“ zusammenarbeiten. Zwi-
schenmenschliche Probleme und Konflikte sind dann vorprogrammiert.
Aus der Erfahrung vieler schwieriger oder gescheiterter Projekte haben sich einige
Erfolgsfaktoren für Teamarbeit herauskristallisiert (siehe Abbildung 2-22).
48 Quelle: EDAG
47
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-22: Erfolgsfaktoren von Projektteams
Ein erfolgreiches Projektteam zeichnet sich im Wesentlichen durch folgende Kriterien aus:
Je nach Größe und Zusammensetzung (Teammitglieder kennen sich bereits bzw. arbei-
ten zum ersten Mal zusammen) eines Projektteams ist eine aktive Teamentwick-
lungsmaßnahme Voraussetzung dafür, dass ein Team optimal zusammenarbeitet. Der
Faktor „Mensch“, also die Fähigkeit zur Kommunikation und Zusammenarbeit, ent-
scheidet zu über 50% über den Erfolg / Misserfolg eines Projektes. Somit ist eine
Zeitinvestition in die Teamentwicklung ratsam. Damit die Phasen zügig durchlaufen
werden, kann die Teamentwicklung „aktiv“ durch einen professionell moderierten
Workshop gefördert werden.
Die Realität zeigt, dass die einzelnen Phasen nicht übersprungen werden können,
ohne dass sich dies negativ auf das Leistungsniveau des Teams auswirkt. Es gibt je-
doch viele Teams, die in den Phasen 1 oder 2 „stecken bleiben“ und in der Folge rela-
tiv schlecht zusammenarbeiten und keine Effizienz zeigen. Am Ende der Teamarbeit
kann dann auch noch eine Phase des Abschieds/Adjourning durchlaufen werden. Hier
heißt es voneinander Abschied nehmen, Anerkennung zeigen für das gemeinsam
Geleistete sowie Lernen für zukünftige Projekte.
48
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
In immer mehr Automotive-Projekten kommen „virtuelle Teams“ zum Einsatz, die
nicht an einem Standort zusammenarbeiten, sich nur temporär persönlich sehen und
intensiv über elektronische Medien kooperieren. Bei dieser Art von Teamarbeit sind
die Entwicklungsphasen besonders deutlich und müssen aufgrund der räumlichen
Distanz bewusst gestaltet werden. Ein tragfähiges Wir-Gefühl, das effiziente Hochleis-
tungsteams charakterisiert, kann ohne das Durchlaufen dieser Phasen nicht entstehen.
Hierin liegt jedoch häufig das Problem: Nicht selten wird gerade die “unangenehme“
Aufbruchsphase umschifft oder ihr Durchleben unterdrückt bzw. kontraproduktiv
abgekürzt, obwohl gerade in dieser Phase die Grundlage erfolgreicher Teamarbeit
geschaffen wird. Die Distanz bei virtuellen Teams „lädt“ förmlich dazu ein, Mei-
nungsverschiedenheiten, Akzeptanzprobleme und Reibungspunkte zu verdrängen
und das bewusste Durchleben dieser Phase zu vernachlässigen. Das äußert sich dann
in Leistungsabfall, erkennbar u.a. durch folgende Signale: Termine werden nur noch
bedingt eingehalten oder geschoben; das Projekt nimmt in der „Prioritätenliste“ der
Teammitglieder eine zunehmend nachrangige Position ein; Team-Mitglieder springen
ab; Missverständnisse häufen sich; die Anzahl von Absprachen aufgrund wider-
sprüchlicher Wahrnehmungen steigt...
Spielregeln
Teampositionen und -rollen
ein klarer Arbeits-, Ablauf- und Kommunikationsplan
echtes Commitment der Teammitglieder zur Rollenverteilung, Aufgabenstellung
und Vorgehensweise
49
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-23: Beispiel: Agenda Teamentwicklungs-Workshop
Es wird ein verbindlicher Grobterminplan für das gesamte Projekt erstellt und gepflegt
Die Abstimmung der Arbeitspakete erfolgt auf Basis der Detailtermine, die zwischen den
Teilprojektleitern und der Linie vereinbart wurden.
Projektorganisation und Verantwortlichkeiten
50
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
Abbildung 2-25: Beispiel: Spielregeln im Projektteam Teil 2
Wir investieren Vertrauen und reden „mit einander“ und nicht „über einander“
Konflikte werde offen und sofort angesprochen und gemeinsam gelöst
Statusbesprechungen im Kernteam
Wenn eine Aktivität mit Verantwortlichkeit und Termin vereinbart wurde, so kümmert sich der
Verantwortliche selbständig und eigenverantwortlich um die Abarbeitung.
Eine Verfolgung der gleichen Aktivität durch mehrere Kernteammitglieder ist nicht effektiv und
nur in Ausnahmefällen (nach Abstimmung im Kernteam) möglich.
Den Teammitgliedern ist Ziel, Sinn und Zweck des Projektes klar; die einzelnen
Personen können sich mit der Aufgabe identifizieren und sehen einen echten per-
sönlichen Sinn in der Mitarbeit – das Verhältnis zwischen individuellen Interessen
und den Möglichkeiten, sich in das Projekt einzubringen, sind geklärt.
Der Vorgehensplan des Projektes ist von den Teammitgliedern gemeinsam erar-
beitet und verabschiedet worden.
51
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Das Verhältnis der Teammitglieder zueinander kann mit „funktionaler Vertraut-
heit“ umschrieben werden. Jedes Mitglied hat zu den anderen Teammitgliedern so
weit Vertrauen, dass es sich auf die anderen tatsächlich verlässt oder mögliche
Probleme aufgrund einer tragfähigen Beziehung sofort ansprechen kann.
Kommunikationskanäle sind eingerichtet, deren Einsatz ist eindeutig und für alle
Teammitglieder klar definiert. Alle halten sich an die getroffenen Vereinbarungen.
52
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
2.3.2 Kommunikation im Projekt regeln
Ein Großteil der fehlgeschlagenen Projekte scheitert nicht an der Technik, Organisation
oder fehlenden Teamfähigkeit, sondern schlichtweg an der Kommunikation. Damit ist
die Kommunikation zu einem der größten Risikofaktoren in der Projektarbeit gewor-
den. Wird berücksichtigt, dass für Projekte heute immer weniger Zeit zur Verfügung
steht und auch das Budget stark begrenzt ist, wird die Bedeutung einer optimalen
Kommunikation schnell deutlich.
Zeit
elektronische
Postsysteme
spez. Datenbanken
versetzt
spez. Planungssysteme
Groupware
Raum
zusammen entfernt
49 vgl. Wolf/Mlekusch/Hab (2006), Schulz von Thun (1983) und Mayershofer (1999)
53
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Technisch gesehen lässt sich Kommunikation im Projekt unterscheiden nach:
Sprachkommunikation
Textkommunikation
Bildkommunikation
Bei der Sprachkommunikation spielen die klassische persönliche Besprechung und
das Telefon sicher noch die größte Rolle. Erfahrungsgemäß wird dies so bleiben, weil
gerade im Projektmanagement nicht nur reine Sachinformationen ausgetauscht wer-
den, sondern viele Führungs- und Steuerungsinformationen auf der „nonverbalen“
und „emotionalen“ Ebene fließen. Dafür sind gute Beziehungen und persönliche Be-
gegnungen erforderlich. Ohne diese würde die Arbeit auch wenig Spaß machen.
Projektmanagement
Qualität
hoch Projekt-
workshop
mittel Projekt-
sitzung
Einzel-
niedrig gespräche
Ressourcen-
niedrig mittel hoch bedarf
54
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
Damit diese persönlichen Begegnungen auch bei räumlich verteilten Projektteams und
trotz des hohen Drucks des Tagesgeschäfts verbindlich stattfinden, braucht es klare
Regeltermine, die über einen langen Zeitraum von allen Beteiligten im Terminkalender
„geblockt“ werden. Der Aufwand, einen Besprechungstermin ad hoc zu vereinbaren,
ist um ein vielfaches höher, als einmal einen Regeltermin abzusagen. Das sollten alle
erfahrenen Projektleiter wissen. Abbildung 2-29 zeigt Regeltermine mit entsprechen-
der Frequenz bei einem Automobilhersteller.
Die digitalen Medien spielen durch die zunehmende Internationalisierung und stand-
ortübergreifendes Arbeiten eine immer größere Rolle. Die Internet-Technologie bietet
hier sinnvolle Möglichkeiten.
51 Quelle: Daimler
55
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Nach der Offenheit bzw. Sicherheit für die Nutzer lassen sich drei Anwendungsberei-
che unterscheiden:
Das Intranet steht einer begrenzten geschlossenen Gruppe zur Verfügung, z.B.
einem Unternehmen oder auch nur einer Projektgruppe.
Im Extranet wird dieser Kreis bereits erweitert, so wird z.B. ein externer Projekt-
partner oder Kunde in das interne Intranet mit einbezogen.
Das Internet stellt die Möglichkeit einer völligen Öffnung dar, also zur weltweiten
Kommunikation und einem entsprechenden Informationsaustausch.
Als gängige Kommunikationsform für Text und Bild im Projekt gilt die E-Mail. Das
Versenden von „elektronischer Post“ ist heute sicherlich eine der am meisten verbrei-
teten Kommunikationsmöglichkeiten. Neben der eigentlichen Textnachricht lassen
sich Dokumente aller Art als sogenannte „attachments“ anhängen und elektronisch
versenden. In der Projektarbeit wird dies insbesondere für den Austausch von elektro-
nischen Formularen und Vorlagen zwischen den Projektmitgliedern genutzt. Auch im
Bereich Terminplanung bietet sich dieses Medium an. So lassen sich z.B. zur Projekt-
organisation die Termine der Teammitglieder per Rückmeldung mittels E-Mail koor-
dinieren. Über die Zusammenstellung von Gruppen lassen sich für bestimmte The-
menbereiche die Empfänger festlegen. Die Auswahl der Gruppe hat dann eine Ver-
teilerfunktion. Der Vorteil dabei ist, dass auch wirklich nur die relevanten Empfänger
Nachrichten erhalten.
Für die Kommunikation von Sprache und Bild auf analoge oder digitale Weise bieten
sich Video- oder Webkonferenzen an. Videokonferenzen setzen auf beiden Seiten
aufwändige Technik voraus, deshalb setzen sich immer mehr die kostengünstigen
Webkonferenzen durch, die ähnliche Funktionalitäten zu geringeren Kosten bieten.
Jedoch ist eine ausreichende Übertragungskapazität Grundvoraussetzung für diese
Form der Kommunikation. Nur mit entsprechenden Bandbreiten lässt sich eine an-
sprechende Qualität hinsichtlich Bild, Daten und Sprache erreichen.
