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Jasmin Bastian

Stefan Aufenanger Hrsg.

Tablets in Schule
und Unterricht
Forschungsmethoden
und -perspektiven zum
Einsatz digitaler Medien
Tablets in Schule und Unterricht
Jasmin Bastian · Stefan Aufenanger
(Hrsg.)

Tablets in Schule
und Unterricht
Forschungsmethoden
und -perspektiven zum
Einsatz digitaler Medien
Herausgeber
Jasmin Bastian Stefan Aufenanger
Johannes Gutenberg-Universität Johannes Gutenberg-Universität
Mainz, Deutschland Mainz, Deutschland

ISBN 978-3-658-13808-0 ISBN 978-3-658-13809-7  (eBook)


DOI 10.1007/978-3-658-13809-7

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Inhalt

Einführung: Tableteinsatz in Schule und Unterricht – wo stehen wir? . . . . . . . . 1


Stefan Aufenanger und Jasmin Bastian

I Theoretisch-methodologische Aspekte der Tabletforschung

Methods matter . Methodisch-methodologische Perspektiven für


die Forschung zum Lernen und Lehren mit Tablets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Stefan Welling
Tablets im Schulunterricht in Skandinavien . Der Ansatz des Digitalen
Didaktischen Design (DDD) für empirische Studien: Designs-in-Practice . . . 37
Isa Jahnke
Projektbeispiele für Design-Based Research im naturwissenschaft lichen
Unterricht . Weiterentwicklung des Reichshofer Experimentierdesigns
mit Tablets in Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Florian Genz und André Bresges
A Methodology to Investigate the Usage of Educational Technologies
on Tablets in Schools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

II Schulische Aspekte der Tabletforschung

Zum Stand der Forschung zum Tableteinsatz in Schule und Unterricht


aus nationaler und internationaler Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
Stefan Aufenanger

5
6 Inhalt

Tablets zur Neubestimmung des Lernens? Befragung und


Unterrichtsbeobachtung zur Bestimmung der Integration von Tablets
in den Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Jasmin Bastian
Bildungstechnologische Innovation, mediendidaktische Integration
und/oder neue persönliche Lernumgebung? Tablets und BYOD
in der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
Rudolf Kammerl
BYOD in der Stadt. Regionale Schulnetzwerke zum Aufbau hybrider
Lerninfrastrukturen in Schulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
Richard Heinen
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? Außerschulisches Lernen in Tablet-
und Nicht-Tabletklassen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger
Einsatz von Tablets in Grundschulen. Umsetzung und Ergebnisse
des Projektes Mobiles Lernen in Hessen (MOLE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
Alexander Tillmann und Claudia Bremer
Tablets in der Schule aus Perspektive der Lehrerbildung: Schnittstelle
Referendariat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
Mandy Schiefner-Rohs

III Fachdidaktische Aspekte der Tabletforschung

Ein TApplet für die Mathematik. Zur Bedeutung von Handlungen mit
physischen und virtuellen Materialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
Silke Ladel
Experimente mit Smartphone und Tablet-PC: Analyse leistungsbezogener
Antwortsicherheiten im Physikstudium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327
Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller
Tablets zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse im
Fremdsprachenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355
Henriette Dausend

Angaben zu den Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381


Einführung: Tableteinsatz in Schule und
Unterricht – wo stehen wir?
Stefan Aufenanger und Jasmin Bastian

Nach Computerräumen, Notebooks und interaktiven Whiteboards spielen seit


einigen Jahren Tablets im Klassenraum eine zunehmend bedeutende Rolle . Mit
dem Erscheinen des iPads von Apple im April 2010 ist ein regelrechter Boom im
Bildungsbereich entstanden . Man sah in den Tablets eine interessante und pädago-
gisch sinnvolle Erweiterung des Einsatzes digitaler Medien, vor allem im Bereich
der weiterführenden Schulen wie auch der Hochschulen . Als das Besondere an den
Tablets wurden die zur Verfügung stehenden Anwendungen – die sogenannten
Apps – sowie die einfach zu bedienende Touchscreen-Technologie gesehen, die mit
ihrer Gestenkommunikation vor allem Kindern entgegenkommt . Sofort begannen
viele Schulen im anglo-amerikanischen Bereich sowie auch einige in Deutschland,
die ersten iPads anzuschaffen und sie im Unterricht einzusetzen (Aufenanger und
Schlieszeit 2013; Ludwig 2013; Thissen 2015) . Auch entstanden die ersten Über-
sichtsarbeiten zum internationalen Stand des Tableteinsatzes (Aufenanger 2013) .
Ebenso gab es auf der bildungspolitischen Ebene in vielen Ländern einen Schub
hin zu digitaler Bildung mit Tablets . Süd-Korea beschloss beispielsweise 2011, alle
Schulbücher durch digitale Bücher zu ersetzen und die Schülerinnen und Schüler
mit Tablets auszustatten .1 Inzwischen ist man jedoch realistischer geworden und
hat die Umsetzung wieder stark zurückgefahren . Das ambitionierte Programm
hatte sich doch als etwas zu groß erwiesen . Ende 2012 wurde bekannt gegeben, dass
die Schülerinnen und Schüler der ersten beiden Schulklassen ausgelassen werden
und dass in den Schulen weiterhin auch gedruckte Bücher neben den digitalen
Ausgaben zur Verfügung stehen werden . Auch die Türkei hatte ein ähnliches
Programm geplant und mit Apple bereits über eine Tabletausstattung in Schulen

1 Vgl . Heise-Online vom 05 .07 .2011 . http://www .heise .de/newsticker/meldung/Suedko-


rea-will-Schulbuecher-komplett-digitalisieren-1273562 .html . (Vgl .  auch http://www .
koreaherald .com/view .php?ud=20110629000838) . Zugegriffen: 27 .03 .2016 .
1
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_1
2 Stefan Aufenanger und Jasmin Bastian

verhandelt. Insgesamt waren Investitionen von 4,5 Milliarden Dollar vorgesehen,


um 15 Millionen türkischer Schülerinnen und Schüler mit iPads auszustatten.2
In Thailand wollte man ein eigenes Tablet entwickeln, um die Digitalisierung der
Schule voranzutreiben und gründete das One-Tablet-Per-Child-Projekt (Viriyapong
und Harfield 2013). Und auch das One-Laptop-per-Child-Projekt3 von Nicholas
Negroponte stellt aktuell vom kleinen Notebook auf das Tablet um, auch wenn es
insgesamt in Kritik geraten ist (Cristia et al. 2012).
Dass solche Ausstattungsinitativen nicht immer gelingen, kann man sehr
gut an dem Vorhaben des Schuldistrikts von Los Angeles deutlich machen4: Mit
einem Volumen von einer Milliarde Dollar sollten 640.000 Schülerinnen und
Schüler mit einem Tablet ausgestattet werden. Eine Ausschreibung des Projekts
führte zur Vergabe des Auftrags an die Firma Apple und den Schulbuchverlag
Pearson, der die Inhalte liefern sollte. Das Projekt wurde jedoch nach kurzer Zeit
gestoppt, da es erstens bei der Vergabe des Auftrags scheinbar nicht ganz seriös
zugegangen war und sich zweitens herausstellte, dass die auf den iPads installierte
Sicherheitssoftware von den Schülerinnen und Schülern bereits nach kurzer Zeit
geknackt worden war. Es gibt jedoch auch erfolgreich verlaufende Gegenbeispiele,
wie etwa eine Ausstattungsinitiative in den Niederlanden: Dort wurde im Herbst
2013 damit begonnen, in Schulen Tablets für alle Schülerinnen und Schüler bereit-
zustellen und sie zu verwenden, um den Lernenden im Rahmen des Programms
The Education for a New Era, den Erwerb von 21st Century Skills zu ermöglichen.
Besonders hervorzuheben sind dabei die sogenannten Steve Jobs-Schulen, die von
Maurice de Hond gegründet wurden und in denen alle Schülerinnen und Schüler
mit iPads ausgestattet sind (de Hond und Rood 2016). Neben den genannten, ließe
sich sicher eine noch größere Menge an Initiativen aufführen, in deren Rahmen
Schulen oder gar ganze Schuldistrikte mit Tablets ausgestattet worden sind. Täglich
kommen neue Initiativen hinzu, eine Internetrecherche führt zu einer Vielzahl von
Projekten und Erfahrungsberichten.
Dabei sind Tablets als Geräte nicht ganz neu. Es gab sie schon vor dem iPad,
wie etwa das ThinkPad X-Programm oder Intels Classmate. Jedoch hatten sich
diese Geräte im Bildungsbereich nicht auf eine Weise durchgesetzt, wie dies seit
dem Erscheinen des iPads geschehen ist. Die aktuellen Tablets bieten nicht nur
eine umfangreichere Software-Ausstattung, sie sind auch leichter, kompakter und

2 Vgl. MobileGeeks vom 03.02.2013 (http://www.mobilegeeks.de/apple-turkische-regierung-


will-15-millionen-ipads-fur-schuler/).
3 Vgl. OLPC-Projekt (www.laptop.org). Zugegriffen: 27.03.2016.
4 Vgl. Wired.com vom 08.05.2015 (www.wired.com/2015/05/los-angeles-edtech). Zuge-
griffen: 27.03.2016.
Einführung: Tableteinsatz in Schule und Unterricht – wo stehen wir? 3

bieten eine höhere Akkuleistung, sodass sie wirklich als mobile Geräte für mobiles
Lernen verstanden werden können. Schon kurz nach der Einführung des iPads
haben einige Schulen damit begonnen, ihre Schülerinnen und Schüler mit diesem
Gerät auszustatten. Andere Geräteklassen, wie etwa das Samsung Galaxy Note,
kamen hinzu und nicht zuletzt ist auch Microsoft mit seinen Surface-Geräten in den
Bildungsmarkt eingestiegen. In den USA muss zudem in den Google Chromebooks
eine große Konkurrenz für das Tablet gesehen werden, da diese inzwischen eine
weitere Verbreitung in amerikanischen Schulen erreicht haben, als etwa die iPads
von Apple.5 Google bietet zusätzlich die kostenlose Anwendung Google Classroom
an, die eine Schülerverwaltung mit vielfältigen Funktionen ermöglicht. Insgesamt
wird deutlich: es gibt eine große Auswahl an Geräten auf dem Markt. Viele Schu-
len sind von den Computerräumen zu Notebooks und nun wiederum zu Tablets
gewechselt oder haben ihren Gerätepark einfach immer erweitert. Neben einer Ge-
räteanschaffung durch die Schule oder den Schulträger muss aber auch der Ansatz
des Bring-your-own-device (BYOD) als wichtiger Trend in der Medienausstattung
von Schulen gesehen werden, der ebenfalls seine Vorteile mit sich bringt (Döbeli
Honegger 2016). Insgesamt bewegt sich etwas in den Schulen, denn es gibt eine
Vielzahl von Möglichkeiten digitale Medien im Unterricht einzusetzen.
Wie sieht nun die konkrete Situation im deutschsprachigen Raum aus? Es ist
sehr schwierig Daten zur Medienintegration allgemein, aber noch schwieriger zum
Einsatz von Tablets in Schulen zu bekommen. Dies hängt in Deutschland mit der
unterschiedlichen Trägerschaft von Schulen zusammen und der nicht vorhande-
nen Dokumentation von Medien im Bildungssystem (Breiter und Welling 2010).
Offizielle Daten sind rar gesät, und wenn Daten veröffentlicht werden, muss man
sich die Quelle genauer anschauen. Industrieunternehmen oder Interessenverbände
gehen nicht immer seriös repräsentativ vor, geben die Stichprobe nicht genau an
oder es bleibt unklar, wer eigentlich befragt wurde. Dies ist für die Überprüfung
der Genauigkeit der Angaben jedoch durchaus sehr bedeutsam. Die Schulleitung
weiß oft nicht genau darüber Bescheid, wie viele mobile Geräte vorhanden sind,
IT-Lehrende kennen teilweise nur die Ausstattung ihrer Räume und der Schulträger
hat häufig ebenfalls keine genaue Übersicht über den Gerätebesitz. Bei den Tablets
muss man sich auf Schätzungen oder auf Verkaufszahlen von Unternehmen ver-
lassen, jedoch sind auch diese Zahlen unsicher oder nicht zuverlässig übertragbar.
Sicher ist jedoch eines: immer mehr Schulen bzw. Lehrpersonen wollen mit Tablets
arbeiten. Erfahrungen dazu liegen inzwischen genügend vor. Die Frage, die in die-

5 CNBC vom 03.12.2015 (vgl. http://www.cnbc.com/2015/12/03/googles-chromebooks-


make-up-half-of-us-classroom-devices.html). Zugegriffen: 27.03.2016.
4 Stefan Aufenanger und Jasmin Bastian

sem Kontext allerdings sehr häufig gestellt wird, ist die, ob sich die Investitionen
überhaupt lohnen.
Kritik an der Einführung von Bildungstechnologien in Schulen wurde schon
sehr früh geübt (Cuban 2001) und auch im Kontext der PISA-Studien immer wieder
vorgebracht (Falck et al. 2015; OECD 2015). Die vorliegenden Erfahrungsberichte
von Lehrkräften, die im Internet sehr zahlreich zur Verfügung stehen, sowie die
vielen wissenschaftlichen Studien zum Tableteinsatz in Schule und Unterricht
(vgl. die Beiträge in diesem Band, insbesondere von Aufenanger) zeigen jedoch
ein differenzierteres Bild. Wenn auch durch Tablets im Unterricht nicht immer
bessere Noten gewonnen werden – was aus unserer Sicht auch nicht das Hauptziel
der Nutzung digitaler Medien sein dürfte –, so zeigt sich doch in vielen Fällen eine
positive Beurteilung und Akzeptanz dieser Geräte durch die Lehrkräfte wie auch
die Schülerinnen und Schüler.
Mit dem Boom der Medienintegration durch Tablets sind wissenschaftliche Be-
gleitstudien notwendig geworden. Diese wurden in den vergangenen Jahren auch
recht häufig in Auftrag gegeben und durchgeführt. In diesem Zusammenhang sind
unter anderem das Paducation-Projekt in Hamburg (Autorengruppe Paducation
2015), das Projekt 1000mal1000: Notebooks im Schulranzen (Schaumburg et al. 2007),
das Tablet-Projekt im Wetterau Kreis (Stolpmann et al. 2015), das Wiesbadener
PadsWiesan-Programm (Aufenanger 2015), das Projekt zum mobilen Lernen mit
Tablet-Computern in Niedersachsen (NLQ 2015) oder auch das große von Samsung
unterstützte Tablet-Projekt in der Schweiz (Prasse et al. 2016) zu nennen. Die Studien
knüpfen an schon vorliegende wissenschaftliche Begleitstudien zum Einsatz von Note-
books seit Ende der 1990er Jahre an, wie etwa die Studie von Heike Schaumburg und
Ludwig Issing (2002) zum Notebook-Einsatz an einem Gymnasium, von Eva Häuptle
und Gabi Reinmann zum Notebook-Einsatz an einer Hauptschule (2006) oder auch
an Studien mit einem Fokus auf der medienbezogenen Schulentwicklung, wie etwa
von Eric Stolpmann und Stefan Welling (2009). Begleitet werden diese wissenschaft-
lichen Begleitstudien durch Übersichtsarbeiten zum Mehrwert digitaler Medien, die
alle paar Jahre erscheinen (Herzig und Grafe 2007; Herzig 2014; Schaumburg 2001).
Auch die beiden Herausgebenden, Stefan Aufenanger und Jasmin Bastian, führen
eine noch laufende wissenschaftliche Begleitstudie an zehn Schulen mit Tabletaus-
stattung in Rheinland-Pfalz im Rahmen des Programms Medienkompetenz macht
Schule des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur durch.
Diese Studie hat unter anderem zu Fragen in Bezug auf Forschungsdesigns und auf
die Innovativität der Ergebnisse geführt. Im Rahmen vieler der oben genannten Be-
gleitstudien gab es zwar bilaterale Kontakte, jedoch keine gemeinsame Begegnung, in
deren Rahmen die Ergebnisse der Studien sowie theoretische wie methodologische
Aspekte diskutiert worden wären. Dies war der Anlass zu einer kleinen Tagung am
Einführung: Tableteinsatz in Schule und Unterricht – wo stehen wir? 5

20. November 2015 in Mainz, in deren Rahmen mit eingeladenen Forscherinnen und
Forschern genau jene Lücke geschlossen werden sollte. Auf dieser Tagung wurde
beschlossen, die Vorträge und Diskussion in einem Band zu veröffentlichen, der
hiermit vorliegt. Zwar ist es nicht möglich, die gesamte Bandbreite an Begleitstudien
um den Tableteinsatz zu erschließen, die Beiträge sollen jedoch einen Einblick in
theoretische und empirische Überlegungen geben und den Stand der Ergebnisse
zur Nutzung von Tablets in Schule und Unterricht widerspiegeln. Der Band gliedert
sich entsprechend in drei Teile, die jeweils unterschiedliche Blickwinkel auf das
Thema bieten: im ersten Teil präsentieren sich Beiträge, die sich mit theoretischen
als auch methodologischen Fragen beschäftigen, der zweite Teil zentriert sich eher
auf Begleitforschungsprojekte und deren Ergebnisse, während der dritte Teil Bei-
träge zum fachdidaktischen Einsatz von Tablets fokussiert und damit eine bisher
in der Diskussion stark vernachlässigte Perspektive aufgreift. Wir bewegen uns in
einer Spannweite von der Grundschule über die weiterführende Schule bis hin zur
universitären Ausbildung angehender Lehrerinnen und Lehrer.
Der theoretisch-methodologische Teil wird eingeleitet durch einen Beitrag von
Stefan Welling, in dem methodisch-methodologische Perspektiven für die For-
schung zum Lernen und Lehren mit Tablets formuliert werden. Welling geht dabei
zum einen davon aus, dass sich die häufig implizierte Verbesserung des Lernens
und Lehrens mit Tablets im Schulunterricht bisher empirisch nicht ausreichend
belegen lässt. Zum anderen weist er darauf hin, dass sich durch die noch neuen
Formen der Aneignung mit digitalen Medien, für die Forschung gegebenenfalls
auch ein Umdenken bezüglich der methodisch-methodologischen Zugänge ergeben
muss. Zur Analyse und zum besseren Verständnis der Veränderungen schlägt er
Nohls Modell verschiedener Transaktionsräume als einen möglichen qualitativen
Ansatz vor. Gleichzeitig weist er auf der Basis von Anschlüssen aus den Bereichen
Digital Methods und E-Research darauf hin, dass dies nur ein Zwischenschritt sein
kann. Vielmehr regt er mit seinem Beitrag den Gedanken an, dass aufgrund der
zunehmenden Mediatisierung und Digitalisierung von Lern- und Lehrprozessen
methodisch-methodologische Neuorientierungen vorzunehmen sind.
Isa Jahnke stellt in ihrem Beitrag eine Methode zur Erforschung des Tabletein-
satzes im Schulunterricht vor: den Ansatz des Designs-in-Practice, als einer Form
des Digitalen Didaktischen Designs für empirische Studien. Ihr Ausgangspunkt ist
die Annahme, dass durch den Einsatz internetfähiger Tablets in Schulen tradierte
Klassenräume mit Onlineräumen verschmelzen und so neue Räume entstehen:
CrossActionSpaces. Unter dieser Prämisse erforscht Jahnke den Unterricht in 64
skandinavischen Schulklassen. Leitend ist dabei die Fragestellung, auf welche Weise
Lehrpersonen iPads in ihren Unterricht integrieren. Forschungsmethodisch wird
auf teilstrukturierte Unterrichtsbeobachtungen (Foto, Audio-, Videomitschnitte)
6 Stefan Aufenanger und Jasmin Bastian

und Interviews zurückgegriffen. Die Ergebnisse lassen schließlich neue Unter-


richtsdesigns in Form von Lernexpeditionen erkennbar werden sowie drei Cluster
von Designs-in-practice: a) neue Designs; Learning by CrossAction, b) tradierte
Unterrichtsdesigns, die zu Irritationen und Konflikten in iPad-Klassen führen,
und c) Designs, die aus unterschiedlichen Gründen zwischen Innovation und
Tradition verharren.
In dem Beitrag von Florian Genz und André Bresges werden weiterhin Pro-
jektbeispiele für Design-Based Research im naturwissenschaftlichen Unterricht
vorgestellt, als eine Weiterentwicklung des Reichshofer Experimentierdesigns mit
Tablets in Schulen. Dazu geben die Autoren einleitend einen Überblick über die
neueren internationalen Entwicklungen im Bereich des Design-Based Research und
stellen auch Vorteile und Herausforderungen vor, die der Ansatz mit sich bringt.
In einem zweiten Schritt verorten sie ihre eigenen Studiendesigns im Rahmen der
Physikdidaktik und gehen detailliert auf Ergebnisse und praktische Implikationen
ihrer Unterricht-Interventionsstudien ein.
Eine weitere Perspektive eröffnet der Beitrag von Inge Molenaar und Anne-
marie van Schaik, der eine Methodik vorstellt, die eine Analyse der Nutzung von
Lehr-Lerntechnologien erlaubt. Ihr Ziel ist es, zu erfassen, wie unterschiedliche
Anwendungen die Lernumgebung und den Unterrichtsstil des Lehrenden beein-
flussen. Anhand zweier Fallbeispiele illustrieren sie, wie die Methodologie die Cha-
rakteristiken unterschiedlicher Anwendungen erfasst, sowie auch deren Nutzung
durch den Lehrenden bzw. die Schülerinnen und Schüler und welche Implikationen
auf die Gestaltung der Lernumgebung sie zulässt. Um zu verdeutlichen, wie die
Lehrenden die Anwendungen nutzen, werden drei Modelle eingesetzt: Class-Rota-
tion, Actor-Contol und Pedagogical Decision Making Model. Dabei zeigt sich, dass
Lehr-Lerntechnologien sich stark in der Darbietung von Inhalten wie auch in der
Nutzung von Schülerdaten (Learning Analytics) unterscheiden. Darüber hinaus
wird deutlich, dass die Technologien einen Einfluss darauf haben, wie Lehrende
Innovationen im Bildungsbereich gestalten.
Im zweiten Teil des Bandes werden schulische Aspekte der Tabletforschung in
den Fokus genommen und vorrangig konkrete Forschungsergebnisse aus Klassen
und Schulen präsentiert. Hier gibt der Beitrag von Stefan Aufenanger zunächst einen
Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zum Tableteinsatz in Schule
und Unterricht aus nationaler und internationaler Sicht. Dazu wurden die seit der
Einführung des iPads vorliegenden empirischen Studien aus dem deutschsprachigen
Raum wie auch auf internationaler Ebene bezüglich ihrer Forschungsdesigns als
auch ihrer Ergebnisse ausgewertet. Es wird deutlich, dass die Ergebnisse der wissen-
schaftlichen Begleitstudien von Tabletprojekten fast ausschließlich positive Effekte
zeigen, die sich u. a. in einer erhöhten Motivation der Schülerinnen und Schüler
Einführung: Tableteinsatz in Schule und Unterricht – wo stehen wir? 7

beim Lernen sowie einer veränderten Lernkultur im Klassenzimmer ausdrücken.


Zugleich wird jedoch hervorgehoben, dass für das Gelingen von Tabletprojekten in
Schule und Unterricht eine funktionierende mediale Infrastruktur sowie ein gute
pädagogisch-didaktische Ausbildung der Lehrkräfte notwendig sind.
Im Anschluss daran bietet der Beitrag von Jasmin Bastian unterschiedliche
Perspektiven auf die Integration von Tablets an weiterführenden Schulen. Den
Ausgangspunkt stellt die Frage dar, ob sich im Zusammenhang mit der Tabletnut-
zung gleichzeitig von einer Neubestimmung des Lernens an den Schulen sprechen
lässt. Der Begriff der Neubestimmung geht auf die höchste Stufe des SAMR-Modells
von Puentedura (2006) zurück. Auf dieser Stufe ermöglicht die Medienintegration
gänzlich neue Lernaufgaben, die ohne Technologie nicht möglich wären. Bastian
geht der Frage nach, indem sie ausgewählte Daten aus ihrer Begleitforschung
an neun Schulen zeigt. Dabei handelt es sich zum einen um eine Befragung der
beteiligten Lehrpersonen bzw. Schülerinnen und Schüler, sodass deren subjektive
Perspektiven beleuchtet werden. Zum anderen werden Wandlungsprozesse auf
der Basis konkreter Unterrichtsbeobachtungen mittels Videoanalyse evaluiert.
Anhand der Daten wird deutlich, dass der Einsatz der Tablets häufig noch nicht
auf der Stufe der Neubestimmung angekommen ist.
Der Beitrag von Rudolf Kammerl beschäftigt sich mit der Frage, ob der Einsatz
digitaler Medien in der Schule gleichzeitig auch bildungstechnologische Innovation,
mediendidaktische Integration und neue persönliche Lernumgebungen mit sich
bringt. Dabei nimmt er sowohl den Einsatz von Tablets unter die Lupe als auch
das Konzept des Bring Your Own Device (BYOD), also die Nutzungen privater
mobiler Geräte. Er reflektiert dies auf der Basis ausgewählter Daten aus zwei Be-
gleitstudien (Paducation und Start in die nächste Generation) und geht in diesem
Zusammenhang gezielt Hinweisen auf Widerstände und Gründen gegen ein Lernen
mit Tablets nach. Während aus bildungstechnologischer Perspektive bei solchen
Integrationsprozessen vorrangig Bereitstellung, Einführung und Nutzung der
Tablets und ihrer Apps im Vordergrund stehen, verdeutlicht der Beitrag, dass die
persönlichen Tablets für die Lernenden vielmehr auch neue Optionen expansiven
und defensiven Lernens darstellen. Die Forschungsergebnisse veranschaulichen
Verlagerungen von Verantwortungszuschreibungen und -übernahmen in diesem
Spannungsfeld und bieten Ansatzpunkte zu differenzierenden Analysen.
In einem weiteren Beitrag nimmt Richard Heinen das Konzept des BYOD noch-
mals unter die Lupe und beschreibt den Aufbau hybrider Lerninfrastrukturen in
regionalen Schulnetzwerken. Er geht von zwei Voraussetzungen aus, damit digitale
Medien im Lernprozess gewinnbringend eingesetzt werden können: Zum ersten
muss die Technik möglichst unterrichtsnah, also im Klassenzimmer, vorhanden
sein. Zum zweiten müssen die Lernenden selbstgesteuert auf die Geräte zugreifen
8 Stefan Aufenanger und Jasmin Bastian

können, wann immer es ihre Lern- und Arbeitsprozesse erfordern. Beide Vor-
aussetzungen können mit dem Konzept des BYOD eingelöst werden. Der Artikel
stellt die Ergebnisse aus einem aktuellen Forschungsprojekt vor und verdeutlicht
die ersten Umsetzungserfahrungen in lokalen Schulnetzwerken, die mit diesem
Ansatz gemacht wurden. In dem Zusammenhang wird außerdem besonders auf
die Bedeutung von schulinternen Lehrerfortbildungen und Medienkonzepten bzw.
schulinternen Medien-Curricula hingewiesen.
Der Beitrag von Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger thema-
tisiert schließlich das Potenzial mobiler Geräte, die auch für das außerschulische
Lernen zu Hause fungieren zu können. Die Autoren untersuchen, inwiefern die
Verfügbarkeit persönlicher Tablets dazu beiträgt, dass Schülerinnen und Schüler
auch außerhalb der Schule bestimmte Lernanlässe stärker wahrnehmen und
nutzen. In ihrer längsschnittlichen quantitiven Studie an 12 Grundschulen in der
deutschsprachigen Schweiz wurden 2015 N=989 Schülerinnen und Schüler mit und
ohne Tablets zu ihren außerschulischen ICT-Nutzungsaktivitäten, Einstellungen
und Kompetenzen befragt und überprüft, inwiefern die schulische 1:1 Ausstattung
mit persönlichen digitalen Geräten mit einer außerschulisch stärkeren Nutzung
digitaler Lernanlässe einhergeht. Die Ergebnisse zeigen eine höhere Nutzung der
Tabletschülerinnen uns #schülerfür lern-, nicht aber für unterhaltungsbezogene
Zwecke. Der Unterschied besteht auch nach Kontrolle weiterer, für die außerschu-
lische, lernbezogene ICT-Nutzung ebenfalls bedeutsamer Bedingungen, wie der
subjektiven ICT-Kompetenz und Einstellung, dem Engagement der Eltern und der
Bedeutung digitaler Medien im Unterricht.
Der Beitrag von Alexander Tillmann und Claudia Bremer beschäftigt sich eben-
falls mit dem Einsatz von Tablets in Grundschulen. In diesem Rahmen werden die
Umsetzung sowie die Ergebnisse des Projektes Mobiles Lernen in Hessen (MOLE)
vorgestellt. Die wissenschaftliche Begleitforschung evaluiert die Einführung von
Tablets an sechs hessischen Grundschulen. Zentrale Fragestellungen sind in diesem
Zusammenhang, wie und zu welchen Zwecken die mobilen Endgeräte im Unter-
richt eingesetzt werden und welchen Einfluss der Tableteinsatz über einen längeren
Zeitraum auf die Motivation der Schülerinnen und Schüler hat. Die Ergebnisse der
empirischen Studie zeigen, dass Schülerinnen und Schüler hochmotiviert mit den
Tablets arbeiten und vor allem dann die Motivation hoch gehalten werden kann,
wenn die Unterrichtsszenarien projekt- und prozessorientiert gestaltet sind und
selbstgesteuertes Lernen ermöglichen.
Schließlich wird im Beitrag von Mandy Schiefner-Rohs der Blick ausgeweitet auf
die Ausbildung von Lehrpersonen im Vorbereitungsdienst resp. Referendariat. Die
Ausgangsbasis bildet die Feststellung, dass Projekte, die den Einsatz von ­Tablets in
der Lehrerbildung untersuchen, bisher in der Minderheit sind gegenüber Projekten,
Einführung: Tableteinsatz in Schule und Unterricht – wo stehen wir? 9

die Kinder und Jugendliche in den Blick nehmen. In den vorhandenen Studien
stehen darüber hinaus zumeist Studierende im Allgemeinen und nicht spezifisch
Lehramtsstudierende im Vordergrund. Der Beitrag beleuchtet daher – ausgehend
von einem explorativ angelegten Forschungsprojekt – den Einsatz von Tablets in
der zweiten Phase der Lehrerbildung. Er präsentiert erste Ergebnisse dazu, wie
Referendarinnen und Referendare Tablets zur Organisation ihres Lern- und Ar-
beitsalltags nutzen und welche Handlungspraktiken sich in der Nutzung des Geräts
für den persönlichen Lern- und Arbeitsalltag ausbilden.
Im dritten Teil des Bandes werden schließlich fachdidaktische Aspekte bei
der Arbeit mit Tablets im Unterricht in den Blick genommen. Dies geschieht
exemplarisch aus drei unterschiedlichen Disziplinen heraus: zunächst aus dem
Blickwinkel der Mathematikdidaktik, dann aus der Physik- und schließlich aus
der Fremdsprachendidaktik.
Der Beitrag von Silke Ladel beschäftigt sich mit dem Potenzial des Tablets zur
Unterstützung von Lehr- und Lernprozessen in der Mathematik, insbesondere bei
der Nutzung durch junge Kinder. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung
von Handlungen mit physischen und mit virtuellen Materialien reflektiert. Dies
geschieht auf der Grundlage der Artefact-Centric Activity Theory im Rahmen zweier
Forschungsprojekte: Ein Projekt befasst sich mit dem Aufbau von Zahlkonzepten
und damit, wie die Entwicklung eines kardinalen Zahlkonzepts durch den Einsatz
der Multitouch-Technologie unterstützt werden kann. Das andere Projekt widmet
sich dem verständnisvollen Umgang mit Zahlen und der Verknüpfung der beiden
Prinzipien des Bündelns und des Stellenwerts.
Dem schließt sich ein Beitrag von Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Mül-
ler zu Experimenten mit Smartphone und Tablet in der Physik – hier genauer im
Physikstudium – an. Sie gehen davon aus, dass das Smartphone und der Tablet-PC
aufgrund ihrer integrierten Sensoren sehr gut als mobiles Messlabor in der Physik
eingesetzt werden können. Sie schließen an Studien an, die bereits belegen konnten,
dass die Nutzung dieser Medien als physikalisches Experimentiermittel positive
Lerneffekte haben kann. Metakognitive Variablen wurden in dem Zusammen-
hang bisher außer Acht gelassen. Den Autoren zufolge gibt es jedoch gute Gründe
zur Annahme, dass die Nutzung von Smartphone und Tablet zu einer akkuraten
Selbstreflexion des eigenen Verständnisses führen kann. Mit ihrem Beitrag schaffen
sie eine Grundlage zur Untersuchung dieser Annahme, indem sie Lernschwierig-
keiten im Untersuchungsfeld diagnostizieren und geschlossene Aufgabentypen
quantitativ hinsichtlich metakognitiver Diskriminationsstärke charakterisieren.
Eine dritte Perspektive auf fachdidaktische Aspekte eröffnet der Beitrag von
Henriette Dausend zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse im Fremd-
sprachenunterricht Englisch. Sie beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Tab-
10 Stefan Aufenanger und Jasmin Bastian

letgebrauchs auf die kommunikativen Aushandlungsprozesse im Lerngeschehen


mit dem Fokus auf die Chancen des Tableteinsatzes im Englischunterricht in der
Grundschule. Dies geschieht entlang von Forschungsergebnissen aus dem Projekt
Teaching English with Tablets, in dem mittels Interviews sowie Videografie Daten
von tabletgestütztem Unterricht erhoben werden. Der Fokus der Evaluation liegt
besonders auf der Suche nach Möglichkeiten der Förderung einer fremdsprachli-
chen Diskurskompetenz von Lernenden durch Tablets. Auf dieser Basis lassen sich
erste Erkenntnisse zu Prinzipien, Aufgabenstellungen und Methoden für einen
kommunikativen und handlungsorientierten tabletgestützten Englischunterricht
formulieren.

Vor dem Einstieg in die Inhalte möchten wir noch einen abschließenden Lesehinweis
geben: Bei der Lektüre des Bandes kann es zur Doppelung von Begriffserklärungen,
theoretischen Modellen oder Studienergebnissen kommen. Wir haben uns bewusst
gegen eine Streichung derselben entschieden, um es den Leserinnen und Lesern
zu ermöglichen, jeden Artikel auch für sich allein lesen zu können, ohne gleich-
zeitig eine chronologische Lektüre des gesamten Bandes notwendig zu machen.
Wir hoffen, so sind die Ergebnisse für Vertreter unterschiedlicher Fachrichtungen
und Institutionen, am besten für eine Weiternutzung geeignet – im Sinne eines
Wandels an Schulen.

Literatur

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terricht (89), 54-55.
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Einführung: Tableteinsatz in Schule und Unterricht – wo stehen wir? 11

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I
Theoretisch-methodologische Aspekte
der Tabletforschung
Methods matter
Methodisch-methodologische Perspektiven für
die Forschung zum Lernen und Lehren mit Tablets
Stefan Welling

Zusammenfassung

Der schulische Tableteinsatz impliziert regelmäßig eine Verbesserung von


Lern- und Lehrprozessen . Empirisch lässt sich das kaum ausreichend belegen .
Dazu kommen methodisch-methodologische Herausforderungen, die mit
neuen Formen der Aneignung digitaler Medien in Lern- und Lehrkontexten
und deren Erforschung einhergehen . Nohls Modell verschiedener Transakti-
onsräume offeriert einen elaborierten qualitativen Ansatz, um die angedeuteten
Veränderungen zu analysieren und besser zu verstehen . Anschlüsse aus den
Bereichen Digital Methods und E-Research unterstreichen aber, dass das nur ein
Zwischenschritt sein kann im Zuge notwendiger methodisch-methodologischer
Neuorientierungen auf der Hintergrundfolie der zunehmenden Mediatisierung
und Digitalisierung von Lern- und Lehrprozessen .

1 Das Potenzial von Tablets für die Verbesserung von


Lern- und Lehrprozessen

Der Einsatz digitaler Medien in der Schule besitzt hohes Potenzial, die dort situierten
Lern- und Lehrprozesse zu verbessern . Richtig eingesetzt können Schülerinnen und
Schüler mit ihnen z . B . kollaborativer lernen und sich dabei in konstruktivistischer
Manier gemeinsam interagierend Wissen aneignen (Sunnen 2006; Henderson und
Yeow 2012) . Den Heranwachsenden kommt dabei zu Gute, dass mittels digitaler
Medien Lernprozesse adaptiver, heterogener und multimodaler gestaltet werden
können, um den individuellen Bedürfnissen der Lernenden besser gerecht zu wer-
den – ein Aspekt, dessen Bedeutung nicht nur vor dem Hintergrund inklusiven
15
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_2
16 Stefan Welling

Unterrichts kaum hoch genug bewertet werden kann (Kerres und de Witt 2004;
Boticki et al. 2015; Schluchter 2015). Durch den Einsatz digitaler Medien können
Lernprozesse außerdem nahtlos erfolgen, wenn sie sich über physische und virtu-
elle Räume hinweg erstrecken, neben formellen auch informelle Kontexte sowie
(vorhandene) Kompetenzen und Interessen der Heranwachsenden gezielt für
Lernprozesse nutzbar machen und ihnen so u. a. mehr Authentizität und Bedeut-
samkeit verleihen (Wong 2012; vgl. dazu kritisch Philip und Garcia 2013 und im
Überblick Pegrum 2014).
Obwohl die Potenziale der digitalen Medien zur Verbesserung von Lern- und
Lehrprozessen relativ früh erkannt wurden, verlief und verläuft die Integration der
digitalen Medien in der Schule an vielen Stellen immer noch relativ schleppend. Das
wurde und wird immer wieder auch auf die vorhandene, vermeintlich unzureichende
technische Infrastruktur zurückgeführt. Zu Anfang, in den frühen 1980er Jahren
und in vielen Schulen nach wie vor, fand und findet die Nutzung digitaler Medien
primär in Computerräumen mit Hilfe von Desktop-Computer bzw. PCs statt (Bruce
et al. 1993; Lang und Schulz-Zander 1998). Ab den späten 1990er Jahren gelangten
immer mehr Schulen auch in den Besitz von Laptops, mit deren Hilfe die digitalen
Medien nunmehr u. a. auch den Weg in die Unterrichtsräume finden sollten. Da
sich die pädagogisch-didaktischen Erwartungen an die Nutzung dieser Medien
vielfach jedoch nicht erfüllten – und dabei natürlich auch alle pädagogischen,
kulturellen und organisatorischen Herausforderungen der Medienintegration zum
Tragen kamen (vgl. zu diesen Herausforderungen exemplarisch Breiter et al. 2010)
– wanderten viele Laptops letztlich auch in die Computerräume, sodass der Einsatz
dieser Geräte gegenüber der Arbeit mit dem PC nicht viel veränderte (Weston und
Bain 2010). Um 2010 herum begannen immer mehr Schulen, Netbooks im Unter-
richt einzusetzen, die deutlich kleiner und portabler als Laptops waren. Auch dabei
war die Hoffnung groß, u. a. kollaborativer und kreativer zu lernen und zu lehren
(s. o.) (Pimmer und Gröhbiel 2010; Schrack 2010). Gleichwohl konnten sich auch
diese Geräte im Schulbetrieb nicht etablieren. Bereits Anfang 2000 begannen die
ersten Schulen mit Tablets bzw. Tablet-PCs zu arbeiten (Sheehy et al. 2005). Häufig
noch mit einer fest verbauten Tastatur ausgestattet, verfügten diese auch über ein
interaktives Display mit der Möglichkeit direkter Dateneingabe und Interaktion
mit dem Gerät. Für die weitere Verbreitung dieser Geräte gilt das bereits gesagte
(vgl. außerdem Welling und Stolpmann 2012).
Anfang 2010 wurde von Apple das erste iPad vorgestellt und das Gerät avancierte
rasch zu einem der erfolgreichsten Produkte des Konzerns. Nach Informationen des
Unternehmens wurden zwischen 2010 und 2015 über 308 Millionen iPads weltweit
Methods matter 17

verkauft.1 Wie viele davon ihren Weg in die Schule gefunden haben, ist unbekannt,
die Marktmacht des Unternehmens ist aber, trotz rückläufiger Absatzzahlen, immer
noch so groß, dass der Begriff iPad vielfach synonym für das Lernen und Lehren
mit Tablets steht. Im weiteren Text spreche ich nur von Tablets, unabhängig vom
Fabrikat. Denn der Markt hat sich inzwischen stark diversifiziert und es gibt eine
Vielzahl unterschiedlichster Tablets, sowohl was die Größe als auch die Leistungs-
fähigkeit betrifft. Die schulische Verbreitung von Tablets variiert erheblich. Laut
der ICIL-Studie konnten 2013 z. B. 6,5 Prozent der Schülerinnen und Schüler des
8. Jahrgangs in deutschen Schule solche Geräte nutzen, während es in Australien
63,6 Prozent waren (Bos et al. 2014, S. 162). Vom gelegentlichen Einsatz in einzelnen
Klassen bis zur Ausstattung aller Lernenden mit einem schülereigenen Endgerät
sind verschiedenste Nutzungsmodelle denkbar.
Die hohe Popularität von Tablets hängt auch mit deren Ausstattungsmerkma-
len zusammen: Erstens ist das Gerät durch geringes Gewicht, die relativ kleine
Abmessung und ein sehr effizientes Energiemanagement, das in der Regel ein
mehrstündiges Arbeiten ohne stationäre Stromversorgung ermöglicht, hoch mobil
und flexibel nutzbar. Zweitens wird die einfache Handhabung von Tablets hervor-
gehoben. Gerade die einfache Gestenkommunikation soll insbesondere jüngeren
Benutzerinnen und/oder Benutzern entgegenkommen. Drittens machen Kameras
für Foto- und Videoaufnahmen, Mikrofone sowie Sensoren in Verbindung mit
entsprechenden Applikationen (Apps) das Tablet zu einem Multifunktionsgerät für
unterschiedlichste Lernkontexte. Das funktioniert allerdings nur dann vollständig,
wenn das Tablet mit dem Internet verbunden ist. Momentan ist davon auszugehen,
dass nur wenige Schulen über eine flächendeckende, ausreichend leistungsstarke
WLAN-Verkabelung verfügen, um auch für größere Schülerzahlen entsprechende
Nutzungsszenarien zu ermöglichen. Fehlt eine solche Konnektivität, lässt sich eine
mobile kostenpflichtige Internetanbindung auch per UMTS oder LTE herstellen
(Aufenanger 2015, S. 63ff.).
Die Rezeption der Nutzung von Tablets für schulisch konnotierte Lern- und
Lehrprozesse ist auffällig positiv. Verschiedenste Untersuchungen kommen zu dem
Schluss, dass der unterrichtliche Einsatz von Tablets zu einer deutlichen Verbesse-
rung von Lernprozessen und -ergebnissen beiträgt (vgl. u. a. Magley 2011; Burden
et al. 2012; Bjerede und Bondi 2012; Thissen 2013; Ciampa 2014 sowie Aufenanger
2015). Das gilt vor allem für die oben beschriebenen Vorteile. Die unterrichtliche
Nutzung von Tablets muss sich aber auch daran messen lassen, in wie weit sie
zur Förderung fachlicher Kompetenzen beiträgt. Antworten auf diese Frage sind
Mangelware. Mit Blick auf entsprechende Studien zur generellen Nutzung digita-

1 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/IPad#Verkaufszahlen. Zugegriffen: 22.2.16


18 Stefan Welling

ler Medien scheint aber Vorsicht geboten. Fachliche Kompetenzzuwächse fallen,


wenn sie denn messbar sind, in den allermeisten Fällen höchstens moderat aus und
die methodische Qualität vieler Studien zum Thema weist erhebliche Mängel auf
(Welling 2015, S. 127f.). Aufmerken lässt auch eine Sekundäranalyse der PISA-Daten
von 2003 und 2012, wonach sich in den Ländern, die in der Vergangenheit große
Investitionen in die schulische Nutzung digitaler Medien getätigt haben, wie z. B.
Australien, die Kompetenzen der Lernenden in den Bereichen Lesen, Mathematik
und Naturwissenschaften nicht nennenswert verbessert hätten. Im Gegenteil sei
zwar unter Kompetenzzuwachsaspekten der begrenzte Einsatz von Computern
in der Schule besser als gar keine Nutzung, eine Nutzung über den momentanen
OECD-Durchschnitt hinaus tendiere aber dazu, mit signifikant schlechteren
Schülerleistungen einher zu gehen (OECD 2015, S. 15f., 153). Inwiefern dabei ein
kausaler Zusammenhang zwischen dem Ausmaß des Einsatzes der digitalen Me-
dien sowie der Art und Weise, wie die Medien im Unterricht eingesetzt werden
und den Auswirkungen auf die fachlichen Kompetenzen der Schülerinnen und
Schüler besteht, ist offen (vgl. zur Thematik auch Welling 2016).
Ungeachtet dieser (möglichen) Einschränkungen steht z. B. in Deutschland schon
seit längerem die politische Forderung im Raum, zumindest alle Schülerinnen und
Schüler der Sekundarstufe I und II mit einem mobilen Endgerät zum Lernen aus-
zustatten (Deutscher Bundestag 2013, S. 18; Wetterich et al. 2014, S. 9). Damit wird
mehr oder weniger selbstverständlich angenommen, dass eine 1:1-Ausstattung mit
mobilen Endgeräten wie Tablets der Garant ist, um die von den Heranwachsenden
für das Leben in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts benötigen Kompetenzen op-
timal zu fördern. Es besteht aber noch erheblicher Forschungsbedarf dahingehend,
welche Auswirkungen die Nutzung von Tablets (und anderen mobilen Endgeräten)
auf schulisch konnotierte Lern- und Lehrkontexte hat und welche Ausstattungs-
konzepte inklusive (medien-)pädagogischer und (medien-)didaktischer Konzepte
am besten geeignet sind, die verschiedenen Kompetenzen der Heranwachsenden
möglichst optimal zu fördern und Bildungsprozesse im Sinne der Veränderung
von Selbst- und Weltreferenzen zu unterstützen (Marotzki und Jörissen 2010).
Die handlungspraktische Umsetzung entsprechender Strategien ist untrennbar
mit Schulentwicklungsthemen verbunden und adressiert insbesondere die Entwick-
lung der Schulorganisation und -kultur (Zhu 2013; Welling et al. 2015). Mit Blick
auf die Schulkultur hat Jeanette Böhme vor zehn Jahren die Frage aufgeworfen, in
wie weit sich die Schule vor dem Hintergrund des Medienwandels am Ende der
Buchkultur befindet (Böhme 2006). Ihre Antwort lautete damals, dass die kulturelle
Konfiguration der Schule einer Buch-, Lese- oder Schriftkultur entspreche, mit dem
Buch als kulturellem Leitmedium, das die Schule zu einem Artefakt der Buchkultur
gemacht hat (Böhme 2006, S. 81, 126). Knapp zehn Jahre später identifiziert sie,
Methods matter 19

ausgelöst durch den medienkulturellen Wandel, zumindest eine partielle Erosion


dieser etablierten Leitkultur, in deren Folge das Buch seine kulturelle Bedeutung
als dominantes schulisches Leitmedium zunehmend verliert und dessen Dominanz
durch ein Mediengefüge diffundiert wird (Böhme 2015, S. 414f.). Mit dem Ende der
Buchkultur tritt dann „an die Stelle des typografischen Leitmediums das Formgefüge
der Netzwerkkultur, also eine Verknüpfung von mediendifferenten Raumzeitord-
nungen“ (Böhme 2015, S. 422). Die Netzwerkkultur kann auch als Platzhalter für
die durch den Medienwandel auf der Makroebene (mit-)induzierte Veränderung
von Politik und Wirtschaft sowie Sozialisation, Gesellschaft und Kultur betrachtet
werden. Auf der Mesoebene werden davon die verschiedenen Institutionen und
Organisationen erfasst und auf der Mikroebene der Wandel der Menschen und
ihres Alltags sowie ihrer sozialen Beziehungen (Krotz 2012, S. 37). Dieser Wandel
bzw. Transformationsprozess wird auch als Mediatisierung bezeichnet (Krotz 2006).
Unabhängig vom Bedeutungszuwachs der Netzwerkkultur als Verknüpfung
mediendifferenter Raumzeitordnungen ist der größte Teil schulischer Lern- und
Lehrprozesse nach wie vor an die Schule als Ort gebunden und basiert auf in den
Unterrichtsräumen lokalisierten direkten Interaktionen zwischen Lernenden und
Lehrenden sowie zwischen den Lernenden (Stadler-Altmann 2013). Es kommt aber
im Zuge des Medienwandels zu einer zunehmend dialektischen Verbindung zentraler
Parameter der Kommunikation, die durch die Beziehungen zwischen Abwesenheit
und Präsenz, Nähe und Distanz sowie Individualismus und Gemeinschaft charak-
terisiert sind (Enriquez 2013, S. 322). Diese Relationen fusionieren zunehmend in
der Nutzung mobiler Geräte und produzieren dabei ambivalente Realitäten von
abwesender Präsenz, öffentlicher Privatheit und isolierter Konnektivität, die zu-
nächst als widersprüchlich erscheinen, bei genauerer Betrachtung aber spezifische
Charakteristika des Medienwandels markieren (Enriquez 2013, S. 322). So kann
eine Schülerin beispielsweise im Unterricht sitzen, während sie gleichzeitig mit
Freunden per Messenger über Fragen eines anderen Faches kommuniziert. Sie ist
zwar anwesend, ihre Aufmerksamkeit aber auf die Interaktion im virtuellen Raum
fokussiert. Die öffentliche Privatheit adressiert eine weitere Facette der gleichen
Thematik. Mit Hilfe mobiler Medien kann eine Person im öffentlichen Raum zu-
gegen und dabei privat sein, wenn sie dort zum Beispiel ein Telefongespräch führt,
am besten mit Kopfhörern, die sie von sonstigen Kommunikationen um sie herum
weitgehend abschirmen. Damit verbinden und isolieren mobile Medienpraxen in
gleicher Weise. Schülerinnen und Schüler können im gleichen Raum sein, machen
aber aufgrund differierender Konnektivitäten ganz unterschiedliche Erfahrungen.
Gemeinschaft wird somit immer häufiger durch eine Akkumulation privatisier-
ter (isolierter) Konnektivitäten konstituiert (Enriquez 2013, S. 327). Bedeutsame
20 Stefan Welling

Ausformungen solcher Verbindungen mediendifferenter Raumzeitordnungen


exemplifiziert der nächste Abschnitt.

2 Mediendifferente Raumzeitordnungen im
praktischen Vollzug

Die folgenden Ausführungen basieren auf der Evaluation des Projektes Paducation,
in dessen Rahmen in der Oberstufe eines Gymnasiums Tablets mit dem Ziel der
Weiterentwicklung von Lern- und Lehrprozessen eingeführt wurden. Zu Beginn des
Projektes im Sommer 2011 wurde allen Schülerinnen und Schülern der 11. Klasse
sowie den Lehrkräften in diesem Jahrgang ein identisches Tablet zur Verfügung
gestellt, das auch außerhalb der Schule und auch für nicht-schulische Zwecke genutzt
werden durfte. Die Evaluation wurde vom Institut für Informationsmanagement
Bremen (ifib) gemeinsam mit der Fakultät für Erziehungswissenschaft an der Uni-
versität Hamburg durchgeführt (Autorengruppe Paducation 2015). Mit Blick auf
den vorangegangenen Abschnitt greife ich hier exemplarisch Veränderungen der
Kommunikation zwischen den Schülerinnen und Schülern auf, anhand derer gut
deutlich wird, wie stark diese auf die Lernprozesse und damit mindestens mittel-
fristig auch auf die Schulkultur und -organisation einwirken und selbige verändern.
Die Verfügbarkeit der Tablets hat zu einer enormen Intensivierung der Kom-
munikation der Jugendlichen untereinander geführt, basierend insbesondere auf
der Nutzung von Messenger-Apps sowie der Kommunikation innerhalb speziell
eingerichteter Gruppen auf Facebook. Dabei scheint es nicht ungewöhnlich zu
sein, dass innerhalb weniger Stunden hunderte neue Nachrichten verfasst werden.
Daraus resultiert die Notwendigkeit, individuell adäquate Strategien für den Um-
gang mit dieser sehr umfangreichen Informationsmenge zu finden, eine Aufgabe,
deren Schwierigkeit nicht zu unterschätzen ist. Die Heranwachsenden nutzen die
angesprochenen Gruppen u. a., um sich innerhalb eines Kurses zu lernrelevan-
ten Fragen auszutauschen, z. B. was für die nächste Klausur zu lernen ist. Dabei
kommt es auch zu einer Ausweitung der Kooperation zwischen den Jugendlichen.
Gleichzeitig offenbart diese Situation das hohe Rationalisierungspotenzial vieler
Medienpraxen. Es scheint nicht mehr notwendig zu sein, sich zum gemeinsamen
Lernen an einem physischen Ort zu treffen, stattdessen findet man sich bedarfsweise
in einem virtuellen Raum ein. Wobei u. a. noch zu klären ist, wie sich solche Formen
der Kooperation auf die verschiedenen Lernprozesse auswirken. Die Ausführungen
einiger Schülerinnen und Schüler deuten z. B. darauf hin, dass die Intensivierung
Methods matter 21

der Kommunikation im skizzierten virtuellen Kontext auch dazu beitragen kann,


die Heranwachsenden zu verunsichern, statt ihnen zu helfen.
Ein Schüler spricht davon, dass die Kommunikation mittels der digitalen Medien
dazu beigetragen habe, die Heranwachsenden innerhalb des Jahrgangs ‚zusammen
zu schweißen‘, d. h. die mediale Kommunikation hat die Kohäsion innerhalb der
Gruppe verbessert. Dazu trägt außerdem bei, dass die Schülerinnen und Schüler
dabei offenbar auch mit Peers kommunizieren, mit denen sie bis dato nicht Fa-
ce-to-Face interagiert haben. Einige Ausführungen der Heranwachsenden – wie
der Hinweis einer jungen Frau, dass nunmehr fast die gesamte Kommunikation
innerhalb der Oberstufe über Messenger-Apps bzw. Social Network Sites erfolgt
– deuten auch darauf hin, dass die Medienkommunikation zumindest bestimmte
Formen der interpersonalen direkten Kommunikation nicht nur ergänzt, sondern
teilweise auch ersetzt.
Die Lehrkräfte nehmen offenbar partiell wahr, dass sich die mediale Kommu-
nikation zwischen den Heranwachsenden im Zuge des Projektes deutlich intensi-
viert hat, und dass das auch Auswirkungen auf deren Lernprozesse hat. Insgesamt
scheint diese Kommunikation für sie aber keine besondere Relevanz zu besitzen,
bzw. scheinen sich die Lehrkräfte, wenn überhaupt, nur marginal für diese Form
der Kommunikation zu interessieren. Dazu trägt sicherlich auch bei, dass sie die
mediatisierte Kommunikation zwischen den Schülerinnen und Schülern im Un-
terricht primär als Störung des selbigen wahrnehmen. Abwesende Präsenzen als
neue Qualitätsmerkmale des Unterrichts spielen dabei noch keine Rolle, obgleich
ein mobiles Endgerät natürlich auch ein enormes Ablenkungspotenzial besitzt, das
durchaus geeignet ist, Lern- und Lehrprozesse zu beeinträchtigen. Manche Lehr-
kräfte nehmen die Intensivierung der digitalisierten Kommunikation zwischen den
Schülerinnen und Schülern auch generell als negativ wahr, sehen die Schule eher als
ein Schutzraum gegenüber diesen Entwicklungen und lehnen die Intensivierung
der Nutzung digitaler Medien in der Schule über ein gewisses Basisniveau hinaus
ab. Das ist aber eine generelle Herausforderung der schulischen Medienintegration,
die nicht auf die Nutzung von Tablets beschränkt ist, durch diese aber verstärkt
werden kann, gerade wenn es sich um umfangreichere Vorhaben handelt (vgl. zur
zentralen Relevanz von Orientierungen und Einstellungen für die Medieninteg-
ration auch Breiter et al. 2013 und Brüggemann 2013). Die wenigsten Lehrkräfte
versuchen die skizzierten Veränderungen produktiv für ihren Unterricht zu nutzen,
indem sie den Schülerinnen und Schülern z. B. Informationen via Messenger zur
Verfügung stellen oder selbige nutzen, um Face-to-Face Begegnungen mit den
Heranwachsenden anzubahnen, wenn ihnen deren Aufenthaltsort in der Schule
unbekannt ist. Auch für die Kommunikation untereinander scheint das Tablet für
die meisten Lehrkräfte keine besondere Relevanz zu besitzen.
22 Stefan Welling

Dieser kleine Ausschnitt aus der Evaluation des Paducation Projektes macht
dreierlei deutlich: Erstens besitzt die breite Einführung von Tablets in der Schule
das Potenzial, den Schulbetrieb massiv zu verändern – mit noch weitgehend
offenen Konsequenzen für die Schule als Organisation. Zweitens deutet sich die
große Relevanz an, die das Tablet als Artefakt für diese Veränderungsprozesse hat.
Damit, sowie vor dem Hintergrund der skizzierten Veränderungen der Lern- bzw.
Lehrprozesse und der Handlungspraxen, auf denen selbige basieren und die auf
das engste mit den dabei eingesetzten Medien verbunden sind, stellt sich drittens
die Frage, wie diese Veränderungen im Rahmen der Forschung zur schulischen
Medienintegration methodisch-methodologisch adäquat adressiert werden können.
Um darauf zu antworten, nehme ich im folgenden Abschnitt die Relevanz der ma-
teriellen Aspekte der Nutzung von Tablets in schulischen Lern- und Lehrkontexten
als einen wichtigen, bisher in der Forschung zur Medienintegration aber nicht
ausreichend gewürdigten Aspekt in den Blick.

3 Ansätze methodisch-methodologischer
(Neu-)Orientierungen

Lern- und Lehrprozesse sind ohne Artefakte bzw. Dinge kaum denkbar: Bücher,
Hefte und Stifte sind das wohl bekannteste Beispiel dafür, ähnliches gilt für Tafeln,
genauso wie für die Gestaltung und Möblierung der Räume, in denen Unterricht
stattfindet. Auf die digitalen Medien bezogen, mag man mit Blick auf die Heran-
wachsenden und insbesondere deren Aneignung von Smartphones geneigt sein,
bereits von einer Verschmelzung von Mensch und Medium zu sprechen. Ähnlich
argumentiert Mark Pegrum, wonach die Aneignung mobiler Endgeräte mit einer
Verleiblichung einhergeht, welche die Sinne und kognitiven Fähigkeiten erweitert,
während man mit der Welt um sich herum interagiert. Noch trüge man diese Geräte
nahe am Körper, zunehmend würden sie aber auch in die Kleidung integriert, um
im nächsten Schritt unter die Haut implantiert zu werden und so in den Körper der
Menschen zu gelangen, sodass diese sich nicht mehr in den Cyberspace begeben
müssen, sondern der Cyberspace in die Menschen gelangt (Pegrum 2014, S. 3).
Medizinische Technologien zeigen bereits in diese Richtung, für Lern- und
Lehrprozesse besitzt das letzte von Pegrum skizzierte Szenario jedoch noch keine
Relevanz, wirft aber eine mitzudenkende Perspektive auf das Zusammenwirken
von Menschen und Technologien im Sinne von Dingen. Auch das Tablet ist ein
Ding bzw. Artefakt, das eine Vielzahl von Fragen bezüglich seiner Aneignung
aufwirft. Begünstigt oder erzwingt die Beschaffenheit des Geräts die Realisierung
Methods matter 23

bestimmter Praktiken, während es andere beeinträchtigt oder verhindert? Welche


Funktionen kommen dabei den auf dem Tablet installierten Apps zu? Wie verändern
sich Dinge mit den Menschen zusammen und wie finden sich neue Ausrichtungen
auf ihre Funktionalitäten? In den Erziehungswissenschaften spielen solche Fragen
wie gesagt bislang kaum eine Rolle. Die materiellen Aspekte pädagogischer Grund-
prozesse werden von ihr zwar konstatiert, bisher aber kaum erforscht (Nohl 2011,
S. 8). Gleiches gilt für die Frage nach den Relevanzen der Dinge in schulischen
Lern- und Lehrprozessen (Asbrand et al. 2013, S. 172).
Da es mit Blick auf die digitalen Medien dabei neben technischen immer auch um
soziale Prozesse geht, liegt es nahe, von Soziomaterialität statt nur von Materialität
zu sprechen, insbesondere um die Feinheiten der möglichen Verflechtungen beider
Aspekte in den Fokus zu rücken (Cecez-Kecmanovic et al. 2014, S. 809). Folgt man
Evelyn Ruppert, John Law und Mike Savage, so sind diese Verflechtungen ganz
offensichtlich, bestehen doch die Qualitäten digitaler Artefakte u. a. darin, dazu
beizutragen, soziale und andere Beziehungen zu novellieren, zu vermitteln, zu
mobilisieren, zu materialisieren sowie zu intensivieren. Aus diesen Veränderungen
resultiere wiederum die Frage, ob die etablierten sozialwissenschaftlichen Methoden
und die ihnen zugrunde liegenden theoretischen Annahmen ausreichen, diesen
Wandel angemessen zu analysieren und zu verstehen (Ruppert et al. 2013, S. 23f.).
Anthony D’Andrea, Luigina Ciolfi und Breda Gray argumentieren ganz ähnlich
insofern, dass die Aneignung mobiler Medien entlang deren eigener Singularität,
Zentralität und kontingenten Determinierung untersucht werden sollte, wenn sie
möglicherweise natürliche und soziale Formationen in einer Art und Weise desta-
bilisieren und rekodieren, die unter Zugrundelegung klassischer sozialer Theorien
nicht mehr angemessen verstanden werden kann (D’Andrea et al. 2011, S. 151). Solche
Veränderungen sind dazu in ein heterogenes Ensemble eingebunden, das u. a. aus
Diskursen, Institutionen, reglementierenden Entscheidungen und Gesetzen, genauso
wie aus philosophischen, moralischen oder pädagogischen Grundannahmen besteht
(Ruppert et al., S. 31, 40). Natürlich verändert sich auch dieses Ensemble im Zuge der
Mediatisierung, aber gerade die allgemeinbildende Schule weist gegenüber vielen
anderen Organisationen ein erhebliches Beharrungsvermögen auf und entwickelt
sich im Mehrebenenmodell aus Mikro-, Meso- und Makroebene nur sehr langsam
weiter (Breiter und Welling 2010). In gewisser Weise knüpft Arnd-Michael Nohl mit
seinem auf drei Transaktionsräumen basierendem Modell zur Sozialisation mit den
Dingen an diese Dreiteilung an. Da es aktuell zu den elaboriertesten pädagogisch
geleiteten Modellen für die Untersuchung des Zusammenwirkens von Menschen
mit Dingen gehört, stelle ich es hier vor und befrage es hinsichtlich seiner Eignung
für die Beforschung des Lernens und Lehrens mit digitalen Medien entlang der
aufgezeigten Fragestellungen.
24 Stefan Welling

3.1 Die Aneignung von Tablets in konjunktiven,


institutionellen und organisationalen
Transaktionsräumen

Im letzten Abschnitt wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Erforschung der
Relevanz der Soziomaterialität der Dinge in den Erziehungswissenschaften bislang
kaum eine Rolle spielt. Eine Ausnahme bilden die Arbeiten von Schäffer zur genera-
tionsspezifischen Einbindung in die Welt medientechnischer Dinge (Schäffer 2003,
2013a) sowie insbesondere die von Nohl vorgelegte Pädagogik der Dinge als Versuch,
„die Dinge für pädagogische Grundprozesse in möglichst systematischer Weise
zu erfassen“ (Nohl 2011, S. 14). Da sich Nohl nur randständig mit der Aneignung
digitaler Medien befasst, findet sich in den Überlegungen von Burkhard Schäffer
eine geeignete Ergänzung. Teile dieser Arbeit haben außerdem auch Eingang in die
Überlegungen von Nohl gefunden und beide haben grundlagentheoretisch starke
Bezüge zur praxeologischen Wissenssoziologie.

3.1.1 Latours Akteur-Netzwerk Theorie


Ein zentraler Bezugspunkt der Ausgangsüberlegungen sowohl von Schäffer als auch
von Nohl ist die Akteur-Netzwerk Theorie (ANT) von Bruno Latour und daraus vor
allem die zentralen Aspekte der Vermittlung zwischen Mensch und Technik (vgl.
exemplarisch Latour 1998). Latour nimmt damit grundlegend das Ensemble von
Praktiken in den Blick, aus dem heraus immer wieder neue Verbindungen zwischen
Menschen und Dingen entstehen. Von zentraler Relevanz ist dabei die Annahme,
dass das Zusammentreffen menschlicher und dinglicher Agenten die Praktiken
des aus diesem Zusammentreffen entstehenden Hybrid-Akteurs verändern (vgl.
genauer Latour 2000, S. 216ff.).
Dieses Zusammentreffen von Menschen und Dingen bezeichnet Latour als
Übersetzung. Entscheidend, so Nohl, sei dabei, dass aus dieser Sichtweise heraus
die weit verbreitete Annahme der Dichotomie von Subjekt und Objekt unterlaufen
wird, die letzteres zum bloßen Mittel zum Zweck des ersteren macht (Nohl 2011,
S. 36). Ein Beispiel dafür aus unserer Forschung sind Schülerinnen und Schüler,
die im Zuge der Übereignung von Tablet-PCs ihre Aufzeichnungen nicht mehr auf
Papier anfertigen, sondern vollständig am Tablet, basierend auf einer Kombination
von Fotografien (z. B. von Tafelbildern) und eigenen Annotationen bzw. Aufzeich-
nungen (Stolpmann und Welling 2009, S. 77ff.). Im Zuge der Übersetzung kommt
es zweitens zu Zusammensetzungen, insofern, dass sich Handlungen aus Subpro-
grammen verschiedener Agenten zusammensetzen. Bei der Arbeit mit einer App
zur Textverarbeitung schreibt man beispielsweise nicht einfach nur damit, sondern
erhält z. B. Vorschläge zur Rechtschreibkorrektur, bekommt Synonyme angeboten
Methods matter 25

oder kann auf einfache Weise ganze Texte rasch umstellen (Schäffer 2013a, S. 63f.).
Regelmäßig scheinen solche Zusammensetzungen so selbstverständlich zu sein, dass
sie als eine Einheit erscheinen. Latour spricht daher von einer Blackbox als viertem
Aspekt der Vermittlung zwischen Mensch und Technik. Während er den Prozess
des Blackboxings am Beispiel eines den Dienst versagenden Overheadprojektors
erläutert, knüpft das Beispiel des Versagens einer Präsentationseinheit während
eines Vortrags besser an das Thema dieses Aufsatzes an (Nohl 2011, S. 37). Die
vermeintliche Einheit zerbricht im Moment des Nichtmehrfunktionierens in eine
Komposition mannigfaltiger Teile, die bei der betroffenen Lehrkraft regelmäßig
in eine hektische Fehlersuche mündet, um den Unterricht fortführen zu können.
Im Gegensatz dazu wird der Einsatz von Tablets regelmäßig mit dem Versprechen
beworben, deutlich weniger fehleranfällig zu sein als bislang genutzte Endgeräte.
Die Evaluation des Paducation Projektes hat jedoch gezeigt, dass auch die Nutzung
von Tablets genug Situationen hervorbringt, in denen die verschiedenen Zusam-
mensetzungen aus ihren Blackboxen herausfallen und ein Weiterarbeiten so im
Sinne des Verfolgens vermeintlich routinisierter Praktiken nicht mehr möglich
ist (Autorengruppe Paducation 2015). Bleibt viertens der Aspekt der Delegation,
mit dem Latour betont, dass Techniken nicht nur Bedeutungen zugeschrieben
bekommen, sondern auch qua ihrer Beschaffenheit Bedeutungen erzeugen. Eine
Schule kann z. B. ein Lern-Management-System (LMS) einsetzen, das durch seine
spezifische Konfiguration bestimmte Praktiken erzwingt. Die Ablage von Haus-
aufgaben ist dann beispielsweise nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt und in
einem bestimmten Dateiformat und Umfang möglich. Die Kontrolle der Aufgabe
im Sinne der rechtzeitigen Abgabe wird durch das LMS automatisiert und muss
nicht mehr von der Lehrkraft durchgeführt werden, sodass die Schülerinnen und
Schüler nur dann im Sinne der systemimmanenten Anforderungen erfolgreich
sein können, wenn sie die gegebenen Vorgaben einhalten.
Trotz der unbestrittenen Nützlichkeit für ein besseres Verständnis des Umgangs
von Menschen mit Dingen, kritisieren Nohl und Schäffer – neben dem Hinweis
auf begriffliche Ambiguitäten und theoretische Schwächen Latours – Annahmen
übereinstimmend hinsichtlich deren Tendenz zur Verengung menschlicher Akteure
auf Trägerinnen und Träger intentionalen Handelns (Nohl 2013, S. 191; Schäffer
2013a, S. 68). Das habitualisierte Handeln, als zentraler Aspekt menschlicher
Handlungspraxis, bleibt dabei unberücksichtigt. Diese Praxis ist, wie in Abschnitt 2
skizziert, über weite Strecken kollektiv und bildet die Basis für die Entstehung so
genannter konjunktiver Erfahrungen, die diejenigen miteinander verbinden, die
in gemeinsame oder strukturidentische Handlungspraxen eingebunden sind (vgl.
dazu auch Abschnitt 3.1.2 sowie ausführlich Bohnsack 1998). Aufgrund seines
im Gegensatz dazu zweckrational bestimmten Handlungsprogramms bleibt bei
26 Stefan Welling

Latour eine nähere phänomenologische Bestimmung der menschlichen Ver- und


Eingebundenheit mit der bzw. in die Welt technischer Dinge (und umgekehrt) ge-
wissermaßen außen vor. Um diese Lücke zu schließen, schlägt Schäffer das Konzept
der Kontagion mit den Dingen vor (Schäffer 2013a, S. 70). Nohl bemüht diese Form
der Kontagion ebenfalls, hat sie aber, anders als Schäffer, mittels seiner Pädagogik
der Dinge in einen größeren theoretischen Zusammenhang eingebettet (Nohl 2011).
Schäffer hat seine hier bemühten Überlegungen zur Kontagion mit technischen
Dingen Anfang 2000 vorgelegt und danach nur geringfügig weiterentwickelt, bis
Nohl sie rund zehn Jahre später in besagtem Werk wieder aufgegriffen hat. Diese
hat Schäffer zwischenzeitlich mit dem Hinweis, dass nur in den konjunktiven
Transaktionsräumen als zentralem Element bei Nohl habitualisierte Formen medi-
enpraktischen Könnens erworben werden können, als unmittelbar anschlussfähig
an seine eigenen Arbeiten verifiziert (Schäffer 2013b, S. 296).

3.1.2 Von den habits über die Kontagion zur Transaktion


Bei der Entwicklung seiner grundlagentheoretischen Perspektive auf die Verwo-
benheit routinisierter menschlicher Praktiken mit materiellen Artefakten innerhalb
von Transaktionsräumen bemüht Nohl als einen ersten Schritt die im Zentrum
der Handlungstheorie von John Dewey stehenden habits. Das sind vorreflexive,
auf Situationen bezogene Praxisrepertoires, die aus einer „Kooperation von Orga-
nismus und Umwelt“ (Dewey 1980, S. 15) hervorgehen. Mit seiner Unterscheidung
von Organismus und Umwelt bleibt Dewey laut Nohl bewusst vage, sodass die
beiden Begriffe als ein Art Platzhalter gefasst werden können und habits Menschen
insofern sowohl mit ihrer menschlichen Umwelt als auch mit Dingen verbinden
können (Nohl 2013, S. 193). Habits, so Nohl weiter, tendieren dazu, die jeweilige
Situation dem eigenen Praxisrepertoire anzuähneln und sie so im Sinne Deweys
zu „perpetuieren“ (Dewey 1980, S. 15). Folgt man den Überlegungen von Dewey
weiter, so basieren die meisten gesellschaftlichen Praktiken auf einer in habits
routinisierten Kooperation zwischen Organismus und Umwelt. Dabei werden aber
nur die sich als problematisch erweisenden Praktiken zumindest ausschnitthaft
reflektiert und schließlich in einem Erkundungsprozess erneuert (Nohl 2013,
S. 193). Die Evaluation des Paducation-Projektes zeigt, dass die Aneignung von
Tablets in schulischen Lernkontexten kontinuierlich solche Situationen hervorruft,
z. B. wenn die Jugendlichen herausfinden müssen, in wie weit sich das Tablet für
die Anfertigung und Weiternutzung (z. B. für Klausurvorbereitungen) von Unter-
richtsmitschriften eignet.
Einer ähnlichen Logik wie Latour folgend, begreift Nohl unter Bezugnahme auf
Dewey und Bentley (1989, S.111f.) schließlich den Austausch zwischen Menschen
und Dingen als trans-action, der keine grundlegende Differenzannahme zwischen
Methods matter 27

Subjekt und Objekt zugrunde liegt. Im Zuge der trans-action wird vielmehr zu-
nächst lediglich beobachtet, wie menschliche und nicht-menschliche Akteure im
Zuge des Verlaufs der Praktiken erst konstituiert werden (Nohl 2013, S. 193). Das
impliziert, so Nohl weiter, dass Menschen und Dinge innerhalb gemeinsamer,
sich allmählich spezifizierender Praktiken aufeinander abgestimmt werden und
dabei die Orientierungen der Menschen und Eigenschaften der Dinge entstehen
(Nohl 2013, S. 194).
Wenn Heranwachsende mit Medien handeln, wird ihnen schnell unterstellt, dass
diese Handlungspraxen isolierend und vereinzelt sind. Teilweise ist das sicherlich
nicht von der Hand zu weisen, die meiste Zeit aber sind auch diese Handlungspraxen
in den Kontext der Peer-group Gleichaltriger eingebunden, die der zentrale Ort der
Suche der Jugendlichen nach Lebensorientierung und habitueller Übereinstimmung
ist (Welling 2008, S. 19ff.). Dieser umfassende Lebenszusammenhang bezieht sich
u. a. „auf eine gemeinsame Sprache, eine gemeinsame (bzw. strukturidentische)
Sozialisationsgeschichte und auf gemeinsame Sitten und Gebräuche“ (Schäffer
2003, S. 78). Ein bewusstseinsmäßiges gegenseitiges Verstehen ist dabei nicht er-
forderlich, vielmehr handelt es sich um eine „Form des primordialen Verstehens
im Miteinandersein“ (Schäffer 2003, S. 78), die von Karl Mannheim als Kontagion
im Sinne einer gegenseitigen Ansteckung durch andere definiert wird (Schäffer
2003, S. 78). Ihren primären Ausdruck findet die Kontagion im konjunktiven
Erfahrungsraum, in dem auf der Grundlage habituellen Handelns grundlegende
Orientierungen, Haltungen und Dispositionen erworben werden (Welling 2008,
S. 41). Nohl und Schäffer haben Mannheims Begrifflichkeit aufgegriffen und im
Sinne einer Kontagion mit den Dingen weiterentwickelt. Es ist vor allem Schäffer,
der unter Rückgriff auf Martin Heideggers (1992) Kategorie des gestimmten Zeugs
zeigt, wie sich die Nutzerinnen und Nutzer von Technologien in der empirischen
Rekonstruktion als je verschiedenen ‚Kollektiven‘von Hybridakteuren zugehörig
identifizieren lassen, „deren habituelles Handeln mit Technik von den je spezifischen
Kontagionserfahrungen mit dem Quasihabitus der Technik geprägt ist“ (Schäffer
2013a, S. 72, H. i. O.).
Entscheidend für die weitere Argumentation ist an dieser Stelle, dass dort, wo
Menschen und Dinge im Zuge der Kontagion miteinander verwickelt und aufei-
nander gestimmt werden, ein Transaktionsraum entsteht, der beide miteinander
verbindet und von konjunktiver Qualität ist, sodass man von einem konjunktiven
Transaktionsraum sprechen kann, in dem sich Menschen mit Dingen in Praktiken in
ihrer je spezifischen Weise verbinden (Nohl 2011, S. 176; 2013, S. 195). Die Gruppen,
die die Schülerinnen und Schüler im Paducation Projekt auf einer Social Network
Site eingerichtet haben, sind ein gutes Beispiel für einen solchen Transaktionsraum
(vgl. Abschnitt 2). Allmählich stabilisiert werden die in Folge einer ursprünglichen
28 Stefan Welling

Kontagion in den konjunktiven Transaktionsräumen entstandenen Praktiken,


als Verwicklungen von Menschen und Dingen in vorreflexiven habits, indem sie
wiederholt erfolgreich zur Performanz gebracht werden (Nohl 2013, S. 195). Die
Transaktionsräume sind aber nicht isoliert, sondern immer auch im Zusammenhang
mit sie überlappenden Milieudimensionen, wie z. B. Generation, Geschlecht oder
Migrationshintergrund, zu betrachten. Denn diese begrenzen u. a. die Reichweite
und Gültigkeit der konjunktiven Transaktionsräume (Nohl 2013, S. 199).
Die Verwicklung bzw. Sozialisation mit den Dingen beschränkt sich nicht auf
das Hineinwachsen in konjunktive Transaktionsräume, sondern adressiert auch
die gesamtgesellschaftliche Ebene von Institutionen (Nohl 2013, S. 196f.). Unter Be-
zugnahme auf Peter L. Berger und Thomas Luckmann (2003 (1969), S. 58) definiert
Nohl Institutionen als jene „habitualisierten Handlungen“, die „durch Typen von
Handelnden reziprok typisiert werden“ (Nohl 2013, S. 197). Diese Typisierungen
von Handlungen (z. B. das Unterrichten) und Akteuren (z. B. Lehrpersonen), so
Nohl weiter, sind auf der Gesellschaftsebene lokalisiert und konstituieren, anders
als auf der Ebene des Konjunktiven im Sinne von Berger und Luckmann, eine
Form von Allgemeingut (Nohl 2013, S. 197). Diese Art von Institutionenbegriff
ist Nohl zufolge zwar noch relativ anthropozentristisch, lässt sich aber auch auf
materielle Techniken, wie z. B. das Auto, das Telefon oder den Computer, erwei-
tern, indem man diese gemeinsam mit den durch sie ermöglichten Praktiken zu
einer Art Allgemeingut der Gesellschaft typisiert. Auf dieser Grundlage lässt sich
die Gesellschaft in ihrer Durchdringung mit materiellen Artefakten, die typisiert
und zum gesellschaftlichen Allgemeingut geworden sind, als institutionalisierter
Transaktionsraum beschreiben (Nohl 2013, S. 197).
Als dritten Aspekt adressiert Nohl den organisationalen Transaktionsraum.
Gerade mit Blick auf die Einführung neuer – im Sinne von noch nicht etablierten
– Technologien, lässt sein Hinweis aufhorchen, dass die Organisation gerade dort
in den Vordergrund treten kann, wo der Transaktionsraum zwischen Menschen
und Dingen noch nicht bzw. nicht mehr auf den selbstverständlichen Praktiken
beruht, wie sie in konjunktiven oder institutionalisierten habits verankert sind
(Nohl 2013, S. 199). Dabei sind es nicht nur menschliche Repräsentantinnen oder
Repräsentanten der Organisation, wie z. B. die Lehrkräfte, die versuchen, die durch
formale Regeln definierten Praktiken zwischen Menschen und Dingen durchzu-
setzen (z. B. in Form des Verbots, Mobiltelefone in der Schule zu nutzen). Auch die
materiellen Artefakte an sich können diese Beachtung erzwingen oder zumindest
nahelegen, beispielsweise durch den Einsatz eines LMS zur Strukturierung und
Kontrolle einzelner Aspekte der schulischen Kommunikation (vgl. Abschnitt 3.1).
Auch der Hinweis von Nohl, dass Organisationen gerade dort, wo sie (noch) nicht
darauf vertrauen können, dass die von ihnen erwarteten Praktiken bereits sozi-
Methods matter 29

alisatorisch in institutionalisierten habits verankert sind, regelmäßig versuchen,


die gewünschten Praktiken durch materielle Artefakte zu forcieren, spiegelt sich in
gängigen Praktiken in der Schule wieder. Neben dem LMS ist z. B. Filtersoftware,
die die Schülerinnen und Schüler daran hindert, bestimmte – nicht erwünschte
– Inhalte über das Internet aufzurufen, ein weiteres Beispiel für die Delegation
bestimmter Vorgaben an Artefakte.
Innerhalb der Sozialisation ist der organisierte Transaktionsraum aber „immer
nur und immer wieder eine Zwischeninstanz auf dem Wege zur Habitualisierung“
(Nohl 2013, S. 199). Nohl exemplifiziert diesen Aspekt anhand der praktischen
Verbindung der Heranwachsenden und dem Schulgebäude. Denn sobald diese
praktische Verbindung habitualisiert sei, d. h. „sobald also Kinder als […] [Schüle-
rinnen oder Schüler] sozialisiert und Mauern zu Grenzen geworden sind, tritt der
organisierte Charakter des Transaktionsraums in den Hintergrund“ (Nohl 2013,
S. 199). Inwieweit sich dieses Beispiel auf den Umgang mit Tablets in der Schule
übertragen lässt, bleibt zu überprüfen. Schließlich sei noch darauf hingewiesen,
dass innerhalb der Organisation auch institutionalisierte habits entstehen können,
falls dort formale Regeln etabliert werden, die gesellschaftlichen Institutionen
entsprechen. Gleichzeitig oder alternativ sei aber auch denkbar, dass im Zuge
spezifischer konjunktiver Umgangsweisen mit den formalen Regeln konjunktive
habits entstehen“ (Nohl 2013, S. 201). Schlussendlich, so Nohl, lässt sich anhand der
Unterscheidung von konjunktiven, institutionalisierten und organisierten Transak-
tionsräumen zwischen Menschen und Dingen das Konzept des Hybridakteurs von
Latour auf unterschiedliche Ebenen und Praxisformen der Gesellschaft inklusive
ihre materiellen Artefakten beziehen (Nohl 2013, S. 201).