Projektportale im Internet sind ebenfalls auf die Unterstützung der Teamarbeit ausge-
richtet. Für die Kommunikation im Projekt stehen verschiedene Funktionselemente
zur Verfügung:
56
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
Messaging, Calendaring und Scheduling (also gemeinsame Nachrichten und Pla-
nungsräume), gemeinsamer „Projektnachrichten-Eingang“;
57
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Wer mit Menschen aus fremden Kulturen zusammenarbeitet, muss deren Sitten und
Gebräuche, Gefühle und Befindlichkeiten kennen und respektieren. Und er muss
umgekehrt auch dazu fähig sein, seinen Partnern aus anderen Kulturkreisen die eige-
nen Verhaltensweisen verständlich zu machen. Nur wer Unterschiede bewusst wahr-
nimmt, vermeidet Kosten, Zeitverluste, „Fettnäpfchen“ und Konflikte. Und er kann
die Synergieeffekte multikultureller Zusammenarbeit besser nutzen.
Der Projektmanager muss sich der kulturellen Unterschiede in der sozialen Etiket-
te (Begrüßungsrituale, Tischrituale, Sitzordnungen...) bewusst sein.
Alle Projektteilnehmer sollten das Projekt dazu nutzen, ihr Repertoire an sozialen
Verhaltensweisen im Arbeitsumfeld auszubauen.
58
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
Die vielleicht wichtigste Herausforderung internationaler oder interkulturell besetzter
Projekte besteht darin, kulturelle Unterschiede nicht nur zu integrieren, sondern als
echten Produktivfaktor im Projekt zu verankern. Gerade die Kreativität und Vielfalt
im Vorgehen unterscheiden internationale Projektteams positiv von rein nationalen
Teams. So kann z.B. die in Deutschland weit verbreitete Fokussierung auf qualitativ
hochwertige Produkte und technische Perfektion mit der in Frankreich eher vorherr-
schenden Orientierung an den Bedürfnissen des Kunden durchaus eine glückliche
Konstellation ergeben.
Ob es so weit kommt, hängt letztendlich von den Projektleitern und den Entscheidern
im Top-Management ab. Entscheidend ist deren Bereitschaft, internationale Projekt-
teams angemessen zu unterstützen und ihnen – auch über die unmittelbaren operati-
ven Erfordernisse hinaus – Freiraum zur Verfügung zu stellen. Dabei geht es etwa um
die Schaffung von Transparenz über die Ziele des Projekts, aber auch um das Aushan-
deln gemeinsamer Regeln der Zusammenarbeit sowie die Einigung auf Vorgehens-
weisen und Tools im Projektmanagement.
Hinzu kommt der Faktor Vertrauen, auf den international arbeitende Teams aufgrund
der geographischen Entfernung und der schwierigen Kommunikationsbedingungen
weitaus stärker angewiesen sind als herkömmliche Projektteams. Wird in der Definiti-
onsphase gezielt in dieses Vertrauen investiert, ist in späteren Phasen mit erheblichen
Kosteneinsparungen aufgrund von gesteigerter Produktivität zu rechnen. In der Pra-
xis hat es sich bewährt, Start-Workshops mit dem gesamten Kernteam und mit Unter-
stützung von (internen oder externen) Prozessbegleitern durchzuführen. Während
solcher Start-Workshops lernen sich die Teilnehmer persönlich kennen und klären ihre
Erwartungen, Ziele, die Kommunikationswege und -medien sowie die Rollen einzel-
ner Teammitglieder im Projekt (siehe 2.3.1).
59
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.3.4 Informationsfluss im Projekt gestalten
Das klassische Informationsmanagement in den Unternehmen der Automobilindustrie
ist häufig noch nicht optimal auf die Projektarbeit ausgerichtet. Bei der Entwicklung
der IT-Infrastruktur und Installation entsprechender Software haben in der Vergan-
genheit die Anforderungen kommerzieller (ERP-System) und technischer Prozesse
(CAD, Simulation, DMU) klar dominiert. Über das weit verbreitete „Office-Paket“ sind
viele Unternehmen nicht hinausgekommen. Dementsprechend unübersichtlich sind
die Ablagen und elektronischen Verzeichnisse der Projektteams. Das Ablegen und
Wiederfinden von Dokumenten in der aktuell gültigen Version bereitet Projektleitern
und -mitarbeitern immer wieder „Kopfzerbrechen“.
Damit alle Projektbeteiligten auf dem aktuellen Informationsstand sind, sollte das
Projektmanagement einige Punkte beherzigen: 53
Sorgen Sie dafür, dass die strategische Ausrichtung des Projekts (Vision, Ziele,
Planung) dokumentiert und für jeden Mitarbeiter zugänglich ist, zum Beispiel auf
einer Projekt-Homepage im Intranet.
Legen Sie sich im Voraus auf die Dokumentationsform der Arbeitsergebnisse fest,
die im Projekt erzeugt werden sollen. Orientieren Sie sich dabei an den Projektpro-
zessen. Verwenden Sie standardisierte Dokumentvorlagen.
Erstellen Sie eine Übersicht Ihrer Werkzeuglandschaft und bilden Sie Ihren Infor-
mationsbedarf darauf ab.
Legen Sie Verteilerkreise für die verschiedenen Ergebnistypen fest. Orientieren Sie
sich an diesen, wenn Sie zu Besprechungen einladen. Verteilerkreise können Sie
z.B. in einem Groupware-Server einrichten.
Einigen Sie sich auf eine Ablagestruktur und ordnen Sie die Ergebnistypen festen
Ablageorten zu. Diese Ordnung erleichtert es speziell Mitarbeitern ohne Detailwis-
sen, Informationen zu finden.
60
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
2.3
Erstellen Sie eine Übersicht der Daten, die für die Steuerung nötig sind. Prüfen Sie
dann, in welchen Werkzeugen diese Daten vorgehalten werden. Ergänzen Sie die
Funktionen der Werkzeuge. Die meisten lassen sich flexibel konfigurieren.
Über Intra- oder Internet können damit alle Projektbeteiligten immer die aktuellen,
verbindlichen Dokumente, Schriftverkehr, Zeit- und Kostenpläne abrufen. So vermei-
det die Projektleitung Konflikte zwischen unterschiedlichen lokalen Versionen von
Dokumenten. Bearbeitet ein Projektmanager gerade sein Projekt, so ist es in der Da-
tenbank für Änderungen durch andere gesperrt.
61
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.4 Definitionsphase als strategische Investition
im Automotive-Projekt
Der richtige Start eines Projekts hat wesentlichen Einfluss auf den Erfolg. Der Spruch
„Sag mir, wie dein Projekt startet, und ich sag dir, wie es endet!“ ist ja in der Projekt-
management-Welt hinreichend bekannt. Die Aktivitäten zum Start im Rahmen der
Definitionsphase behandelt dieses Kapitel. Besonders in der Zusammenarbeit zwi-
schen Auto-Hersteller und Zulieferer gibt es da viele Hürden zu überwinden. Von der
Initiierung über die Klärung der Ziele und Anforderungen (Lastenheft) bis zum Kick-
Off werden die wesentlichen Methoden, die Automotive-Projekten zum Erfolg verhel-
fen, erläutert.
Die Projektdefinition beinhaltet die Klärung der Ziele (Lastenheft), Strategien, Struktu-
ren, Verantwortlichkeiten und Zusammenarbeit im Projekt. Die klare Zieldefinition
bzgl. Produktergebnissen, Qualität, Termine und Kosten hilft allen Beteiligten „zielge-
richtet“ zu arbeiten und sich nicht mit Nebensächlichkeiten zu beschäftigen oder sich
zu verzetteln. Eine Projektstrategie, die über die Ziele des Unternehmens informiert,
hilft alle Projektmitarbeiter durch „Informationen über den Sinn und Zweck des Pro-
jekts“ zu motivieren. Strukturen wie ein Meilensteinplan und eine Produkt- oder An-
lagenstruktur bringen Transparenz und Übersichtlichkeit. Die Klärung von Verant-
wortlichkeiten und Informationsflüssen mit Hilfe von Organigrammen, Funktionen-
diagrammen und Spielregeln liefern die Grundlage für eine reibungsarme, effiziente
Zusammenarbeit.
In vielen Fällen fehlt vor allem den Zulieferern eine klare Systematik für den Start von
Fahrzeugentwicklungsprojekten. Handlungsorientierung bestimmt das Geschäft. D.h.,
wenn vom Auftraggeber „grünes Licht“ erteilt wurde, wird sofort mit der Arbeit be-
gonnen. Für die Erarbeitung einer gemeinsamen Strategie und eines entsprechenden
Projektplanes haben die Beteiligten vermeintlich „zu wenig Zeit“. Da sie eh zu spät
dran sind, darf also „keine Minute verloren werden“. Das führt zu operativer Hektik
und Plan- bzw. Ziellosigkeit, das Gegenteil von Effektivität.
62
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Eine Situation, mit der viele Unternehmen der Branche zu kämpfen haben. Spätestens
zum Serienanlauf eskalieren dann Probleme, die bei frühzeitiger Klärung gar nicht erst
aufgetreten wären. Abbildung 2-30 verdeutlicht diesen Negativ-Kreislauf.
Reklamationen
vom Kunden
Ressourcen für
Eskalation von Brandbekämpfung
Problemen im gebunden
Serienanlauf
Notlösungen Anfrage/Auftrag
und Improvisation vom Kunden
Für einen professionellen Projektstart ist in erster Linie die Projektleitung verantwort-
lich. Sie muss sich um die notwendigen Ressourcen kümmern (Kernteam) und voll-
ständige Informationen und Unterlagen vom Auftraggeber (Management, Vertrieb,...)
einfordern. Gerade beim „Stapellauf“ des Projekts kann ein interner oder externer
Projektcoach wertvolle Unterstützung leisten. Die verschiedenen Aktivitäten des Pro-
jektstarts lassen sich am besten im Team erledigen. Damit steigt die Akzeptanz und
Transparenz für alle Teammitglieder. Hierfür werden verschiedene Gespräche und
Workshops organisiert. Das hat gleichzeitig den Vorteil, dass die Planungsarbeit, die ja
oft von dringlichem Tagesgeschäft verdrängt wird, einen festen Platz hat. Planungsge-
spräche und Workshops mit zielgerichteter Moderation erzeugen brauchbare Ergeb-
nisse und Entscheidungen in kurzer Zeit. Es ist wichtig, diesen Zeitaufwand zu inves-
tieren, damit alle Projektbeteiligten die gleiche Sprache sprechen und den gleichen
Informationsstand bekommen. Generell gilt, dass der Umfang der Aktivitäten zum
Projektstart stark von der Projektgröße und Komplexität abhängt.
63
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Bei kleinen Projekten lassen sich viele Dinge zusammenfassen und werden evtl. vom
Projektleiter alleine erledigt. Abbildung 2-31 zeigt den systematischen Prozess der
Projektdefinition im Überblick. Hierbei ist insbesondere der Unterschied zwischen
dem „Start-up“ oder Start-Workshop und dem später stattfindenden Kick-Off zu be-
achten. Im Start-up trifft sich der Projektleiter mit einem Kernteam aus 3–5 wichtigen
Personen, die das Projekt „aufsetzen“ und wesentliche Vorarbeiten leisten. Im Kick-
Off kommen dann alle Projektteammitglieder zusammen, um Einblicke in das Projekt,
die Planung und die jeweiligen Rollen zu gewinnen. Hierbei steht das „Commitment“
der Projektteammitglieder im Vordergrund, Aufgaben, Kompetenzen und Verantwort-
lichkeiten verstanden zu haben und auch damit einverstanden zu sein.
Auftragsklärung
Einlader: Auftraggeber
Projektübergabe- Teilnehmer: Projektleiter +
gespräch Linienmanagement
Moderation: PM-Coach
Projektdefinitionsphase
Start-
workshop
Einlader: PL
„Team- Teilnehmer: PL + Team
entwicklung“ Moderation: PM-Coach
Einlader: PL
Auftakt Teilnehmer: PL + Teams der
Workshop Vertragspartner
Moderation: PM-Coach
Einlader: PL
Teilnehmer: PL + Team + betroffene
Kick-Off-Meeting Mitarbeiter / Abteilungen
Moderation: PM-Coach
Meilenstein „Projektfreigabe“
Einen Überblick über die Ereignisse, PM-Methoden und -Unterlagen, die im Rahmen
der Projektdefinition zur Anwendung kommen können, zeigt beispielhaft die Check-
liste in Abbildung 2-32. Checklisten dieser Art helfen dabei, Aktivitäten nicht zu ver-
gessen und innerhalb eines Unternehmens eine einheitliche Vorgehensweise zu haben.
64
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Abbildung 2-32: Beispiel: Checkliste Projektdefinitionsphase
Checkliste Projektdefinition
Legende : AG = Auftraggeber, PL = Projektleiter, KT = Kernteam, PC = Projektcoach, VT = Vertrieb
47 . . . . . . .
(Projekt-Nr.) (Kunde) (Projektbezeichnung)
Wer Erledigt
1. Auftragsklärung
- kommerziell / Konditionen AG, VT
- technisch / Mengengerüst, Lastenheft (Ergebnisse)
- Generelle Anforderungen und Randbedingungen
2. Projektsteckbrief PL
5. Teamentwicklung PL + KT, PC
- Rollenverteilung und Persönliche Stärken
- Verantwortung / Aufgaben / Funktionen
- Information / Kommunikation
- Entscheidungsordnung
- Zusammenarbeit / Spielregeln
6. Auftaktworkshop PL + KT + Kunde
- Vorstellung der Projektorganisation und Aufgabenzuordnung + ggfs.
- Abstimmung der Grob-Meilensteinplanung Vertragspartner
- Abstimmung der Lastenheftvorgaben + Rahmenbedingungen PC
8. Vertragsprüfung / Auftragsbestätigung PL
65
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.4.2 Frontloading als Projektmanagement-Strategie
Generell beklagen viele Zulieferer eine zu späte und oft nicht klar geregelte Einbin-
dung in die frühen Entwicklungsphasen. In vielen Fällen dominieren noch Ausschrei-
bungen und Vergabeprozeduren wie Wettbewerbe das Verhältnis zwischen Hersteller
und Zulieferer. Eine frühzeitige Partnerschaft im Sinne einer gemeinsamen Optimie-
rung des Projektstarts und der Projektplanung ist dadurch nicht möglich. So werden
auch Innovationen verhindert. Besonders die Regelung der Aufgaben, Kompetenzen
und Verantwortlichkeiten wird vernachlässigt und führt später zu Schnittstellenprob-
lemen, Fehlern und Konflikten zwischen den Beteiligten. Aus Angst, eine genaue Fest-
legung könne zu Forderungen der Gegenseite führen, verzichten viele OEMs und
Systemlieferanten auf dieses Instrument. Es fehlt die Verbindlichkeit in der Projektab-
wicklung. Doppelarbeit und Fehler bzw. Versäumnisse sind vorprogrammiert.54
100%
Kostenverantwortung
Produktwissen
Erweiterung des
Produktwissens durch
Stärkung der frühen Phase
Freiheitsgrad
für Entscheidungen
Fertigungs-
vorbereitung
Konzept Entwurf Ausarbeitung ...
0%
Projektvorbereitung Serienentwicklung Serienlauf
66
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Ein modifizierter Fahrzeugentwicklungsprozess mit stärkerer Gewichtung der frühen
Phasen reduziert das Planungsrisiko durch eine starke Verkürzung der Entwicklungs-
zeit.56 Dies wird durch die weitgehende Parallelisierung der Entwicklungsprozesse
und den (fast) gleichzeitigen Start aller produktdefinierenden Teilprozesse zu Beginn
der Projektvorbereitung erreicht.
67
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.4.3 Auftragsklärung und Projektumfeldanalyse
ʺWenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu
schmieden.ʺ Konfuzius, chinesischer Philosoph
Besonders bei komplexen und strategischen Projekten, die viele externe und interne
Schnittstellen haben, liefert das Instrument der Projektumfeldanalyse wichtige Infor-
mationen zur Auftragsklärung. Darüber hinaus bilden die daraus gewonnenen Er-
kenntnisse auch eine wichtige Grundlage für die Zielklärung, spätere Risikoanalysen
und die Informationspolitik im Rahmen der Projektsteuerung.
68
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Nicht wenige Projekte sind schon an der Missachtung des politischen und sozialen
Umfeldes gescheitert oder haben zumindest vermeidbare Störungen und Behinderun-
gen dadurch erlebt.
Kunden Wettbewerber
Politik Lieferanten
Vertrieb Produktion
Projekt ...
Personal Fachabt.
Technik
Finanzen ...
Partner
Unternehmen
Wissenschaft
Kapitalgeber
Gesellschaft
69
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.4.4 Projektübergabe
Das Projektübergabegespräch58 soll einen schnellen und erfolgreichen Projektstart
sicherstellen, indem es frühzeitig zur Klärung fehlender Informationen und Entschei-
dungen beiträgt. Außerdem dient es dazu, langfristig die Disziplin im Vertrieb und die
Qualität der Angebotserstellung zu verbessern, weil unvollständige Unterlagen und
ungeklärte bzw. ungenaue Vertragsverhältnisse frühzeitig offenbar werden. Für den
Projektleiter bietet es die wichtigsten Informationen über das Projekt und seinen Sta-
tus. Es ist eine Besprechung im kleinen Kreis zwischen dem internen Auftraggeber des
Projekts (z.B. Geschäftsleitung bzw. Vertrieb), dem Projektleiter und betroffenen Res-
sourcenverantwortlichen aus der Linie. Im Fokus steht die Informationsweitergabe
und den Stabwechsel von der vorgelagerten Phase (z.B. Vorstudie, Vorentwicklung,
Akquisition, Vertrieb, Angebotserstellung) zum Projektleiter für die Serienentwick-
lung, Produktionsanlage oder Auftragsabwicklung. Der Ablauf ist aus folgender
Agenda ersichtlich (Abbildung 2-36).
70
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Eine Checkliste zur Projektübergabe ist ein wesentliches Führungsinstrument für den
Projektleiter. Mit ihr wird geklärt, welche Informationen für den Start des Projekts
vorhanden sind und welche noch fehlen. Abbildung 2-37 zeigt ein Beispiel.
Checkliste Projektübergabe
Kunde/Auftraggeber:
Projekt/Kundenauftrag:
Projektleiter:
übergeben erstellen/überarbeiten
Stand E Ü verantwortlich Termin
Angebotsunterlagen
• Anfragespezifikation
• Angebot mit Anlagen
• Angebotsschriftverkehr
• Angebotskalkulation
• Grobterminplan
• Projektsteckbrief
•
Verhandlungsergebnisse
• Auftragssumme + Währung
• Zahlungsvereinbarungen/Finanzierung
• Ein- und Ausfuhrbestimmungen
• Garantievereinbarungen
• Verhandelte Stundensätze
• Ecktermine, Meilensteine
• Standorte
• zus. techn. Vereinbarungen
• zus. kaufm. Vereinbarungen (z.B. local content)
• Projektorganisation vom Kunden, Ansprechpartner
• Auftragsnummer des Kunden
• letter of intent
• Verhandlungsprotokolle
•
Liefer- und Leistungsumfang:
• Verzeichnis und Beschreibungen
• Spezifikation/Lasten- und Pflichtenheft
• Fremdumfänge mit Angeboten
• Projektmanagement
• Beistellumfänge vom Kunden
• Ersatzteile
• Service/Wartung
•
Nachdem der Projektleiter jetzt in „Amt und Würden“ ist, muss er eine Projektstrate-
gie erarbeiten, die Mannschaft aufstellen und auf das Projekt einschwören. Dies ge-
schieht am besten in einer konzentrierten Teamklausur.
71
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.4.5 Projektstartklausur/-workshop
Um wichtige Projekte professionell einsteuern zu können, brauchen Projektleitung
und (Kern-)Team eine Phase der Kreativität und Konzentration frei vom Tagesge-
schäft. Eine je nach Projektgröße und Komplexität konzipierte Startklausur kann da
wahre Wunder bewirken. In diesem Rahmen wird alles geklärt und erarbeitet, was für
eine professionelle Projektdefinitionsphase erforderlich ist. Nicht nur Ziele, Struktu-
ren, Methoden und Strategien, sondern auch die Zusammenarbeit im Team spielen
dabei eine wichtige Rolle. Am Ende steht eine Präsentation vor dem internen Auftrag-
geber des Projekts, dem Projektsteuerkreis und/oder der Geschäftsleitung.
Der Startworkshop dient in erster Linie dazu, das Projekt zielgerichtet „in Fahrt zu
bringen“. Er informiert alle (Kern-)Teammitglieder über die Inhalte und Organisation
sowie die Ziele des Projekts und trägt somit zum systematischen, zielgerichteten Start
bei. Versäumnisse in der Definitionsphase des Projekts können später nur mit unver-
hältnismäßig großem Aufwand wieder kompensiert werden. Deshalb ist der systema-
tische Projektstart ein Erfolgsfaktor für jedes Projekt.