3.2 Digitale Anschlüsse?

Wie in Abschnitt 3 angesprochen, hat Nohl seine Pädagogik der Dinge sowie das
damit verbundene Konzept der verschiedenen Transaktionsräume nicht explizit
anhand bzw. für die Untersuchung der Verwicklung von Menschen mit digitalen
Medien entwickelt. Nohl selber benennt auch methodologische Schwierigkeiten
bei der Erforschung von Hybrid-Akteuren, die er am Beispiel der Aneignung einer
Homepage durch eine Seniorin exemplifiziert. Unter Bezugnahme auf Bohnsack
(2009, S. 29) weist er darauf hin, dass das Handeln im Internet im hohen Maße auf
einer vorreflexiven „Verständigung im Medium“ des Bildes erfolge, welche sich „un-
terhalb der begrifflich-sprachlichen Explizierbarkeit vollzieht“ (Nohl 2011, S. 116).
Eine empirisch-rekonstruktive Annäherung an die nichtsprachliche Performativität
erfolgt insofern dort, „wo neben der Textförmigkeit auch die Bildhaftigkeit, d. h.
30 Stefan Welling

die Ikonizität des Performativen empirisch untersucht wird“ (Nohl und Wulf 2013,
S. 4). Teilnehmende Beobachtungen und insbesondere Videoaufnahmen stellen
demnach eine wichtige Ergänzung von auf Interviews oder Gruppendiskussionen
basierenden Methoden dar.
Daneben hat Abschnitt 2 gezeigt, dass die Verwicklung der Schülerinnen und
Schüler mit dem Tablet weit über die unmittelbare trans-action mit dem Medium
hinausgeht und sich z. B. die Frage nach der soziomateriellen Beschaffenheit der auf
Facebook geschaffenen Gruppen stellt, die nicht ohne weiteres anschlussfähig an
das Transaktionsmodell von Nohl ist. In Abschnitt 3 wurde zudem angedeutet, dass
eine zunehmende Zahl bildungsrelevanter Praktiken in Verbindung mit digitalen
Medien eventuell mit einem Großteil der etablierten Methoden der Sozial- und
Erziehungswissenschaften inklusive der dazugehörigen Methodologien nicht mehr
adäquat erforscht werden kann. Stellt die Diskursanalyse sogenannter Tweets (über
den Dienst Twitter gesendete bzw. weitergeleitete Nachrichten) beispielsweise nur
besondere Herausforderungen an etablierte Methoden der Diskursanalyse oder
geht mit dieser Form der Kommunikation ein grundlegender Wandel sozialer
Diskurse an sich einher, der neue Methoden und Methodologien benötigt, um
diese Veränderungen forschend überhaupt noch adäquat adressieren zu können
(Marres 2012, S. 147)?
Bei den von Noortje Marres ausgewiesenen Implikationen digitaler Technologien
für die Sozialforschung spielen Dienste wie Twitter ebenfalls eine zentrale Rolle.
Denn die, nach Marres, wichtigste Implikation sei die Ausbreitung neuer Objekte,
Genres und Formate wie eben Twitter oder die Online-Foto Community Flickr
für die Abbildung des sozialen Lebens. Die Aneignung solcher Anwendungen
erfolgt vor allem unter Nutzung von Mobiltelefonen, die aus einer soziologischen
Perspektive heraus deswegen besonders interessant seien, da sie die routinemä-
ßige Generierung von Daten über das soziale Leben als Teil des sozialen Lebens
ermöglichen (2. Aspekt). Drittens ließen sich diese beiden Entwicklungslinien
nur dann adäquat verstehen, wenn man auch die Relevanz von Onlinemedien als
Werkzeuge der Datenanalyse berücksichtigt (Marres 2012, S. 142). Im Sinne der
Perspektive der digitalen Methoden geht es dann nicht mehr darum, das Internet
und seine Nutzerinnen und Nutzer zu erforschen, sondern mit dem Internet
Kultur und Gesellschaft zu erforschen (Rogers 2011, S. 77). Damit einher geht
zumindest stellenweise eine radikale Abkehr von zentralen Parametern bisheriger
Forschungspraxis. Richard Rogers bietet im Kontext der Forschung zur Nutzung
von Social Network Sites beispielsweise ein Konzept der Postdemografie an, das
auf traditionelle soziodemografische Kategorien wie Ethnie, Alter, Einkommen
oder Geschlecht verzichtet und sie durch Kategorien wie Geschmack, Interessen,
Vorlieben, Gruppen, angenommene Einladungen oder installierte Apps ersetzt
Methods matter 31

(Rogers 2011, S. 74). Mit Blick auf das in Abschnitt 3.1 vorgestellte Konzept der
verschiedenen Transaktionsräume und der Relevanz von Milieuzuschreibungen
für deren Untersuchung, wird man diesem Vorschlag sicherlich nicht folgen
wollen. Vielversprechender könnte in diesem Zusammenhang sein, z. B. die von
Kate Thompson, Shannon Kennedy-Clark, Nick Kelly und Penny Wheeler (2014)
vorgeschlagene multimodale Analysemethode zur Untersuchung kollaborativer
Lernprozesse von Studierenden hinsichtlich ihrer Eignung zur Untersuchung dieser
Prozesse von Schülerinnen und Schülern unter Einsatz von Tablets zu befragen. Zu
überprüfen wäre auch, in wie weit dieser Ansatz anschlussfähig an die Pädagogik
der Dinge von Nohl ist. Mit Blick auf den zweiten Aspekt ist auch darauf hinzu-
weisen, dass sozio-materielle Aspekte und Relevanzen im Zuge der Diskussion der
so genannten digitalen Methoden bislang kaum eine Rolle zu spielen scheinen.
Als weitere Herausforderung erweist sich, dass momentan viele der verfügbaren
Werkzeuge zur Sammlung und teilweise auch zur Auswertung von Online-Daten
ein integrierter Bestandteil der zu untersuchenden Objekte sind, die von den
Betreibern dieser Angebote bereitgestellt werden. Marres und Carolin Gerlitz
sprechen in diesem Zusammenhang von neu entstehenden Interfacemethoden,
deren Anwendung aber verschiedenste Unabwägbarkeiten birgt, z. B. dass die
Arbeitsweise dieser Werkzeuge nur sehr eingeschränkt durch die Forschenden
kontrolliert werden kann (Marres und Gerlitz 2015, S. 3ff.).
Hinzu kommt als Problem, dass im Rahmen der Onlineforschung regelmäßig die
Anonymität der Beforschten kaum zu wahren ist, geschweige denn die untersuchten
Personen überhaupt davon wissen, dass z. B. von ihnen stammenden Kommunikate
zum Gegenstand von Forschungsvorhaben werden, verbunden mit potenziellen
Risiken für deren Integrität (Dawson 2014). Damit einher gehen vielfach noch nicht
ausreichend beantwortete Frage nach einer veränderten ethischen und sozialen
Verantwortung der Forschenden inklusive entsprechender Handlungserforder-
nisse im Zuge der Durchführung von Forschungsprojekten (Andrews et al. 2015).
Die Ergebnisse aus dem Paducation-Projekt haben auch gezeigt, dass sich ein
großer Teil der Praktiken mit Medien in einem konstanten Status der Emergenz
befindet und Stabilität, wenn überhaupt, nur temporär realisierbar ist und dann
auch nur durch das Setzen mehr oder weniger willkürlicher Grenzen entlang von
zeitlichen und räumlichen Determinanten. Das erfordert von den Forschenden
mehr Aufmerksamkeit und Reflexivität u. a. beim Treffen von Entscheidungen über
Ab- und Begrenzungen im Rahmen von Forschungsprojekten (Cecez-Kecmanovic
et al. 2014, S. 826).
Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass auch die tiefergehenden epistemo-
logischen, sozialen und ethischen Implikationen der Emergenz digitaler Medien
auf pädagogische Wissens- und Forschungspraktiken bislang kaum untersucht
32 Stefan Welling

und wenig theoretisch durchdrungen wurden. Signifikante Differenzen existieren


zudem zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich vor allem
mit substanziellen Fragen pädagogischer Theorien, Methoden, Strategien und
Vorgehensweisen befassen und solchen, die vor allem mit der praktischen Ent-
wicklung von E-Learning und Anwendungen für digitale Forschung beschäftigt
sind (Markauskaite und Reimann 2014, S. 386).
Damit sollte deutlich geworden sein, dass die Forschung zum Lernen mit mo-
bilen Endgeräten wie z. B. Tablets vor dem Hintergrund des rasanten Wandels der
verschiedenen Kontexte, in welchen die entsprechenden Lern- und Lehrprozesse
eingebunden sind, vor erheblichen Herausforderungen steht. Mit Nohls Pädagogik
der Dinge und dem dazugehörigen Modell der verschiedenen Transaktionsräume
steht ein grundlagentheoretisch fundiertes Modell zur Erforschung des Lernen
und Lehrens mit Tablets als Verwicklung zwischen Menschen und Dingen zur
Verfügung. Es bedarf aber gleichwohl einer Erweiterung, um die Bedeutungen der
vielfältigen digitalen Objekte, mit denen über dieses Medium interagiert werden
kann, für die Ausgestaltung und den Verlauf von Lern- und Lehrprozessen ange-
messen erforschen zu können. Die Forschung steht hier noch relativ am Anfang und
es muss sich zeigen, welche methodisch-methodologischen Ansätze letztlich am
besten geeignet sind, um die relevanten Fragen in diesem Forschungsfeld adäquat
zu beantworten. Zu klären bleibt natürlich auch, wie die skizzierten Veränderungen
die Rolle der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Forschungsprozess
verändern, welche Konsequenzen das für die Reflexion der eigenen Rolle im For-
schungsprozess hat und welche ethischen Implikationen damit z. B. einhergehen.

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Tablets im Schulunterricht in Skandinavien
Der Ansatz des Digitalen Didaktischen Design
(DDD) für empirische Studien: Designs-in-Practice
Isa Jahnke

Zusammenfassung

Durch den Einsatz von internetfähigen Tablets in Schulen verschmelzen tradierte


Klassenräume mit Onlineräumen; es entstehen neue Klassenräume: CrossAc-
tionSpaces . Unter dieser Bedingung werden 64 skandinavische Schulklassen
exploriert . Leitend ist die Fragestellung, auf welche Weise Lehrpersonen iPads in
ihren Unterricht integrieren . Die Forschungsmethode umfasst teilstrukturierte
Unterrichtsbeobachtungen (Foto, Audio-, Videomitschnitte) sowie Interviews .
Die Ergebnisse lassen neue Unterrichtsdesigns in Form von Lernexpeditionen
erkennbar werden sowie drei Cluster von Designs-in-practice: a) neue Designs;
Learning by CrossAction, b) tradierte Unterrichtsdesigns, die zu Irritationen und
Konflikten in iPad-Klassen führen, und c) Designs, die aus unterschiedlichen
Gründen zwischen Innovation und Tradition verharren .

1 Einleitung

Die Anzahl mobiler Endgeräte in der Schule hat in den vergangenen Jahren stetig
zugenommen (Bocconi et al . 2013) . Fast jede Schülerin und jeder Schüler besitzt ein
Smartphone und die mobilen Geräte machen auch keinen Halt vor dem Klassenzim-
mer . Dies wirft die Frage auf, wie mit dieser Technologie im Unterricht umgegangen
wird (vgl . zum Mobile Learning, Traxler und Kukulska-Hulme 2016; Ciampa 2014;
Falloon 2015) . In der Vergangenheit waren Informations- und Kommunikations-
technologien (IKT) vom regulären Klassenraum ausgeschlossen . Stattdessen gab es
separate Computerräume . Mit der Entwicklung kleinerer, flexibler Geräte, wie etwa
Tablets, hat sich dies geändert . Es kommt zu einem Wandel, weg von der Trennung
37
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_3
38 Isa Jahnke

von Computer- und Klassenraum hin zu gemeinsam verorteten Lern-Räumen, in


denen mobile Technologien ein Teil des normalen Klassenraums werden; gemein-
sam entwickeln sich neue Formen von webbasierten Kommunikationsräumen, in
denen Online-Anwendungen und Offline-Kooperationen verschmelzen (co-located
interaction; De Chiara et al. 2007).
Es gibt einen weiteren Unterschied zu den vorherigen Jahren: Die Technolo-
gie-Akzeptanz von Lehrerinnen und Lehrern hat sich positiv verändert. Sie neh-
men mobile Endgeräte positiver wahr als noch Jahre zuvor den PC (Ifenthaler und
Schweinbenz 2013). Lehrerinnen und Lehrer sehen Tablets nicht nur als eine Art
neuartigen Laptop, sondern vielmehr als eine neue Form von Technologie, deren
Möglichkeiten über die von Laptops weit hinaus geht: Tablets vereinen verschie-
dene Endgeräte in einem Gerät, bspw. in Form einer Stimmaufzeichnungs- oder
Kamerafunktion, von Präsentations-Apps, Notiz-Apps, Navigations-Apps, Koope-
rations-Apps, Internet und vielem mehr, was das Tablet zu einem multimodalen
Gerät werden lässt (beispielsweise auch als Messlabor, vgl. Beitrag von Klein et al.
im vorliegenden Band). Der Vorteil besteht jedoch nicht nur in der vielfältigen
App-Landschaft, sondern auch darin, dass die Tablets deutlich flexibler als Desk-
top-PCs und Laptops sind und durch ihr kleines, handliches Format in jede Tasche
passen. Allerdings benötigt man i. d. R. einen Internet-Anschluss, denn ohne WIFI
werden Tablets schnell zum traditionellen Schreibersatz und ihre Potentiale zur
Unterstützung der Lernenden bleiben unausgeschöpft.
Forschungsergebnisse zum Lernen mit mobilen Technologien im Allgemeinen
zeigen, dass das Lernen in gewissen Bereichen verbessert wird (Haßler et al. 2015).
Das Engagement von Schülerinnen und Schülern und das Sich-aktiv-einbringen
in den Unterreicht wird mittels mobiler Technologien erhöht (Chou et al. 2012;
Buchem et al. 2013). Auch bieten sich neue Kommunikationsmöglichkeiten und
die Aneignung von und der Umgang mit webbasierter Technologie verändert den
Lernprozess (Laurillard 2008; Kaganer et al. 2013).
In diesem Beitrag wird zunächst das Verständnis von webbasierter Technologie
in der Schule erläutert. Es wird gezeigt, dass sie nicht nur ein Tool ist, sondern
vielmehr auch interaktiv und transformativ wirkt. Da sie neue Zugänge zu On-
line-Kommunikations- und Lernräumen schafft, verändert sie den Umgang mit
dem Lernen, sobald sie zur Anwendung kommt. Offline- und Online-Welten ver-
schmelzen miteinander zu gemeinsam verorteten neuen Lernräumen (Floridi 2014).
Im Weiteren wird dann aufgezeigt, wie Unterricht mit Tablets beforscht werden
kann. Ich nutze den Ansatz des Digitalen Didaktischen Designs. Dieser Ansatz
wurde auf der Basis empirischer Daten entwickelt, welche aus einer Untersuchung
des Einsatzes mobiler Endgeräte an skandinavischen Schulen und der Vielfalt der
von Lehrerinnen und Lehrern eingesetzten digitalen didaktischen Designs (DDD)
Tablets im Schulunterricht in Skandinavien 39

stammen. Die hier beschriebene Studie bezieht sich auf den Einsatz von DDD als
Designs-in-Practice und stellt diesen Forschungsansatz zur Diskussion.

2 CrossActionSpaces – eine neue Situation an Schulen

Der Begriff CrossActionSpace bezeichnet das Phänomen der sich miteinander


erweiternden Lernräume und Lernnetzwerke (co-expanding spaces). Diese Spaces
(Räume) zeichnen sich durch eine Form von überlagerten Kommunikations- und
Informationsräumen aus, die einer sozialen Dynamik unterliegen. Sie entstehen
durch menschliche, computervermittelte und technische Interaktion und verbinden
physische und Online-Orte, ermöglichen Zugang zu bestehenden sozio-technischen
Systemen (Jahnke 2016), Netzwerken und Communities und können während
deren Nutzung auch wiederum neue Räume entwickeln.
Nicht der Mensch als biologisches aus Zellen bestehendes Wesen ist in diesen
CrossActionSpaces vertreten, sondern vielmehr sein Anteil an einem gewissen Grad
an Kommunikation ist in diesen Online-Orten anwesend. Diese Kommunikation
findet schriftlich, verbal oder in irgendeiner Weise digital-beteiligt statt (z. B. durch
Emoticons oder das Drücken von Like-Buttons). Am Beispiel Twitter lässt sich dies
erklären: Nicht wir Menschen mit unserem Körper sind in Twitter, wir sind jedoch
mit unserer schriftlichen Ausdrucksweise dort, kommunizieren und interagieren.
Soziale Gruppen sind durch ihre anschlussfähige Kommunikation sichtbar (Luh-
mann 1984). Dies schließt den Lurker als passiven Teilnehmenden, der beobachtet
und wenig aktiv beteiligt ist, mehr oder weniger mit ein (Preece et al. 2004).
Luhmann (1984) hätte bestimmt sehr viel Spaß am digitalen Zeitalter, da sei-
ne Theorie der sozialen Systeme, die insbesondere oder sogar ausschließlich aus
Kommunikation besteht, für viele Leserinnen und Leser dadurch einfacher und
einleuchtender erscheint.
Die CrossActionSpaces, welche aus nicht immer direkt anschlussfähiger Kom-
munikation bestehen (man kann sich bspw. bei Twitter mitteilen, ohne dass man
an vorherige Kommunikation anknüpfen muss), entwickeln sich im Zuge der Ver-
wendung internetfähiger Technologien wie bspw. dem Web 2.0 und der Nutzung
von Social Media. Die Erweiterung der Kommunikation über tradierte, physische
Grenzen hinaus unterstreicht den dynamischen Prozess menschlicher und hybrider
Interaktion in der heutigen vernetzten Welt.
Menschen innerhalb eines CrossActionSpaces können sich teils mit einem wei-
teren Kommunikationsraum verbinden, der bereits mit einem dritten verbunden
ist und dieser wiederum mit einem anderen und so weiter. Diese Kommunikati-
40 Isa Jahnke

onsräume sind nicht alleine durch soziale Interaktion, sondern vielmehr durch
sich kreuzende Interaktionen, kurz: cross-actions, geprägt. Allerdings bedeutet
das nicht, dass alles miteinander verbunden und offen ist; stattdessen grenzen
sich Kommunikationsräume und CrossActionSpaces auf Grund von sozialen
Verhaltensmustern und sozialen Rollen (Erwartungsmuster) voneinander ab. In
der Praxis einer sozial-konstruierten Realität entstehen diese Grenzen aus der
Entscheidung der Person heraus (die mehr oder weniger an bestimmte soziale
Bedingungen geknüpft ist) und beeinflussen, welche Art von Ort und Raum sie
betritt oder eben nicht. Die Auswahl, welche CrossActionSpaces betreten werden
und welche nicht, hängt von unterschiedlichen Gründen ab, wie etwa Zeit- und
Ressourceneinschränkungen, cognitive load, sozialen Rahmenfaktoren und vielem
mehr. Die damit zusammenhängenden Grenzen werden ausführlicher an anderer
Stelle diskutiert (Jahnke 2016, insbesondere Abschnitt 1 zur detaillierten Definition
sowie Abschnitt 2 und 3 zur Grenzziehung in sozio-technischen Systemen und
durch soziale Rollen).
So wie jede neue Technologie-Anwendung in der Schule erschaffen auch Cross­
ActionSpaces neue Rahmenfaktoren für Schulen: a) sie erfordern, dass Lehrerinnen
und Lehrer, anders als bisher, bei der Planung von Unterricht und Lernaktivitäten
komplexere Entscheidungen treffen müssen (Jahnke et al. 2014; Web und Cox 2004)
und b) Lehrkräfte stehen vor neuen Situationen (z. B. CrossActionSpaces), die es
teilweise erforderlich machen, über bestehende und neue Lehr-Lern-Designs zu
reflektieren und ggfs. Veränderungen vorzunehmen. Dies wird umso komplexer, je
mehr sich das neue digitale didaktische Design wegbewegt von den eher traditionellen
inhaltszentrierten Konzepten hin zu lernerzentrierten Ansätzen (nicht ein Büffeln
als Auswendigpauken, sondern dem Gelernten eine Bedeutung und einen Sinn zu-
weisen zu können). Solche lernerzentrierten Ansätze fokussieren Lernaktivitäten,
in denen Schülerinnen und Schüler neues Wissen ko-produzieren und keinesfalls
nur Inhalte aus dem Lehrbuch wiederholen, sondern in denen bedeutungsvolle
Lernsituationen entstehen (vgl. dazu meaningful learning, Howland et al. 2012).
Wenn webbasierte mobile Technologien, wie etwa Tablets, in der Schule An-
wendung finden, dann erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Lehrerinnen und
Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler CrossActionSpaces betreten und ebenso
neue CrossActionSpaces entwickeln.
Unter der Annahme und Bedingung, dass sich die heutige Welt nicht in einer
einzigen Cloud befindet, sondern Kommunikation in sehr vielen verschiede-
nen CrossActionSpaces stattfindet und diese sogar selbst erschafft, gehe ich der
Forschungsfrage nach, welche Designs von Unterricht Lehrerinnen und Lehrer
gestalten. Die Forschungsfrage lautet: Welche digitalen didaktischen Designs
Tablets im Schulunterricht in Skandinavien 41

zur Ermöglichung von Lernen (Designs for Learning) werden im Unterricht zur
Anwendung gebracht, um ein bedeutungsvolles, vertieftes Lernen zu verstärken?

3 Digitales Didaktisches Design

Bevor ich im nächsten Abschnitt unsere Studien an skandinavischen Schulen


erläutere, werde ich hier zunächst beschreiben, mit welcher Theoriebrille wir vor-
gegangen sind, um das Forschungskonzept zu entwickeln. Wir nutzen den Ansatz
des Digitalen Didaktischen Designs (Hudson 2008) und operationalisieren diesen
Ansatz, um die Daten erfassen und auswerten zu können.
Den Begriff der Didaktik nutzen wir, wie er im Deutschen und Skandinavi-
schen rezipiert wird, im Sinne einer Weiterentwicklung von der Lehre hin zu
lernerorientierten Konzepten (Wildt 2007). Wir verstehen Didaktik als eine Art
Modell, welches zum Ziel hat, die Beziehung zwischen Schülerinnen bzw. Schü-
lern, Lehrerinnen bzw. Lehrern und Inhalten zu analysieren (Klafki 1963). Dies ist
heutzutage ein eher enges Verständnis. Es geht letztendlich um eine Ermöglichung
von Kompetenzentwicklung, die teils durch und in learning outcomes sichtbar
gemacht wird. Ein zentrales Merkmal von Didaktik ist die Ermöglichung von
sozialen Beziehungen und Interaktionen, die von entscheidender Bedeutung für
das Lernen sind (Vygotsky 1978, Zone of Proximal Development). Ein didaktisches
Design beinhaltet Methoden zur Förderung des Lernens und die Frage der Inhalte,
also Was zu lernen ist. Dies wird auch als Lehr-Lernziel und Intended/Expected
Learning Outcomes (ILO) bezeichnet. Es schließt außerdem das Wann und Wo von
Unterricht und Lernen ein.
Im weiteren Sinne umfasst Didaktik das Umfeld und die Bedingungen in der
Bildungsinstitution Schule (bspw. Schulentwicklung, Curriculumsentwicklung und
Weiterbildungsstrategien). Diese stellen eine Art Korridor für die Möglichkeit zur
Gestaltung von Unterricht und Lernen dar, aber zeigen auch Begrenzungen auf.
Unterricht und Lernen befindet sich im Spannungsfeld von bestehenden Schulent-
wicklungsstrategien, Weiterbildung und Curriculum. Aus diesem eher komplexen
Verständnis heraus wird deutlich, dass Didaktik eine soziale Praxis ist:

Didactics can be understood as the design of social practices in which learners,


teachers and (social and material) resources are configured and re-configured in
activities that make knowledge domains and knowledge advancement visible, and
that continuously create teach|learn opportunities for reflective participation in
such activities. (Präsentiert von Andreas Lund 2013 in Norwegen, unveröffentlicht)
42 Isa Jahnke

Ein solches Verständnis von Didaktik betont nochmals die Relevanz sozialer
Beziehungen. So hat Johannes Wildt immer wieder darauf hingewiesen, dass es
eigentlich nicht Erziehungswissenschaft sondern Beziehungswissenschaft lauten
sollte. Didaktik hat zum Ziel, soziale Beziehungen zu gestalten, die in einer Weise
lernförderlich sind – durch positive Beziehungen oder Irritationen durch die
Lehrkraft. Forschungsvorhaben zu didaktischen Designs können dann den Zweck
verfolgen, die im Schulunterricht angewendeten und durchgeführten Designs zu
analysieren. Sie haben dann aber auch die Verantwortung, die Praxis zu informieren
und Erkenntnisse mitzuteilen, wie Lernen und soziale Beziehungen unter Einbezug
von interaktiven, mobilen, webbasierten Technologien gefördert werden können
(Olofsson und Lindberg 2012).

3.1 Definition Digitales Didaktisches Design – DDD

Unter einem Digitalen Didaktischen Design (engl. Digital Didactical Design,


DDD) versteht man den Akt des Modellierens (zum Design-Begriff siehe Mor
und Winters 2011 sowie Dohn und Hansen 2014) von Unterricht als soziale und
soziotechnische Lehr-Lern-Praxis. Der Akt kann dabei als Handlung verstanden
werden. Die Umsetzung des geplanten Designs in die Lehr-Lern-Praxis ist dabei
miteinbezogen: design-in-practice (Jahnke 2016). Das Tun des Designs ist ein Akt
der Formgebung – etwas, einem Plan oder einem Lehr-Lern-Prozess, wird eine
Form gegeben. Dem Unterricht und Lehr-Lern-Prozessen wird eine Form gegeben.
Bei der Designhandlung wird dabei ein Schwerpunkt gesetzt, in dem bestimmte
Elemente mitbetrachtet, aber andere ausgeschlossen werden. Ein Design kann
nie die gesamte sozial-konstruierte Realität berücksichtigen, sondern es werden
Entscheidungen im Designprozess getroffen. Daher ist ein Design immer ein Art
Kompromiss, ein design trade-off (Fischer 2013). Mithilfe des DDD werden diese
Entscheidungen sichtbar und für Reflektionen, Diskussionen und Weiterentwick-
lungen zugänglich gemacht.
Ein digitales didaktisches Design ist zugleich Prozess und Produkt. Mithilfe
von DDD wird die Gestaltung von Lehr-Lern-Arrangements in Schulen sichtbar, es
macht spezifische Handlungen und Aktivitäten Lehrender und Lernender sichtbar,
und es wird der Unterschied zwischen Unterrichtsprozessen und Lernprozessen
deutlich. DDD definiert die Aktivitäten von Lehrerinnen und Lehrern als eine De-
sign-Aktivität, die den Lernprozessen eine Form geben. Etwas genauer ausgedrückt
werden soziotechnische-pädagogische Lernprozesse designt.
Da es nicht möglich ist Lernen, wie im Sender-Empfänger-Modell suggeriert wird,
zu versenden (wie bspw. Postpakete), haben Schule und Lehrpersonen die Aufgabe,
Tablets im Schulunterricht in Skandinavien 43

solche Bedingungen zu schaffen, die Lernen begünstigen. Diese Sicht zeigt, dass
Unterrichtsformen und DDDs ein Lernen einschränken oder ermöglichen können
(Ermöglichungssdidaktik, Arnold 2003). Dieses Verständnis von Unterricht und
Lernen basiert auf einem lernerzentrierten Paradigma, bei dem Schülerinnen und
Schüler neues Wissen ko-konstruieren, in ihren bestehenden Erfahrungskontext
einbauen und verweben, anstatt lediglich das gesprochene Wort von Lehrenden
zu wiederholen, ohne dem Bedeutung zuweisen zu können (Barr und Tagg 1995;
Jonassen et al. 2003).
Wir bezeichnen den DDD-Ansatz als digital, da in der heutigen digitalen und
mediatisierten Welt, Lehr- und Lernprozesse ohne Technologien nicht mehr vor-
stellbar sind. Jedoch können die Qualität und der Integrationsgrad von webbasierten
Technologien stark variieren. Der Begriff digital ist derzeit noch relevant, weil er
das sichtbar macht, was gewöhnlich im Designvorgang außer Acht gelassen wird:
Wenn neue Technologien für Lernprozesse genutzt werden, verändern sich Unter-
richts- und Lernprozesse. Die reine Addition der Technologie beeinflusst bereits
bestehende Kommunikations- und Lernwege. Dies bedeutet aber nicht, dass es nun
ausreicht, einfach Technologie in die Klasse zu stellen oder dort hinein zu werfen.
In einer idealen Schulwelt würde ein digitales didaktisches Design den Entwurf,
die Weiterentwicklung, die Umsetzung und die Aufeinanderabstimmung (align-
ment, Biggs und Tang 2007) der folgenden fünf Elemente im Unterricht beinhalten
(Jahnke et al. 2014):

• Beabsichtigte und erwartete Lernergebnisse (Lernziele) sind für Schülerinnen


und Schüler klar verständlich. Lehrerinnen und Lehrer erstellen Lernkriterien
im besten Fall auch gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern. Solche
Kriterien sind wichtig, damit Lernende wissen, wie sie sich im Lernprozess
weiterentwickeln können, um einen Lernfortschritt zu erzielen.
• Es werden Lernaktivitäten hinsichtlich vertieften Lernens (meaningful learning)
entwickelt, die helfen, die beabsichtigten Lernziele zu erreichen.
• Die Lernbeurteilung (assessment) wird als prozessbasierte Evaluation und nicht
nur als summative Leistungsentwicklung entwickelt, bspw. erhalten Schülerinnen
und Schüler begleitete Reflexionsphasen innerhalb des Lernprozesses, um den
Lernfortschritt positiv zu fördern.
• Soziale Beziehungen und die Übernahme von mehreren sozialen Rollen wer-
den zum Beispiel dahingehend unterstützt, dass Lehrende sowohl Expertinnen
bzw. Experten als auch Mentorinnen bzw. Mentoren und Lernbegleitende sind.
Ebenso gestalten sie Lernprozesse, in denen Schülerinnen und Schüler nicht nur
Konsumierende von Inhalten sind, sondern auch zu Ko-Produzierenden von
Wissen, Entscheidungstragenden und Mitgestaltenden von Lernprozessen werden.
44 Isa Jahnke

• Internetfähige Technologie ist ein Teil des Designs, um Schülerinnen und


Schülern einen Zugang zu CrossActionSpaces zu ermöglichen, um verschiedene
Lernaktivitäten zu unterstützen, wie etwa das Dokumentieren von Lern- und
Arbeitsergebnissen, das Verbinden (connect) und Teilen (share) von digitalen
Artefakten sowie das Reflektieren und Präsentieren der Lernprozesse der
Schülerinnen und Schüler. Hierbei kann mobile Technologie insbesondere
helfen, Schülerinnen und Schülern verschiedene Ausdrucksformate zur Wahl
zu stellen. So kann man sich z. B. vorstellen, dass einige Lernende gerne schrei-
ben, andere jedoch lieber eine Präsentation oder ein Kurzvideo entwickeln und
wiederum andere einen digitalen Buchtrailer oder Fotostories nutzen, um ihren
Lernfortschritt auszudrücken. Hier liegt die Annahme zugrunde, dass Lernen,
aber auch das Ausdrücken dessen, was man gelernt hat, auf unterschiedlichste
Weise stattfindet.

Diese Sichtweise auf Design, Didaktik und Technologie lässt technologiegestützten


Unterricht und Lernen in neuem Licht erscheinen. Unterricht wird aus dieser Sicht
zu einer Design-Aktivität (Lund und Hauge 2011), um vertieftem, bedeutungsvollem
Lernen eine Form zu geben, die als eine reflektierende Wissensproduktion anstelle
eines reinen Informationskonsums gefördert wird. Wie designen Lehrerinnen und
Lehrer diese neue Form von Lernen in CrossActionSpaces in der Schulpraxis?

3.2 Verständnis von Lehren – Vertieftes, bedeutungsvolles


Lernen

Lernen kann aus sehr unterschiedlicher Sicht verstanden werden und umfasst
viele verschiedene Dinge. Es ist ein biochemischer Vorgang im Gehirn, eine Ver-
haltensveränderung, eine Informationsverarbeitung, eine Erinnerung, eine soziale
Aushandlung, eine Wissenskonstruktion, ein Conceptual Change und Lernen
kann auch als Community-Lernen, soziales Lernen und Lernen durch Imitation
und Beobachtung verstanden werden. Lernen hat viele unterschiedliche Facetten.
Im Kontext von CrossActionSpaces kann Lernen als Übergang von sozialer
Interaktion zu Crossaction verstanden werden. Lernen in CrossActionSpaces stellt
reflektierende Crossaction dar. In Jahnke (2016) beschreibe ich ausführlich, was
Lernen als reflective crossaction erfordert. Für diesen Beitrag wird Lernen kurzum
als reflektierende Crossaction definiert. Reflexion wird dabei als ein Konzept ver-
standen, bei dem Menschen miteinander interagieren, kommunizieren, sich mit
anderen Ressourcen verknüpfen, Entscheidungen treffen und erläutern können,
warum sie so gehandelt haben, darüber Auskunft geben können, warum dies für
Tablets im Schulunterricht in Skandinavien 45

ihren Lernfortschritt nützlich ist und dabei ethische Gesichtspunkte mitberück-


sichtigen (z. B. Datenschutz).
Reflektive Crossaction bezieht sich auf den Ansatz des bedeutungsvollen Ler-
nens, der ein aktiver Vorgang der Wissenskonstruktion ist „rather than acquiring
knowledge“ (Duffy und Cunningham 1996, S. 171). Meaningful learning hat fünf
Eigenschaften: Es zielt darauf ab „constructive (articulative, reflective), cooperative,
authentic (complex), intentional (goal-directed) and active“ zu sein (Howland et
al. 2012).

3.3 Operationalisierung von DDD zur Erforschung der


Unterrichtspraxis

Um den Ansatz des DDD in der empirischen Praxis zu nutzen, haben wir es in eine
Art Fünf-Schichten-Modell transformiert (Jahnke et al. 2014). Die fünf Elemente
des DDD werden auf einer Skala von 1 bis 5, angelehnt an die Likert-Skala, in fünf
Schichten (Layer) übertragen dargestellt (vgl. Tab. 1). Diese Operationalisierung
ist nicht von Vorhinein da gewesen, vielmehr haben wir diese in iterativen Zyklen
von 2011 bis 2015 peu à peu weiterentwickelt. Dies erfolgte auf Basis von empi-
rischen Daten, die aus Unterrichtsbeobachtungen, Lehrerinterviews und Grup-
peninterviews mit Schülerinnen und Schülern stammen. Dieses hier vorgestellte
Operationalisierungsmodell ist das vorläufig letzte, was eine Weiterentwicklung
jedoch keinesfalls ausschließt. Im Gegenteil: wir laden alle herzlichst ein, zu einer
Weiterentwicklung beizutragen.
Das Fünf-Schichten-Modell ist von 1 bis 5 aufgebaut. Die innere erste Schicht
(Layer 1) symbolisiert ein eher inhaltszentriertes Unterrichtsdesign (wie man aus
dem Kodierungsschema in Tabelle 1 ersehen kann); Layer 1 zeigt lehrerzentrierte
Unterrichtskonzepte, in denen Schülerinnen und Schüler in der Rolle der Konsu-
mierenden sind. Auf der äußeren fünften Schicht (Layer 5) sind Designs vorhanden,
die eher eine lernerzentrierte Unterrichtsgestaltung aufweisen; so zum Beispiel
kreatives Lernen, problemlösendes- und projektorientiertes Lernen, bei dem die
Schülerinnen und Schüler eher die Rolle der Ko-Produzierenden einnehmen.
Es kann angenommen werden, dass eine Vielfalt an DDDs eine gute Balance zur
Förderung von Lernen ausmacht. Was jedoch eine gute Balance ist, zwischen den
Anteilen von reinem Faktenlernen und bedeutungsvollem Lernen in der Schule,
muss noch beforscht werden.
Tabelle 1 zeigt das Kodierungsschema. Es ist die Operationalisierung des DDDs
für empirische Studien (Jahnke et al. 2014). Dieses Hilfsmittel ermöglicht uns einen
Blick in die tatsächliche Umsetzung von Unterricht und Lernen. Anstatt danach
46 Isa Jahnke

zu fragen, was Lehrerinnen und Lehrer planen und vorhaben, schauen wir auf ihre
eigentliche Praxis (Designs-in-Practice). Die Umsetzung kann aus unterschiedlichsten
Gründen von der Planung abweichen – bspw. weil die Technologie Fehler aufweist,
das WLAN/WIFI nicht funktioniert oder weil in durch Gruppendynamik entstan-
denen Situationen gerade andere Unterrichtsmethoden den Vorrang bekommen.

Tab. 1 Operationalisierung des DDD-Ansatzes – Kodierungsschema (Jahnke 2016)


DDD-Elemente Beschreibung der Kodierung (mit Beispielen) – keine vollständige Liste
Eigenschaften 1= Not clear, not visible, no communication about teaching goals or lear-
der Lehr-Lern- ning intentions of a class or lesson (series of lessons); focus on content
ziele; Teaching 2=
aims (TA und
ILO, Intended 3= Oral communication
Learning Outco- 4=
mes) 5= Teaching goals are clear and visible for teacher and students; intended
learning outcomes in forms of competence development (be able to do
something); there is a source somewhere where students can go back and
read the goals and ILO of the class or lesson; at best, co-aims of students
are included, students know the criteria for learning progress (available
right form the start)
Eigenschaften 1= Students hear what teachers read from the textbook (surface learning
der Lernaktivi- only; e. g. remembering/ repetition of facts); theoretical problems without
täten Learning any connection to a real world problem
activities (LA) 2=
3= In-between (…) – signs are: students are not so engaged, too much
time for doing other things (e. g. playing cards instead)
4=
5= Learning activities have a range from surface to deep learning (Bloom
1956) (with a focus on mearningful learning): pro-sumers, engaged clas-
srooms, collaboration with peers; the activities are connected to the stu-
dents world and include a real-world problem (e. g. everyday experience);
a real audience, students produce something and critically reflect on it
(e. g. evaluating/creating/making), relate knowledge to new knowledge;
“organize and structure content into coherent whole” (Marten und Säljö
1979), students are engaged as reflective makers
Tablets im Schulunterricht in Skandinavien 47

Eigenschaften 1 = Feedback only at the end (summative feedback); character of the feed-
der Lernbeurtei-back is rather summative, not formative
lung, Assess- 2=
ment (ASM)
3= Feedback during the class by coincidence; teacher only gives feedback
when learners ask for support; passive support, technical support
4=
5= Criteria for a learning progress are visible for students from the
beginning of the learning process; Feedback/feed-forward mainly during
learning process, process-based assessment (Bergström 2012) for learner’s
development (in addition to summative assessment); a plan exists for
how the teacher creates pro-assessment (formative evaluation); a range of
forms such as self-assessment; peer-reflective learning, feedback by the
teacher, e. g. students document learning (electronically; a map or text,
and others) and the teacher asks them to go back and reflect
Eigenschaften 1= Teacher is in the traditional role of the expert only; students are only
der sozialen seen as consumers (of solving closed questions and tasks where only one
Beziehungen und correct answer is possible)
Rollen (RO) 2=
3= Teacher is in 1-2 roles but spends majority of time as expert; teacher
does not support student engagement to be active
4=
5= Teacher plays different roles such as expert, process mentor, lear-
ning-companion, coach, consultant; fosters the students to be in different
roles such as consumers, producers, collaborators, critical reflectors, etc.;
teacher engages the students; teacher activates the students to change
their roles; students are in several roles, e. g. teachers for their peers, fin-
ding own learning aims, creating own learning tasks, and more, teacher
supports student reflection of roles and development of new roles
Eigenschaften 1= Low extent, drill and practice; students work primarily alone when
der Tablets using technology, not related to the real world (e. g., technology is substi-
(TAB) tute for pen and paper)
2=
3= Medium extent (e. g., new technology is substitute for existing media;
for example, tablet substitutes a laptop)
4=
5= High extent, multimodal such as writing texts, camera app, digital
paintings, using apps for collaborative creation; students construct, share,
create and publish their knowledge to a real audience; students use online
resources, actively select topics beyond the limitations of even the best
school library, etc.
48 Isa Jahnke

Dieses operationalisierte DDD-Modell kann dann für empirische Studien als Da-
tenerhebungsinstrument und später als Türöffner dienen, um mit Schulen sowie
Lehrerinnen und Lehrern ins Gespräch zu kommen, Unterrichts- und Lernprozesse
zu diskutieren, reflektieren und ggfs. gemeinsam weiterzuentwickeln (je nachdem
welche Ziele die Schule verfolgt).

4 Empirische Studien in skandinavischen Schulen

Von 2011 bis 2015 haben wir in Dänemark, Schweden und Finnland insgesamt 64
Klassen empirisch untersucht. Zusätzlich haben wir in Norwegen und den USA
Erhebungen durchgeführt, jedoch werden die Daten von diesen Ländern nicht in
die hier vorgestellte Auswertung eingebunden.

4.1 Datenerfassung in Schulen

Alle Schulen und alle 64 Klassen, die in dieser Studie involviert waren, hatten sich
für das iPad oder iPad-Mini entschieden. Wir waren in den Klassen 1 bis 12 (in
Skandinavien endet das Gymnasium mit der 12. Klasse) und konnten fast jedes
Schulfach integrieren: Muttersprachen wie Dänisch, Schwedisch oder Finnisch
(12 Klassen), Mathematik (9 Klassen), Naturwissenschaften (Biologie, Chemie,
Physik) (9 Klassen), Englisch (6 Klassen), Religion/Ethik (5 Klassen), Geographie,
Geschichte, Sozialwissenschaften, Hauswirtschaft (jeweils 3 Klassen) und andere,
wie Kunst, Musik, Sport (jeweils 1 bis 2 Klassen). Die Klassengrößen variierten von
4 bis zu 27 Schülerinnen und Schülern, i. d. R. eine Mischung aus männlichen und
weiblichen Lernenden, außer in einer Klasse, die nur mit Mädchen (27 Mädchen)
und einer anderen Klasse, die nur mit Jungen (4 Jungen) besetzt war.
In der Regel besuchten wir die Schulen zweimal im Jahr. Wir nutzten insbesondere
die Methode der teilnehmenden Beobachtung (mit teilstrukturiertem Beobach-
tungsprotokoll) und Interviewleitfäden. Zudem setzten wir Online-Fragebögen ein
und führten eine Studie mit Schülerinnen und Schülern zum Thema Was ist eine
gute Lernsituation (Norqvist et al. 2014) durch. In jeder Schule machten wir eine
Begehung und hatten Besprechungen mit der Schulleitung und der pädagogischen
Leitung, um die möglichen Besonderheiten der Schulen zu verstehen. Nach Rogers
(2003) wählten wir die Innovativen und Early Adopters aus, also diejenigen, die
das iPad bereits frühzeitig im Unterricht einsetzten.
Tablets im Schulunterricht in Skandinavien 49

4.2 Unterrichtsbeobachtungen

Klassenbeobachtungen wurden von zwei bis drei Forscherinnen und Forschern


durchgeführt, die i. d. R . zuvor ein Training zur Beobachtung absolviert hatten.
Neben dem strukturierten Beobachtungsprotokoll wurden auch Notizen, Fotos
und kurze Videoaufnahmen gemacht, wenn die Erlaubnis der Beteiligten vorlag.
In einigen Klassen haben wir auch digitale Audioaufnahmen der Kommunikation
von Lehrerinnen und Lehrer gemacht. Dies ist jedoch nicht in allen Klassen ge-
schehen, da diese Notwendigkeit erst deutlich wurde, nachdem erste Daten bereits
ausgewertet waren.
Der Leitfaden zur Klassenbeobachtung basiert auf der Grundlage der digitalen
didaktischen Design-Elemente, insbesondere Lehrziele, Lernaktivitäten, Formen der
Bewertung, soziale Beziehungen/Rollen und dem Grad der Tablet-Integration. Der
Beobachtungsbogen enthielt zudem (1) eine Beschreibung der Klasse, in welchem
Umfang die DDD-Elemente aufeinander abgestimmt sind (constructive alignment),
(2) wie die Tablets im Unterricht angewandt wurden, (3) Kommunikationsmuster,
soziale Beziehungen, Rollen von Schülerinnen, Schülern und Lehrerinnen und
Lehrern, (4) Zusammenarbeit, Formen des kooperativen Lernens (falls vorhan-
den) (5) sowie eine Lernbeurteilung, formatives Assessment, (6) andere relevante
Punkte aus der Sicht des Beobachters/der Beobachterin, (7) kreative Aspekte, (8)
besondere Kompetenzen der Lehrerinnen und Lehrer sowie (9) ein offenes Feld
für Anmerkungen.

5 Darstellung der Daten und Erkenntnisse

5.1 Darstellung der Daten

Durch die teilnehmende Beobachtung und mithilfe von Interviews konnten wir für
jede beobachtete Klasse die Daten nach dem DDD-Modell gemäß Tabelle 1 quan-
tifizieren. Nach jeder Klassenbeobachtung wurde für jedes dieser DDD-Elemente
ein Scoring (Wert) ermittelt. Das ist der Wert, der pro DDD-Element für jede be-
obachtete Klasse entstanden ist. Da in der Forschungspraxis bis zu drei Forschende
an der Beobachtung beteiligt waren, ist der ermittelte Wert nicht immer derselbe
gewesen. In den überwiegenden Fällen ergaben sich zwar dieselben Werte, es gab
jedoch auch minimale Abweichungen und in wenigen Ausnahmen sogar größere
Abweichungen. Es wurde dann i. d. R . der Mittelwert berechnet. Tabelle 2 zeigt
einen Ausschnitt der kodierten Daten.
50 Isa Jahnke

Tab. 2 Daten (ermittelte Werte) und errechnete Layer (von 10 der 64 untersuchten
Klassen)
ID Teaching Learning Assessment Social rela- Tablets Layer
aims activities tions, roles
TA/ILO LA ASM RO TAB
16S 1 1.5 2 1 1 1
19D 1 1 1 1 1 1
26D 2 2 3 3 1 2
12F 3 1.7 3 1.7 3 2
1F 2 4 4 4 3 3
20S 3 3.5 3 3 2 3
10D 4 4 4 5 4 4
2S 3.5 4.5 4 4 3 4
14S 5 4.5 5 4 5 5
21D 5 5 5 5 5 5

Die analysierten Daten wurden mithilfe von Inhalts- und Peer-Review-Validie-


rung überprüft; mindestens zwei Forschende überprüften die Analyse der Daten.
Eine solche kommunikative Validierung (Bauer und Gaskell 2000) wurde unter
Verwendung von Inter-Rater-Methoden von zwei bis drei Ratern durchgeführt.
Die Rater hatten in 77 Prozent der insgesamt 320 Codes denselben Wert zugewie-
sen; bei 18 Prozent der Codes war die Übereinstimmung minimal voneinander
abgewichen (= / + 1-Score). In nur 5 Prozent aller Codes (16 Codes) gab es wenig
bis keine Übereinstimmung. Dieses Ergebnis zeigt, dass das Kodierungsschema
relativ zuverlässig ist.
Unter Anwendung des Kodierungsschemas (in Tabelle 1 illustriert) sahen wir
uns zuerst die fünf Layer pro empirisch-untersuchter Klasse an. Wir verwendeten
folgende Definition, um die Daten einem der fünf Layer zuzuweisen.

• Die Klasse wurde dem 5. Layer zugeordnet, wenn ein Minimum von vier der
fünf DDD Elemente (TA, LA, ASM, RO, TAB) einen Wert von 5 hatte (4,5 wurde
zu 5 aufgerundet).
• Eine Klasse wurde dem 4. Layer zugewiesen, wenn ein Minimum von vier der
fünf DDD-Elemente (TA, LA, ASM, RO, TAB) eine 4 (3,5 aufgerundet wurde)
aufwies. Wenn jedoch vier Elemente einen Wert von 5 oder höher aufwiesen,
dann wurde die Definition von Layer 5 angewendet.
• Der 3. Layer wurde zugeordnet, wenn ein Minimum von vier DDD-Elemen-
ten (TA, LA, ASM, RO, TAB) einen Wert von 3 oder höher erhielt (2,5 wurde
Tablets im Schulunterricht in Skandinavien 51

aufgerundet) . Wenn es jedoch vier Elemente mit einem Wert von 4 oder höher
gab, dann wurde die Definition des 4 . Layer angewendet .
• Der 2 . Layer wurde zugewiesen, wenn ein Minimum von vier DDD-Elementen
(TA, LA, ASM, RO, TAB) einen Wert von 2 oder höher erhielt (1,7 wurde auf-
gerundet zu 2,0) . Wenn es vier Elemente mit einem Wert von 3 oder höher gab,
dann wurde die Definition des 3 . Layer genutzt .
• Der . 1 . Layer wurde zugewiesen, wenn ein Minimum von vier DDD-Elemen-
ten (TA, LA, ASM, RO, TAB) einen Wert von 1 oder höher erhielt (1,5 wurde
aufgerundet) . Wenn es jedoch vier Elemente mit einem Wert von 2 oder höher
aufwies, dann wurde die Definition eines anderen Layer angewendet .

Tabelle 2 zeigt die Daten mit dem Kodierungsschema: Die rechte Spalte zeigt den
zugeordneten Layer .
Im nächsten Schritt haben wir dann die fünf Layer in einem Fünfeck-Modell
(Pentagon) grafisch visualisiert (vgl . Abb . 1) . Auf Basis der Daten, die nach Ta-
belle 1 ermittelt wurden, konnten wir pro Klasse ein DDD-Fünfeck entwickeln,
welches das DDD in einer Form symbolisiert, das auf einer Fünf-Punkte-Skala
und fünf Schichten (Layer) basiert: Die innere Schicht veranschaulicht Layer 1, die
zweite Schicht Layer 2, die dritte Layer 3, die vierte Layer 4 und die äußere fünfte
Schicht stellt Layer 5 dar . Wie in Tabelle 1 verdeutlicht, symbolisiert Layer 1 eher
inhaltszentrierte Unterrichtsdesigns und Layer 5 eher lernerorientierte Designs .
Abbildung 1 zeigt vier Beispiele .

Abb. 1
Vier Klassen (von
insgesamt 64 IDs) –
visualisierte DDD-
Formen in iPad-Klassen
52 Isa Jahnke

Abb. 1 (Fortsetzung)
Vier Klassen (von
insgesamt 64 IDs) –
visualisierte DDD-
Formen in iPad-Klassen
Tablets im Schulunterricht in Skandinavien 53

Diese Methode ermöglicht es uns, Designs-in-Practice in iPad-Klassen empirisch


zu erfassen. Die Visualisierung der 64 Designs-in-Practice in fünf Schichten hilft,
die Daten zu verstehen sowie die Vielfalt von DDDs in der Unterrichtspraxis zu
explorieren und deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erfassen.

5.2 Erkenntnisse

Die Ergebnisse der fünf Layer werden in drei Clustern organisiert. Jedes Cluster
enthält verschiedene DDD-Layer:

• 6 Klassen in Layer 1
• 14 Klassen in 2 Layer
• 21 Klassen in Layer 3
• 16 Klassen in Layer 4
• 7 Klassen in Layer 5

Diese fünf Layer können in drei Cluster (A, B und C) kategorisiert werden; siehe
Tabelle 3, wobei Cluster B inhaltlich starke Abweichungen aufweist und 8 Klassen
eher zu Cluster C und die anderen 13 Klassen eher zu Cluster A zugeordnet werden
können. Daraus ergibt sich, wie in Tabelle 3 ersichtlich, folgendes Bild:

Tab. 3 iPad Klassen in drei Clustern der DDD-in-Practice


Cluster A, emerging digital didacti- Cluster B, on the way Cluster C, conflicting
cal designs: Learning by crossaction but sticky

holistically exploiting the oppor- Incremental changes Trapped persistence in


tunities for supporting deeper/open (minor changes) traditional designs, but
learning in CrossActionSpaces conflicting with the po-
tential of using sources
outside the school walls
Layer 5 (7x) Layer 3 (21x) Layer 2 (14x)
Layer 4 (16x) 8 classrooms à Layer 1 (6x)
ß 13 classrooms (nine
with LA and TAB; 4
only LA)
In total 7+16+13 In total 14+6+8
=36 =28
54 Isa Jahnke

36 von den 64 untersuchten Klassen zeigen Eigenschaften von eher innovativen De-
signs for meaningful learning und fördern vernetztes Lernen in CrossActionSpaces.
Hingegen können die restlichen 28 Klassen eher als tradierte Designs bezeichnet
werden, die teils sogar Lernkonflikte befördern.

5.3 Ein DDD-Muster in allen Layern und in allen Clustern

Bei näherer Untersuchung konnte ein übergeordnetes Muster erfasst werden, wel-
ches in allen Clustern erscheint. Es ist das Muster, in dem die Lernaktivitäten (LA)
mit den Tablets (TAB) korrelieren, wir nennen es LA-TAB. Abbildung 2 zeigt zwei
Beispiele. Die folgenden in Tabelle 4 gelisteten Klassen zeigen Muster, bei denen
LA und TAB korrelieren und die anderen Elemente eher vernachlässigt werden.

Tab. 4 Muster der Korrelation von LA und TAB


Layer Classrooms (n of N) Comments
Layer 5 7 (of 7) while all other elements got the same attention
Layer 4 14 (of 16) LA and TAB are stronger emphasized than the other
elements
Layer 3 9 (of 21) LA and TAB are stronger emphasized than the other
elements
4 same pattern but on a lower level
Layer 2 3 (of 14) LA and TAB are stronger emphasized than the other
elements
Layer 1 3 (of 6) same pattern but on a lower level
In total 40
33 (minus Layer 5)

Das Muster LA-TAB existiert in allen fünf Layern. Insgesamt gibt es 40 solcher
Klassen (von 64 Klassen insgesamt), die dieses Muster aufweisen. Die DDD-De-
signs zeigen eine Verbindung von Lernaktivitäten und Tablet-Integration – jedoch
werden die anderen Elemente des DDDs vernachlässigt. Lernaktivitäten in diesen
Designs zeigen Eigenschaften von meaningful learning, die wie folgt charakterisiert
werden können: Schülerinnen und Schüler sind pro-sumers; Lernaktivitäten sind
in die Welt der Schülerinnen und Schüler eingebunden und umfassen authentische
Problemstellungen. Teils wurde auch echtes Publikum in den Lernprozess invol-
viert, z. B. wurden die Ortsgemeinde oder Menschen, die in der Nähe der Schule
Tablets im Schulunterricht in Skandinavien 55

wohnen, zum Booktrailer-Abend eingeladen, an dem Schülerinnen und Schüler


ihre Lernprodukte vorstellten . Schülerinnen und Schüler konnten das Gelernte
kritisch hinterfragen und reflektieren, sie konnten ihr neues Wissen zu neuen Er-
kenntnissen organisieren und strukturierten Inhalte zu einem kohärenten Ganzen
(Marton und Säljö 1976) .

Abb. 2
Muster LA-TAB,
Beispiele IDs 28D
(Layer 3) und 9F (Layer 2)

Die DDDs zeigen einen ziemlich hohen Grad an multimodalem Einsatz, was die
Verwendung und Kombination von vielen Apps umfasst, wie bspw . das Schreiben
von Texten, Kamera-Apps, digitales Malen/Zeichnen und Apps für die gemeinsame
Erstellung von etwas Multimodalem (z . B . Booktrailer und Mathematik-Substrakti-
56 Isa Jahnke

onsstrategien mit Screencasting-App Educreation). iPads in diesem Muster des DDDs


wurden nicht als Ersatz für Stift und Papier verwendet. Schülerinnen und Schüler
in diesen DDDs ko-produzierten neues Wissen mit Bezug zu einem Fachgebiet;
sie nutzen Online-Ressourcen und waren online aktiv, selbst über die Grenzen der
besten Schulbibliothek hinaus. Allerdings vernachlässigt das LA-TAB-Design die
anderen DDD-Elemente: Lehrziele (TA und ILO) waren nicht klar, Lernbewertung
und Rollen wurden in den 33 Klassen in diesem DDD-Muster nicht mitbedacht
oder zumindest nicht offensichtlich mitgestaltet.

6 Diskussion

In insgesamt 36 Klassen (Layer 5, 4 und teilweise Layer 3) konnten Designs nachge-


wiesen werden, die eher als innovativ bezeichnet werden können. Wir bezeichnen
diese Klassen als Cluster A (fünf dieser werden ausführlicher in Jahnke und Kumar
2014 dargestellt). Den DDDs in Cluster A ist gemeinsam, dass sie eher meaningful
learning fördern und Unterricht als CrossActionSpace formen.

6.1 Von inhaltsbasiertem Unterricht zu Lernexpeditionen?


(Cluster A)

Ein detaillierter Blick in die DDDs in Cluster A (36 Klassenräume) veranschau-


licht, dass diese Designs mehr oder weniger alle fünf DDD-Elemente aufeinander
ausrichten. Sie haben gemeinsam, dass sie Lernmöglichkeiten schaffen, die von den
eher traditionellen, reinen inhaltsfokussierten Unterrichtsformen abweichen und
eher schülerzentrierte Lernexpeditionen fördern. Ihre Lernexpeditionen weisen
folgende Eigenschaften auf:

• Mehr als eine richtige Antwort. Lehrerinnen und Lehrer wendeten entweder
solche Designs an, in denen es mehr als eine richtige Antwort gab oder in denen
die Antwort auf das Problem noch gar nicht existierte und die Schülerinnen
und Schüler Antworten entwickelten (Fischer 2013). Ein Lehrer argumentierte:
„I want to set the knowledge free“ (ID 11D).
• Auswahl von Ausdrucksformaten, was gelernt wurde. Die Aufgaben im Unter-
richt wurden so gestellt, dass Schülerinnen und Schüler wählen konnten, wie sie
ihr Lernen für andere sichtbar machen; sie wählten nicht nur Textformate aus,
sondern konnten auch digitale Bilder kreieren, digitale Geschichten, Comics,
Tablets im Schulunterricht in Skandinavien 57

Filme und Podcasts entwickeln (beispielsweise Bookcreator (z. B. IDs 03D, 09D,
14), Puppetpals (z. B. ID 02D), Popplet (z. B. IDs 09D, 11D, 24D), Stripdesigner
Comicbook (z. B. IDs 05D, 09D)).
• Learning by Crossaction. Klassen, insbesondere in Layer 5 und 4 (bspw. IDs 18D,
24D), gestalteten Lernen in kollaborativen Lernexpeditionen, teils unter Nut-
zung von CrossActionSpaces. Lernexpeditionen in Cluster A können wie folgt
charakterisiert werden: „designs for reflective crossactions using open-ended,
problem-based learning paths, contribute to goal/objective-oriented learning
(e. g., to master X or to explore and understand the implications of Y) where
online and offline resources and instruments are chosen by the learners“ (Jahnke
und Norberg 2013).

6.2 Die beiden anderen Cluster B und C – tradierte Designs,


Irritationen und Konflikte

In 28 Klassen (Layer 1, 2 und teilweise 3) wird das Potential der iPads nicht ausge-
schöpft bzw. war es sehr begrenzt oder nicht vorhanden. Die DDDs zeigen tradi-
tionelle Unterrichtsformen, in denen Lehrerinnen und Lehrer in ihren bisherigen
Designs gefangen zu sein scheinen.
In diesem Cluster wurden die Lernmöglichkeiten nicht ausgeschöpft, sondern im
Gegenteil wurde das Lernen eher begrenzt. Dies führte in manchen Fällen zu Kon-
flikten, die wie folgt beschrieben werden können: Wenn Online- und Offline-Räume
miteinander zu CrossActionSpaces verschmelzen, dann haben „Menschen die
ganze Welt vor sich“ (ID 01F) und das traditionelle Verständnis von Unterricht
wird von Schülerinnen und Schülern als obsolet wahrgenommen. Eine Erklärung
dafür ist, dass die Schülerinnen und Schüler sehen, dass sie die Tablets auch für
das Internet verwenden können und das Internet die richtige Antwort in der Regel
kennt. Wenn nun aber das DDD die Schülerinnen und Schüler einschränkt, nach
der richtigen Antwort zu suchen, obwohl das iPad direkt vor ihnen auf dem Tisch
liegt, dann wird ihnen der Unterricht zumindest komisch vorkommen. Lernende
nehmen eine Lücke wahr, zwischen dem, was sie tun könnten (TAB), und dem, was
sie aber nicht tun dürfen (LA und RO). Das Aufeinanderabstimmen (alingment)
zwischen TAB, LA und RO hakt. Dies kann zu einer geringeren Aufmerksamkeit
und Anschlussfähigkeit von Schülerinnen und Schülern zum Unterricht führen,
was sich wiederum negativ auf das Lernen auswirken kann.
Unsere Daten zeigen, dass webbasierte Geräte eine Änderung des Lernens
(bspw. Lernwege und Darstellung der learning outcomes) mit sich bringen. Wenn
Klassen internetfähige Technologien (TAB) nutzen wollen, dann erfordert dies
58 Isa Jahnke

eine Änderung im DDD: die Lernaktivitäten (LA) brauchen einen Wandel hin zu
offenen Aufgaben, die wiederum eine Änderung der Lehrer- und Schülerrollen
(RO) zu Mentorinnen bzw. Mentoren und Produzentinnen bzw. Produzenten mit
sich bringen muss, um meaningful learning zu verstärken.
Man kann es auch so formulieren: DDDs in Cluster C haben ein Lernen designt,
bei dem es nur eine richtige Antwort auf die Frage des Lehrers bzw. der Lehrerin oder
des Schulbuchs gibt. Dies wird jedoch mit der Nutzung von webbasierten Tablets
zur Farce, da die eine richtige Antwort mit dem iPad vor den Lernenden auf dem
Tisch liegt. Wenn Tablets in Klassen zur Anwendung kommen, ist die Umwand-
lung von traditionellem Unterricht mit der einen richtigen Lösung hinfällig und ein
Umdenken wird erforderlich, wenn das Lernen gefördert werden soll (z. B. kann
es mehr als eine richtige Antwort geben und die Lernenden müssen Argumente
finden, warum diese Lösung richtig ist und keine andere).

6.3 Das Muster LA-TAB

Interessant und überraschend ist die Tatsache, dass es ein DDD-Muster gibt, wel-
ches in allen Clustern auftaucht: LA korreliert mit TAB (und umgekehrt). DDDs
in diesem Muster legen ihren Schwerpunkt auf vertiefte Lernaktivitäten und Ta-
blet-Integration. 40 von insgesamt 64 Klassen zeigen ein solches Muster, während
33 von ihnen gemeinsam haben, dass sie die anderen Elemente wie Lehr-Lernziele,
Rollen und Assessment vernachlässigen. Diese Klassen können wir mit den Worten
auf dem Weg beschreiben. Die iPads lösten ein Umdenken aus, jedoch verharrten
die Lehrkräfte in alten Designs und konnten aus verschiedenen Gründen ihre
Hürden nicht überwinden. Es gibt zwar inkrementelle aber keine revolutionären
Veränderungen. Diese Gruppe benötigt bspw. Austauschmöglichkeiten mit peers
(Kolleginnen und Kollegen), Zeit zum Ausprobieren und andere Hilfestellungen.

7 Zusammenfassung und Ausblick

Das Ziel unserer Studie war es, digitale didaktische Designs-in-Practice in Schu-
len als CrossActionSpaces zu untersuchen, insbesondere das Zusammenspiel der
DDD-Elemente sowie Ähnlichkeiten und Unterschiede zu explorieren und die
Vielfalt von DDD-Formen und deren Eigenschaften zu veranschaulichen. Unsere
Studie zeigt emergente DDDs. Unter den neuen Bedingungen von CrossActionSpaces
untersuchten wir Unterrichts- und Lernformen und es wird deutlich, dass iPads zu
Tablets im Schulunterricht in Skandinavien 59

solchen neuen Lernräumen beitragen. Einige DDDs zeigen die Umwandlung von
traditionellem Unterricht in kreative Lernexpeditionen. Die wichtigsten Ergebnisse
aus unserer iPad-Untersuchung in skandinavischen Schulen sind:

• Wir haben eine generische Sprache zur empirischen Untersuchung entwickelt,


die hilfreich ist, um Unterricht und Lernen in technologiereichen Lernumgebun-
gen zu erfassen; wir nennen es das Konzept des Digitalen Didaktischen Designs.
DDD ist ein Ansatz um Designs-in-Practice zu explorieren.
• Dieses DDD-Modell wurde zunächst theoretisch hergeleitet, um die Daten in
den Schulen in Skandinavien zu erheben. Basierend auf den empirischen Daten,
waren wir nun in der Lage, das DDD-Modell zu überarbeiten. Mit dem DDD-Mo-
dell war es dann möglich, die Vielfalt von Unterrichtsformen zu illustrieren.
• Das DDD-Modell eignet sich besonders in Schul- und Hochschulkontexten,
in denen neue Paradigmen von Unterricht, Lehre und Lernen mithilfe trans-
formativer Technologie entwickelt werden, wie bspw. Lernexpeditionen. Die
generische Sprache des DDD-Modells kann in erster Linie auf der Meso-Ebene
verortet werden; sie konzentriert sich nicht auf die Mikro-Ebene (Mensch-Com-
puter-Interaktion) oder die Makro-Ebene (institutionelle Strategien).

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Projektbeispiele für Design-Based Research
im naturwissenschaftlichen Unterricht
Weiterentwicklung des Reichshofer
Experimentierdesigns mit Tablets in Schulen
Florian Genz und André Bresges

Projektbeispiele für Design-Based Research

Zusammenfassung

Dieser Beitrag skizziert die neueren Design-Based Research-Entwicklungen in


der internationalen Fachliteratur und in den Studiendesigns des Instituts für
Physikdidaktik der Universität zu Köln . Nach einem Kurzüberblick über Me-
thodik und praktische Ergebnisse gehen wir einen Schritt zurück, um generelle
Gründe, Vorteile und Herausforderungen des Design-Based Research (DBR) zu
beleuchten . Nach dieser Reflexion gehen wir detailliert auf eigene Ergebnisse
und die praktischen Implikationen der beiden neuesten Unterricht-Interven-
tions-Studien am Institut ein .

1 Einleitung

Wir argumentieren, dass das Paradigma des Design-Based Research1 ein geeigne-
ter Rahmen ist, um die angesprochenen Methoden, Theorien und Modelle in der
gebotenen Angemessenheit zu entwickeln und zur Unterrichtsverbesserung zu
nutzen . Design umfasst dabei ein mediengestütztes Angebot für Lehrkräfte und
Schulen, das im Unterricht eingesetzt und dort auch erprobt wird .

1 Im deutschen Sprachraum war auch lange die Bezeichnung Fachdidaktische Entwick-


lungsforschung gebräuchlich .
63
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_4
64 Florian Genz und André Bresges

1.1 Überblick zur Methodik

Die wissenschaftlich überprüfbaren Hypothesen zu Effekten von Tablets im


Unterricht werden optimalerweise kontrolliert durch Pre-Tests, Post-Tests und
Follow-Up-Tests zur Lesekompetenz, Fachkompetenz und Motivation. Um die
Unterschiede zwischen den Schulklassen auszugleichen, kommt ein 2x2-Studi-
endesign zum Einsatz. Dies bedeutet, dass die Schüler*innen nicht randomisiert
einer Kontroll- bzw. Versuchsgruppe zugeteilt werden, sondern, dass ganze Klas-
sen einmal als Versuchsgruppe und ein zweites Mal als Kontrollgruppe eingeteilt
werden (mehr in Abschnitt 3.2). Die empirischen Daten werden ergänzt durch
leitfadengestützte Video-Interviews mit den Lehrenden sowie Lernenden. Die
dreidimensionale Datenerhebung wird durch teilnehmende Beobachtungen von
Studierenden/Forschenden komplettiert. Hierdurch werden die empirischen Daten
oft erst interpretierbar und es können wertvolle Daten über Ursachen und bisher
unbeachtete Effekte gesammelt werden. Gleichzeitig können empirisch überprüfbare
Hypothesen abgesichert werden. Die qualitativ gesammelten Daten sollen jedoch
auch ständig auf die Theorieevolution rückwirken oder komplett neue Mikro-The-
orien inspirieren, die im laufenden oder nächsten DBR-Zyklus eingebaut werden.
Durch die zyklische Weiterentwicklung des Studiendesigns werden systematisch
praxisrelevante Informationen über den Kontext von Unterricht miterhoben,
ausgewertet und reflektiert.

1.2 Überblick zentraler Ergebnisse

In der ersten, später vorgestellten, Unterrichtsintervention-Studie (detailliert be-


schrieben in Abschnitt 3) zeigten die iPad-Klassen im Post-Kompetenztest keinen
signifikanten Unterschied im Vergleich zur Kontrollgruppe, jedoch deutlich weniger
Streuung (Bresges et al. 2014). Die teilnehmenden Beobachtungen dokumentierten
in den Tablet-Klassen wesentlich längere Gruppenarbeiten. Die leitfadengestützten
Interviews lassen vermuten, dass sich bei den Schüler*innen der Kontrollgruppe
(KG) mehrheitlich andere implizite Theorien über das Unterrichtsziel verankerten
als in der Versuchsgruppe (Ziel KG: Experimente durchführen, Ziel VG: Lernvideo
erstellen). Die Motivationstests wiesen breite Streuungen in beiden Versuchsgruppen
auf. Die Mittelwerte veränderten sich nur marginal. In den Schülerinterviews wurde
sehr oft erwähnt, dass der Unterricht mit dem iPad mehr Spaß mache.
In der zweiten, später vorgestellten, Unterrichtsintervention-Studie (detailliert
beschrieben in Abschnitt 4) wurden aufgrund der Evaluationsergebnisse unbeno-
tete Selbsttests vor den Praxisphasen eingeführt. Die freiwilligen, automatisierten
Projektbeispiele für Design-Based Research 65

Selbsttests sind direkt in das leitende Lernmedium (iBook) eingebunden und


geben direktes Feedback. Die leitfadengestützten Interviews sowie teilnehmenden
Beobachtungen stützen die Vermutung, dass der diesmal deutliche Lernzuwachs
(KG: Hake2-g=0,40; VG: Hake-g=0,66) zu großen Teilen auf den Schlüsselfaktor
automatisiertes, direktes Feedback zurückzuführen ist (Veröffentlicht in Jourdan
2015). Die in den eBooks implementierte freiwillige Selbstkontrolle wurde von
allen Personen der VG genutzt. Ein weiteres Ergebnis war, dass die iPad-Gruppe
deutlich mehr Zeit für die Lösung der Aufgaben investierte (time on task). In den
Interviews gaben viele Lernende an, dass die eBook-Intervention ihre Einstellung
zu den MINT-Fächern deutlich verbessert habe: „Auch für die Lehrperson stellte
sich die selbstständige Arbeit der Schüler*innen mit dem iBook als entlastend
dar, denn es besteht mehr Zeit, individuell auf die Förderung einzelner Schüler
einzugehen und den Schülern helfend bei Seite zu stehen.“ (Jourdan 2015, S. 72).

2 Theoretisches Fundament

Die Einführung digitaler Medien in den Unterricht führt nicht nach jedem Maß-
stab zu einer Verbesserung des Unterrichtes, wie wir mit unserem ersten Beispiel
– dem Reichshof-Experiment – demonstrieren möchten. Sie sorgt jedoch für
Veränderungen des Unterrichtes. Angemessene empirische Methoden sollen es
erstens ermöglichen, diese Veränderungen zu beschreiben; angemessene Theorien
von Unterricht sollen es zweitens ermöglichen, diese Veränderungen zu verstehen
und damit Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu formulieren. Angemessene
Methoden der Unterrichtsentwicklung sollen es drittens ermöglichen, Modelle
und Prognosen für den Unterricht zu entwickeln, um damit zu einer echten Ver-
besserung des Unterrichtes beizutragen.
Design beschreibt hier eine Symbiose aus Unterrichtsdesign und Versuchsdesign.
Das Unterrichtsdesign umfasst ein theoretisch fundiertes Unterrichtskonzept mit
allen notwendigen Medien, Aufgaben, Begleitmaterialien und Kontextinformati-
onen. Das Versuchsdesign besteht aus Messvorschrift, Assessment-Fragen sowie
Beobachtungsmethodik und ermöglicht es im Sinne der oben genannten Kriterien,
Veränderungen zu beobachten, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu verstehen
sowie das Unterrichtsdesign systematisch zu verbessern.
Grundlage jedes Designs ist mindestens eine Theorie von Unterricht. Diese
Theorie ist Ausgangspunkt für die Entwicklung des Unterrichtsdesigns. Sie er-

2 Auch average normalized gain (vgl. Hake 2002)


66 Florian Genz und André Bresges

möglicht es Zielsetzungen für den Einsatz zu definieren, Kriterien für die Unter-
richtsbeobachtung zu benennen und Kriterien für den erfolgreichen Einsatz im
Unterricht zu definieren. Damit liefert die Theorie auch Fragestellungen für das
Versuchsdesign. Sie liefert ferner eine Struktur für die Einordnung der Befunde
und Ausgangspunkte für die weiteren Schritte der Forschung.
Nehmen wir als Ausgangspunkt das Modell des Lehr-Lern-Prozesses von Josef
Leisen (vgl. Abb. 1). Das Lehr-Lern-Modell ist ein konstruktivistisches Modell von
Unterricht. Es stellt die Lernprozesse der Unterrichtsgruppe in den Mittelpunkt.
Die Lernprozesse der Schüler*innen werden durch eine Lernumgebung modifiziert,
unterstützt, strukturiert oder behindert. Die Lehrenden beeinflussen in konstruk-
tivistischen Modellen nicht direkt den Lernprozess, sondern sind Teil der Lernum-
gebung der Schüler*innen. Damit stehen verschiedene Steuerungsmöglichkeiten
zur Verfügung, mit denen Lehrer*innen planend und steuernd die Lernumgebung
beeinflussen können. Im Modell von Leisen sind diese unterteilt in Möglichkeiten
der materialen Steuerung und der personalen Steuerung.

Abb. 1 Modell des Lehr-Lern-Prozesses nach Josef Leisen (Leisen 2011, http://www.
lehr-lern-modell.de/)
Projektbeispiele für Design-Based Research 67

Die Möglichkeiten der materialen Steuerung der Lernumgebung beziehen sich vor
allem auf die Gestaltung und Bereitstellung von Materialien. Diese Zusammenstel-
lung geschieht in der Regel bereits bei der Vorbereitung des Unterrichtes. Jedoch
gibt es auch Steuerungsmöglichkeiten in situ, wenn ergänzende Materialien und
Hilfestellungen situationsgerecht von Lehrenden bereitgestellt werden.
In vielen modernen Unterrichtstheorien kommt den Aufgaben eine wich-
tige Rolle bei der Aktivierung der Schüler*innen und der Strukturierung des
Lehr-Lern-Prozesses zu, zum Beispiel in der Modified Anchored Instruction (MAI)
von Jochen Kuhn (2010). Lernaufgaben werden im Modell von Leisen den mate-
rialen Steuerungsmöglichkeiten des Unterrichtes zugerechnet. In der Theorie der
Anchored Instruction (AI) sollen den Schüler*innen reichhaltige Wissenskontexte
angeboten werden, aus denen sie relevantes Wissen selbst extrahieren und damit
authentische Aufgaben lösen.
Auf der stärker situativen Seite steht die personale Steuerung der Lehr-Lern-Si-
tuation durch die Unterrichtenden. Sie geht von der Annahme aus, dass die Person
des Lehrenden im Unterricht unersetzlich bleibt: Die personale Steuerung dient
zur Moderation des Lehr-Lern-Prozesses und für individuelle Rückmeldungen an
die Lernenden, mithin also zur Diagnose und zur individuellen Förderung. Alle
Steuerungsmöglichkeiten sind miteinander vernetzt. So kann die Rückmeldung an
Lernende beispielsweise dazu führen, dass der Prozess anders moderiert wird und
andere Materialien zur Verfügung gestellt werden müssen. Man kann auch von
einer Aufteilung in strategische bzw. planerische Elemente von Unterricht sprechen
(materiale Steuerung) und ihnen die eher taktischen Elemente wie Moderation und
persönliche Ansprache gegenüberstellen (personale Steuerung).

2.1 Der Mehrwert von Tablets beim Design-Based Research


(DBR)

Das Lehr-Lern-Modell von Josef Leisen stellt keine Lerntheorie an sich dar, bietet
aber einen strukturierenden Rahmen, in dem sich Theorien und ihre Konsequen-
zen verorten lassen. Es ist in der Ausbildung von Referendar*innen erprobt und
dient dort auch als Planungsinstrument sowie Reflexionswerkzeug. Moderne
digitale Lernmedien – und hier insbesondere Tablets – bieten die Möglichkeit,
solche und vergleichbare konstruktivistischen Modelle von Unterricht in einem
digitalen Medium abzubilden, d. h. die Strukturierung, Steuerung, Kontextuali-
sierung und mediale Ausstattung eines Unterrichtsganges bis zur Präsentation
des Lernergebnisses durch die Schüler*innen vollständig mithilfe der Tablets zu
vollziehen. Dies war mit anderen digitalen Werkzeugen bislang nicht möglich:
68 Florian Genz und André Bresges

Smartboards werden von der Lehrkraft gesteuert und eingesetzt; sie werden in
der Regel nicht von den Schüler*innen zur Konstruktion des Lernproduktes ge-
nutzt. Poolrechner sind in den Einzelarbeitsphasen der Schüler*innen nützlich.
Bei einer Präsentation, bei Gruppenarbeit oder beim Experimentieren sind sie
eher hinderlich. Lediglich mit Laptop-Klassen ließe sich in Grenzen eine ähnlich
vollständige Abbildung erreichen.
Der Vorteil der vollständigen Abbildung eines Unterrichtsmodells in einem
Design liegt in der Reproduzierbarkeit. Das Design kann in einer anderen Schule
mit einer anderen Lerngruppe und von anderen Lehrkräften einfach wiederholt
werden. Reproduzierbarkeit ist ein Gütekriterium für wissenschaftliches Arbeiten.
Aber auch für die Ausbildung von Lehrer*innen ist es günstig, wenn man ihnen
Unterrichtskonzepte anbieten kann, die bei einer Erprobung unter ähnlichen
Rahmenbedingungen zu ähnlichen Ergebnissen führen.
Wir sprechen im Folgenden bei einem Unterrichtskonzept von einem Design,
wenn es folgende Eigenschaften erfüllt (vgl. auch Abb. 3):

1. Das Unterrichtskonzept ist die reale Ausprägung einer zugrundeliegenden Theorie


von Unterricht (z. B. der Theorie des offenen Experimentierens, des problemba-
sierten Lernens, der Anchored Instruction, der Cognitive Apprenticeship o. ä.).
2. Eine Unterrichtseinheit wird vollständig durch das Design abgedeckt; es behan-
delt nicht nur einzelne Phasen einer Unterrichtseinheit.
3. Das Design enthält bereits eine vorgeschlagene Phasierung der Unterrichtseinheit.
4. Im Design sind alle notwendigen Medien und Materialien enthalten, die Leh-
rende und Lernende für die Unterrichtseinheit benötigen.
5. Die Methoden zum Nachweis der Lernwirksamkeit sind beim Entwurf des
Designs mitbedacht worden (Output-Orientierung).

Das Versuchsdesign soll den Verlauf der Unterrichtsintervention und die Interak-
tionen der Betroffenen dokumentieren sowie Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge
aufklären. Vielfach ist neben qualitativen Erhebungsmethoden und einer Studie
des Motivationsverlaufes auch eine quantitative Erhebung des Lernzuwachses ge-
wünscht. Auch diese Erhebung kann mithilfe von Tablets geschehen. Wir nutzen
hierzu elektronische Multiple-Choice-Tests, die durch ein online-Tool (ILIAS.de)
zur Verfügung gestellt werden und eine anonymisierte Auswertung ermöglichen
(Hoffmann und Bresges 2009).
Da das Design eine geschlossene Einheit darstellt und sich reproduzierbar in
verschiedenen Unterrichtssituationen einsetzen lassen soll, ist es einer Evaluation
in besonderem Maß zugänglich. Die Reproduzierbarkeit ermöglicht insbesondere
iterative Verbesserungen des Designs, also einen Kreislauf von Design, Durch-
Projektbeispiele für Design-Based Research 69

führung, Analyse und Redesign . Diese Iterationen können von verschiedenen


Arbeitsgruppen zu getrennten Zeitpunkten vollzogen werden, wenn Standards
für die Durchführung und die Dokumentation eingehalten werden . Der typische
Ablauf eines Design-Zyklus wird in Abb . 2 dargestellt .

 
Abb. 2 Modell eines vollständigen Design-Zyklus (verändert nach Bresges 2002,
Seite 45)

Wie bereits dargestellt, ist eine in der Theorie gegründete Zielsetzung der Ausgangs-
punkt jeder gesteuerten Entwicklung . Bei weiteren Durchläufen des Design-Zyklus
werden zunehmend mehr empirische Erkenntnisse aus vorhergehenden Durchläufen
einbezogen . Hier erweist sich auch die Reproduzierbarkeit der im Design-Based
Research gewonnenen Erkenntnisse . In der Planungsphase können umfassende
Erfahrungen aus der Praxis einbezogen werden, die in die Gestaltung des Designs
münden und somit der Evaluation zugänglich sind . In die konkrete Planung der
Bildungsintervention werden in dieser Phase häufig Lehramtsstudierende ein-
bezogen . Lehramtsstudierende in Nordrhein-Westfalen sollen im Rahmen ihres
70 Florian Genz und André Bresges

Praxissemesters Innovationen aus der Hochschule in die Schule tragen und erpro-
ben, sodass sie frühzeitig im Studium mit fachdidaktischen Forschungsmethoden
vertraut gemacht werden.
Häufig müssen in einem Entwicklungsprozess Design-Entscheidungen getroffen
werden: Wird ein bestimmtes Experiment in den Mittelpunkt gestellt? Sollen die
Aufgaben von der Lehrkraft vorgegeben werden oder sollen die Schüler*innen
die Aufgaben aus dem Kontext entnehmen und selbst ausformulieren? Auch der
Unterrichtsalltag ist voll von solchen Entscheidungen, die von Lehrkräften vielfach
intuitiv getroffen werden. Bei der Entwicklung eines Designs sollen diese Entschei-
dungen nachvollziehbar dokumentiert und mit Bezügen zur Theorie verbunden
werden (Anderson und Shattuck 2012). Damit stehen sie für die gemeinsame Re-
flektion am Ende des Designprozesses zur Verfügung und können nachfolgenden
Arbeitsgruppen bei der Weiterentwicklung wertvolle Einsichten liefern.
Die Erhebungsphase ist bewusst getrennt in Kontrolle und Auswertung. Im Rah-
men der Kontrolle sollen die Evaluierenden bestimmen, ob alle für die Auswertung
notwendigen Informationen erfasst wurden. Häufig ergeben sich bei einer ersten
Kontrolle der Ergebnisse weitere Fragestellungen, für die zeitnah weitere Informa-
tionen, zum Beispiel durch Interviews, erhoben werden müssen. Die Auswertung
bezieht alle verfügbaren Informationen ein, soll den Prozess, die getroffenen
Entscheidungen und den erzielten Output zueinander in Beziehung setzen und
Anstöße für die Weiterentwicklung des Designs sowie für die Weiterentwicklung
der Theorien von Unterricht liefern.
Design-Based Research soll untersuchen, wie sich klar definierte Designs in
echten Unterrichtssituationen bewähren. Gegenstand des Forschungsinteresses
bei der Durchführung und der begleitenden Evaluation sind die Reaktionen aller
Prozessbeteiligten – Lernende, Lehrende, Schulleitung sowie Eltern, Betreuende und
Forschende. Der Kontext Schule wird nicht eliminiert, sondern erforscht und soll
die Erkenntnisse für die eigene Weiterentwicklung nutzen können. Design-Based
Research ist nicht nur ein Paradigma für die Forschung – es ist auch ein Paradigma
für die universitäre Lehrerkräfteausbildung. Im Mittelpunkt des Design-Based
Research steht ausdrücklich nicht die Lehrpersönlichkeit der Studierenden. Mit
einer klaren Struktur durch das Design fällt es gerade jungen Lehramtsstudierenden
leichter eine objektive Sicht auf Unterrichtsgeschehen und ihre Selbstwirksamkeit
zu gewinnen. Denn in der Kritik steht nicht die eigene Person, sondern ein Ar-
beitsprodukt, das in der Regel in Gruppenarbeit erstellt wurde und zu dem auch
erfahrene Personen mit beigetragen haben. Das gibt den Betroffenen eine Sicherheit,
die für einen offenen Lernprozess und eine objektive Diskussion der Vorzüge und
Nachteile eines Designs förderlich ist.
Projektbeispiele für Design-Based Research 71

2.2 Die Realisierung eines Unterrichtsdesigns mithilfe von


Tablets am Beispiel des Lehr-Lern-Modells

Abb. 3 stellt die grundsätzliche Struktur eines Designs zur Umsetzung auf Tablets
dar. Beim Vergleich mit dem Lehr-Lern-Prozessmodell wird deutlich, dass insbe-
sondere die materiale Steuerung des Unterrichtes vollständig mithilfe des Tablets
abgebildet werden kann.

Abb. 3
Struktur eines Unterrichts-
designs zur Realisierung
auf Tablet-Computern
 

Informationsdichte Medien, wie zum Beispiel Filme, ermöglichen es wesentlich


besser als kopierte Informationen, die Schüler*innen im Kontext der Lehr-Lern-Si-
tuation ankommen zu lassen (vgl. Abb. 1). Mit einer eBook-Autorensoftware ist es
möglich, Kontextualisierung, Aufgabenstellung und unterstützende Medien in einem
Lernmodul zu bündeln und damit eine Phasierung des weiteren Unterrichtsganges
vorzuschlagen. Ähnlich wie bei der Nutzung eines Schulbuches soll es aber immer
möglich sein, andere Phasierungen als die Vorgeschlagene zu wählen, um zum
Beispiel auf Vorwissen der Lerngruppe einzugehen.
Auf der linken Seite des Diagrammes sehen wir die Elemente der materialen
Steuerung. Die Aufgabenstellung kann, wo notwendig, visuell und auditiv verdeut-
licht werden und es können praktisch unbegrenzte Mengen an unterstützenden
72 Florian Genz und André Bresges

Medien beigesteuert werden. Zusätzlich besteht jederzeit die Möglichkeit, weitere


Informationen im Internet zu recherchieren. Zu den Elementen der personalen
Steuerung gehört die Moderation des Lehr-Lern-Prozesses und damit die Projekt-
steuerung durch die Lehrenden. Die Lehrenden können nicht vollständig ersetzt
werden, jedoch können auf dem Tablet Formatvorlagen für Texte und Präsentationen
hinterlegt werden, die den Gestaltungsprozess der Lernenden vorstrukturieren, so
den Lehrenden entlasten und den Unterricht dezentralisieren.
Eine wesentliche Funktion der personalen Steuerung im Modell von Leisen (2011)
war die individuelle Rückmeldung des Lernstandes an die Schüler*innen. Klassisch
erfolgte die individuelle Rückmeldung durch die Lehrer*in, was automatisch zu
einer zentralen Rolle der Lehrer*in im Unterrichtsgeschehen führte. Tablets im
Unterricht können mithilfe elektronischer Selbsttests die Unterrichtenden auch
in dieser Funktion wirksam unterstützen und damit den Unterricht weiter dezen-
tralisieren. Bei unseren bisherigen Unterrichtsversuchen hat es sich bewährt, die
elektronischen Selbsttests nach Selbstlernphasen sowie vor Phasen der Gruppenarbeit
und des Experimentierens einzusetzen (Kreiten 2012; Bresges et al. 2013; Jourdan
2014; Bresges 2015). Die Gründe dafür werden zurzeit von uns intensiv untersucht.
Zur Realisierung der Designs auf der Zielplattform iPad wird von uns die kos-
tenlose Autorensoftware iBooks Author genutzt (vgl. Abb. 4). Das Autorensystem
bietet alle hier angesprochenen Möglichkeiten: Für die Kontextualisierung des
Lehr-Lern-Prozesses kann ein Einführungsfilm festgelegt werden; die Gliederung
in Abschnitte, Kapitel und Seiten erinnert an vertraute Schulbücher und lässt eine
flexible modulare Nutzung im Unterricht zu. Das eBook kann weiterhin sowohl
als Präsentationsmedium durch die Lehrkraft, als auch als Selbstlernmedium
genutzt werden. Interaktive Elemente, sogenannte Widgets, können Simulationen
umfassen, GeoGebra-Arbeitsblätter oder die bereits angesprochenen Selbsttests in
verschiedenen Formaten.
Als Gestaltungswerkzeuge stehen den Schüler*innen Apps für den Video-
schnitt (iMovie) und zur Gestaltung von Texten zur Verfügung (Documents Free).
Zur Erstellung von Mind-Maps und zum Sammeln und Ordnen verschiedener
Informationen und Abbildungen wird die Mind-Mapping Software Popplet lite
eingesetzt. Schüler*innen präsentieren ihre Ergebnisse mit Poppet Lite oder mit
einer Präsentationssoftware (Keynote). Die Präsentationsfolien werden auch als
Format zur Abgabe von Arbeitsergebnissen akzeptiert. Insbesondere beim Einsatz
der Präsentationssoftware wurde mehrfach erfolgreich Gebrauch von vorgefertigten
Folien gemacht, die eine Gliederung und Leitfragen enthielten und von den Ler-
nenden mit ihren eigenen Daten, Videos, Bildern und Ergebnissen gefüllt wurden.
Projektbeispiele für Design-Based Research 73

Abb. 4 Beispielhafte Umsetzung eines eBooks mit iBooks Author

2.3 Der Paradigmenwechsel zum Design-Based Research

Nachdem wir in den Abschnitten 2, 2 .1 und 2 .2 skizziert haben was wir unter DBR
und seiner Implementation verstehen, möchten wir nun skizzieren, warum es zu
dem Paradigmenwechsel kam und wieso wir ihn begrüßen: In der Bildungsfor-
schung gibt es unzählige Interventionsstudien, die neben einer guten Messvalidität
auch noch sehr objektiv und reliabel konstruiert wurden . Dadurch sind sie aber
so künstlich, dass sie für die Praxis nahezu irrelevant werden . Schon 1977 resü-
mieren Cronbach und Snow, dass Versuche monokausale und generalisierbare
Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge in der Bildungsforschung herauszuarbeiten,
unpräzise bis irreführend sein müssen (Cronbach und Snow 1977) . Validität wird
oft auf Messvalidität reduziert (Hoadley 2004)! Unter Validität verstehen wir nach
Hoadley jedoch mehr:

• Mess-Validität: Passen die Messmethoden zur Theorie?


• Interventions-Validität: Passen die Interventionen zur Theorie?
• Systemische Validität: Passen die Schlussfolgerungen zur Theorie? Werden die
Schlussfolgerungen theoriegerecht kommuniziert?
74 Florian Genz und André Bresges

• Konsequenz-Validität: Passen die Entscheidungen zur Theorie? Ist die Theorie


noch anwendbar auf die Schlussfolgerungen, die auf Basis der Forschung ge-
macht wurden?

In der Summe ergibt sich damit die Konstrukt-Validität (Messen wir das, was wir
denken zu messen?).
Interventions-Validität ist in der Bildungsforschung mit standardisierten ex-
perimentbasierten Designs nie perfekt zu erreichen, da sich Vorwissen und Er-
wartungen der Teilnehmenden (Proband*innen, Forschende und Lehrende) nicht
standardisieren lassen. Beispiel: Studien zum Nutzen von neuen Technologien
profitieren oft von dem großen Aufforderungscharakter der Informationsmedien
(z. B. Tablets) sowie davon, dass Lernende ohne Nutzererfahrungen an die Techno-
logie herantreten. Sobald sich die Technologie jedoch durchsetzt, ändert sich der
Kontext für die Nutzung. Lernende nutzen Tablets auch in anderen Kontexten und
treten mit teilweise sehr gefestigten impliziten Theorien an das Medium heran. Eine
Bildungsintervention muss sich jedoch den ständig ändernden Voraussetzungen
anpassen können, um relevant zu bleiben. Standardisierte Experiment-Designs
sind dafür nicht nur zu starr, sondern können sogar zu falschen Schlüssen führen,
da sie die geänderten Voraussetzungen ignorieren (Hoadley 2004, S. 204). Seit der
Jahrtausendwende setzte sich deswegen zunehmend Design-Based Research in der
Bildungsforschung durch. Die wesentlichsten Vorteile aber auch Herausforderungen
sind in Tab. 1 zusammengefasst.

Tab. 1 Herausforderungen und Vorteile von Design-Based Research in


der Bildungsforschung
Herausforderungen im DBR Vorteile im DBR
unverzerrte und lückenlose Dokumentation Praktische Bedeutsamkeit
kontextrobuste Ergebnisse Kurze Zyklen zwischen
Mikro-Theorie, Anwendung und Evaluation

Mit diesem theoretischen Fundament wollen wir nun auf die praktischen Umset-
zungen von zwei neueren, aufeinander folgenden DBR-Zyklen eingehen.
Projektbeispiele für Design-Based Research 75

3 Erster DBR-Zyklus: Das Reichshofer


Experimentierdesign3

Ziel einer Pilotstudie an der Gesamtschule Reichshof war es herauszufinden, ob


sich der Tablet-Einsatz auf die Lernleistung und Motivation auswirkt. Ferner ging
es darum zu evaluieren, inwieweit sich die derzeitigen Methodenkompetenzen der
Studierenden für das forschende Lernen im Rahmen der Unterrichtspraxis eignen.
Die Ziele wurden zwischen Fachdidaktikern, Lehrer*innen und Schulleitung
gemeinsam erarbeitet. Zusätzlich wurden die Studierenden des Seminars in die
konkrete Planung der Unterrichtsreihe einbezogen sowie an der Entwicklung und
Erprobung der Experimente beteiligt.

3.1 Design der Intervention

Die Versuchsgruppe (VG) führt die Beobachtungen und Auswertungen mithilfe


der Tablet-Ressourcen (Kamera, Beschleunigungssensoren, Bewegungsanalyse-,
Videoschnitt-, Textverarbeitungs- und Präsentations-Apps) durch. Auch die
Instruktionen erhält die VG auf dem Tablet (passive Präsentationsfolien). Die
Kontrollgruppe (KG) arbeitet hingegen mit inhaltlich identischen, ausgedruckten
Arbeitsblättern und ohne Tablets als Beobachtungswerkzeuge. Die Instruktionen
auf den Arbeitsblättern/Folien müssen dabei möglichst eindeutig formuliert wer-
den, sodass auf weitere Erklärungen durch die betreuende Lehrkraft weitestgehend
verzichtet werden kann. Der direkte Einfluss der Lehrkraft wird – entgegen der
schulischen Wirklichkeit – minimiert, weil der Einfluss des Lernmediums/Werk-
zeugs Tablet im Vordergrund stehen soll und damit die Lehrkraft mehr Zeit für
teilnehmende Beobachtungen hat.
Die Durchführung erfolgt für beide Gruppen mit identischen physikalischen
Freihandexperimenten aus dem Bereich Mechanik. Die standardisierten Bausätze
für die Experimente werden der Schule gestellt und die Experimente anschlie-
ßend im Stationsbetrieb in Kleingruppen durchlaufen. Pro Kleingruppe soll eine
gemeinsame Ausarbeitung vorgelegt werden.

3 Teile dieses Abschnittes erschienen teilweise in Bresges et al. (2014), Bresges (2013)
sowie Firmenich (2013). Sie werden jedoch wegen neueren Forschungserkenntnissen
neu arrangiert, bewertet und zusammengefasst, um in einen größeren Zusammenhang
eingebettet werden zu können.
76 Florian Genz und André Bresges

3.2 Design der Evaluation

Kontroll- und Versuchsgruppe können im laufenden Schulbetrieb nicht ohne


weiteres randomisiert werden. Dies ist laut DBR-Leitlinien (The Design-Based
Research Collective 2013) auch nicht gewollt, denn der Klassenverband ist Teil
des Kontextes, welcher mitevaluiert werden soll. Um eventuell ungleich verteilte
Leistungsvoraussetzungen bei der Arbeit mit ganzen Schulklassen auszugleichen,
kommt ein zweifaktorielles, zweiphasiges Studiendesign (vgl. Abb. 5) zum Einsatz,
wie es schon Fischer (1923) vorschlug und Kuhn (2010) erfolgreich im neueren
naturwissenschaftlichen Lehr-Lern-Kontext angewendet hat. In der zweiten Inter-
ventionsphase tauschen Kontroll- und Versuchsgruppe die Rollen und bekommen
eine ähnliche aber inhaltlich andere Intervention. Wichtig hierbei: Die Kompe-
tenztests müssen in beiden Versuchsphasen ungefähr gleich schwierig sein und die
gleichen Kompetenzen testen.
Die Auswahl der zu prüfenden Kompetenzen und die Entwicklung der Aufgaben
geschahen in enger Zusammenarbeit zwischen Lehrer*innen, der Seminargruppe
und Wissenschaftler*innen. Die Erhebung geschah elektronisch mithilfe der Multi-
ple-Choice-Tests des Learning Management Systems ILIAS (Hoffmann und Bresges
2009). Als Eingabemedium dienten Tablets. Die Anonymität der Schüler*innen
wurde durch individuelle, nicht rückführbare Codes gewährleistet.

3.3 Durchführung

Die erste Interventionsphase fand im Oktober und November 2012 in den Fach-
räumen der Gesamtschule Reichshof statt. Die Durchführung erfolgte mit zwei
Erweiterungskursen der Jahrgangsstufe 9 mit je 28 Schüler*innen. Die Fachlehrer
hatten organisatorische Funktionen aber keine inhaltlichen Aufgaben. Die For-
schenden und Studierenden waren zur Beobachtung und zur Durchführung aller
Kompetenztests anwesend, um vergleichbare Testbedingungen sicherzustellen und
Abweichungen ggf. zu dokumentieren. Der zeitliche Verlauf ist in Abb. 5 skizziert.
Projektbeispiele für Design-Based Research 77

Abb. 5
2x2-faktorielles Studien-
design: In einer zweiten
Versuchsphase wechseln
Kontrollgruppe und Ver-
suchsgruppe ihre Rollen.

3.4 Ergebnisse

Zunächst fällt auf, dass die Mittelwerte von Post-Test zu Follow-up-Test kaum
variieren. Dies stützt die Vermutung, dass der Kompetenztest wirklich nur Effekte
der Intervention misst (vgl. Abb. 6).
78 Florian Genz und André Bresges

Ergebnisse der Kompetenztests im 2x2-Design


34 28
32 Klasse: S Klasse: Q Klasse: S 26
Kompetenztest Freier Fall (0-34 Punkte)

30

Kompetenztest Auftrieb (0-28 Punkte)


24
28
26 22
24 20
22 18
20 16
18
14
16
14 12
12 10
10 8
8 6
6
4 4
2 2
0 0
Pre Post Follow- Pre Post Follow- Pre Post Follow- Pre Post Follow-
up up up up
VG KG VG KG
Phase 1 (Thema: Freier Fall) Phase 2 (Thema: Auftrieb)

Abb. 6 Box-Whisker-Plots der Kompetenztests aus Interventionsphase 1 und 2


Versuchsgruppe mit Tablets=weiß; Kontrollgruppe mit Arbeitsblättern=grau;
Kreuze=Mittelwerte; Whiskerlänge=1,5-facher Interquartilsabstand; Kreise=Ausreißer)

Die Versuchsgruppe (VG) zeigte im Pre1-Test deutlich bessere Ergebnisse als die
Kontrollgruppe (KG). Der Zugewinn der VG war erwartungsgemäß kleiner. Die
mittleren Ergebnisse der VG liegen in Interventionsphase 1 aber stets über den
Ergebnissen der KG. Beide Gruppen erzielen signifikante Zugewinne von Pre1- zu
Post1-Test. Der durchschnittliche Testscore verbessert sich von Pre2 zu Post2 um
3,3 Punkte auf MW=15,8 Punkte. Dass das Ergebnis in Phase 2 zufällig zustande
kommt, ist mit p = 0,043 statistisch unwahrscheinlich, wie bereits der robuste Me-
dian-Test ergibt. Die Nullhypothese, dass die ausgewählten Freihandexperimente
im Stationsbetrieb in der zweiten Interventionsphase keinen Kompetenzzuwachs
mit sich bringen, kann demnach abgelehnt werden.
Dabei scheint es auf den ersten Blick keine große Rolle zu spielen, ob die aus-
gesuchten Freihandexperimente mit einem Tablet dokumentiert werden oder mit
Papier und Bleistift. In beiden Interventionsphasen gab es keine signifikant unter-
schiedlichen Kompetenzzuwächse in Relation zwischen VG und KG. Die Spannweite
der Ergebnisse ist jedoch in beiden VGs nach den Experimentierstunden mit den
Tablets deutlich geringer geworden. In beiden KGs nahm die Spannweite hinge-
gen zu. Dies ist konsistent mit Aussagen aus den Interviews mit den Lehrenden:
„Speziell in dieser Klasse … [sic] merk ich schon, dass vor allem schwächere und
Projektbeispiele für Design-Based Research 79

kognitiv im Mittelfeld angesiedelte Schüler sehr stark davon profitieren, auch in


den Leistungen und in den Noten.“ (Firmenich 2013, S. 81).
Die leicht leistungsschwächere Schulklasse B (KG1/VG2) schien zudem weniger
technische Vorerfahrungen mit Tablets mitzubringen, „[w]ährend die Schüler der
iPad-Klasse [Anm.: Gemeint ist hier VG1/KG2] die Anforderungen größtenteils als
okay oder genau richtig werteten, äußerten viele Schüler des anderen Kurses […]
die Erfahrung habe gefehlt und die Nutzung des iPads sei anfänglich kompliziert
gewesen.“ (Firmenich 2013, S. 74).

3.5 Schlussfolgerungen

a. Beide Gruppen profitierten von der Intervention unabhängig davon, ob sie


im 2x2-Design Versuchsgruppe (VG) oder Kontrollgruppe (KG) waren. Die
Spannweite der Tablet nutzenden VGs war in beiden Interventionsphasen im
Post-Test jedoch deutlich geringer. Dies ist konsistent mit US-Studien (Johnson
und Adams 2011), welche besonders bei leistungsschwächeren Schüler*innen
Vorteile bei Tablet-Interventionen nachweisen konnten.
b. Die teilnehmenden Beobachtungen und Interviewanalysen liefern den Grund
dafür: Der Tablet-Einsatz hat sich während der Intervention vor allem als ein
die Kommunikation förderndes Werkzeug gezeigt. Tablets im Unterricht dienen
dem Transfer von Ideen und Ansichten sowie der Reflexion eines gemeinsamen
Lernproduktes.
c. Qualitative Interviews mit Lehrer*innen, teilnehmende Beobachtungen am
Unterricht sowie Beobachtungen der Gruppendynamiken erwiesen sich als
besonders nützlich für die Interpretation der empirischen Daten. Die Erfassung
des Lernzuwachses bleibt ein zentrales Werkzeug.
d. Die ähnlichen mittleren Gesamtscores beider Interventionsphasen (Test Freier
Fall: AV=54 % vs. Test Auftrieb: AV=52 % aller möglichen Punkte) sind ein gu-
tes Indiz für zwei gleich schwierige Tests. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen
werden, dass leicht andere Kompetenzen oder Kompetenzlevel in den beiden
Leistungstests geprüft wurden oder dass andere Motivationen bei den Themen
Freier Fall vs. Auftrieb vorlagen.
80 Florian Genz und André Bresges

3.6 Kritik und Ausblick

a. Die Leistungstests zur themenspezifischen Fachkompetenz sollten aufgrund


ihrer zentralen Bedeutung auf eine größere empirische Grundlage gestellt
werden. Analog dazu sollten allgemeine und fachbezogene Motivationstests
durch themenspezifische ergänzt oder durch andere ersetzt werden (z. B. Bio-
metrische-Parameter).
b. Technische Vorerfahrungen sollten kontrolliert werden, beispielsweise durch
einen Technik-Fitness-Test, denn die qualitativen Ergebnisse lassen vermuten, dass
die Leistungsunterschiede auch hierdurch mitverursacht worden sein könnten.
c. Kommunikation und Gruppendynamiken in der Klasse ergaben sich als ein
vielversprechendes Feld, das mit Tablet-Einsatz weiter untersucht werden sollte.
d. Die Replikation dieser Studie mit anderen Versuchsleiter*innen in leicht va-
riiertem Kontext und allen organisatorischen Verbesserungen wäre bereits
ein großer Schritt nach den Leitlinien des DBR (The Design-Based Research
Collective 2003) und für die praxisnahe Unterrichtsforschung.

4 Zweiter DBR-Zyklus: Schlüsselfaktor eBook-


Selbsttests

Im folgenden Abschnitt werden nur die Veränderungen zum Reichshofer Experimen-


tierdesign (vgl. Abschnitt 3) beschrieben. Ein modulares Lesen macht nur bedingt Sinn4.

4.1 Design-Veränderungen

Wesentliche Unsicherheitsfaktoren aus der Reichshofer Pilotstudie waren die un-


gleichen Leistungsstände und die unterschiedlichen technischen Medienkompe-
tenzen der verschiedenen Klassen. Eine Harmonisierung und Normalisierung der
Leistungstests und die Erweiterung auf themenspezifische Motivationstests wären
zwar wünschenswert, aber auch extrem ressourcenintensiv. Um dieses Nadelöhr zu
umgehen, wurde für den nächsten DBR-Zyklus eine möglichst homogene Stichprobe
mit sehr gleichen technischen und inhaltlichen Vorkenntnissen gesucht. Die Wahl
fiel deshalb auf eine 9. Klasse des Augsburger Maria-Ward-Gymnasiums. Eine

4 Die folgende Studie wurde ausführlich beschrieben von Jourdan (2014) und zielgrup-
penspezifisch für Lehrende zusammengefasst in Jourdan (2015).
Projektbeispiele für Design-Based Research 81

reine Mädchenklasse mit 24 Schülerinnen. Da die Schule seit 2012 mit iPads im
One2One-Konzept (ein persönliches iPad pro Person) arbeitet, lag die Vermutung
nahe, dass hier alle Beteiligten mit Tablets hinreichend vertraut sind, sodass keine
unterschiedlichen technischen Vorkenntnisse die Leistungstests verzerren. Auf
ein 2x2-Design musste aus Ressourcengründen verzichtet werden, dafür konnten
Kontrollgruppe und Versuchsgruppe randomisiert zugeteilt werden. Eine entschei-
dende Änderung zum Reichshofer Experimentierdesign lag darin, diesmal auch
die Interaktivitäts-Features von iBooks (Selbsttests, interaktive Bilder, Geogeb-
ra5-Plugins, Videos) auszureizen und nicht nur passive Arbeitsblätter zu simulieren.
Eine weitere Konsequenz aus der Reichshofer Evaluation war, dass das virtuelle
Stationenlernen sich um nur ein Lernprodukt mit dafür hohem Identifikationswert
dreht (hier: eigene Lochkamera mit selbstgemachten Bildern).

4.2 Durchführung

Zunächst aus organisatorischen Gründen wurde diesmal ein kompakterer Interven-


tionsrahmen gewählt (vgl. Abb. 7). Erst nach dem Pre-Test wurden die Schülerinnen

Organisatorische  Informationen
Pre-­‐Test 1.  UE
20
.5
.

Kapitel  1:  Motivation  Sonnentaler


Kapitel  1:  Physikalische  Grundlagen
2.  UE
Kapitel  1:  Praktische  Anwendung
21
.5

Kapitel  1:  Bau  der  Lochkamera


.

3.  UE
Kapitel  2:  Mathematische  Grundlagen

Kapitel  2:  Interaktive  Tools


4.  UE
22
.5

Kapitel  3:  Chemische  Grundlagen


.

Kapitel  3:  Fotos  Entwickeln   5.  UE


Abb. 7
26
.5

Struktur und Verlauf der Video-­‐Interviews 6.  UE


.

Studie (verändert nach Post-­‐Test 7.  UE


28

Jourdan 2014)
.5
.

5 GeoGebra.org. Für die Implementation in iBooks siehe Bookry.com. Vgl. auch Kllogjeri
und Kllogjeri (2013).
82 Florian Genz und André Bresges

der Versuchs- bzw. Kontrollgruppe zugelost, um den Test nicht zu verzerren.


Danach durften sie bis zum Post-Test in Zweierteams arbeiten. Die Video-Inter-
views folgten einem veränderten standardisierten Leitfaden (vgl. Firmenich 2013;
Jourdan 2014). Ferner wurden die Aufzeichnungen aller Schülerinnen gesammelt
und ausgewertet. Die Versuchsgruppe nutzte dafür die Notizfunktion der iBooks.
Der Post-Test fand zur selben Tageszeit wie der Pre-Test statt.

4.3 Ergebnisse

Im Pre-Test wurde die erhoffte homogene Zusammensetzung der Stichprobe deut-


lich. Die Standardabweichung der ganzen Klasse betrug nur SD=1,45 von insg. 18
Punkten bei fast identischen Mittelwerten (VG=7,5 vs. KG=7,0 Punkte) (vgl. Abb. 8).

Versuchs- Kontroll-
gruppe gruppe
18

16

14
Testscore (0-18 Punkte)

12
Abb. 8
10
Boxplot-Whisker-­
Diagramme der Kom- 8

petenztests mit N=24 6


Schülerinnen
4
Whisker geben minimal
und maximal erreichte 2

Punktzahl an; 0
Kreuze = Mittelwert Pre-Test Post-Test Pre-Test Post-Test

Die normierten Streumaße nahmen dennoch, wie im ersten DBR-Zyklus, in der


VG ab (vgl. Tab. 2).
Projektbeispiele für Design-Based Research 83

Tab. 2 Normierte Streumaße beim Kompetenztest von Versuchsgruppe und


Kontrollgruppe vor und nach der Intervention.
VG KG
  Pre-Test Post-Test Pre-Test Post-Test
Variationskoeffizient 24 % 18 % 12 % 20 %
Quartilsdispersions­koeffizient 25 % 20 % 21 % 30 %

Der Lernzuwachs zum Post-Test war bei beiden Gruppen selbst im robustesten aller
nonparametrischen Tests – dem Median-Test – sehr signifikant (VG: p ≤ 0,0036,
KG: p ≤ 0,0031) und mit einem average normalized gain6 von g=66,4 % (VG) bzw.
g=39,9 % (KG) in beiden Gruppen sehr ausgeprägt. Der Lernzuwachs war in der
VG jedoch noch ausgeprägter! Der Median-Test mit gepaarten Punktdifferenzen
zeigte mit p ≤ 0,0244, dass der wesentlich größere Leistungszuwachs bei der VG
statistisch sehr unwahrscheinlich ist.
Die Notizen aus den teilnehmenden Beobachtungen decken sich in wesentli-
chen Punkten mit der Zielsetzung und mit den Aussagen der Schülerinnen aus
den Video-Interviews, besonders in Bezug auf das intrinsisch motivierte und
selbständige Arbeiten: „Man hat nicht so viel mit dem Lehrer zu tun, weil das, was
normalerweise der Lehrer erklärt, hat man nun auf dem iPad. Dann ist es für mich
eher so ein Ansprechpartner, der auch mehr helfen kann.“ (Jourdan 2014, S. 39)
Das Projekt konnte die Schülerinnen für die Arbeit mit dem iPad, aber auch für die
Themen und Inhalte des iBooks intrinsisch motivieren (Jourdan 2014, S. 46): „Mir
bleibt nur zu sagen, dass ich sowas sehr gerne öfters in Physik machen würde. Dass
wir selber Sachen bauen, dass wir sehen, dass Physik nicht nur trockene Formeln
sind, sondern, dass man es auch sofort anwenden kann. Aber ich weiß ja, dass der
Lehrplan das nicht zulässt“ (Jourdan 2014, S. 40).

4.4 Diskussion

Aufgrund der geringen Stichprobe steht der Beweis auf Replizierbarkeit und Über-
tragbarkeit des Lehr-Lern-Konzeptes auf andere Schulen, Klassen und Kontexte
noch aus. Die Unabhängigkeit der Stichproben könnte verletzt worden sein, wenn
die Zulosung in die KG die Schülerinnen nachhaltig demotivierte. Dies werten wir

6 Auch Hake-G genannt. Berechnet aus dem Durchschnitt aller Gs und nicht aus dem
normalized gain der gemittelten, prozentualen Testscores (vgl. Bao 2006)
84 Florian Genz und André Bresges

aufgrund der Aussagen aus den dokumentierten Beobachtungen als eher kleinen
Einflussfaktor: So berichtet Jourdan (2014, S. 34) nach anfänglicher Enttäuschung
der Schülerinnen über eine Zulosung in die KG: „Später schien auch die Gruppe
mit den Arbeitsblättern [Anm.: KG] sehr motiviert und mit Spaß bei der Sache zu
sein.“ Die extrem großen Hake-G-Werte erzeugen jedoch große Hoffnungen, dass
die signifikanten Lernzuwächse auch unter härter kontrollierten Bedingungen
Bestand haben.
Einzelne fachspezifische Fragen in den Interviews erwiesen sich im Nachhinein
als unbeantwortbar. Eine Vorpilotierung mit Laien anstatt Studierenden sollte
deswegen demnächst in das Design implementiert werden. Des Weiteren vermuten
wir, dass das kompakte Arbeiten an einem fächerverbindenden Lernprodukt mit
hohem Identifikationswert (eigene Lochkamera und Portraitfotos) maßgeblich zum
Lernzuwachs beitrug: „Um mehr als ein bis maximal drei Fotos zu entwickeln, blieb
ein Teil der Klasse nach Schulschluss freiwillig länger“ (Jourdan 2014, S. 34). Dass
die normierte Streuung im Leistungstest – selbst in einer so leistungshomogenen
Stichprobe – abnahm, in der KG aber zunahm, ist konsistent zu den Ergebnissen
des Reichshof-Experimentes und absolut bemerkenswert. Dies könnte an einer
besseren Kommunikationskultur durch und mit dem Tablet liegen und sollte in
Folgestudien genauer untersucht werden.

5 Ausblick

Die neuen ZuS-Competence Labs7 (Language Lab, Media Lab, Science Lab und
Social Lab) könnten mit ihren Videografie-Möglichkeiten eine Plattform bieten, wo
insbesondere die Kommunikationskultur praxisnah untersucht werden kann. Das
Ziel sollte dabei sein, umsetzbare Mikro-Theorien für (werdende) Lehrer*innen zu
extrahieren und die erfolgreichsten Unterrichtsreihen weiter zu optimieren. Insbe-
sondere die Replikation des zweiten DBR-Zyklus-Designs und Unterrichtskonzeptes
ist sehr vielversprechend und sollte zeitnah und unabhängig wiederholt werden mit

a. echter Kontrollgruppe (Parallelklasse), begleitet von


b. international anerkannten Leistungs- und Motivationstests,
c. im 2x2-Design (zwei oder drei formgleiche Interventionen), die

7 Die Zukunftsstrategie Lehrer*innenbildung (ZuS) der Universität zu Köln wird im


Rahmen der gemeinsamen Qualitätsoffensive Lehrerbildung von Bund und Ländern
aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert.
Projektbeispiele für Design-Based Research 85

d. optimalerweise von denselben Fachlehrer*innen betreut werden und


e. schon routinemäßig mit Tablets arbeiten.

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A Methodology to Investigate the Usage
of Educational Technologies on Tablets
in Schools
Inge Molenaar and Annemarie van Schaik
Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools

Abstract

This chapter introduces a methodology to study how educational technologies


on tablets are being used in schools . Specifically it investigates how different
educational technologies influence the organization of the learning environment
and the way teachers teach . Educational technologies differ greatly in how they
offer educational materials and how they use students’ data (learning analytics) .
It is important to understand the impact of educational technologies on the way
teachers shape educational innovation . We view educational technologies on
tablets as an instrument for teachers to support them to improve their teaching .
Three models are introduced to investigate how educational technologies impact
the organization of the learning environment and teaching practices, namely the
class-rotation, the actor-control and the pedagogical decision making model .

1 Introduction

There is a public debate about the usage of tablets in education and the changes
this causes for schools, teachers, and learners . This debate seems to ignore the fact
that educational innovation is the focus and not the implementation of tablets . A
number of new educational technologies that include features, such as adaptive
educational materials, learning analytics, and gamification, have the potential to
profoundly improve education and learning (Siemens 2014) . Indeed, these tech-
nologies are often implemented on tablets, but there is a need to investigate how
tablets with these technologies are used within schools (Falloon 2013) . Choices

87
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_5
88 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

for a particular educational technology have far-reaching implications on the way


tablets are used within classrooms and hence the way education is innovated and
improved (Gašević et al. 2015). This chapter proposes a methodology to investigate
different aspects of educational technologies and the way they are used in schools.
We illustrate our methodology by comparing two different educational technologies,
namely Schoolbag and PulseOn, and their usages in schools. Cases of two teachers
illustrate how our methodology describes the characteristics of technologies, their
use by teachers and students, and implications for the organization of the learning
environment. In our methodology, educational technologies are positioned as an
instrument for teachers to optimize their teaching. To demonstrate how teachers use
this instrument three models are used: the class-rotation model, the actor-control
model, and the pedagogical decisions-making model. We present this methodology
to describe how different educational technologies are used in practice with special
attention given to the way educational technologies influence the organization of
the learning environment. Therefore, the interaction between teachers and the
educational technology is central in our approach. First, we will briefly describe
the organizational transition schools go through when implementing tablets with
educational technologies and the educational technologies used in this study. Next,
we discuss how tablets with educational technology can be studied as an instrument
for teachers based on the theory of distributed cognition and describe the three
models used in our methodology.

1.1 Substitution and transformation via hybrid solutions

The two educational technologies examined in this study are Schoolbag and PulseOn.
Both technologies make educational materials available for students on the tablet.
There is a clear difference between the two technologies in the extent to which they
differ from traditional educational materials. Schoolbag provides text and work-
books on the tablet, which correspond to the current paper text and workbooks. In
addition, there are links to extra information, audio, video, and some options for
social interaction. Through so-called “notes” students exchange information and
comments with each other in the textbooks. As the learning material largely retains
its current form, the changes for the teacher and the students are relatively small
when schools implement this educational technology. The educational materials
are still the same for all students. The classic textbook provides instructions and
the workbook makes exercises available for practice. In essence, the teacher can
teach in exactly the same way as he/she did before the introduction of the tablets.
Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 89

By contrast, PulseOn offers each student a personalized learning environment


that takes the personality of each student into account. The educational materials are
matched to the students’ profiles. The teacher and the educational technology deter-
mine the personalization of educational materials by using data from the technology
as indicators of the students’ knowledge and learning behavior. The transformation
lies in escaping from the structure of the text and workbook. Educational materials
(instruction text, exercises, and tasks) are now linked to specific learning objectives
and intermediate sub-objectives. This allows the individual design of educational
materials that support the needs of individual students. Yet different educational
materials for different students have substantial consequences for the organization
of the learning environment and the way teachers are teaching their classes.
When schools opt for a technology like Schoolbag in which the current form
of the educational material is retained to a large degree, we speak of substitution
(Westra 2004). The introduction of tablets takes place while the learning environ-
ment in its current form is largely unchanged. This offers space to think about
the usage of tablets in the classroom and experiment with new features like social
media elements. In this way, a hybrid solution is the bridge between current learning
environment and the new learning environment (Dede 2009). Hybrid solutions are
characterized by a clear relationship between the learning environment prior to
the introduction of tablets and the new organization of the learning environment.
Teachers can learn to deal with the tablet within their existing practice and then
redesign the learning environment. In contrast to this, the choice for personalized
learning radically changes the existing learning environment (Fullan 2009). We
speak of transformation, because the introduction of tablets is associated with a
profound change in the organization of the learning environment. In this situation
a hybrid model can also be selected. For example, by using educational material that
is similar to the current text and workbooks and by reducing the variation between
students. The transition towards personalized learning can be made in phases to
reduce the changes to a workable and acceptable size for the teachers. Using this
logic the school, in collaboration with the teachers and technology developers can
design the path towards personalized education.
In short, depending on the educational technology chosen the introduction of
tablets may be associated with different levels of change in the organization of the
learning environment. It is important to realize that the educational technology
can have profound consequences on the learning environment. Yet educational
technologies can also assist teachers to implement educational reforms. In the case
of PulseOn, which facilitates personalized education, the technology can provide
important information and insights to help teachers to implement the envisioned
reforms. For example, information about the students’ progress can help teachers
90 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

to adapt his/her teaching to the development of the student or the class. In this
situation, the tablet empowered with educational technology can be regarded as
an instrument for the teacher. The distributed cognition theory (Hutchins 1995)
offers a framework to understand the use of new instruments to support complex
cognitive tasks such as organizing learning environments and teaching.

1.2 The teacher and educational technology:


a distributed cognitive system

The distributed cognition theory states that instruments can support professionals
when they fit in well with the daily routines of the professional (Hutchins and
Klausen 1996; Hollan et al. 2000). Extensive research in different fields shows that
the connection between the instrument and the daily routines of professionals is
of great importance for the successful application of new instruments (Norman
1990). For example, new instruments in an airplane must seamlessly connect to the
daily routines of the pilot and his crew in order to avoid accidents. In the school
context, this means that educational technologies must connect into the teachers’
daily routines. Teachers can not only use educational materials on the tablet within
their current teaching practices, but also apply data generated by the technologies
to enhance their teaching, see Figure 1.

Fig. 1
Educational technology
as an instrument for the
teacher

Educational technologies, gather, report, and analyze students’ data (Geller and
Drachsler 2012). The current generation of educational technologies varies greatly
in the way they use students’ data and make it available for the teachers. Theoreti-
Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 91

cally, an important distinction is made between embedded and extracted learning


analytics (Wise et al. 2014). Extracted learning analytics, on the one hand, make
data insightful for the teacher by visualizing student activities or by providing
advice on pedagogical actions to be taken by the teachers. For example, educatio-
nal technologies can advise teachers on how to tailor educational material to the
current level of development of the student and support teachers to adjust learning
objectives, instruction, and teaching materials accordingly. On the other hand, when
educational technologies make automatic adjustments, for example by adjusting
the level and number of exercises, we speak of embedded learning analytics. In this
case, the education technology takes over part of the organization of the learning
environment from the teacher. Thus technologies that use embedded and/or ext-
racted learning analytics can be viewed as a new instrument for teachers to support
them in organizing the learning environment and in teaching. However, in order
to use this instrument effectively, it needs to be placed in the professional mindset
of teachers and connected into their daily routines. Our approach emphasizes that
educational technology is a tool for teachers and we introduce the need to under-
stand the extent to which teachers are capable of using this instrument in their
daily teaching routines. Therefore, we introduce three models to study teachers’
everyday use of educational technology in their classrooms. The first model is the
class-rotation model.

1.3 The educational technology in lessons:


The class-rotation model

A model to investigate the usage of tablets with educational technology during


lessons, is the class-rotation model (inspired by Bailey et al. 2013), see Figure 2.
The model visually shows how lessons are organized in teacher-led, individual, and
collaborative learning activities and illustrates what role the tablet plays during
these activities. In teacher-led activities the teacher has a central role. This is mostly
classroom instruction where all students receive the same explanation or when the
teacher explains how exercises can be done. In individual activities students work on
tasks by themselves. Often students do exercises individually and ask the teachers
questions when needed. In collaborative activities (small) groups of students work
together on a task. Peer-tutoring activities are an example of collaborative activi-
ties. The class-rotation model indicates how lesson time is spent and when and in
which way tablets are used during these activities. This model can also be used to
determine the impact of introducing different educational technologies on tablets
on the time spent in teacher-led, individual, and collaborative learning activities
92 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

and role of these activities in class. Nevertheless, this model does not provide a
picture of the level of control of various actors (teachers, students, and technology)
on the way the learning environment is organized. Therefore, we introduce the
actor-control model.

Fig. 2
Class-rotation model:
lesson time spent on
different activities

1.4 The organization of the learning environment: The


actor-control model

In the Netherlands educational materials, i.e. instruction and workbooks, play an


important role in the organization of the learning environment. We can speak of
so-called material-centered learning environments, when educational materials
largely guide the organization of the learning environment. Another distinction
is made between teacher and student-centered learning environments (Harris and
Marx 2011; Land et al. 2012). In teacher-centered learning environments, on the one
hand, the teacher plays the central role in which transferring knowledge to students
is the core focus. On the other hand, in a learner-centered learning environment,
the focus is on the active role of the students and increasingly control over the
organization of the learning environment is transferred to these students (Land
et al. 2012). The introduction of educational technology on tablets may shift the
distribution of control between different actors, i.e. educational materials, teachers,
and students. Educational technology may also take over control when decisions
are taken by the technology, for example when the technology coordinates which
exercises are to be done by the students. Learning environments in general con-
sist of different elements, such as curriculum, learning objectives, learning pace,
educational materials, grouping of students, and exercise and tasks (Tomlinson et
al. 2003; Waslander 2007). Different actors can organize different elements of the
learning environments. The actor-control model helps to understand who has con-
Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 93

trol over which elements and it can be used to determine how different educational
technologies influence the control of the various actors on the organization of the
learning environment. Nevertheless, the degree of control gives no insight as to how
the teacher makes decisions about the organization of the learning environment.
Therefore, we introduce the pedagogical decision-making model.

1.5 The pedagogical decision-making model

Teachers constantly make pedagogical decisions about how they adjust the orga-
nization of the learning environment and their teaching to the development of
students (Roelofs and Sanders 2007). These pedagogical decisions are based on the
teachers’ pedagogical knowledge (Roelofs and Sanders 2007). The following steps
are important in making pedagogical decisions: (1) data collection of students’
knowledge and skill(s), (2) diagnosing students, (3) outlining possible pedagogical
decisions, (4) selecting the best pedagogical decisions, (5) adjusting the learning
environment, and finally (6) evaluating the pedagogical decisions, see Figure 3.
Teachers largely differ in the extent to which they engage in the different steps of
the decision making process. When teachers determine their pedagogical decisions
in advance we speak of proactive pedagogical decisions (Tomlinson et al. 2003).
However, research indicates that teachers often show reactive response, in which
they react to pedagogical situations as they occur in the classroom (Onstenk 2005;
Roelofs and Sanders 2007). This indicates that the pedagogical decision-making
process can have different priorities for teachers depending on the way teachers
make these decisions. The pedagogical decision-making steps can also be supported
or taken by the educational technology. Educational technologies gather, report,
and analyze students’ data and use these in the application of embedded and ex-
tracted analytics described above (Geller and Drachsler 2012). Through applying
extracted analytics, data can be visualized in so-called dashboards. Teachers can
use the dashboards as an additional support in making pedagogical decisions. For
example, the technology can provide an overview of students’ progress when doing
exercises. Teachers can use this information to determine if a student needs extra
instruction, feedback, or practice. Applying embedded analytics, the technology
can select new exercises for students based on the analyses of the data. When
the teacher has no influence on the way the educational technology executes the
embedded analytics functions, the teacher loses part of his/her control over the
organization of the learning environment. The current generation of educational
technologies varies greatly in the way they make data available for the teachers and
how they apply extracted and embedded analytics.
94 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

Schoolbag does not support teachers in any of the pedagogical decision-making


steps, except for adjusting the material to the different abilities of the students . This
is shown by the dark blue line in the middle of figure 3 . The books include special
sections for weak, average and high ability students . By contrast, PulseOn, sup-
ports teachers in taking step 1, data collection of students’ knowledge and skills by
providing information on students’ performance in dashboards .This information
can also be used to compare students and thus support step 2, diagnosing students .
Finally, the adjustment of the learning environment is supported by helping tea-
chers to distinguish between excercises for weak, average and high ability students .

Fig. 3
The pedagogical decision
making model

To summarize the above, educational technologies can support teachers in ma-


king pedagogical decisions in order to improve the organization of the learning
environment and their teaching . This can be done by complementing the teachers’
pedagogical knowledge, for example by using dashboards or providing recommen-
dation services to teachers about potential pedagogical actions using extracted
learning analytics . Additionally, educational technologies can also take over part
Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 95

of the organization of the learning environment from teachers based on embedded


analytics. Currently the choices with regard to the usage of embedded and extracted
analytics are often taken by the developers of educational technologies. Yet these
choices have major consequences for the control of the teachers over the organi-
zation of the learning environment and his/her teaching. Therefore, it is of great
importance to understand how different educational technologies apply learning
analytics and what the consequences are for the role of the teacher. As general theory
to understand the relationship between teachers and educational technologies on
tablets, we use the distributed cognition theory and position tablets as an instrument
for teachers. Furthermore, we propose three models to investigate how educational
technologies on tablets are used by teachers; namely the class-rotation model, the
actor-control model, and the pedagogical decision-making model.

2 This study

The aim of this study is to investigate how teachers use two different educational
technologies (Schoolbag and PulseOn) to organize the learning environment and
to teach their classes. The two educational technologies differ in how they make
educational materials available. This comparison leads from an image of a substi-
tutive use of tablets, where the text- and workbooks are replaced by the tablet, to a
transformative use, where the tablet is the medium to support personalized lear-
ning. It is important to understand the impact of educational technologies on the
organization of the learning environment and the way teachers shape this change.
Approaching educational technologies on tablets as an instrument for teachers, the
three models are introduced to investigate how different educational technologies (i.e.
Schoolbag and PulseOn) influence the organization of the learning environment and
the role of the teachers. The study describes how educational technology influences
the interaction between teachers, students, and educational technologies. The way
schools organize the new learning environment can provide important insights for
other schools. The study maps how educational technologies, i.e., Schoolbag and
PulseOn, are used in different classes by different teachers. Six secondary schools
participated with seven classes in this research during a period of eight weeks. The
participating classes used Schoolbag (three classes) and PulseOn (four classes).
Seven teachers participated in the study, five grade two English teachers, one first
grade English teacher and one second grade teacher for Dutch language.
96 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

2.1 Procedure

The study period of eight weeks is shown schematically in Figure 4 . There were
three observations in each classroom . After the first observation an interview was
conducted with the teacher and after the third observation another short interview
was conducted . Throughout the study period teachers completed a logbook after
each lesson .

Observation  1   Observation  2   Observation  3  


Interview   Interview  

 
  8  weeks  of  research  

Logbook  teachers  

Fig. 4 Research procedure

2.2 Educational Technology

Two educational technologies, Schoolbag and PulseOn were used in the classes .
The curriculum in Schoolbag and PulseOn is derived from the text- and workbook
from New Interface (publisher Thieme Meulenhof) . The textbook contains texts,
explanations and glossaries . The workbook contains assignments following the
processing divided by the textbook in three categories: ordinary exercises, the
catch-up exercises and get-ahead exercises . The catch-up exercises repeat previously
treated learning goals whereas get-ahead exercises are deepening the learning goals .

2.3 Schoolbag

Schoolbag is an app in which text- and workbooks are displayed digitally . The
students have an account and a personal environment in which they can select
books . The display of the text- and workbook is similar to the paper version . The
text- and workbook are enriched with listening exercises and links to videos and
additional articles, see Figure 5 . In the workbook, the students fi ll in the answers
digitally, see Figure 6 . In addition, there is the option of notes in which the students
can add notes in the text . These notes are short text messages, which they can us
Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 97

Fig. 5 Schoolbag textbook and workbook


98 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

to point out important or difficult parts in the book . Teachers have an account and
a personal environment in which they can select books . The teacher has a number
of additional features . In a word-web he/she can let students generate words about
a topic . These words are then shown in a word-web on the smartboard . Furthermo-
re, the teacher can consult the students’ workbooks and these may be selected for
display on the smartboard . However, Schoolbag does not use any learning analytics
techniques nor does it automatically correct exercises or give feedback to students .

2.4 PulseOn

PulseOn is an open learning technology in which digital educational material is pre-


sented to students . The students have an account with a personal dashboard providing
an overview of the subjects . The students in this study had access to the text- and
workbooks from New Interface in PulseOn . The assignments were completed in their
personal workbook and digitally handed in to the teacher . The students were directly
given feedback by PulseOn indicating whether their answers were correct or incorrect .

Fig. 6 Dashboard in PulseOn


Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 99

Fig. 7 Visualizations of students’ data

The teacher has a personal account with extracted learning analytics such as a
personal dashboard with the following additional features: correction work (not
automated exercises), progress, and trend . Under correction work the teacher has an
overview of the students’ homework . The teacher can see the percentage of correctly
answered exercises and can also inspect the assignments . Finally, assignments that
are made incorrectly can be returned to the student . Under Progress the teacher
can see which exercises have been completed by the students, see Figure 6 . The left
circle indicates the percentage of correctly completed exercises in relation to the
average of correct answers below . The right circle shows the time a student spent
on the exercises in relation to the average time the rest of the class needed . A gra-
phical representation shows the progress of the students, see Figure 7 . Each circle
represents a pupil . The horizontal axis displays each student’s progress while the
vertical axis indicates the level of each student . The middle line represents a 50%
level . The size of the circle shows the amount of time spent by each student on the
exercises . The teacher can select a particular student to get additional insights on
his/her progress .
100 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

2.5 Instruments

In order to investigate the impact of educational technology on the tablet on


the organization of learning environment, lesson observations, interviews, and
questionnaires were conducted. The three models are constructed based on the
collected data:

1. The class-rotation model: provides insight into the interaction between teacher,
student, and educational technology by indicating the lesson time spent on the
teacher-led activities, individual activities, collaborative activities, and the use
of the tablet in these activities.
2. The actor-control model indicates the control over the organization of the lear-
ning environment by different actors: the teacher, the learner, the educational
materials, or the educational technology education.
3. The pedagogical decision-making model indicates the degree to which the
teacher can articulate, explain, and justify his actions and how the education
technology is used to support the various decision-making steps.

Observations
Observations in the classes were done on the basis of a standardized observation
instrument. The aim of the observation was to obtain a picture of how teachers use
the educational technology in the classroom. In addition, a chronological overview
of a lesson was written down by the observer in which the actions of the teacher and
the students were described. The use of educational technology was documented in
this overview in relation to the actions of teachers and students. In addition, the time
spent on various types of methods, grouping, and processing tasks was registered.

The logbook
The purpose of the logbook was to collect the information from the teacher’s per-
spective. The teachers were asked to fill in the log at the end of the lesson.

The interview
The aim of the interview was to understand the teachers reasoning on his/her use
of educational technology. The primary focus was the organization of the learning
environment using educational technology on the tablet. The first interview took on
average 45 minutes and consisted of four parts. Questions in part one dealt with the
background variables of the teacher, such as their education and their experience
and involvement in the selection of the educational technology. Part two discussed
Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 101

the design of the learning environment, the use of educational technology, and
the role of teacher and students. The control of the teacher, student, methodology
and technology education over the different elements in the learning environment
was central, e.g. What role do you have as a teacher? Part three questioned the
pedagogical actions of the teacher. This indicated the extent to which the teacher
could articulate, explain, and justify pedagogical decisions. In addition, we asked
how educational technology supported pedagogical decisions. Example questions
are: How do you assess students’ knowledge and understanding when taking an
educational decision? Does Schoolbag / PulseOn support your students’ knowledge
and understanding? Finally in part four, teachers were asked to fill in a matrix and
explain their choices. The second interview was informal and was used to fill or to
expand the collected data.

2.6 The encoding of the class-rotation model

On the basis of the information collected with the various instruments the three
models were coded per teacher. For the class-rotation model the average time spent
on the different learning activities was taken from the observations and the logbook.

2.7 The coding of the educational decision-making process

It was determined to the extent which a teacher articulated, explained, and justified
the steps for making pedagogical decisions. It was coded as:

1. The teacher articulates this step


2. The teacher articulates this step occasionally and his actions are mostly reactive
3. The teacher articulates the step structurally and his actions are mostly proactive

An elaboration of these three options is shown in detail in Table 1.


102 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik
  

Tab. 1 The coding of a teacher’s educational decision-making process


(1) Data collection of students’ knowledge and skills
Code The teacher does not collect The teacher occasionally The teacher structurally collects
information about the collects information about the information about the students’
students’ knowledge and students’ knowledge and knowledge and skills.
skills. skills.
Example The teacher does not The teacher uses one source The teacher often uses multiple
attempt to understand in order to understand sources (e.g., test results, progress
students’ knowledge and students’ knowledge and meetings and homework) to
skills. skills. understand students’ knowledge and
skills.
(2) Diagnosing students
Code The teacher makes no The teacher occasionally The teacher structurally makes
diagnosis. makes diagnosis. diagnosis.
Example The teachers never The teacher only diagnoses The teacher structurally diagnoses
diagnoses students. students when necessary based on multiple sources.
based on limited sources.
(3) Outlining possible pedagogical decisions
Code The teacher never creates a The teacher occasionally The teacher creates a structural
structural overview of the makes an overview of the overview of the possible didactic
possible didactic actions. possible didactic actions actions.
driven by the situation.
Example The teachers does not The teacher makes a list of The teacher makes a summary of
outline possible possible didactic actions for the exercises that students made and
pedagogical decisions. the students’ learning maintains this overview during the
problems. lesson so that he/she has insight into
the students’ progress.
(4) Selecting the ’best’ pedagogical decisions
Code The teacher never makes a The teacher occasionally The teacher structurally makes
pedagogical decision makes a pedagogical pedagogical decisions. These are
consciously. decision. These are mostly mostly proactive in nature.
reactive in nature.
Example The teacher follows a The teacher follows the pre- The teacher looks at his/her
predetermined lesson plan prepared lesson plan and diagnosis and selects the best
and takes no additional occasionally takes a pedagogical actions for different
pedagogical actions. pedagogical action to support students on the basis of this
a student more. information.
(5) Adjusting the learning environment
Code The teacher does not The teacher adapts the The teacher adapts the learning
change the learning learning environment environment structurally. This is
environments. occasionally. This is mostly mostly based on the demands of the
based on the demands of the predetermined pedagogical
situation and thus reactive in decisions and thus proactive in
nature. nature.
Example The teacher follows a The teacher adapts the The teacher has learning lines and,
predetermined plan and learning environment learning activities are assigned to
does not make any occasionally and when it the students on the basis of the
adjustments. appears that the class or a knowledge and skills.
students’ needs it.
(6) Evaluating the pedagogical decisions
Code The teacher does not The teacher evaluates the The teacher evaluates the
evaluate the pedagogical pedagogical decisions pedagogical decisions structurally.
decisions. occasionally.
Example The teacher does not The teacher evaluates the The teacher evaluates virtually
evaluate decisions made. decisions being made, but every educational decision and
does so occasionally and has checks whether it was appropriate
worked it out just for the for the student in question.
student in question.


Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 103

Since there are embedded analytics available in Schoolbag and PulseOn, we only
assessed the degree of extracted analytics. The extracted analytics are directly
linked to the steps of the pedagogical decision-making process. Each step specifies
whether the educational technology helps the teacher with additional information
to perform this step better. Table 2 shows which information is available to teachers
in educational technology and how the teacher can use this information.

Tab. 2 Support of the technology for each step in the pedagogical decision-making
process
Steps Schoolbag PulseOn Role docent
(1) Data collection of Workbooks of students Students’ progress is Understanding the data
students’ know­ can be consulted made insightful in and visualizations
ledge and skills different dashboards
(2) Diagnosing No support Students’ progress can Understanding and
students be compared to the evaluating the data and
standard and to other visualizations
students’ progress
(3) Outlining possible No support No support
pedagogical
decisions
(4) Selecting the No support No support
’best’ pedagogical
decisions
(5) Adjusting the Different exercises Different exercises Selecting the most
learning for weak, average and for weak, average and appropriate exercises
environment strong students strong students
(6) Evaluating the No support Students’ progress can Evaluating the effective-
pedagogical be compared to the ness of actions taken
decisions standard and to other
students’ progress

Finally, we indicated to what extent different steps were taken by the teacher in
the pedagogical decision-making process and whether the teacher acted mainly
reactive or proactive. It was also determined to what extent the teacher uses the
information in the educational technology in taking various steps.
104 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

2.8 The coding of actor-control model

We indicated the control over the organization of different elements of the learning
environment per actor, see Table 3. The column material indicates that materials
were mainly guiding the organization of that specific element in the learning en-
vironment, for example the teacher has all students do all exercises. The column
Teacher indicates that the teacher determined how the element is organized, for
example, the teacher determined which exercises students do. The column Student
indicates that the student had control over the organization of this element of the
learning environment, for example the student selected which exercises to do. The
coding was derived from the interviews and the observations. Since in this study
the educational technology did not make any decisions the column Educational
technology is gray.

Tab. 3 Actor-control model


Material Teacher Student Educational technology
Curriculum    

Learning objectives lessons  

Pace

Instructional materials    

Grouping    

Exercises  

3 Results

3.1 Case one: Schoolbag Class 2 – Mr. Prince

Mr. Prince had eight years of experience as a Dutch teacher at the time of observa-
tion. Mr. Prince made a career switch later in life and followed a college education
to teach in secondary schools. In this study, a class of 25 pupils at secondary school
was observed. Mr. Prince has been working with Schoolbag for one year. He was
involved in the choice of the technology, was a member of the steering committee
Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 105

and one of the teachers who taught the pilot class. Schoolbag is used as a replacement
for the text- and workbook in this school.

The class rotation model


Mr. Prince’s lessons often had a common lesson structure consisting of an instruction
by the teacher and followed by individual activities. As shown in Figure 7, the largest
part of the lesson consisted of teacher-led activities (50%). During the instruction
Mr. Prince explained new topics, practised exercises with the whole class and cor-
rected homework. He often used PowerPoint and the smartboard. Sometimes Mr.
Prince used the wordweb tool in Schoolbag to assess what the class knew about a
topic. After the teacher-led activities, students worked individually on exercises. This
took about 40% of lesson time. Students were also allowed to discuss the exercises
with each other. The students did exercises on paper, because Mr. Prince felt that
students lacked an overview of the content when they worked on tablets. Depending
on the topic the teacher included collaborative learning activities (10%), such as a
debate or making a movie about a book which the students had read.

Fig. 8 Class-rotation model of Mr. Prince


106 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

Tab. 4 The actor-control model of Mr. Prince


Material Teacher Student
Curriculum    

Learning objectives lessons  

Pace

Instructional materials    

Grouping    

Exercises  

Actor-control model
The educational materials were the guide for Mr. Prince for determining the curri-
culum and the learning objectives for each lesson (see Table 4). Mr. Prince said: “I
set the learning objectives automatically. I do not think about it extensively. I look
at a paragraph and then I think about what we need to learn, and how we will do
it.” Mr. Prince looked critically at the teaching materials and the exercises. If these
were not sufficient to reach the learning objectives, he replaced the instruction for
the exercises with more appropriate ones. “Yes, I study the approach in the text-
book and when I find it can be done more effectively I select another instruction
text. For example, if the objective is to understand when to use capital letters and
punctuation marks, then I ask students in pairs to write down what they remember.
This is not in the textbook, but then I skip the instruction in the book.” Mr. Prince
determined the pace, but the students did have a say, “They complain sometimes,
they say there is a lot of homework. I usually check it and if it is true I change it.”
Mr. Prince believed it is important that students learn from each other. Students
mainly collaborated in pairs.

The pedagogical decision-making model


Learning is a collective process for Mr. Prince. He does not approach each student
individually. It is the responsibility of the student to take action when he/she does
not understand something. “A student must be active if he does not understand
something [...] so I will not try to adjust feedback to each student, but I do help a
pupil who asks questions.” Mr. Prince says about individual differences between
students; “I believe that education is like rubber bands; if you pull too hard it tears
Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 107

and if you release too much then it flies out of our reach . So you need to adjust the
work so that there’s the right level of challenge .” Mr . Prince gathers information
about students’ knowledge and understanding through test results . On the basis of
this information he decides if additional explanation is required . “If it turns out a
student is not doing well on the test, then I will have to give additional instruction or
additional exercises .” His diagnoses of the students are based solely on test results .
He does not adjust the educational material itself, but he does provide additional
instruction when necessary . “[ . . .] All students just need to take the same test in
the end .” He said that Schoolbag does not support him in making pedagogical
decisions, see Figure 9 .

  Data  
collec)on  of  
students  
knowledge  
and  skills  

Evaluate  the   Diagnosing  


pedagogical   students  
decisions  

Outlining  
adjus)ng  the   possible  
learning  
pedagogical  
environment   decisions  

Selec)ng  the  
best  
pedagogical  
decisions  

Fig. 9 The  teacher  articulates  this  step  


 
 
The pedagogical deci- The  teacher  articulates  this  step  occasionally  and  his  actions  are  mostly    
sion-making process of reactive    
The  teacher  articulates  the  step  structurally  and  his  actions  are  mostly  proactive  
Mr . Prince  
 
 
 
108 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

Mr. Prince indicated that Schoolbag has changed the way he teaches. He said:

Yes, but not only in a positive way. It has not changed much but it did cost
a lot of energy. You have to switch from a book to a digital learning tool, the
educational technology, but actually it is not as interactive as we had hoped
for. I find it difficult to make something more of it than I do with a book. So
it’s not just that Schoolbag helps me to make it better.

Case two: PulseOn class 2 – Mrs. Visser


Mrs. Visser has six years of teaching experience and a university degree in English.
The observed class was a class of eight students at secondary school. Mrs. Visser
was not involved in the selection of the educational technology. She has worked
with Schoolbag for 1 year and 7 months with and for 7 months with PulseOn. She
used Schoolbag technology as a replacement for the textbook and PulseOn as a
substitute for the workbook.

The class rotation model


This teacher began each lesson with teacher-led activities (15%, see Figure 10). She
often gave classroom instructions or managed a class discussion about a topic. After
the teacher-led activities, students worked on exercises individually in PulseOn
(60%). In addition, there were collaborative activities where students often worked

Fig. 10 The class-rotation model of Mrs. Visser


Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 109

in small groups (25%). For example, the students saw the English youth news or
made a film about a subject that was discussed in the textbook. Speaking was often
central to these activities

Actor-control model
Mrs. Visser controlled the organization of the learning environment, but also used
the educational materials for guidance quite often and occasionally allowed students
to take decisions, see Table 5. The curriculum was mainly taken from the educational
materials. The learning objectives for each lesson were also determined based on
the educational materials, but Mrs. Visser increased the learning objectives slightly:
“For example students do not need to know how to write an essay yet, but I think
it’s important for them to practice.” The pace was the same for all students. Students
were able to select the learning objectives themselves, which gave them control
over their own learning. In this way the students worked more independently and
with more self-regulation. Mrs. Visser tried to made students aware of the choices
they made and helped them to select exercises that supported the development of
their skills and knowledge. Homework was automatically corrected when students
handed in assignments. This meant there was more time in class to perform other
learning activities. Mrs. Fisher gave an example: “There was a chapter on food and
I found an article about foreign cuisine. I also often watch Newsround (English
youth news). With PulseOn I can vary the exercises for different student; so they
practice the words, phrases, and grammar as needed.” Students frequently worked
in groups and could usually decide with whom they work although the teacher
sometimes placed students with various levels in one group.