Organigramm (Verantwortlichkeiten)
Projektziele (Strategische-, Sach-, Termin- und Kostenziele)
Liefer- und Leistungsumfang/ Projektergebnisstruktur
Meilensteine / Mastertiming
Projektinfrastruktur, -ablage
Ablauf Änderungsmanagement
Mit der guten Vorbereitung durch den Projektleiter, ggf. unterstützt durch einen Mo-
derator, steht und fällt die ganze Veranstaltung. Je mehr Standards in einem Unter-
nehmen schon vorhanden sind, desto weniger Vorarbeit ist natürlich zu leisten. Gene-
rell gilt, dass der Umfang der Aktivitäten zur Projektdefinition stark von der Projekt-
größe abhängt. Bei kleinen Projekten lassen sich viele Dinge zusammenfassen und
werden evtl. vom Projektleiter alleine erledigt. Bei größeren Projekten ist eine Vorbe-
reitung des Workshops in einem größeren Team erforderlich.
Abbildung 2-38 zeigt anhand einer Agenda, wie eine Startklausur ablaufen kann.
72
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Abbildung 2-38: Beispiel: Agenda für Projektstartklausur/-workshop
73
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-39 zeigt das Workshop-Konzept eines Systemlieferanten. „PACT“ steht
für „Project Acceleration by Coaching and Teamwork“. Es geht also um eine Beschleu-
nigung des Projektes durch gezielten Einsatz von Coaching und Teamarbeit. In mehre-
ren aufeinander aufbauenden, moderierten Workshops werden die wesentlichen stra-
tegischen und für das Projektmanagement relevanten Pläne erarbeitet und Entschei-
dungen vorbereitet. Als Zusammenfassung erfolgt dann eine Präsentation vor dem
Topmanagement, um deren Zustimmung für das Projekt zu gewinnen und sie für die
Übernahme einer aktiven Rolle im Projekt zu überzeugen.
59 Quelle: Siemens
74
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
2.4.6 Zielklärung und Lastenheft
„Für ein Schiff, das seinen Hafen nicht kennt, weht kein Wind günstig.“ Seneca, römischer
Politiker, Redner, Philosoph und Schriftsteller
Bei Expertengesprächen mit Systemlieferanten, die die Autoren im Rahmen einer Stu-
die60 geführt haben, hat sich der Eindruck verfestigt, dass Anforderungen an Auftrag-
nehmer in Fahrzeugprojekten seitens einzelner OEMs bewusst spät oder gar nicht
festgelegt werden, damit jederzeit „ein Hintertürchen offen bleibt“ und potentielle
Nachforderungen vermieden werden. Damit wird beim Entwicklungspartner eine
Haltung des „Abwartens“ erzeugt, die dazu führt, dass das Projekt dort zu spät einge-
steuert wird. Kaum ein Auftragnehmer fängt zu arbeiten an, wenn die Gefahr besteht,
dass ein Großteil der Ergebnisse für den Papierkorb ist. Es leidet die Qualität der Pla-
nung und Entwicklung, weil erst zu einem relativ späten Zeitpunkt in großer Hektik
Ergebnisse erzielt werden müssen. Wenn trotz fehlender Spezifikationen und Lasten-
hefte mit der Entwicklungsarbeit begonnen wird, sind unnötige Änderungsschleifen
vorprogrammiert. Dies kostet Zeit und Geld. Es belastet die Effizienz des Entwick-
lungsprojekts. Die Aussage eines Systemlieferanten war in diesem Zusammenhang:
„Ein professionelles Requirements-Management seitens der OEMs ist ein zentrales
Problem! Lastenhefte des OEM sind oft lückenhaft bzw. gar nicht vorhanden, weil das
Wissen fehlt bzw. mit Unschärfe nicht umgegangen werden kann.“
Lastenheft SOP
100% Kenntnisstand
Produkteigenschaften
Änderung
Realisierung Fehlerbeseitigung
Produkt
Test/
Konzept Definition Entwicklung Produktion
Integration
= Bestrebungen zur frühzeitigen Absicherung von Entwicklungsergebnissen
75
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Die Kette der Erfolgsfaktoren für eine frühzeitige Absicherung von Entwicklungser-
gebnissen in Fahrzeugprojekten stellt sich wie folgt dar:
Das Lastenheft ist zu Beginn der Entwicklungsphase vorhanden, geprüft und aus-
reichend detailliert.
Alle Beteiligten sollen in die gleiche Richtung arbeiten, deshalb ist neben dem Lasten-
heft eine Konkretisierung weiterer Anforderungen in Form von Projektzielen zu Be-
ginn des Projekts unerlässlich. Die Erfahrung zeigt, dass fehlende Zielklarheit zu Rei-
bungsverlusten, Konflikten und mangelnder Effektivität in der Projektabwicklung
führt. Ein Projektziel ist ein nachzuweisendes Ergebnis und/oder eine vorgegebene
Realisierungsbedingung der Gesamtaufgabe eines Projektes.63 Es werden Maßstäbe
für den Erfolg des Projektes definiert. Wir sprechen von sogenannten Sachzielen oder
Ergebniszielen in den Bereichen Produkt und Prozess (Abnahmekriterien des Auftrag-
gebers), Abwicklungszielen (Kosten, Termine, Organisation), strategischen Zielen
(Anforderungen des Managements) und Rahmenbedingungen (unumstößliche Gege-
benheiten) bzw. Einflüssen des Projektumfeldes.64 Die folgende Abbildung zeigt die
verschiedenen Zielkategorien.
76
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Abbildung 2-41: Zielkategorien im Projekt
Rendite
Markt/Kunde
Technologie
Strategische Unternehmensentwicklung
Ziele /
Firmenziele
Qualitäts- und
Sach- / Ergebnisziele Leistungsdaten
Abnahmekriterien
Ressourcen
(Eigen/Fremd)
Abwicklungs- / Durchführungsziele Termine, Kosten
Ablauforganisation
Normen
Rahmenbedingungen / Projektumfeldeinflüsse
Gesetze
Standort
Kultur/Sprache
Die professionelle Formulierung der Ziele ist nicht trivial und hat schon manches
Projektteam zum Schwitzen gebracht. Die folgende Abbildung verdeutlicht die Krite-
rien, die dabei berücksichtigt werden sollten.
lösungsneutral
überprüfbar
vollständig
konkret S pezifisch
verständlich M essbar
widerspruchsfrei A bgestimmt
attraktiv R ealistisch
realistisch T erminiert
akzeptiert
schriftlich fixiert
priorisiert
77
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Die Ziele sollten gemeinsam von Projektleiter und Kernteam im Rahmen der Aktivitä-
ten zur Projektdefinition (Startworkshop) erarbeitet werden. Brainstorming, Mind-
maps und Metaplantechnik bieten sich als hilfreiche Methoden an. Die Ziele werden
vom internen Auftraggeber freigegeben. Zum Aufstellen der strategischen Ziele (aus
Sicht der Unternehmensleitung) helfen folgende Fragen weiter:
Sach-/Systemziele:
Gewicht (kg)
Herstellkosten p. Teil/Fahrzeug, Stückkosten (Euro)
Anforderungen an Prüfmittel
Qualitätskriterien und Kennzahlen (cpk..) pro Teil
Prototypen/Musterteile (Anzahl, Funktion, Qualitätsstand)
Dokumentation, Datenqualität...
Abwicklungs-/Durchführungsziele:
Entwicklungskosten (Euro)
Invest-, Anlagen-, Werkzeugkosten (Euro)
Ecktermine für Reviews
Anforderungen an Kommunikation (Regeltermine)
Anforderungen an Entscheidungsprozesse (Gremien, Reporting, Eskalation)
Anforderungen an den Infofluss (Medien, Datenaustausch, Turnus)
Methodeneinsatz (FMEA, QFD, FEM, Simulation, DMU...)
Systemeinsatz (CAD, Test, Termincontrolling)
78
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Bei der Definition der Sachziele (Abnahmekriterien, abgeleitet aus dem Lastenheft des
Kunden) helfen folgende Fragen weiter:
Generell muss auf eine ergebnisorientierte Formulierung der Ziele (mess- und über-
prüfbar) geachtet werden. Sind die Ziele nicht messbar formuliert, kann der Erfolg in
Form der Zielerreichung auch nicht nachgewiesen werden. Projektleiter und -team
können dann auch nicht „erfolgreich“ Ziele erreichen.
79
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-44: Beispiel: Zielkatalog eines Betriebsmittelprojekts (fiktiv)
1. Strategische Ziele:
3. Abwicklungsziele:
4. Rahmenbedingungen:
80
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
In komplexen Fahrzeugentwicklungsprojekten ist es mit einer globalen Zieldefinition
nicht getan. Hier müssen die technischen Ziele und Anforderungen auf die einzelnen
Komponenten und Funktionen des Produktes heruntergebrochen werden. Aus der
Produktentwicklungsmethodik und dem Qualitätsmanagement gibt es einschlägige
Methoden und Vorgehensweisen, die im Folgenden beispielhaft behandelt werden.
Abbildung 2-45 zeigt eine Auswahl relevanter Methoden in Fahrzeugentwicklungs-
prozessen im Überblick
Produktanforde- Produkt
rungen ermitteln entwerfen
Prozessanforde- Prozess
rungen ermitteln entwerfen
• QFD (Quality function
Deployment)
• Target costing
81
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-46: House of Quality, schematische Darstellung 69
82
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Leistungsanforderungen verbalisiert und erwartet der Kunde als Leistung. Das Fehlen
empfindet er als negativ (Airbags, Radio etc.). Begeisterungsanforderungen stellen für
den Kunden eine unerwartete, aber angenehme Überraschung dar. Diese definieren
die Alleinstellungsmerkmale des Produkts. Basis für den Zielvereinbarungsprozess ist
die Identifikation der Produktanforderungen im Zielfindungsprozess. Dies erfolgt
beispielsweise im Rahmen einer QFD, deren Ergebnis in der ersten Phase die Erstel-
lung der nach Kundenrelevanz gewichteten Produktmerkmale ist. Im konventionellen
Fahrzeugentwicklungsprozess wird hieraus ein Projektzielkatalog entsprechend der
Unternehmensstrategie abgeleitet. Der Projektzielkatalog stellt aber einen Kompro-
miss dar, weil aufgrund von Zielkonflikten nicht alle Kundenwünsche gleichermaßen
berücksichtigt werden können. Abbildung 2-47 zeigt die hierarchische Gliederung des
Zielvereinbarungsprozesses.
70 ebenda, S. 59ff
83
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Das Projektmanagement organisiert und moderiert diesen Zielfindungs- bzw. -ver-
einbarungsprozess. Im Projektzielkatalog werden auch wesentliche Meilensteine, wie
der Markteinführungstermin, festgelegt. Auf Basis der Produktspezifikationen und
den festgelegten Zeitpunkten erstellt das Projektteam dann später den Projektablauf-
plan, der neben der Bestimmung aller notwendigen Arbeitspakete auch einen detail-
lierten Zeitplan mit allen Meilensteinen sowie eine Ressourcenplanung enthält. Bei der
Definition der Rahmenbedingungen für das jeweilige Projekt spielen vor allem die
einschlägigen Normen und Vorschriften der Automobilhersteller und die gesetzlichen
Vorgaben eine große Rolle. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für kundenspe-
zifische Forderungen der Marke Mercedes.
71 Quelle: Daimler
84
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
2.4.7 Projektergebnisstruktur (Produkt- bzw. Anlagen-
struktur)
Für eine effektive Projektabwicklung ist es unabdingbar, dass sich das Projektteam
bereits beim Start auf die wesentlichen, vom Auftraggeber geforderten Projektergeb-
nisse fokussiert. Dieser Ansatz entspricht dem Denken der klassischen Wertanalyse,
wo die Frage nach den Funktionen eines Produkts, die auch wirklich vom Kunden
wahrgenommen und bezahlt werden, im Vordergrund steht. Die Projektergeb-
nisstruktur72 stellt den Liefer- und Leistungsumfang des Projekts zum Zeitpunkt der
Übergabe (oder Abnahme) an den Auftraggeber graphisch dar. Wir sprechen deshalb
je nach Projektart von der Produktstruktur (Entwicklungsprojekt) bzw. Anlagenstruk-
tur (Produktionsanlagen- bzw. Betriebsmittelprojekt). Die Projektergebnisstruktur
definiert alle Liefergegenstände (Objekte), die dem Kunden bis zum letzten Meilen-
stein des Projekts übergeben wurden und Leistungen, die dann noch zu erbringen
sind (z.B. Service, Produktionsbetreuung). Für das Projektteam schafft diese Vorge-
hensweise Transparenz und sie hilft bei der Klärung der Auftragsinhalte mit dem
Auftraggeber. Des Weiteren bildet die Projektergebnisstruktur die Basis für die nächs-
ten systematischen Planungsschritte. Abbildung 2-49 zeigt den Zusammenhang auf.
OEM: Lieferant:
Die Darstellung der Projektergebnisse erfolgt hier in einer Baumstruktur. Diese ist in
mehreren Ebenen gegliedert, wobei jede Ebene aus in sich logisch abgeschlossenen
Teilumfängen besteht. Die erste Ebene ist die Grobgliederung des gesamten Produkts
(Fahrzeug, Modul...) oder der Anlage.
85
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
In Summe ergeben alle Teilumfänge das gesamte Projektergebnis. Jede weitere, tiefer-
gestufte Ebene ist eine Detaillierung des entsprechenden Teilumfangs. Abbildung 2-50
zeigt das Beispiel eines Systemlieferanten für ein komplettes Fahrzeugmodul.
Ergebnisstruktur Frontend
Hierbei sind Methoden wie das Brainstorming oder Mindmapping sehr hilfreich. Die
Strukturierung erfolgt zunächst am besten Top Down an der Pinnwand mit Karten-
technik. Es geht nicht um den Detaillierungsgrad einer Stückliste bis auf die letzte
Schraube, sondern um die wesentlichen Elemente aus Management-Perspektive.
Für die weitere Dokumentation kann das Ergebnis als Baumstruktur dann elektro-
nisch mit Hilfe von Software-Tools festgehalten werden. Abbildung 2-51 zeigt als
Beispiel die Produktstruktur einer Gesamtfahrzeugentwicklung.
86
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Abbildung 2-51: Produktstruktur Gesamtfahrzeugentwicklung
Entwicklung
Derivat-Fahrzeug
Qualitäts-
CAD-Daten Surfaces ICEM Surfaces ICEM Surfaces ICEM
dokumentation
...
Toleranzen für
Bauteile
Toleranzen für
Bauteile ... 1 Cubing
Aussen
1 Cubing
Toleranzstudien Toleranzstudien
Innen
87
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-52: Beispiel Projektergebnisstruktur Produktionsanlage
Vorrichtungen und
Roboter Laser Zellen-Steuerung Bauteile Dokumentation
Infrastruktur
Betriebs-
Mechanik Greifer Strahlquelle Steuerschrank Pilotteile
anleitung
Installation + Wartungsan-
Steuerschrank Konsolen Steuerschrank Probeteile
Kabel leitung
Layout und
Sensorik Gestelle Software Software i.O. Bauteile
Pläne
Sicherheits-
Software Strahlführung Schaltpläne
technik
Software-Doku
Ist das Ergebnis klar definiert und damit eine Vision auf das Projekt-Ende hin geschaf-
fen, kann das Projektteam damit beginnen den Weg dorthin – mit seinen Etappen –
grob zu planen.
Projekte in der Automobilindustrie können heute nicht mehr als serielle Prozessketten
angesehen werden, sondern haben aufgrund von Überlappungen und Parallelprozes-
sen vielmehr den Charakter von Prozessnetzen.
88
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Die Endpunkte der Prozessschritte sind als Meilensteine in einem Entwicklungszyklus
zu sehen und geben Auskunft über die Erreichung eines gewünschten Zustandes bzw.
eines vorgegebenen Ziels. Sie stellen die Übergabepunkte einer Vorleistung zu einer
Nachfolgeleistung dar. Wenn sich also ein Meilenstein verschiebt, hat dies direkte
Auswirkungen auf den Gesamterfolg, den Projektabschluss. Die Auswirkungen einer
Meilensteinverschiebung sind bei dieser Sichtweise umfassender zu sehen als bei einer
seriellen Prozesskette. Es verschieben sich zum einen Nachfolgeprozesse, zum ande-
ren aber auch parallele und überlappende Prozesse und haben somit Auswirkungen
auf das gesamte Netzwerk. Durch den harten Wettbewerb in der Automobilindustrie
müssen Entwicklungszeiten immer mehr verkürzt werden, so dass Pufferzeiten meist
gänzlich entfallen und immer mehr Prozessschritte parallel ablaufen. Die Verschie-
bung eines einzigen Meilensteins kann daher die Überschreitung von Lieferterminen
oder die Verzögerung von Folgeaufträgen nach sich ziehen, was im Extremfall direkte
Konsequenzen für die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens haben kann. Um
frühzeitig auf negative Entwicklungen reagieren zu können, ist es nötig, Meilensteine
systematisch zu planen und konsequent zu kontrollieren. Im Produktentwicklungs-
prozess (PEP) spielen sogenannte Quality Gates und Synchronisationspunkte dabei
eine zentrale Rolle. Abbildung 2-53 zeigt den Zusammenhang.
Messgröße 1 Messgröße 1 RP
89
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Ausgehend vom Standard-Produktentwicklungsprozess des Unternehmens müssen
die jeweiligen Meilensteine für die Projekte sauber definiert werden. Abbildung 2-54
zeigt schematisch den Zusammenhang auf.
Zwischen-Gate-Review
1 2 Abschluss-Gate-Review
Absicherung Qualität
Prototypen
3
4
Zeit
5
Kosten
6
7 8 9
Auftrag SOP
Der Phasen- und Meilensteinplan ist ein wesentliches Hilfsmittel für eine koordinierte
und systematische Projektdurchführung. Insbesondere bei komplexen Projekten ist es
sehr hilfreich, wenn die Beteiligten auf definierte Zwischenergebnisse mit bestimmten
Realisierungsterminen hinarbeiten, anstatt nur das komplexe Endprodukt „im Visier“
zu haben. Damit steigt die Motivation und Leistungsbereitschaft aller Projektbeteilig-
ten.
Es ist darauf zu achten, dass der Phasen- und Meilensteinplan zu den definierten Mei-
lensteinen konkrete Etappenziele in Form von messbaren und überprüfbaren Ergeb-
nissen enthält, keine Aktivitäten! Diese sind im Terminplan enthalten. Insbesondere
90
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
für längere Realisierungsphasen ist es sinnvoll, eine Unterteilung in mehrere Unter-
phasen/Meilensteine vorzunehmen.
Kammlinie/
Beschaffungs- Interne End of
Projekt-
Projektstart Projektauftrag Projektfreigabe Planungsfreigabe freigabe Serienfreigabe Production
abschluss
Phase 1:
Initiierung
Phase 2:
Konzeption
Phase 3:
Applikationsentwicklung
Phase 4:
Produktionsvorbereitung
Phase 5:
Serienanlauf
Phase 6:
Absicherung
Bestätigung Serie
C - Muster &
B-Muster &
Grob- Fein- Entwicklung Vorbereitung
Entwicklung
konzeption konzeption B-Muster Erstbemusterung
C - Muster
durch Kunden
(A - Muster) Design freeze Entwicklungsfreeze D - Muster
(B - Muster)
Die modellhafte Darstellung allein schafft natürlich noch keine Klarheit über die Ziele,
Detail-Meilensteine und Inhalte einer jeden Phase. Diese Informationen sind in der
folgenden Tabelle dargestellt (Tabelle 2-1). Im Sinne eines Standard-„Phasen- und
Meilensteinschemas“ lässt sich damit eine gute Informationsgrundlage für den Pro-
jektmanagement-Prozess im Automobilunternehmen legen.
91
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Tabelle 2-1: Ziele, Meilensteine und Inhalte des Phasenkonzepts eines Systemlieferanten
Applikations- Produktions-
Phase: Initiierung Konzeption Serienanlauf
entwicklung vorbereitung
Damit die Meilensteine auch als effektives Hilfsmittel zur Fortschrittskontrolle dienen,
müssen klare Messgrößen pro Meilenstein festgelegt werden, die sogenannten „De-
liverables“. Sie definieren mess- und überprüfbare Sachergebnisse, die zum jeweiligen
Meilenstein vorliegen müssen und wie bei einer Abnahme „abgehakt“ werden kön-
nen. Abbildung 2-56 zeigt Beispiele von Meilensteinergebnissen.