Tab. 5 The actor-control model of Mrs. Visser


Material Teacher Student
Curriculum    

Learning objectives lessons  

Pace

Instructional materials    

Grouping    

Exercises  
110 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

The pedagogical decision-making process


Mrs. Visser saw that her students needed a different amount of attention, so she
strived for more differentiation which meant the following for her: “... students
are different, one students needs extra time, and other students need additional
support. One student needs an extra push and another student progresses much
faster than the rest when given more freedom.” The way in which Mrs. Visser made
instructional decisions is shown in Figure 11. During the observations it became
obvious Mrs. Visser gathers insights into students’ progress using the dashboards
in PulseOn. “You can see that a student might be weak but also spends little time
practicing. So you need to ask this student to do more.” Mrs. Visser did not make
an overview of possible pedagogical decisions per student, but she did make a list
with a number of pedagogical actions (selection of learning objectives, additional
explanations, and additional exercises). She discussed the progress information on
the dashboard with each student and provided additional instructions on parts they
did not understand properly. “PulseOn helps me to see a student who incorrectly
answers an exercise twice. This is an indication for me to react.” She helped students
in the selection of exercises that matched their skills and knowledge. For example,
students who already understood the topic were advised to do more difficult exer-
cises. Mrs. Visser indicated that when students used PulseOn, they were also more
critical of their own performance and also asked if they could re-do exercises to
practice. Mrs. Visser indicated that PulseOn helped her to differentiate: “... Because
you can observe students better, you track them more and help them when needed.”
When asked if PulseOn really changed the way she teaches, she says, “Yes, but not
that much in the end though, because it’s still a lot that I do, like giving instructions
and discussing topics. The students are much more self-regulatory and they can do
more at home.” In addition, Mrs. Visser indicated that there were no more interim
quizzes since PulseOn showed the progress of the students. Students also knew
better where they stood because of the direct feedback through technology.
Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 111

  Data  
collec)on  of  
students  
knowledge  
and  skills  

Evaluate  the   Diagnosing  


pedagogical   students  
decisions  

Outlining  
adjus)ng  the   possible  
learning  
pedagogical  
environment   decisions  

Selec)ng  the  
best  
pedagogical  
decisions  

Fig. 11 The  teacher  articulates  this  step  


 
 
The pedagogical The  teacher  articulates  this  step  occasionally  and  his  actions  are  mostly    
decision-making reactive    
The  teacher  articulates  the  step  structurally  and  his  actions  are  mostly  proactive  
model of Mrs . Visser  
 
 
 

4 Discussion

The aim of this study was to investigate how the choice of educational technology
on tablets affects the organization of the learning environment and the way teachers
teach . Our methodology views educational technologies as instruments to support
teachers in their daily routines . The educational technologies in this study partly
replace the traditional text- and workbook and PulseOn additionally provides
dashboards (extracted learning analytics) . This study showed how teachers adjusted
their teaching by using these technologies in three models: the class-rotation model,
the actor-control model, and the pedagogical decision-making model .
112 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

Firstly, the class-rotation model indicated that technology had an impact on


the way lesson time was used. In classes where PulseOn was used, on average less
time was spent on teacher-led activities and more time on collaborative learning
activities compared to the classes that worked with Schoolbag. Teachers indicated
that less time was spent on correcting homework, because it was already checked
by the educational technology immediately after students did their tasks. This left
more space for collaborative learning activities during lessons. Surprisingly, this
finding is the opposite of the frequently expressed expectation that the introduction
of personalized education will lead to more focus on individual student activities.
This study showed that instead more time was spent on collaborating learning
activities, partly because the teachers had more time available and partly because
teachers got a better understanding of their students’ progress. Additionally, in-
sights into the students’ progress led to more personal contact between teachers
and students and supported coaching conversation during lessons.
Secondly, the degree of control of different actors, i.e., the teacher, student, and/
or the education materials, over the organization of the learning environment
was assessed in the actor-control model. This showed that teachers working with
both technologies took quite some control over the organization of the learning
environment. The education materials provided directions, but teachers played an
important role in shaping the learning environment. Additionally, students using
PulseOn were given more control over their own learning compared to students in
Schoolbag classes. This was proven by the observations and interviews with teachers
who reported providing more space for students to self-regulate their learning.
This student-centered learning environment was particularly demonstrated by the
fact that students themselves were allowed to select the exercises to practice. This
may have positive effects on the development of self-regulated learning skills as
students had more space to regulate their learning (Azevedo et al. 2013). We know
from research that monitoring progress and performance is difficult for students
(De Bruin et al. 2013), therefore coaching from teachers can play an important role
in supporting the development of self-regulated learning skills.
Thirdly, we showed that in general teachers differed significantly in the extent to
which they can articulate, express, and justify their pedagogical decision-making
process. In addition, differences exist to the extent to which teachers were supported
with additional information by the educational technologies. Schoolbag provided
little additional information and teachers indicated that this technology did not
support them in making pedagogical decisions. The dashboard of PulseOn, on
the contrary, gave additional information of students’ progress and teachers could
compare students with the help of this technology. While this information is still
limited, teachers indicated that this helped them in making pedagogical decisions
Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 113

and the interviews indicated that the information on the dashboard facilitated
teachers’ proactive pedagogical decision making.
In conclusion, we showed that the use of different educational technologies have
impacts on the way teachers organize the learning environment and how they teach.
Schoolbag was mostly used as a replacement for paper text- and workbooks, but
we also saw teachers use this technology to organize their learning environment
differently. PulseOn supported teachers in personalizing their education. Extracted
learning analytics being displayed on dashboards and visualizing students’ progress
allowed teachers to change the way they organize the learning environment. An
important shift was the transfer of control from the teacher to the student. This
study shows that teachers, who had been supported by technology that includes
extracted learning analytics, became increasingly aware of their teaching actions.
The technology did supported teachers in implementing educational innovations.
Different hybrid models were constructed by teachers to make a transition from the
previous daily teaching practices to their new practices. For example, Mrs. Visser
allowed students to increasing self-regulate their learning by selecting objectives
themselves. These hybrid models are can be very meaningful for other teachers to
inspire their educational reforms.

4.1 Implications for development of educational technology

This study indicated that extracted analytics helped teachers in dealing with
differences among students and supported the development of proactive differen-
tiated pedagogical decision-making. Detailed progress information on individual
students in the classroom helped teachers to enrich their knowledge base. With
this knowledge, teachers acted more consciously. The extracted analytics were
currently in place in PulseOn, but there was a desire to develop embedded analytics
in the system for instance algorithms that assign educational material tailored to
students’ needs. The question is how this development would assist teachers in
further developing their proactive teaching. In addition to efficiency advantages of
embedded analytics (the teacher would be offloaded as the technology would take
over part of the organization of the learning environment), there are also possible
disadvantages to embedded analytics. Embedded analytics make, based on the
collected data, the “right” decision for a student. This implies that such a decision
is adequate and correct. Yet research is needed to ensure that these decisions can
indeed be made by technology. It is conceivable that it would be beneficial to have
teachers supervising these decisions. Moreover, a great deal of control over the
organization of the learning environment is transferred from the teacher to the
114 Inge Molenaar and Annemarie van Schaik

educational technology when using embedded learning analytics functions. This


study demonstrated that teachers gave students more control and coached them to
discuss their self-regulated learning decisions. This development can make a positive
contribution to the motivation and self-regulation skills of students. However the
effects of control taken by the technology still need to be investigated.
4.2 Future research

This study raises future research questions with respect to the three models used
in the analysis. Firstly, there is a need for more understanding of how tablets with
educational technology are used during lessons. This study shows a shift in usage of
lesson time as a result of the usage of different educational technologies. This raises
the question of how lesson time can best be spent and how characteristics of educa-
tional technologies might affect the use of lesson time. Secondly, it appears from this
study that PulseOn technology supports student-centered learning environments
which give students a greater say in the design of learning environments. This calls
for further research into the relationship between actor control of the learning en-
vironment and the use of educational technology. Thirdly, it appears that extracted
learning analytics can support teachers in their pedagogical decision-making and
teaching. There is a need for further insights as to how extracted learning analytics
can be used to support teachers. An important question is how visualizations and
recommendation services can support teachers in making pedagogical decisions.
In addition, this study showed that some teachers benefited from the visualizations
offered and other teachers did not. This prompts the question: Which knowledge
and skills do teachers need to effectively use the extracted analytics to support
their teaching behavior? Furthermore, there is a need for insights into the use of
embedded learning analytics and their implications for the organization of the
learning environment. In particular, the trade-off of control between the educa-
tional technology and the teacher is an important issue. Decisions taken by the
educational technology limit the control of the teachers. This may have important
implications for the teaching and teachers’ professionalism. This raises questions
about the extent to which embedded learning analytics are desirable and what the
consequences for the organization of the learning environment are. Finally, this
research focuses mainly on the use of the technology by the teachers and the way
in which it influenced the organization of the learning environment. Of course,
an important question is what impact these innovations have on the students and
their learning gains. Nevertheless, we want to emphasis that the question of whether
educational technologies are effective for learning is hard to answer within the
school context. Moreover, when there is insufficient insight into the far-reaching
changes the implementation of new educational technologies on the tablet have
Investigate the Usage of Educational Technologies on Tablets in Schools 115

on the organization of the learning environment, research insights into how the
technology influences learning can hardly be interpreted. The mechanisms that
cause educational improvements are needed to understand the value of educational
technologies in schools. Furthermore, a study that ignores the way in which the
tablet and educational technology are used will be of little value for the educational
practice. Most schools are currently focusing on the question of how tablets can be
used to innovate education. Therefore, we hope that more researchers will follow
the proposed methodology and develop extended insights as to how educational
technologies with different features effect the organization of the learning environ-
ment and teachers’ daily practices.

Acknowledgments

We thank the participating schools, directors, teachers, and students for taking
part in this study. We also thank the employees of ThiemeMeulenhoff and PulseOn
for their support and Kennisnet for their financial support. All data used in this
report are anonymous.

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II
Schulische Aspekte
der Tabletforschung
Zum Stand der Forschung zum
Tableteinsatz in Schule und Unterricht
aus nationaler und internationaler Sicht
Stefan Aufenanger

Zum Stand der Forschung zum Tableteinsatz in Schule und Unterricht

Zusammenfassung

In den sechs Jahren seit Erscheinen des iPads von Apple haben sich viele Schu-
len weltweit mit Tablets ausgestattet und gestalten damit Unterricht . Die dazu
erfolgten wissenschaft lichen Begleitstudien national und international zeigen
fast durchweg positive Ergebnisse auf, die u . a . auf gesteigerte Motivation und
Aufmerksamkeit, auf verändernden Unterricht sowie auf selbstständigeres
Lernen der Schülerinnen und Schüler hinweisen . Methodisch orientieren sich
die meisten Studien an Befragungen, nur wenige an Unterrichtsbeobachten .
Insgesamt kann von einem Erfolg der Tablets in Schule und Unterricht gespro-
chen werden, der sich zwar nicht immer in besseren Leistungen, aber häufig in
einer veränderten Lernkultur ausdrückt .

1 Einleitung

Die Diskussion um den Einsatz digitaler Medien in Schule und Unterricht wird in
der Öffentlichkeit ziemlich kontrovers geführt . Dies liegt zum einem daran, dass in
den Medien meist eine negative Berichterstattung stattfindet, zum anderen aber auch
an den populärwissenschaft lichen Veröffentlichungen, die stark verallgemeinernd
ausgewählte Forschungsergebnisse referieren . Es ist also notwendig, sich die vorlie-
genden Forschungsergebnisse genauer anzusehen . Ziel des Beitrags ist es deshalb,
einen Forschungsüberblick über Studien zum Tableteinsatz in Schulen zu geben
und die vorliegenden Ergebnisse bezüglich ihrer Verallgemeinerung zu bewerten .
Dadurch sollen Initiativen in der pädagogischen Praxis mit Argumenten gegen
kritische und skeptische Stimmen bestärkt werden . Zuvor muss jedoch deutlich
119
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_6
120 Stefan Aufenanger

gemacht werden, dass zum einem noch keine längerfristigen Studien vorhanden
sind, da das Tablet erst seit 2010 durch die Einführung des iPads von Apple auch
in den Bildungsbereich größere Verbreitung gefunden hat, zum anderen die im
Folgenden referierten Studien sich überwiegend auf das iPad beziehen. Letzteres
hängt vor allem damit zusammen, dass dieses Gerät in Bildungsinstitutionen am
weitesten verbreitet ist. So liegen Schätzungen für 2013 vor, die weltweit von einem
Marktanteil von iPads von 75 Prozent in einigen Ländern wie etwa Kanada sogar
von 90 Prozent ausgehen (Khaddage 2013). Auch wenn es schwierig sein dürfte,
genaue Daten dazu zu erhalten, darf man 2015 von einer Dominanz der iPads bei
der Tabletausstattung von Schulen ausgehen.1 Nur wenige Studien, wie etwa die
von Prasse et al. (2016), konzentrieren sich auf Geräte anderer Firmen, wie etwa von
Samsung. Zunehmend dürften aber auch die Tablets von Microsoft im Bildungsbe-
reich an Bedeutung gewinnen und damit zukünftig in Studien eine stärkere Rolle
spielen. Außerdem verstärken sich Programme mit einem Bring-Your-Own-Device-
Ansatz (BYOD) in einigen Ländern, wobei es auch Projekte zu BYO-iPad gibt, wie
das Beispiel einer australischen Schule (St. Clare of Assis Primary School) zeigt. In
diesem Sinne sind die hier vorgestellten Forschungsergebnisse in ersten Linie auf
die Benutzung von iPads bezogen, können aber meines Erachtens problemlos auf
alle Tablets anderer Gerätehersteller bezogen werden, da die Differenzen zwischen
den Geräten und ihren Einsatzmöglichkeiten nur minimal sind, auch wenn die zur
Verfügung stehenden Anwendungen der großen Firmen sich doch unterscheiden.
Schon relativ früh nachdem das iPad auf den Markt kam, wurden erste Hoffnungen
ausgesprochen, dass dieses Gerät für den pädagogischen Bereich eine Bereicherung
darstellen kann (Bergmann 2011; McKnight und Fitton 2010; Melhuish 2010; Mur-
ray und Olcese 2011). Von Anfang an wurden im Internet Berichte von Schulen
publiziert, die ihre Erfahrungen mit den neuen Geräten wiedergaben. Dies sind
jedoch überwiegend Erfahrungsberichte, die sehr eindrücklich zeigen, wie Tablets
den Unterricht und das Lernen verändern.2
Die folgende Darstellung der wichtigsten Ergebnisse von Forschungs- und Be-
gleitforschungsprojekten zum Tableteinsatz in Schule und Unterricht wird sich in
einem ersten Schritt auf Begleitstudien in Deutschland beziehen, um danach einige

1 Allerdings dominieren im letzten Quartal 2015 insgesamt Google Chromebooks in Bil-


dungsinstitutionen nicht nur in den USA mit einem Marktanteil von 51 % gegenüber nur
25 % von Apple Produkten; Windowsgeräte von Microsoft werden mit 24 % angegeben.
(http://www.cnbc.com/2015/12/03/googles-chromebooks-make-up-half-of-us-classroom-
devices.html. Zugegriffen: 31.3.2016)
2 Vgl. dazu zum einen die sehr gute Übersicht bei Thissen (2015), zum anderen aber auch
sehr anschauliche Beispiele etwa aus den Niederlanden (www.education4newera.nl)
oder aus Australien (www.ipadsforeducation.vic.edu.au/).
Zum Stand der Forschung zum Tableteinsatz in Schule und Unterricht 121

internationale Überblicksarbeiten sowie Einzelstudien sowie Erfahrungsberichte


aufzugreifen. Insgesamt gesehen muss angemerkt werden, dass die vorliegenden
Studien eine große Breite von Forschungsdesigns und methodischen Zugängen
präsentieren. Das bedeutet, dass ein Teil der Forschungsergebnisse kritisch be-
trachtet werden muss. So bezieht sich ein Großteil der Studien nur auf eine Selbst-
einschätzung der Schülerinnen und Schüler oder einer Fremdeinschätzung der
Lehrkräfte. Manche Studien sind rein experimentell angelegt und entsprechen kaum
einer realistischen Situation einer Schulklasse, andere wiederum beruhen nur auf
kurzfristigen Effekten. Nur wenige Studien beziehen sich auf die Lernergebnisse
von Schülerinnen und Schülern über einen längeren Zeitraum.
Darüber hinaus muss diskutiert werden, welche Ergebnisse man überhaupt vom
Tableteinsatz in Schule und Unterricht erwarten darf bzw. sollte. Geht es nur um
bessere Leistungen, die sich etwa in Noten oder Testergebnissen ausdrücken, oder
geht es allgemeiner um eine Verbesserung des Lehrens und Lernens? Auch hierin
lassen sich die Forschungsprojekte gut unterscheiden. Und was heißt es eigentlich,
wenn davon die Rede ist, dass die Tablets einen Mehrwert für die Klasse bringen
und worin drückt sich dieser aus? Was sind die Kriterien für eine Verbesserung
des Lehrens und Lernens?
Nicht zuletzt muss auch gesehen werden, dass die Formen der Publikation der
Forschungsergebnisse ganz unterschiedlich sind. So liegen viele Berichte in Form
von Reports vor, die nur auf einer Webseite der entsprechenden Organisation zur
Verfügung stehen. Dann gibt es eine Vielzahl von Qualifikationsarbeiten in Form
von Masterarbeiten und Dissertationen, die interessante Ergebnisse liefern, aber
sich meist auf konkrete, häufige kleinere Projekte in einzelnen Schulklassen oder
Unterrichtsfächern beziehen. Übrig bleiben dann die Publikationen in Fachzeit-
schriften, wobei auch hier wieder unterschieden werden muss zwischen solchen
mit einem Reviewverfahren und solchen ohne selbiges. Es bleibt also die Aufga-
be, die vorliegenden Studien nicht nur bezüglich ihrer Forschungsergebnisse zu
sichten und zu bewerten, sondern auch bezüglich ihres Forschungsdesigns und
ihrer methodischen Vorgehensweise. Diese Aufgabe wird im vorliegenden Beitrag
jedoch nicht geleistet. Neben den hier vorgestellten Forschungsprojekten zum
schulischen Bereich gibt es inzwischen auch empirische Studien, die sich mit der
Nutzung von Tablets im Elementarbereich (Gleeson 2014; L. Lee 2015; Ludgate 2015;
Ray 2015; Rea 2014) bzw. der frühen Kindheit (Aufenanger 2013, 2014; Chaudron
2015; Donohue 2015; Espiritu 2016; Heider und Jalango 2015; Hengst 2014; Khoo
et al. 2015; L. Lee 2015; Manches und Plowman 2015; Neumann 2015; Radesky et
al. 2015; Swertz 2015) sowie im Hochschulbereich (Aiyegbayo 2014, 2015; Bøe et
al. 2015; Khaddage und Zeidan 2014; Nguyen et al. 2014; Psiropoulos et al. 2014;
Roberts und Rees 2014; Souleles und Pillar 2014) befassen. Zudem ist die Nutzung
122 Stefan Aufenanger

von Tablets im Bereich der inklusiven Bildung sehr umfangreich (Coulon 2015;
Ingle 2014; Quick 2014) und es liegen darüber hinaus inzwischen umfangreiche
Studien vor, die sich mit dem Nutzen von Tablets in der Lehrerbildung befassen
(Burden et al. 2016; Maher 2013; Mourlam und Montgomery 2015; Pilgrim et al.
2014; Spaulding 2014; Wilson et al. 2013; Zhang 2015).
Aus methodologischer Sicht gibt es leider relativ wenige Auseinandersetzungen
mit der Frage, wie die Medienintegration und -nutzung von Tablets sowie deren
Effekte gemessen werden sollten (vgl. dazu auch den Beitrag von Isa Jahnke in
diesem Band). Neben einer allgemeinen Kritik (Livingstone 2012; Maddux und
Johnson 2012) werden auch Fragen der Validität der benutzten Instrumente dis-
kutiert (Vannatta und Banister 2009).

2 Deutschsprachige Tablet-Projekte

In Deutschland wurden relativ früh nach dem Erscheinen der ersten iPads Er-
fahrungen mit Tablets im Unterricht gesammelt. Jedoch waren die meisten dieser
Projekte entweder zeitlich befristet oder wurden nur in kleinen Ausstattungsinitia-
tiven verwirklicht. Insgesamt gesehen können verschiedene Formen der Initiativen
unterschieden werden. Zum einem haben sich Schulen selbstständig auf den Weg
gemacht, mit dem Einsatz von Tablets Erfahrungen zu sammeln. Der Anstoß
dazu ging meist von einzelnen Lehrkräften aus, die schon privat mit Tablets gute
Erfahrungen gemacht hatten und diese Geräte nun auch im Unterricht verwenden
wollten. Aber auch Initiativen von einzelnen Schulträgern, der Schulleitung oder
der Elternschaft haben zu ersten Tabletklassen geführt. Zum anderen haben sich
auf der bildungspolitischen Ebene Ministerien die Ausstattung von Schulen bzw.
Schulklassen mit Tablets zu eigen gemacht. Fast in jedem Bundesland finden wir
inzwischen solche Initiativen, die Anfang 2016 unterschiedlich weit gediehen sind.
Der folgende Überblick über einige wissenschaftliche Begleitforschungen zu diesen
Projekten soll nur einen ersten Einblick in den Stand der Erkenntnisse geben, da
eine vollständige Übersicht wegen mangelnder Außendarstellung der Projekte
nicht möglich ist und die Projekte zum Teil noch laufen. Insgesamt gesehen kann
jedoch die Ausstattung von deutschen Schulen mit Tablets als ein aktueller Trend
gekennzeichnet werden, da die Vorteile von Tablets gegenüber etwa Computerräu-
men oder Notebooks gesehen werden (Aufenanger und Schlieszeit 2013).
Eine der ersten Schulen, die Tablets nach dem 1:1-Modell eingesetzt hat, war das
Kurt-Köber-Gymnasium in Hamburg. Eine Forschungsgruppe aus der Medienpäd-
agogik der Universität Hamburg sowie dem Institut für Informationsmanagement
Zum Stand der Forschung zum Tableteinsatz in Schule und Unterricht 123

in Bremen hat zu diesem Projekt eine Evaluation durchgeführt und dazu einen
ausführlichen Bericht vorgelegt (Autorengruppe Paducation 2014).3 Über zwei Jahre
wurden an der Schule in der Oberstufe iPads eingesetzt. Die Forschergruppe führte
bei den Schülerinnen und Schülern anfangs und zum Ende eine standardisierte
Onlinebefragung durch, sowie Gruppeninterviews und Einzelinterviews nach dem
ersten Jahrgang. Weiterhin wurden von den Lehrkräften Daten in Gruppeninter-
views sowie im Rahmen von Unterrichtsbeobachtungen erhoben.
Sehr differenziert wurde die unterrichtliche Nutzung der Tablets abgefragt.
Danach nutzten die Schülerinnen und Schüler das iPad vor allem zum Schreiben,
d. h. für Mitschriften im Unterricht sowie für Notizen, zum Recherchieren, zur
Textverarbeitung sowie zur Präsentation ihrer Arbeitsergebnisse. Die Lehrpersonen
setzten das iPad überwiegend für digitale Arbeitsblätter, Videos, Tonaufnahmen,
Bilder und Animation und für Präsentationen ein. Zwei Drittel der Schülerinnen und
Schüler meinten, dass sich durch das iPad die Gruppenarbeit mit den Mitschülern
verbessert hätte. Als ein Problem wird, wie in vielen anderen Tabletstudien auch,
die Ablenkung durch das Gerät bzw. Apps gesehen. Jedoch hat sich im Laufe der
Projektzeit aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler das Ausmaß verringert.
Während zu Beginn des Projekts viele der Befragten in den Gruppendiskussionen
das Thema Ablenkung und die dadurch entstehenden Folgen für den Unterricht
ansprachen, stimmten in der Abschlussbefragung nur noch 26 % zu, dass sie sich
durch das iPad „häufig ablenken [ließen] und dann dem Unterricht nicht folgen“
könnten (Autorengruppe Paducation 2014, 74).
Als wichtigste Ergebnisse halten die Autoren fest, dass sich in den drei Projekt-
jahren der Unterricht in der Oberstufe „erheblich verändert“ hat bzw. eine „Verän-
derung der Lernprozesse“ erfolgte (Autorengruppe Paducation 2014, 110). Darüber
hinaus hat sich die Nutzung der Medien im Zeitraum der Erhebung erhöht, zugleich
wird aber auch festgestellt, dass neue Medienpraxen, also vor allem die Nutzung
der Potenziale der Tablets gegenüber anderen Medien, kaum erkennbar waren.
Insgesamt gesehen wurden die Tablets im Unterricht von den Lehrkräften sehr
unterschiedlich genutzt. Dies schreiben die Autoren zum einen dem Engagement
der einzelnen Lehrkräfte zu, zum anderen aber auch der nicht ganz ausreichenden
Fortbildung derselben, um einen pädagogisch gelungenen Unterricht mit Tablets
zu gestalten. Da die Evaluation des Projekts vor allem auch der Frage nach der
Integration von Tablets in der Schule unter dem Aspekt von Schulentwicklung
nachging, konnten entsprechende Probleme sehr gut aufgezeigt werden. So zeigte
sich, dass eine Vorbereitung der Lehrkräfte auf das Projekt besser in der Schule als
außerhalb – etwa in Fortbildungsstätten – stattfinden sollte. Auch eine stärkere

3 Vgl. auch den Beitrag von Kammerl in diesem Band.


124 Stefan Aufenanger

Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler und eine damit verbundene Reflexion
über den Tabletgebrauch im Unterricht wurde als sinnvoll angesehen. Abschließend
treffen die Autoren jedoch ein positives Gesamturteil, nämlich „dass 1:1-Projekte
mit mobilen Endgeräten ein guter Anstoß sein können, um zur Entstehung einer
Lehr- und Lernkultur beizutragen, in der die Heranwachsenden angemessen auf
das Leben in einer zunehmend von digitalen Medien geprägten Gesellschaft vor-
bereitet werden“ (Autorengruppe Paducation 2014, 116).
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie zum Tablet-Einsatz in einer Be-
rufsschule im Schuljahr 2011/12 (Ludwig und Mayrberger 2012). Die Autorinnen
hatten zwar nur drei Monate lang die Tabletnutzung in zwei Schulklassen verfolgen
können, dafür aber methodisch ein vielfältiges Forschungsdesign entwickelt. So
führten die Schülerinnen und Schüler ein Tagebuch darüber, was sie alles mit den
Tablet täglich machten. Weiterhin wurden Screenshots von den Apps gemacht, die
die Schülerinnen und Schüler geladen hatten. Daneben wurden Onlinebefragungen
der Schülerinnen und Schüler, Gruppendiskussionen sowie Interviews mit den
Lehrpersonen durchgeführt. Als Ergebnis halten die beiden Autorinnen fest, dass
je nach didaktischem Konzept das Tablet unterschiedliche Rollen im Unterricht
einnehmen kann. Vor allem das 1:1-Modell hat sich als angemessen erwiesen, auch
wenn in der Schule insgesamt bedauert wurde, dass nur zwei Klassen ausgestat-
tet werden konnten. Die neuen Geräte führten auch zu erhöhter Ablenkung im
Unterricht, so dass dieses Problem pädagogisch gelöst werden müsste. Zugleich
haben aber die Tablets im Unterricht zu didaktischen Variationen geführt, die bei
einem längerfristigen Einsatz zu einer veränderten Unterrichtskultur im Sinne
eines Blended-Learning-Ansatzes führen könnten.
In einem Projekt im Auftrag des Schulamts in Wiesbaden sollten vier Schulen in der
Nutzung von Tablets miteinander verglichen werden (Aufenanger 2015). Die Schulen
waren mit verschiedenen Geräten ausgestattet: zwei mit iPads, eine mit Samsung
Galaxy Note 10.1 und eine mit einem Windows 8-System. Von der Medienintegration
her wurde von einigen Schulen ein Ausleihmodell, von den anderen ein 1:1-Modell
praktiziert. Vom Forschungsdesign her wurde vielfältig vorgegangen, um zentrale
Fragen nach dem Mehrwert der Tablets für das Lehren und Lernen im Unterricht
sowie den technischen bzw. infrastrukturellen Aspekten zu beantworten. Eine Be-
fragung von Schülerinnen und Schülern wurde mittels eines Online-Fragebogens
vorgenommen, der durch Gruppendiskussionen mit ausgewählten Schülerinnen
und Schülern ergänzt wurde. Zusätzlich wurden die Schülerinnen und Schüler
gebeten, über zehn Tage hinweg ein Online-Tagebuch zur Nutzung ihres Tablets
auszufüllen. Die an dem Projekt beteiligten Lehrkräfte bekamen ebenfalls einen
Onlinefragebogen und auch bei ihnen wurden zusätzliche Daten erhoben, jedoch
mittels Einzelinterviews. Mit Hilfe von Unterrichtsprotokollen in Form einer teil-
Zum Stand der Forschung zum Tableteinsatz in Schule und Unterricht 125

nehmenden Beobachtung wurde außerdem der unterrichtliche Einsatz von Tablets


aufgezeichnet. Das gesamte Projekt war von dem Schulträger auf nur sechs Monate
beschränkt, so dass nur kurzfristige Effekte gemessen werden konnten.
Insgesamt wurde bei dem Einsatz der Tablets in den vier Projektschulen in Wies-
baden deutlich, dass sie den Unterricht bereichern können und dass die Beteiligten
– also die Schulleitung, die Lehrpersonen sowie die Schülerinnen und Schüler – im
Großen und Ganzen sehr zufrieden mit dem Projekt gewesen sind und es als eine
Bereicherung ansahen. Einzig eine kritische Benotung des Tablet-Einsatzes im
Unterricht vonseiten der befragten Schülerinnen und Schülern überraschte, was
aber mit der unterschiedlichen didaktischen Verwendung der Geräte durch einzelne
Lehrpersonen erklärt werden konnte. Noch nicht alle Lehrkräfte hatten die vollen
Potenziale der Tablets entdeckt und damit die Erwartungen der Schülerinnen und
Schüler teilweise nicht erfüllt.
Auf den ersten Blick sah es so aus als sei auch der Gerätetyp für eine gelungene
Verwendung ausschlaggebend. Es zeigte sich jedoch, dass vor allem die pädagogische
Einbettung der Tablets im Unterricht sowie wie Vorbereitung darauf entscheidend
sind. In diesem Sinne kann generell keine Aussage dazu gemacht werden, dass ein
Gerätetyp besser als ein anderer sei. Auch bei den Einsatzmodellen – das Aus-
leihmodell sowie das 1:1-Modell – konnte keine eindeutige Empfehlung abgegeben
werden, da beide sich sowohl aus Sicht der beteiligten Lehrpersonen als auch der
Schülerinnen und Schüler bewährt hatten. Der Mehrwert der Tablets für den schu-
lischen Unterricht hat sich in dem Wiesbadener Tablet-Projekt an vielen Stellen
gezeigt. Die Zufriedenheit der Lehrpersonen und die mit dem Einsatz verbundenen
Differenzierungsmöglichkeiten im Unterricht durch die Mobilität der Geräte und
die pädagogischen Apps sind als ein wichtiger Mehrwert anzusehen. Hinzu kommt,
dass viele Schülerinnen und Schüler sich durch die Tablets motivierter für den
Unterricht gefühlt haben, der zugleich häufig abwechslungsreicher gestaltet wurde.
In Hessen wurden in dem Projekt Mobiles Lernen in Hessen (MOLE) sechs
Grundschulen mit iPads ausgestattet. Das Projekt begann 2013 und ist auf drei
Jahre angelegt. Die wissenschaftliche Begleitung wird von der Universität Frankfurt
durchgeführt und ist wie folgt angelegt: „Ziel der wissenschaftlichen Begleituntersu-
chung ist, z. B. zu erheben, ob Zuwächse in der Medienkompetenz der Schülerinnen
und Schüler zu verzeichnen sind, wie Haltungen der Eltern, die Medienausstattung
der Haushalte und die bisherige Mediennutzung sich auf die Medienkompetenz
im Vorfeld und deren Veränderungen über die Zeit auswirken“ (Bremer und Till-
mann 2014, 156). Die ersten Ergebnisse werden von Claudia Bremer und Alexander
Tillmann in diesem Band präsentiert. Darüber hinaus gibt es einige Projekte, die
derzeit noch laufen, wie etwa ein Tablet-Projekt in Rheinland-Pfalz, in dem im
Rahmen des Landesprogramms Medienkompetenz macht Schule neun Schulen in
126 Stefan Aufenanger

einer ersten Runde mit Tablets ausgestattet wurden und wissenschaftlich begleitet
werden. Einen Zwischenbericht zu diesem Projekt liefert Jasmin Bastian in diesem
Band. Eher an dem Aspekt von Schulentwicklung orientiert ist der Bericht über
ein Tablet-Projekt im Wetteraukreis in Hessen, über das Stolpmann et al. (2015)
berichten. Hier werden jedoch keine Ergebnisse präsentiert, sondern der Imple-
mentationsprozess wird ausführlich beschrieben.
Diese kurze Übersicht über nationale Tabletprojekte in Deutschland hat gezeigt,
dass digitale Medien in Schule und Unterricht überwiegend erfolgreich eingesetzt
werden. Die Tablets motivieren Schülerinnen und Schüler, machen Unterricht
für diese abwechslungsreicher und führen dazu, dass die Lehrkräfte ihn stärker
schülerzentriert gestalten. Es gibt aber auch Probleme, die vor allem im Bereich der
Technik als auch der pädagogischen Vorbereitung für den Tableteinsatz zu sehen
sind. Im Folgenden soll der Blick auf internationale Erfahrungen und Forschungs-
ergebnisse mit Tablets gerichtet werden.

3 Übersichtsartikel

Übersichtsartikel dienen dazu, einen Forschungsstand zu einem wissenschaftlichen


Bereich zu präsentieren. Aufgrund der nur wenige Jahre zählenden Erfahrung mit
Tablets in pädagogischen Institutionen liegen dementsprechend nur wenige solcher
Arbeiten vor. Die wichtigsten Arbeiten werden in Folge vorgestellt.
Eine gute Übersicht über die ersten Erfolge von Tablets in Schulen bietet das
Referat über den Stand der Forschung im Projektbericht von Karsenti und Fieves,
die aus über 350 Studien die folgenden 16 zentralen Ergebnisse über den Effekt,
den Tablets im Unterricht haben, extrahiert haben (Karsenti und Fievez 2013, 6)4:

1. Increases motivation; …
2. Facilitates access to, management of, and sharing of information; …
3. Fosters student learning and performance; …
4. Allows a wider range of teaching strategies; …
5. Fosters individualized learning; …
6. Improves the reading experience; …
7. Encourages communication and collaboration among students and between
teachers and students; …

4 Die jeweiligen dazugehörigen Literaturangaben hinter den einzelnen Punkten wurden


bei dem Zitat herausgenommen, können im Original jedoch verfolgt werden.
Zum Stand der Forschung zum Tableteinsatz in Schule und Unterricht 127

8. Improves computer literacy skills; …


9. Nurtures students’ creativity; …
10. A highly portable tool; …
11. Facilitates student assessment; …
12. Improves the quality of pedagogical support; …
13. Facilitates learning how to write; …
14. Makes it easier to organize schoolwork and assignments; …
15. Students can make versatile and vivid multimedia presentations; …
16. Significant benefits for students with learning problems ….

Diese Ergebnisse beziehen sich meist auf das erste oder die ersten beiden Jahre
der Tablet-Nutzung und stellen damit schon erste positive Ergebnisse dar. Es
handelt sich methodisch gesehen jedoch meist um Befragungen von Schülerinnen
und Schülern sowie Lehrpersonen und kaum um Unterrichtsbeobachtungen. In
diesem Sinne müssen diese ersten Ergebnisse noch mit Vorsicht bewertet werden,
da mit Neuigkeitseffekten zu rechnen ist. Trotzdem wird deutlich, dass durch die
pädagogische Nutzung von Tablets im Unterricht – ähnlich wie bei den deutschen
Studien – die Schülerinnen und Schüler motivierter im Unterricht dabei sind, ihre
Lernprozesse individualisierter steuern, umfassende Medienkompetenz erwerben
und ihren schulischen Alltag einfacher organisieren können.
Clark und Luckin (2013) kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Sie fassen ihre
Analysen der bis 2013 erschienen Studien zur Tabletnutzung in der Schule, die sich
überwiegend auf die Erfahrungen in Großbritannien sowie auf iPads beziehen,
wie folgt zusammen: „The research on iPad use and adoption overwhelmingly
reports that tablet devices have a positive impact on students’ engagement with
learning“ (Clark und Luckin 2013, 4). Zugleich weisen sie aber auch darauf hin,
dass die Technologie allein noch keine pädagogischen Effekte hervorrufen kann,
sondern es sei immer die Frage zu stellen: „how can iPads be used to support col-
laborative learning, or exploratory learning?“ (Clark und Luckin 2013, 4), anstatt
zu fragen, wie iPads das Lernen verbessern. Dieser Übersichtsartikel geht der Frage
nach dem Mehrwert von Tablets – insbesondere iPads – aus der Perspektive der
unterschiedlichen Akteure nach, nämlich der Lehrkräfte, der Schülerinnen und
Schüler sowie auch der Eltern. Aus der Perspektive der Lehrkräfte fassen Clark
und Luckin (2013) zusammen, dass iPads zu einer höheren Mobilität beim Lernen
führen, mehr Kommunikation ermöglichen, einfach zu administrieren sind und
zu einem Nachdenken über die eigene professionelle Lehrerrolle führen. Die Lehr-
kräfte würden – so ein Hinweis auf die Studie von Burden et al. (2012) – stärker
untereinander wie auch mit den Schülerinnen und Schülern kommunizieren und
auch die Kommunikation der Schülerinnen und Schüler untereinander würde
128 Stefan Aufenanger

verstärkt. Bei Eltern wurde in den bis dato vorliegenden Studien überwiegend ein
positives Echo auf den iPad-Einsatz im Unterricht ihrer Kinder gefunden. Danach
berichten Eltern, dass ihre Kinder engagierter beim Lernen sind, mehr Zeit mit den
Hausaufgaben verbringen und die iPads mehr Gelegenheiten bieten, das Lernen
interessant und relevant zu gestalten. Zugleich werden aber von Elternseite auch
Bedenken geäußert: So werden die zum Teil hohen Kosten bemängelt als auch
befürchtet, dass die Geräte kaputtgehen oder nicht länger als drei Jahre halten
könnten. Auch werden Fragen nach der Ablenkung im Unterricht sowie von er-
höhten Zeiten der Mediennutzung ihrer Kinder gestellt. Zuletzt wird in den Blick
genommen, wie die Schülerinnen und Schüler selbst von den iPads profitieren. Die
Autoren beschreiben eine Steigerung der Motivation, des Enthusiasmus, des Inte-
resses, der Beteiligung, der Selbstständigkeit und Selbstregulation, der Kreativität
und verbesserten Produktivität (Clark und Luckin 2013, 23). Zugleich wird aber
auch darauf hingewiesen, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler den Umgang
mit den Geräten einfach handhaben können und dass vor allem das Schreiben auf
Tablets ohne angeschlossene Tastatur oftmals Schwierigkeiten bereitet. Insgesamt
gesehen zeigen jedoch schon diese frühen Studien überwiegend positive Effekte
durch die Integration von Tablets in Schule und Unterricht.
Eine weitere Übersichtsstudie von Haßler, Major und Hennessy (Haßler et al. 2016)
hat 33 relevante Studien zum Lernerfolg mit Tablets in der Primar- und Sekundarstufe
begutachtet, von denen 23 den von den Autoren gesetzten methodischen Ansprüchen
genügen. Die Analyse dieser Studien zeigt, dass 16 von ihnen positive Lernerfolge
mit Tablets berichten, 2 dagegen negative Effekte nachweisen und 5 keine Effekte
aufzeigen können. Die Autoren schränken ihre Ergebnisse jedoch in dem Sinne
ein, dass die vorliegenden Studien sehr fragmentiert sind und eine evidenzbasierte
Verallgemeinerung aktuell noch nicht möglich ist, da die Antwort auf Frage, unter
welchen Umständen Tablets das Lernen verbessern könnten, noch sehr unklar sei. Sie
fordern daher Studien, die verstärkt systematisch und vertieft methodisch vorgehen.
Diese Forderung greifen auch Clarke und Svanaes (2014) auf, die einen sehr
ausführlichen Überblick über aktuelle Studien wie auch über die verschiedenen zu
erforschenden Perspektiven geben. Unter methodischen Gesichtspunkten kritisieren
sie den Forschungsstand als zu wenig ausgereift:

This review has argued that there is still a need for more research on Tablet use in
education that is based on larger sample sizes and, preferably, research on whole-
school adoption, which to date is rare. There is also a need for more longitudinal
research monitoring the development of educational Tablet use over time. In terms
of methodology, a greater variety is needed in order to approach the question of what
impact Tablets can have on teaching and learning from alternative angles. (Clarke
und Svanaes 2014, 13)
Zum Stand der Forschung zum Tableteinsatz in Schule und Unterricht 129

In einem Verlaufsmodell fassen sie die wichtigsten Ergebnisse ihrer Recherche


zusammen (Clarke und Svanaes 2014, 15). Danach ist der Erfolg der Integration
von Tablets von den Vorerfahrungen der Lehrpersonen mit Informationstechno-
logien, der Qualität der Geräte (u. a. Akkulaufzeiten, Interaktivität, zur Verfügung
stehenden Apps, Einfachheit der Benutzung) sowie dem pädagogischen Mehrwert
(u. a. Möglichkeiten zur Kommunikation und Kollaboration, Unabhängigkeit,
metakognitive Fähigkeiten, Raum-Zeit-Unabhängigkeit beim Lernen, persona-
lisierte Lernumgebung) abhängig. Hinzu kommt so etwas wie eine pädagogische
Vision, die die Medienintegration mit Tablets leitet. Für die Weiterführung von
Tabletprojekten bzw. deren fester und alltäglicher Etablierung in Schule und
Unterricht verweisen die Autoren auf die Notwendigkeit des Vorhandenseins von
technischer, administrativer und pädagogischer Unterstützung. Nicht zuletzt sind
die professionelle Entwicklung der Lehrkräfte, die Gelegenheit zum Austausch von
Ideen und Kollaboration mit Kolleginnen und Kollegen sowie die Einbeziehung
der Schülerinnen und Schüler von zentraler Bedeutung. Dieses Modell fasst sehr
gut zusammen, was inzwischen als sedimentierte Erfahrungen in fast allen Tab-
letprojekten wiedergegeben und auch in Empfehlungen zur Medienintegration wie
etwa bei Breiter, Stolpmann und Zeising (2015) festgeschrieben wird.
Die wenigen hier vorgestellten internationalen Übersichtsartikel bestätigen im
Großen und Ganzen die Erfahrungen, die auch in Deutschland gemacht wurden.
Lehrkräfte wie auch Schülerinnen und Schüler profitieren von dem Einsatz von
Tablets im Unterricht. Die wenigen Probleme, die berichtet werden, beziehen sich
überwiegend auf technische Aspekte als auch auf die Vorbereitung. Bewertet man
die vorliegenden Erfahrungen vorsichtig, dann kann man in Bezug auf die Kritiker
digitaler Medien in Schule und Unterricht erst einmal festhalten, dass es keine
negativen Effekte gibt. Da manche Studien unter methodischen Gesichtspunkten
kritisch gesehen werden müssen, sollten bei dem jetzigen Forschungsstand trotz
der hier referierten positiven Effekte die Bewertungen über den pädagogischen
Nutzen zurückhaltend sein.

4 Ausgewählte Studien zu Tabletprojekten

Wegen der Vielzahl von Studien und Erfahrungsberichte zu Tablets in Schule und
Unterricht sollen hier nur einige ausgewählte Studien sowie auch Erfahrungsbe-
richte vorgestellt werden. Erstere sind zum Teil auch fachdidaktisch orientiert,
letztere geben einen guten Einblick, wie vor allem in den ersten Jahren mit Tablets
130 Stefan Aufenanger

in Schulen gearbeitet wurde und welche Erfahrungen dabei gemacht wurden. Sie
genügen aber häufig nicht den Ansprüchen wissenschaftlicher Begleitforschung.
Einen ersten größeren Bericht legten Burden et al. (2012) schon zwei Jahren nach
Erscheinen des iPads vor. Im Rahmen des Scotland Curriculum for Excellence wurden
iPads in Schulen erprobt. Die wissenschaftliche Begleitforschung orientierte sich
an der Forschungsfrage: „How does the use of tablet devices (e. g. the iPad) impact
on teaching and learning?“ (Burden et al. 2012, 16). In einem Mehrebenendesign
wurden in sechs ausgewählten Schulen schriftlich Eltern sowie Schülerinnen und
Schüler befragt und mit den Projektlehrenden, dem Schulmanagement sowie
den Verantwortlichen in den lokalen Administrationen mündliche Einzel- und
Gruppeninterviews sowie Unterrichtsbeobachtungen durchgeführt. Die sehr
umfangreichen Ergebnisse zeigen auf, dass die Einführung der iPads u. a. zur Leis-
tungsförderung in den Kernelementen des Curriculums geführt haben, dass aus
der Sicht der Lehrkräfte durch den direkten Zugang zum Internet der Unterricht
dynamischer und flexibler wurde und bei manchen Lehrkräften zu einer veränder-
ten Lernkultur geführt hat. Der Bericht betont besonders, dass jene Schülerinnen
und Schüler, die eine 1:1-Ausstattung hatten, besonders von den Geräten profitiert
haben. Der eigene Besitz führte zu mehr interdisziplinären Aktivitäten. Weiterhin
hat sich die Lehrrolle durch diese Medienintegration verändert und zwar in der
Hinsicht, dass häufiger mit den Schülerinnen und Schülern zusammengearbeitet
wurde, Schülerinnen und Schüler stärker kreativ und miteinander gearbeitet haben
und eine bessere und schnellere Rückmeldung zu Hausaufgaben gegeben werden
konnte. Auch die befragten Eltern bestätigten die positiven Wirkungen der iPads
auf die Motivation ihrer Kinder.
Zugleich machte der Bericht aber auch auf Herausforderungen durch eine
solche Implementation von digitalen Medien in Schule aufmerksam. So wurde
herausgestellt, dass die Unterstützung durch politische und administrative Gremien
sehr wichtig ist und den Schulen genügend Zeit zur Umsetzung des Einsatzes von
Tablets gegeben werden muss. Auch Fragen der Sicherheit und des Umgangs mit
personenbezogenen Daten sowie Cloudlösungen wurden damals schon angespro-
chen. Nicht zuletzt spielen dem Bericht zufolge für den Erfolg von Tabletprojekten
die Robustheit einer medialen Infrastruktur sowie die professionelle Entwicklung
der Lehrkräfte eine zentrale Rolle. Insgesamt zeigt der Bericht aber ein positives
Bild des Einsatzes von Tablets in Schule und Unterricht auf.
Auch das Trinity College in Melbourne/Australien hat bereits seit dem Auf-
kommen der Tablets die Geräte erprobt und im Unterricht eingesetzt. Oberstu-
fenschülerinnen und -schüler sowie Lehrkräfte wurden bereits kurz nach dem
Markteintritt der iPads mit den Geräten ausgestattet und zugleich wurde eine
Begleitforschung initiiert (Jennings et al. 2011). Das Besondere an diesem Projekt
Zum Stand der Forschung zum Tableteinsatz in Schule und Unterricht 131

ist, dass neben dem Einsatz von iPads die Lehrkräfte selbst mit iBook Author und
iTunes U Unterrichtsmaterialen für Biologie, Chemie, Literatur und ‚English for
Academic Purposes‘ (EAP) entwickeln. In iTunes U wurden dann die erstellen Bü-
cher und multimedialen Materialien gebündelt den anderen Nutzern zur Verfügung
gestellt. Die iPads wurden vor allem wegen ihrer Flexibilität und Wertschöpfung,
den Kosten im Vergleich zu Computerräumen und deren Administration, dem
Gewicht und der Größe sowie ihrer Batterielaufzeit gewählt. Außerdem sind sie
relativ wartungsarm, und die Touchscreen-Technologie spricht alle Lernstile an,
einschließlich visuelle, auditive und kinästhetische. Der Projektbericht macht
deutlich, dass iPads effektiv, langlebig und zuverlässig sind. Auch lassen sich die
gewünschten Bildungsziele schneller und mit mehr Spaß erreichen lassen. Die iPads
wurden nicht als Ersatz der anderen Computer oder Notebooks gesehen, die sich
schon im Einsatz befanden, sondern als eine Erweiterung, die neue Möglichkeiten
des pädagogischen Arbeitens in Schule und Unterricht schafft. Ein Schüler drückt
in einem Interview seine Erfahrungen am Trinity College-Programm wie folgt aus:
„I feel very lucky to have such a rare chance studying in a brand new way with the
iPad and I’m moved by this surprising piece of new high-tech. If it is possible I really
want to keep it with me and I would like to recommend to my mum cause iPad
is also very helpful in our daily life. Finally, I’m looking forward that this project
will be well developed in the future“ (Jennings et al. 2011, 4). In einer schriftlichen
Befragung wurden insgesamt 106 Lehrkräfte wie auch Schülerinnen und Schüler
befragt5. Darüber hinaus wurden Interviews mit ausgewählten Personen aus den
beiden Gruppen geführt. Neben der positiven Bewertung der iPads bezüglich
ihrer technischen Qualität wurde von den Befragten der pädagogische Mehrwert
betont. Dies betrifft vor allem die Unterstützung von aktiven Lerntechniken, die
Individualisierung der Lerninhalte für Schülerinnen und Schüler, der schnelle
Zugang zu Informationen sowie das kollaborative Arbeiten. Das College hat nach
diesen Ergebnissen das Projekt weitergeführt und im Unterricht wird auch Jahre
danach immer noch mit iPads gearbeitet.6
Ebenfalls eine größere Studie zur iPad-Nutzung in Schulen in der kanadischen
Region Quebec wurde von Karsenti und seiner Arbeitsgruppe (Karsenti 2015, 2016;
Karsenti und Fievez 2013) durchgeführt. Über mehrere Jahre hinweg wurden in
drei Phasen 9.855 Schülerinnen und Schüler sowie 657 Lehrpersonen interviewt,
44 Gruppeninterviews mit Schülerinnen und Schülern und 16 mit Lehrpersonen

5 Eine Differenzierung bezüglich der Stichprobe zwischen diesen beiden Gruppen ist im
Bericht nicht zu finden.
6 Vgl. dazu die Webseite des Trinity Colleges http://www.trinity.unimelb.edu.au/about/
flagship-programs/ipads-in-the-classroom.html (Zugegriffen am 31.3.2016)
132 Stefan Aufenanger

durchgeführt sowie 18 Unterrichtsstunden zur Analyse aufgezeichnet. Nach Aussa-


gen der Autoren nutzten 2015 circa 200.000 Schülerinnen und Schüler im Unterricht
iPads, 2016 sollten es schon 300.000 sein. Die Ergebnisse der ersten beiden Phasen
zeigen insgesamt 35 Potenziale der iPads im Unterricht auf, wobei als wichtigste
u. a. die gesteigerte Motivation der Schülerinnen und Schüler und verbesserte
Kooperationen zwischen Lehrperson und Schülerinnen bzw. Schülern sowie den
Lernenden untereinander genannt wurden. Auch stärkt das iPad die Möglichkeit
der Schülerinnen und Schüler nach dem eigenen Rhythmus zu lernen sowie ihre
Kreativität und die Wahrnehmung der eigenen Kompetenz. Als größtes Problem
berichteten die Lehrpersonen die Ablenkungen durch die iPads, jedenfalls in der
Anfangsphase. Insgesamt wird aber auch deutlich, dass das iPad allein noch keinen
guten Unterricht macht. Karsenti (2015) fasst seine Folgerung wie folgt zusammen:

Overall, it appears from the data collected that technologies and devices by them-
selves do not motivate students to learn or improve their performance. What counts
is how they are used, by both teachers and students. In other words, the iPad has a
great education potential or a role to play in education only insofar as it can make a
meaningful contribution to the school’s educational mission. (Karsenti 2015, 2410)

Ebenfalls in Kanada wurden in der Region Alberta schon 2010 iPads in Schulen
erprobt. Ein Bericht über die gemachten Erfahrungen wurde auf einer Versammlung
von 147 Schulvertreten dieser Schulen im Oktober 2011 vorgelegt (Alberta 2012).
Danach zeigte der Einsatz der Tablets ein gesteigertes Engagement der Schülerinnen
und Schüler, bot ihnen verschiedene Lernwege und erweiterte Überprüfungsmög-
lichkeiten. Zugleich wurde jedoch auch auf Schwierigkeiten aufmerksam gemacht,
die der Einsatz des neuen Geräts mit sich gebracht hat, etwa die Administration
der Apps oder die Frage, wie mit Datensicherheit und personenbezogenen Daten
umgegangen werden sollte. Nicht zuletzt beklagten sich auch einige Lehrkräfte,
dass sie viel Zeit mit allgemeinen technischen Administrationsaufgaben verbracht
hatten. Abschließend hält der Bericht fest: „iPads offer unique learning benefits
to students and teachers and are also contributing to a larger technology trend of
personalization“ (Alberta 2012, 21).
Neben den hier referierten Studien und Berichte sind weitere erschienen, die
alle zu einer überwiegend positiven Bewertung des Einsatzes von Tablets im
Unterricht kommen. Dazu gehören u. a. Making Learning Mobile 1.0 der Fairfax
County Public Schools (Project Tomorrow 2013), ein iPad-Projekt in Stockholm,
in dem 2012 in 13 Schulen 2285 iPads eingeführt wurden (Stockholms Stad 2013)
oder das FATIH Project for Education in Turkey, welches die Implementation von
Tablets an türkischen Schulen untersucht (Isci 2015).
Zum Stand der Forschung zum Tableteinsatz in Schule und Unterricht 133

Viele dieser Studien zur Nutzung von Tablets in Schule und Unterricht sind eher
auf Erwartungen, Akzeptanz, Zufriedenheit oder Nutzungsmuster ausgerichtet.
Dagegen wäre es gerade in der Auseinandersetzung mit Skeptikern und Kritikern
von digitalen Medien in Lehr- und Lernprozessen interessant zu wissen, welche
Effekte in Bezug vor allem auf Schulleistungen diese Geräte bringen. Dazu liegen
sehr umfangreiche Studien vor, die hier nicht alle referiert werden sollen, da sie
zum Teil sehr fachspezifisch sind. Dies betrifft etwa den Einsatz von Tablets im
Mathematikunterricht (Ginsburg 2014; Gitsaki und Robby 2016; Isabwe 2012;
Moyer-Packenham et al. 2015; O’Malley et al. 2013; Ozdemir 2013; Schuetz 2016),
im Physikunterricht (Y.-J. Lee 2015; Nicholson-Dykstra et al. 2013; Wilson et al.
2013) oder auch im Sprach- bzw. Literaturunterricht (Chen 2013; Gabarre et al. 2014;
Hubbard 2013; Huber 2012; Itayem 2014; Lys 2013; Tervo 2014). Sie alle kommen
zu positiven Ergebnissen bezüglich der Nutzung von Tablets durch Schülerinnen
und Schüler, nur wenige weisen auf Probleme hin, die aber meist die mediale
Infrastruktur oder der unzureichenden Vorbereitung der Lehrkräfte betreffen.

5 Fazit

Die Übersicht über nationale und internationale Projekte, in denen Tablets in


Schule und Unterricht eingesetzt werden, zeigt, dass seit der Einführung von
Tablets – und insbesondere der iPads von Apple – in pädagogischen Institutionen
eine überwiegend positive Veränderung der Unterrichtskultur erreicht wurde.
Die vorliegenden Erfahrungsberichte wie auch wissenschaftlichen Begleitstudien
zeigen, dass Schülerinnen und Schüler größtenteils von den Tablets profitieren.
Vorteile für das Lernen werden in fast allen Studien herausgestellt. Als nachteilig
stellt sich neben einer problematischen medialen Infrastruktur häufig die Ablen-
kung durch die digitalen Medien während des Unterrichts heraus. Beides sind
aber Probleme, die sich lösen lassen, erstere durch entsprechende Investitionen,
letztere durch soziale Regeln, die gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern
sich lösen lassen könnten.
Neben der Perspektive der Schülerinnen und Schüler ist es auch wichtig, die
Perspektive der beteiligten Lehrpersonen einzubeziehen. Auch sie nehmen in den
dargestellten Studien die Nutzung von Tablets im Unterricht vorwiegend positiv wahr.
Jedoch fühlen sie sich häufig nicht genügend auf die damit verbundenen Aufgaben
vorbereitet. Es ist wichtig, sie in ihrer professionellen Entwicklung zu unterstützen
und ihnen Gelegenheit zu geben, sich mit den Geräten angemessen vertraut zu
machen, um im Unterricht damit auch pädagogisch sinnvoll agieren zu können.
134 Stefan Aufenanger

Aus forschungsmethodischer Sicht ist anzumerken, dass weitere, differenzierte


Studien notwendig sind, um Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler besser
von den Tablets profitieren zu lassen. Das heißt zum Beispiel, lernrelevante Schü-
lerdaten einzubeziehen, Lern- und Lehrstile zu untersuchen oder insgesamt mehr
Unterrichtsbeobachtungen durchzuführen, um konkrete Einsatzszenarien besser
bewerten zu können. Auch sollten stärker Testverfahren eingesetzt werden und
weniger Meinungsabfragen und Selbsteinschätzungen. Im Vergleich zu den inter-
nationalen Studien können sich die nationalen wissenschaftlichen Begleitstudien in
Deutschland gut präsentieren. Sie sind forschungsmethodisch differenziert aufgebaut
und arbeiten auch sehr häufig mit Unterrichtsbeobachtungen. Einzig und allein die
geringe Verbreitung von Tablets in Schulen im Vergleich zu vor allem amerikanischen
Tabletprojekten, bei denen häufig mehrere Tausend Geräte in Schulen eingebracht
werden, zeichnet die Situation in Deutschland aus. Insgesamt gesehen kann jedoch
die Medienintegration von Tablets in Schule und Unterricht als ein Erfolgsprojekt
gekennzeichnet werden, auch wenn es noch einiges zu erforschen gibt.

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Tablets zur Neubestimmung des Lernens?
Befragung und Unterrichtsbeobachtung zur
Bestimmung der Integration von Tablets in den
Unterricht
Jasmin Bastian

Zusammenfassung

Der Beitrag bietet unterschiedliche Perspektiven auf die Integration von Tablets
an weiterführenden Schulen . Den Ausgangspunkt stellt die Frage dar, ob sich
im Zusammenhang mit der Tabletnutzung auch von einer Neubestimmung des
Lernens sprechen lässt . Der Begriff geht auf die höchste Stufe des SAMR-Mo-
dells (Puentedura 2006) zurück, auf der die Medienintegration gänzlich neue
Lernaufgaben ermöglicht . Bastian geht der Frage nach, indem sie ausgewählte
Daten aus ihrer Begleitforschung an neun Schulen zeigt: Zum einen verdeutlichen
Befragungsdaten subjektive Perspektiven der beteiligten Akteure . Zum anderen
werden Wandlungsprozesse auf Basis konkreter Unterrichtsbeobachtungen
evaluiert . Die Daten zeigen, dass der Einsatz von Tablets häufig noch nicht auf
der Stufe der Neubestimmung angekommen ist .

1 Einleitung

Immer mehr deutsche Schulen und Schulträger statten einzelne Klassen oder Klas-
senstufen mit Tablets aus . Aus pädagogischer Sicht ergibt sich daraus der Anspruch,
einen Blick auf Veränderungen in der Wissensvermittlung mit dem Tablet zu werfen .
Die bisherigen Ergebnisse von nationalen und internationalen Untersuchungen, die
sich mit dem schulischen Einsatz von Tablets oder mobilen Geräten im Allgemei-
nen beschäft igen, sind dabei auffallend positiv (vgl . Aufenanger in diesem Band):
Einzelne Studien beschreiben eine Veränderung bzw . Verbesserung von Lehr- und
Lernprozessen (Bjerede und Bondi 2012; Ciampa 2014; Clark und Luckin 2013; Haßler
et al . 2016; Henderson und Yeow 2012; Magley 2011) . Diese Veränderung bezieht
139
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_7
140 Jasmin Bastian

sich nicht allein auf die technischen Einsatzmöglichkeiten der Geräte. Vielmehr
geht mit dem Einsatz häufig ein stärker eigenverantwortliches, selbstgesteuertes
und differenziertes Lernen, eine Verstärkung der Schüleraktivierung (Burden et al.
2012; Heinrich 2012; Welling und Stolpmann 2012) sowie eine verstärkte Kollabo-
ration der Lernenden untereinander einher (Henderson und Yeow 2012; Higgins et
al. 2012). Darüber hinaus kann die Ausstattung mit einem persönlichen mobilen
Gerät ein nahtloses Lernen (seamless learning; Wong und Looi 2011) ermöglichen,
indem die innerschulischen durch außerschulische, informelle Lernprozesse mit
dem Gerät ergänzt bzw. noch intensiviert werden (vgl. Prasse, Egger und Honegger
in diesem Band; auch Burden et al. 2012; Welling et al. 2014). Bereits vorhandene
Kompetenzen und Vorerfahrungen durch private Nutzungsroutinen können das
Lernen mit dem Tablet für Schülerinnen und Schüler im schulischen wie außer-
schulischen Kontext außerdem authentischer und bedeutungsvoller machen (Wong
2012). Studien wie etwa PISA 2012 oder ICILS 2013 verweisen ferner darauf, dass
die außerschulische Nutzung von digitalen Medien den Erwerb unterschiedlicher
Kompetenzen – wie Informations- und Bedienkompetenzen – stärker fördern
kann als eine rein schulische Nutzung (Eickelmann et al. 2015; Fraillon et al. 2014).
Wenn es um die – didaktisch plan- und sinnvolle – Integration von Tablets in
den Unterricht sowie um die Umsetzung innovativer Unterrichtskonzepte geht,
spielt neben den Möglichkeiten des Geräts insbesondere die Lehrperson eine
zentrale Rolle (Montrieux et al. 2014). Ihre Einstellungen, Beliefs, Orientierungen
oder auch ihr Habitus sind von zentraler Bedeutung bei der Frage, ob oder wie
digitale Medien im Unterricht eingesetzt werden (Bastian und Aufenanger 2015;
Brüggemann 2013; Chen et al. 2009, Kommer 2010, Vanderlinde und van Braak
2011). Bereits durch den Geräteeinsatz können aber Reflexionsprozesse ausgelöst
werden, die zu einer Beschäftigung mit der eigenen professionellen Rolle und auf
dieser Basis zu einer Veränderung der eigenen Lehrpraxis führen (Burden et al.
2012; Clark und Luckin 2013). Auch kann die konkrete Integration mobiler Tech-
nologien Lehrende dazu ermutigen, alternative Aktivitäten zu erkunden, die durch
traditionelle Medien bisher nicht möglich waren (Burden et al. 2012). Außerdem
sollte bei der Untersuchung des Einsatzes von Tablets in der Schule immer auch
der bevorzugte Unterrichtsstil einer Lehrperson berücksichtigt werden. Becker
und Ravitz (1999) haben schon vor fast zwei Jahrzehnten bei der Untersuchung der
Nutzung von Computer und Internet im Unterricht festgestellt, dass der Einsatz
entweder durch ein traditionelles oder konstruktivistisch orientiertes Unterrichtsbild
der Lehrperson geprägt ist. Dieses Bild beeinflusst sowohl den Medieneinsatz als
auch die Didaktik. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Montrieux et al. (2014)
bei einer Untersuchung des Handelns von Lehrpersonen im Unterricht mit Tablets
im Speziellen: Sie finden Lehrende, die einen eher konservativen Unterricht abhalten
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 141

und ihr Unterrichtshandeln auch beim Einsatz von Tablets nicht verändern oder
den Geräten anpassen (instrumental teachers) und Lehrende, die ihren Unterricht
und ihre Rolle mit der Einführung des Tablets verändern (innovative teachers). Dies
führt zu dem Vorschlag, innovative Lehrende stärker zu unterstützen, um einen
Wandel von Unterricht(skultur) zu fördern.
Wird das Unterrichtshandeln von Lehrenden untersucht, ist aber auch zu
berücksichtigen, dass der gelingende Einsatz neuer Technologien im Unterricht
hohe Anforderungen an diese stellt. Studien machen deutlich, dass sich zahlreiche
Lehrpersonen noch unerfahren in der Nutzung von Lerntechnologien fühlen und
einen verstärkten Bedarf an zusätzlichem Feedback und Unterstützung haben (West
2012). Oakley et al. (2012) zeigen auf, dass nicht nur Unsicherheiten in Bezug auf die
Techniknutzung vorliegen, sondern auch in Bezug auf die (medien)pädagogische
und (medien-)didaktische Umsetzung. Es ergeben sich klare Anforderungen an eine
entsprechende Lehrerausbildung und -weiterbildung (Heinrich 2012; Henderson
und Yeow 2012) oder – statt eines umfangreichen formalen Trainings – die Unter-
stützung eines eigenen informellen und experimentellen Lernens der Lehrpersonen
(Burden et al. 2012). Diese Bedarfe werden auch durch Aussagen von Schülerinnen
und Schülern bestätigt, die Lehrenden die Empfehlung geben, ihre didaktischen
Fähigkeiten zu schulen (Montrieux et al. 2014).
Eine Metastudie von Haßler et al. (2016) nimmt darüber hinaus die hohen
pädagogischen Zielsetzungen und innovativ klingenden Unterrichtskonzepte, die
sich häufig in Projektbeschreibungen oder Medienkonzepten von Schulen finden
lassen, zum Anlass, sich mit der praktischen Umsetzung dieser zu beschäftigen.
Dazu werten sie Forschungsergebnisse zur tatsächlichen Nutzung von Tablets
aus, mit einem konkreten Fokus auf die damit einhergehenden Lernerfolge. Hier
können Haßler et al. mehrheitlich die zuvor bereits aufgeführten positiven Effekte
nachweisen, kommen allerdings zu einem weiteren zentralen Ergebnis: Die der-
zeitige Forschungslage ist noch zu bruchstückhaft, um detaillierte Schlüsse ziehen
zu können, wie oder weshalb Tablets das Lernen unterstützen. Die Ergebnisse
ihrer Metastudie lassen deutlich werden, dass zukünftig nicht mehr nur explo-
rativ vorgegangen, sondern vielmehr systematisch in die Tiefe gegangen und auf
vorhandene Ergebnisse aufgebaut werden sollte. Anstatt der wiederholten Abfrage
einfacher Effekte sollte sich die Forschung detaillierter und differenzierter mit der
Veränderung von Lehr- und Lernprozessen mit dem Tablet auseinandersetzen.
Wird, wie im vorliegenden Beitrag, die Integration von Tablets in den Unter-
richt untersucht, muss außerdem über methodologische Herangehensweisen und
Forschungsdesigns reflektiert werden. Bisher geschieht die Evaluation des Einsatzes
der Geräte häufig in Form von mündlichen oder schriftlichen Befragungen der in-
volvierten Personen. In diesem Fall spiegeln die Ergebnisse vielfach die subjektiven
142 Jasmin Bastian

Perspektiven der Akteure wider. Deutlich seltener werden Wandlungsprozesse des


Lehrens und Lernens mit Tablets beispielsweise auf der Basis konkreter Unterrichts-
beobachtungen evaluiert. Wie schon der Beitrag von Welling in diesem Band unter
Bezugnahme auf Nohl (2011) sowie Nohl und Wulf (2013) argumentiert, spielt
aber gerade beim Handeln mit digitalen Medien und insbesondere im Internet das
Visuelle bzw. das Medium des Bildes eine zentrale Rolle. Um die nichtsprachliche
Performativität von Bildern in empirische Untersuchungen einbeziehen zu können,
muss über eine Erweiterung des Methodenrepertoires über Befragungen hinaus
nachgedacht werden. Hier erscheinen Videobeobachtung und -analyse als geeignete
Methoden zur Datengewinnung bzw. Auswertung, die auch eine Berücksichtigung
von Bildhaftigkeit ermöglichen und über die Abfrage subjektiver Perspektiven
hinauszugehen vermögen.
Im Rahmen der im Folgenden präsentierten Begleitforschung zur Einführung von
Tablets an neun weiterführenden Schulen in Rheinland-Pfalz wird die Integration
in den Unterricht aus beiden Perspektiven betrachtet: Zunächst geben Daten aus
einer schriftlichen Befragung einen Einblick in subjektive Lehrer- bzw. Schüler-
perspektiven auf den Unterricht mit Tablets. Diese werden durch die Ergebnisse
von Videoanalysen aufgezeichneter Unterrichtssequenzen ergänzt. Dabei steht die
Fragestellung im Fokus, in welcher Weise Tablets in den Fachunterricht an Schulen,
die mit mobilen Geräten ausgestattet wurden, integriert werden. Da die Begleitfor-
schung noch nicht abgeschlossen ist, stellt der Beitrag einen Zwischenbericht dar,
der eine Auswahl erster Ergebnisse präsentiert.

2 Bestimmung der Integration von Tablets in


den Unterricht

Die Art der Integration von digitalen Medien1 in den Schulunterricht lässt sich
niedrigschwellig auf der Basis des SAMR-Modells (Puentedura 2006) bestimmen.
Das Modell umfasst dabei vier Stufen: Substitution, Augmentation, Modification,
Redefinition, welche mit Ersetzung, Erweiterung, Modifikation und Neubestimmung
ins Deutsche übersetzt werden können. Es orientiert sich an einer Revision der
Bloom’schen Taxonomien von Lernzielen im kognitiven Bereich (Anderson et al.
2001) und deren leiterförmigem Aufbau von einer niedrigen Stufe hin zu einer

1 Das Modell wurde nicht – wie in diesem Zusammenhang genutzt – speziell für die
Bestimmung der Integration von Tablets entwickelt, sondern für digitale Medien im
Allgemeinen.
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 143

hohen Stufe . Die niedrigste Stufe, auf der das Gerät eingesetzt werden kann, ist die
der Ersetzung, während es sich bei der höchsten Stufe um die der Neubestimmung
handelt . Die beiden unteren Ebenen der SAMR-Modells (Ersetzung, Erweiterung)
lassen sich mit den drei unteren Ebenen des Bloom’schen Modells (Erinnern, Ver-
stehen, Anwenden2) verbinden, während die beiden oberen Transformationsebenen
des SAMR-Modells (Modifi kation, Neubestimmung) mit den oberen Ebenen des
Bloom’schen Modells assoziiert werden (Analysieren, Bewerten, Erzeugen) . Der
Aufbau beider Modelle ist hierarchisch und führt, wie in Abbildung 1 ersichtlich,
von einfachen hin zu komplexen, anspruchsvollen Funktionen . Dabei ist eine
Verbindung der beiden Modelle nicht zwingend erforderlich, der Medieneinsatz
auf einer bestimmten Stufe des SAMR-Modells kann jedoch dazu genutzt werden,
entsprechende kognitive Lernziele des Bloom’schen Modells zu erreichen (vgl . dazu
Puentedura 2014) . Während die Modelle sich auf vielfältige Weise kombinieren
lassen, soll an dieser Stelle das vereinfachte SAMR-Modell genügen, um den Grad
der Integration des Tablets im Unterricht zu bestimmen . Es handelt sich dabei zwar

Abb. 1 Adaption des SAMR Modells nach Puentedura (2006) für den Einsatz von
Tablets im Unterricht

2 Übersetzung der Begriffe nach Baumgartner, P . (2011) . Taxonomie von Unterrichtsme-


thoden . Ein Plädoyer für didaktische Vielfalt . Kapitel 2: Taxonomie von Lernzielen – ein
Fallbeispiel . Münster u . a .: Waxmann . http://peter .baumgartner .name/wp-content/
uploads/2012/12/PDV-e-book-Kapitel-2 .pdf . Zugegriffen: 22 .3 .2016 .
144 Jasmin Bastian

nicht um ein wissenschaftlich fundiertes Modell3, eignet sich aber dennoch, um


gerade mit Lehrpersonen als Neuanfängern, die an Schulen eben erst damit beginnen
die neuen Technologien in ihrem Unterricht einzusetzen, ihren unterrichtlichen
Medieneinsatz zu reflektieren. Vor diesem Hintergrund wurde das Modell eingesetzt.
Auf der untersten Stufe, der Ersetzung, fungiert das Tablet als ein direkter Ersatz
für ein analoges Werkzeug, ohne dass es dabei zu funktionalen Veränderungen
kommt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn auf dem Tablet ein PDF gelesen wird
oder das Gerät genutzt wird, um einen Text einzutippen. Auf der zweiten Stufe,
der Erweiterung, dient das Tablet ebenfalls als ein direkter Ersatz für ein analoges
Werkzeug, jedoch mit funktionalen Verbesserungen. Das ist der Fall, wenn für den
entworfenen Text eine Rechtschreibprüfung durchgeführt werden kann, oder wenn
in einem E-Book beispielsweise einfache Wissenstests angeboten werden, die dem
Lernenden eine Rückmeldung darüber geben, ob Fragestellungen korrekt oder falsch
beantwortet wurden. Diese beiden unteren Stufen werden von Puentedura (2006)
mit dem Label Enhancement – also der Verstärkung – überschrieben. Der Einsatz
des Geräts auf diesen Stufen ist damit jedoch keineswegs mit einer Steigerung der
Qualität des Unterrichts gleichzusetzen, sondern eher mit einer Ausweitung der
möglichen Arbeitsweisen.
Die beiden oberen Stufen hingegen überschreibt Puentedura mit dem Label
der Transformation und deutet damit auf eine Umwandlung des Lernens hin. Auf
der dritten Stufe, der Modifikation, erlaubt der Geräteeinsatz beispielsweise eine
signifikante Neugestaltung von Lernaufgaben. Statt Lern- und Wissensinhalte
einfach herunterzuschreiben, kann es eine Aufgabe der Schülerinnen und Schü-
ler sein, sie in Form eines E-Books oder Weblogs zusammenzustellen und sie um
mit dem Tablet selbst produzierte Bild-, Ton- oder Videodokumente zu ergänzen,
die auch Lernen über andere Kanäle ermöglichen. Diese Lerninhalte lassen sich
beliebig erweitern, immer wieder überarbeiten und produktiv für das weitere
Lernen nutzen. Auf der vierten Ebene, der Neubestimmung, zeigt sich schließlich,
dass das Medium für die Entwicklung von Aufgaben genutzt wird, die ohne die
Technologie vorher nicht denkbar gewesen wären. Hier lassen sich beispielsweise
kollaborative, synchrone Schreibprojekte anführen oder auch die Erweiterung der
selbsterstellten Weblogs um ein Peer-Feedback, das wiederum genutzt wird, um
die produzierten Wissensinhalte im Verlauf des weiteren Lernens immer wieder
anzupassen und zu erweitern. So ist eine neue Interaktivität geschaffen, die neue
Lernaufgaben ermöglicht.

3 Dies wurde mehrfach kritisiert, beispielsweise in Form eines offenen Briefs durch
den schwedischen Medienpädagogen Jonas Linderoth: http://spelvetenskap.blogspot.
de/2013/10/open-letter-to-dr-ruben-puentedura.html. Zugegriffen: 15.03.2016.
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 145

Während das SAMR-Modell die Möglichkeit bietet, eine Aussage darüber zu


treffen, auf welche Weise die technischen Geräte in den Schulunterricht integriert
werden, beinhaltet dies nicht notwendigerweise gleichzeitig auch eine Aussage über
die Qualität des Unterrichts oder den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler.
Zwar strebt das Modell nach oben und ein Einsatz der Geräte in den Schulen auch
auf den höheren Stufen ist wünschenswert, jedoch ist dies keine Voraussetzung für
ein gutes Lehren und Lernen. Vielmehr ist das Erreichen der höheren Stufen im
Sinne einer vielfältigeren Nutzung der Geräte anzustreben, um nicht allein auf den
unteren Stufen zu verharren, sondern auch neue Lernaufgaben möglich zu machen
und das Lernen somit neu zu bestimmen.
In diesem Sinne wird im Rahmen der in Folge vorgestellten Studie gefragt bzw.
beobachtet, wie die Tablets an Schulen eingesetzt werden. Es soll untersucht werden,
ob sich neuartige didaktische Potenziale beschreiben lassen und ob es zu einer
Neubestimmung des Lernens kommt. Dazu wird an den Schulen der Tableteinsatz,
wie eingangs beschrieben, durch eine Kombination aus Beobachtung und Befra-
gung wissenschaftlich begleitet, die im Weiteren näher beschrieben werden sollen.