92
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Abbildung 2-56: Mögliche Meilensteinergebnisse in Fahrzeugentwicklungsprojekten
Produktergebnisse
• Konstruktionszeichnungen / -daten
• Designmodelle, Berechnungen
Meilenstein • Prototypen, Funktionsmuster
Produktionsprozessergebnisse
• Anlagenlayout
• Anlagenspezifikation
• Produktionsfreigaben
Ergebnisse: Testergebnisse
• Materialprüfung
• Erprobung im Kundenfahrzeug
• Werkzeugfreigabe
• Nullserienfreigabe
projektbezogene Ergebnisse
• Projektkalkulation
• Projektterminplan
• Projektberichte
Aus Sicht der Autoren ist hier „weniger“ oft „mehr“. Um den Reifegrad eines Fahr-
zeugentwicklungsprojektes zu beurteilen, sollten pro Meilenstein nur die wesentlichs-
ten Kriterien abgefragt werden. Komplexe „Quality-Gate-Systematiken“, die dann
auch noch eigener Software-Tools bedürfen, sollten vermieden werden.
Der Phasen- und Meilensteinplan wird vom Projektleiter und -team erstellt. Er muss
mit den Linienverantwortlichen abgestimmt werden. Die gemeinsame Abstimmung
und Klärung der Etappenziele ist ein wesentlicher Motivationsfaktor im Projekt. Ab-
bildung 2-57 zeigt das Beispiel eines Meilenstein-Schemas für ein Produktionsanlagen-
projekt.
93
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-57: Beispiel: Meilensteinplan Projekt „Roboterzelle mit Laser“(fiktiv)
Projektübergabe o Projektsteckbrief
00
o Technische und kommerzielle Vorgaben
o Projektleiter ist benannt
o Projektteam ist benannt
Projektabschluss o Nachkalkulation
8
o Übergabe an Service
o Projektreview und -bericht
o Projektorganisation aufgelöst
94
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
In Gesamtfahrzeug-Entwicklungsprojekten ist die Welt noch etwas komplexer, als in
den oben dargestellten Grafiken erkennbar ist. Innerhalb einer Phase gibt es hier eine
Vielzahl von funktionalen Meilensteinen, zu denen Aussagen über den Reifegrad des
Produktes und den Entwicklungsfortschritt gemacht werden müssen. Darüber hinaus
spielen die sogenannten Synchronisationspunkte zur Abstimmung der unterschiedli-
chen Module, Komponenten und Funktionen eine wesentliche Rolle. Abbildung 2-58
zeigt einen Ausschnitt aus einer Gesamtfahrzeug-Entwicklung.
Programm Specification
Clay
Freeze structure
Freeze SF UDR ext/int VDR ext/int DKM
relevant items
Styling Process
CAE
Concept Appr.
Component Development Testing
KPC RPS / MT CT MP
Prototyping
Aufgrund der Komplexität und des hohen Abstimmungsbedarfs der parallel laufen-
den Prozesse und Entwicklungsaktivitäten in Fahrzeugprojekten ist die Planung und
Koordination der Meilensteinketten und Synchronisationspunkte sinnvoll nur mit
entsprechenden Software-Tools zu leisten. Leider sind nur wenige Systeme am Markt
verfügbar, die an dieser Stelle eine entsprechende Funktionalität aufweisen. Hier ver-
weisen wir auf die entsprechenden Marktübersichten für PM-Software.78 Abbildung 2-
59 zeigt die Bildschirmdarstellung von Synchronisationsverbindungen im Terminplan
eines Fahrzeugentwicklungsprojekts.
77 Quelle: EDAG
78 http://barc.de/news/software-fur-das-projektmanagement-im-vergleich
95
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-59: Synchronisationspunkte im Fahrzeugprojekt, Screenshot79
a e a age
Synchronisations
-Verbindungen
Teilprojekt-
leiter
Externer
Engineering-
dienstleister
79 Quelle: Actano
96
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Bei der Kostenfestlegung kann auf das Konzept des Target Costing zurückgegriffen
werden. Der Grundgedanke dabei ist, die Kosten an den Kundenerwartungen zu
orientieren, so dass marktseitig erfolgreiche Preise realisiert werden können. Im Rah-
men einer Fahrzeugentwicklung legt der Automobilhersteller die Modul- und Kom-
ponentenpreise und damit verbunden die Herstellkosten grob fest und entscheidet
auch über die Höhe des zur Verfügung stehenden Entwicklungsbudgets.
Aggregation des
Auftraggeber
(OEM, Tier1) Festlegung des Gesamt-
Angebots
Zielpreises/-budgets
Abschätzung der
Ableitung der
Herstellkosten
Entwicklungskostenziele
Abschätzung der
Entwicklungs- Ableitung der
kosten Herstellkostenziele
Kostencontrolling
Lieferant + Änderungs-
Lieferant
(Tier1, Tier2) management
97
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Damit diese Aggregation leicht fällt, sollte bereits die Kostenabschätzung mit Hilfe
eines entsprechend standardisierten Vorkalkulationsblattes erfolgen. Auf Basis der
aggregierten Gesamtentwicklungs- und Gesamtherstellkosten für das Modul/System
werden nun erste Zielpreise und Entwicklungsbudgets berechnet und dem Automo-
bilhersteller angeboten. Mit diesem Schritt ist die erste Phase der Kostenzielermittlung
abgeschlossen. Wenn der Auftraggeber das Angebot generell akzeptiert, wird ein
Abgleich der Preisvorstellungen zwischen Hersteller und Modullieferant in intensiven
Verhandlungsrunden erfolgen. Bei positivem Abschluss ist das Ergebnis ein gemein-
sam definiertes, neues Entwicklungsbudget sowie ein neuer Zielpreis, der in der Regel
unter dem ersten Angebotszielpreis liegen wird. Beide Kostenziele müssen nun top-
down auf die einzelnen Komponenten bzw. Arbeitspakete heruntergebrochen werden.
Eine einfache Vorgehensweise, die hierzu angewendet werden kann, zeigt Abbil-
dung 2-61.
Bottom-Up
Top-Down
98
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Aufbauend auf den Ergebnissen der bottom-up-Abschätzung der Herstell- und Ent-
wicklungskosten wird zunächst die Kostenstruktur des Angebotes, d. h. die prozentu-
ale Zusammensetzung der Herstell- und Entwicklungskosten, ermittelt. Die Kostenlü-
cken, die aufgrund des Abgleichs mit dem Hersteller entstanden sind, werden
anschließend gemäß der Kostenstruktur verteilt. Problematisch bei dieser Vorgehens-
weise ist, dass kein Unterschied zwischen Bereichen bzw. Komponenten mit hohen
und niedrigen Kosteneinsparungspotentialen gemacht wird („Gießkannenprinzip“).
Eine weniger systematische, dafür aber genauere Vorgehensweise zur komponenten-
spezifischen Kostenzielermittlung kann unter Zuhilfenahme der Erfahrungswerte aus
vergleichbaren Projekten oder von Einkaufs-Know-how realisiert werden. Abhängig
von den realisierbaren Einsparpotentialen im Rahmen des Entwicklungs- und Verga-
beprozesses werden die Zielpreisreduzierungen unterschiedlich stark vorgenommen.
Basis für fundierte Schätzpreise ist eine gut strukturierte Kostenkalkulation. Für Fahr-
zeugentwicklungsprojekte bedeutet dies, dass die Stückzahlen, die Produktstruktur
sowie die relevanten Meilensteine des Entwicklungsprozesses bekannt sind. Das Las-
tenheft und die vorangegangenen PM-Aktivitäten in der Projektdefinitionsphase soll-
ten alle notwendigen Informationen liefern. Das Kalkulationsblatt wird mit einer Zeit-
achse und einer Kostenachse als Tabelle aufgebaut. Wichtig ist dabei, dass abhängig
von der Projektphase Serienentwicklung oder -produktion verschiedene Zeitskalen
verwendet werden. Abbildung 2-62 zeigt ein Schema.
(Entwicklungsprozess) (Serienproduktion) t
t1 1 3 ... t2
2
Perioden
Projektmeilensteine
(laufende Produktion)
Entwicklungskosten
• Entwicklung
• Konstruktion
• Versuch
• Sim ulation
• Musterbau Entwicklungskosten (EK)
• Beschaffung
• .......
Herstellkosten EK
• Material /Kaufteile
• Prod.Personal
• Qualitätswesen
Herstellkosten (HK)
• Logistik
• Abschreibungen
• ....... øHK
99
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
In der Entwicklungsphase werden die vorgegebenen Meilensteine zur Skalierung
genutzt. Die Produktionsphase wird hingegen durch feste Perioden gegliedert. Ähnli-
ches gilt auch für die Gliederung der Kosten. Auch hier werden abhängig von der
betrachteten Projektphase spezifische Gliederungen der Kostenarten gewählt. Für die
Entwicklungsphase wird eine ressourcenorientierte Kostengliederung verwendet
(Entwicklung, Versuch, Material, ...). Die Herstellkosten werden klassisch nach dem
Produktionsablauf (Fertigungskostenstellen) und dem eingesetzten Material bzw.
Kaufteilvolumen gegliedert. Die zwei Kalkulationsbereiche (Entwicklungs-, Herstell-
kosten) können im Detail folgendermaßen gegliedert werden:
Entwicklungskosten
Zeitachse
KA PH DM/MU
Entwicklungskosten h l €/h Euro h €/h Euro h €/h
ressourcenorientiert
Personal
Kostengliederung
Material
Arbeits- und Betriebsmittel
Flächen und Gebäude
100
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Herstellkosten
Vertriebskosten sind alle für den Vertrieb der jeweiligen Business-Unit anfallen-
den Kosten für Vertriebspersonal, Akquisition, Werbung, Marketing.
Umlagen für die dem Produkt bzw. Produktionsprozess nicht direkt zuordenbaren
Kosten für z.B. Serienbetreuung und -verbesserung, Service, Ersatzteilverwaltung
während der Serienproduktion...
Anders als bei der Entwicklungsphase wird die Zeitachse der Serienproduktion nicht
durch Meilensteine untergliedert, sondern in Perioden (jährlich oder monatlich) unter-
teilt. Die Abschätzung der einzelnen Kostenblöcke muss dementsprechend periodisch
gemäß der vom Kunden angegebenen Stückzahlen pro Periode ermittelt werden.
Abbildung 2-64 zeigt das Schema.
Zeitachse
Fertigungsgemeinkosten
Sondereinzelkosten
Materialkosten
Materialeinzelkosten
Materialgemeinkosten
Verwaltungskosten
Vertriebskosten
Umlagen
82 ebenda, S. 108
101
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Im nächsten Schritt müssen die Kalkulationsdaten für die Wirtschaftlichkeits-
berechnung zusammengefahren und aufbereitet werden. Aus dem Zielpreis des Kun-
den, der Stückzahl-Prognose und den Kalkulationsdaten lassen sich dann Margen,
Deckungsbeiträge, Amortisationszeiten, Break-Even-Points und weitere Wirtschaft-
lichkeits-Kennzahlen ermitteln. Für die Entscheidung zur Projektfreigabe bzw. An-
nahme eines Auftrags sind diese Informationen am besten in einem standardisierten
„Businessplan“ aufzubereiten. Einschlägige Tabellenkalkulationsprogramme leisten
hierzu im Regelfall gute Dienste. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel.