3 Anlage der Untersuchung zur Integration von Tablets


an weiterführenden Schulen

3.1 Kontext und Umsetzung

Die Datenbasis für den vorliegenden Beitrag bilden Befragungen und Unterrichts-
beobachtungen, die an neun rheinland-pfälzischen weiterführenden Schulen
durchgeführt wurden. Sie sind Bestandteil einer durch das rheinland-pfälzische
Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur in Auftrag ge-
gebenen Begleitforschung4 zum Landesprogramm Medienkompetenz macht Schule,
in dessen Rahmen Schulen mit Klassensätzen an Tablets ausgestattet wurden. Es
handelt sich bei diesen Schulen um drei Realschulen (plus)5, zwei Integrierte Gesamt-

4 Die Durchführung findet gemeinsam mit Stefan Aufenanger statt (s. Hinweis in der
Einführung zu diesem Band).
5 Es handelt sich bei diesem Schultyp um eine bundeslandspezifische Form einer Fusion
zwischen Realschule und Hauptschule. Seit Beginn des Schuljahres 2009/2010 wurden
alle Haupt- und Realschulen, Regionalen Schulen und dualen Oberschulen im Land
zusammengeführt.
146 Jasmin Bastian

schulen, zwei Gymnasien und zwei Förderschulen6. Im Kontext der Begleitforschung


wird auf der Basis einer qualitativen wie quantitativen Befragung der Lehrenden
bzw. der Schülerinnen und Schüler überprüft, inwieweit sich Veränderungen in
der Einstellung beider Personengruppen gegenüber der unterrichtlichen Nutzung
von Tablets beobachten lassen (erste Ergebnisse s. auch Bastian und Aufenanger
2015). Darüber hinaus wird durch Unterrichtsbeobachtungen und Videoanalysen
überprüft, inwiefern sich unterrichtliche Veränderungen beschreiben lassen. Mit
Rückgriff auf das SAMR-Modell wird gefragt, ob neuartige didaktische Poten-
ziale aufgegriffen werden und es zu einem Einsatz der Tablets nicht nur auf den
unteren, sondern auch auf den oberen Stufen des Modells kommt, im Sinne einer
Neubestimmung des Lernens?
Mit einem Augenmerk darauf, dass für einen durch neue Technologien beding-
ten Wandel der Lehr- und Lernkultur eine umfangreichere Zeitspanne eingeplant
werden muss (Fullan 2001), wurde der zeitliche Rahmen für die Längsschnittstudie
auf eine Spanne von fünf Jahren angelegt (2013-2017). Die nachfolgenden Ergebnisse
stellen daher lediglich einen Zwischenbericht bzw. Ausschnitt aus der Begleitfor-
schung dar. Die Befragungen finden im halbjährlichen (Unterrichtsbeobachtung)
bzw. jährlichen Turnus (Befragungen) statt. Die Ergebnisse, die in diesem Beitrag
dargestellt werden, beziehen sich auf die ersten beiden Erhebungswellen in den
Schuljahren 2013/14 und 2014/15. Zudem wird für den vorliegenden Beitrag lediglich
eine Auswahl an Befragungs- und Beobachtungsdaten einbezogen.
Die Befragung schließt sowohl Schülerinnen und Schüler aus Klassen ein, die
mit Tablets arbeiten, sowie – als Kontrollgruppe – auch Schülerinnen und Schüler,
die nicht mit Tablets ausgestattet wurden. Die Unterrichtsbeobachtungen finden
hingegen nur in Klassen statt, die mit Tablets ausgestattet wurden. Jedoch wurden
im Sinne eines Vorher-Nachher-Vergleichs auch Unterrichtsbeobachtungen vor
der Einführung der Geräte vorgenommen, um in Folge einen möglichen Wandel
durch den Einsatz des Gerätes beschreiben zu können.
Die Verteilung der Geräte blieb den Schulen überlassen: In fast allen Klassen
wurde der Einsatz der Geräte im Unterricht in Form eines Ausleihmodells für
einzelne Unterrichtsstunden praktiziert (83 Prozent). Das Modell einer 1:1-Ausstat-
tung ist hingegen noch die Ausnahme (17 Prozent). Im Falle einer 1:1 Ausstattung
durften darüber hinaus nur 2 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Geräte

6 An den Förderschulen wurde zum Teil ein standardisierter Online-Fragebogen verwendet,


der sich im Umfang und in der Sprache (teilweise leichte Sprache) von dem der anderen
Schulen unterscheidet, um den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht zu
werden. Teilweise konnten auch keine schriftlichen sondern ausschließlich mündliche
Befragungen vorgenommen werden. Diese Daten bleiben hier außen vor.
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 147

mit nach Hause nehmen, um diese auch dort weiter zu nutzen. Die Erfahrungen,
die im Weiteren beschrieben werden, sind daher vorrangig auf den Einsatz im
Klassenzimmer bezogen.

3.2 Stichprobe und methodisches Vorgehen

Die Stichprobe der schriftlichen Befragung umfasst N=606 Schülerinnen und Schüler
der fünften bis zehnten Klassen aus neun rheinland-pfälzischen Schulen. 45 Prozent
der Befragten sind weiblich und 55 Prozent männlich. Zum Befragungszeitpunkt
gehen 24 Prozent in eine 5./6. Klasse, 38 Prozent in eine 7./8. Klasse und 38 Pro-
zent in eine 9./10. Klasse. Von den N=71 in das Projekt eingebundenen, befragten
Lehrpersonen sind 71 Prozent weiblich und 29 Prozent männlich. Ein Blick auf
die Erfahrung der Lehrenden zeigt, dass diese überwiegend als berufserfahren
einzustufen sind: 48 Prozent der Befragten üben bereits über 10 Jahre ihren Beruf
aus, 27 Prozent zwischen 5 und 10 Jahre und nur 25 Prozent weniger als 5 Jahre.
Forschungsmethodisch wurden zum einen mündliche und schriftliche Befra-
gungen, zum anderen Unterrichtsbeobachtungen in Form von Videobeobachtungen
ausgewählt. Befragt wurden am Projekt teilnehmende Lehrpersonen, Schülerinnen
und Schüler sowie die Schulleitung. Die Visionen der Schulleitung sollen in diesem
Beitrag jedoch außen vor bleiben. Um zu evaluieren, welche Erwartungen, Bedürf-
nisse und Voraussetzungen Lehrpersonen und Schülerschaft an den Einsatz von
Tablets im Unterricht stellen, wurden auch Personen auf den Ebenen der Lehrer- wie
der Schülerschaft einbezogen, die bisher nicht mit Tablets gearbeitet haben. Ihre
Teilnahme ist aus dem Grunde von Vorteil, dass anhand ihrer Antworten sehr gut
die Erwartungen an einen Unterricht mit Tablets deutlich gemacht werden können.
Die schriftliche Befragung der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrpersonen
findet mittels Online-Fragebogen statt.7 Dieser umfasst variabel sowohl Fragen-
komplexe für tableterprobte wie auch für bisher unerfahrene Personen und besteht
aus einer Mischung aus vorgegebenen und offenen Antwortmöglichkeiten. Neben
einer Bewertung der unterrichtlichen Nutzung der Tablets wird insbesondere der
Fokus auf die subjektiven Perspektiven und Einstellungen der Projektbeteiligten
gegenüber dem Tablet als Lernmedium gelegt. Sie lassen jedoch keine Aussage über
die Integration der Geräte in den Unterricht zu.

7 Darüber hinaus findet eine mündliche Befragung in Form von Interviews mit Lehr-
personen und Schulleitung sowie in Form von Gruppendiskussionen mit Schülerinnen
und Schülern statt, welche in diesem Beitrag nicht abgebildet werden.
148 Jasmin Bastian

Dazu wurde die Begleitstudie im Jahr 2014 methodisch durch Videobeobach-


tungen ergänzt. Diese ermöglichen es, den konkreten Einsatz der Geräte im Schul-
unterricht zu analysieren. Die Unterrichtsbesuche finden im halbjährlichen Turnus
statt, werden in Form von Beobachtungsbögen und teilnehmenden Videobeobach-
tungen dokumentiert. Die Analyse und Auswertung der gewonnenen qualitativen
Daten erfolgt mit Hilfe einer Kombination aus den Verfahren der Videoanalyse
(zur Sequenzanalyse: Dinkelaker und Herrle 2009; Reichertz und Englert 2010)
sowie einer strukturalen Hermeneutik (vgl. Aufenanger und Lenssen 1986). Pro
Schuljahr werden ein bis vier Unterrichtsbeobachtungen an den teilnehmenden
Schulen durchgeführt. Nach der Sichtung des gesammelten Videomaterials erfolgte
zur Sequenzanalyse eine Auswahl von 19 Szenen, die einen möglichst differenzierten
Einsatz des Tablets zeigen. Ähnliche Szenen wurden ausgeschlossen. In den meisten
Fällen handelt es sich um kurze Szenen, in denen entweder die Lehrperson oder
die Schülerinnen und Schülern das Tablet bzw. eine App nutzen. Die Sequenzen
wurden so ausgewählt, dass nur eine Handlung mit dem Tablet beobachtet werden
kann, um eine eindeutige Zuordnung zu ermöglichen. Nach der sequenzana-
lytischen Auswertung des Videomaterials wurden in einem zweiten Schritt die
Ergebnisse mit den Stufen des SAMR-Modells in Zusammenhang gebracht, um
eine Aussage über die Stufe der Integration treffen zu können. Die Beobachtungen
wurden in den Klassenstufen 5 bis zur Oberstufe vorgenommen, je nachdem in
welchen Stufen die Lehrpersonen das Tablet eingesetzt haben. Beobachtet wurden
Unterrichtssequenzen in den Fächern Sozialkunde, Mathematik, Biologie, Physik,
Erdkunde und Französisch. Die Ergebnisdarstellung wird an das im zweiten Ab-
schnitt eingeführte SAMR-Modell als theoretische Grundlage angelehnt, indem
den Stufen der Integration konkrete Unterrichtssituationen zugeordnet werden.

4 Ergebnisse

4.1 Subjektive Perspektiven von Schülerinnen und Schülern

Die im Folgenden dargestellten, ausgewählten Ergebnisse bieten einen Einblick in


subjektive Perspektiven von Schülerinnen und Schülern auf die Tabletnutzung im
Unterricht sowie diesbezügliche Einstellungen. Ein erster Blick auf die Qualität
der Erfahrungen, die die befragten Schülerinnen und Schüler mit dem Tablet im
Unterricht gemacht haben, verdeutlicht, dass diese überwiegend positiv geprägt
sind. 40 Prozent der Befragten geben an, im Allgemeinen sehr gute Erfahrungen
gemacht zu haben, 50 Prozent beschreiben darüber hinaus gute Erfahrungen.
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 149

Demgegenüber benennen 8 Prozent schlechte und 2 Prozent sehr schlechte Erfah-


rungen mit dem unterrichtlichen Geräteeinsatz . Fokussierend gefragt nach den
wahrgenommenen Effekten des Tableteinsatzes im Unterricht, dominiert ebenfalls
die Nennung positiver Erfahrungen . Am häufigsten geben die Schülerinnen und
Schüler an, der Unterricht sei abwechslungsreicher geworden und sie seien motivierter
mitzuarbeiten, wie aus Abbildung 2 ersichtlich wird . Mögliche negative Effekte,
wie ein Ablenkungspotenzial oder mangelnde unterrichtliche Abwechslung werden
hingegen deutlich seltener benannt .

 Abb. 2 Von Schülerinnen und Schülern selbst wahrgenommene Effekte des


Tableteinsatzes im Unterricht (N=769; Mehrfachnennungen)

Betrachtet man im Kontrast dazu die Erwartungen an die Effekte des Tableteinsatzes
im Unterricht durch eine Vergleichsgruppe, die bisher nicht mit den Geräten gear-
beitet hat, zeigt sich ein ähnliches Bild (Abbildung 3) . Allein eine um das Doppelte
höhere Erwartung an den Einsatz des Gerätes zum selbstständigen Arbeiten wird in
der Vergleichsgruppe deutlich . Wie in Abbildung 2 ersichtlich, wird jedoch nur von
neun Prozent der Schülerinnen und Schüler, die bereits mit den Tablets gearbeitet
haben, ein solcher Effekt wahrgenommen . Es stellt sich daher die Frage, ob die
entsprechenden Potenziale des Tablets im Unterricht nicht berücksichtigt werden .
Darüber hinaus ist ungeklärt, ob die Schülerinnen und Schüler, die das Tablet
bisher nicht im Unterricht genutzt haben, dahingehende private Vorerfahrungen
150 Jasmin Bastian

haben und mit dem Gerät zu Hause einen selbstbestimmten Umgang pflegen . Dies
könnte zu einer entsprechenden Erwartungshaltung an die Nutzung in der Schule
führen, welche hier möglicherweise (noch) nicht erfüllt wird .

Abb. 3 Erwartungen an die Effekte des Tableteinsatzes im Unterricht durch


Schülerinnen und Schüler, die mit den Geräten noch nicht gearbeitet haben
(N=239; Mehrfachnennungen)

Darüber hinaus wurden die Schülerinnen und Schüler, die schon mit den Tablets
arbeiten, gebeten, im Rahmen einer Freitextantwort selbst die größten Vorteile des
Lernens mit dem Tablet im Unterricht zu benennen . Aus den Antworten lassen
sich vier übergeordnete Kategorien bilden .

• Höhere Motivation durch Abwechslungsreichtum


• Höhere Flexibiliät und selbständigeres Lernen
• Vereinfachung des Schreibprozesses
• Höhere Mobilität durch Multifunktionalität

Die beiden erstgenannten Kategorien beschreiben eher Vorteile für das individuelle
Lernen, die beiden unteren Kategorien eher eine Vereinfachung des Schulalltags
und damit einhergehender Prozesse, wobei der Übergang zu Vorteilen für das
individuelle Lernen hier fließend ist .
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 151

Besonders häufig geben die Schülerinnen und Schüler an, durch den Abwechs-
lungsreichtum, der mit den unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten des
Tablets einhergeht, eine höhere Motivation für Themen des Unterrichts wie auch
für das Lernen im Allgemeinen zu erlangen („Ich bin motivierter, weil man damit
mehr unterschiedliche Sachen machen kann als vorher, das macht es leichter auf-
zupassen und mitzumachen“). Die Abwechslung ergibt sich nach Schülerangaben
beispielsweise dadurch, dass Apps niedrigschwellig eine Vielzahl von Aktivitäten
unterstützen, beispielsweise durch die Film- oder Fotofunktion. Diese Angaben
stimmen auch mit den zuvor beschriebenen wahrgenommenen Effekten überein.
Darüber hinaus benennen die Befragten auch eine erhöhte eigene Flexibilität
beim Wissenserwerb als einen Vorteil des Tableteinsatzes. Dieser stellt sich für sie
zum Beispiel durch den Zugang zum Internet und damit einhergehend durch die
Vereinfachung von Arbeitsabläufen dar: etwa eine schnellere Rechercheoption oder
die Möglichkeit, Informationen schnell zu dokumentieren und ebenso schnell auch
wieder aus den eigenen Unterlagen löschen zu können („Schnellere Recherche“,
„Kann Infos suchen, abspeichern und schnell wieder löschen“). Dies begünstigt
einigen Befragten zufolge auch ein selbständigeres Lernen, das auch durch das Vor-
handensein hilfreicher Apps unterstützt wird („Viele Apps, die mir helfen können,
nicht nur Lehrer“, „Kann damit viel besser selbständig lernen“). Dieser beschrie-
bene Vorteil steht im Kontrast zu der eher geringen Anzahl an Schülerinnen und
Schülern (9 Prozent, vgl. Abbildung 2), die angeben, im Unterricht mit dem Tablet
selbständiger arbeiten zu können. Es bleibt zu klären, ob dies dadurch bedingt ist,
dass sich bei vielen Befragten durch den Tableteinsatz nichts geändert hat, da die
Lernenden bereits vorher eine entsprechende Lernkultur gepflegt haben, oder ob
hier ein reines (wenn auch in der Schule noch nicht selbst erfahrenes) Potenzial
der Tabletnutzung beschrieben wird. Dies ist denkbar, da die erstere Angabe sich
konkret auf das unterrichtliche Arbeiten bezogen hat, im Rahmen der Freitext-
antwort jedoch allgemeiner auf das eigene Lernen referiert wird – möglicherweise
unabhängig vom Unterricht. Hier sind vertiefende Daten zu erheben.
Darüber hinaus wird von den Schülerinnen und Schülern sehr häufig eine
Erleichterung des (Mit-)Schreibens benannt. Das betrifft zum einen das Schreiben
mit der Tastatur („schneller“), zum anderen die Verfügbarkeit einer automatischen
Rechtschreibhilfe oder -korrektur („Mache nicht mehr so viele Fehler, weil sie ge-
zeigt werden“). Mehrfach geben Schülerinnen und Schüler außerdem an, dass im
Unterricht mit Tablets generell seltener geschrieben werde. Grund dafür könnten
etwa die Nutzung von Lernprogrammen oder Anwendungen sein, welche keine
Notizen zulassen, oder auch die Nutzung anderer Möglichkeiten der Dokumen-
tation, etwa die Audio- oder Videoaufnahme.
152 Jasmin Bastian

Schließlich beschreiben die Schülerinnen und Schüler auch häufig eine erhöhte
Mobilität in unterschiedlichen Bereichen: Zum einen sind Arbeitsmaterialien in Form
von Dateien stets auf dem Tablet verfügbar („immer alles dabei und kann überall
arbeiten“). Auch durch die Nutzung von Tabletfunktionen, etwa dem integrierten
Taschenrechner oder der Schreibfunktion in Anwendungen zur Textverarbeitung,
lassen sich benötigte Unterrichtsmaterialien reduzieren. Dadurch verringert sich das
Gewicht zu tragender Schulmaterialien deutlich, was von den Befragten ebenfalls
als eine Erleichterung des Schulalltags beschrieben wird („Keine Bücher, Tasche
leichter“, „Weniger Zeug in die Schule schleppen“).
Insgesamt zeigen die ausgewählten Daten eines deutlich: Neben einer allgemei-
nen positiven Wahrnehmung machen die Schülerinnen und Schüler vor allem die
Erfahrung, dass das Tablet sich zur Steigerung der eignen Motivation eignet und
einen abwechslungsreicheren Unterricht fördert. Es bleibt abzuwarten, ob es sich
dabei um Anfangseffekte handelt. Ungeklärt ist, ob die Potenziale des Tablets für
ein selbständige(re)s Lernen und Arbeiten auch in der praktischen Umsetzung
genutzt werden. Dazu sollen die weiteren Daten zu Rate gezogen werden.

4.2 Subjektive Perspektiven von Lehrpersonen

Die folgenden ausgewählten Ergebnisse bieten einen Einblick in subjektive Per-


spektiven von Lehrpersonen in die Tabletnutzung im Unterricht sowie deren
diesbezügliche Einstellungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die meisten Lehr-
personen, die bereits erste Erfahrungen mit dem unterrichtlichen Geräteeinsatz
gemacht haben, zum Zeitpunkt der Erhebung gerade erst damit begonnen haben,
die Tablets im Unterricht zu nutzen (83 Prozent). Nur etwa jede sechste Lehrperson
(17 Prozent) arbeitete zum Befragungszeitpunkt schon seit längerer Zeit regelmäßig
mit dem Tablet.
Die meisten Lehrkräfte haben sich jedoch auf den Tableteinsatz im Unterricht
vorbereitet: Fast zwei Drittel der Befragten (60 Prozent) haben an einer spezifi-
schen schulinternen Fortbildung teilgenommen. Nahezu ein Drittel hat sich das
eigene Wissen autodidaktisch angeeignet (31 Prozent). Fast jede zehnte Lehrkraft
(9 Prozent) ging allerdings nach eigener Aussage vollkommen unvorbereitet mit
den Tablets in den Unterricht.
Dabei ist die Angabe der Lehrenden, sich auf den Einsatz vorbereitet zu haben,
nicht gleichzusetzen mit einem hohen diesbezüglichen Zeitaufwand. Vielmehr zeigt
sich auf die Frage hin, wie hoch der eigene zeitliche Aufwand war, um genügend auf
den Einsatz der Tablets im Unterricht vorbereitet zu sein, dass die Lehrenden diesen
als sehr gering einschätzen. So geben über die Hälfte der Befragten (60 Prozent) an,
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 153

für die Vorbereitung nur mehrere Stunden benötigt zu haben. Eine umfangreichere
Vorbereitung von immerhin mehreren Tagen benennt eine deutlich geringere Zahl
der Befragten (29 Prozent), ganz abgesehen von mehreren Wochen (11 Prozent).
Mehrere Monate hat sich keine der befragten Lehrpersonen Zeit genommen.
Darüber hinaus ist bei einer Betrachtung des Tableteinsatzes im Unterricht
auch von Interesse, welche Erfahrungen die Lehrpersonen bisher mit didaktischen
und mediendidaktischen Konzepten im Allgemeinen gemacht haben. Dieser
Aspekt ist deshalb von Bedeutung, da er den pädagogisch sinnvollen Einsatz von
Tablets im Unterricht unterstützen kann, wenn die Befragten eine entsprechende
Vorbildung erlangt haben. Auf die Frage, welche Erfahrungen die Lehrenden mit
mediendidaktischen bzw. medienpädagogischen Konzepten beim Einsatz digitaler
Medien im Unterricht haben, wird deutlich, dass in diesem Zusammenhang ein
gewisses Defizit zu bestehen scheint: Über die Hälfte der befragten Lehrpersonen
(57 Prozent) verwendet Medien im Unterricht, ohne sich dabei an spezifischen
mediendidaktischen oder medienpädagogischen Konzepten zu orientieren und gibt
an, auch keine entsprechenden Konzepte zu kennen. Die Kenntnis von Konzepten
führt hingegen nicht automatisch zu einer Berücksichtigung selbiger: 32 Prozent
der Lehrenden geben an, zwar Konzepte zu kennen, diese aber dennoch selten zu
berücksichtigen. Nur 11 Prozent kennen unterschiedliche Konzepte und wenden
sie auch an.
Die technische sowie auch die (medien)didaktische und -pädagogische Vorbe-
reitung der Lehrpersonen sind von Interesse, wenn der unterrichtliche Einsatz der
Geräte bewertet werden soll. Im Sinne eines medienpädagogisch und -didaktisch
fundierten Unterrichts, könnte ein zeitlicher Aufwand von nur wenigen Stunden
qualitative Einschränkungen bedingen. Auch könnte ein geringer Vorbereitungs-
aufwand dazu führen, dass Lehrenden innovative Unterrichtskonzepte unbekannt
sind. Hier zeigt sich, dass ein Mittelweg zwischen medienpädagogischen Notwen-
digkeiten und berufsalltäglichen Machbarkeiten erst noch gefunden werden muss.
Auf die Frage, wofür Lehrende die Tablets im Unterricht überwiegend einsetzten,
wird deutlich, dass diese eher ‚klassisch‘ genutzt werden (Abbildung 5): an erster
Stelle steht das Informieren und Recherchieren durch die Schülerinnen und Schüler,
gefolgt von einer Arbeit mit konkreten Apps. Im Rahmen eines Freitextfeldes gaben
die befragten Lehrerinnen und Lehrer darüber hinaus an, dass sie vorwiegend Apps
nutzen, die eine Beschäftigung mit Lernspielen, die Produktion medialer Inhalte
(Bilder, Videos) oder die Erstellung von Präsentationen ermöglichen. Wenig bis
nahezu gar nicht genutzt werden jedoch digitale Materialien, Kommunikationspo-
tenziale digitaler Medien sowie Dokumentationsmöglichkeiten, etwa im Sinne einer
Anfertigung von Unterrichtsnotizen.
154 Jasmin Bastian

Abb. 4 Überwiegende Nutzung von Tablets im Unterricht (N=161;


Mehrfachnennungen)

Darüber hinaus wurde auch eine Vergleichsgruppe, die noch keine Erfahrungen
mit Tablets in ihrem Unterricht gesammelt hatte, nach ihrer gewünschten Nutzung
von Tablets befragt . Die Antworten verdeutlichen, dass die Tabletunerfahrenen in
vielen Bereichen ähnliche Vorannahmen und Erwartungen an einen Einsatz von
Tablets in der Schule haben . Sie bevorzugen ebenfalls die Nutzung der Geräte zum
Informieren und Recherchieren sowie zur Arbeit mit pädagogischen Apps, allerdings
haben sie eine deutlich höhere Erwartung an die Nutzung digitaler Materialien
(Abbildung 5) . Die Nutzung zur Kommunikation sowie zur Anfertigung von Notizen
erscheint auch den Tabeletunerfahrenen nicht vorrangig erstrebenswert .

Abb. 5 Favorisierte Nutzung von Tablets im Unterricht (N=160; Mehrfachnennungen)


Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 155

Lehrende setzen Tablets auf unterschiedliche Weise in ihrem Unterricht ein, wobei
der jeweilige Einsatz auch Folgen für das Lernen hat . Aus diesem Grunde wurden
die Lehrenden auch nach Veränderungen im Unterricht seit dem Einsatz der Tablets
befragt . Die Antworten lassen deutlich werden, dass die Befragten vor allem eine
gesteigerte Motivation ihrer Schülerinnen und Schüler im Tabletunterricht wahr-
nehmen, sowie auch eine aktivere Mitarbeit (Abbildung 6) . Dies stimmt auch mit
der Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler überein, die den Tabletunterricht
als motivierender und abwechslungsreicher beschrieben hatten (vgl . Abbildung 2) .
Eine Überforderung der Schülerinnen und Schüler konnte hingegen kaum beob-
achtet werden . Von einem Teil der Lehrpersonen wird jedoch berichtet, dass die
Schülerinnen und Schüler durch die Nutzung der Tablets abgelenkt worden seien .
Ob es sich hier um einen Anfangseffekt aufgrund des Neuheitswertes des Gerätes
handelt, bleibt abzuklären . Auch sei der Unterricht schülerzentrierter geworden . Etwa
jede siebte Lehrperson gibt an, dass sich gar keine Veränderungen ergeben hätten .

Abb. 6 Veränderungen im Unterricht durch den Tableteinsatz (N=68;


Mehrfachnennungen)

Darüber hinaus nimmt die Begleitforschung genauer in den Blick, welche Wirkung
mobilen Medien im Unterricht unterstellt wird . Dazu werden unter anderem die
Annahmen von Lehrpersonen zur potenziellen Eignung von Tablets in Hinblick
auf unterschiedliche Items abgefragt (Abbildung 7) . Es wird deutlich, dass Tablets
vor allem ein Potenzial für die Steigerung der Motivation der Schülerinnen und
Schüler unterstellt wird (98 Prozent beschreiben eine gute/sehr gute Eignung) .
Ebenfalls sehr häufig wird ein Potenzial für die Vorbereitung auf den Beruf bzw.
Arbeitsmarkt unterstellt (92 Prozent beschreiben eine gute/sehr gute Eignung) . Auch
156 Jasmin Bastian

wird das Gerät vor allem als geeignet zur Einzelarbeit wahrgenommen (96 Prozent
beschreiben eine gute/sehr gute Eignung), während Potenziale zum kollaborativen
Arbeiten weniger gesehen werden (66 Prozent gute/sehr gute Eignung; 34 Prozent
schlechte/sehr schlechte Eignung) wie auch die Kommunikationsmöglichkeiten
der Schülerinnen und Schüler untereinander (54 Prozent gute/sehr gute Eignung;
46 Prozent schlechte/sehr schlechte Eignung) . Eine geringere Rolle spielt auch eine
Unterstützungsfunktion beim Einprägen von Lernstoff (58 Prozent gute/sehr gute
Eignung; 42 schlechte/sehr schlechte Eignung) .

Abb. 7 Eignung von Tablets im Unterricht (N=71)

Schließlich wurden die Lehrpersonen gebeten, in Rahmen einer Freitextantwort


selbst die größten Vorteile des Lernens mit dem Tablet im Unterricht zu benennen .
Aus den Antworten lassen sich sechs übergeordnete Kategorien bilden:

• Motivation
• Förderung des eigenständigen Lernens
• Schnelle Möglichkeit etwas darzustellen
• Schneller Zugriff auf Inhalte
• Förderung von Medienkompetenz
• Möglichkeit des kreativen Arbeitens
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 157

Die ersten vier Kategorien wurden besonders häufig benannt. Den größten Vorteil
sehen die Lehrpersonen im Motivationspotential von Tablets. Sie geben an, dass
die Arbeit mit den Geräten eine große Anzahl von Schülerinnen und Schülern zu
einer stärkeren Mitarbeit motiviere („SuS werden motiviert, auch weil Geräte viel
Neues mit sich bringen“). Des Weiteren beschreiben die Lehrpersonen häufig einen
Vorteil im Potenzial des Mediums, ein eigenständigeres Lernen ihrer Schülerinnen
und Schüler zu fördern („Schüler können so viel selbständiger arbeiten und eigene
Lernziele verfolgen“). Zum dritten heben die Befragten die Qualität des Tablets hervor,
den Schülerinnen und Schülern eine schnelle Möglichkeit zu bieten, Arbeitsergebnisse
oder Lerninhalte darzustellen. Hierin ist nicht nur die Präsentation von Daten mit
Präsentationsprogrammen eingeschlossen. Bezüglich der Darstellungsmöglichkei-
ten wird von den Lehrpersonen besonders häufig auch die Möglichkeit des Geräts
benannt, auf einfache Weise Inhalte grafisch darzustellen – sei es im Mathemati-
kunterricht in Form einer Visualisierung von Graphen oder aber im Sportunterricht
die Nutzung des Gerätes zur Dokumentation eines Bewegungsablaufs per Video
(„Im Sportunterricht können Ergebnisse u. a. per Videoaufzeichnung gesichert
werden, z. B. Hochsprung“). Zum vierten geben die Befragten an, dass das Gerät
den Schülerinnen und Schülern einen schnellen Zugang zu Inhalten bieten könne.
Sei es der direkte Zugriff auf bereits zuvor erarbeitete oder von der Lehrperson zur
Verfügung gestellte Materialien oder eine Recherche via Zugriff auf Inhalte von
Offline- oder Onlinequellen („Schüler können so immer schnell an ihre Arbeitser-
gebnisse kommen (auch ältere)“, „schneller Zugriff auf Informationen“, „ich kann
so mit einem Klick Arbeitsmaterialien an alle verteilen“).
Darüber hinaus werden einzelne weitere Vorteile des Tableteinsatzes im Un-
terricht benannt, jedoch mit einer deutlich geringeren Häufigkeit, als die zuvor
genannten. Es handelt sich dabei vor allem um das Potenzial der Förderung von
Medienkompetenz auf Seiten der Schülerinnen und Schüler durch die Nutzung
der Endgeräte sowie um die Möglichkeit des kreativen Arbeitens mit dem Gerät,
indem es beispielsweise zum Produzieren von Filmen, Tonaufnahmen oder zum
Fotografieren genutzt wird. Das Letztgenannte wird nur noch mit einer geringen
Häufigkeit benannt. Es ist jedoch denkbar, dass das Aufzeigen solcher Potenziale
im Rahmen von Schulungen zu einem verstärkten Einsatz im Unterricht führen
und auch eine positive Wirkung auf das selbständige Lernen sowie die Motivation
der Schülerinnen und Schüler haben könnte – welche von den Lehrkräften zuvor
ja besonders betont worden waren.
Im nächsten Schritt wurden die Lehrkräfte gebeten, im Rahmen einer Frei-
textantwort zu benennen, welches für sie die größten Nachteile bei der Arbeit mit
Tablets im Unterricht seien. Aus den Antworten lassen sich die folgenden sechs
übergeordneten Kategorien bilden:
158 Jasmin Bastian

• Technische Probleme
• Ablenkung durch Tools/Spiele/Internetzugang
• Hoher Zeitaufwand bei Einarbeitung
• Zu wenig geeignete Apps
• Weniger motorisches oder Rechtschreibtraining
• Zu wenig Kontrollmöglichkeiten

Die ersten drei Punkte werden mit besonderer Häufigkeit benannt. Allem voran
beschreiben die Lehrpersonen technische Probleme als den größten Nachteil, der
sich beim Einsatz der Geräte ergibt. Diese Probleme lassen sich nochmals unter-
teilen: Zum einen in Schwierigkeiten bei der Handhabung der Geräte, welche auf
eine fehlende Vertrautheit der Lehrpersonen mit dem Tablet oder einer Anwendung
zurückgeführt werden können („Komme teilweise nicht mit Programmen klar, wenn
vorher noch nie genutzt“), zum anderen in Probleme bezüglich der technischen
Wartung oder der Netzinfrastruktur der Schule („Bandbreite zu gering“, „Oft kein
Netz, viel[es] funktioniert dann nicht“). Weiter benennen die Befragten sehr häufig
eine Ablenkung der Schülerinnen und Schüler vom Unterricht als einen Nachteil
des Tableteinsatzes. Sie geben etwa an, dass sich die Lernenden durch Tools, Spiele
oder auch die Möglichkeit des Internetzugangs und entsprechendes Surfen im Netz
ablenken ließen („Schüler schreiben sich Nachrichten statt aufzupassen“). Dabei
kann es sich um Anfangseffekte beim Einsatz des Gerätes handeln, die nach einer
gewissen Zeit des regelmäßigen Einsatzes wieder abklingen. Zum dritten benennen
die Lehrenden den hohen zeitlichen Vorbereitungsaufwand als einen bedeutsamen
Negativaspekt. Die Vorbereitung liegt beispielsweise in der Notwendigkeit der Ei-
narbeitung in die Handhabung des Geräts sowie in der Notwendigkeit des Testens
neuer Anwendungen („zu aufwändig, nicht genug Zeit zum Einarbeiten“; „Tages-
geschäft lässt mir keine Zeit passende Apps zu suchen“). Hier könnten Schulungen
den Lehrpersonen eine Stütze bieten oder auch ein ausreichend großer Vorlauf,
der den Lehrenden die Möglichkeit gibt, die Geräte erst einmal kennen zu lernen.
Die folgenden drei Kategorien werden etwas seltener angesprochen als die vo-
rangegangenen: Das ist zum ersten das Fehlen geeigneter Apps: Einige Lehrkräfte
geben an, dass bestimmte Programme ihre Ansprüche nicht erfüllen („Zum Teil
ist es schwierig, ein geeignetes Programm zu erhalten für das, was man gerne
hätte. Z. B. ist GeoGebra auf den Tablets nicht so gut geeignet“), oder ihnen eine
Kenntnis passender Anwendungen fehlt („Keine passenden Apps, finde zumindest
keine“). Zum zweiten beklagen einige Befragte die Verringerung des Motorischen,
etwa in Form des Schreibens mit einem Stift auf Papier („Die Schüler schreiben/
zeichnen unter Umständen weniger mit der Hand. So kommt es zu mangelnder
motorischer Übung und unter Umständen zu mangelnder Schreibkompetenz“).
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 159

Beide Problematiken ließen sich möglicherweise durch das Aufzeigen geeigneter,


unterstützender Anwendungen verringern. Und schließlich wird von den Befrag-
ten häufig der Nachteil benannt, dass es bei der Arbeit am Tablet für die Lehrkraft
zu geringe Kontrollmöglichkeiten über mögliche unterrichtsferne Tätigkeiten, wie
das Chatten oder die Nutzung von sozialen Netzwerken (z. B. Facebook) durch die
Schülerinnen und Schüler, gebe. So befürchten einige Lehrende etwa auch, dass
in diesem Zusammenhang strafbare Handlungen vollzogen würden, wie etwa der
Download von Videos oder das heimliche Fotografieren oder Filmen von Mitschü-
lern oder Lehrpersonen und deren unerlaubte Veröffentlichung („Keine Kontrolle
was meine Schüler tun, ggf. Strafbares“).
Insgesamt verdeutlichen die ausgewählten Daten, dass Lehrende sowie Schüle-
rinnen und Schüler sich einig sind, wenn sie dem Tablet ein besonderes Motivati-
onspotenzial zuschreiben. Als Potenzial des Tableteinsatzes benennen außerdem
sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrpersonen die Möglichkeit eines
selbständige(re)n Lernens und Arbeitens. Dieses nehmen die Lehrenden auch als
einen Effekt in ihrem Unterricht wahr. Mit Blick auf die Sozialformen wird dem
Tablet jedoch vor allem ein Potenzial für die Einzelarbeit zugeschrieben, während
Möglichkeiten zu Kollaboration und Kommunikation der Schüler untereinander
seltener gesehen bzw. genutzt werden. Auch digitale Materialien, Kommunikations-
potenziale und Dokumentationsmöglichkeiten (z. B. Anfertigung von Unterrichts-
notizen) werden noch kaum genutzt. Die Tabletunerfahrenen haben eine deutlich
höhere Erwartung an die Nutzung digitaler Materialien. Es stellt sich daher die
Frage, ob den Lehrenden bei unterrichtspraktischen Vorbereitungen ein Zugang
zu solchen Materialien fehlt – sie benennen beispielsweise auch das Fehlen pas-
sender Apps als einen Nachteil. Gründe dafür könnten der von den Lehrenden als
zu hoch empfundene Zeitaufwand zur Unterrichtsvorbereitung und Einarbeitung
sein, sowie auch die geringe Vorbereitung des Tableteinsatzes im Vorfeld und die
mehrheitliche Unkenntnis mediendidaktischer und -pädagogischer Konzepte. Es
stellt sich die Frage, ob Lehrpersonen dadurch Potenziale für einen innovativen
Einsatz seltener wahrnehmen – so wird das Tablet eher zu Recherchezwecken
oder den Einsatz konkreter Apps genutzt, als etwa zur Kommunikation oder zur
Dokumentation (z. B. Anfertigung von Notizen).

4.3 Videobeobachtungen zur Bestimmung der Integration


von Tablets in den Unterricht

Die im Folgenden dargestellten Unterrichtsbeobachtungen bieten einen Einblick


in die konkrete Integration von Tablets in den Schulunterricht und gehen damit
160 Jasmin Bastian

über die subjektiven Perspektiven der Beteiligten auf den Tableteinsatz hinaus.
Da es an dieser Stelle weniger um die spezifische Tabletnutzung in den einzelnen
Unterrichtssequenzen, als vielmehr um eine Zuordnung des Geräteeinsatzes zu
den Stufen des SAMR-Modells (Puentedura 2006) geht, werden die Ergebnisse der
Sequenzanalyse hier nicht am Einzelfall dargestellt. Stattdessen erfolgt eine kurze
Darstellung der Zuordnung. Dazu wird zunächst eine allgemeine Beschreibung des
Unterrichtsgeschehens vorgenommen, an die sich eine Beschreibung der ausgewähl-
ten Sequenzen und deren begründete Zuordnung zum SAMR-Modell anschließt.
Abschließend werden die Ergebnisse in einen übergreifenden Vergleich gebracht.

4.3.1 Beschreibung und Zuordnung der ausgewählten


Sequenzen
Beispiel 1: Integrierte Gesamtschule, Mathematik
In der Unterrichtsstunde im Fach Mathematik in einer sechsten Klasse wird eine
Visualisierung von Umfrageergebnissen vorgenommen. Dazu werden Daten zum
Handybesitz und -gebrauch von Schülerinnen und Schülern anderer Klassen aus
der gleichen Schule genutzt, die in den vorherigen Stunden erhoben worden wa-
ren. Im Anschluss daran bekommen die Schülerinnen und Schüler die Aufgabe,
im Rahmen einer Gruppenarbeit passende Visualisierungsmöglichkeiten (etwa
Balken- oder Tortendiagramme) für die Ergebnisse zu finden. Am Ende der Stunde
werden die Ergebnisse präsentiert.
Zur Analyse wurden zwei Sequenzen ausgewählt: In der ersten Sequenz kann
beobachtet werden, wie eine Schülergruppe Umfrageergebnisse (ausschließlich
Zahlenwerte) in die Anwendung Microsoft Excel auf dem Tablet überträgt. Die
Schülerinnen und Schüler nutzen in diesem Zusammenhang keine anwendungs-
spezifischen Funktionen, um etwa Summen zu bilden, sondern befüllen lediglich
die Tabellenvorlage. Auf dieser Basis wird in der Analyse der Tableteinsatz bzw. die
Verwendung der Tabellenkalkulation Excel zur Erstellung von Grafiken als eine
Ersetzung bewertet. Das Tablet ist daher nur ein Ersatz für das übliche Werkzeug,
etwa ein Arbeitsblatt oder Heft und Stift. Zwar hätte in einem Arbeitsheft zunächst
eine Tabelle gezeichnet werden müssen, doch wäre die Arbeit ohne eine funktionale
Veränderung auch auf dem Papier möglich gewesen.
In der zweiten Sequenz präsentiert eine Gruppe die Ergebnisse ihrer Arbeit und
schlägt mögliche Darstellungsweisen für die Umfrageergebnisse vor. Dazu kommt
die Gruppe nach vorne ans interaktive Whiteboard und schließt dort das Tablet
an. Die Ergebnisse werden am Whiteboard als Bilder sichtbar, welche die Gruppe
zur Referenz nutzt. Im Rahmen der Videoanalyse wird die Nutzung des Tablets
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 161

hier als Erweiterung im Sinne des SAMR-Modells bestimmt. Die Projektion bietet
der Gruppe eine Möglichkeit zur Präsentation und Besprechung ihrer Ergebnisse.

Beispiel 2: Förderschule, Biologie


In der beobachteten Unterrichtsstunde im Fach Biologie ist die Entwicklung
eines menschlichen Embryos im Mutterleib Thema. Zunächst zeigt die Lehrerin
ein Video zu den unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Im Anschluss wird in
einer Arbeitsphase ein Stationenlernen mithilfe von QR-Codes umgesetzt. Die
Besprechung der Arbeitsergebnisse erfolgt zum Abschluss der Stunde im Plenum.
Zur Analyse wurden zwei Sequenzen ausgewählt: Die erste Sequenz zeigt wie
die Schülerinnen und Schüler zu den ausgedruckten, an einer Pinnwand nebenei-
nander befestigten QR-Codes gehen, jeweils einen Code mit dem Tablet scannen
und zu einer hinterlegten Internetseite gelangen. Die Internetseiten enthalten aus-
schließlich Informationen in Textform. An ihrem Platz übertragen die Schülerinnen
und Schüler die Informationen in ein ausgeteiltes Arbeitsblatt, das in Papierform
vorliegt. Im Rahmen der Videoanalyse wird die Nutzung des Tablets zur Erlangung
von Information durch das Abscannen von QR-Codes sowie zum Gewinn von
Information durch Lektüre als Ersetzung im Sinne des SAMR-Modells bestimmt.
Die Materialien hätten den Schülerinnen und Schülern auch in ausgedruckter
Form zur Verfügung gestellt werden können, ohne dass es zu einer funktionalen
Veränderung gekommen wäre.
In der zweiten Sequenz fragt die Lehrerin während des Zusammentragens der
Ergebnisse am Ende der Stunde, ob die Schülerinnen und Schüler auf ihnen un-
bekannte oder unverständliche Begriffe gestoßen seien, die der Klärung bedürfen.
Eine Schülerin verweist auf ein für sie nicht bekanntes Wort. Daraufhin darf sie ihr
Tablet mit dem Beamer verbinden und so die entsprechende Textstelle der Klasse
präsentieren und vorlesen. Im Rahmen der Sequenzanalyse zeigt sich, dass der
Einsatz als eine Erweiterung bestimmt werden kann, denn durch die Präsentation
des Tabletinhaltes auf dem Beamer können alle Schülerinnen und Schüler an der
Suche nach der Bedeutung des unbekannten Wortes im Kontext des Textes teil-
haben, sodass sich funktionale Verbesserungen ergeben.

Beispiel 3: Realschule Plus, Französisch


Die Unterrichtsstunde im Fach Französisch der neunten Klasse umfasst Gram-
matik- und Wortschatzarbeit. Die Stunde beginnt mit der Aufgabe, mithilfe einer
App am Tablet selbstständig die Zeitform Passé Composé zu üben. Im Anschluss
wiederholt die Lehrerin die allgemeinen Regeln zur Bildung von Verben. Danach
gibt sie der Klasse einen Link, der sie zu einem Video auf einer Webseite führt. Die
162 Jasmin Bastian

Schülerinnen und Schüler schauen sich das Video auf ihrem Tablet an und füllen
parallel dazu auf einem ausgeteilten Arbeitsblatt einen Lückentext aus. Am Ende
der Stunde werden die Ergebnisse verglichen.
Zur Analyse wurden zwei Sequenzen ausgewählt: In der ersten Sequenz nutzen
die Schülerinnen und Schüler am Tablet die App Conjugaison selbständig zum
Üben des Passé Composé. Die Lehrerin gibt auf Anfrage Hilfestellung, doch auch
die App bietet ein direktes, individuelles Feedback. Sie ermöglicht es den Schüle-
rinnen und Schülern darüber hinaus selbstständig den Schwierigkeitsgrad und die
Zeitvorgaben für die Aufgaben zu bestimmen, wovon diese Gebrauch machen. In
der Analyse wird diese Nutzung als eine Erweiterung bewertet, da die App nicht
nur ein Einfüllen ermöglicht, wie dies auf einem Arbeitsblatt der Fall wäre. Die
Rückmeldung stellt die funktionale Verbesserung dar, die die App über das Geübte
gibt, sowie die individuellen Anpassungen, die sie ermöglicht.
Die zweite Sequenz zeigt die Schülerinnen und Schüler beim selbstständigen
Anschauen des Videos auf dem Tablet mit Kopfhörern. Parallel dazu füllen sie
den fehlenden Wortschatz in einen Lückentext ein, der ihnen als Arbeitsblatt in
Papierform vorliegt. Diese Nutzung wird in der Sequenzanalyse ebenfalls als eine
Erweiterung bestimmt. Die funktionale Verbesserung besteht in diesem Fall in der
Möglichkeit zur individuellen Rezeption sowie in der Bestimmung der eigenen
Lerngeschwindigkeit, die ein individuelles Ansehen auf dem Tablet gegenüber dem
gemeinsamen Ansehen eines Videos bietet.

Beispiel 4: Realschule, Sozialkunde


In der beobachteten Unterrichtsstunde im Fach Sozialkunde einer siebten Klasse
wird eine Stadtratssitzung simuliert, in der der fiktive Vorschlag zum Bau eines
Einkaufszentrums in der Innenstadt diskutiert wird. Dazu werden Gruppen gebildet,
die unterschiedliche Aufgaben bekommen. Eine Gruppe sammelt beispielsweise
die Argumente der Befürworter einer Shopping Mall, eine andere Gruppe die
der Gegner. Eine weitere Gruppe vertritt die Presse, führt Gespräche mit beiden
Interessensgruppen und ist dafür zuständig, mittels Videobeiträgen über wichtige
Begriffe, die in der Diskussion auftreten (bspw. Flächennutzungsplan) zu informieren.
Zum Abschluss der Stunde präsentieren die Gruppen ihre Ergebnisse. Die Tablets
werden sowohl in der Gruppenarbeit als auch zur Ergebnispräsentation genutzt.
Zur Analyse wurden zwei Sequenzen aus der Gruppenarbeitsphase und eine
Sequenz aus der Präsentationsphase ausgewählt: In der ersten Sequenz nutzen zwei
Schülerinnen ihr Tablet zum Sammeln von Argumenten. Dafür übertragen sie aus
dem aufgeschlagenen Schulbuch Textpassagen mit Hilfe der Bildschirmtastatur in
eine Textverarbeitungs-App. Dieser Vorgang wird in der Analyse als eine einfache
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 163

Ersetzung bewertet, da er keine funktionale Verbesserung zur Anfertigung tradi-


tioneller Notizen im Schulheft darstellt.
In der zweiten ausgewählten Sequenz erstellt eine weitere Schülerin auf dem
Tablet mit Hilfe einer Zeichen-App einen Lageplan für das fiktive Einkaufszentrum.
Sie nutzt dabei verschiedene Farben sowie die Radier-Funktion der App. Um den
Gruppenmitgliedern das Ergebnis zu zeigen, reicht sie das Tablet herum. Auch
dieses Vorgehen wird in der Analyse als Ersetzung bewertet, da dieselbe Aufgabe
ohne funktionelle Einschränkungen auch mittels Papier, Stiften und Radiergummi
bewältigt hätte werden können. Besondere audio-visuelle Möglichkeiten der ver-
wendeten App wurden nicht genutzt. Ebenfalls ungenutzt blieb die Möglichkeit
des Versendens des Lageplans per Email oder in anderer digitaler Form an die
Gruppenmitglieder. Vielmehr wird das Tablet mit dem Lageplan zum Ansehen
herumgereicht, wie es ebenso mit einem Blatt Papier hätte geschehen können.
In der dritten Sequenz präsentiert die Schülergruppe, die die Pressearbeit simu-
liert hat, ein selbsterstelltes Video. In diesem Video wird der allgemeine Sachver-
halt dargestellt und es werden einige Fachbegriffe erläutert, die in der Diskussion
gefallen sind und für die Öffentlichkeit von Interesse sein könnten. Im Rahmen
der Videoanalyse wird die Nutzung des Tablets hier als Modifikation im Sinne
des SAMR-Modells bestimmt, da das Erstellen und Bearbeiten des Videos eine
neue Herangehensweise an ein Thema darstellt, die sonst nur mit traditionellen
Werkzeugen bzw. Medien hätte geschehen können. Zusammenfassend lässt sich
jedoch festhalten, dass der Einsatz von Tablets in diesem Unterrichtsthema, das
in der innovativen Form eines Rollenspiels bzw. einer Simulation bearbeitet wird,
vorwiegend auf eine sehr einfache Art stattgefunden hat, nämlich auf der Stufe
der Ersetzung traditioneller Unterrichtsfunktionen im Sinne des SAMR-Modells.

Beispiel 5: Gymnasium, Erdkunde


Die Unterrichtsstunde im Fach Erdkunde einer sechsten Klasse hat das Erstellen
eines Erklärvideos zu einem frei gewählten Fachinhalt zum Thema. In der vorange-
gangenen Stunde hatten die Schülerinnen und Schüler dazu eine Einführung in die
App Explain Everything erhalten. Der Lehrer knüpft an das Vorwissen der Klasse
an, indem er zunächst ein selbsterstelltes Video als veranschaulichendes Beispiel
zeigt. Anhand dessen wiederholt er nochmals einige Funktionen der App. Im
Anschluss werden die Tablets ausgeteilt und die Schülerinnen und Schüler wählen
sich frei ein bereits behandeltes Thema. Anschließend verbringen sie den Großteil
der Stunde mit der selbständigen Erstellung eines eigenen Erklärvideos. Am Ende
der Stunde darf ein Schüler sein vorläufiges Ergebnis präsentieren.
Zur Analyse wurden zwei Sequenzen ausgewählt: Die erste Sequenz zeigt, wie
einige Schüler selbstständig mit ihren Tablets an der Videoerstellung arbeiten. Um
164 Jasmin Bastian

Bildmaterial für ihr Video zu bekommen, greifen sie auf Inhalte des Schulbuchs
zurück. Sie fotografieren die für ihr Thema wichtigen Seiten ab und schneiden die
Bilder dann passend zu, um sie in ihr Video einzufügen. Dies wird in der Analyse
als eine einfache Form der Erweiterung bewertet, da im Vergleich zum Kopieren
gedruckter Materialien das Tablet durch eine Bearbeitungsfunktion die Möglich-
keiten digital erweitert. Funktional wird der Prozess dadurch verbessert, dass in
kurzer Zeit unkompliziert digitales Material erstellt werden kann.
Die zweite Sequenz umfasst die Aufgabenstellung selbst sowie die Ergebnisse
der Arbeit, die am Ende sichtbar werden. Ein Schüler präsentiert sein vorläufiges
Video, indem Bilder und Erklärtext vorkommen und auch eine in der App integrierte
Zeiger-Funktion zum Lenken der Aufmerksamkeit verwendet wird. In der Analyse
wird die Erstellung eigener Erklärvideos durch die Schülerinnen und Schüler als
eine Modifikation bewertet. Die übliche Form des Erklärens, etwa an der Tafel,
wird durch die Einbindung audiovisueller Formen modifiziert. Sie ermöglicht
neue Aufgaben, in deren Rahmen sich Schülerinnen und Schüler selbständig mit
Fachinhalten auseinandersetzen, aber auch mit deren Vermittlung, ihrer Präsen-
tation und der Ansprache verschiedener Sinneskanäle.

Beispiel 6: Realschule, Sozialkunde


In der beobachteten Unterrichtsstunde im Fach Sozialkunde in einer sechsten
Klasse wird das Thema Taschengeld behandelt. Einführend erzählt der Lehrer
eine Geschichte, zu der er eine Onlineumfrage mit der Klasse macht. Anschlie-
ßend werden verschiedene Texte zum Thema bearbeitet und die Ergebnisse in ein
digitales Arbeitsblatt in der App S-Note eingetragen.
Zur Analyse wurden drei Sequenzen ausgewählt: Die erste Sequenz zeigt den
Lehrer beim Erzählen der fiktiven Geschichte eines zwölfjährigen Jungens, der sich
von seinem Taschengeld auf einem Flohmarkt ein Fahrrad kauft. Seine Mutter ist
mit dem Kauf jedoch nicht einverstanden und möchte, dass er das Fahrrad zurück-
gibt. Visuell unterstützt der Lehrer seine Geschichte, indem er selbst angefertigte
Fotos von Lego- und Playmobil-Figuren projiziert. Mehrfach nutzt er dabei die
Zoom-Funktion des Tablets, um Details innerhalb der Fotos hervorzuheben. In der
Analyse wird diese Nutzung als eine Erweiterung bewertet. Die visuelle Unterstüt-
zung des mündlichen Erzählens in Form von digitalen Bildern stellt an sich noch
keine Verbesserung dar, das Vergrößern von Ausschnitten während des Erzählens
wird jedoch als funktionale Verbesserung bewertet, da sie ein nonverbales Lenken
der Aufmerksamkeit auf Details ermöglicht.
Die zweite Sequenz zeigt, wie der Lehrer mit Hilfe des Online-Umfragetools
Socrative ein Meinungsbild der Klasse einholt. Dazu schreibt er die Webadresse an
die Tafel, erklärt das Prozedere und erläutert die Antwortoptionen. Im Anschluss
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 165

lässt er die Klasse abstimmen, projiziert die Ergebnisse jedoch nicht von seinem
Tablet aus, sondern stellt sie mündlich vor. In der Analyse wird diese Nutzung als
eine Modifikation bewertet. Zwar wird eine normale Abstimmung durch Hand-
zeichen oder Stimmzettel lediglich durch ein digitales Medium ersetzt, jedoch
wird eine neue Interaktionsebene zwischen dem Lehrer und den Schülerinnen
und Schülern eingeführt, die eine normale Abfrage modifiziert. Das Tool ermög-
licht eine niedrigschwellige, schnelle Durchführung und auch den spontanen und
mehrfachen Einsatz. Eine noch höhere Ebene könnte durch das Live-Erleben der
Umfrage erreicht werden, indem gezeigt wird, wie sich durch einzelne Stimmen
die Ergebnisse ändern und ggf. auch verfälscht werden können.
Die dritte Sequenz zeigt, wie die Schülerinnen und Schüler im Rahmen der
Partnerarbeit die App S-Note verwenden, um Ergebnisse zu verschriftlichen. Dies
wird in der Analyse als eine einfache Ersetzung bewertet, da es zu keiner funktio-
nalen Verbesserung im Gegensatz zum Schulheft kommt.

Beispiel 7: Realschule Plus, Mathematik


In der beobachteten Unterrichtsstunde im Fach Mathematik ist es die hauptsächliche
Aufgabe der Schülerinnen und Schüler, in Form einer Stationenarbeit mathema-
tische Aufgaben zu bearbeiten. Zu errechnen sind Flächeninhalte geometrischer
Formen. Zum Ende der Stunde präsentieren die Schülerinnen und Schüler einige
Ergebnisse. Die Tablets kommen erst an dieser Stelle zum Einsatz.
Zur Analyse wurde eine Sequenz ausgewählt, in der eine Schülerin, die eine
Aufgabe erfolgreich auf dem Papier gelöst hat, ihren Lösungsweg für die Klasse
nachvollziehbar präsentieren soll. Dazu wird ihr ausgefülltes Arbeitsblatt mit dem
Tablet abfotografiert und das Foto per Apple TV und einem Beamer an die Wand
projiziert. Die Schülerin erklärt daraufhin in einzelnen Schritten ihren Lösungsweg.
Aufgrund der kleinen Projektionsfläche, die zudem weit oben unter der Decke
liegt, muss die Schülerin einen Besenstiel benutzen, um zeigen zu können, welchen
Lösungsschritt sie gerade beschreibt. Im Rahmen der Videoanalyse wird die Nut-
zung des Tablets als eine Modifikation bestimmt, da die traditionelle Funktion des
Erklärens an der Tafel mit Hilfe des Tablets sowie der Projektion durch den Beamer
modifiziert wurde. Die Neuerung in diesem Zusammenhang ist, dass auf der Basis
der handschriftlichen Lösungen in den Heften der Schülerinnen und Schüler eine
Ergebnisdarstellung vor der gesamten Klasse gelingt, ohne dass der Lösungsweg
noch einmal an der Tafel rekonstruiert werden muss, was unter Umständen auch
zu neuerlichen Fehlern oder Veränderungen hätte führen können. Ergebnisse sind
spontan und nicht nur über weitere Mittler teilbar mit anderen.
166 Jasmin Bastian

Beispiel 8: Gymnasium, Physik


In einer Unterrichtsstunde im Oberstufenkurs Physik wird die Messung von
Fallgeschwindigkeiten behandelt. Die Lehrerin beginnt die Stunde, indem sie eine
Filmszene aus einem James Bond-Film vorspielt. In dieser Szene wird der Protago-
nist auf dem Motorrad verfolgt, findet sich auf dem Dach eines Hauses wieder und
fasst den Entschluss über einen Abgrund hinweg auf ein anderes Dach zu springen.
Die Lehrerin stoppt den Film im Sprung und nimmt die Szene zum Anlass, die
physikalischen Voraussetzungen für das Gelingen des Sprungs im Plenum zu dis-
kutieren. Im weiteren Verlauf der Stunde sollen die diskutierten Voraussetzungen
näher ergründet werden. Dazu erhält die Klasse den Auftrag mehrere Versuche
durchzuführen, um beispielsweise die Fallgeschwindigkeit zu messen oder den
notwendigen Anlauf zu berechnen. Zum Abschluss der Stunde zeigte die Lehrerin
die vollständige Szene mit einem erfolgreichen Sprung.
Es wurden zwei Sequenzen zur Analyse ausgewählt: In der ersten Sequenz spielt
die Lehrerin den einführenden Filmausschnitt vor. Das Tablet wird genutzt, um
darüber den Film abzuspielen. Die Lehrerin hält sich während des Zeigens im
hinteren Teil des Klassenraums auf und stoppt das Video, während sie nach vorne
geht. Im Rahmen der Analyse wird die Nutzung des Tablets hier als eine Ersetzung
im Sinne des SAMR-Modells bestimmt. Technisch gesehen ersetzt es beispielsweise
einen Videorecorder, mit dessen Hilfe ein Film gestartet und abgespielt wird. Es
bringt keine funktionalen Verbesserungen mit sich.
Die zweite Sequenz ist der anschließenden Gruppenarbeit entnommen. In ihr
führt eine Gruppe einen Versuch durch und zeichnet den Fall einer Kugel mit der
App Video Physics auf. Die Gruppe verfeinert den Aufbau nach und nach, indem
sie mithilfe eines Lineals einen Maßstab einbaut. Mit der App wird anhand der
Videoaufnahme ein Graph erstellt, der die Fallgeschwindigkeit darstellt. Dazu spielt
die Gruppe das Video Sekunde für Sekunde ab und markiert in jedem Standbild
die Kugel. In Verbindung mit dem Maßstab erhält sie ein recht genaues Ergebnis.
Der Tablet- bzw. Appeinsatz wird in der Sequenzanalyse als eine Neubestimmung
bewertet. Dieser Versuch wäre ohne das Tablet bzw. die App kaum in einer Un-
terrichtsstunde möglich gewesen, da er sehr viel Aufwand erfordert hätte. Tablet
und App ermöglichen hier eine Aufgabe, die in einem Unterricht ohne digitale
Medien nicht bzw. nur mit einem höheren Zeit- und Arbeitsaufwand umsetzbar
gewesen wäre.

Beispiel 9: Integrierte Gesamtschule, Mathematik


In der Unterrichtsstunde im Fach Mathematik in einer zehnten Klasse werden
Funktionen und deren Visualisierung in Form von Graphen behandelt. Aufgabe der
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 167

Schülerinnen und Schüler ist es, ein Arbeitsblatt zu bearbeiten und Teile desselben
graphisch mit Hilfe der App GeoGebra umzusetzen. Am Ende der Arbeitsphase
werden die Ergebnisse von einzelnen Schülerinnen und Schülern in GeoGebra
präsentiert, indem sie vom eigenen Platz aus ihre Lösungen via Apple TV und
Beamer projizieren und erläutern. Abschließend wird im Plenum eine generelle
Regelableitung versucht.
Zur Analyse wurden zwei Sequenzen ausgewählt. In der ersten Sequenz gibt
in der Arbeitsphase ein Schüler in GeoGebra eine Funktion ein. Diese wird im
Anschluss in Form eines Graphen visualisiert. Dazu verschiebt der Schüler in der
App einen Regler für den Wert x, woraufhin sich der Graph entsprechend verändert.
Auf dieser Basis wird in der Videoanalyse der Tableteinsatz bzw. die Appnutzung
als eine Neubestimmung bewertet, da die Visualisierung von interaktiven Modi-
fikationen des Graphen erst durch digitale Medien möglich wurde. Traditionell
konnte dies nur statisch erfolgen.
In der zweiten Sequenz moderiert die Lehrerin die gemeinsame Ableitung einer
Regel an der Tafel. Als die Klasse an einer Stelle nicht weiter kommt, bittet die
Lehrerin eine Schülerin, ihren Graphen nochmals per Apple TV und Beamer zu
projizieren. Diese Projektion nutzt sie zur weiteren Besprechung. Im Rahmen der
Videoanalyse wird die Nutzung des Tablets in diesem Fall als eine Modifikation
der üblichen Präsentationsfunktion an einer traditionellen Tafel interpretiert, da
sie es ermöglicht, Schülerergebnisse schnell für alle ohne erneutes Anschreiben
zugänglich zu machen, ohne an der Tafel rekonstruieren zu müssen. Es wird
deutlich: In dieser Unterrichtsstunde werden mehrere pädagogisch-didaktische
Potenziale des Tablets ausgeschöpft.

4.3.2 Ergebnisse im Überblick


Im vorangegangenen Abschnitt wurden 19 ausgewählte Sequenzen den vier Stufen
des SAMR-Modells zugeordnet. Werden diese Sequenzen darüber hinaus nach der
Häufigkeit ihres Auftretens ausgewertet (Abbildung 8), so zeigt sich, dass die in das
Tabletprojekt eingebundenen Lehrkräfte die Geräte vor allem auf den drei unteren
Stufen des Modells nutzen. Zum Teil findet eine sehr innovative Verwendung von
Tablets und Apps statt, im Sinne einer Modifikation unterrichtlicher Funktionen.
Zum größeren Teil aber werden Chancen und Potenziale noch zu wenig genutzt
und das Gerät nur im Sinne einer Ersetzung oder Erweiterung eingesetzt. Nur sehr
selten lässt sich bisher von einer Neubestimmung des Lernens sprechen, also einem
Einsatz des Geräts für neue Aufgaben, die vorher nicht möglich waren.
168 Jasmin Bastian

Neubestimmung;  
2  Sequenzen;  10%   Ersetzung;    
  6  Sequenzen;  32%  
 

Modifikation;    
5  Sequenzen;  26%  
 
Erweiterung;    
6  Sequenzen;  32%  
 
Abb. 8 Verteilung der SAMR-Typen in Szenen der Unterrichtsbeobachtungen

Anhand der Ergebnisse lässt sich noch kein Grund für den seltenen Einsatz des
Tablets auf der Stufe der Neubestimmung finden . Denkbar ist beispielsweise, dass
die geringe investierte Vorbereitungszeit der Lehrkräfte dazu führt, dass sie die
Potenziale des Geräts nicht kennen . Eine Auseinandersetzung mit den Potenzialen
des Tableteinsatzes könnte jedoch gerade dazu führen, dass im Unterricht mit den
Geräten nicht einfach Gewohntes repliziert, sondern vielmehr Neues erprobt wird .
In der weiteren Begleitforschung soll daher das (medien)pädagogische und (medien)
didaktische Wissen der Lehrpersonen und die Bedeutung der Vorbereitung auf den
Tabletunterricht noch stärker in den Blick genommen werden .

5 Zusammenfassung und Ausblick

Diese ersten Daten aus der wissenschaft lichen Begleitforschung zeigen, dass die in
das Projekt einbezogenen Lehrerinnen und Lehrer zwar Tablets in ihren Unterricht
integrieren, an einigen Stellen jedoch noch ein Bedarf an (medien)pädagogischer
Unterstützung besteht . Die Befragung der Lehrenden hat gezeigt, dass der un-
terrichtliche Einsatz von Tablets noch in einem zu geringen Maße pädagogisch
vorbereitet wird und medienpädagogische oder fachdidaktische Konzepte zum
Einsatz der mobilen Geräte im Unterricht fehlen . Bereits in der Einleitung wurde
auf die Bedeutung einer entsprechenden Lehreraus- und -fortbildung hingewiesen
(Heinrich 2012; Henderson und Yeow 2012) bzw . auf die Chancen, die mit der
Ermöglichung eines informellen und experimentellen Lernens mit dem Tablet
einhergehen (Burden et al . 2012) . Sie könnten dazu beitragen, dass Lehrperso-
nen innovative Konzepte zum Tableteinsatz kennen lernen . Ob die mehrheitlich
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 169

geringe Vorbereitung auf den Unterricht mit Tablets und die fehlende Kenntnis
didaktischer Modelle, die im Rahmen der vorliegenden Begleitforschung deutlich
geworden sind, jedoch damit zusammenhängen, dass Potenziale, die das Tablet
mitbringt, nicht genutzt werden, ist ungeklärt. Im Rahmen der Begleitforschung
hat sich allerdings gezeigt, dass Kollaborations- und Kommunikationspotenziale,
digitale Dokumentationsmöglichkeiten (z. B. Unterrichtsnotizen, Video- und
Tonaufnahmen) oder digitale Materialien noch selten genutzt oder als geeignet
angesehen werden. Ebenfalls ungeklärt ist, ob eine geringe Vorbereitung auch zu
einem Aufbau oder der Aufrechterhaltung von Ängsten bzw. Bedenken beiträgt –
hier etwa vor zu geringen Kontrollmöglichkeiten oder der Verschlechterung der
Rechtschreibung/des Motorischen durch die Tabletnutzung, wie in Abschnitt 4.2
sichtbar wird. Solche Bedenken ließen sich gegebenenfalls durch ein Kennenlernen
digitaler Medien oder entsprechender Fördermöglichkeiten verringern.
Die Akzeptanz des Tableteinsatzes ist bei den Schülerinnen und Schülern wie
auch bei den Lehrenden deutlich positiv geprägt. Dennoch verdeutlicht die Analyse
der Unterrichtsbeobachtungen noch einen eher traditionellen Einsatz des Gerätes,
der stärker auf den unteren Stufen des SAMR-Modells stattfindet (Puentedura
2006). Die Umsetzung innovativer Unterrichtskonzepte, insbesondere im Sinne
einer Neubestimmung des Lernens, ist an den Schulen noch nicht angekommen
und es zeigt sich, dass die Potenziale des Gerätes noch nicht vollständig ausge-
schöpft werden. Grund dafür könnte eine zu geringe Vorbereitung der Akteure
auf den Implementierungsprozess sein. Montrieux et al. (2014) betonen, dass die
Implementierung von Tablets an Schulen eine sorgfältige und langfristige Pla-
nung benötigt, die berücksichtigt, welche Aufgaben vor, während und nach der
Implementierung anstehen. Neben technischen Vorkehrungen, die zu treffen sind,
müssen insbesondere die Akteure vorbereitet und anschließend in ihrer Arbeit
unterstützt und motiviert werden. Schulen, die einen Tableteinsatz planen, sollten
dies berücksichtigen und dem Projekt einen ausreichend großen Vorlauf geben sowie
planen, wie die beteiligten Akteure sowohl technisch als auch medienpädagogisch
und mediendidaktisch vorbereitet werden können.
Auch die Weiterbildung der Lehrkräfte bzw. projektbegleitende Reflexion ist
nicht zu vernachlässigen. Im Zusammenhang mit möglichen Veränderungen des
Lehrens und Lernens mit dem Tablet, kann das SAMR-Modell im Prozess der
Einführung von Tablets Lehrpersonen eine Hilfestellung für die Reflexion bieten,
wie das Tablet in den eigenen Unterricht integriert und auf verschiedenen Stufen
eingesetzt werden könnte. Kritisch anzumerken ist dabei, dass das Modell keines-
wegs ein entsprechendes Vorgehen impliziert, sondern vielmehr an vielen Stellen
vage bleibt. Dennoch eignet es sich insbesondere für die gemeinsame Reflexion des
Tableteinsatzes mit mehreren Lehrpersonen, da es nicht einengt, sondern Raum
170 Jasmin Bastian

für Interpretation und Ideenentwicklung lässt. Auch bietet es im Rahmen der


Begleitforschung eine Möglichkeit zur gemeinsamen Reflexion von Lehrkräften
und Wissenschaftlerinnen bzw. Wissenschaftlern – beispielsweise anhand von
Unterrichtsaufzeichnungen –, welche ggf. die Integration des Tablets auch auf den
höheren Stufen des SAMR-Modells anregen könnte.
Insgesamt besteht noch erheblicher Forschungsbedarf, wenn es um die Integra-
tion von Tablets in den Schulunterricht geht. So sind etwa die Einflüsse von Tablets
auf Lehr- und Lernprozesse noch tiefergehend zu betrachten, insbesondere auch
der Erwerb von Fachinhalten8 oder die Bedeutung des Tablets für informelles und
außerschulisches Lernen. In der vorliegenden Begleitstudie hat sich im Rahmen
der Schülerbefragung etwa gezeigt, dass die Befragten im Einsatz der Tablets ein
hohes Potenzial für ein selbstständigeres Lernen sehen, welches sich in der unter-
richtlichen Umsetzung deutlich seltener wiederfinden lässt. Hier sind auch die
privaten Vorerfahrungen und informellen Nutzungssituationen von Schülerinnen
und Schülern stärker in den Blick zu nehmen, sowie deren Bedeutung für eine
entsprechende Erwartungshaltung an die Tabletnutzung.
Darüber hinaus ist ein Blick auf Lerninhalte und -materialien zu werfen. Die
Befragung der Lehrpersonen hat gezeigt, dass sie vor der Integration von Tablets
eine deutlich höhere Erwartung an die Nutzung digitaler Materialien haben,
sich diese nach der Einführung von Tablets jedoch kaum im Unterrichtseinsatz
wiederfinden lassen. Hier stellt sich die Frage, ob (geeignete) digitale Materialien
überhaupt zur Verfügung stehen? Auch ist zu untersuchen, ob die vorhandenen
bzw. verwendeten (medien)didaktischen Modelle einem Unterricht mit Tablets
genügen, oder ob es der Entwicklung neuer didaktischer Ansätze bedarf, die di-
gitalen Medien stärker gerecht werden? Vertiefend sind außerdem die Rollen und
medienbezogenen Einstellungen von Lehrpersonen zu untersuchen, wenn es um das
Ge- oder Misslingen der Integration von Tablets und die konkrete Ausgestaltung
des Unterrichts mit Tablets geht.
Schließlich sind weiterführende methodisch-methodologische Reflexionen
notwendig (vgl. Einleitung sowie anknüpfend den Beitrag von Welling in diesem
Band). Bisher untersuchen Begleitstudien unterrichtliche Veränderungen durch
den Tableteinsatz meist durch Befragungen von Akteuren und arbeiten so deren

8 In der Einleitung wurde bereits deutlich, dass der Erwerb von Fachinhalten im Gegen-
satz zum Erwerb überfachlicher Kompetenzen von der Forschung noch selten in den
Blick genommen wird. Welling (2015) merkt in diesem Zusammenhang zurecht an,
dass Studien, die den Erwerb von Fachinhalten untersuchen, zudem mit Vorsicht zu
betrachten sind, da ihre Methodik nicht selten Mängel aufweist, wenn beispielsweise
ausschließlich Selbstauskünfte eingeholt oder nur geringe Fallzahlen berücksichtigt
werden.
Tablets zur Neubestimmung des Lernens? 171

subjektive Perspektiven heraus. Seltener werden der tatsächliche Geräteeinsatz


oder Wandlungsprozesse des Lehrens und Lernens mit Tablets auf der Basis
konkreter Unterrichtsbeobachtungen evaluiert. Die Verknüpfung dieser beiden
Perspektiven in der hier präsentierten Begleitforschung hat jedoch gezeigt, dass
sich eine positive Einstellung von Lehrpersonen und Schülerinnen und Schülern
gegenüber dem Unterricht mit Tablets nicht automatisch in einem innovativen
und vielfältigen Einsatz widerspiegelt. Dies weist darauf hin, dass eine zukünftige
Ausweitung des Methodenrepertoires sinnvoll erscheint, indem beispielsweise
Befragungen durch Videobeobachtungen ergänzt werden. Der verstärkte Einsatz
von Videobeobachtungen ist zu empfehlen, um subjektive Perspektiven zukünftig
besser von der konkreten Integration abgrenzen zu können und gleichzeitig auch
die Bildhaftigkeit, die bei der Nutzung digitaler Medien eine zentrale Rolle spielt,
stärker zu berücksichtigen.

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Bildungstechnologische Innovation,
mediendidaktische Integration und/oder
neue persönliche Lernumgebung?
Tablets und BYOD in der Schule
Rudolf Kammerl
Bildungstechnologische Innovation, mediendidaktische Integration…

Zusammenfassung

Auf der Basis ausgewählter Daten aus zwei Begleitstudien (Paducation und Start
in die nächste Generation) wird gezielt Hinweisen auf Widerstände und Gründe
gegen ein Lernen mit Tablets nachgegangen . Während aus bildungstechnologi-
scher Perspektive bei solchen Integrationsprozessen vorrangig Bereitstellung,
Einführung und Nutzung der Tablets und ihrer Apps im Vordergrund stehen,
stellen die persönlichen Tablets für die Lernenden neue Optionen expansiven
und defensiven Lernens dar . Verlagerungen von Verantwortungszuschreibun-
gen und -übernahmen sind in diesem Spannungsfeld beobachtbar und bieten
Ansatzpunkte zu differenzierenden Analysen .

1 Einleitung

In der bildungspolitischen Diskussion mehren sich die Stimmen, das Digitale Lernen
an Schulen auszubauen . Dabei wird als ein zentraler Hemmschuh die mangelnde
Ausstattung der Schulen mit Schülergeräten benannt . Tatsächlich hatten Schulen
in Deutschland im internationalen Vergleich nach Zahlen der OECD eine etwa
durchschnittliche Ausstattung . 2012 stand an deutschen Schulen ein Computer
für jeweils vier 15-jährige Schülerinnen und Schüler zur Verfügung . Die Quote
pro Computer lag mit 4,2 zu 1 knapp über dem OECD-Durchschnitt und erreich-
te Rang 28 im Vergleich von 34 OECD-Ländern (OECD 2015) . Nach den etwas
aktuelleren Daten der ICILS 2013 besuchten Achtklässlerinnen und Achtklässler
in Deutschland Schulen, in denen das Schüler-Computer-Verhältnis (für die
gesamte Schülerschaft) bei 11,5 zu 1 liegt, also im Bereich des Mittelwerts der an
175
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_8
176 Rudolf Kammerl

ICILS 2013 teilnehmenden Staaten der EU (11,6:1) (vgl. Eickelmann et al. 2014)1.
Moniert wurde von den Autorinnen und Autoren die mangelnde Modernität der
Geräte. Die Ausstattung mit mobilen Rechnern und interaktiven Whiteboards sei
schlechter als im internationalen Vergleich. Welche Quote im Zahlenverhältnis
von Schülerinnen bzw. Schülern und Rechnern ideal ist, und ob diese Kennzahl
überhaupt geeignet ist, eine besonders günstige Qualität der Rahmenbedingungen
für schulisches Lernen zu beschreiben, wird kontrovers diskutiert. Nichtsdesto-
trotz gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Modellen und Projekten, mit denen das
1:1-Computing implementiert wurde. In den Schulen wurden Rahmenbedingungen
geschaffen, durch die jeder Schülerin und jedem Schüler ein Gerät zur Verfügung
gestellt wurde. Dabei kommen verschiedene Konzepte zum Tragen: Von Poollö-
sungen über persönliche Geräte, die an der Schule verbleiben oder auch mit nach
Hause genommen werden können, bis hin zur Einbindung privater Geräte in die
schulische Infrastruktur (Bring Your Own Device – BYOD).
Zwar gibt es eine Reihe von pädagogischen und didaktischen Gründen, die
für 1:1-Lösungen angeführt werden können, in den Abwägungen über das Für
und Wider spielen aber immer auch andere Gesichtspunkte eine Rolle. Anhand
der Frage der IT-Ausstattung lässt sich zeigen, dass es schon seit längerem von
„politischer und ökonomischer Seite […] starke Bemühungen [gab; rk], die Anzahl
an Computern und den Internetzugang in Schulen zu verbessern“ (Meister 2013,
S. 48). Während sich die Enquete-Kommission des Dt. Bundestages Internet und
Digitale Gesellschaft beispielsweise für die Ausstattung aller Schülerinnen und
Schüler mit persönlichen Endgeräten aussprach2, findet sich diese Forderung in
dem Medienpädagogischen Manifest der Initiative Keine Bildung ohne Medien!
nicht3. In den bundespolitischen Initiativen Strategie ‚Digitales Lernen‘ und Pakt
für Digitale Bildung wurde dem BYOD-Ansatz in den Forderungspapieren ein
prominenter Platz eingeräumt. Die KMK-Präsidentin wiederum ließ sich Anfang
2016 bei Amtsantritt mit einem Statement zitieren, in dem sie sich nicht für BYOD

1 Je nachdem ob die Zahl der Rechner, die in einer Schule zur Verfügung stehen, auf die
Anzahl aller Schülerinnen und Schüler der Schule rechnerisch aufgeteilt wird oder nur
auf die Achtklässlerinnen und Achtklässler ergeben sich unterschiedliche Quoten.
2 „Der Lösungsvorschlag der Enquete-Kommission ist ein ganz zentraler Punkt: Es sollen
nicht mehr die Schulen, sondern die Schülerinnen und Schüler ausgestattet werden. Jede
Schülerin und jeder Schüler soll einen eigenen Laptop oder einen eigenen Tablet-PC
bekommen preisgünstig produziert in großen Losen und unterstützt durch staatliche
Mittel.“ (Enquete-Kommission 2011, S. 2)
3 Auch in älteren Initiativen wie Schule ans Netz lässt sich zeigen, dass die Einbindung
nicht primär medienpädagogisch begründet war.
Bildungstechnologische Innovation, mediendidaktische Integration… 177

mit beliebigen privaten Endgeräten, sondern für die verstärkte schulische Nutzung
privater Smartphones von Schülerinnen und Schülern aussprach4.

2 BYOD oder 1:1 Tabletausstattung im Kontext einer


insgesamt zunehmenden Medienausstattung der
Schülerinnen und Schüler

Die Diskussion um die Integration digitaler Medien als Mittel und Gegenstand
formaler Bildung an Schulen ist auch dadurch geprägt, dass unterschiedliche
Geräteklassen und letztlich auch unterschiedliche Hersteller präferiert werden. In
diesem Kontext ist das Tablet nur eine der möglichen Alternativen. Berücksichtigt
man die Perspektiven der Schülerinnen und Schüler, so gilt auch hier, dass sich
die Verwendung eines Tablets innerhalb der ihnen zur Verfügung stehenden Me-
dienausstattung zunehmend als eine Möglichkeit von mehreren darstellt, wenn
es darum geht, das Internet zu nutzen und/oder digital zu arbeiten und zu lernen.
Insbesondere Jugendlichen stehen privat zunehmend mehrere persönliche Endgeräte
zur Verfügung. Neben dem Smartphone, das heute quasi zur Grundausstattung
zählt und immer dabei ist, haben sie in der Regel zu Hause Zugriff auf weitere Ge-
räte, wie z. B. das Notebook, den PC oder eben ein Tablet. Die private Ausstattung
mit digitalen Medien und deren Nutzung hat sich in den letzten Jahren deutlich
gewandelt. Während noch bei der Durchführung der ersten 1:1-Projekte Jugendli-
chen erstmals ein persönliches mobiles Endgerät zur Verfügung gestellt wurde, mit
dem sie das Internet nutzen konnten5, gibt es heute eine ganz andere Ausgangslage:
Die Schülerinnen und Schüler verfügen schon über Geräte und Internetnutzung
und haben schon individuelle Nutzungsroutinen und -präferenzen ausgebildet.
Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass sich Akzeptanz und
Nutzen von 1:1-Computing-Projekten wandeln. Wird von den Befürwortern
einer 1:1-Ausstattung in der Schule unterstellt, dass die Einführung von Tablets
und anderen persönlichen Endgeräten zu digitalem und besserem Lernen führt,
muss ausgehend von empirischen Befunden zum Tabletgebrauch aus einschlägi-
gen Schulprojekten darauf hingewiesen werden, dass in Schulen, in denen dieser

4 „Neue KMK-Chefin will digitale Bildung voranbringen – mit den Smartphones der
Schüler“. Interview. Online unter: http://www.news4teachers.de/2016/01/neue-kmk-
chefin-will-digitale-bildung-voranbringen-mit-den-smartphones-der-schueler/ (Zu-
gegriffen: 29.02.2016)
5 Die Hinführung war in vielen Initiativen auch eine der Zielsetzungen.
178 Rudolf Kammerl

ermöglicht wurde, vorhandene Tablets weder für das Lehrerhandeln, noch für das
Lernen notwendigerweise die erwartete zentrale Rolle erhielten6. Vielmehr lassen
sich in den Projektberichten und Befunden der wissenschaftlichen Begleitung auch
Phänomene finden, die sich aus der Zielperspektive der Projekte zur Integration
mobiler Endgeräte als gewisse Widerständigkeit, Zähigkeit und/oder Abwandlung
der ursprünglichen Zielsetzungen des Projektes darstellen. Dies ließe sich auf unter-
schiedlichen Ebenen des Bildungssystems ausführen, über die Schuladministration
und Schulleitung bis hin zu den Lehrkräften, den Schülerinnen und Schülern und
deren Eltern. Dabei ist es – im Sinne subjektorientierter Forschung – naheliegend,
jenseits der Zielperspektiven der Projekte auch die Gründe und Logiken derjenigen
stärker zu beleuchten, die sich dagegen entscheiden, dem Tablet die im Projekt ange-
dachte Rolle einzuräumen. Mit diesem Artikel soll ein Beitrag dazu geleistet werden,
entsprechende Entscheidungen und Perspektiven von Schülerinnen und Schülern
darzustellen, mögliche Erklärungen zu diskutieren und theoretisch einzuordnen.
Methodisch soll auf Daten aus zwei Projekten zurückgegriffen werden, welche
die Stärkung des Lernens mit digitalen Medien an Schulen als Zielsetzung hatten
und die es dabei den Schülerinnen und Schülern ermöglichten, persönliche mobile
Endgeräte im Unterricht zum Lernen und Arbeiten zu nutzen. Zum einen handelt
es sich um das Projekt Start in die nächste Generation, in dem Schülerinnen und
Schüler im Rahmen eines Bring-Your-Own-Device-Ansatzes ihre privaten mobi-
len Endgeräte in die Schule mitnehmen sollten7. Zum anderen handelt es sich um
das Projekt Paducation, in dessen Rahmen eine gymnasiale Oberstufe mit iPads
ausgestattet wurde, die den Schülerinnen und Schülern auch außerhalb der Schule
als persönliches Gerät zur Verfügung standen. Beide Projekte fanden in Hamburg
statt und bei beiden Projekten wirkte der Autor im Auftrag der Schulbehörde an
der Evaluation mit. Im Sinne einer sekundäranalytischen Betrachtung sollen im
folgenden Teilergebnisse aus den Studien ausgewählt werden, die für die aufgeworfene
Zielsetzung bedeutsam erscheinen. Dabei werden auch bislang unveröffentlichte
Befunde präsentiert.

6 Dies wird beispielsweise deutlich im Vergleich der Zielsetzungen der im Folgenden


genannten Projekte und in den Ergebnissen dazu.
7 Dieses Projekt war bei Fertigstellung dieses Beitrags noch nicht abgeschlossen, wird es
aber bei Veröffentlichung des Buches voraussichtlich sein.
Bildungstechnologische Innovation, mediendidaktische Integration… 179

2.1 Tabletnutzung als eine Option im Rahmen des


BYOD-Ansatzes

Das Pilotprojekt Start in die nächste Generation wurde zu Beginn des Schuljahres
2014/15 an sechs Hamburger Schulen gestartet. Mit dem Projekt soll der BYOD-An-
satz auf seine Tauglichkeit in der Praxis und eine mögliche Überführung in den
Regelbetrieb geprüft werden. Das zentrale Ziel des Projekts ist es, auf Basis einer
flächendeckenden WLAN-Infrastruktur, einer Lernplattform (itsLearning), ver-
schiedener integrierter Software- und Webangebote (Bettermarks, Sofatutor, Scoyo,
verschiedenen digitalen Schulbüchern, FWU-Mediathek u. a.) sowie der mobilen
Endgeräte der Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte „die Chancen der digitalen
Medien durch entsprechende Unterrichtskonzepte für eine Optimierung des Lernens
zu nutzen und so den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler zu verbessern“ (BSB
o. J.). Es geht aber auch um die Verstärkung des Medieneinsatzes, die Annäherung
an die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler sowie die erweiterte Förderung
von Medienkompetenz (BSB 2015). Die sechs Hamburger Schulen entwickeln und
erproben dabei unterschiedliche Umsetzungskonzepte. Bis Januar 2015 beteiligten
sich 34 Klassen und rund 750 Schülerinnen und Schüler an dem Projekt Start in die
nächste Generation. Im November 2015 waren es bereits mehr als 60 Klassen und
Kurse. Damit stellt das Projekt, das von Senatskanzlei und Schulbehörde initiiert
wurde, das größte derzeit in Deutschland stattfindende BYOD-Projekt dar. Die
Auswahl der Schulen – drei Stadtteilschulen (Ilse-Löwenstein-Schule/Uhlenhorst,
Stadtteilschule Oldenfelde und Schule Maretstraße/Harburg) und drei Gymnasien
(Gymnasium Ohmoor/Niendorf, Gymnasium Altona und Gymnasium Osterbek/
Farmsen-Berne) – erfolgte durch eine Ausschreibung der Hamburger Schulbehörde.
Voraussetzung für die Teilnahme daran war neben einem Konzept der Schule auch
das Votum der Schulkonferenz, die aus Lehrkräften, Eltern sowie Schülerinnen
und Schülern besteht (HmbSG § 52-56).
Bei der Evaluation zu dem Projekt Start in die nächste Generation handelt es
sich um eine formative Evaluation, die vom Arbeitsbereich Medienpädagogik an
der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg durchgeführt
wird. Ziel ist es, den Projektprozess zu begleiten und mit den erhobenen Daten zu
verschiedenen Zeitpunkten den Akteuren eine Rückmeldung über die Projekt-
entwicklung zu geben. Die Studie ist mit einem doppelten Fokus angelegt: Zum
einen soll erhoben werden, wie sich Motivation, Schulleistungen und Medienkom-
petenz der Schüler und Schülerinnen durch die Teilnahme am BYOD-Unterricht
entwickeln. Der zweite Fokus liegt auf der Veränderung des Unterrichts durch
das BYOD-Konzept aus der Sicht der Lehrkräfte sowie deren Einschätzung zur
Realisierung der Projektziele.
180 Rudolf Kammerl

Um entsprechende Rückmeldungen in das Projekt zu ermöglichen, findet die


Datenerhebung projektbegleitend zu verschiedenen Erhebungszeitpunkten und mit
Einsatz entsprechender quantitativer und qualitativer Instrumente statt. Zentrale
Elemente der Evaluation sind dabei ein Vorher-Nachher-Vergleich, der als eine
quantitative Schülerbefragung mit Fragebogen realisiert wird, sowie qualitative
Leitfadeninterviews mit den Lehrkräften zur Wahrnehmung der Veränderung des
Unterrichts durch BYOD. Die größeren quantitativen Befragungen der Schülerin-
nen und Schüler erfolgen durch wissenschaftliche Mitarbeiter und studentische
Hilfskräfte. Darüber hinaus werden Erhebungen an den Schulen von M. A.-Lehr-
amtsstudierenden durchgeführt, die hierfür im Rahmen der begleitenden Seminare
und Forschungswerkstätten (Laufzeit insgesamt: Oktober 2014 bis Februar 2016)
ausgebildet werden.
Die Ausgangslange der Schülerschaft wurde im Zeitraum von November 2014
bis Januar 2015 mit einem standardisierten Fragebogen erfasst. Neben einer Erhe-
bung der soziodemographischen Daten beinhaltete der Papier-Fragebogen sieben
weitere Fragebereiche, die zu drei großen Themenbereichen zusammengefasst
wurden. Im Fokus der Erhebung standen Aspekte des gewohnten Umgangs mit
Smartphone, Tablet, Computer und Internet bezogen auf den Besitz eines eigenen
Geräts, dessen Nutzungsdauer und -häufigkeit sowie den Zweck der Nutzung. Des
Weiteren war die Selbsteinschätzung der befragten Schülerinnen und Schüler in
den Bereichen Medienkompetenz und Selbstregulation sowie Motivation und eigene
Kontrollüberzeugung von Interesse. Darüber hinaus wurde die Rolle der digitalen
Medien bei den Lernstrategien untersucht. In einem Vorher-Nachher-Vergleich
soll – unter Abgleich mit einer Kontrollgruppe – untersucht werden, ob und wie
sich die genannten Faktoren im Projektverlauf wandeln und welche Wirkgrößen
hierfür ausschlaggebend sein könnten. Aufgrund des aktuellen Projektstadiums
können hier nur Teilergebnisse der Ausgangserhebung präsentiert werden.
Es wurden 481 Schülerinnen und Schüler der 7.- 9. Jahrgangsstufen an den sechs
Hamburger Schulen befragt. Davon besuchen 254 eines der drei teilnehmenden
Gymnasien und 227 eine der drei Stadtteilschulen. Nach dem Hamburg Sozia-
lindex weist die Schülerschaft an den Stadtteilschulen einen deutlich niedrigeren
sozioökonomischen Status auf als die der Gymnasien. Zur Zeit der Umfrage gehen
36 Prozent der Schülerinnen und Schüler in eine 7. oder 8. Klasse und 28 Prozent
in eine 9. Klasse. Das Geschlechterverhältnis ist mit 53 Prozent männlichen und
47 Prozent weiblichen Befragten relativ ausgewogen. 312 der Befragten nehmen an
dem Pilotprojekt teil. 168 der Befragten bilden die Kontrollgruppe. Hierbei handelt
es sich um Schülerinnen und Schüler, die zwar aus denselben Schulen stammen,
nicht aber aus den teilnehmenden Schulklassen.
Bildungstechnologische Innovation, mediendidaktische Integration… 181

Die hohe Smartphone-Ausstattung der Jugendlichen ist mittlerweile hinlänglich


bekannt (JIM-Studie, MPFS 2015). In unserer Erhebung gaben bei 480 Antworten
90 Prozent den Besitz eines eigenen Smartphones an und sogar die Hälfte den
Besitz eines eigenen Tablets, mit dem sie das Internet nutzen. Bei dieser für den
BYOD-Ansatz günstigen Ausstattungsbasis ergaben sich keine großen Unterschiede
in Bezug auf Geschlecht und Schulform. Der Gerätebesitz einer Spielekonsole und
eines PCs hingegen ist bei Mädchen und Jungen sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Ähnlich unterschiedlich stellt sich das Bild der Nutzungshäufigkeit zwischen
Jungen und Mädchen dar. 81 Prozent der Mädchen nutzen das Smartphone am
häufigsten, aber nur 51 Prozent der Jungen. Die Nutzung der Jungen verteilt sich,
entsprechend dem Besitz, des Weiteren zu 15 Prozent auf den Computer und zu
12 Prozent auf die Spielekonsole als am häufigsten genutztes Gerät (basierend
auf 408 Antworten). Nach den Angaben der Jugendlichen nutzen 8,8 Prozent am
häufigsten das Tablet. 10 Prozent der Jungen und 7,6 Prozent der Mädchen gaben
das an, insgesamt 36 (14,7 Prozent) der 245 Tabletbesitzerinnen und -besitzer.
Auf die Frage hin, welches Gerät die Schülerinnen und Schüler mit in die Schule
nehmen werden, zeigte sich, dass das Smartphone präferiert wird, auch wenn die
Befragten zusätzlich über ein Tablet oder einen Laptop zu Hause verfügen. Selbst
bei einer selektiven Betrachtung der Schülerinnen und Schüler, die angaben, das
Tablet am häufigsten zu nutzen (n=42), gaben nur zwei Drittel an, dieses Gerät mit
in die Schule nehmen zu wollen.
Die Untersuchung des Alters der Geräte, die mit in die Schule genommen werden,
hat ergeben, dass die Geräte, die in der Stadtteilschule mitgebracht werden, im Schnitt
neuer sind als die am Gymnasium. 53 Prozent der Schülerinnen und Schüler der
Stadtteilschulen gaben an ein Gerät mitzunehmen, das nicht mehr als 10 Monate
alt ist. Bei den Gleichaltrigen am Gymnasium betrug dieser Anteil 43 Prozent.
Die Nutzungsdauer und -häufigkeit wurde unterschieden in schulische Zwecke
und Freizeitinteressen. Zusammenfassend ist zu erkennen, dass die Schülerinnen
und Schüler Smartphone, Computer und Internet zwar mehrmals pro Woche für
schulische Zwecke nutzen, aber meist kürzer als eine halbe Stunde. Für Freizeit­
interessen ist bei den Gymnasiastinnen und Gymnasiasten die Nutzungsdauer
gleichmäßig auf Zeiten zwischen einer und drei Stunden verteilt. Die Mehrheit
der Stadtteilschülerinnen und -schüler hingegen nutzt die Geräte mehr als drei
Stunden am Tag für Freizeitinteressen.
Das Tablet stellt für rund die Hälfte der Schülerinnen und Schüler in dieser
Stichprobe eine von mehreren Optionen dar, um das Internet zu nutzen oder mit
einem Rechner zu arbeiten. Selbst Tabletbesitzer nutzen diese Geräteklasse nicht
am häufigsten und hatten (zu Beginn des BYOD-Projektes) mehrheitlich auch
nicht vor, ein Tablet mit in die Schule zu nehmen. Etwas anders sieht es bei den
182 Rudolf Kammerl

Schülerinnen und Schülern aus, die ihr Tablet im Alltag am häufigsten nutzen.
In dieser kleinen Gruppe (8,8 Prozent der Befragten) hatten dies zwei Drittel vor.

2.2 Paducation – Lernen mit iPads innerhalb formaler und


informeller Lernkontexte

Ein ähnliches Phänomen zeigt sich auch, wenn alle Schülerinnen und Schüler
mit Tablets ausgestattet werden. Am Beispiel des Projekts Paducation lässt sich
beobachten, dass die persönlichen iPads der Schülerinnen und Schüler zwar in
vielen Fällen, aber keineswegs immer in der Schule und zu Hause für das Lernen
eine zentrale Rolle bekamen. Über die Befunde der publizierten Projektevaluation
(Welling et al. 2014) hinaus kann hierzu mittlerweile – rund 2 Jahre nach dem
Abschluss der wissenschaftlichen Evaluation der ersten Projektphase – auf weitere
Schülerinterviews zurückgegriffen werden, die im Rahmen einer Masterarbeit
durchgeführt wurden (Thomsen 2015).
Im Schuljahr 2011/12 startete mit Unterstützung der Behörde für Schule und
Berufsbildung am Kurt-Körber-Gymnasium das Projekt Paducation – Lernen mit
mobilen Endgeräten innerhalb schulischer Lernkontexte. Dabei wurden alle Schüle-
rinnen und Schüler der Oberstufe mit einem persönlichen Gerät ausgestattet, das
ihnen über die gesamte Projektlaufzeit zur Verfügung stand und auch zu Hause
genutzt werden konnte (1:1-Computing). Als Gerät kam das iPad 2 zum Einsatz. Die
Tablets waren zu Beginn des Projektes eine relativ neue und somit im Schulumfeld
noch relativ unerprobte Geräteklasse. Während die ersten beteiligten Jahrgänge noch
einheitlich ein Apple-Produkt nutzten, wurden in den Folgejahrgängen auch andere
Tablets zugelassen, die von den Familien selbst finanziert wurden (ca. ein Drittel).
Die erste Projektphase (2011-2013) wurde vom Institut für Informationsmanage-
ment Bremen (ifib) und der Universität Hamburg wissenschaftlich begleitet. Der
Leitgedanke der Evaluation lag darin zu untersuchen, welche Herausforderungen
sich für die Schulentwicklung im Bereich der Einführung digitaler Medien in den
schulischen Alltag ergeben. Neben technischen, organisatorischen und struktu-
rellen Aspekten standen insbesondere Herausforderungen für die Schülerinnen
und Schüler sowie für die Lehrkräfte im Vordergrund. Aus den Untersuchungs-
ergebnissen sind Handlungsempfehlungen entwickelt worden, die zum einen
die Weiterführung des Projektes in den folgenden Jahrgängen unterstützen und
zum anderen zur Weiterentwicklung der pädagogisch-schulischen IT-Strategie der
Schulbehörde dienen sollten.
Für die Evaluation kam ein Mixed Methods-Design zum Einsatz. Es wurde je
eine Initial- und eine Abschlussbefragung der Schülerinnen und Schüler in beiden
Bildungstechnologische Innovation, mediendidaktische Integration… 183

ausgestatteten Jahrgängen mit einem standardisierten Online-Fragebogen durch-


geführt. Darüber hinaus erfolgten Unterrichtshospitationen und teilstrukturierte
Interviews mit Schülerinnen und Schülern. Außerdem wurden drei Gruppen-
diskussionen mit insgesamt 16 Lehrkräften und drei Gruppendiskussionen mit
insgesamt 22 Schülerinnen und Schülern durchgeführt, sowie ein Interview mit
dem Schulleiter.
Aus der Vielzahl von Aspekten, die mit den Daten beleuchtet werden konnten, soll
hier wiederum auf die individuelle Aneignung der Tablets durch die Schülerinnen
und Schüler fokussiert werden. Zunächst ist in diesem Projekt deutlich geworden,
dass die Bereitstellung persönlicher Tablets in dem untersuchten Zeitraum dazu
geführt hat, dass eine Verbindung der persönlichen Lebenswelt der Heranwachsen-
den mit dem schulischen Lernen und Arbeiten dadurch eröffnet wurde, dass das
Tablet das Gerät war, das schulisch und privat genutzt wurde. Zu Hause wurden die
Tablets regelmäßig und in erster Linie für private Zwecke (und dabei nicht anders
als im Rahmen der üblichen Computer- und Internetnutzung von Jugendlichen
diesen Alters) verwendet (Welling et al. 2014, S. 28). In der Schule hingegen wurden
die Tablets von der Mehrheit der Schülerinnen und Schüler in den meisten Fächern
nicht regelmäßig verwendet. Zum einen kann hierfür sicherlich auf die zum Teil
geringe Integration durch einige Lehrkräfte der Schule verwiesen werden. In eini-
gen Oberstufenkursen wurde das Tablet gar nicht oder selten genutzt, in anderen
Kursen, z. B. in Deutsch regelmäßig (a. a. O., S. 29ff). Es lassen sich aber auch auf
der Ebene der Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Grundhaltungen und
Mediennutzungsroutinen wiederfinden, die für das digitale Lernen bedeutsam sind.
In den Gruppendiskussionen etwa finden sich Differenzen in den Meinungen zu
verschiedenen Medienpraxen, die den Heranwachsenden sinnvoll erscheinen oder
die sie für verzichtbar halten. Der folgende Transkriptionsausschnitt ist hierfür
beispielhaft (Welling et al. 2014, S. 34):

Af: bei uns gibt’s eigentlich so mehrere (.) Formen von Schülern (.) also (.)
die einen, die sieht man echt nur mit dem iPad, die schreiben damit, die
recherchieren damit, andere wiederum benutzen es halt gar nicht wie
Beatrice und es gibt halt auch noch so (1) Mittel (.) also so ´n Mittelding
zwischen den beiden Sachen, die benutzen’s halt nur wenn’s wirklich
sein muss (3:6).

Unter den Bedingungen einer heterogenen Bereitstellung von Unterrichtsmateria-


lien (Fotokopien, digitale Austauschformate) durch die Lehrkräfte und den damit
verbundenen Medienbrüchen wurde der Nutzen des Schreibens bzw. Lesens mit
analogen bzw. digitalen Medien unterschiedlich bewertet. Zugleich hatten einige
184 Rudolf Kammerl

Schülerinnen und Schüler den Eindruck, dass besonders Mitschriften im Unterricht


im herkömmlichen Format mit Stift und Papier sie besser auf die Anforderungen
von Prüfungen – insbesondere das Abitur – vorbereiten. Zum einen, weil das Abitur
handschriftlich abgelegt wird, zum anderen, weil die Schülerinnen und Schüler
bereits eine persönliche Routine für handschriftliche Aufzeichnungen entwickelt
hatten, die bei der Arbeit mit Tablets umgestellt werden musste.
Als besondere Herausforderung der Tabletnutzung in der Schule wurde das
durch die digitale Kommunikation gegebene Ablenkungspotenzial gesehen. Die
Schülerinnen und Schüler haben in der Projektlaufzeit begonnen, ihre Ablenkungs-
bereitschaft zu reflektieren und ein Bewusstsein für die Problematik der perma-
nenten Verfügbarkeit von Spiel-, Kommunikations- und Unterhaltungsangeboten
zu entwickeln. Dies äußerte sich u. a. darin, dass einzelne Oberstufenschülerinnen
und -schüler offenbar die Lehrkräfte aufforderten, ihnen die Tabletnutzung im
Unterricht zu verbieten. So berichtete in der Gruppendiskussion eine der Lehrkräfte:

L2: […] dass dann auch, äh, von einer Schülerin die Forderung kam mit
ja, dann müssen Sie uns das iPad halt mal häufiger verbieten (.) wo
ich auch gedacht hab, aha (2) okay, gut (.) also dass diese Forderung
auch irgendwie dann da ist nach ´ner Begrenzung irgendwie dieses (.)
Gebrauchs (Welling et al. 2014, S. 79).

Der Umgang mit dem Ablenkungspotential digitaler Medien ist entwicklungspsycho-


logisch im Spiegel der adoleszenten Entwicklung von der Fremd- zur Selbstkontrolle
einzuordnen. Während man bei jüngeren Schülerinnen und Schülern sicherlich
nicht erwarten würde, dass sie selbstverantwortlich ihre Mediennutzung regulieren
können, wird dieses etwa bei Studierenden vorausgesetzt. Die Entwicklung einer
selbstbestimmten und selbstkontrollierten Handlungsfähigkeit in der mediatisierten
Gesellschaft kann sicherlich als allgemeine Bildungsaufgabe betrachten werden,
die von Schulen mit zu unterstützen ist. Im Rahmen von 1:1-Computing findet
eine zunehmende Verantwortungsadressierung an Schülerinnen und Schüler
hinsichtlich der Medienwahl, der Konfiguration der Geräte (u. a. Einstellung der
Push-Nachrichten), der Gestaltung der Lern- und Arbeitsprozesse und der Kontrolle
von Verständnis und Transfer statt, der sie erst gerecht werden können müssen.
Die Zuweisung der Verantwortung darf aber nicht in die Unterstellung münden,
dass allein die Schülerinnen und Schüler verantwortlich wären für den Erfolg und
Misserfolg des digitalen Lernens in der Schule!
In dem Paducation-Projekt sind die Tablets zwar für viele Schülerinnen und
Schüler durch die permanente Verfügbarkeit sowie aufgrund der Schnelligkeit,
Mobilität und Flexibilität zu einem Begleiter im Alltag geworden, aber nicht für
Bildungstechnologische Innovation, mediendidaktische Integration… 185

alle von ihnen. Dies zeigt sich gerade auch im weiteren Verlauf. Zwei Jahre nach
Abschluss der wissenschaftlichen Begleitung des Paducation-Projektes wurden im
Rahmen einer Masterarbeit wiederum halbstrukturierte Leitfadeninterviews mit
Schülerinnen und Schülern der Oberstufe zur Tabletnutzung geführt (Thomsen 2015).
Dafür nutzte Thomsen eine adaptierte Version des auch für die Projektevaluation
eingesetzten Interviewleitfadens. Die Auswertung ergab ein eher durchwachsenes
Bild und verdeutlichte, dass in der Einschätzung der Befragten vor allem die Fre-
quenz der iPad-Nutzung im Laufe des Projekts zurückgegangen ist. Hierfür wurde
insbesondere die geringe und aus Schülersicht nicht immer überzeugende Einbin-
dung durch die Lehrkräfte als Grund angeführt. Von Seiten der Schülerinnen und
Schüler wurde zwar nicht die Sinnhaftigkeit einer Tabletnutzung an Schulen an
sich in Frage gestellt, aber vor dem Hintergrund der konkreten mediendidaktischen
Einbindung des Geräts und der daraus resultierenden Anforderungen wurde der
Nutzwert des Tablets im Unterricht deutlich relativiert: „jetzt könnte ich es sogar
zu Hause lassen, weil ich es kaum benutzen würde“ (Schüler C); „ich sehe das Tablet
auch nicht mehr als hilfreiches Mittel, was ich im Unterricht benutze“ (Schüler
B). Zwar stand bei den kritischen Schüleräußerungen die schulische Nutzung im
Mittelpunkt, es finden sich aber auch Beispiele, in denen offenbar das Tablet auch
für die private Nutzung der Schülerinnen und Schüler an Bedeutung verloren hat.
So berichtet zum Beispiel ein Schüler zur Tablet-Nutzung, er habe insgesamt „mit
der Zeit gemerkt, dass […] [er auch zu Hause] das Tablet kaum mehr benutze“
(Schüler A).
Zwar können diese Einzelinterviews keine verallgemeinernden Aussagen zulas-
sen, doch es zeigt sich, dass es Schülerinnen und Schüler gibt, für die die Nutzung
eines Tablets keine hilfreiche Option für das Lernen und Arbeiten an der Schule
darstellt, selbst dann nicht, wenn sich die Schule für ein 1:1-Computing mit Tablet
entschieden hat. Darüber hinaus gibt es offenbar durchaus Fälle, in denen ein Tablet
für Schülerinnen und Schüler auch außerhalb von schulischen Zwecken keinen
Mehrwert hat – nicht einmal, wenn es ihnen privat zur Verfügung steht.

3 Theoretische Einordnung in eine subjektorientierte


Lerntheorie

Unabhängig davon, dass – etwa im Sinne der Mehrebenen-Perspektive auf die In-
tegration digitaler Medien (Breiter et al. 2010) – eine Vielzahl von Faktoren auf der
Seite der schulischen Lernumgebung ausschlaggebend für das digitale Lernen mit
Tablet sind, wird mit dem berichteten Phänomen auch deutlich, dass die Perspektiven
186 Rudolf Kammerl

und Präferenzen der Lernenden offenbar nicht zu vernachlässigende Größen für


das digitale Lernen mit Tablets (oder anderen Geräten und Lernumgebungen) sind.
Theoretisch scheint es angemessen, diese Schülerinnen und Schüler, welche
die schulischen Vorgaben zum digitalen Lernen in Frage stellen, weniger als Stör-
faktoren oder Verweigerer zu interpretieren, sondern vielmehr als Subjekte ihrer
Lernprozesse ernst zu nehmen. Nicht selten wird im Verhältnis zwischen einer
von Schulen bereitgestellten, IT-gestützten Lerninfrastruktur und individuellen
Lernprozessen unterstellt, dass das eine das andere quasi bildungstechnologisch
steuern könne. Dieser Lehr-Lern-Kurzschluss ist aber in Frage zu stellen. Ein wesent-
liches strukturelles Moment organisierter Lehr-Lernprozesse ist die Offenheit von
Lernprozessen. Erfolgreiches Lernen kann nicht erzwungen werden. Lernprozesse
können nur vom Subjekt selbst ausgehen. Aus der Sicht der Lehrenden gibt es gute
Gründe, in der einen oder anderen Weise zu unterrichten. Aus Sicht der Lernenden
gibt es persönlich ebenso gute Gründe, sich auf diese Angebote einzulassen oder
sie abzulehnen. Schülerinnen und Schüler nutzen digitale Medien in vielfältiger
Weise für informelle Lernprozesse. Sie verfolgen dabei aber ihre individuellen
Interessen und entwickeln eigene Strategien. Im Rahmen einer subjektorientierten
Theorie der Mediatisierung des Lernens sind die Gründe und Widerstände der
Lernenden stärker zu berücksichtigen. In der Tradition der Kritischen Lerntheorie
kann etwa im Anschluss an Holzkamp (1993) dabei zwischen expansivem und
defensivem Lernen unterschieden werden. Expansives Lernen findet dann statt,
wenn die Lernenden aufgrund ihrer individuellen Handlungsprobleme genau
das lernen, was sie persönlich benötigen, um ihre Aktivitäten fortzusetzen und
ihre Handlungsmöglichkeiten zu erweitern. Im Gegensatz dazu findet defensives
Lernen statt, wenn die aktuelle Lebenslage bedroht scheint und notgedrungen mit
Lernen darauf reagiert werden muss – also wenn Ärger mit den Eltern und/oder
den Lehrkräften droht. Im Kontext der Erwachsenenbildung hat etwa Grotlüschen
(2003) diese Lerntheorie zur Beschreibung des virtuellen Lernens überzeugend
genutzt. Für das digitale Lernen mit mobilen Endgeräten an Schulen liegen meines
Wissens aber noch keine entsprechenden Arbeiten vor.
Die Beiträge Holzkamps zu seiner subjektwissenschaftlichen Lerntheorie wur-
den mit Blick auf seine Foucault-Rezeption zu Recht aus poststrukturalistischer
Perspektive kritisiert. So problematisierte z. B. Forneck (2004, S. 258) das Subjekt-
verständnis Holzkamps, das der Theorie Foucaults nicht gerecht wird, da es relative
Unabhängigkeit des Individuums von gesellschaftlichen Zusammenhängen zu
unterstellen scheint. Aus poststrukturalistischer Perspektive lassen sich schließlich
viele Formen des digitalen Lernens als Selbsttechniken verstehen (Münte-Goussar
2011) und es wird auf die Funktionalität durch Strukturierungen der Lernarchi-
tekturen im Sinne des Subjektivierungskonzeptes fokussiert (Wrana 2008). Es
Bildungstechnologische Innovation, mediendidaktische Integration… 187

ist sicherlich lohnenswert, diese Gesichtspunkte im Rahmen der zunehmenden


Mediatisierung von Schulen systematischer im Kontext des digitalen Lernens an
Schulen zu untersuchen.

4 Diskussion und Fazit

In diesen beiden Projektkontexten ist es naheliegend, das Lernen mit Tablets als
spezifische Handlungsoption in formalen und informellen Kontexten theoretisch
zu modellieren. Aus der Perspektive der Lernenden ist die Vorgabe, mit einem
spezifischen Gerät zu arbeiten, in der Regel eine Einschränkung ihrer Entschei-
dungsmöglichkeiten. Wird dieser Weg einseitig eingefordert, ist mit Widerständen
und/oder defensivem Lernen zu rechnen. Es kommt darauf an, deutlich zu machen,
dass mit der jeweiligen Umsetzung des digitalen Lernangebots individuell eine
Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten eröffnet werden kann. Dies dürfte umso
schwieriger werden, je stärker schon individuelle Nutzungsroutinen mit dem privat
zur Verfügung stehenden Medienrepertoire entwickelt wurden. Es zeigt sich, dass
die Idee, mit der Einführung homogener persönlicher Endgeräte (wie z. B. dem
iPad für alle Schülerinnen und Schüler) als Lern- und Arbeitsmittel Lerninseln
(Kerres 2006) abzuschaffen und die Nutzung des Personal Learning Environment
(Attwell 2007) an Schulen zu etablieren, zunehmend in Frage gestellt werden kann.
Im Rahmen des Mediatisierungsprozesses ist mit einer weiter anwachsenden Aus-
stattungsvielfalt zu rechnen. Statt der Vorgabe bestimmter Produkte wie dem iPad
scheint es naheliegender, im Rahmen eines eingeschränkten BYOD-Ansatzes nur
bestimmte Anforderungsmerkmale vorzugeben, etwa die Bildschirmgröße oder
Eingabemöglichkeiten. Auch wenn sich durch die Zulassung vielfältiger Schüler-
geräte die Komplexität bei deren Einbindung und Nutzung erhöht, scheint dies ein
vielversprechender Weg zu sein.
Weiter wurde deutlich, dass die im Umgang mit digitalen Medien zunehmend
erfahrenen Schülerinnen und Schüler auch zunehmend höhere Erwartungen an die
professionelle Ausgestaltung des digitalen Lernens in formalen Bildungskontexten
haben. Dabei sind sie von ihren informellen Lernerfahrungen geprägt. Dies bedeutet
hohe Anforderungen an die mediendidaktische Professionalität des Lehrerhandelns
und unterstreicht die Notwendigkeit, dies stärker in der Lehrerbildung zu verankern.
188 Rudolf Kammerl

Literatur

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Breiter, A., & Welling, S. (2010). Integration digitaler Medien in den Schulalltag als Meh-
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BYOD in der Stadt
Regionale Schulnetzwerke zum Aufbau hybrider
Lerninfrastrukturen in Schulen
Richard Heinen

Zusammenfassung

Damit digitale Medien im Lernprozess gewinnbringend eingesetzt werden


können, erscheinen zwei Voraussetzungen besonders wichtig: Die Technik
muss möglichst unterrichtsnah, also im Klassenzimmer, vorhanden sein und
die Lernenden müssen selbstgesteuert darauf zugreifen können . Beide Voraus-
setzungen können mit dem Konzept des Bring your own device (BYOD), also
der Nutzungen privater mobiler Geräte, eingelöst werden . Der Artikel berichtet
aus ersten Umsetzungserfahrungen in lokalen Schulnetzwerken . Dabei wird
besonders auf die Rolle der schulinternen Lehrerfortbildung und von Medien-
konzepten bzw . von schulinternen Medien-Curricula eingegangen .

1 Einleitung

Um den Einsatz digitaler Medien an deutschen Schulen ist es nicht gut bestellt . Die
ICILS-Studie (Bos et al . 2014) bescheinigt Schülerinnen und Schülern an Schulen in
Deutschland nur ein mittelmäßiges Niveau bei computer- und informationsbezo-
genen Kompetenzen . Nähere Analysen zeigen – wie so oft im deutschen Bildungs-
system – eine breite Streuung der Kompetenzen und einen engen Zusammenhang
zwischen dem Elternhaus der Lernenden und dem erreichten Kompetenzniveau .
Ebenso zeigt die ICILS-Studie, dass in kaum einem anderen Land Computer seltener
im Unterricht verwendet werden als in Deutschland . Das Projekt School IT Rhein
Waal (Schiefner-Rohs et al . 2013) hatte es sich daher zum Ziel gesetzt, Schulen auf
dem Wege der Medienintegration zu unterstützen . Ein wesentliches Ziel war es
dabei, digitale Medien am Ort des Lernens im Klassenzimmer verfügbar zu machen .
191
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_9
192 Richard Heinen

Damit digitale Medien gewinnbringend und lernförderlich im Unterricht eingesetzt


werden können, erscheint eine Ausstattung mit mobilen, personalisierten Geräten
zielführend, da nur so Geräte im Klassenzimmer situativ und als Lernwerkzeuge
von den Lernenden selbstgesteuert eingesetzt werden können (vgl. Bebell und
Kay 2010; Burden et al. 2012; Müller et al. 2010; Petko 2012). Die Nutzung privater
Geräte der Lernenden stellt dabei eine wichtige Komponente in einer hybriden
Lerninfrastruktur dar, in der auch weiterhin Computerräume und Leihgeräte der
Schule ihren Platz haben (vgl. Heinen et al. 2013). Das Prinzip Bring your own device
(BYOD) geht davon aus, dass Lernende eine Vielfalt privater Geräte im Unterricht
nutzen können. Berechtigt erscheint zwar zunächst die Frage, warum eine indi-
viduelle Ausstattung aller Lernenden nicht staatlich organisiert wird. Eine solche
Ausstattung ist aber unwahrscheinlich: Nicht nur wären die Kosten hierfür immens
(Breiter et al. 2015), auch die gestufte Arbeitsteilung zwischen Bund, Ländern und
Kommunen macht hier tragfähige Lösungen nahezu unmöglich (Geis 2013; Van
Ackeren und Klemm 2011; Wieland 2012). Während staatliche Stellen bisher also
eine Ausstattung mit individuellen Geräten nicht realisieren konnten, verfügt die
überwiegende Mehrheit der Lernenden heute über private mobile Geräte (Feier-
abend und Klingler 2014). Es lag also nahe zu erproben, ob diese Geräte sinnvoll
im Unterricht eingesetzt werden könnten. Das Projekt School IT Rhein Waal war
das bundesweit erste Projekt, das dies in Schulen tat. Es wurde im Rahmen des
Interreg-IVa-Programms der Europäischen Union durch die Euregio Rhein-Waal1
gefördert. Das Projekt hatte dabei keinen auf die Technik ausgerichteten Schwer-
punkt, vielmehr war die Idee des BYOD nur der Ansatzpunkt, um schulinterne
Entwicklungsprozesse in Gang zu setzen. Am Projekt waren vier Schulen in den
Niederlanden und Deutschland beteiligt. Ziel des Projektes war es auch, diese vier
Schulen miteinander zu vernetzen, damit die Schulen sich in ihren Entwicklungs-
prozessen gegenseitig unterstützen konnten (Killus 2008; Maag Merki 2008; Risse
1998). In einem insgesamt gestaltungsorientiert angelegten Entwicklungsprozess
(Kerres und de Witt 2011) haben sich die Schulen auf Leitungs-, Steuerungs- und
Lehrerebene regelmäßig ausgetauscht. Die zum Teil großen Entfernungen und die
unterschiedlichen Schulsysteme in Deutschland und den Niederlanden wurden

1 Die Euregio Rhein-Waal ist ein öffentlich-rechtlicher deutsch-niederländischer Zweck-


verband mit 55 Mitgliedsorganisationen. Dazu zählen u. a. Kommunen und Handels-
kammern aus der Grenzregion. Das Arbeitsgebiet der Euregio Rhein-Waal umfasst auf
deutscher Seite die Kreise Kleve, Kreis Wesel und die Städte Duisburg und Düsseldorf.
Auf niederländischer Seite einen Großteil der Provinz Gelderland mit den Gebietsteilen
Arnhem-Nijmegen, West-Veluwe, Zuid-West-Gelderland, Teile Nordost-Brabants sowie
den nördlichen Teil der Provinz Limburg.
BYOD in der Stadt 193

dabei als Hürden wahrgenommen, so dass die Zusammenarbeit über den begrenzten
Projektzeitraum hinaus nicht fortgeführt wurde.
Ausgehend von dieser Erfahrung wurden in Deutschland daher in mehreren
Kommunen lokale Netzwerke als Transferprojekte initiiert. Dabei kooperieren
der Schulträger und die Schulen bei der gemeinsamen Schul- und Personalent-
wicklung. Die Transferprojekte bewegen sich damit an der Schnittstelle zwischen
innerer und äußerer Schulentwicklung (Van Ackeren und Klemm 2011). Die lokale
Zusammenarbeit geht einerseits davon aus, dass Motor der Schulentwicklung
immer die Einzelschule sein muss (Rolff 1991), in der Konzepte und Ideen auf die
eigene Schulkultur angepasst und rekontextualisiert werden (Holtappels 2013),
andererseits aber die Zusammenarbeit in lokalen oder regionalen Netzwerken diese
schulinternen Entwicklungsprozesse unterstützt (Berkemeyer 2010).
Der folgende Beitrag beschreibt zunächst die Konstellation der genannten
kommunalen Projekte. Die Zusammensetzung der Schulen und die Maßnahmen,
die in den Projekten durchgeführt wurden, werden dargestellt. Heinen und Kerres
(2015) haben ein Modell skizziert, das geeignet erscheint, die medienbezogene
Schulentwicklung in unterschiedlichen Handlungsfeldern und Entwicklungsstufen
abzubilden. Im Kontext der kommunalen Projekte wurde dieses Modell angepasst
und wird daher hier kurz skizziert. Eine erste Online-Befragung dient dazu, die
Ausgangssituation der Schulen zu skizzieren. Erste ausgewählte Ergebnisse werden
am Ende des Artikels vorgestellt und diskutiert.

2 Transferprojekte BYOD

2.1 Zusammensetzung der Projekte

Bestandteil der Projektarbeit im Projekt School IT Rhein Waal war es, die Ergebnisse
der Projektschulen an andere Schulen im Gebiet der Euregio Rhein-Waal zu vermit-
teln. Hierzu wurden im Herbst 2014 in Papendahl (NL) und Duisburg Fachtagungen
durchgeführt. In Deutschland nahmen an der Fachtagung ca. 200 Personen teil, die
u. a. Schulen aus über 20 Kommunen im Gebiet der Euregio vertraten. Im Anschluss
an die Fachtagung wurden im Projektkontext mit einzelnen Kommunen und/oder
Schulen weitere Informationsveranstaltungen durchgeführt. Hieraus entstanden
im Herbst/Winter 2014/15 zunächst vier Transferprojekte mit fünf beteiligten
194 Richard Heinen

Kommunen2 und 27 Schulen. Diese Projekte werden durch die jeweils beteiligten
Kommunen direkt finanziert. In den Projekten sind sowohl kleine, ländliche Kom-
munen, Kommunen mittlerer Größe und eine Großstadt vertreten. In den kleineren
Kommunen nehmen alle weiterführenden Schulen am Projekt teil, lediglich eine
Schule in einer Kommune hat sich gegen das Projekt ausgesprochen. In der Groß-
stadt mit ca. 90 weiterführenden Schulen nimmt zunächst eine Auswahl von fünf
Schulen am Projekt teil. Die Teilnahme am Projekt wurde hier den ca. 20 Schulen
angeboten, die 2015 turnusmäßig durch den Schulträger neu mit IT ausgestattet
werden sollten. Aus dieser Gruppe äußerten nach einer Informationsveranstaltung
fünf Schulen Interesse an einer projektartigen Zusammenarbeit. Eine Kommune
äußerte den Wunsch, auch Grundschulen in die Projektarbeit einzubeziehen. Tabelle
1 zeigt die Zusammensetzung der Projekte nach Schulformen.

Tab. 1 Zusammensetzung der Projekte nach Schulformen


Projekt Grund- Haupt- Realschule Gesamt- Sekundar- Gymna-
schule schule schule schule sium
D 0 0 0 2 2 1
KS 0 0 0 1 2 1
L 10 0 1 2 0 1
W 0 0 0 2 0 2

2.2 Zielsetzung der Projekte und bisheriger Projektverlauf

Zur Festlegung der Projektziele wurde in allen Netzwerken an einem Workshoptag


eine Zukunftswerkstatt (Burow 1999) durchgeführt, in der einerseits die gemeinsame
Zielsetzung erarbeitet und andererseits erste konkrete Handlungsschritte geplant
wurden. Zusammengefasst verbinden die einzelnen Schulträger und Schulen über
alle Projekte hinweg zwei gemeinsame Ziele:

1. Der Wille, durch konkrete Maßnahmen der internen Schulentwicklung den


Einsatz digitaler Medien zu verbessern und durch die Nutzung privater Geräte
der Lernenden (BYOD) situatives und lernergesteuertes Lernen mit digitalen
Medien im Klassenzimmer zu ermöglichen.

2 Duisburg (D), Kooperationsprojekt der Kommunen Kamp-Lintfort und Straelen (KS),


Langenfeld (L) und Willich (W)
BYOD in der Stadt 195

2. Die Absicht, die Abstimmung zwischen Schulen und Schulträgern in der Aus-
stattung der Schule mit IT besser zu koordinieren und Ausstattungsszenarien
zu realisieren, die den Einsatz digitaler Medien besser unterstützen als dies in
der Vergangenheit der Fall war. Die Schulträger formulieren zudem das Bedürf-
nis, die Ausstattung der einzelnen Schulen besser aufeinander abzustimmen.

Alle Schulträger betonen dabei, dass die Einführung von BYOD nicht als Sparmo-
dell verstanden wird, sondern planen mit dem Projektbeginn die Ausstattung der
Schulen mit Präsentationsmedien und WLAN voranzutreiben und die schulinternen
Desktop-Geräte zumindest teilweise durch mobile Geräte zu ersetzen. Auch die
Frage breitbandiger Internet-Anschlüsse wird diskutiert.
Im Anschluss an die Auftaktveranstaltungen wurde in allen Schulen begonnen,
auf unterschiedlichen Ebenen Maßnahmen zu ergreifen. Diese lassen sich verall-
gemeinernd bisher in zwei Phasen unterteilen (vgl. Tab. 2).

Tab. 2 Darstellung der Maßnahmen in den Projektphasen nach Handlungsfeldern


1. Phase Technische Ausstattung
• Planung und Aufbau von WLAN-Infrastrukturen
• Planung und Anschaffung von digitalen Präsentationsmedien
• Planung und Anschaffung von mobilen Endgeräten
Organisation
• Überarbeitung der Schulordnung
• Abschaffung bestehender Handyverbote zugunsten geregelter Handynut-
zungsordnungen
• Herbeiführung von Beschlüssen aller Schulgremien zur Erprobung und
Einführung von BYOD in den Schulen
• Aufbau schulinterner Steuergruppen für BYOD, bzw. Erweiterung des
Aufgabenspektrums bestehender Steuergruppen
Unterrichtspraxis
• Erste Experimente mit der BYOD durch engagierte Lehrkräfte
Vernetzung der Schulen
• Aufbau regelmäßiger Austauschstrukturen auf Ebene der Schulleitungen
und Steuergruppen
• Aufbau regelmäßiger Abstimmungen zwischen allen Schulen mit dem
zuständigen Schulträger bei der technischen Ausstattung
• Planung gemeinsamer Veranstaltung zum Austausch von Erfahrungen in
der unterrichtlichen Erprobung
196 Richard Heinen

2. Phase Technische Ausstattung


• Weiterführung der begonnenen technischen Ausstattung
Organisation
• Auswahl von sogenannten Labor- oder Pilotklassen
Unterrichtspraxis
• Beginn der Arbeit in den Labor- und Pilotklassen
Vernetzung der Schulen
• Fortführung der Koordination der Aktivitäten auf Schulleitungs- und
Steuergruppenebene und mit dem Schulträger
• Durchführung von gemeinsamen Fortbildungsveranstaltungen, in denen
ein kollegialer Austausch angeregt wird

Die genannten Punkte konnten nicht in allen Schulen und Projekten in gleichem
Umfang umgesetzt werden. Die Schulleitungen und Leitungen der Steuergruppen
sowie die Schulträger nennen dabei hemmende Faktoren, die ebenfalls in der For-
schung benannt werden (vgl. etwa Eickelmann 2010; Hunneshagen 2005; Prasse
2012). Allerdings werden von den Projektbeteiligten zwei Faktoren besonders oft
benannt:

• fehlende finanzielle Ressourcen


• fehlende personelle Ressourcen, hohe Arbeitsbelastung

Gleichzeitig berichten die Schulleitungen und Steuergruppen, dass die angestoße-


nen Prozesse Zeit benötigen. So tagen Schulgremien oft nur in großen zeitlichen
Abständen, Kommunen benötigen Zeit für Ausschreibungen etc.

3 Monitoring des Projektverlaufes

Die Zusammenarbeit der einzelnen Projekte mit einer wissenschaftlichen Begleitung


lässt sich zweifach begründen. Erstens dient die wissenschaftliche Begleitung als
Input-Geber sowie als Beratung in der Prozessgestaltung und bringt dabei Erfah-
rungen aus anderen Projekten und aus der Forschung in den Entwicklungsprozess
ein. Zweitens soll der Projektfortschritt einem kontinuierlichen Monitoring unter-
zogen werden, das es den Schulen ermöglicht, auch über einen längeren Zeitraum
differenziert zu beobachten, welche Fortschritte gemacht werden und wo weitere
Entwicklungsbedarfe bestehen (Preußler et al. 2014). Im Folgenden wird ein zwei-
BYOD in der Stadt 197

dimensionales Raster hergeleitet, das die Grundlage für den Monitoringprozess


darstellt.

3.1 Handlungsfelder und Integrationsstufen

Die erste Zielformulierung in den Zukunftswerkstätten qualifiziert den in den


Schulen angestrebten Entwicklungsprozess als Innovationsprozess, der durch eine
gezielte Veränderung wahrgenommene Missstände beseitigen will (Braun-Thürmann
2005; Goldenbaum 2012), wohingegen allgemeine Schulentwicklungsprozesse oft
ohne konkrete Problemlage, sondern aus dem allgemeinen Bedürfnis begonnen
werden, Schule zu verbessern (Dalin et al. 1996; Dedering 2012). Die Problemlagen,
auf die durch die Einführung von Innovationen reagiert werden soll, können äußere
oder innere Faktoren sein (Zapf 1989). Die Problemlage, in der sich Schulen aktuell
befinden, ist eher durch äußere Faktoren dominiert. Durch die zunehmende Digi-
talisierung der Gesellschaft nehmen die Schulen einen äußeren Druck war, auf den
die Projektschulen reagieren. Bei Innovationen unterschiedet Goldenbaum (2013)
zwischen Basisinnovationen, die eine Organisation grundlegend verändern, und
Verbesserungsinnovationen, die nur punktuelle Veränderungen bringen. Reinmann
(2005) sieht bei der Einführung von kleineren Verbesserungsinnovationen höhere
Chancen auf Erfolg und schlägt vor, auch grundlegende Veränderungsprozesse in
kleine Etappen aufzuteilen.
Heinen und Kerres (2015) haben ein Raster vorgestellt, in dem ein Stufenmodel
zur Integration von Innovationen mit Handlungsfeldern der Schulentwicklung
kombiniert wird. Die Handlungsfelder orientieren sich dabei an der von Rolff
(1991) entwickelten Trias aus Personal-, Organisations- und Unterrichtsentwick-
lung, ergänzt um die Aspekte der Technologie- und Kommunikationsentwicklung
(Schulz-Zander 1999). Diese fünf Handlungsfelder wurden für die explorative Stu-
die weiter in insgesamt 11 Teilbereiche untergliedert. In den Zukunftswerkstätten
erfolgte durch die Projektbeteiligten eine Priorisierung auf sieben Handlungsfelder:

• Nutzung der vorhandenen IT


Welche Ausstattungsszenarien werden in den Schulen genutzt?
• Unterrichtsentwicklung
(Wie) findet in den Schulen eine systematische Entwicklung von Unterricht statt?
• Medienkonzept
Verfügt die Schule über ein Medienkonzept und welche Rolle spielt es für die
unterrichtliche Praxis?
198 Richard Heinen

• Leitung/Steuerung
Wie unterstützt die Schulleitung die Medienintegration? Gibt es eine Steuergruppe?
Wie ist diese in der Schule verankert?
• Fortbildung
Wie bilden sich die einzelnen Lehrkräfte fort und wie unterstützen sie sich in-
nerhalb der Schule?
• Kommunikation
Wie werden digitale Medien zur Organisation administrativer Arbeitsabläufe
innerhalb der Schule genutzt?

Die von Heinen und Kerres (2015) vorgestellte Einteilung von Entwicklungstufen
ist von Nolans (1973) Stage Theory abgeleitet, die Kubicek und Breiter (1998) auf
das deutsche Schulwesen übertragen haben. Eine Reihe ähnlicher Stufenmodel-
le können angeführt werden (vgl. Cabrol und Severin 2009; Kikis et al. 2009;
Kirschner et al. 2004). Ihnen allen gemeinsam ist, dass bisher Studien fehlen, die
diese theoretisch hergeleiteten Modelle in der Schulpraxis überprüfen (Cabrol
und Severin 2009). Aus der Zusammenschau der benannten Modelle lassen sich
folgende Integrationstufen ableiten:

• Erprobung
Einzelne Lehrkräfte sammeln erste Erfahrungen mit einer Innovation und über-
prüfen sie auf die Vorteile für das schulische Lernen.
• Einführung
Die Innovation wird für ausgewählte Lerngruppen systematisch eingeführt. Dabei
sind überwiegend freiwillige Lehrkräfte beteiligt. Die Einführung wird aber von
der Schulleitung und den Schulgremien mitgetragen.
• Steuerung
Die Innovation wird systematisch in die Breite getragen und erfasst schließlich
alle Lehrkräfte bzw. Lerngruppen. Erfahrungen aus den beiden vorherigen Stufen
werden festgeschrieben.
• Integration
Die Innovation hat alle Bereich der Schule erfasst. Sie wird einer Revision unter-
zogen. Ggf. beginnen neue Innovationszyklen.

Die Sichtweise, Innovationsprozesse als stufenförmig ablaufend zu beschreiben,


unterscheidet sich von der verbreiteten Herangehensweise in der Medienpädagogik,
implementationsfördernde und -hemmede Faktoren zu analysieren (Eickelmann
2010; Hunneshagen 2005; Prasse 2012). Diese Analysen stellen in der Regel nur
fest, ob eine Innovation in den schulischen Kontext integriert wurde oder nicht
BYOD in der Stadt 199

und welche Faktoren dies gehemmt oder gefördert haben. Die stufenweise Abfolge
einer Integration wird dabei nicht erfasst.
Zudem stellt das hier zugrunde gelegte Modell ein bis heute immer wieder
angeführtes Primat der pädagogischen Konzeption vor der technischen Ausstat-
tung (Bos und Lorenz 2015) in Frage. Auf den Entwicklungsstufen Erprobung
und Einführung liegen für die Innovation nicht zwangsläufig abgeschlossene
Konzepte vor, dennoch ist eine ausreichende Ausstattung erforderlich. Erst auf der
Stufe der Steuerung werden – dann erprobte – Konzepte festgeschrieben. Für den
Monitoringprozess wird nicht das Handeln der einzelnen Lehrkraft betrachtet.
Vielmehr ist der Beobachtungsgegenstand die Schule als Ganzes. In den einzelnen
Entwicklungsstufen ist also zu fragen, ob eine Mehrheit der Kollegiumsmitglieder
eine beschriebene Handlungspraxis für sich adaptiert hat.
Wie die einzelnen Entwicklungsstufen in den Handlungsfeldern beschrieben
werden können, ist in Tabelle 3 – verkürzt – dargestellt.

Tab. 3 Entwicklungsstufen in den Handlungsfeldern der Schulentwicklung


Einführung Erprobung Steuerung Integration
Nutzung Regelmäßige Regelmäßige Regelmäßige Regelmäßiger
von IT Nutzung von Nutzung von Nutzung von Unterricht in
Präsentati- PC-Räumen im mobilen Geräten, Klassen, in denen
onsmedien im Fachunterricht die die Schule Lernende über
Klassenzimmer leihweise zur eine einheitliche
Verfügung stellt 1:1-Ausstattung
verfügen oder
private Geräte
nutzen
Unterrichts-­ Lehrende Lehrende Lehrende treffen Lernende sind
entwicklung gestalten ihren tauschen sich (in Fachschaften) aktiv in die
Unterricht regelmäßig, verbindliche Ab- Gestaltung des
überwiegend aber informell sprachen über die Unterrichts ein-
eigenverant- über ihre Un- Durchführung bezogen
wortlich terrichts-gestal- mediengestützten
tung aus Unterrichts
Förderung Die Förderung Die Förderung Es gibt verbindli- Die verbindlichen
von Medien­- von Medien- von Medi- che Lernangebote Angebote werden
kompetenz kompetenz en-kompetenz (ITG-Kurse, durch vertiefende
erfolgt nach ist regelmäßiger Medienleitfächer) AGs und Wahl-
den Bedarfen Bestandteil des für alle Schü- kurse ergänzt
des eigenen eigenen Unter- lerinnen und
Unterrichts richts Schüler
200 Richard Heinen

Einführung Erprobung Steuerung Integration


Medien­ Die Schule Das Medi- Für einzelne Für alle Fächer
konzept verfügt über ein enkonzept Fächer liegen liegen interne
Medienkonzept beschreibt interne Medien- Mediencurricula
konkrete Ziele curricula vor vor
der Schule
Leitung/ Die Schullei- Die Schullei- Die Integration Das Thema
Steuerung tung unterstützt tung hat eine digitaler Medien digitale Medien
Lehrkräfte bei Steuergruppe wird als zentrales wird von allen
der Erprobung zur Integra- Entwicklungsziel relevanten Grup-
der Arbeit tion digitaler der Schule wahr- pen kontinuier-
mit digitalen Medien einge- genommen lich in der Arbeit
Medien richtet berücksichtigt

3.2 Bestandsaufnahme – 1. Onlinebefragung

Vor den Sommerferien 2015 wurde eine erste Online-Befragung der Gesamtkollegien
der weiterführenden Schulen durchgeführt. Von den 17 Schulen beteiligten sich
zunächst 14 Schulen an der Befragung. Drei Schulen entschieden sich aufgrund
zu hoher Arbeitsbelastung gegen eine Teilnahme. Der Fragebogen wurde den ein-
zelnen Lehrkräften über einen personalisierten Link zur Verfügung gestellt. Eine
schulbezogene Auswertung erfolgte dann, wenn sich an einer Schule mindestens
50 Prozent der Lehrkräfte an der Befragung beteiligt hatten. In 10 Schulen wurde
eine Rücklaufquote von mehr als 50 Prozent erreicht, so dass diese Daten in die
nun folgende Darstellung selektiver Ergebnisse einfließen können.
Insgesamt konnten bei der folgenden Auswertung Stimmen von 346 Lehrkräften
berücksichtigt werden, von denen 205 weiblich und 141 männlich waren. Die Größe
der befragten Kollegien reichte von 29 bis 120 Lehrkräften. Insgesamt teilen sich
in den befragten Schulen 10,7 Lernende einen schulischen PC (Relation Schüler/
in:PC). Dies entspricht zwar in etwa dem Wert, der 2013 in der ICILS-Studie ermit-
telt wurde, jedoch zeigt Tabelle 4, dass die Ausstattungssituation an den Schulen
höchst unterschiedlich ist, ohne dass dabei bereits darauf eingegangen wird, welche
konkreten Ausstattungsszenarien genutzt werden.
BYOD in der Stadt 201

Tab. 4 Relation Lernende pro PC3


  Relation Schüler/in:PC
DU43 7,15
KS1 11,11
KS2 8,03
KS3 26,07
KS4 15,85
LF3 5,29
W1 7,96
W2 26,08
W3 12,84
W4 fehlt
Gesamt 10,70

Im Folgenden werden exemplarisch drei Teilaspekte der Befragung an ausgewählten


Items dargestellt: die Nutzung der vorhandenen Infrastruktur, die Bekanntheit und
Ausprägung vorhandener Medienkonzepte sowie abschließend das Fortbildungs-
verhalten in den Kollegien.

3.2.1 Mediennutzung in den Projektschulen


Gefragt wurde, wie häufig die genannte Ausstattung genutzt wird. Abbildung 1 zeigt
an, wie hoch der Anteil der Lehrkräfte einer Schule ist, der die genannte Ausstat-
tung mindestens einmal pro Woche nutzt. Ausgewählt wurden hier die Nutzung
von PC-Räumen und die Nutzung der privaten Mobilgeräte der Lernenden Bring
your own device (BYOD). Nur in Schule L3, die keine PC-Räume hat, sondern nur
mobile Geräte, wurde in der ersten Säule die Nutzung dieser Leihgeräte abgetra-
gen. Schule L3 ist zudem die Schule, die mit einer Relation von 5,29:1 das beste
Ausstattungsverhältnis aufweist.

3 Die Buchstaben bezeichnen das kommunale Projekt, die Schulen in den Projekten sind
zur Anonymisierung nummeriert.
202 Richard Heinen

Abb. 1 Nutzung der IT-Ausstattung: Täglich oder mehrmals pro Woche . Angaben in
Prozent (n=346)

Auff ällig ist hier, dass bei einer besonders guten schulischen Ausstattung private
Geräte nur in sehr geringem Maße genutzt werden . Schule DU4 setzt als einzige
Schule in ausgewählten Klassen private Notebooks in einer 1:1-Ausstattung ein . Hier
konzentriert sich die Mediennutzung offensichtlich stark auf diese ausgewählten
Klassen, die vorhandenen PC-Räume werden sehr selten genutzt . Obwohl zum
Zeitpunkt der Befragung die Nutzung privater Mobilgeräte erst seit wenigen Mo-
naten in der Erprobung ist, finden sich mehrere Schulen, in denen ca . ein Fünftel
der Lehrkräfte von dieser Möglichkeit regelmäßig gebraucht macht . Im weiteren
Projektverlauf gilt es zu beobachten, ob dieser Anteil weiter steigt und ob damit
eine geringere Nutzung der PC-Räume einhergeht .

3.2.2 Bekanntheit und Ausprägung von Medienkonzepten


Die Schulen in NRW sind angehalten ein Medienkonzept zu erstellen, das dann
die Grundlage für die kommunale Medienentwicklungsplanung sein solle . Un-
abhängig davon, ob ein solches Medienkonzept existiert, setzt seine Bekanntheit
im Kollegium seine Wirksamkeit voraus . Die teilnehmenden Lehrkräfte wurden
daher gefragt, ob ihnen ein schulisches Medienkonzept bekannt ist . Und wenn ja,
ob es für eines der durch die Lehrperson unterrichteten Fächer ein schulinternes
Mediencurriculum enthält .
Abbildung 2 zeigt die Prozentanteile der Kollegien, die diesen beiden Aussagen
zustimmten .
BYOD in der Stadt 203

Abb. 2 Bekanntheit und Ausprägung von Medienkonzepten . Zustimmung (Stimme zu


– Stimme eher zu) zu den Fragen: Die Schule hat ein Medienkonzept . Und: Das
Medienkonzept enthält für mindestens eins meiner Fächer ein schulinternes
Curriculum . Angaben in Prozent . (n=346)

Lediglich in der Hälfte der befragten Schulen ist einer Mehrheit der Lehrkräfte ein
Medienkonzept bekannt . Trotz der politisch gewollten Arbeit mit Medienkonzep-
ten und der wissenschaft lich betonten Bedeutung des Primats der pädagogischen
Konzeption scheint die Bedeutung von Medienkonzepten (Endberg und Lorenz
2015) jedoch recht gering zu sein . Vorhandene Medienkonzepte sind nicht bekannt
und können damit auch für die unterrichtliche Praxis keine Wirkung entfalten .
An den Schulen, in denen der Mehrheit ein Medienkonzept bekannt ist, gibt es
zudem immer auch einen Anteil an Lehrkräften, die in Fächern unterrichten, die ein
eigenes Mediencurriculum erarbeitet haben . Es gilt in Zukunft zu beobachten, ob
die intensivere Unterrichtsentwicklung mit digitalen Medien auch die Erarbeitung
und Bekanntheit von Medienkonzepten unterstützt .

3.2.3 Fortbildungsverhalten
Die ICILS-Studie bescheinigt deutschen Lehrkräften, dass sie besonders selten
an medienbezogenen Fortbildungen teilnehmen . Hier werden die Ergebnisse auf
die Fragen präsentiert (vgl . Abb . 3), ob die Lehrkräfte selbstständig entscheiden,
ob und an welchen medienbezogenen Fortbildungen sie teilnehmen und ob eine
gegenseitige kollegiale Beratung und ein Austausch zu Medienthemen stattfinden .
204 Richard Heinen

Abb. 3 Fortbildungsverhalten der Kollegien . Zustimmung (Stimme zu – Stimme eher


zu) zu den Fragen: Ich wähle medienbezogenen Fortbildungen selbstständig
aus . Und: Ich tausche mit anderen Kollegen zu Medienthemen aus und wir
beraten uns gegenseitig . Angaben in Prozent . (n=346)

Der überwiegende Anteil der Lehrkräfte gibt an, Fortbildungen eigenständig zu


planen . Dies sagt allerdings nur aus, dass hier keine koordinierte Planung innerhalb
der Kollegien stattfindet . Kollegiale Beratung und Austausch sind an fast allen
Schulen sehr schwach ausgeprägt und werden von nur wenigen Kolleginnen und
Kollegen erlebt . Nur in einer Schule findet zumindest in der Hälfte des Kollegiums
regelmäßiger Austausch statt . In zwei Schulen erleben immerhin fast 30 Prozent der
Lehrkräfte kollegiale Beratung und Austausch . Im weiteren Projektverlauf gilt es zu
beobachten, ob es zu einer vermehrten Abstimmung über Fortbildungsaktivitäten
kommt und mehr kollegiale Beratung und Austausche stattfinden .

3.3 Diskussion der Ergebnisse

Die hier vorgestellten Ergebnisse bestätigen zunächst die Einordnung der Schul-
leitungen und Steuergruppen, dass die Schulen insgesamt bei der Integration
digitaler Medien in den schulischen Alltag nur wenig fortgeschritten sind . In der
Zusammenschau fallen vier Schulen ins Auge: Schule DU4 verfügt als einzige
Schule vor Beginn des Projektes über Erfahrungen mit 1:1-Ausstattungen in Form
von Notebook-Klassen . Hier ist das Medienkonzept 95,1 Prozent der Lehrkräfte
bekannt und nahezu 30 Prozent der Lehrkräfte beraten sich gegenseitig und tau-
schen sich aus . Die Schule kann im Feld der hier betrachteten Schulen vermutlich
als fortgeschritten bezeichnet werden . Zu Fragen wäre allerdings, ob die Arbeit mit
BYOD in der Stadt 205

digitalen Medien im Schwerpunkt in den Notebook-Klassen stattfindet und ob im


weiteren Projektverlauf eine Ausweitung auf weitere Lehrkräfte und Lerngruppen
erfolgen kann.
Schule K1 zeichnet sich durch eine intensive Nutzung der schulischen IT aus
und gehört auch zu den Schulen, in denen das BYOD-Konzept schon vergleichs-
weise gut angenommen wurde. Auch in dieser Schule wissen immerhin ca. zwei
Drittel der Lehrkräfte um das schulische Medienkonzept, auch wenn nur wenige
in die Arbeit mit medienbezogenen Fachcurricula einbezogen sind. Ein Viertel der
Lehrkräfte tauscht sich aus und berät sich gegenseitig. Auch diese Schule kann als
gegenüber den anderen Schulen vergleichsweise fortgeschritten bezeichnet werden.
Schule K2 zeichnet sich im Gegensatz dazu durch eine sehr geringe Nutzung der
schulischen IT aus und hat zum Befragungszeitpunkt am Ende des ersten Projekt-
halbjahres noch keine Erfahrungen mit BYOD. Ein ggf. vorhandenes Medienkon-
zept ist nur 10 Prozent der Lehrkräfte bekannt und Fachcurricula scheinen nicht
zu existieren. Auch kollegialer Austausch findet zumindest zu medienbezogenen
Themen noch nicht statt. Die Schule zeichnet sich also durch große Entwicklungs-
spielräume aus. Hier gilt es die künftige Entwicklung besonders zu beobachten und
auf Leitungsebene nach geeigneten aktivierenden Anreizen zu suchen.
Schule L3 schließlich stellt einen Sonderfall dar. Hier handelt es sich um eine
Schule im Aufbau, die von der Gründung an besonderen Wert auf die Arbeit mit
digitalen Medien gelegt hat. Dies zeigt sich im hohen Grad an kollegialem Austausch
und der intensiven Nutzung der schulischen IT. Die bisher geringe Akzeptanz von
BYOD begründet die Schulleitung mit dem Plan, in den Klassen 5 und 6 einführend
mit schulischer IT zu arbeiten, um dann ab Klasse 7 auch private Geräte zu nut-
zen. Über ein abgeschlossenes Medienkonzept verfügt die Schule noch nicht. Ziel
der Schule ist es, dieses im weiteren Projektverlauf auf Grundlage der gemachten
Erfahrungen zu formulieren.
Auch wenn hier einzelne Schulen als vergleichsweise fortgeschritten bezeichnet
werden, darf dies nicht darüber hinweg täuschen, dass alle Schulen noch nicht zu
einer umfassenden Arbeit mit digitalen Medien gefunden haben. Allerdings zeigen
die Daten auch, dass die hier ausgewählten Schulen als typische Schulen gelten
können, die im Hinblick auf Ausstattung, Mediennutzung und Fortbildungsstand
der Lehrkräfte mit den Bildern vergleichbar sind, die internationale Studien vom
deutschen Bildungssystem zeichnen.
206 Richard Heinen

4 Ausblick

Die hier dargestellten selektiven Daten aus der ersten Online-Befragung der Pro-
jektschulen in den vier kommunalen Netzwerkprojekten stellen zunächst nur eine
Ist-Analyse der Schulen dar, die aber bereits erste Hinweise für die Prioritätensetzung
in der Entwicklungsarbeit der einzelnen Schulen liefert. In weiteren Arbeitsschritten
gilt es nun, die einzelnen Schulen differenziert nach Handlungsfeldern in die Ent-
wicklungsstufen des vorgestellten Rasters einzuordnen. Durch eine Wiederholung
der Befragung in regelmäßigen Abständen von mindestens einem Jahr können
dann Entwicklungsschritte der einzelnen Schulen sichtbar gemacht werden und
die Bedeutung der einzelnen Handlungsfelder gewichtet werden.

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Mobiles Lernen. Auch zu Hause?
Außerschulisches Lernen in Tablet- und Nicht-
Tabletklassen im Vergleich
Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

Zusammenfassung

Im Kontext einer längsschnittlichen Tablet-Studie an 12 Grundschulen in der


deutschsprachigen Schweiz wurden 2015 N=989 Schüler/innen mit und ohne
Tablets zu ihren außerschulischen ICT-Nutzungsaktivitäten, Einstellungen und
Kompetenzen befragt und überprüft, inwiefern die schulische 1:1 Ausstattung
mit persönlichen digitalen Geräten mit einer außerschulisch stärkeren Nutzung
digitaler Lernanlässe einhergeht . Die Ergebnisse zeigen eine höhere Nutzung
der Tabletschüler/innen für lern-, nicht aber für unterhaltungsbezogene Zwecke .
Der Unterschied besteht auch nach Kontrolle weiterer, für die außerschulische,
lernbezogene ICT-Nutzung ebenfalls bedeutsamer Bedingungen, wie der sub-
jektiven ICT-Kompetenz und Einstellung, dem Engagement der Eltern und der
Bedeutung digitaler Medien im Unterricht .

1 Einleitung

Die Nutzung mobiler Technologien in schulischen Kontexten hat in den letzten Jahren
weiter an Popularität gewonnen . Das betrifft in jüngster Zeit insbesondere auch den
Einsatz im Grundschulbereich und hier zunehmend in Form von Eins-zu-eins-Aus-
stattungen mit Tablets, die zumindest im deutschsprachigen Raum meist durch
einzelne Schulen initiiert werden . Neu an den aktuelleren Initiativen ist weniger das
neuartige digitale Gerät (Tablet), sondern die 1:1 Ausstattung der Schülerinnen und
Schülern und in vielen Fällen der persönliche Besitz der Geräte . Mit dieser personal
ownership durch die Schülerinnen und Schüler werden, wie auch schon in früheren
Notebookprojekten, besondere Chancen für eine qualitativ andersartige Integration
209
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_10
210 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

digitaler Medien in das schulische Lernen und Arbeiten verbunden (Burden et al.
2012). Digitale Medien sind nunmehr nicht nur spezielle Werkzeuge für spezifisch
definierte Aufgaben (z. B. im Computerraum). Mobile persönliche Geräte werden
zu kontinuierlich neu zu definierenden, ständig verfügbaren Arbeitsmitteln, die
darüber hinaus reale und virtuelle Lern- und Experimentierräume in und außer-
halb der Schule eröffnen können (Aufenanger und Ludwig 2014; Döbeli Honegger
2016), in denen sich die Schülerinnen und Schüler orientieren und organisieren
müssen, in denen sie kommunizieren, und in denen sie lernen.
Verschiedene Studien haben bereits untersucht, ob die oftmals hohen pädago-
gischen Zielsetzungen, die mit dem Einsatz mobiler Geräte verbunden werden, in
der Praxis auch tatsächlich eingelöst werden konnten. Insbesondere die Ergebnisse
von Notebook- sowie auch Tabletstudien (vgl. Haßler et al. 2016) geben Hinweise
darauf, dass es zumindest im Kontext von Modellprojekten zu einigen positiven
Effekten kommen kann, wie beispielweise einem vielfältigeren Einsatz digitaler
Medien inner- und außerhalb des Unterrichts, einem stärker eigenverantwortlichen,
schüler- und projektorientiertem Lernen der Schülerinnen und Schüler, einer stärke-
ren Kooperation zwischen den Lernenden sowie einer Verbesserung überfachlicher
Kompetenzen und hier vor allem der Computer- und Informationskompetenzen
von Schülerinnen und Schülern (z. B. Schaumburg et al. 2007; Vuorikari et al. 2011).
Trotzdem stehen solchen positiven Meldungen, die teilweise auch ambivalenten
Ergebnisse verschiedener Initiativen entgegen: Werden die digitalen Geräte wirklich
sinnvoll zum Lernen eingesetzt oder führt die neue App-Vielfalt zu einem Revival
von relativ eindimensionalen Übungsprogrammen? Werden die Schülerinnen und
Schüler in der Schule, und vor allem auch zu Hause, nicht nur vom Lernen abgelenkt
und vertrödeln ihre Zeit mit dem Explorieren neuer Unterhaltungsmöglichkeiten?
Erstaunlicherweise erfahren wir aus den bisherigen Tablet-Studien insgesamt
relativ wenig darüber, inwieweit und vor allem in welcher Form Schülerinnen und
Schüler mobile persönliche digitale Geräte zu Hause zum Lernen und Arbeiten
für die Schule nutzen und welchen Einfluss dies auf das Lernen und den Erwerb
bestimmter Kompetenzen hat (s. aber z. B. Eickelmann et al. 2014). Dabei ist die
außerschulische Nutzung digitaler Geräte generell, so haben große internationa-
le ICT-Studien gezeigt, ein recht sensibler Punkt für den Aufbau von medien-,
informations- und -technologiebezogenen Kompetenzen der Schülerinnen und
Schüler. Sowohl in den Ergebnissen aus PISA 2012 und ICILS 2013 zeigte sich ein
bedeutsamer Zusammenhang zwischen der außerschulischen Nutzung digitaler
Medien und den informations- und computerbezogenen Kompetenzen der Schü-
lerinnen und Schüler (Eickelmann et al. 2015; Fraillon et al.2014; OECD 2015).
Dabei bleibt jedoch weitgehend unklar, ob dies nur für bestimmte z. B. lernbezogene
Nutzungsformen gilt und welche Rolle hier persönliche mobile Geräte spielen. In
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? 211

Bezug auf die Nutzung von Tablets im Grundschulbereich ist die Forschungslage
noch begrenzter und umfasst oft nur sehr kleine Stichproben.
In der hier vorgestellten Studie besteht die Möglichkeit, an einer relativ großen
Stichprobe von Tablet- und Nicht-Tabletklassen im Grundschulbereich quantitativ
zu untersuchen, wie die Verfügbarkeit von persönlichen Tablets dazu beiträgt,
dass Schülerinnen und Schüler auch außerhalb der Schule bestimmte Lernanlässe
stärker wahrnehmen und (digital) nutzen. Der folgende Beitrag überprüft an einer
Stichprobe von insgesamt 53 Klassen aus 12 Schulhäusern in der Deutschschweiz,
für welche schulischen und nicht schulbezogenen Aktivitäten digitale Geräte von
Schülerinnen und Schülern aus Tablet- und Nicht-Tabletklassen genutzt werden.
Dabei werden auch Unterschiede im Nutzungsverhalten zwischen Jungen und
Mädchen sowie Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund
eruiert. Wir vermuten, dass die Verfügbarkeit persönlicher Tablets nicht direkt,
sondern vermittelt über andere Merkmale (Einstellung zu digitalen Medien als
Lernwerkzeug, ICT-Kompetenz, Engagement der Eltern, Nutzung digitaler Medien
und Thematisierung ICT-bezogener Themen im Unterricht) einen Einfluss auf das
außerschulische Nutzungsverhalten hat. Deswegen werden anschließend Unter-
schiede in diesen Merkmalen in Tablet- und Nicht-Tabletklassen untersucht und
nachfolgend regressionsanalytisch überprüft, welche Zusammenhänge zwischen
diesen Merkmalen, der Zugehörigkeit zu einer Tabletklasse und dem außerschu-
lischen Nutzungsverhalten existieren. Abschließend werden die Ergebnisse im
Kontext verschiedener Handlungsperspektiven bei der Einführung von Tablets
im Grundschulbereich diskutiert.