Produktivität, Jahresstückzahlen
Jahr 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5. Jahr 6. Jahr Gesamt
Produktivitätssteigerung Kundenforderung (%) 0 3 2 2 0 0 7
Produktivitätssteigerung machbar (%) 0 2 2 0 0 0 4
Auftrags-Stückzahl (Tsd.) 300 1.000 1.000 1.100 800 600 4.800
Vorschau-Stückzahl (Tsd.) 200 600 1.100 1.200 1.000 700 4.800
Für das Management lassen sich die wesentlichen Kennzahlen grafisch aufbereiten.
Abbildung 2-66 zeigt ein Beispiel.
102
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
Abbildung 2-66: Beispiel: Projektwirtschaftlichkeit grafisch
6,0
4,0
0,0
Start SOP 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr
-2,0
-4,0
-6,0
Ist die Wirtschaftlichkeit gesichert und der Wille zur Zusammenarbeit bekundet (meist
durch einen LOI = Letter of Intent / Absichtserklärung), so sollten sich Auftraggeber
und Auftragnehmer im Fahrzeugprojekt an einen Tisch setzen und die wesentlichen
Informationen und Festlegungen aus der Projektdefinitionsphase abgleichen.
103
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Ein Auftakt-Workshop dauert erfahrungsgemäß ein bis zwei Tage; bei internationalen
Projekten muss mit einem höheren Aufwand gerechnet werden. Die Veranstaltung
beinhaltet z.B. folgende Themen:
5. Qualitätsmanagement
Sind die grundsätzlichen Themen und die strategischen Fragen im Projekt intern wie
extern geklärt, so sollte die Projektleitung darauf dringen, eine klare Zielvereinbarung
mit ihrem internen Auftraggeber – meist der Geschäftsleitung – zu treffen. Der Projekt-
auftrag dokumentiert diesen Vorgang und bildet die Basis für das weitere Agieren von
Projektleiter und -team.
104
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
2.4.11 Interner Projektauftrag
Der Projektauftrag soll die Absprachen bezüglich Zielen, Aufgabenstellung, Projekter-
gebnissen, Eckterminen, Voraussetzungen und Projektorganisation zwischen dem
internen Auftraggeber und dem Projektleiter als schriftliche Vereinbarung eindeutig
dokumentieren. Damit stellt er eine Zielvereinbarung zwischen Auftraggeber und
Auftragnehmer (Projektleiter) des Projekts dar. Er dient als Freigabedokument für die
Bearbeitung des Projekts und stellt sicher, dass alle Projektbeteiligten und Linienabtei-
lungen darüber informiert sind.
Der Projektauftrag fasst wichtige Eckdaten des Projekts, beteiligte Rollen (u.a. Steuer-
kreis), Projektziele und Rahmenbedingungen, Berichtspflichten und -rhythmus sowie
besondere Kompetenzen des Projektleiters in einem Dokument zusammen. Wichtiger
Bestandteil des Dokuments ist auch die Nennung der für die Umsetzung des Projekts
erforderlichen Teammitglieder und Ressourcen. Zusätzliche Informationen bzw. Un-
terlagen können dem Projektauftrag als Anlage beigefügt sein, u.a.:
Projektzielkatalog
Projektergebnisstruktur (Produkt/Anlage)
Meilensteinplan
Projekt-Organigramm
Für die Erstellung des Projektauftrags ist der Projektleiter verantwortlich. Die Freigabe
erfolgt durch den internen Auftraggeber. Abbildung 2-67 zeigt ein Beispiel.
105
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Abbildung 2-67: Beispiel: Projektauftrag(fiktiv)
Datum Heute
Projektauftrag Aussteller Franz Fleissig
106
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4
2.4.12 Kick-Off-Meeting intern
Umfassende Information über das Projekt (technisch oder organisatorisch) ist die
Voraussetzung dafür, dass alle „am gleichen Strang ziehen“ und Ideen und Kreativität
im Rahmen der Auftragsabwicklung einbringen. Das Kick-Off-Meeting ist eine „inter-
ne Marketingveranstaltung“ für das Projekt, mit dem Ziel, alle Beteiligten zu informie-
ren, für die Mitarbeit im Projekt zu begeistern und für Commitment zu sorgen.
Je nach Projektgröße und -umfang wird der Rahmen der Kick-Off-Veranstaltung (Zeit
und Örtlichkeit) so gewählt, dass die Projektbeteiligten im Sinne des internen Marke-
tings für das Projekt entsprechend begeistert werden können. Abbildung 2-68 zeigt
das Beispiel einer Agenda.
Mit dem Kick-Off-Meeting ist das Projekt offiziell in das Unternehmen eingesteuert
worden. Die Projektdefinition ist damit abgeschlossen. Im nächsten Schritt geht es um
die weitere Ausarbeitung der Projektplanung. Sie bildet die Grundlage für eine erfolg-
reiche Realisierung des Projekts.
107
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
2.5 Projektplanungsphase
„Man sollte mit Prophezeiungen und Vorhersagen, wenn sie die Zukunft betreffen, sehr vor-
sichtig sein!“ Hermann-Josef Abs, ehemaliger Vorstand Deutsche Bank AG
Im Rahmen der Projektplanung werden die Strukturen und Inhalte des Projekts fest-
gelegt und die Vorgaben bzgl. Kosten, Termin und Qualität detailliert. Der systemati-
sche Zusammenhang zwischen Projektstruktur, Ablaufplanung, Aufwandsschätzung
und Terminplan wird in diesem Kapitel erläutert. Der Projektplan bildet die Basis für
Projektsteuerung, Änderungs- und Claimmanagement.
Zeitplanung
unrealistisch
Produktkostenziele
unrealistisch
Mängel in der
Projektorganisation
Andere
technische Ziele
unrealistisch
Entwicklungskosten-
planung unrealistisch
Qualifikation der
Partner ungeeignet
108
Projektplanungsphase
2.5
Aufbauend auf unklaren Anforderungen zum Projektstart werden auch die Projekt-
pläne häufig nicht abgestimmt. Zum einen mangelt es an einheitlichen Vorstellungen
und Vorgaben zu den verwendeten PM-Methoden und Systemen, zum anderen wer-
den Ecktermine oft einseitig vom Auftraggeber vorgegeben, ohne dass die Lieferge-
genstände zu den jeweiligen Terminen klar abgestimmt wären. Der zeitliche Aufwand
für die Abstimmung von Projektstrukturen und Terminplänen wird vielfach gescheut.
Dadurch entstehen Schnittstellenprobleme und Blindleistung bei allen Beteiligten,
sowie unnötige Konflikte im Rahmen der Realisierung.
2.5.1 Einführung
„Der ʹrichtigeʹ Zeitplan ist der, dessen Einhaltung völlig unmöglich ist, dem man dies aber
nicht auf den ersten Blick ansieht.“ Tom DeMarco, Schriftsteller
109
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Allerdings kann man auch über das Ziel hinausschießen. Deshalb ist es wichtig, den
Planungsaufwand auf das Nötigste zu beschränken, damit sich das Projekt durch die
Planung nicht in Selbsthemmung bringt, sondern den oben beschriebenen Nutzen
generiert. Abbildung 2-70 zeigt dieses Spannungsfeld auf. Bei agilen Ansätzen des
Projektmanagements wird z.B. der Planungshorizont auf wenige Wochen reduziert, da
sich die Vorgaben (insbesondere bei der Softwareentwicklung) relativ häufig ändern.
Die Projektplanung liegt in der Verantwortung des Projektleiters. Aufbauend auf den
Ergebnissen der Projektdefinition, werden in der Planungsphase folgende Unterlagen
erstellt bzw. projektspezifisch aus vorhandenen Standards und Vorlagen angepasst
(siehe Abbildung 2-71 auf der nächsten Seite):
Projektstruktur (5)
Arbeitspakete und Aufwandsschätzung (6)
Termin- und Kapazitätsplan (7)
Detailterminplan und Standard-Durchlaufzeiten (8)
Kostenplan / Kalkulation (9)
Den Ausgangspunkt für die Projektplanung bilden die Projektinformationen aus dem
Angebot und der Projektdefinition, wie z.B.
110
Projektplanungsphase
2.5
Auf Basis dieser Informationen wird in einem Planungsworkshop die Projektstruktur
sowie Anzahl und Bezeichnung der Arbeitspakete erarbeitet. Der Schwerpunkt liegt
auf der Strukturierung der Aufgaben im Projekt, wodurch die Komplexität von Fahr-
zeugprojekten wesentlich reduziert wird. Im nächsten Schritt werden die Aufgaben
logisch und zeitlich zusammengefasst und als Arbeitspakete spezifiziert. Nach der
Abschätzung von Aufwänden und Vereinbarung mit den jeweiligen Arbeitspaket-
Verantwortlichen ergeben sich verbindliche Werte für die Ressourcen- und Kostenpla-
nung, sowie Dauern bzw. Durchlaufzeiten für den Terminplan. Abbildung 2-71 zeigt
den Zusammenhang der einzelnen Planungsschritte.
1 Startworkshop
Angebot
2
Wirtschaftlichk.
Projektziele Lastenheft
Umfeldanalyse
Vertrag/Risiko Projektergebnisstruktur
4 3
Meilensteine
Projektstruktur Planungsworkshop
6 5
Aufwands-
schätzung Standard
Durchlaufzeiten
8
6
Arbeits-
pakete Terminplan Detailterminplan
7
Kalkulation
Kapazitätsplan 8
9 7
Eine systematische Projektplanung ist die Basis für die erfolgreiche Steuerung von
Projekten. Die Erfahrung zeigt, dass der Wille zur Projektplanung vorhanden ist, je-
doch oftmals den aktuellen Anforderungen des Tagesgeschäfts und der „Machermen-
talität“ zum Opfer fällt.
111
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
„Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.“
Albert Einstein, deutscher Physiker
Deshalb macht es Sinn, wenn das Projektteam für die Planungsarbeit „in Klausur“
geht. Wir bezeichnen diese Veranstaltung dann als Planungsworkshop.