2 Forschungsstand zu Umfang, Chancen und


Bedingungen des außerschulischen Lernens mit
digitalen (mobilen) Medien

2.1 Inwieweit nutzen Schülerinnen und Schüler digitale


(mobile) Medien außerhalb der Schule zum Lernen (und
zur Unterhaltung)?

Die außerschulische Nutzung mobiler digitaler Geräte kann für Schülerinnen und
Schüler eine bedeutende Lerngelegenheit darstellen, bei der wichtige Informations-
und Computerkompetenzen erworben werden. Darüber hinaus könnten durch die
Verfügbarkeit persönlicher digitaler Geräte, die zu Hause und in der Schule genutzt
werden, schulische und außerschulische Lernaktivitäten sich stärker überlappen,
212 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

was wiederum zu einer umfangreicheren Nutzung zu Lernzwecken als auch zu


veränderten Nutzungs- und Lernformen im Allgemeinen führen könnte.
Forschungsergebnisse zu Umfang und Art des Lernens mit mobilen Geräten im
außerschulischen Bereich sind bisher jedoch relativ dünn gesät. Aktuelle Studien
zum Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen zeigen, dass inzwi-
schen fast alle Haushalte in Deutschland und in der Schweiz mit digitalen Geräten
und Internetzugang ausgestattet sind. Laut repräsentativen Studien wie KIM (Fei-
erabend et al. 2015) und MIKE (Suter et al. 2015) besitzen viele Kinder zwischen 6
und 13 Jahren sogar einen eigenen Computer, einen Laptop oder zunehmend ein
Tablet und nutzen diese Geräte für eine Vielzahl an freizeitlichen und schulischen
Aktivitäten (Suter et al. 2015). Aktuelle Befunde aus der KIM-Studie zeigen, dass
in Deutschland bei den 6-13 Jährigen Internetrecherchen, insbesondere auch nach
Informationen für Hausaufgaben und für die Schule, das Anschauen von Videos, die
Nutzung sozialer Netzwerke sowie das Chatten die häufigsten Anwendungsformen
darstellen. Kinder, die zu Hause ein Tablet zur Verfügung haben, nutzen dieses
allerdings am häufigsten zum Spielen (Feierabend et al. 2015). Auch bei Schweizer
Schülerinnen und Schülern der Primarstufe stellen das Spielen von Computer-
und Videospielen und das Schauen von Videos auf dem Computer/Tablet als die
häufigsten Nutzungsformen dar (62 Prozent bzw. 76 Prozent mindestens einmal
pro Woche). Knapp ein Viertel der Kinder spielt täglich. Jungen spielen mehr als
Mädchen. Soziale Netzwerke (z. B. Facebook) werden in dieser Altersstufe weniger
stark genutzt. Speziell zum Lernen oder für Schulaufgaben werden digitale Medien
bei Schülerinnen und Schülern im Grundschulbereich laut der MIKE-Studie im
Vergleich zu Unterhaltungszwecken insgesamt etwas weniger stark genutzt. Gut
die Hälfte der Schülerinnen und Schüler in dieser Altersstufe geben an, dass sie
mindestens einmal pro Woche „Informationen für Hausaufgaben bzw. die Schule“
suchen, 7 Prozent tun dies fast jeden Tag (Suter et al. 2015). In Deutschland recher-
chiert ebenfalls ca. die Hälfte der Grundschülerinnen und -schüler mindestens
einmal pro Woche Informationen für die Schule (Lorenz und Gerick 2014).
Im Rahmen der internationalen Studie ICILS 2013 zu den computer- und in-
formationsbezogenen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der achten
Klassenstufe zeigte sich, dass diese digitale Medien über die Informationsrecherche
hinaus zwar auch für andere Tätigkeiten im Kontext schulischen Lernens verwen-
den (z. B. Schreiben, Präsentationen), aber bedeutend weniger regelmäßig (ca. 25
Prozent mindestens einmal pro Woche; Fraillon et al. 2014). Auch die Ergebnisse
der jüngsten PISA-Erhebung 2012 zeigen, dass im OECD-Durchschnitt gut die
Hälfte der durchschnittlich 15-jährigen Schülerinnen und Schüler Internetrecher-
chen regelmäßig für Hausaufgaben nutzen (OECD 2015). Darüber hinaus zeigen
qualitative Studien, dass Schülerinnen und Schüler vermehrt auch Online-Videos
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? 213

nutzen, um sich verschiedene Lerninhalte zu erschließen (Rummler und Wolf 2012;


Rathgeb 2010). Weiterhin werden die Möglichkeiten der zunehmend multifunkti-
onalen mobilen Geräte (Tablets und Smartphones) erkundet, beispielsweise zum
Fotografieren oder Filmen (Videografieren) in schul- bzw. lernbezogenen Kontexten
(Döbeli Honegger und Neff 2012). Sowohl die Ergebnisse von ICILS 2013 als auch
die von PISA 2012 zeigen auf, dass das Lernen von Schülerinnen und Schülern mit
digitalen Medien im außerschulischen Bereich in Deutschland und in der Schweiz
sehr weit unter dem internationalen Durchschnitt liegt (Fraillon et al. 2014; OECD
2015). Dies könnte unter anderem auch an der zumindest in Deutschland unter-
durchschnittlichen Verfügbarkeit und Nutzung digitaler Medien in der Schule
liegen, wo solche lernbezogenen Nutzungsformen von den Lehrpersonen initiiert
werden müssten. Die Situation in der Schweiz ist gemessen am internationalen
OECD-Mittel zumindest auf der Sekundarstufe durch eine spezielle Kombination
von durchschnittlicher ICT-Nutzung in der Schule und unterdurchschnittlicher
außerschulischer ICT-Nutzung im Hausaufgabenzusammenhang gekennzeichnet
(OECD 2015).
Im Kontext von Studien, die Modellprojekte zur Einführung von mobilen Geräten
wie Notebooks, Netbooks oder Tablets im Unterricht wissenschaftlich begleiten,
wird meist eine Zunahme der außerschulischen Nutzung digitaler Medien für
schulische Zwecke berichtet (Burden et al. 2012). Aber auch in den Ergebnissen von
PISA 2012 zeigt sich, dass Schülerinnen und Schüler, die schulische Laptops oder
Tablets zur Verfügung haben, diese im Vergleich zu Schülerinnen und Schülern,
die nur Zugang zu Desktop-Computern haben, häufiger für ihre Hausaufgaben
nutzen (OECD 2015). Insbesondere eine 1:1 Ausstattung mit persönlichen Gerä-
ten kann sich hier positiv auf die Häufigkeit des Lernens mit digitalen Medien im
außerschulischen Bereich auswirken (Russell et al. 2004). Ebenfalls im Kontext
eines Modellversuchs konnten Schaumburg et al. (2007) die ICT-Nutzung in
Notebook- und Nicht-Notebook-Klassen vergleichen und zeigen, dass Schülerinnen
und Schüler aus Notebook-Klassen auf der Sekundarstufe I häufiger Computer
für ihre Hausaufgaben nutzen. Darüber hinaus lernten Notebookschülerinnen
und -schüler zu Hause auch häufiger allgemein mit digitalen Medien (z. B. Texte
schreiben, Benutzung von Lernprogrammen) – und dies unabhängig von der
Hausaufgabenpraxis der jeweiligen Lehrperson. Keinen Unterschied zwischen
Schülerinnen und ‑schülern, die eine Laptopklasse besuchen, und ihren Altersge-
nossen, die dies nicht tun, fanden dagegen Schaumburg, Prasse, Eickelmann und
Gerick (2016) bei einer vertiefenden Analyse der repräsentativen ICILS 2013-Daten
aus Deutschland. Bezüglich der Häufigkeit der explizit schulbezogenen Nutzung
wurden keine signifikanten Unterschiede festgestellt. Ein tendenziell signifikanter
Unterschied fand sich jedoch für einen zweiten Nutzungsindex, der Items zur nicht
214 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

unterhaltungsbezogenen Nutzung in der Freizeit, wie der Arbeit mit Tabellenkal-


kulations- oder Präsentationsprogrammen sowie die Nutzung fachspezifischer
Lernsoftware umfasste. Hinsichtlich der außerschulischen, unterhaltungs- und
kommunikationsbezogenen Nutzung (z. B. Videos schauen, Gamen, Chatten)
ergeben sich in den bisher durchgeführten Studien keine unterschiedlichen Nut-
zungsmuster für Schülerinnen und Schülern mit beziehungsweise ohne persönliche
mobile Geräte für das schulische und außerschulische Lernen (Beuermann et al.
2015; Häuptle 2007; Schaumburg et al. 2007).

2.2 Warum ist die außerschulische Nutzung digitaler


mobiler Geräte für das schulische Lernen so interessant?

Der Einfluss einer Nutzung mobiler digitaler Medien auf die Einstellungen und
Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern wird und wurde intensiv in der
Forschungsliteratur diskutiert (z. B. Chou et al. 2012; Schaumburg et al. 2007; Spek-
tor-Levy und Granot-Gilat 2012). Dies gilt vor allem für den vermuteten Mehrwert
unterschiedlicher medial unterstützter Lernarrangements und Lernaufgaben, die
beispielsweise mit Tablets besser oder innovativer im Unterricht realisiert werden
können (Jahnke 2016). An diesem Punkt wird letztendlich oft gemessen, ob die
hohen Investitionen in die technologische Ausstattung von Schulen gerechtfertigt
erscheinen (OECD 2015).
Die Bedeutung einer außerschulischen Nutzung digitaler mobiler Medien für die
Schule und für das Lernen allgemein wurde bisher dagegen weniger umfangreich
und differenziert beschrieben. Allerdings werden in den großen Schulleistungs-
studien wie PISA, TIMSS oder PIRLS oft allgemeine Zusammenhänge zwischen
der außerschulischen Nutzung digitaler Medien für Lern- oder Unterhaltungs-
zwecke und fachlichen oder überfachlichen Leistungen berichtet. So zeigen sich
mit Blick auf die fachlichen Leistungen z. B. positive Effekte bei der Leseleistung
von Schülerinnen und Schülern (z. B. Fuchs und Wößmann 2005; Schulz-Zander
et al. 2010). Der Zusammenhang scheint allerdings eine umgekehrte U-Verteilung
widerzuspiegeln, d. h. positive Effekte sind nur bei einer moderaten Nutzung zu
beobachten, bei einer sehr hoch- (täglich) oder niedrigfrequenten Nutzung hingegen
nicht (Lorenz und Gerick 2014). Die Ergebnisse aus PISA 2012 bestätigen diesen
umgekehrt U-förmigen Zusammenhang für Lesefähigkeiten sowohl bezogen auf
gedruckte als auch auf digitale Dokumente. Allerdings gilt dies nur für bestimm-
te außerschulische Nutzungsformen, wie das Erledigen von Hausaufgaben am
Computer und lernbezogene Internetrecherchen. Eine höherfrequente digitale
Kommunikation mit anderen Schülerinnen und Schülern geht dagegen mit einer
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? 215

schlechteren Leseleistung einher (OECD 2015, S. 161). Bezüglich der Leistungen in


Mathematik fallen die Ergebnisse ambivalent aus und schwanken je nach Komplexität
des Modells zwischen positiven Effekten (Eickelmann et al. 2012; Skryabin et al.
2015) oder keinem nachweisbaren Zusammenhang (Beuermann et al. 2015; Wittwer
und Senkbeil 2008). Für den Einfluss der außerschulischen Nutzung auf digitale
Kompetenzen gibt es hingegen relativ viele Belege. Schülerinnen und Schüler, die
zu Hause häufiger digitale Medien sowohl für schulische als auch unterhaltungs-
bezogene Zwecke nutzen, berichten zumeist auch ein höheres Selbstvertrauen bei
der Nutzung digitaler Medien und eine höhere Informations- und Computerkom-
petenz (z. B. Ainley et al. 2008; Fraillon et al. 2014). Wie die Ergebnisse der ICILS
2013 Studie zeigen, bleibt ein Zusammenhang zwischen häuslicher ICT-Nutzung
und einer testbasiert gemessenen Computer- und Informationskompetenz in den
meisten an der Studie teilnehmenden Ländern auch dann bestehen, wenn für ver-
schiedene soziodemografische Variablen wie Geschlecht oder sozioökonomischer
Status kontrolliert wird. Allerdings scheint dieses Ergebnis für einige Länder (z. B.
Deutschland) so allgemein nicht zu gelten (Fraillon et al. 2014). Vielmehr scheinen
hier – wie auch schon bei den fachlichen Leistungen – spezifische Nutzungsfor-
men, wie beispielsweise das digitale Lesen und Schreiben (Yang 2012), bzw. die
spezifische Nutzung für Schul- und Lernzwecke (OECD 2015), eine bedeutsamere
Rolle zu spielen.
Studien im Kontext der Nutzung von mobilen (persönlichen) Geräten, wie
Tablets oder Notebooks, fokussieren bisher vorrangig den Aufbau von Kompeten-
zen durch eine – im Zuge der Nutzung digitaler Medien – qualitativ veränderte
Unterrichtspraxis. Das Zusammenspiel von schulischer und außerschulischer
Mediennutzung für den Aufbau von Kompetenzen wird bisher kaum betrachtet.
Untersuchungen aus Tabletprojekten zeigen aber beispielsweise, dass das Ler-
nen mit Tablets die Motivation und das Engagement bei der Beschäftigung mit
Lernaufgaben steigern kann (Gerger 2014; Furió et al. 2015) und im Kontext des
selbstgesteuerten Lernens als unterstützend erlebt wird (Lu et al. 2014). Dies sollte
nicht nur für den Unterricht, sondern auch für das außerschulische Lernen und
Arbeiten gelten. Außerdem veranschaulichen qualitative Studien, dass die unter-
richtliche Nutzung der Tablets oder Notebooks auch das digitale Nutzungsverhalten
zu Hause beeinflusst und umgekehrt die zu Hause praktizierten Medienroutinen
als authentische Lerngelegenheit in der Schule bearbeitet werden können (Burden
et al. 2012; Welling et al. 2014). Dieses produktive Zusammenspiel wurde unseres
Wissens bisher aber kaum empirisch untersucht.
216 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

2.3 Was beeinflusst die außerschulische Nutzung digitaler


mobiler Geräte zum Lernen und für die Schule?

Trotz der Bedeutung, die das außerschulische Lernen mit digitalen Medien bzw.
das Lernen und Arbeiten mit spezifischen digital unterstützen Lernszenarien zu
haben scheint, sind die Bedingungen einer solchen außerschulischen Nutzung kaum
untersucht. In diesem Beitrag wird davon ausgegangen, dass sich der persönliche
Besitz eines schulisch (und außerschulisch) genutzten Tablets positiv auf das (pro-
duktive) Lernen und Arbeiten mit digitalen Medien auch zu Hause auswirkt. Dafür
sollte nicht die alleinige Verfügbarkeit der Geräte verantwortlich sein, sondern
eine Reihe von vermittelnden Faktoren, die durch die schulische Verfügbarkeit
und Nutzung der Tablets beeinflusst werden und sich in einer umfangreicheren
lernbezogenen Nutzung von Tablets niederschlagen.
Dazu gehören beispielsweise die Einführung der Tablets als Lernmedium in der
Schule (und nicht nur als Unterhaltungsmedium), deren (qualifizierte) Nutzung
und Thematisierung im Unterricht und der damit zusammenhängende Aufbau
von Überzeugungen, Einstellungen und Kompetenzen der Schülerinnen und
Schüler zum Lernen mit Tablets. Solche Kompetenzen und Einstellungen sowie das
Verständnis, inwiefern diese den eigenen Lernprozess befördern oder behindern,
beeinflussen, auf welche Weise und mit welcher Motivation die Potentiale digitaler
Medien zu Hause (und in der Schule) genutzt werden. Forschungsergebnisse aus
zumeist querschnittlichen Studien zum nicht mobilen Lernen mit digitalen Medien
stützen solche Vermutungen. So wird in verschiedenen Untersuchungen ein posi-
tiver Zusammenhang der Häufigkeit der außerschulischen ICT-Nutzung sowohl
mit den ICT-Einstellungen und Überzeugungen (z. B. Aesaert und van Braak 2014;
Meelissen und Drent 2008) als auch mit den informations- und computerbezogenen
Kompetenzen (Aesaert et al. 2015) berichtet. In jüngerer Zeit konnten Studien zur
Nutzung persönlicher digitaler Geräte zeigen, dass beispielsweise die Ausstattung
mit Tablets sich positiv auf die Einstellung und nachfolgend auf die Intention zur
Nutzung der Geräte zum Lernen in und außerhalb der Schule auswirken kann
(Courtois et al. 2014). Außerdem kann angenommen werden, dass ein Zusammen-
hang zwischen den praktizierten Unterrichtsaktivitäten und Aufgabenstellungen
mit mobilen Geräten und der außerschulischen Nutzung für Lernzwecke besteht.
Diese Verbindung muss aber nicht zuletzt durch die Lehrpersonen gezielt angeregt
und gestaltet werden (Schaumburg et al. 2016).
Gerade für die außerschulische Nutzung digitaler Medien und damit auch die
Entwicklung bestimmter ICT-Einstellungen und Kompetenzen spielen Eltern
und Peers eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dies zeigt sich eindrucksvoll in
aktuellen Studien, die den Einfluss dieser Faktoren als weit bedeutsamer als schu-
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? 217

lische Faktoren einstufen (Aesaert und van Braak 2014; Zhong 2011). Eltern mit
positiven Einstellungen zum Lernen mit digitalen Geräten, die ihre Kinder bei
der Nutzung unterstützen und begleiten, haben einen positiven Einfluss auf das
Nutzungsverhalten, die Einstellungen und die Kompetenzen ihrer Kinder (Aesaert
et al. 2014; Vekiri 2010). Durch die Teilnahme einer Klasse an einem Tabletprojekt
und die dadurch meist bedingte häufigere häusliche Nutzung und Thematisierung
digitaler Medien werden die Eltern viel umfangreicher mit dem Thema Lernen mit
digitalen Medien konfrontiert, was möglicherweise zu einem stärkeren Engagement
in diesem Bereich führen könnte. Dies wiederum könnte einen positiven Einfluss
auf die Nutzungsmuster ihrer Kinder haben.
Neben den benannten schulischen und familiären Einflussbedingungen exis-
tieren eine Reihe weiterer Faktoren, die beeinflussen, wie oft und in welcher Form
Schülerinnen und Schüler digitale Medien außerschulisch nutzen. Vor allem ist hier
die Rolle soziodemografischer Faktoren wie Gender, sozioökonomischer Status und
Migrationshintergrund zu nennen. Forschungsergebnisse zeigen oft Unterschiede
zwischen Jungen und Mädchen in ihrer häuslichen Nutzung von digitaler Medien,
die sich auf eine generell häufigere Nutzung und zum Teil andere Nutzungsformen
(Computerspiele) bei Jungen beziehen (Stolpmann und Welling 2009); Mädchen
nutzen dagegen digitale Medien häufiger für kommunikative Zwecke (Drabowicz
2014). Hinsichtlich der stärkeren Nutzung für lern- und schulbezogene Tätigkeiten
bei den Mädchen existieren ambivalente Ergebnisse (Drabowicz 2014; Lorenz und
Kahnert 2014). Solche Nutzungsunterschiede werden auch maßgeblich dafür ver-
antwortlich gemacht, warum Mädchen in ihrer Selbsteinschätzung informations-
und computerbezogener Kompetenzen und in ihren ICT-Einstellungen zumindest
im deutschsprachigen Raum oft hinter den Jungen zurückstehen (Eickelmann et
al. 2014; Senkbeil und Wittwer 2007). Allerdings zeigen internationale Studien,
die testbasierte Verfahren der Kompetenzmessung anwenden oft auch keine Un-
terschiede oder sogar eine höhere ICT-Literacy von Mädchen (z. B. Lorenz et al.
2014; OECD 2015). Schülerinnen und Schüler aus sozioökonomisch benachteiligten
Familien nutzen in der Schweiz und in Deutschland digitale Medien generell in
ihrer Freizeit ähnlich häufig wie Kinder aus besser gestellten Elternhäusern (OECD
2015). Jedoch zeigen sich Unterschiede bei den unterhaltensbezogenen Aktivitäten
wie Chatten, E-Mailen oder dem freien Browsen im Internet: Diese Tätigkeiten
werden häufiger von Kindern aus ökonomisch benachteiligten Familien ausgeführt
(Drossel et al. 2014; OECD 2015). Hingegen nutzen Schülerinnen und Schülerinnen
aus sozioökonomisch besser gestellten Familien auch im internationalen Vergleich
digitale Medien häufiger für Schulaufgaben (OECD 2015). Dies gilt zumeist auch
für den Vergleich von Kindern aus Familien mit und ohne Migrationshintergrund
(Vennemann et al. 2011).
218 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Forschungsbefunde zur


differenzierten außerschulischen Nutzung digitaler Geräte für das (schulische)
Lernen vor allem im Grundschulbereich noch fehlen. Weiterhin weiß man wenig
darüber, wie sich die Nutzung persönlicher mobiler Geräte, wie z. B. Tablets, die
sowohl in und außerhalb der Schule genutzt werden, auf das Lernverhalten der
Schülerinnen und Schüler auswirkt. Dies ist erstaunlich, da die Forschung einen im
Vergleich zur Nutzung im Unterricht zumeist stärkeren Einfluss des Lernens und
Arbeitens mit digitalen Medien im außerschulischen Bereich auf die Kompetenzen
von Schülerinnen und Schülern beschreibt. Eine hoch frequente außerschulische
Nutzung zu Unterhaltungszwecken kann dagegen in negativen Effekten bei den
schulischen Leistungen resultieren. Daran anknüpfend werden im Beitrag die
folgenden Fragestellungen in den Blick genommen:

1. Geht die Tabletnutzung mit einem größeren Umfang an außerschulischen


Lernaktivitäten und an kommunikativen Tätigkeiten zu Lernfragen einher?
2. Werden digitale Medien in Tabletklassen häufiger auch zu Unterhaltungszwe-
cken genutzt?
3. Ergeben sich bezüglich der außerschulischen Nutzung in Tablet- und Nicht-Ta-
bletklassen Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen und zwischen Kindern
mit und ohne Migrationshintergrund?
4. Welchen Einfluss haben die Verfügbarkeit persönlicher (schulischer) Tablets
im Kontext der individuellen Einstellungen und Kompetenzen zum Lernen mit
digitalen Medien, der Einstellung und des Engagements der Eltern sowie der
Wertigkeit des digitalen Lernens im Unterricht?

3 Kontext der Studie und methodisches Vorgehen

3.1 Kontext und Durchführung der Studie

Die Analysen zu diesem Beitrag beruhen auf Daten, die aus einer von Samsung
Schweiz in Auftrag gegebenen Begleitforschung hervorgehen. Diese untersucht über
einen Zeitraum von 3 Jahren die Veränderungen in 1:1 ausgerüsteten Tabletklas-
sen. Die Begleitstudie sowie die Tablet-Klassen sind Teil des Corporate Citizenship
Programms von Samsung Schweiz, mit welchem sich Samsung Schweiz nachhaltig
für digitale Bildung in der Schweiz engagiert. Dazu gehört auch ein Weiterbildungs-
programm für Lehrpersonen, welches von der Pädagogischen Hochschule Zürich
entwickelt und durchgeführt wird. Der Kurs setzt sich aus mehreren Modulen
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? 219

zusammen, in welchen die Lehrpersonen vor allem auch konkrete Unterrichtsan-


regungen für den schulischen Tablet-Einsatz erhalten.
In der Begleitforschung wird durch Befragungen der Lehrpersonen sowie der
Schülerinnen und Schüler überprüft, inwieweit bestimmte Veränderungen der
unterrichtlichen und außerschulischen ICT-Aktivitäten, der ICT-Einstellungen
und der ICT-Kompetenzen über den Projektverlauf beobachtbar sind. Die auf drei
Jahre angelegte Längsschnittstudie umfasst eine Erst- und drei Folgebefragungen
an allen 12 teilnehmenden Schulhäusern auf der Primarstufe sowie drei Schulen
der Sekundarstufe I und II. Befragt wurden nicht nur die Schülerinnen und Schüler
aus Klassen, die mit Tablets ausgestattet wurden, sondern auch Schülerinnen und
Schüler, deren Klassen keine Tablets erhalten haben. Dieser Beitrag bezieht sich
auf die Ergebnisse der ersten Befragungen, die im Juni und im Oktober/November
2015 stattfanden und basiert auf den Daten der Grundschulstichprobe. Zu diesem
Zeitpunkt hatten die meisten Tabletklassen die Geräte im Durchschnitt für ca. drei
bis vier Monate zur Verfügung. In der Regel waren die Tablets mit einer Tastatur und
mit Kopfhörern ausgestattet. Die Schülerinnen und Schüler der fünften und sechsten
Klassen konnten die Tablets auch zu Hause nutzen. Die dritten und vierten Klassen
durften die Tablets in vielen Schulen nicht mit nach Hause nehmen. Einige Klassen
gehören einer Projektschule an, die schon länger Erfahrungen mit dem Einsatz mobiler
Geräte vorrangig auf den Klassenstufen 5 und 6 haben (s. Diskussion in Abschnitt 5).
Alle Schülerinnen und Schüler wurden mit einem standardisierten Online-Fra-
gebogen befragt. Der Fragebogen für die Grundschülerinnen und -schüler lag
in zwei Versionen vor (3./4. bzw. 5./6. Klasse), die sich insbesondere im Umfang
voneinander unterschieden, um den Bedürfnissen der entsprechenden Altersstu-
fe sowie den unterschiedlichen Medienerfahrungen und -aktivitäten gerecht zu
werden. Aufgrund der weniger gut entwickelten Lesefähigkeiten der Schülerinnen
und Schüler der dritten und vierten Klassen wurde der Fragebogen mit Audiofiles
ergänzt, so dass sie die Fragen und Antwortmöglichkeiten im Fragebogen sowohl
lesen als auch hören konnten.

3.2 Stichprobe und methodisches Vorgehen

Für die Analysen in diesem Beitrag wurden die Daten von N=989 Schülerinnen und
Schülern der dritten bis sechsten Grundschulklassen aus insgesamt 12 Schulhäusern
und 3 Schulgemeinden verwendet. Die regressionsanalytischen Auswertungen
wurden nur mit Daten der fünften und sechsten Klassen durchgeführt (N=512).
Die Geschlechterverteilung innerhalb der Stichprobe ist ausgeglichen und umfasst
50 Prozent Schülerinnen und 50 Prozent Schüler. 83 Prozent der Kinder sprechen
220 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

zu Hause hauptsächlich Schweizerdeutsch oder Deutsch, 17 Prozent sprechen zu


Hause hauptsächlich eine andere Sprache.
Die Stichprobe umfasst 11 dritte Klassen, 7 Mehrjahrgangsklassen (3 und 4), 9
vierte Klassen, 5 Mehrjahrgangsklassen (4 bis 6 bzw. 5 und 6), 11 fünfte Klassen und
10 sechste Klassen. Von diesen 53 Klassen sind 30 Klassen mit Tablets ausgestattet, die
sich zu knapp 60 Prozent auf die Klassenstufe 3 und 4 und zu gut 40 Prozent auf die
Klassenstufen 5 und 6 verteilen. Tab. 1 zeigt, wie sich die Schülerinnen und Schüler auf
die verschiedenen Klassenstufen verteilen (vertiefende Angaben: s. Prasse et al. 2016).

Tab. 1 Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf Tablet- bzw. Nicht-Tabletklassen
Anzahl SuS Anzahl SuS
Tabletklasse Nicht-Tabletklasse
3. Klasse 134 96
4. Klasse 163 84
Total 297 180
5. Klasse 152 112
6. Klasse 97 151
Total 249 263

Da sich Tabletklassen und Nicht-Tabletklassen nicht völlig systematisch auf die


verschiedenen Stufen und Schulen verteilen, haben wir bei den Analysen besonderes
Gewicht auf den Vergleich von Tablet- und Nicht-Tabletklassen bezüglich relevanter
Hintergrundmerkmale und den Einbezug von Kontrollvariablen in die Analysen
gelegt. Die beiden Gruppen wurden hinsichtlich Geschlecht, Migrationshintergrund
sowie hinsichtlich der häuslichen Ausstattung digitaler Geräte miteinander ver-
glichen. Die Überprüfung zeigte, dass sich die Schülerinnen und Schüler aus den
Tabletklassen nicht von den Schülerinnen und Schülern aus Nicht-Tabletklassen
hinsichtlich Geschlecht, Migrationshintergrund und häuslicher Ausstattung an
digitalen Geräten (Desktop-Computer oder Tablet oder Laptop) unterscheiden (p
>.05). Bezüglich der getesteten Kriterien kann man also von weitgehend homogenen
Gruppen ausgehen (vgl. Tab. 2).
Die Analysen fokussieren zum einen auf die Nutzungsunterschiede zwischen
Tablet- und Nicht-Tabletklassen hinsichtlich außerschulischer ICT-Nutzung. Zum
anderen soll der Einfluss verschiedener Prädiktoren ermittelt werden, welche
einen Effekt auf die außerschulische ICT-Nutzung haben. Die Beantwortung der
Forschungsfragen erfolgt vor allem durch Mittelwertvergleiche sowie Regres-
sionsanalysen. Beim Vergleich einzelner Items kamen auch nonparametrische
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? 221

Tab. 2 Ausgewählte soziodemographische Merkmale von Schüler/innen aus Tablet


und Nicht-Tabletklassen
Schülerinnen und Schüler aus
Tabletklassen Nicht-Tablet- Tabletklassen Nicht-Tablet-
klassen klassen
3./4. Klasse 3./4. Klasse 5./6. Klasse 5./6. Klasse
% % % %
Geschlecht (Anteil 47 52 55 49
weiblich)
Sprache im Elternhaus 15 21 17 22
(Anteil mit Migrations-
hintergrund)
Häusliche Ausstattung 97 95 97 99
mit digitalen Geräten

Verfahren zur Anwendung (Mann-Whitney-U-Test). Für die Analysen wurden


neben Einzelitems auch Indizes auf der Grundlage von Faktoranalysen berechnet,
die im Folgenden kurz beschreiben werden sollen.
Generelle Nutzungshäufigkeit von digitalen Geräten: Die Ermittlung der gene-
rellen Nutzungshäufigkeit von digitalen Geräten in verschiedenen Settings: in der
Schule, außerschulisch zum Lernen / für Hausaufgaben, sowie außerschulisch zum
Spaß, wurde durch Einzelitems erhoben, die auch bereits in zahlreichen anderen
Untersuchungen Einsatz fanden (z. B. Fraillon et al. 2014; Petko et al. 2013).
Außerschulische ICT-Nutzungsaktivitäten: Einige der hier verwendeten Items
stammen aus dem internationalen Fragebogen der Samsung Corporate Citizenship
Programme Evaluation, welcher als allgemeine Grundlage für die Begleitforschung
diente. Weitere Items wurden aus anderen Untersuchungen adaptiert (Fraillon et
al. 2014; Petko et al. 2013; Schaumburg et al. 2007). Für die Auswertungen wurden
die außerschulischen ICT-Nutzungsaktivitäten für schulische und für unterhal-
tungsbezogene Zwecke mit insgesamt vier Indizes operationalisiert: Der Index
(Online) Lernen fasst Aktivitäten zusammen, die der Informationsgewinnung für
schulische Zwecke im Internet bzw. dem Lernen schulischer Inhalte dienen, wie
z. B. mit Lernprogrammen (4 Items, α=.81). Der zweite Index Lernprodukte erstel-
len bezieht sich auf Aktivitäten zum Erstellen und Gestalten von Lernprodukten
(Texte, Bilder, Filme; 4 Items, α=.76). Der zweite Index wurde nicht für alle Klassen
berechnet, da nicht allen Schülerinnen und Schülern alle Items vorgelegt wurden.
Außerdem wurde ein Gesamtindex berechnet Außerschulische Nutzung Schule &
Lernen (11 Items, α=.88), der auch Items zur schulbezogenen Kommunikation mit
Lehrpersonen und Mitschülerinnen und -schülern umfasst. Die außerschulischen
222 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

ICT-Nutzungsaktivitäten zum Spaß wurde mit zwei Indizes operationalisiert: Der


erste Index fokussiert auf die Nutzung digitaler Geräte zur Unterhaltung (Compu-
ter- oder Videospiele spielen, Videos anschauen: 2 Items, α=.72), der zweite auf die
ICT-Nutzung zur Kommunikation (Chatten, Nutzung sozialen Netzwerke: 2 Items,
α=.82). Letzterer wurde nicht für die jüngeren Schülerinnen und Schüler gebildet,
da diese nicht zu ihrer Nutzung sozialer Netzwerke befragt wurden.
ICT-bezogene Einstellungen und Kompetenzen: Die meisten der verwendeten Items
stammen wiederum entweder aus eigenen Studien (Petko et al. 2013; Schaumburg et
al. 2007), aus dem internationalen Fragebogen der Samsung Corporate Citizenship
Programme Evaluation, oder orientieren sich an einigen Itemformulierungen aus
den ICILS 2013 Instrumenten (Fraillon et al. 2014). Für die Auswertungen zu den
Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zum Einsatz von Computern und Tablets
in der Schule wurden zwei Indizes gebildet. Der erste Index Einstellung: Lerngewinn
bezieht sich auf den von den Schülerinnen und Schülern eingeschätzten Mehrwert
des Arbeitens mit digitalen Medien, z. B. auf die Anstrengung, die Konzentration
oder das Verständnis beim Lernen (5 Items, α=.85). Der zweite Index fasst zwei Items
zum Computerinteresse zusammen, d. h. dem Selbstverständnis der Kinder jemand
zu sein, der sich für Technik interessiert und anderen diesbezüglich Ratschläge
geben kann (2 Items, α=.64). Dieser Index wurde wiederum nur für die Klassen-
stufen 5 und 6 gebildet. Die selbsteingeschätzten Kompetenzen der Schülerinnen
und Schüler zum Umgang mit digitalen Medien wurden in Bezug auf drei Aspekte
erfasst und operationalisiert. Der Index Subjektive Computerkompetenz erfasst die
selbsteingeschätzten Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit
verschiedenen Computeranwendungen (z. B. Texte bearbeiten, Dateien finden,
Präsentationen erstellen: 9 Items, α=.83). Der Index Subjektive Internetkompetenz
bezieht sich auf die selbsteingeschätzten Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler,
sich sicher im Internet zu bewegen (Schutz persönlicher Daten, Erkennen proble-
matischer Inhalte, 4 Items, α=.82). Der Index Subjektive Informationskompetenz,
fokussiert auf Fähigkeiten, relevante Informationen im Internet zu finden sowie
diese organisieren und bewerten zu können (4 Items, α=.78).
Einstellung und Engagement der Eltern und Wertigkeit digitaler Medien im Un-
terricht: Der Index Einstellung/Engagement der Eltern umfasst die Einschätzungen
der Schülerinnen und Schüler, inwieweit sich die Eltern für das Lernen mit den
digitalen Geräten interessieren und inwieweit sie ihre Kinder dabei unterstützen
(4 Items, α=.74). Für eine Abschätzung der Wertigkeit digitaler Medien in der
Unterrichtsarbeit wird zum einen ein Einzelitem genutzt, das die Häufigkeit des
ICT-Einsatzes im Unterricht abbildet, zum anderen ein Index Unterrichtsthema
Internet, der sich auf den Umfang bezieht, mit dem Fragen des Recherchierens und
Lernens im Internet im Unterricht thematisiert werden (4 Items, α=.76).
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? 223

Im folgenden Teil werden nun die Unterschiede der außerschulischen ICT-Nut-


zung von Schülerinnen und Schülern aus Tablet und Nicht-Tabletklassen dargestellt.
Weiterhin werden die Effekte des Geschlechts und des Migrationshintergrunds
untersucht und anschließend regressionsanalytisch geprüft, welche der oben ge-
nannten Bedingungen einen Einfluss auf die außerschulische ICT-Nutzung haben.

4 Ergebnisse

4.1 Außerschulische Nutzung digitaler Geräte bei


Schülerinnen und Schülern mit und ohne Tablets

Zunächst soll der Frage nachgegangen werden, in welchem Umfang Schülerinnen


und Schüler in Tabletklassen und in Nicht-Tabletklassen digitale Medien generell
in der Schule und zu Hause nutzen. In Abbildung 1 sind die schulischen und außer-
schulischen ICT-Nutzungshäufigkeiten nach Klassenstufe sowie nach Tablet- bzw.
Nicht-Tabletklasse dargestellt. Schülerinnen und Schüler aus Tabletklassen nutzen
auf allen Klassenstufen digitale Geräte signifikant häufiger in der Schule als ihre
Altersgenossen aus Nicht-Tabletklassen (p<.001). Bei der außerschulischen ICT-Nut-
zung für Hausaufgaben oder zum Lernen zeigen sich zwischen den Schülerinnen
und Schülern der Tablet- bzw. Nicht-Tabletklassen nur auf der fünften und sechsten
Klassenstufe signifikante Unterschiede (p<.001). Bezüglich der außerschulischen
Nutzung zum Spaß unterscheiden sich die untersuchten Klassen nicht voneinander.
Im Folgenden werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten bezüglich spe-
zifischer außerschulischer Nutzungsformen dargestellt. Dabei wird zwischen der
außerschulischen Nutzung digitaler Geräte für Unterhaltungszwecke und der
Nutzung für lern- und schulbezogene Zwecke unterschieden.
Schülerinnen und Schüler aus Tabletklassen und aus Nicht-Tabletklassen un-
terscheiden sich nicht in der Häufigkeit ihrer Nutzung für unterhaltungsbezogene
Zwecke (z. B. Gamen, Videos schauen). Das zeigt sich sowohl bezüglich des Indexes
Unterhaltung als auch bei den Häufigkeiten der beiden Einzelitems (vgl. Abb. 2).
Bezüglich der Freizeitnutzung für kommunikationsbezogene Zwecke ergibt sich
ein bedeutsamer Unterschied für die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen
5 und 6. Die Betrachtung der Häufigkeiten der Einzelitems zeigt, dass dieser Un-
terschied vor allem auf der unterschiedlichen Nutzung sozialer Netzwerke beruht.
Dies praktizieren die Tabletschülerinnen und -schüler der fünften und sechsten
Klassen etwas häufiger (p<.05).
224 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

Abb. 1 Nutzungsfrequenz digitaler Medien in der Schule, zu Hause zum Lernen


oder zum Spaß im Vergleich von Tablet- und Nicht-Tabletschülerinnen und
-schülern der Klassenstufen 3/4 und 5/6 (Angaben in %)
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? 225

Abb. 2 Nutzungsfrequenz digitaler Medien Unterhaltung/Kommunikation in der


Freizeit im Vergleich zwischen Tablet- und Nicht-Tabletschülerinnen und
-schülern der Klassenstufen 3/4 und 5/6 (Angaben in %)
226 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

Für die verschiedenen Formen der Nutzung digitaler Medien für schulische Zwe-
cke wurden drei Indizes gebildet: (online) Lernen, Lernprodukte erstellen sowie
ein Gesamtindex Lernen & Schule. Die Mittelwerte der drei Indizes sind auf der
linken Seite in Abb. 3 für die dritte und vierte sowie für die fünfte und sechste
Klassenstufe dargestellt. Auf der Klassenstufe 3/4 unterscheiden sich die Tablet-
schülerinnen und -schüler nicht von ihren Altersgenossen aus Nicht-Tabletklassen.
Dagegen ergeben sich auf der fünften und sechsten Klassenstufe Unterschiede.
Schülerinnen und Schüler aus Tabletklassen lernen häufiger mit ihren digitalen
Geräten (Lernprogramme, Internetrecherchen) und gestalten mit einer größeren
Irrtumswahrscheinlichkeit (10 %) häufiger Lernprodukte für die Schule.
In Abb. 3 sind auf der rechten Seite zusätzlich die Häufigkeiten der einzelnen
Nutzungstätigkeiten der fünften und sechsten Klassen sortiert nach den entspre-
chenden Nutzungsindizes abgebildet. Insbesondere das Recherchieren zu schuli-
schen Themen im Internet sowie das Lernen mit Lernprogrammen dominieren
das Tätigkeitsprofil. Bezüglich der im Index online Lernen zusammengefassten
Nutzungsformen zeigen sich auf allen Items deutliche Unterschiede zwischen Ta-
blet- und Nicht-Tabletschülerinnen und -schülern (alle p<.05). Digital unterstützte
Tätigkeiten, die unter dem Index Lernprodukte erstellen zusammengefasst wurden,
zeigen weniger dramatische Differenzen. Tabletschülerinnen und -schüler zeichnen
signifikant häufiger Dinge mit dem Tablet (p<.05). Bei den anderen Aktivitäten
zeigen sich auf Einzelitemebene keine Unterschiede. Am häufigsten schreiben und
bearbeiten Schülerinnen und Schüler beider Gruppen Texte zu Hause. Im unteren
Bereich der Abb. 3 sind die Häufigkeiten abgebildet, mit der die Schülerinnen und
Schüler digital schulbezogen kommunizieren. Hier wurde aufgrund der schlechten
Reliabilität kein Index gebildet. Generell kommunizieren die Schülerinnen und
Schüler aus beiden Gruppen umfangreicher mit anderen Schülern als mit den
Lehrpersonen. Schülerinnen und Schüler aus Tabletklassen nutzen digitale Medien
bedeutsam häufiger für die Kommunikationen mit der Lehrperson, als Kinder aus
Nicht-Tabletklassen (p<.001).
Zusammenfassend zeigen die Analysen, dass Schülerinnen und Schüler der 5./6.
Stufe aus Tabletklassen digitale Medien zu Hause für schulische Zwecke insgesamt
etwas häufiger nutzen. Neben dem Besuch einer Tabletklasse könnten aber noch
weitere Bedingungen dafür verantwortlich sein, wie intensiv Schülerinnen und
Schüler mit digitalen Medien auch außerschulisch lernen. Im nächsten Abschnitt
wird zunächst analysiert, welche Bedeutung hier soziodemografische Merkmale
haben und ob eine Verfügbarkeit persönlicher Tablets auch unter Kontrolle dieser
Merkmale eine Bedeutung für außerschulische digital unterstützte Lernaktivitäten
hat.
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? 227

 
Abb. 3 Nutzungsfrequenz digitaler Medien außerschulisch zum Lernen im
Vergleich zwischen Tablet- und Nicht-Tabletschülerinnen und -schülern der
Klassenstufen 3/4 und 5/6: Index (online) Lernen, Lernprodukte erstellen
und Gesamtindex Schulbezogene Nutzung sowie Häufigkeitsangaben für
Einzelitems in % (nur Klasse 5/6)
228 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

4.2 Unterschiede in der außerschulischen Nutzung


von Schülerinnen und Schülern aus Tablet- und
Nicht-Tabletklassen und soziodemografische
Hintergrundmerkmale

Wie im Theorieteil dargelegt, können sich Schülerinnen und Schüler in ihrem au-
ßerschulischen Nutzungsverhalten je nach sozioökonomischer Situation in ihren
Familien und je nach Migrationshintergrund unterscheiden. Daneben gebrauchen
Mädchen und Jungen die digitalen Geräte auch teilweise für unterschiedliche
Zwecke, obwohl die Befundlage sich hier recht ambivalent gestaltet. In unserer
Untersuchung unterscheiden sich die Mädchen und Jungen der fünften und sechsten
Klassen nicht darin, wie häufig sie mit digitalen Medien für die Schule (online)
lernen, d. h. beispielsweise Lernprogramme nutzen oder etwa für Schulaufgaben
im Internet recherchieren. Mädchen nutzen dagegen die digitalen Geräte etwas
häufiger, um Lernprodukte (Texte, Bilder, Präsentationen) zu gestalten (Mw=2,03,
Mm=1,88, p<.05). Mit Blick auf die Nutzung zu Unterhaltungszwecken folgen die
Ergebnisse in unserer Stichprobe den zahlreichen Befunden zu diesem Thema.
Jungen auf der Klassenstufe 5 und 6 nutzen digitale Geräte stärker als Mädchen
für unterhaltungsbezogene Zwecke, d. h. vor allem zum Spielen und zum Schauen
von Videos (Mw=3,42, Mm=3,90, p<.001). Diese Muster gleichen sich in Tablet- und
Nicht-Tabletklassen.
Der Migrationshintergrund wurde bei den Schülerinnen und Schülern in den
Grundschulen nur über die im Elternhaus hauptsächlich gesprochene Sprache erfasst,
da differenzierte Indikatoren die umfangreiche Befragung überlastet hätten. Bei
einem Vergleich von Schülerinnen, die hauptsächlich Deutsch, Englisch oder eine
andere Landessprache der Schweiz zu Hause sprechen und solchen, die hauptsächlich
eine andere Sprache im Elternhaus praktizieren, zeigen sich Unterschiede in der
Nutzung digitaler Medien für schulische Zwecke. Schülerinnen und Schüler mit
einem vermuteten Migrationshintergrund nutzen digitale Medien zum einen im
Mittel häufiger für die Schule und zum Lernen (Gesamtindex: MM=2,35, MoM=2,14,
p<.01). Zum anderen verwenden sie diese digitalen Medien deutlich häufiger für
kommunikationsbezogene Tätigkeiten, wie das Chatten oder das Nutzen sozialer
Netzwerke (MM=3,65, MoM=3,14, p<.01). Auch hier gleichen sich die Muster in Tablet-
und Nicht-Tabletklassen mit Ausnahme der Nutzung zu unterhaltungsbezogenen
Zwecken. Hier weisen Schülerinnen und Schüler aus Tabletklassen, die hauptsäch-
lich eine andere Sprache als Deutsch im Elternhaus sprechen, eine vergleichsweise
höhere Nutzungsfrequenz auf (MM=4,05, MoM=3,53; p<.05).
Des Weiteren wurde regressionsanalytisch geprüft, ob sich der Unterschied in
der außerschulischen Nutzung digitaler Medien für die Schule und zum Lernen
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? 229

zwischen Schülerinnen und -schülern aus Nicht-Tabletklassen auch unter Kontrolle


der beschriebenen Hintergrundvariablen zeigt (vgl. Tab. 3). Auch bei Beachtung
des Geschlechts und der Familiensprache der Kinder besteht ein signifikanter
Unterschied zwischen Tablet- und Nicht-Tabletklassen.

Tab. 3 Regressionsmodell zur Erklärung von Unterschieden in der außerschulischen


Nutzung digitaler Medien für die Schule und zum Lernen
Modell I Modell II
 ß (SE) ß (SE)
Tabletklasse .21 (.04) .21 (.04)
Geschlecht (1= männlich) - - -.05 (.04)
Sprache im ElternhausA - - .14 (.04)
R² .04 .06
Anmerkungen:
ß – Regressionsgewichte und Standardfehler (standardisiert), signifikante Koeffizienten
sind fett markiert (p<.05)
A
1= Andere Sprache als Deutsch/Italienisch/Französisch/Rätoromanisch/Englisch

4.3 Die Rolle des Besuchs einer Tabletklasse im Kontext


weiterer Bedingungen der außerschulischen Nutzung
digitaler Medien für das Lernen von Schülerinnen
und Schülern

Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich sowohl in ihren Kompetenzen im


Umgang mit digitalen Geräten als auch in ihren Fähigkeiten, aus digitalen Infor-
mationen Wissen zu generieren. Dies könnte beeinflussen, wie einfach Kinder
die Nutzung für Lernzwecke erleben. Daneben sind auch selbst entwickelte oder
fremd erfahrene Überzeugungen (z. B. durch die Eltern als Rollenmodell) dafür
bedeutsam, ob die Schülerinnen und Schüler Tablets als ein nützliches Lernmedi-
um wahrnehmen. Tab. 4 zeigt die Unterschiede in Tablet- und Nicht-Tabletklassen
bezüglich verschiedener Einstellungs- und Kompetenzbereiche für Schülerinnen
und Schüler, bezüglich der Einstellung und des Engagements der Eltern sowie der
Thematisierung internet- und medienrelevanter Themen im Unterricht. Weiterhin
wurde auch die Einstellung zur Schule hier mit einbezogen, da angenommen werden
kann, dass diese ebenfalls das schulische Lernen außerhalb der Schule beeinflusst.
230 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

Tab. 4 ICT-Einstellungen, selbsteingeschätzte Computer- und informationsbezogene


Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern aus Tabletklassen und Nicht-
Tabletklassen auf den Klassenstufen 5 und 6
5. und 6. Klassen: M (SD)
Tabletklassen Nicht-
Tabletklassen
Einstellung zur Schule 3.16 (.61) 3.20 (.58)
ICT-Einstellung Lerngewinn 2.83 (.67) 2.66 (.76)
Computerinteresse 3.10 (.71) 2.86 (.81)
Subjektive Computerkompetenz 2.75 (.67) 2.87 (.67)
Subjektive Informationskompetenz 2.95 (.59) 3.00 (.57)
Subjektive Internetkompetenz 3.14 (.81) 3.00 (.82)
Engagement / Einstellung Eltern 2.71 (.68) 2.67 (.71)
Unterrichtsthema Internet 2.00 (.59) 1.92 (.61)

Schülerinnen und Schüler aus Tabletklassen haben eine vergleichsweise positivere


Einstellung mit Blick auf den Lerngewinn, den sie der Arbeit mit den digitalen
Geräten zuschreiben und zeigen im Mittel ein etwas stärkeres Interesse an einer
kompetenten Handhabung computertechnischer Aspekte (Index Computerinteres-
se). Schülerinnen und Schüler aus Tabletklassen schätzen ihre Internetkompetenz
etwas positiver ein als ihre Altersgenossen aus Nicht-Tabletklassen. Hinsichtlich
der subjektiven Computer und Informationskompetenz ergeben sich keine signi-
fikanten Unterschiede. Das gilt auch für die Einstellung zur Schule.
Im Folgenden wird regressionsanalytisch überprüft, inwieweit diese Bedingun-
gen mit einer stärkeren außerschulischen ICT-Nutzung für die Schule und zum
Lernen (Gesamtindex) zusammenhängen. Aufgrund der hohen Interkorrelation
mit anderen Variablen wurden die Variablen Computerinteresse und die subjektive
Informationskompetenz aus den Regressionsmodellen ausgeschlossen.
Tab. 5 zeigt die Ergebnisse der Regressionsanalysen sowie in der linken Spalte die
Koeffizienten der jeweils bivariaten Korrelation. Im Modell III werden potenzielle
Einflüsse der ICT-bezogenen Einstellung, der selbsteingeschätzten ICT-bezogenen
Kompetenzen sowie die Einstellung der Schülerinnen und Schüler zur Schule
auf die außerschulische Nutzung überprüft. Die Ergebnisse zeigen hier, dass die
selbsteingeschätzte Computerkompetenz und die ICT-Einstellung (Lerngewinn)
bedeutsame Prädiktoren der Häufigkeit der außerschulischen lernbezogenen Nut-
zung digitaler Geräte sind. Einen signifikanten Zusammenhang hat weiterhin die
generelle Einstellung zu Schule, d. h. Schülerinnen und Schüler, die mit mehr Spaß
und motivierter zur Schule gehen, lernen außerschulisch häufiger mit digitalen
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? 231

Tab. 5 Erweiterte Regressionsmodelle zur Erklärung von Unterschieden in der


außerschulischen Nutzung digitaler Medien für die Schule und zum
Lernen (Gesamtindex) durch ICT-Einstellungen, selbsteingeschätzte ICT-
Kompetenzen, Engagement der Eltern, Thematisierung von ICT im Unterricht
von Schülerinnen und Schülern aus Tabletklassen und Nicht-Tabletklassen
(Klassenstufe 5/6)
Modell III Modell IV Modell V Modell VI
rB ß (SE) ß (SE) ß (SE) ß (SE)
Tabletklasse - - .21 (.04) .19 (.04) .20 (.04)
Sprache im ElternhausA - - .06 (.04) .11 (.04) .06 (.04)
Einstellung zur Schule .14 .13 (.04) .13 (.04) .07 (.04)
ICT-Einstellung Lerngewinn .34 .24 (.04) .20 (.04) .12 (.04)
Subjektive Computerkompetenz .34 .23 (.05) .26 (.05) .26 (.05)
Subjektive Internetkompetenz .21 .07 (.04) .05 (.04) .02 (.04)
Engagement/Einstellung der Eltern .32 .26 (.04) .14 (.04)
Thema Internet im Unterricht .28 .20 (.04) .17 (.04)
R² - .19 .23 .20 .28
Anmerkungen:
B
Bivariate Korrelationen
ß – Regressionsgewichte und Standardfehler (standardisiert), signifikante Koeffizienten
sind fett markiert (p<.05)
A
1= Andere Sprache als Schweizerdeutsch/Deutsch/Italienisch/Französisch/Rätoroma-
nisch/Englisch

Medien. Die zusätzliche Aufnahme der Hintergrundvariablen Migration (Sprache im


Elternhaus) und Zugehörigkeit zu einer Tabletklasse ergibt eine geringfügig höhere
Varianzaufklärung. Die Zugehörigkeit zu einer Tabletklasse ist auch nach Kontrolle
der individuellen Bedingungen auf Schülerebene ein signifikanter Prädiktor für die
außerschulischen Nutzungen zum Lernen und für die Schule (Modell IV). Neben
den eigenen ICT-bezogenen Überzeugungen und Kompetenzen könnten auch die
Einstellungen der Eltern sowie die Thematisierung internetbezogener Themen im
Unterricht (z. B. durch die Lehrperson) einen bedeutsamen Einfluss auf das außer-
schulische Lernen mit digitalen Medien haben. Beides kann regressionsanalytisch
in Modell V bestätigt werden. Modell VI zeigt schließlich, dass auch bei Kontrolle
verschiedener individueller, schulischer und familiärer Bedingungen ein signifikanter
Unterschied in der außerschulischen lern- und schulbezogenen Nutzung digitaler
Geräte zwischen Schülerinnen und Schülern aus Tablet- und Nicht-Tabletklassen
existiert. Dieses Modell erklärt 28 Prozent der Varianz zwischen den Schülerinnen
232 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

und Schülern in der außerschulischen Nutzung von digitalen Medien zum Lernen
oder für die Schule.

5 Zusammenfassung und Diskussion

Die Nutzung persönlicher digitaler Geräte für das Lernen von Schülerinnen und
Schülern wird dank weiterhin sinkender Gerätepreise bei steigender Leistungsfä-
higkeit zunehmend zu einer realistischen Option für Schulen. Insbesondere im
Grundschulbereich hat die Nutzung von (persönlichen) Tablets auch im deutschspra-
chigen Raum an Popularität gewonnen, obwohl Schulen in Deutschland und in der
Schweiz diesbezüglich im internationalen Vergleich derzeit unterdurchschnittlich
ausgestattet sind (vgl. Fraillon et al 2014).
Die 1:1 Ausstattung der Schülerinnen und Schüler mit persönlichen Tablets
bringt Chancen für eine neuartige Integration digitaler Medien in den Unterricht
und vor allem auch in das außerschulische Lernen mit sich. Das Tablet als alltäg-
liches Lernwerkzeug und jederzeit verfügbarer Lernraum, sowohl in der Schule
als auch zu Hause, könnte hier Potentiale für eine bessere Vernetzung schulischer
und außerschulischer Lernpraktiken haben. Bisherige Studien sagen allerdings
noch relativ wenig darüber aus, wie Schülerinnen und Schüler mobile persönliche
digitale Geräte zu Hause zum Lernen nutzen und welchen Einfluss dies auf das
Lernen hat. Dies steht im Kontrast zu Forschungsergebnissen, die zeigen, dass die
außerschulische Nutzung oftmals sogar einen stärkeren Einfluss auf den Erwerb
bestimmter Kompetenzen (Informations- und Computerkompetenz) hat, als die
unterrichtliche Nutzung (z. B. Fraillon et al. 2014; OECD 2015). Die Forschungslage
zur Nutzung mobiler digitaler Geräte im Grundschulbereich ist jedoch begrenzt
und umfasst bisher meist nur sehr kleine Stichproben. In diesem Beitrag wurde
deshalb der Frage nachgegangen, ob die Verfügbarkeit von persönlichen Tablets
dazu beiträgt, dass Schülerinnen und Schüler, vorrangig der Klassenstufen fünf
und sechs, auch außerhalb der Schule bestimmte Lernanlässe stärker wahrneh-
men und digital nutzen und welche weiteren Bedingungen hier bedeutsam sind.
Dazu wurden querschnittliche Daten aus der Ersterhebung einer längsschnittlich
angelegten Tabletstudie an insgesamt 12 Schulen in der Deutschschweiz analy-
siert, um zum einen Unterschiede zwischen Tablet- und Nicht-Tabletklassen zu
beschreiben und zum anderen regressionsanalytisch zu überprüfen, welche Rolle
die Zugehörigkeit zu einer Tabletklasse im Kontext anderer Bedingungen für eine
umfangreiche außerschulische Nutzung für Lernzwecke spielt.
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? 233

Zunächst zeigten die Ergebnisse, dass Schülerinnen und Schüler mit einem per-
sönlichen Tablet häufiger im Unterricht mit digitalen Medien lernen. Dieser Befund
scheint auf den ersten Blick nicht überraschend und wird auch durch Ergebnisse aus
Modellprojekten mit mobilen digitalen Geräten gestützt. Allerdings zeigen Unter-
suchungen in repräsentativen Stichproben, dass dies gar nicht so selbstverständlich
ist. Auch in der von uns untersuchten Stichprobe existiert eine große Spannbreite
sowohl bezüglich der Nutzungsfrequenz als auch der realisierten Nutzungsszenarien
im Unterricht. Der Blick auf die außerschulische Nutzung digitaler Medien lässt
erkennen, dass Schülerinnen und Schüler aus Tabletklassen auf der Klassenstufe
fünf und sechs, im Vergleich zu Gleichaltrigen aus Nicht-Tabletklassen, digitale
Geräte in einem ähnlichen Umfang für spaßorientierte Zwecke und bedeutsam
häufiger für schulische Zwecke einsetzen. Auch in den Klassenstufen drei und vier
nutzen die Tabletschülerinnen und -schüler digitale Medien nicht häufiger zur
Unterhaltung, allerdings auch nicht für schulbezogene Tätigkeiten. Bezogen auf
die spezifischen Nutzungsformen zeigt sich, dass hinsichtlich der Freizeitnutzung
zwar keine Unterschiede in der Häufigkeit der unterhaltungsbezogenen Nutzung
in beiden Schülergruppen existieren (Gamen, Videos schauen); Tabletschülerinnen
und -schüler aber öfter die kommunikativen Möglichkeiten sozialer Netzwerke
nutzen. Bei den schulbezogenen digitalen Nutzungsformen finden sich die größten
Unterschiede bezüglich der lernbezogenen Nutzung des Internets und der Benutzung
fachspezifischer Lernprogramme. Generell existieren ähnliche Nutzungsmuster
von Mädchen und Jungen in Tabletklassen und Nicht-Tabletklassen. Sowohl in
Tablet- als auch in Nicht-Tabletklassen nutzen Jungen die digitalen Geräte etwas
mehr zu Unterhaltungszwecken, die Mädchen zeigen eine geringfügig häufigere
Nutzung zum Erstellen von Lernprodukten (z. B. Texte). Schülerinnen und Schüler
mit Migrationshintergrund (Sprache im Elternhaus) nutzen digitale Geräte gene-
rell häufiger, sowohl zum Lernen, als auch für die Kommunikation mit Freunden
und Familie.
Das Ergebnis einer generell häufigeren Nutzung für lernbezogene Zwecke von
Tabletschülerinnen und -schülern der fünften und sechsten Klassen hat auch nach
Einbezug des Geschlechts sowie familiärer Hintergrundmerkmale (Sprache im
Elternhaus) Bestand. Diese Ergebnisse stützen damit Befunde aus anderen Studien,
die ebenfalls keine Erhöhung einer unterhaltungsbezogenen Nutzung digitaler
Medien in der Freizeit bei Schülerinnen und Schülern aus Klassen mit mobilen
Geräten belegen können (Häuptle 2007; Schaumburg et al. 2007; Schaumburg et
al. 2016). Zudem zeigen die Ergebnisse, dass die Tablets zumindest in der fünften
und sechsten Klassenstufe Potentiale für ein umfangreicheres digital unterstütztes
Lernen auch im außerschulischen Bereich haben. Allerdings scheint dies nicht auf
alle Schulen bzw. Schulstufen gleichermaßen zuzutreffen. Ein möglicher Grund
234 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

hierfür könnte in der unterschiedlichen Verteilung weiterer potentieller Einfluss-


bedingungen für das außerschulische Lernen über die teilnehmenden Schulen und
Klassen hinweg liegen.
Dieser Beitrag ging von der Hypothese aus, dass sich nicht die reine Verfügbarkeit
der Tablets positiv auf das Lernen mit digitalen Medien auch zu Hause auswirkt,
sondern weitere Faktoren existieren, die von der Tabletnutzung beeinflusst werden.
Hierzu wurden insbesondere die Einstellungen und Kompetenzen zum Lernen mit
digitalen Medien, die Thematisierung und Nutzung des Tablets im Unterricht sowie
das Engagement der Eltern in den Blick genommen. Der Vergleich von Tablet- und
Nicht-Tabletklassen in der Klassenstufe 5/6 zeigte zunächst, dass sich diese in Bezug
auf die in diesen beiden Gruppen existierenden unterschiedlichen Einstellungen
(eingeschätzter Lerngewinn), ihrem Interesse für Computer sowie, wie oben bereits
berichtet, sehr deutlich in ihrer Nutzung im Unterricht unterscheiden. Bezüglich
aller anderen Bedingungen fanden sich keine Unterschiede. In einem zweiten Schritt
wurde anschließend korrelativ und regressionsanalytisch geprüft, inwieweit die
untersuchten Bedingungen mit der außerschulischen Nutzung digitaler Medien
zum Lernen und für die Schule zusammenhängen. Für die schul- und lernbezo-
gene außerschulische Nutzung digitaler Medien ist es nach den Ergebnissen des
Gesamtmodells besonders bedeutsam, ob die Schülerinnen und Schüler

• sich kompetent beim Umgang mit den digitalen Geräten fühlen,


• einen Mehrwert in der Nutzung digitaler Medien für das Lernen sehen,
• eine Thematisierung des Verhaltens/ Lernens im Internet im Unterricht erfahren,
• sich die Eltern für die Nutzung digitaler Medien interessieren und engagieren und
• die Schülerinnen oder Schüler einer Tabletklasse angehören.

Diese Ergebnisse zeigen zum einen auf, dass die Verfügbarkeit eines persönlichen
digitalen Gerätes für Schülerinnen und Schüler auch nach der Kontrolle weiterer
relevanter Einflussbedingungen ein bedeutsamer Faktor für die außerschulische,
lern- und schulbezogene Nutzung digitaler Medien ist. Die Ergebnisse stützen
außerdem Forschungsbefunde zum Zusammenhang von außerschulischem Lernen
und ICT-bezogenen Einstellungen (Aesaert und van Braak 2014; Curtois et al. 2014;
Meelissen und Drent 2008) sowie Kompetenzen (Aesaert et al. 2015) und erweitern
diese auf den Bereich des Lernens mit persönlichen digitalen Geräten (Tablets).
Die Bedeutung einer Thematisierung von Medienthemen im Unterricht in Kom-
bination mit dem Ergebnis zu einer in Tabletklassen vergleichsweise intensiveren
Nutzung digitaler Medien verweist daneben auf die bedeutsame Rolle der Lehr-
personen, die diese bei der gezielten Anregung von Themen der Mediennutzung
und der Ausgestaltung des schulischen und außerschulischen digital vermittelten
Mobiles Lernen. Auch zu Hause? 235

Lernens durch entsprechende Unterrichtsaktivitäten und Aufgabenstellungen haben


(vgl. Schaumburg et al. 2016). In den (Tablet-)Klassen kann so, mit Unterstützung
der Lehrpersonen und in der sozialen Gruppe Gleichaltriger, das digitale Gerät
als Lernmedium erfahren und als Lernwerkzeug zu Unterstützung der eigenen
Lernprozesse positiv schätzen gelernt und im besten Fall der emanzipierte Um-
gang mit den digitalen Geräten eingeübt werden. Dies kann sich dann auch in den
außerschulischen digital unterstützten Lernaktivitäten widerspiegeln.
Des Weiteren konnte mit der Untersuchung die Bedeutung von Eltern für die
außerschulische lernbezogene Nutzung digitaler Medien sowohl in Tablet- als auch
in Nicht-Tabletklassen gezeigt werden. Auch dies steht im Einklang mit einigen
nicht auf mobile Geräte bezogenen Forschungsbefunden (Aesaeart und van Braak
2014; Vekiri 2010). Überraschend ist jedoch, dass die Einstellung und das Engage-
ment von Eltern auf der Klassenstufe fünf und sechs nicht davon abhängt, ob das
Kind in eine Tabletklasse geht. Die umfangreichere Konfrontation mit dem Thema
Lernen mit digitalen Medien durch die schulische Tabletnutzung der Kinder scheint
diesbezüglich keinen Einfluss zu haben. Hier muss genauer geprüft werden, ob eine
engere Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule in diesem Themenbereich
hilfreich wäre. Auch Welling et al. (2014) betonen, dass es durch die gleichzeitige
Nutzung der Tablets in der Schule und zu Hause zu einer tendenziellen Vermischung
eher privater und eher formaler Handlungsbereiche kommt. Ob diese nur Chancen
oder auch Risiken mit sich bringt, muss hier offen bleiben.
Zum Abschluss soll auf einige methodische Grenzen verwiesen werden, die bei
der Interpretation der Ergebnisse zu beachten sind. Da es sich um eine anfallende
Stichprobe handelte, sind die Tabletklassen auf bestimmten Klassenstufen nicht
gleichmäßig auf die verschiedenen Schulstandorte verteilt. Dies gilt besonders für
die dritten und vierten Klassen, die aus diesem Grund hier nur eingeschränkt aus-
gewertet wurden. So stammen fast alle Nicht-Tabletklassen auf dieser Klassenstufe
aus einer aus zwei Schulhäusern bestehenden Projektschule, die seit Jahren weitrei-
chende Erfahrungen mit dem Einsatz digitaler Geräte macht. Da die Tabletklassen
der dritten und vierten Klassenstufe außerdem ihre Geräte meist nicht mit nach
Hause nehmen durften, ist das Ergebnis eines nicht existierenden Unterschieds in
der außerschulischen lernbezogenen Nutzung nicht überraschend. Zum anderen
existieren auf der Klassenstufe 5 und 6 relativ viele Tabletklassen aus der Projekt-
schule. Dort existieren allerdings verschiedene Bedingungen, die im Allgemeinen
als fördernd für die Integration mobiler digitaler Geräte beschrieben werden.
Dazu gehören z. B. die schulweite Verständigung und Kooperation bei Themen der
mediendidaktischen und pädagogischen Arbeit (z. B. Eickelmann 2010) und eine
Schulleitung, die als Prozesspromotorin die Integration vorantreibt (Prasse 2012).
236 Doreen Prasse, Nives Egger und Beat Döbeli Honegger

Insgesamt bestätigen die hier berichteten Befunde, dass sich die Arbeit mit
persönlichen Tablets positiv auf das außerschulische, digital unterstützte Lernen
auswirken kann. Sie zeigen aber auch, dass dafür in der Schule fördernde Kontext-
bedingungen existieren sollten, wie z. B. die Entwicklung der didaktischen und
medienpädagogischen Kompetenzen der Lehrkräfte, eine förderliche Schulkultur
und eine produktive Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus.

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Einsatz von Tablets in Grundschulen
Umsetzung und Ergebnisse des Projektes
Mobiles Lernen in Hessen (MOLE)
Alexander Tillmann und Claudia Bremer

Zusammenfassung

Im Rahmen des Beitrags wird die Zielsetzung und Umsetzung des Projektes
Mobiles Lernen in Hessen (MOLE), das die Einführung von Tablets an sechs
hessischen Grundschulen umfasst, beschrieben und die bisherigen Ergebnisse der
wissenschaft lichen Begleituntersuchung vorgestellt . Eine zentrale Fragestellung
war dabei, wie und zu welchen Zwecken die mobilen Endgeräte im Unterricht
eingesetzt werden und welchen Einfluss der Tableteinsatz über einen längeren
Zeitraum auf die Motivation der Schülerinnen und Schüler hat . Die Ergebnisse
der empirischen Studie zeigen, dass Schülerinnen und Schüler hochmotiviert mit
den Tablets arbeiten und vor allem dann die Motivation hoch gehalten werden
kann, wenn die Unterrichtsszenarien projekt- und prozessorientiert gestaltet
sind und selbstgesteuertes Lernen ermöglichen .

1 Einleitung

Im Kontext zunehmender Digitalisierung vieler Lebens- und Arbeitsbereiche


gewinnt die Kompetenz, zielgerichtet auf Informationen zuzugreifen, diese kri-
tisch reflektiert zu verarbeiten sowie mit entsprechenden Werkzeugen der Infor-
mationsbeschaff ung, -aufbereitung und -darstellung umzugehen, zunehmend
an Bedeutung . In diesem Zusammenhang kommt den Schulen die Aufgabe zu,
Schülerinnen und Schüler auf diese Anforderungen vorzubereiten . Entsprechen-
de Ansätze wurden in den letzten Jahren auf verschiedenen Ebenen entwickelt
und finden sich in den Medienbildungs- und Medienkompetenzkonzepten vieler
Bundesländer und Empfehlungen des Bundes sowie anderer Initiativen wieder
241
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_11
242 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

(vgl. etwa Bundesministerium für Bildung und Forschung 2009, Endeward 2006,
Kultusministerkonferenz: Medienbildung in der Schule 2012, Länderkonferenz
MedienBildung 2008, Medienberatung Nordrhein-Westfalen 2014).
Zum Erwerb entsprechender Kompetenzen kommen in den Schulen digitale
Geräte wie Computer zum Einsatz und in den letzten Jahren auch vermehrt mo-
bile Endgeräte, wie z. B. Tablets. Diese Entwicklung wird auch im Horizon Report
genannt, einem Trendreport, der die Bedeutung und Anwendung technologischer
Entwicklungen in verschiedenen Bildungsbereichen behandelt. So führt er mobile
Lernszenarien 2013 in seinem Bericht für Schulen als einen der wichtigsten kurz-
fristigen Trends im Ein-Jahreszeitraum für den schulischen Bildungssektor auf und
den Einsatz von Tablets schon 2012 als wichtigen Trend in der Erwachsenenbildung
(Johnson et al. 2012; Johnson et al. 2013).

2 Projektbeschreibung

2.1 Ziele des Projektes

Vor diesem Hintergrund entschied sich das Land Hessen 2013 das Projekt Mobiles
Lernen in Hessen (MOLE) zu initiieren. Ausgangspunkt des Projektes war, dass das
Land zu diesem Zeitpunkt zwar schon seit vielen Jahren die Initiative Schule@Zukunft
umsetzte, bis dahin jedoch noch keine eigenen dokumentierten und gesammelten
Erfahrungen zum Einsatz mobiler Endgeräte vorliegen hatte. Einige Schulen hatten
bis zu diesem Zeitpunkt einzelne Pilotprojekte umgesetzt, die allerdings nicht in
einem hessenweiten Verbund strukturiert ausgewertet oder vernetzt worden wa-
ren. Zugleich stieg seitens verschiedener Schulen und Akteure die Nachfrage nach
entsprechenden Fördermitteln und der Umsetzung von Pilotprojekten.
Gleichzeitig traf die Umsetzung mobiler Lernszenarien auf eine gewisse Skepsis
bei Lehrkräften, Schulleitungen und Eltern. Erste Erhebungen ergaben auch, dass
diese Piloten vor allem in höheren Schulstufen, aber nicht im Elementarbereich
stattgefunden hatten. Trotz einiger zu diesem Zeitpunkt vorliegender Studien, vor
allem aus dem Ausland oder auch zu anderen mobilen Nutzungsszenarien, wie
beispielsweise mit Notebooks, entschied sich das hessische Kultusministerium
mit Hilfe eines Pilotvorhabens vor einer breiteren Einführung von Tablets eigene
Erfahrungen zu sammeln.
Dabei sollte es nicht nur um die in der Einleitung referenzierte Medienkom-
petenz der Schülerinnen und Schüler gehen, sondern auch darum, ganz prakti-
sche Erfahrungen rund um die infrastrukturelle Ausstattung, die Betreuung der
Einsatz von Tablets in Grundschulen 243

Geräte, die Vergabe an Schulen, deren Betreuung und Beteiligung, Vernetzung


und Qualifizierung der Lehrkräfte usw. zu sammeln, bevor man mobile Geräte in
größerem Umfang in hessischen Schulen einsetzt. Da die Begleitstudie integraler
Bestandteil des Projektes ist, finden sich die zuvor genannten Projektziele in den
Untersuchungsbereichen der Studie wieder und werden hier nicht weiter aufgeführt,
sondern in Abschnitt 3 ausführlich behandelt.

2.2 Umsetzung des Projektes

2.2.1 Ausschreibung
Das Projekt startete mit einer Ausschreibung, in der alle an dem Vorhaben interes-
sierten Grundschulen in Hessen eingeladen wurden, entsprechende Anträge einzu-
reichen. Den Schulen wurde in Aussicht gestellt, im Rahmen der Medieninitiative
Schule@Zukunft für die Dauer des Projekts jeweils ein Klassensatz von Tablet-PCs
zur Verfügung gestellt zu bekommen. Für die Anträge sollten die Schulen ein oder
zwei Fächer und ein oder zwei Klassen auswählen, in denen sie Tablets einsetzen
wollen. Ziel war, im Rahmen des Zeitraums des Pilotvorhabens von drei Jahren
entweder die Nutzung der Tablets durchgängig in einer Klasse zu erproben oder
alternativ die Tablets an ein Fach gebunden immer wieder in demselben einzu-
setzen. Der durchgängige Einsatz in einer Klasse hat den Vorteil, dass die Tablets
mit in das nächste Schuljahr genommen werden können und so eine Langzeitbe-
trachtung ermöglicht wird. Ein fachgebundener Einsatz hingegen erlaubt, einen
Vergleich über mehrere Jahre vornehmen zu können. Erwünscht waren vor allem
auch fachübergreifende Ansätze, was gerade in Grundschulbereich möglich ist.
Die Anträge mussten neben Angaben zur Schulform und Jahrgangsstufe auch
Angaben zum erwarteten Mehrwert durch den Einsatz von Tablet-PCs im Unterricht
und zum Lernen enthalten und exemplarisch ein Unterrichtskonzept mit dem Einsatz
von Tablets beschreiben. Voraussetzung für eine Förderung war zudem, dass die
Schule durch WLAN-Accesspoints über einen Zugang zum Internet verfügte, was,
wie sich herausstellte, im Bereich der Grundschulen ein Ausschlusskriterium werden
konnte. Einige Schulen sahen die Nachrüstung eines entsprechenden Zugangs bei
Förderung des Antrags vor. Auch sollten die schulischen Gremien (Schulleitung,
Gesamtkonferenz, Schulkonferenz, Eltern, IT-Beauftragte) in die Antragsstellung
eingebunden werden, d. h. im Vorfeld der Teilnahme informiert werden und ihre
Zustimmung zur Teilnahme am Projekt erteilen.
Auf die sechs im Rahmen des Vorhabens bereitgestellten Klassensätze bewarben
sich 26 Schulen. Die Anträge wurden durch eine Jury begutachtet, die sich aus Ver-
tretern der Medienzentren, des Landesschulamtes, der Lehrerkräfteakademie und
244 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

der Goethe-Universität Frankfurt zusammensetzte, und am Ende auf Basis dieser


Gutachten in einer Sitzung ausgewählt. Dabei wurde nicht nur auf die Qualität
der Anträge, sondern auch auf eine ausgewogene Zusammensetzung aus Fächern,
Schulformen und Jahrgangsstufen und eine regionale Verteilung der Schulen in
Hessen geachtet.