2.5.2 Planungsworkshop
Die Durchführung eines Planungsworkshops ermöglicht die Projektplanung in kon-
zentrierter Form, so dass in kürzester Zeit die wesentlichen Planungsunterlagen er-
stellt werden können. Zusätzlich bietet der Planungsworkshop den Vorteil, dass das
Projektteam gemeinsam plant und somit ein gemeinsames Verständnis für das Projekt
entwickelt. Für die Unterstützung bei der PM-Methodik, sowie für die Moderation des
Planungsworkshops kann ein Coach eingebunden werden. Abbildung 2-72 zeigt mög-
liche Inhalte einer solchen Planungsklausur.
Tagesordnung Planungsklausur
Projektstruktur auf Basis der Ergebnisstruktur sowie Phasen- und Meilensteinplans (Ergeb-
nisse des Startworkshops) aufstellen
Arbeitspakete inhaltlich definieren bzw. Standard-Arbeitspakete anpassen
Aufwand und Dauer der Arbeitspakete abschätzen
Terminplan aufbauen bzw. Standard-Terminplan anpassen (Vorwärtsterminierung)
Terminplan entsprechend der Meilensteinvorgaben optimieren
Wirtschaftlichkeit bzw. Kostenplanung aktualisieren und optimieren
Arbeitspaket-Termine, Budgets und Kapazitätsbedarf als Entwurfsvorlage für die Vereinba-
rung mit den Fachabteilungen zusammenfassen
Risikoanalyse durchführen
2.5.3 Projektstrukturplan
Die Projektstruktur ist der Dreh- und Angelpunkt für Projektplanung und -steuerung
hinsichtlich Kosten, Terminen und Aufgaben. Sie dient dazu, das Projekt in über-
schaubare und abgrenzbare Einheiten zu zerlegen. Diese können dann zu Arbeitspa-
keten zusammengefasst und als solche innerhalb des Unternehmens oder extern dele-
giert werden. Erst dadurch wird eine erfolgreiche Abwicklung von großen und
komplexen Umfängen möglich.
112
Projektplanungsphase
2.5
Der Projektstrukturplan enthält alle Aktivitäten, die für die Durchführung eines Pro-
jekts notwendig sind. Das wesentliche Merkmal des Projektstrukturplans ist, dass er
im Gegensatz zur Projektergebnisstruktur sowie dem Phasen- und Meilensteinplan
keine Ziele/Ergebnisse enthält, sondern Aktivitäten. Er umfasst genau die Tätigkeiten,
die bezogen auf ein Element der Ergebnisstruktur, bis zu einem bestimmten Meilen-
stein durchgeführt werden müssen. Hierbei werden bestimmte Aktivitäten zu Ar-
beitspaketen zusammengefasst. Dadurch lässt sich der gesamte „Arbeitsberg“ in über-
sichtliche Einheiten gliedern. In Anlehnung an die Teilziele („Etappen“) des Phasen-
und Meilensteinplans erhält man somit eine strukturierte Planung der Aufgaben. Der
Projektstrukturplan wird gemeinsam durch das Projektteam im Rahmen eines Pla-
nungsworkshops erstellt. Mit Hilfe der Ergebnisstruktur sowie des Phasen- und Mei-
lensteinplans stellt man die Frage: „Was ist in zum Meilenstein X bzgl. des Elements Y
des Liefer- und Leistungsumfangs zu tun?“ Diese Frage wird für jedes Element der
Produkt-/Anlagenstruktur, bezogen auf jeden Meilenstein, gestellt. Die Produkt-
/Anlagenstruktur dient in diesem Fall als Checkliste. Bei zeitlicher Ausdehnung einer
Aktivität über mehrere Meilensteine, ist diese dem Meilenstein zuzuordnen, zu dem
sie abgeschlossen wird. Abbildung 2-73 zeigt schematisch die Matrix einer Projekt-
struktur auf Basis der Dimensionen Produktstruktur/Leistungsumfang (horizontal)
und Meilensteinplan (vertikal).
113
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Folgende Fragen helfen bei der Strukturierung:
Ist bei der Strukturierung auch die Kalkulation und Kostenverfolgung ausreichend
berücksichtigt worden?
AAF, Roboterzelle
mit Laser
Vorrichtungen + Zellen-
Roboter Laser
Infrastruktur Steuerung
Disposition +
MS4
Aktivität Beschaffung Aktivität
MS5
Aktivität Aktivität Aktivität
MS6
114
Projektplanungsphase
2.5
2.5.4 Arbeitspakete
Mit Hilfe von Arbeitspaketen lässt sich ein Fahrzeugprojekt auf der operativen Ebene
in überschaubare fachlich und inhaltlich abgrenzbare Einheiten (Ergebnis, Termin +
Kosten) mit eindeutiger Verantwortung gliedern. Auf dieser Ebene in der Projekthie-
rarchie befinden wir uns in der Regel in einem Teilprojekt bzw. Modul oder in einer
Funktionsgruppe. In der Zulieferer-Pyramide kann dies allerdings auch die Kompo-
nenten- oder Teilsystem-Ebene sein. Für die effiziente Planung und Steuerung sollte
eine Anzahl von 30–40 Arbeitspaketen pro Automotive-Teilprojekt nicht überschritten
werden. Der Projektleiter kann mit den Zielvereinbarungen für jedes Arbeitspaket
effektiv führen und Verantwortung delegieren. Die Auftragnehmer (der Arbeitspake-
te) haben definierte Aufträge, die eine Kapazitätsplanung bedeutend erleichtern und
Schnittstellenprobleme vermeiden helfen. Außerdem sind eindeutig abgegrenzte Ar-
beitspakete die Basis für das Projektcontrolling, weil die Arbeitspaket-Verant-
wortlichen potentielle Abweichungen über den Statusbericht frühzeitig melden kön-
nen und definierte Ergebnisse eine objektive Fortschrittskontrolle ermöglichen.
Budget / Kostendruck
Arbeitspaket XY
Verantwortlich: N.N.
• Ergebnis Termindruck
• Inhalt / Aufgabenstellung
• Voraussetzungen
• Aufwand und Dauer
• Ressourcen
• Kosten /Budget
• Rahmenbedingungen /Schnittstellen Zeit
115
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2
Externe Leistungserbringer/Lieferanten erhalten Arbeitspakete in Form von Beauftra-
gungen/Bestellungen. Die Summe aller Arbeitspakete ergibt das Gesamtprojekt. Ein
Arbeitspaket wird beschrieben durch ein mess- und überprüfbares Ergebnis, das zu
einem bestimmten Termin und Budget erbracht werden soll. Jedes Arbeitspaket hat
nur einen Verantwortlichen der als „Unternehmer“ den definierenden Leistungsum-
fang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen (Fachabteilung) eigenverantwort-
lich abwickelt.
Die Verwaltung der Arbeitspakete erfolgt innerhalb des Projektstrukturplans und auch
im Terminplan durch über ein Nummernsystem, den sog. „PSP–Code“ (Projekt-
Struktur-Plan-Code). Der PSP-Code dient zur eindeutigen Bezeichnung eines Arbeits-
paketes und setzt sich zum Beispiel wie folgt zusammen:
PSP-Code: ppp:m.aa(.nn)
Für die Definition der Arbeitspakete sind der Projektleiter und die Kernteammitglie-
der zuständig. Die Benennung der Arbeitspaket-Verantwortlichen erfolgt in der Regel
durch die Fachabteilung. Bei der Definition der Arbeitspakete müssen im ersten Schritt
die Randbedingungen und Zielgrößen für jedes Paket erstellt werden. Folgende Pla-
nungsunterlagen liefern hierzu Informationen:
116
Projektplanungsphase
2.5
Abbildung 2-76: Beispiel: Arbeitspaket in einem Produktionsanlagenprojekt (fiktiv)
Arbeitspaket
Projekt: Roboterzelle mit Laser
Projektleiter: Franz Fleissig Kunde: AAF, Augsburg
Arbeitspaket: Entwurfskonstruktion Mechanik
PSP-Code: 319.3.01 AP-Verantwortlich: Ernst Entwurf
Budget (Euro): 50.000 Ausführende Abteilung/NL: Konstruktion ME/Ulm
Kapazität (h): 600 Frühester Start-Termin: 15.2.
Dauer 20 AT Spätester End-Termin: 15.4.
Aufgabenstellung:
Auskonstruierte Entwürfe aller Sondervorrichtungen, Greifer und Spanntechnik erstellen.
Geometrien und Zugänglichkeit absichern. Layout-Auswirkungen berücksichtigen.
Schlüsselkomponenten und Langlaufteile spezifizieren. Mechan. Schnittstellen zu Roboter und
Transporttechnik definieren.
Konstruktionsrichtlinie für Detailkonstruktion erstellen. Stücklistenstruktur festlegen.
Voraussetzungen:
Zellen-Layout, Greiferkonzept, Spannkonzept, Fügekonzept, Bauteildatensätze
Randbedingungen/Bemerkungen:
AAF-Vorschriften und Werksnormen, Landessprache (Schwäbisch), AAF-Lastenheft,
Fertigungsphilosophie und –Standards von AAF
Dokumente und Unterlagen zum Arbeitspaket (Anlagen):
AAF-Vorschriften und Werksnormen, AAF-Lastenheft, Greifer-, Spann-, und Fügekonzept,
Bauteildatensätze, Zellen-Layout
Freigabe:
30.1. 30.1.
Projektleiter: AP-Verantwortliche(r ):
Wie bei allen Unterlagen im Projektmanagement gilt auch hier: wenn im Unternehmen
für die Fahrzeugprojekte bestimmte Standard-Arbeitspakete und Vorlagen definiert
wurden, so müssen diese nur noch projektspezifisch angepasst und ergänzt werden.
Das gilt natürlich auch für den Terminplan, der dann im nächsten Schritt erstellt wird.
117
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
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2.5.5 Terminplan
Die Terminplanung dient dazu, den Projektfortschritt transparent und überprüfbar zu
machen. Es werden kritische Pfade, miteinander kollidierende Vorgänge und zeitliche
Puffer sichtbar. Auswirkungen von Planabweichungen auf den Endtermin können
frühzeitig erkannt und Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden.
Eine aktuelle Terminplanung ist die Voraussetzung für die Kapazitätsplanung. Aus
diesem Grund sollte eine grobe Terminplanung bereits in der Angebotsphase einset-
zen, um Wechselwirkungen mit laufenden Aufträgen schon frühzeitig zu erkennen.
Unter Terminplanung versteht man die auf der Projektstruktur basierende, projekt-
spezifische Planung von:
Abfolge, Dauer und Abhängigkeiten der Arbeitspakete und Vorgänge bzw. intern
oder extern zu erbringende Leistungen