2.2.2 Umsetzung
Das Projekt startete mit Beginn des Schuljahres 2013/14 mit einer Laufzeit von 3
Jahren, wobei im ersten Jahr die Schülerinnen und Schüler nur im direkten und
erweiterten schulischen Umfeld Zugriff auf die Tablet-PCs hatten, ab dem zweiten
Projektjahr war optional eine 1:1 Ausstattung vorgesehen. Hintergrund dieser
Entscheidung lag zu diesem Zeitpunkt bei den noch zu klärenden rechtlichen
Rahmenbedingungen und Haftungsfragen, die zu Projektbeginn noch unklar
waren und nach wie vor offen sind.
Die Grundausstattung der Tablet-PCs mit Software (Apps)1 wurde von den
regionalen Medienzentren durchgeführt, die von Anfang an in die Antragstel-
lung eingebunden worden waren. Ziel war, die Medienzentren auch mittel- und
langfristig mit der Wartung der Geräte zu beauftragen und die Schulen an dieser
Stelle zu entlasten. Daneben findet seit Projektbeginn eine intensive Vernetzung
und Beratung der beteiligten Lehrkräfte statt, die sich alle drei bis vier Monate zu
Fortbildungen, zu einem Austausch bezüglich ihrer Erfahrungen und zum Pro-
jektfortschritt treffen. Oftmals haben diese Sitzungen mehrere Zielsetzungen und
widmen sich zum Beispiel einen halben Tag der Vernetzung und dem Austausch
erfolgreicher Unterrichtsszenarien und Erfahrungen mit der Nutzung verschiedener
Apps, während die andere Hälfte des Tages der Fortbildung zu Themen gilt, die die
beteiligten Lehrkräfte selbst bestimmen und sich vorab wünschen.
Auch die Personen, die die Begleituntersuchung durchführen, nehmen an diesen
Sitzungen teil. Sie stellen den beteiligten Lehrkräften die regelmäßig erhobenen
Befragungsergebnisse der Untersuchung vor, so dass diese besprochen werden und
ggf. Maßnahmen und Anpassungen vorgenommen werden können. Dies dient auch
dem Austausch z. B. von Unterrichtsszenarien zwischen den Lehrkräften, wenn
z. B. bestimmte Ergebnisse an einer Schule anders ausfallen als an einer anderen.
So können auch die Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler gemeinsam
von den beteiligten Lehrkräften diskutiert und Ideen über Zusammenhänge und
mögliche Anpassungen der Unterrichtsgestaltung besprochen werden.

1 Zur Grundausstattung s. den Unterpunkt Apps auf http://www.mole-hessen.de/


Einsatz von Tablets in Grundschulen 245

3 Begleituntersuchung

3.1 Ziele und theoretische Rahmung der Untersuchung

Die wissenschaftliche Begleituntersuchung deckt mehrere Bereiche ab: Neben


Zuwächsen der Medienkompetenz, Motivationseffekten sowie Effekten bei den
Lernfortschritten der Schülerinnen und Schüler durch den Tableteinsatz soll auch
die Umsetzung schülerzentrierter Lehr- und Lernmethoden durch die Lehrkräfte
untersucht werden. Weiterhin sollen einerseits die Wirkungen auf die Umgebung, wie
z. B. Breitenwirkung der Pilotvorhaben auf andere Lehrkräfte der beteiligten Schule,
wie auch Wirkungen der Umgebungen auf die Projekte selbst, wie beispielsweise
förderliche oder hemmende Voraussetzungen, erhoben werden. So werden auch
Rahmenbedingungen, wie z. B. die technische Ausstattung der Schule, Haltung
der Lehrkräfte und Förderung durch die Schulleitung, in den Blick genommen.
Die Partizipation der beteiligten Lehrerinnen und Lehrer an der Evaluation des
Projektes war für uns ein wesentliches Ziel, um einerseits eine hohe Bereitschaft zur
Beteiligung an der Evaluation zu sichern und andererseits regelmäßiges Feedback auf
Grundlage der Evaluationsergebnisse für die Lehrenden zur Verfügung zu stellen.
So können Evaluationsergebnisse direkt bei der weiteren Gestaltung von Unterricht
berücksichtigt werden. Bei der Antragstellung zum MOLE-Projekt wurden die
Lehrerinnen und Lehrer daher unter anderem danach gefragt, welche Aspekte bei
der Integration von Tablets in den Unterricht projektbegleitend evaluiert werden
sollten. Die Aspekte wurden anschließend mit allen Projektbeteiligten diskutiert
und in unterschiedlicher Intensität im Evaluationsdesign berücksichtigt. Einen
zentralen Aspekt sehen die beteiligten Lehrerinnen und Lehrer in der Entwicklung
der Motivation zur Arbeit mit den Tablets während des Projektverlaufs. Es wurde
eine hohe, nachhaltige Motivation zur Beschäftigung mit den Lerninhalten und
mehr Lernfreude bei der Arbeit mit den Tablets erwartet, die langfristig höhere
Lernerfolge und gesteigertes Interesse an den im Unterricht behandelten Themen
zur Folge haben. Motivationale Aspekte und deren positive Wirkungen auf Inte-
resse und Lernerfolg wurden von allen Lehrerinnen und Lehrern als wesentliche
Evaluationsgegenstände genannt und stellen damit auch einen wichtigen Kern der
hier vorgestellten Studie dar. Darüber hinaus wurden verschiedene Aspekte bei der
Konzeption der Untersuchung berücksichtigt.

3.1.1 Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler


Zuwächse bei der Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler stellen ei-
nes der Projektziele dar und sind damit auch ein Untersuchungsgegenstand der
Begleitforschung. In diesem Bereich soll erforscht werden, ob Zuwächse in der
246 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler durch den Einsatz der Tablets zu
verzeichnen sind. Zeitgleich zum Projekt wurde, wie eingangs schon erwähnt, in
Hessen ein Medienbildungsstandard für Schülerinnen und Schüler entwickelt. Da
dieser zum Zeitpunkt des Evaluationsdesigns jedoch noch nicht final verabschiedet
wurde, fand im Rahmen der Untersuchung statt dessen der Kompetenzrahmen aus
Nordrhein-Westfalen Verwendung, um die Medienkompetenz der Schülerinnen
und Schüler zu operationalisieren (Medienberatung Nordrhein-Westfalen 2014).
Anders als z. B. in der ICILS Studie (International Association for the Evaluation
of Educational Achievement 2013) wurde nicht die Bedienung der Geräte durch
die Schülerinnen und Schüler direkt am Gerät gemessen, sondern deren subjektive
Einschätzung bezüglich des Umgangs mit den Tablets in den ersten Projektwochen
erhoben. Zudem wurde die bisherige und vor allem private Nutzung von Tablets
und auch anderer Geräte abgefragt sowie private Mediennutzungsgewohnheiten.
Die Erhebung dieser Items setzt die Annahme voraus, dass einerseits die subjektive
Wahrnehmung der Schülerinnen und Schüler bzgl. der Bedienung Aussagen über
deren Medienkompetenz erlaubt und andererseits die zum Projektbeginn vorhan-
dene Medienkompetenz bei der Zielgruppe durch deren bisherige Mediennutzung
beeinflusst wurde. Untersucht werden sollte zudem, ob die Mediennutzung der
Eltern und die heimische Medienausstattung Einfluss auf die Mediennutzung
und -ausstattung der Kinder hat. Daher wurde auch diese bei der Erstbefragung
der Eltern erhoben und zur Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler zum
Projektstart in Beziehung gesetzt.
In diesem Kontext soll auch untersucht werden, wie die Haltung der Eltern
bezüglich der Nutzung digitaler Medien sich auf die Haltung und Mediennutzung
ihrer Kinder auswirkt und ob hier Unterschiede zu verzeichnen sind. Entsprechend
wurde bei den Lehrkräften und den Eltern erfragt, in wessen Verantwortungsbe-
reich (Eltern oder Lehrkräfte) die Medienbildung der Schülerinnen und Schüler
vornehmlich fallen solle.

3.1.2 Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler


Eines der wichtigsten Ziele des Einsatzes der Tablets ist oftmals eine Steigerung
des Lernerfolgs der Schülerinnen und Schüler, was sich auch im Untersuchungs-
gegenstand vieler Studien zum Einsatz mobiler Endgeräte in Bildungskontexten
widerspiegelt. Lernerfolg wird dabei vor allem in Verbindung mit kognitiven Lern-
leistungen beziehungsweise einem Zuwachs von Wissen konzeptualisiert. So zeigte
eine Meta-Analyse von Wu et al. (2012), dass 58 Prozent der von ihnen zu diesem
Zeitpunkt gefundenen Studien die Untersuchung der Effektivität von mobilen
Lernszenarien zum Ziel haben. Anzumerken ist dabei, dass hier Studien zu allen
Bildungsbereichen (formal, informell und non-formal) in den Blick genommen
Einsatz von Tablets in Grundschulen 247

wurden2. Fast alle Studien zeigten positive Effekte auf kognitive Lernleistungen,
nur wenige Studien berichteten über negative Effekte (Wu et al. 2012, S. 818).
Positive Effekte zeigten sich beispielsweise in einer Wissensabfrage zur Bege-
hung eines Tempels durch Fünftklässler mit Hilfe von Tablets (Shih et al. 2010).
Die mobile Nutzung der Endgeräte erweist sich jedoch nicht in allen Studien
als vorteilhaft. Bei einem Gruppenvergleich zeigten die Klausurergebnisse im
Anschluss an einen Museumsbesuch, dass die Aneignung von Wissen nach dem
Museumsbesuch lerneffektiver war. Die Gruppe, die bereits im Museum Tablets
bei der Betrachtung der Bilder zur Verfügung hatte, zeigte überraschenderweise
schlechtere Klausurergebnisse (Martin und Ertzberger 2013). Gründe hierfür
lagen zum Beispiel auch in dem fehlenden Wissen der Schülerinnen und Schüler
bezüglich des Handlings der Tablets. So lässt sich annehmen, dass entsprechende
positive Effekte ggf. erst nach längerer Zeit auftreten, wenn die Schülerinnen und
Schüler schon über die entsprechende Medienkompetenz zur Bedienung der Geräte
verfügen. Weitere Studien beschreiben darüber hinaus, dass Lernende, die während
eines Museumsbesuchs ein Tablet nutzen konnten, eine intensivere und längere
Auseinandersetzung mit den Ausstellungsobjekten zeigten als ohne die begleitende
Nutzung der Geräte zum Abrufen von Informationen, was wiederum für positive
Effekte des Einsatzes spricht (Reynolds et al. 2010; Sharples et al. 2007).
Untersuchungen, die zeigen, dass der Einsatz von Tablets einen direkten Effekt
auf kognitive Lernleistungen hat, sind jedoch kritisch zu hinterfragen, da hierbei
oftmals vielfältige Effekte wie z. B. eine damit einhergehende Veränderung der
Gestaltung des Unterrichts und Motivationseffekte auftreten. Dann können positive
Effekte nicht durch den Einsatz der Tablets an sich, sondern aufgrund der durch
den Tableteinsatz ermöglichten Veränderung der Unterrichtsgestaltung auftreten.
Daher sollten die Wirkungen des Tableteinsatzes vor allem innerhalb des jeweiligen
Settings bewertet werden. Verschiedene Untersuchungen dieser Art zum Einsatz
von Tablets in Schulen zeigen allerdings durchaus Effekte auf die Motivation der
Schülerinnen und Schüler, was sich wiederum positiv auf Lernerfolg und Lernleis-
tungen auswirken kann (Jones und Issroff 2007; Jones et al. 2006; Melhuish und
Falloon 2010; Rikala et al. 2013, s. dazu Abschnitt 3.1.6).

2 Interessanterweise war der Anteil der Umsetzung mobiler Lernszenarien an Grundschulen


in dieser Studie recht hoch: Knapp 18 Prozent der untersuchten Lernenden waren in
Grundschulen, 12 Prozent in der Erwachsenenbildung, 52 Prozent im Hochschulstu-
dium und 8 Prozent in anderen Schulstufen (Sek I und I bzw. Gymnasium) und unter 1
Prozent Schülerinnen und Schüler mit einer Behinderung (über die weiteren 9 Prozent
liefert die Meta-Studie keine Angaben.). Allerdings ist zu beachten, dass es hierbei nicht
nur um Tablets, sondern auch um iPods, PDAs usw. ging, also mobile Lernszenarien
im weiteren Sinne.
248 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

Um auch im Rahmen des hier beschriebenen Projektes die Wirkung des Ein-
satzes der Tablets auf kognitive Leistungen, zum Beispiel im mathematischen
oder sprachlichen Bereich, zu erheben, wurde angedacht, bisherige Testergebnisse
früherer Klassen mit aktuellen Werten zu vergleichen oder Vergleichsarbeiten in
Parallelklassen heranzuziehen. Generell wird dieser Vergleich jedoch als höchst
problematisch gesehen, da wie zuvor schon beschrieben, der Effekt nicht nur
dem Einsatz von Tablets, sondern einer Veränderung von Unterrichtsszenarien
zugeschrieben werden kann und darüber hinaus aufgrund der Konfundierung
unterschiedlicher Einflussfaktoren (Lehrkräfte, unterschiedliche Leistungsfähigkeit
der Vergleichsgruppen, etc.) für derartige Vergleiche sehr viel größere Stichproben
notwendig wären.

3.1.3 Verbesserung der Unterrichtsqualität?


Im Zusammenhang mit der Frage nach dem Lernerfolg steht die Frage nach einer
Verbesserung der Unterrichtsqualität. Ziel der Studie ist es daher auch zu erheben,
ob mit dem Einsatz der Tablets eine Verbesserung des Unterrichts möglich ist
und, wenn ja, wie die Unterrichtsszenarien gestaltet sind, die eine solche Wirkung
haben, bzw. ob hier eine Ableitung allgemeingültiger Empfehlungen für weitere
zukünftige Szenarien möglich ist. In vergleichbaren Studien wird durchaus betont,
dass die Gestaltung des Unterrichts einer der wichtigsten Aspekte in Bezug auf die
Wirkung des Geräteeinsatzes ist. Doch auch wenn die Geräte an sich für einen
schülerzentrierten Einsatz sehr geeignet sind, bleiben die tatsächlichen Nutzungen
durch die Lehrenden oftmals hinter den Möglichkeiten zurück. Daher fällt auch
der erwartete Nutzen häufig niedriger als der tatsächlich zu realisierende Mehrwert
aus. So zeigte beispielsweise eine Untersuchung an 54 Schulen in Finnland 2012,
dass der tatsächlich realisierte Nutzen des Einsatzes von Tablets im Unterricht
weitaus niedriger ausfiel, als von den Lehrkräften vorab eingeschätzt (Rikala et al.
2013): Obwohl viele Lehrerinnen und Lehrer die Erwartungshaltung hatten, mit
den Tablets einen stärker schülerzentrierten Unterricht durchführen zu können,
haben sie dies in der Praxis nicht unbedingt umgesetzt. Gründe dafür lagen zum
einen in der in den untersuchten Settings nicht vorhandenen ausreichenden Anzahl
an Tablets für eine 1:1 Ausstattung, zum anderen an der Gestaltung des Unterrichts
mit den neuen Geräten. Statt neue Unterrichtsformen zu erproben und tatsächlich
einen stärker schülerzentrieten Unterricht durchzuführen, wurden oftmals tradierte
Lehrformen fortgesetzt und die Geräte als Ersatz für andere technische Ausstat-
tungen wie z. B. PCs genutzt. Ein Umstand, der auch von anderen Studien bestätigt
wird und sich schon bei dem Einsatz von Laptops an Schulen zeigte (s. Issing und
Seidel 2010; Schaumburg et al. 2007; Welling und Stolpmann 2012). Wie Welling
und Stolpmann betonen, „hängt es stark von der Lehrkraft und ihrem praktizierten
Einsatz von Tablets in Grundschulen 249

Unterrichtsstil ab, ob der Medieneinsatz zu Veränderungen der Unterrichtskultur


führt“ (Welling und Stolpmann 2012, S. 199). Sie verweisen diesbezüglich auf
weiteren Studien (z. B. Häuptle und Reinmann 2006; Schaumburg et al. 2007).
Wichtig für Entscheidungen zur Einführung von Tablets sind die Ergebnisse dieser
Studie insofern, als dass erstens die einfache Ausstattung einer Schule mit Tablets
scheinbar nicht ausreicht, um schülerzentrierte Unterrichtsformen zu fördern, auch
wenn die Lehrkräfte dies im Vorfeld als Zielsetzung bekunden. Zweitens wurde
die mangelnde 1:1 Ausstattung hier als Hindernis gesehen (s. auch Burden et al.
2012; Grant und Barbour 2013).
Welling und Stolpmann verweisen daher darauf, dass letztendlich „die, den
Handlungspraxen zugrunde liegenden Einstellungen bzw. Orientierungen“ prägend
sind und beeinflussen, wie die Lehrerinnen und Lehrer ihren Unterricht gestalten
(Welling und Stolpmann 2012, S. 199). Heinrich (2012) wie auch Welling und Stol-
pmann (2012) und Burden et al. (2012) betonen gleichzeitig, dass der Einsatz von
Tablets zumindest schüleraktivierende Sozialformen unterstützt, was langfristig zu
einer Veränderung des Unterrichts führen kann. Dieser Effekt kann allerdings nur
bei einer ausreichenden Ausstattung von Tablets für jeden Schüler gelingen (Rikala
et al. 2013), da vor allem durch die 1:1 Ausstattung eine stärker schülerzentrierte
Lehrhaltung umgesetzt werden kann (Heinrich 2012).
Aufgrund der Herausforderungen, Unterrichtsqualität und Lernerfolg zu mes-
sen bzw. direkt auf den Einsatz von Tablets zurückzuführen, wird im Rahmen der
vorliegenden Studie der Erfolg des Einsatzes mobiler Endgeräte in Schulen nicht
nur an einer Verbesserung der Unterrichtsqualität gemessen. Vielmehr sollen auch
die Bedingungen erfolgreichen Lernens mit digitalen Medien genauer in den Blick
genommen werden. Als zu beobachtenden Effekt werden daher auch Aspekte wie
die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler am Unterricht, deren Motivation,
Einstellungen und Akzeptanz des Medieneinsatzes herangezogen und die Gestal-
tung des Unterrichts selbst dokumentiert.

3.1.4 Geeignete Unterrichtsszenarien für den Einsatz


von Tablets
Ein weiteres Ziel des Projektes ist die Dokumentation von Unterrichtsszenarien,
die sich beim Einsatz von Tablets bewährt haben, wie auch die Ableitung von
Handlungs- und Einsatzempfehlungen für mobile Endgeräte im Schulunterricht.
Konkrete zentrale Fragestellungen in diesem Kontext sind:

• Wie und zu welchem Zweck setzen die an dem Projekt beteiligten Lehrerinnen
und Lehrer die mobilen Endgeräte im Unterricht ein? Welche Unterrichtssze-
narien bewähren sich (Best Practices, Mehrwerte, Probleme)?
250 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

• Wie nutzen die Schülerinnen und Schüler die Geräte in den entsprechenden
Unterrichtsszenarien (Themen, Methoden, Sozialformen)?
• Werden die in den Anträgen beschriebenen Ziele wie Binnendifferenzierung,
Individualisierung, Selbststeuerung etc. erreicht? Wie wird die Medienkompetenz
der Schülerinnen und Schüler gefördert?
• Welchen Einfluss haben innerschulische und externe Rahmenbedingungen und
wie verändern sich diese über die Projektlaufzeit?

Die zunächst projektinterne Dokumentation geeigneter Unterrichtsszenarien als


Unterrichtsnotizen wird durch regelmäßigen Erfahrungsaustausch zwischen den
beteiligten Lehrerinnen und Lehrern unterstützt. Die Dokumentation erfolgt durch
die Lehrkräfte möglichst monatlich nach einem einheitlichen Raster. Die Einschät-
zung des Unterrichts durch die Schüler und Schülerinnen wird dann in Bezug zu
den Unterrichtszenarien ausgewertet. Aufgrund vielfältiger Anforderungen in der
Schule und einer erheblichen Arbeitsbelastung können die Unterrichtsszenarien
von den Lehrkräften allerdings nicht in der Regelmäßigkeit dokumentiert werden,
wie zu Projektbeginn angedacht, so dass eine direkte Zuordnung der Schülerevalua-
tionen nicht immer möglich war. Einzelne sowie generelle Entwicklungen und
Zusammenhänge zwischen Unterrichtsszenarien und wahrgenommener Motivation
und Einstellung zur Nutzung der Tablets lassen sich jedoch im Projektverlauf gut
beobachten (vgl. Abschnitt 4.1).

3.1.5 Erwartungshaltungen und Ziele der Lehrkräfte und


der Eltern
Ziele der im Projekt beteiligten Lehrerinnen und Lehrer wurden vor Projektbeginn
abgefragt, im Projektrahmen dann nochmals ergänzt und mit denen der Eltern
verglichen. Neben den zuvor genannten Erwartungshaltungen der Eltern und
Lehrkräfte, z. B. bezüglich ihrer Rolle bei der Medienbildung der Schülerinnen
und Schüler, wurden für beide Gruppen auch Erwartungen bezüglich der Wir-
kung des Tableteinsatzes zur Motivation der Schülerinnen und Schüler oder zum
Kommunikationsverhalten erfragt.

3.1.6 Motivation der Schülerinnen und Schüler


Die Förderung der Motivation von Schülerinnen und Schülern durch den Einsatz
von Tablets im Unterricht ist eine der wesentlichen Zielsetzungen der beteiligten
Lehrkräfte im MOLE-Projekt. Entsprechende Effekte sind aus diversen Studien
bekannt: So beschreiben Melhuish und Falloon beispielsweise 2010, dass gerade
Schülerinnen und Schüler, die schon entsprechende Technologien nutzen und den
Einsatz von Tablets in Grundschulen 251

Effekt der Immersion z. B. aus Spielen kennen, durch den Einsatz von Tablets in
der Schule motiviert werden. Andere betonen, dass sich Lernende bei der Nutzung
von Tablets durch die intuitive Bedienbarkeit und multimediale Anwendungen
gut in den Lernstoff und die Bearbeitung von Inhalten vertiefen können (Beck
und Wade 2006; Ciampa 2014). Gerade die Bekanntheit des Gerätes aus anderen
Kontexten, wie z. B. dem Spielen, bewirkt bei den Schülerinnen und Schülern eine
Assoziation der Geräte mit freudigen Ereignissen und Spaß, was von einige Autoren
als Vorteil für deren Einsatz im Unterricht benannt wird (Jones und Issroff 2007).
In einer Studie an amerikanischen Schulen führte dieser Effekt jedoch gerade zur
Abschaffung von iPads zugunsten eines anderen Tabletmodells, da die Schülerinnen
und Schüler aufgrund bestehender Spielerfahrungen mit diesem Gerätetyp eine
Spiel- und Immersionserwartung plötzlich auch beim schulischen Lernen hatten,
die so nicht erfüllt wurde (Murphy 2014).
Martin und Ertzberger (2013) sehen zudem einen Zusammenhang zwischen
dem angestrebten Effekt des Lernzuwachses und einer Zunahme an Motivation
bei den Schülerinnen und Schülern durch den Tableteinsatz. Die Autoren greifen
dabei auf bewährte Konzepte des Instruktionsdesigns zurück wie beispielsweise
Gagné (2005), Reiser und Dick (1996) oder John Keller‘s ARCS Modell (Keller
2010), in denen die Gewinnung der Aufmerksamkeit der Lernenden am Anfang
des Lernprozesses steht. Hier sehen sie die Chance, dass sich Lernende durch die
gesteigerte Motivation und das Interesse an der Nutzung der Geräte verstärkt
auf den Lernprozess einlassen, was laut der genannten Modelle eine wesentliche
Voraussetzung für einen erfolgreichen Lernprozess ist.
Noch differenzierter beschreiben Jones und Issroff (2007) den Zusammenhang der
Motivation der Lernenden mit der Nutzung von mobilen Geräten. Auch wenn sich
ihre Erhebungen vor allem auf informelle Lernsettings beziehen, so ist das Modell
nicht auf diesen Bereich begrenzt. Jones und Issroff (2007) beschreiben vor allem die
Kontrolle über das Gerät und dessen Steuerung, die Selbstbestimmtheit der Nutzung
sowie die kontinuierliche Nutzung der Geräte als motivational wirksam. Darüber
hinaus werden das kontextbezogene Lernen, Spaß und Kommunikation als wich-
tige Aspekte zur Förderung der Motivation beim Lernen mit mobilen Endgeräten
genannt (Chan et al. 2006; Jones et al. 2006; Looi et al. 2010; Penuel 2006; Vavoula
und Sharples 2002). Aufgrund der motivationalen Bedeutung für die Schülerinnen
und Schüler der Kontrolle über die Geräte führen Jones et al. (2006) den Begriff
Ownership ein. Das Konzept des Ownerships bezieht sich neben der Verfügbarkeit
auch auf die Gestaltung des Lern- und Arbeitsprozesses. Beispielsweise dürfen beim
Konzept des Ownership die Schülerinnen und Schüler selbst bestimmen, wie sie
eine Aufgabenstellung lösen, mit welcher Anwendung sie arbeiten wollen oder ob sie
überhaupt die Tablets zur Aufgabenbearbeitung nutzen wollen. Diese Wahlfreiheit
252 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

bei der Bearbeitung von Aufgaben spielt nach der Selbstbestimmungstheorie von
Deci und Ryan (2000), die bei unserer Begleituntersuchung einen wesentlichen
theoretischen Rahmen bildet, eine zentrale Rolle.

3.2 Untersuchungsdesign

Die Untersuchungen wurden auf vier verschiedenen Ebenen vorgenommen:

a. Lehrerinnen und Lehrer,


b. Schülerinnen und Schüler,
c. Eltern sowie
d. die Rahmenbedingungen, die Leitungsebene und ggf. das Umfeld.

Um die Entwicklung des Projektes zu begleiten und kontinuierlich gemeinsam mit


den Beteiligten zu reflektieren, wurden in regelmäßigen Abständen von eineinhalb
bis zweieinhalb Monaten Schülerinnen und Schüler gebeten, in verhältnismäßig
kurzen Reflective Notes Angaben zu verschiedenen Dimensionen der Arbeit mit
den Tablets im Unterricht zu machen (vgl. Haab et al. 2006). Gleichzeitig sollten
die beteiligten Lehrkräfte Angaben zum Einsatz der Tablets im Unterricht ma-
chen. In einem weiteren Schritt sollten die Einschätzungen der Schülerinnen und
Schüler mit denen der Lehrkräfte verglichen werden. Die Reflective Notes wurden
als Online-Befragung in einer für das Projekt entwickelten App realisiert, bei der
die Grundschulkinder die Kurzskala intrinsischer Motivation im Grundschulalter
(KIMoG) vorgelegt bekamen (vgl. Abschnitt 3.3.3). Darüber hinaus wurden Einschät-
zungen zum Einsatz der mobilen Endgeräte im Unterricht erfragt, Einstellungen
gegenüber dem Lernen mit mobilen Endgeräten (vgl. methodisches Vorgehen Hei-
nen et al. 2013) und Angaben im freien Antwortformat dazu, was ihnen besonders
gut gefallen bzw. nicht so gut gefallen hat oder ob Probleme bei der Arbeit mit den
Tablets aufgetreten sind. Die Fragen im offenen Antwortformat konnten entweder
direkt über das Mikrophon der Tablets als Sprachnachricht aufgenommen oder als
Freitext eingegeben werden. Über die Möglichkeit der Audioaufnahme wurde es
für die Schülerinnen und Schüler leichter, selbst formuliertes Feedback zu geben,
da das Tippen auf einer Tastatur und das schriftliche Formulieren vielen Kindern
im Grundschulalter schwerfällt. Offene Kommentare wurden transkribiert und
inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Ergebnisse wurden zeitnah an die Lehrerinnen
und Lehrer und die Projektgruppe zurückgemeldet, um einen Überblick über
aktuelle Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler zu erhalten und weitere
Maßnahmen daraus abzuleiten.
Einsatz von Tablets in Grundschulen 253

Als Untersuchungs- und Erhebungsinstrumente kommen neben den Fragebögen


zu Beginn, im Projektverlauf und am Ende des Projektzeitraums auch Unterrichtsbe-
suche, bei denen insgesamt 17 Unterrichtsstunden mit Tableteinsatz videographiert
wurden und qualitative Interviews mit acht beteiligten Lehrkräften zum Einsatz.

3.3 Theoretischer Rahmen und Erhebungsinstrumente zur


Erfassung intrinsischer Motivation im MOLE Projekt

3.3.1 Selbstbestimmungstheorie der Motivation


Empirische Studien beschreiben unterschiedliche Bedingungen zur Förderung der
Motivation von Schülerinnen und Schülern bei der Arbeit mit mobilen Endgerä-
ten (Abschnitt 3.1.6). Die Frage, welche Bedeutung der Motivation beim Lernen
zukommt, wird in Theorien zum Lehren und Lernen aufgegriffen.
Einem pragmatisch, moderat konstruktivistischen Lernparadigma folgend, stellt
die eigenaktive und selbstbestimmte Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand
eine grundlegende Bedingung erfolgreichen Lernens dar (Gerstenmaier und Mandl
1995; Reinmann und Mandl 2006). Der Motivation wird in diesem Zusammenhang
eine bedeutsame Rolle zugeschrieben, da sie für ein psychologisches Konstrukt
steht, das menschlichem Verhalten Richtung, Ausdauer und Intensität verleiht
(Urhahne 2008). Ziele zur Ausrichtung des eigenen, aktiven Handelns oder die
Frage danach, warum Menschen mit Begeisterung bestimmte Interessen verfolgen,
sind in der Selbstbestimmungstheorie der Motivation von Deci und Ryan (2000)
konzeptualisiert.
Zentrale Aspekte sind dabei zum Beispiel das Erleben von Vergnügen, Autonomie
und Kompetenz. Die Selbstbestimmungstheorie geht von angeborenen psychologi-
schen Grundbedürfnissen (basic needs) aus, die für intrinsische und extrinsische
Motivation gleichermaßen relevant sind. Für das Auftreten von intrinsischer
Motivation benennen Deci und Ryan das Bedürfnis nach Selbstbestimmung (Au-
tonomie) und das Bedürfnis nach Kompetenzerleben (Deci und Ryan 1985, 2002).
Das Konstrukt intrinsische Motivation wird dabei als eine besondere Form der
Motivation gefasst, die im positiven Gefühl eigener Wirksamkeit und erlebter
Urheberschaft befriedigt wird, beziehungsweise in der Freude am aktiven Hervor-
bringen von Wirkungen besteht. Intrinsisch motiviertes Lernen (Motivation durch
Selbstbestimmung) führt, so Deci und Ryan (2002), zu konzeptionellem Lernen
und tiefgreifenden Verarbeitungsprozessen.
Extrinsisch motivierte Verhaltensweisen sind darüber hinaus mit dem Bedürfnis
nach sozialer Eingebundenheit verknüpft, die sich auf das menschliche Bedürfnis
nach Akzeptanz und Zugehörigkeit in einer Gruppe beziehen (Krapp 2005) und
254 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

im schulischen Kontext über ein positives Miteinander in der Klassengemeinschaft


erzielt werden kann.
Nach Ryan und La Guardia (1999) fördern Aufgaben das Kompetenzerleben,
die leicht über der Leistungsstufe liegen, die die Lernenden bereits beherrschen.
Schülerinnen und Schüler machen die motivierende Erfahrung, den gestellten oder
selbst gewählten herausfordernden Aufgaben durch eigene Handlungsfähigkeit
gerecht zu werden. Für die Konzeption von Unterricht ist daher entscheidend, ein
optimales individuelles Anforderungsniveau zu gewährleisten und sowohl Unter-
als auch Überforderung zu vermeiden.
Damit sich wirkungsvoll Interesse im Unterricht entwickeln kann, muss nach
der Selbstbestimmungstheorie auch das Bedürfnis nach Autonomie erfüllt sein, das
heißt, das eigene Handeln muss selbst bestimmt werden dürfen, so dass ein Gefühl
persönlicher Verursachung wahrgenommen werden kann. Im Unterricht kann
dies in schülerzentrierten Lernsettings, wie zum Beispiel bei problem-, produkt-
und gestaltungsorientierten, mehr oder weniger geöffneten Lehr-/Lernszenarien
erreicht werden, bei denen über das Wie, also Methoden und Herangehensweisen,
mitbestimmt wird.
Dass eigenes Handeln von Autonomieerleben begleitet wird, bedeutet aber nicht,
dass Lernende nach völliger Freiheit beim Lernen im Unterricht streben. Lernende
möchten nach Krapp (2005) nur dann Unabhängigkeit, wenn sie glauben, dass
sie die zu bewältigenden Aufgaben voraussichtlich eigenständig lösen können.
In Verbindung mit der nötigen Unterstützung ist es daher zur Entwicklung von
Motivation günstig, wenn Schülerinnen und Schüler zu eigenverantwortlichem
Handeln ermutigt werden und sie die Möglichkeit erhalten, selbst zu entscheiden,
welchen Handlungsalternativen sie nachgehen (vgl. Ryan und La Guardia 1999).
Insbesondere das Arbeiten mit Tablets bietet über die Verwendung unterschied-
licher, alternativ zu nutzender Funktionen und Anwendungen (Foto- und Video-
verarbeitung, Stop-Motion- und Lege-Techniken, Textverarbeitung, Mindmap,
Clustering-Tools, etc.) eine Fülle von Möglichkeiten, Schülerinnen und Schüler an
selbstbestimmtes Arbeiten heranzuführen. Die wahrgenommene Selbstwirksamkeit
als motivierende Handlungsursache sowie die internale Ursachenzuschreibung als
Konzept der eigenen Wirksamkeit (Kompetenzerleben) werden bereits in früheren
Arbeiten herausgestellt (Bandura 1997; deCharmes 1968; Rotter 1966; White 1959).
Deci und Ryan greifen auf diese Konzepte zurück und führen sie in der Selbstbe-
stimmungstheorie zusammen. Darüber hinaus bestehen selbstverständlich noch
weitere Anreize zu handeln (z. B. Reiz des Risikos), die in der Selbstbestimmungs-
theorie nicht berücksichtigt werden (vgl. Rheinberg 2010, S. 369).
Einsatz von Tablets in Grundschulen 255

3.3.2 Messung intrinsischer Motivation nach der


Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan
Zur Messung der intrinsischen, tätigkeitsbezogenen Motivation entwickelten Deci
und Ryan (2003) das Intrinsic Motivation Inventory (IMI) mit 22 Items, die vier
Subskalen zugeordnet werden. Dieses in der Praxis vielfach bewährte Instrument
wurde von Krombaß und Harms (2006) und in einer weiteren Untersuchung von
Wilde et al. (2009) als zeitökonomisches Instrument in eine Skala mit zwölf Items
in deutscher Sprache mit Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I übersetzt.
Wir präsentieren hier eine für den Einsatz in der Grundschule (ab Klasse 3) ange-
passte Kurzskala intrinsischer Motivation, die einige sprachliche Modifikationen als
Anpassung an die Zielgruppe beinhaltet. Im Rahmen der Längsschnittstudie zum
mobilen Lernen und Arbeiten mit Tablet-Computern in der Grundschule wurden
die Messeigenschaften des Erhebungsinstruments in mehreren Schritten überprüft.
Bei der hier vorgestellten Studie werden vier Dimensionen intrinsischer Moti-
vation mit jeweils drei Items erfasst: Interesse/Vergnügen, wahrgenommene Kom-
petenz, wahrgenommene Wahlfreiheit und Druck/Anspannung. Die Dimension
Interesse/Vergnügen steht nach Deci und Ryan (2003) als Selbstberichtswert für die
intrinsische Motivation. Als positive Prädiktoren intrinsischer Motivation gelten
die wahrgenommene Kompetenz als Indikator des Kompetenzbedürfnisses und
wahrgenommene Autonomie als Indikator des Bedürfnisses nach Wahlfreiheit und
Selbstbestimmung. Werden diese Grundbedürfnisse als erfüllt erlebt, kann davon
ausgegangen werden, dass sich längerfristig anhaltendes Interesse und motivierte
Auseinandersetzung mit den Inhalten einstellen. Einen negativen Vorhersagewert
intrinsischer Motivation stellt die Skala Druck/Anspannung dar. Gefühle von An-
spannung und Druck können unter anderem dann entstehen, wenn dem psycho-
logischen Grundbedürfnis nach Selbstbestimmung zu wenig Raum gegeben wird.

3.3.3 Testskalen
Die hier erstmals vorgestellte Kurzskala intrinsischer Motivation im Grundschulalter
(KIMoG) erfasst als adaptierte Version der KIM nach Krombaß und Harms (2006)
(Validierung durch Wilde et al. 2009) die tätigkeitsbezogene intrinsische Motivation
von Grundschülerinnen und -schülern im lesefähigen Alter (ab Klasse 3). Die Skala
umfasst zwölf Items, die als fünfstufige Likert-Skala (1 stimmt gar nicht, 2 stimmt
wenig, 3 stimmt teils-teils, 4 stimmt ziemlich, 5 stimmt völlig) konzipiert wurde.
Zur Validierung der KIMoG und Erhebung von Daten zur Einstellung gegenüber
dem Tableteinsatz wurden drei weitere Einschätzungsfragen gestellt:
256 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

1. Wie gerne würdest du weiterhin mit dem iPad arbeiten? (1 gar nicht, 2 kaum, 3
mittelmäßig, 4 ziemlich, 5 sehr)
2. Wie viel oder wenig hast du in der letzten Zeit bei der Arbeit mit den iPads
gelernt? (1 sehr wenig bis 5 sehr viel)
3. Wie war das Arbeiten mit den iPads für dich in der letzten Zeit? (1 sehr leicht
bis 5 sehr schwer)

Damit die Befragung in allen beteiligten Projektschulen in etwa zur gleichen


Zeit stattfinden konnte, wurden jeweils ein bis zwei Wochen als Zeitfenster zur
Evaluation vorgegeben. Während die ersten vier Befragungen noch mithilfe von
Papierfragebögen abgebildet wurden, fanden die weiteren Befragungen mithilfe der
eigens im Projekt entwickelten MOLE-Evaluations-App als Online-Befragung statt.

3.3.4 Überprüfung der statistischen Güte der Reflective Notes-


Befragungen
Zur empirischen Ermittlung der Güte des Verfahrens zur Erfassung der intrinsi-
schen Motivation von Grundschulkindern bei der Arbeit mit Tablets im Unterricht
wurde der Fragebogen mehrfach teststatistisch überprüft und in einem mehrstufi-
gen Prozess sprachlich an die Zielgruppe angepasst. Mit dem Ziel der Analyse der
dimensionalen Struktur der KIMoG und Bestimmung der Anzahl an Faktoren
wurde zunächst eine explorative Hauptkomponenten(PCA)-Faktorenanalyse (vgl.
Moosbrugger und Schermelleh-Engel 2007) ausgewertet. Zusätzlich sollte durch
Strukturgleichungsmodellierung gezeigt werden, ob die KIMoG als adaptierte
Version der KIM für den Einsatz in der Grundschule dem theoretischen Konstrukt
entsprechend vier voneinander unterscheidbare Faktoren enthält. Die Itemformu-
lierungen der KIMoG und dazugehörige Kennwerte sind in Tabelle 1 aufgeführt.
Bei der explorativen Faktorenanalyse wurden, dem theoretischen Konstrukt ent-
sprechend, vier Faktoren extrahiert. Die Faktorenlösung erklärt 63,4 Prozent der
Gesamtvarianz. Den höchsten Eigenwert besitzt die Subskala Kompetenzerleben
(erklärte Varianz: 28,4 Prozent), gefolgt von der Subskala Wahlfreiheit (mit 14,8
Prozent erklärter Varianz), danach folgt die Subskala Druck/Anspannung (erklärte
Varianz: 10,9 Prozent) und Vergnügen (erklärte Varianz: 9,4 Prozent).
Einsatz von Tablets in Grundschulen 257

Tab. 1 Formulierungen, Mittelwerte, Streuungen, Trennschärfen/Cronbach’s α und


Ladungen der Items mit Sub- und Gesamtskala der KIMoG (Kodierung der
Skala von stimmt gar nicht = 1 bis stimmt völlig = 5), zum dritten Messzeitpunkt
im Projektverlauf nach etwa fünf Monaten, n=89
Item-­ Formulierung M SD Trennschärfe/ a1 a2 a3 a4
Nr. Cronbach’s α
1 Das Arbeiten mit dem iPad hat 4,79 ,44 ,43 ,78
mir Spaß gemacht.
2 Es war sehr interessant, was ich 4,40 ,69 ,53 ,73
machen konnte.
3 Was wir in der letzten Zeit mit 4,31 ,82 ,53 ,60
dem iPad gemacht haben, war
spannend.
Subskala Vergnügen (Items 1-3) 4,50 ,65 ,71
4 Ich glaube, ich war beim Arbei- 4,19 ,73 ,60 ,82
ten mit dem iPad ziemlich gut.
5 Ich stellte mich geschickt an. 4,26 ,76 ,57 ,80
6 Mit meiner Leistung beim 4,64 ,58 ,43 ,58
Arbeiten mit dem iPad bin ich
zufrieden.
Subskala Kompetenzerleben (Items 4-6) 4,36 0,7 ,71
7 Bei Arbeitsaufträgen konnte ich 3,29 ,83 ,57 ,83
mir aussuchen, wie ich mit dem
iPad arbeite.
8 Ich konnte Dinge mit dem iPad 4,16 ,86 ,46 ,58
auch mal selbst ausprobieren.
9 Ich konnte es so machen, wie 3,21 1,0 ,63 ,89
ich es wollte.
Subskala Wahlfreiheit (Items 7-9) 3,55 0,9 ,70
Gesamtskala intrinsische Motivation 4,14 ,43 ,74
(Items 1-9)
10 Beim Arbeiten mit dem iPad 1,19 ,55 ,48 ,83
fühlte ich mich unwohl.
11 Ich hatte Bedenken, dass ich 2,15 1,3 ,45 ,74
etwas nicht gut hinbekomme.
12 Die Arbeit mit dem iPad war 1,51 ,90 ,43 ,62
anstrengend.
Subskala Anspannung/Druck (Items ,58
10-12)

Erläuterung: M = Mittelwert; SD = Standardabweichung; a1 = Ladung auf dem ersten Faktor


(Kompetenz); a2 = Ladung auf dem zweiten Faktor (Wahlfreiheit); a3 = Ladung auf dem
dritten Faktor (Druck); a4 = Ladung auf dem vierten Faktor (Vergnügen). Es werden nur
Ladungen größer |.50| berichtet.
258 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

Die konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) diente dazu, das Modell des KIMoG
auf seine Güte (Konstruktvalidität) zu prüfen. Zu diesem Zweck wurden mithilfe
des dazugehörigen Strukturgleichungsmodells Fit-Indizes berechnet, die Infor-
mationen über den Modell-Fit liefern, d. h. darüber, wie gut das Modell mit den
empirisch beobachteten Daten übereinstimmt. Dazu wurde ein näherungsweiser
Modell-Fit mit Hilfe des RMSEA-Index (Root-Mean-Square-Error-of-Approxima-
tion) berechnet. Der RMSEA setzt das Modell ins Verhältnis zu einem perfekten
(saturierten) Modell. Nach Fan, Thompson und Wang (1999) reicht dieser Fit-Index
zur Bestimmung der Modellgüte aus, sofern man davon ausgeht, dass empirische
Modelle immer Vereinfachungen der Realität darstellen (Cheung und Rensvold
2002). Für Stichproben unter 250 Personen wird in der Literatur ein Cut-off Wert
von < .08 für einen ausreichend guten Modellfit angegeben (Fan et al. 1999). Bei
dem vorliegenden Sample wurde ein RMSEA von .047 erreicht. Damit liegt ein
ausreichender Modell-Fit vor. Bestätigt wurde das Ergebnis durch den CFI, einen
ebenfalls bei AMOS ausgegebenen Fit-Index. Der Fit-Index CFI beurteilt die Mo-
dellangemessenheit relativ zu einem Unabhängigkeitsmodell, bei dem die Variablen
vollständig unabhängig voneinander sind, und sollte den Wert 0,95 überschreiten.
Der CFI Wert von 0,958 des geprüften Modells (KIMoG) signalisierte daher einen
guten approximativen Modell-Fit (Fan et al. 1999).
Zur Bestimmung der Messgenauigkeit der KIMoG als Skala zur Erfassung
intrinsischer Motivation bei Grundschülerinnen und -schülern mit vier Subskalen
wurde die interne Konsistenz mit Hilfe von Cronbach’s α berechnet. Trotz gerin-
ger Itemzahlen der Kurzskala liegen hohe interne Konsistenzen für die Subskalen
Vergnügen, Kompetenzerleben, Wahlfreiheit und Anspannung/Druck vor (vgl. Tab.
1). Die Analyse ergab für die Subskalen Cronbach’s α Werte von 0,71 bzw. 0,70 und
für die Gesamtskala intrinsischer Motivation von 0,74. Reliabilitätskoeffizienten
von ≥ .70 gelten nach Lienert und Raatz (1994, S. 269) als ausreichende Norm. Die
Subskala Anspannung/Druck erreicht mit 0,58 einen etwas geringeren Reliabili-
tätswert als die anderen Skalen.
Die Subskalen Vergnügen und Kompetenzerleben zeichnen sich durch vergleichs-
weise hohe Mittelwerte aus. Der Mittelwert der Subskala Wahlfreiheit als weiteres
Grundbedürfnis intrinsischer Motivation liegt zum Messzeitpunkt (etwa fünf Monate
nach Projektbeginn) deutlich darunter. Die Skala Anspannung/Druck als ein Wert,
der eher gegen ein freiwilliges intrinsisch motiviertes Handeln spricht, zeigt eher
geringe Mittelwerte auf (vgl. Tab.1). Die Ergebnisse, die in Abschnitt 4 ausführlich
dargestellt und erörtert werden, führen zu der Frage, ob die vergleichsweise hohe
Motivation zu dem frühen Messzeitpunkt nur ein Anfangseffekt ist, der durch die
Neuheit der Geräte auftritt oder ob sich dieser Effekt über die Zeit hält. Zum anderen
stellt sich die Frage, ob durch die Untersuchung selbst Effekte auftreten, die sich in
Einsatz von Tablets in Grundschulen 259

einem Anstieg der Motivation äußern (so genannter Hawthorne Effekt) und wenn
ja, ob diese ggf. nur kurzfristig sind (Roethlisberger 1966¸ Schiffler 2000). Hierbei
ist der längere Untersuchungszeitraum hilfreich, um den Verlauf der Motivation
über die Zeit beobachten zu können.

4 Untersuchungsergebnisse

4.1 Entwicklung der tätigkeitsbezogenen, intrinsischen


Motivation

Insgesamt wurden sechs Klassen in die Begleituntersuchung des MOLE-Projektes


eingeschlossen. Zum ersten Messzeitpunkt wurden 108 Schülerinnen und Schüler
befragt. Das Durchschnittsalter der befragten Schülerinnen und Schüler liegt bei
8,2 Jahre. Der Anteil der Schülerinnen beträgt 53 Prozent. Aufgrund personeller
und technischer (Internetzugangs-)Probleme liegen aus einer Projektschule nur
für die ersten beiden Messzeitpunkte und aus einer zweiten Schule nur für die
ersten drei Messzeitpunkte Daten aus den Reflective Notes der Schülerinnen und
Schüler vor. So gehen regelmäßige Rückmeldungen zu Motivation und Einstellun-
gen gegenüber der Tabletnutzung als Reflective Notes von 60 bis 70 Schülerinnen
und Schülern aus vier Grundschulklassen in die hier dargestellte Erhebung zum
Verlauf der Motivation über die Zeit von eineinhalb Jahren seit Projektbeginn ein.
Abbildung 1 zeigt den Verlauf der wahrgenommenen intrinsischen Motivation und
des Drucks beziehungsweise der Anspannung bei der Arbeit mit den Tablets der
vier Projektschulen mit regelmäßiger Evaluationsbeteiligung.
260 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

Abb. 1 Verlauf der intrinsischen Motivation und des wahrgenommenen Drucks/der


Anspannung bei der Arbeit mit Tablets im Unterricht über acht Messzeitpunkte
innerhalb von 18 Monaten . Skala von 1=stimmt gar nicht bis 5=stimmt völlig;
t1=erster Messzeitpunkt, t8=letzter bisheriger Messzeitpunkt

Insgesamt lassen sich vergleichsweise hohe Mittelwerte intrinsischer Motivation


feststellen, die sich über den bisherigen Projektverlauf auf hohem Niveau halten .
Die Trendlinie zeigt dabei eine insgesamt positive Entwicklung an . Demgegenüber
lässt der Druck beziehungsweise die Anspannung bei der Arbeit mit den Tablets
im Projektverlauf nach, so dass die Trendlinien sich wie eine geöff nete Schere
beschreiben lassen .
Betrachtet man den Verlauf der einzelnen Subskalen intrinsischer Motivation,
so zeichnen sich die Komponenten Vergnügen und Kompetenzerleben durch hohe
Mittelwerte und die wahrgenommene Wahlfreiheit durch Mittelwerte aus, die
deutlich niedriger ausfallen (vgl . Abb . 2) .
Gerade die niedrigen Werte der Motivationskomponente Wahlfreiheit wurden bei
Projekttreffen mit den beteiligten Lehrerinnen und Lehrern diskutiert und reflektiert .
Die Lehrkräfte berichteten, dass sie vor allem zu Projektbeginn aufgrund anfäng-
licher eigener Unsicherheit im Umgang mit den Geräten und wahrgenommener
Nutzungsschwierigkeiten der Schülerinnen und Schüler den Unterricht mit hohem
Instruktionsanteil enger führten . Dabei kamen nach Auskunft der Lehrkräfte zu
Projektbeginn die Tablets häufiger als Vermittler zum Einsatz . So stand die Nutzung
verschiedener Medieninhalte und Programme zur Vermittlung von Lerninhalten
im Vordergrund . Im Projektverlauf ließ sich beobachten, dass durch die Rückmel-
dung aus den Befragungen (Reflective Notes) und den Austausch über gelungene
Lehr-Lernszenarien, bei denen die Tablets als Werkzeug zur selbständigen Arbeit
Einsatz von Tablets in Grundschulen 261

Abb. 2 Verlauf der einzelnen Subskalen intrinsischer Motivation bei der Arbeit mit
Tablets im Unterricht über acht Messzeitpunkte innerhalb von 18 Monaten .
Skala von 1=stimmt gar nicht bis 5=stimmt völlig

genutzt wurden, vermehrt Handlungsspielräume in stärker schülerzentriertem Un-


terricht mit Tablets eingeräumt wurden . In Diskussionen bei Projekttreffen wurden
Bedingungen zur Entwicklung intrinsischer Motivation und dem Zusammenhang
zwischen der Entwicklung von Interesse, wahrgenommenem Vergnügen und
Wahlfreiheit thematisiert . In diesem Kontext berichteten mehrere Lehrkräfte über
ihre anfängliche Zurückhaltung, die Steuerung der Lernprozesse verstärkt in die
Hände der Schülerinnen und Schüler zu legen . Über das Zusammentragen positiver
Erfahrungen in stärker geöff neten, problem-, projekt- und gestaltungsorientierten
Lernszenarien, fand im Projektverlauf eine Verschiebung des Tableteinsatzes statt .
Die Dokumentation der Unterrichtsszenarien zeigt, dass die Tablets mehr und mehr
als Werkzeug zur Gestaltung und Unterstützung von kreativen Lernprozessen zum
Einsatz kamen und Handlungsfreiheit und Kontrolle vermehrt an Schülerinnen
und Schüler abgegeben wurde . Die Reflektion der Evaluationsergebnisse mit den
Lehrkräften und der Austausch von Erfahrungen und Unterrichtsszenarien un-
tereinander führten zu einer Veränderung des Tableteinsatzes . Die inhaltsorien-
tierte Vermittlung mit Schwerpunkten bei der Nutzung von Medieninhalten und
Programmen wurde mehr und mehr ersetzt durch prozess- und gestaltungsorien-
tierte Einsatzszenarien . Diese didaktisch-methodische Verschiebung bietet einen
Erklärungsansatz für die von den Schülerinnen und Schülern wahrgenommene
Zunahme an Wahlfreiheit im Projekt .
262 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

Wie stark der Zusammenhang von Prozessorientierung der Unterrichtsszenarien


(Nutzung der Tablets als Werkzeug), gewährter Handlungsfreiheit in Verbindung mit
wahrgenommener Wahlfreiheit und der Entwicklung von Interesse beziehungsweise
dem erlebten Vergnügen bei der Arbeit mit Tablets ist, zeigen die Abbildungen 3
und 4 mit Evaluationsverläufen aus zwei unterschiedlichen Projektschulen .

Abb. 3 Entwicklung der Mittelwerte der Subskalen intrinsischer Motivation in


Projektschule a)

Bei der Projektschule a) (vgl . Abb . 3) wurden im Projektverlauf kontinuierlich


Unterrichtsszenarien weiterentwickelt und erprobt, die hohe Grade an Autonomie
und Selbständigkeit bei der Bearbeitung von Aufgabenstellungen ermöglichen .
In der Dokumentation der Unterrichtsszenarien wurden für den Zeitraum t8/t9
Unterrichtsszenarien beschrieben, bei denen beispielsweise Stop-Motion-Videos zu
verschiedenen europäischen Ländern produziert oder Steckbriefe zum Thema Wiese
angefertigt wurden und die Schülerinnen und Schüler thematische Entscheidungen
treffen konnten oder selbst entschieden haben, mit welcher App und mit welchen
Medien (Video, Fotos, Audioaufnahmen, Text) die Steckbriefe gestaltet werden
sollten . Die hohen Mittelwerte der Subskala Wahlfreiheit und sehr hohen Werte
der Skalen Vergnügen und Kompetenzerleben zeigen, dass Faktoren, die sich beim
informellen Lernen als motivational wirksam erwiesen (Jones und Issroff 2007),
wie die Kontrolle über das Gerät und dessen Steuerung, die Selbstbestimmtheit
der Nutzung, die kontinuierliche Nutzung und das kontextbezogene Lernen sich
Einsatz von Tablets in Grundschulen 263

auch in formalen Lernsettings in der Grundschule günstig auf die Motivation der
Kinder auswirken.
Bei der Projektschule b) (vgl. Abb. 4) kann man über den Projektverlauf gut
beobachten, wie einerseits das Gewähren von mehr Wahlfreiheit im Unterricht
mit den Tablets zu kontinuierlich hohen Mittelwerten der Skalen Vergnügen und
Kompetenzerleben führen (Zeitspanne t1 – t6). Anderseits bei Unterrichtsphasen mit
eingeschränkter Handlungsfreiheit das Interesse und Vergnügen an der Arbeit mit
Tablets nachlässt (Zeitspanne t7 – t8). Aus den Unterrichtsnotizen der Lehrkräfte
geht hervor, dass in der letzten Projektphase (t6 – t8) vor allem wiederholt nach
unterschiedlichen Themen im Internet recherchiert wurde und die Geräte insge-
samt weniger häufig im Unterricht zum Einsatz kamen. Während das Kompeten-
zerleben bei der eingeübten Tätigkeit Recherche im Internet von den Schülerinnen
und Schülern vergleichsweise hoch eingeschätzt wird, lässt das wahrgenommene
Vergnügen und Interesse bei vergleichsweise gleichförmigem Einsatz der Tablets
mit der Zeit nach. Es lässt sich vermuten, dass das für die Motivation wesentliche
Gefühl des Ownership (vgl. auch Jones und Issroff 2007) und damit die Kontrolle
über die Geräte und die Möglichkeiten diese als Werkzeuge im eigenen Lernpro-
zess zu nutzen, bei weniger häufigem und gleichförmigem Einsatz verloren geht.

Abb. 4 Entwicklung der Mittelwerte der Subskalen intrinsischer Motivation in


Projektschule b)
264 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

Inwiefern Motivation und Einstellungen gegenüber der Tabletnutzung zusam-


menhängen, lässt sich anhand der zusätzlich erhobenen Einschätzungsfragen zu
Einstellungen zum Medieneinsatz erkennen (Abschnitt 4.2).

4.2 Einstellungen gegenüber der Tabletnutzung im


Unterricht durch Schülerinnen und Schüler

Zur Validierung der Kurzskala intrinsischer Motivation bei Grundschulkindern und


Erhebung von Einstellungen gegenüber dem Tableteinsatz wurden in Verbindung mit
den regelmäßig im Projekt erhobenen Reflective Notes drei weitere Einschätzungsfra-
gen gestellt. Die Abbildung 5 zeigt den Verlauf der Einschätzungen der Schülerinnen
und Schüler, inwiefern das Arbeiten mit den Tablets leicht bzw. schwer gefallen ist.

Abb. 5 Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler, inwiefern das Arbeiten mit den
Tablets leicht bzw. schwer gefallen ist. Skalenpole von 1 = sehr schwer bis 5 =
sehr leicht

Insgesamt nehmen die Schülerinnen und Schüler die Arbeit mit den Tablets als
leicht wahr. Berichte aus den Projekttreffen der Lehrkräfte stützen diese Beob-
achtung. Dass die Lehrkräfte sich zu Projektbeginn ebenso wie die Kinder einen
sicheren Umgang mit den Tablets erarbeiten mussten, könnte durchaus als ein
Vorteil für die Medienintegration gesehen werden. Einfache Lernszenarien mit
begrenzten Handlungsalternativen, hohem Instruktionsanteil und einer kleinen
App-Auswahl bewältigen die Schülerinnen und Schüler zu Projektbeginn ebenso
Einsatz von Tablets in Grundschulen 265

gut, wie die selbstgesteuerte Auswahl an verschiedenen Apps und Medienformaten


bei komplexeren Aufgabenstellungen nach eineinhalb Jahren Projektlaufzeit. Es
verwundert daher auch nicht, dass zwischen dem wahrgenommenen Lernzuwachs
(vgl. Abb. 6) und der wahrgenommenen Schwierigkeit beim Arbeiten mit den
Tablets ein positiver Zusammenhang festgestellt werden konnte. Schülerinnen
und Schüler, die die Aufgaben gut bewältigen konnten und als leicht empfanden,
nahmen einen deutlicheren Lernzuwachs wahr als diejenigen, denen die Aufga-
ben eher schwer fielen. Während dieser Zusammenhang zu Projektbeginn noch
vergleichsweise gering ausfällt (r = ,22; p< 0.05, bei zweiseitiger Testung), besteht
zum 8. Messzeitpunkt ein recht starker systematischer Zusammenhang (r = ,52;
p< 0.01, bei zweiseitiger Testung). Fällt die Arbeit mit Tablets als Werkzeug zur
Gestaltung eigener Lernprozesse leicht, so erscheint ein positiver Zusammenhang
mit wahrgenommenen Lernzuwächsen plausibel.

Abb. 6 Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler wie viel oder wenig sie in der
letzten Zeit beim Arbeiten mit den Tablets gelernt haben. Skalenpole von 1 =
sehr wenig bis 5 = sehr viel

Ein positiver Zusammenhang besteht darüber hinaus zwischen dem wahrgenom-


menen Lernzuwachs und der intrinsischen Motivation nach der KIMoG, d. h.
Schülerinnen und Schüler, die motivierter waren, nahmen bei der Nutzung der
Geräte auch einen deutlicheren Lernzuwachs wahr als weniger motivierte Schüle-
rinnen und Schüler. Für die explorativ untersuchten Zusammenhänge ergaben sich
Korrelationen von r ≈ +.25, p< 0.05, bei zweiseitiger Testung. Die Wirkrichtung des
Zusammenhangs ist dabei auch umgekehrt sinnvoll interpretierbar. Grundschul-
kinder, die einen deutlichen Lernzuwachs wahrnehmen, fällt das Lernen mit den
266 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

Tablets eher leicht, beziehungsweise kognitive Verarbeitungsprozesse werden bei


der Tabletarbeit unterstützt.
Die Frage: Wie gerne würdest Du weiterhin mit dem iPad arbeiten? wird über die
gesamte Projektlaufzeit sehr positiv bewertet (vgl. Abb. 7). Der Wunsch der Grund-
schulkinder auch weiterhin im Unterricht mit den Tablets zu arbeiten bleibt konstant
hoch. Ein Rückgang des Wunsches der Tabletnutzung durch einen nachlassenden
Neuheitseffekt der Geräte in Verbindung mit einer Abnahme der Motivation lässt sich
insgesamt ebenso wenig feststellen, wie ein in anderen Projekten zu beobachtendes
Nachlassen des Hawthorne-Effektes, das sich aus dem Wissen um die Beteiligung
an einer Studie ergeben könnte (Roethlisberger 1966; Schiffler 2000).

Abb. 7 Auskünfte der Schülerinnen und Schüler darüber, wie gerne sie weiterhin mit
den Tablets im Unterricht arbeiten möchten. Skalenpole von 1 = gar nicht bis
5 = sehr

Im Zusammenhang mit dem Wunsch der Kinder, weiterhin mit den Tablets zu
arbeiten, fällt ein negativer Zusammenhang mit der Medienkompetenz der Eltern
auf. Schülerinnen und Schüler, deren Eltern weniger medienkompetent sind, nutzen
die Tablets besonders gern (r = -.35, p< 0.05, bei zweiseitiger Testung). Vermutet
wird als Hintergrund, dass diese Schülerinnen und Schüler ihren durch die Tab-
let-Nutzung erfahrenen Wissensvorsprung gegenüber ihren Eltern als motivierend
erleben oder ihnen solche Geräte zu Hause nicht zugänglich sind und sie deren
Nutzung daher umso mehr wertschätzen.
Einsatz von Tablets in Grundschulen 267

4.3 Medienkompetenz: Bisherige Mediennutzung und


Vorerfahrung der Schülerinnen und Schüler

In der Erstbefragung wurde die aktuelle Mediennutzung durch die Schülerinnen


und Schüler erfasst, auch um einen Vergleich der befragten Gruppe zu vorhandenen
Zahlen der ARD/ZDF Online Studie3 oder der JIM Studie4 vornehmen zu können.
Auf diese Weise sollten auch genauere Einblicke in die Mediennutzungsgewohnheiten
und deren Einfluss auf die vorhandene Medienkompetenz sowie diesbezügliche
mögliche Zuwächse abgeleitet werden können. So schauen 80 Prozent der befragten
Schülerinnen und Schüler (n=87) jeden Tag fern, 25 Prozent spielen jeden Tag mit
einer Spielkonsole (Wii, Nintendo, etc.) (n=94), 40 Prozent haben Zugang zu einem
Tablet-PC zu Hause (n=84), 54 Prozent nutzen ein Smartphone und 20 Prozent ein
Handy (n=84). Die meiste Medienerfahrung liegt vor Projektbeginn durch digitales
Spielen vor. Abbildung 8a zeigt die Antworten auf die Frage: Hast du schon einmal
(vor Projektstart) mit einem iPad…

Abb. 8a Mediennutzung der Schüler/innen mit iPads vor Projektstart

Zusätzlich zur Abfrage von Vorerfahrungen mit iPads wurde auch nach der PC/
Laptopnutzung vor Projektstart gefragt. Abbildung 8b zeigt die Antworten auf
die Frage:

3 http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/
4 http://www.mpfs.de/index.php?id=613
268 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

Hast du schon einmal (vor Projektstart) mit einem PC/Laptop…

Abb. 8b Antworten auf die Frage zur Mediennutzung mit PC/Laptop an Schüler/innen

Überraschend war bei der letzten Frage, dass – im Gegensatz zu anderen Untersu-
chungen (vgl. Mayrberger 2012; Schaumburg 2004) – kein Unterschied zwischen
Mädchen und Jungen vorlag.

4.4 Erwartungen und Bewertungen der Eltern und


Lehrkräfte

Vergleicht man die in der Erstbefragung erhobenen Erwartungen an das Projekt


seitens der Eltern und Lehrkräfte anhand eines Kompetenzmodells, so zeigt sich,
dass bei vielen Teilkompetenzen (Bedienen und Anwenden, Informieren und Re-
cherchieren, Kommunizieren und Kooperieren, Produzieren und Präsentieren und
Analysieren und Reflektieren) zwischen Eltern und Lehrkräften hohe Übereinstim-
mungen in der Bewertung der Relevanz vorliegen. Unterschiede lagen dagegen vor
allem in folgenden Bereichen vor: Bei der Aussage: Erziehung im Umgang mit Medien
ist in erster Linie Sache der Eltern und nicht der Schule, stimmen Eltern weitaus
häufiger zu als die befragten Lehrerinnen und Lehrer, die hier mehr einen Auftrag
bei den Schulen sehen als dies die Eltern tun. Dagegen schätzen die Lehrerinnen
und Lehrer die Zeit, die Schülerinnen und Schüler mit digitalen Medien in ihrer
Freizeit verbringen, weitaus höher ein als Eltern, die hier ggf. mehr Einblick haben
oder diese Zeiten anders bewerten.
Auf die Frage, ob die Tablets auch für Hausaufgaben genutzt werden sollten
(also eine Frage im Hinblick auf die angestrebte 1:1 Nutzung ab dem zweiten
Projektjahr), fielen die Antworten recht unterschiedlich aus (vgl. Abb. 9). Weitere
Unterschiede zeigten sich bei der Frage nach einer Einschätzung, ob die Schüle-
rinnen und Schüler aufgrund des Tablet-Einsatzes weniger mit ihren Lehrerinnen
Einsatz von Tablets in Grundschulen 269

und Lehrern reden werden: Ein Effekt, den die Lehrkräfte fast gar nicht sehen, die
Eltern aber durchaus befürchten.

Abb. 9 Bewertung/Einschätzung der potentiellen 1:1 Nutzung durch Eltern und


Lehrkräfte

Auch das Potential, dass die Schülerinnen und Schüler aufgrund des Tablet-Einsatzes
mehr miteinander reden, wird von den Lehrkräften höher eingeschätzt als von den
Eltern. Dies kann ggf. daran liegen, dass die Lehrkräfte den Unterricht gestalten
können, während sich die Eltern dem Geschehen im Klassenraum eher ausgeliefert
fühlen – sicher ein Anlass für Aufklärungsgespräche über die geplanten Unter-
richtskonzeptionen. Die Erwartungshaltungen bzgl. des Medienkompetenzaufbaus
und der Mediennutzung divergieren an einigen Stellen: So ist es den Lehrenden
wichtiger als den Eltern, dass die Schülerinnen und Schüler lernen, mit Hilfe der
elektronischen Medien mit anderen zusammenzuarbeiten. Dagegen ist es den
Eltern wichtiger als den Lehrkräften, dass die Schülerinnen und Schüler auch die
Chancen und Risiken von Computerspielen kennenlernen. Den Lehrkräften sind
dagegen Kompetenzen, wie das Erstellen einer Präsentation mit Hilfe von elektro-
nischen Medien, wichtiger als den Eltern. Erste Befragungen der Schülerinnen und
Schüler sowie der Lehrkräfte nach Projektstart zeigen zudem, dass die Einführung
in die Apps Zeit beansprucht und daher besser mit wenigen Apps als mit zu vielen
parallel gearbeitet werden sollte. Gerade der fächerübergreifende Unterricht bietet
sich hierzu in den Grundschulen an. Auch in den Lehrerfortbildungen wurden
diese Aspekte berücksichtigt und nur wenige Apps ausführlich behandelt. Zudem
zeigen die Schülerbefragungen, dass gerade die Kombination von Medien – auch
270 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

nichtelektronischen – vorteilhaft ist gegenüber einer zu einseitigen Betonung der


Tablets.

4.5 Technische Ausstattung

Blickt man auf die Entscheidung des Projektträgers zurück, iPads einzusetzen, so
könnte bei einer Ausweitung des Projektes und z. B. bei der Integration weiterer
Schulen die Gerätefrage nochmals neu gestellt werden. Unter dem Aspekt, dass
der Einsatz mobiler Endgeräte an sich Unterrichtsverbesserungen ermöglicht und
Motivationseffekte hat, stellt sich zusätzlich die Frage, welche Vorteile die Tablets
gegenüber anderen Geräten haben, wie z. B. Notebooks oder Laptops. Hierbei wird
meist das geringe Gewicht der Geräte zum Tragen genannt (s. bspw. Marés 2012),
was vor allem im Grundschulbereich eine große Rolle spielt. Viele Autoren nennen
die mögliche durchgängige Mediennutzung (Kontinuität) als ein wesentliches Merk-
mal, was wiederum motivationale Effekte haben kann: Informationen können in
einem Kontext aufgenommen werden, das Gerät kann leicht transportiert werden,
und die Informationen können an anderer Stelle bearbeitet werden (Chan et al.
2006; Looi et al. 2010; Penuel 2006; Vavoula, und Sharples 2002). Dies ist neben
dem leichten Gewicht vor allem auch durch die lange Akkulaufzeit, die dadurch
längere Unabhängigkeit vom Stromanschluss und die hohe Mobilität möglich.
Dadurch wird einerseits die Bewegung im Klassenraum, wie auch die Verknüpfung
von Aktivitäten außerhalb des Unterrichtsraums möglich, z. B. durch Filmen an
anderen Orten, im Freien, Begleitung von Exkursionen, Tonaufnahmen an Orten,
wo keine andere Schülergruppe gestört wird usw. Auch die vielen technischen
Funktionalitäten, wie beispielsweise die integrierte Kamera sowie das Mikrophon
und die zur Verfügung stehenden Apps, machen die Nutzung der Geräte gerade
im Grundschulbereich attraktiv, verbunden mit der intuitiven Nutzung und damit
geringeren Einarbeitungszeit.5 Die geringe eigene Speicherkapazität der Geräte
wird in einigen Studien als Vorteil gesehen, da so die zentrale Wartung durch die
Anbindung an ein zentrales Netzwerk gefördert wird (Murphy 2014). Ebenso wurde
in dem von Murphy beschriebenem Rollout von Tablets in L.A Unified Schools
als zweitgrößter Schulverbund in den USA das Vorhandensein einer Tastatur als
Vor- und als Nachteil gesehen. So haben sich beispielsweise in den USA einige

5 Genau dies zu überprüfen ist eines der Untersuchungsziele, wobei kein Vergleich mit
anderen Geräten vorgenommen wird, da im Rahmen der Studie keine alternative Com-
puter- oder Laptopausstattung diskutiert wurde, sondern die Tabletnutzung meist die
erste Nutzung digitaler Medien im Klassenraum darstellte.
Einsatz von Tablets in Grundschulen 271

Schulen und auch Regionen wie der der Los Angeles Unified Schools gegen iPads
und stattdessen für andere Geräte entschieden. Grund war vor allem die einfachere
Wartung und Pflege.
Ähnlich wie in anderen Projekten, bei denen nicht die Auswahl des am besten
geeigneten Tabletmodells im Mittelpunkt des Pilotversuchs stand, wurde das iPad
als einziges Tablet für alle Schulen im vornherein ausgewählt. Gründe dafür lagen
in der zum Start der Projektplanung 2012/13 geringeren Auswahl an Gerätealter-
nativen als heute sowie der großen Bekanntheit des iPads. Das iPad bot zu diesem
Zeitpunkt zahlreiche verfügbare Apps auch für schulische Nutzungskontexte,
was für die alternativen Geräte bzw. Betriebssysteme in diesem Ausmaß durch
die Entscheidungsträger und beratenden Medienzentren nicht wahrgenommen
wurde. Die Einheitlichkeit der Geräte für alle beteiligten Schulen sollte mit Si-
cherheit auch den Aufwand der Betreuung und den Austausch von Erfahrungen
zwischen den beteiligten Lehrkräften vereinfachen – etwas, das mit Sicherheit auch
gelungen ist. Die Wahl des iPads selbst als Gerät für die Unterrichtszwecke stand
daher nicht im Fokus der Diskussion. Das heißt, erst im Projektverlauf wurde die
Gerätewahl selbst als eines der Untersuchungsziele eingebracht und die Nutzung
verschiedener Geräte verglichen – ein Vorhaben, das ggf. in einem Folgeprojekt
in Hessen aufgegriffen werden könnte, aber zum Projektbeginn nicht Ziel war. Im
Rahmen des Projektes konnten in diesem Kontext ein paar wichtige lessons learned
festgestellt werden, die beispielsweise darin lagen, zum Projektbeginn mit zu vielen
verschiedenen Administrationsebenen Apps installiert zu haben. Dies erschwerte
die spätere Wartung der Geräte, da für ein Update drei verschiedene Passwörter
(das des Landesschulamtes, das des Medienzentrums und das der Schule und/oder
Lehrkraft) eingegeben werden mussten. In der Erfahrung genau solcher Effekte
liegen wiederum wertvolle Hinweise, die sich das hessische Kultusministerium
für die Fortsetzung und Ausweitung des Projektes gewünscht hat und die erst im
kleinen Umfang, eben im Rahmen des Pilotprojektes, gemacht werden sollten.
Die Berichte aus den USA zeigen, dass andernorts ganz ähnliche Fehler und Er-
fahrungen wie auch Lernkurven verzeichnet wurden (Murphy 2014). Ob für eine
Projektfortsetzung die Gerätefrage neu gestellt wird, was aufgrund der Verfügbarkeit
günstigerer Alternativen wie auch mehrerer Apps, auch für andere Betriebssyste-
me, sinnvoll erscheint, ist den Autoren allerdings noch nicht bekannt. Sinnvoll ist
sicherlich, hierfür einen Kriterienkatalog für die Gerätewahl zu entwickeln und
auf die inzwischen häufiger als noch zum Projektstart dokumentierten Erfahrun-
gen anderer Projekte zurückzugreifen. Die Berichte aus den Projekttreffen zeigen,
dass die Wartung mithilfe eines Apple-Konfigurators technisch anspruchsvoll
ist, jedoch zur kontinuierlichen und flexiblen Nutzung der iPads in den Schulen
längerfristig als sinnvollste Lösung wahrgenommen wurde. Nach Updates des
272 Alexander Tillmann und Claudia Bremer

Betriebssystems mussten beispielsweise regelmäßig einige Apps erneut installiert


werden, so dass die Geräte nur dann kontinuierlich zur Verfügung standen, wenn
diese Wartungsarbeiten durch Personen in der Schule erledigt werden konnten.

5 Ausblick

Geplant ist neben der Fortführung der Erfassung der Kurzskala intrinsischer Moti-
vation bei Grundschulkindern (KIMoG), um die Entwicklung dieser Variable über
einen längeren Zeitraum beobachten zu können, die Durchführung qualitativer
Fallstudien unterrichtsbezogenen Medienhandelns in der Grundschule und zu
Beginn der Sekundarstufe I (5.-7. Klasse). Mithilfe leitfragengestützter Interviews
werden Lehrkräfte vertieft nach Aspekten wie z. B. der besonderen Förderung
bestimmter Medienkompetenzen und den unterschiedlichen Nutzungsformen
der mobilen Endgeräte befragt. Darüber hinaus werden subjektive Perspektiven
der Lehrkräfte zur Mediennutzung und Medienkompetenzförderung erfasst,
da davon ausgegangen wird, dass sich subjektive Theorien der Lehrerinnen und
Lehrer in Bezug auf die Mediennutzung und die Gestaltung von Unterricht mit
iPads als handlungsleitend erweisen (vgl. Breiter et al. 2013). Zur Vertiefung und
Ergänzung bisheriger Untersuchungsergebnisse, aus denen sich bereits Maßnahmen
zur Entwicklung des Unterrichts mit Tablets ableiten ließen – wie zum Beispiel der
verstärkten Förderung von Wahlmöglichkeiten und dem Einsatz der Tablets als
Werkzeug zur Gestaltung selbstbestimmter Lernprozesse – ist die Auswertung von
videographierten Unterrichtsbeobachtungen vorgesehen, um Unterrichtsverläufe
und Wirkungen zu dokumentieren, z. B. auf die Sozialformen. Die Unterrichtsbeob-
achtungen ergänzen die qualitativen Interviews mit den Lehrkräften, so dass über
Fallbeschreibungen und Typisierungen fallübergreifende Analysen zum Einsatz von
iPads in der Grundschule möglich werden. In diesem Zusammenhang sind auch
Befragungen der Schulleitungen in Bezug auf Rahmenbedingungen, Wirksamkeit
und Weiterentwicklungen vorgesehen, um auch in diesen Bereichen Handlungs-
empfehlungen ableiten zu können. Darüber hinaus ist die Beschreibung von best
practice-Beispielen in allen Grundschulfächern in Vorbereitung, bei denen auch
die Eignung bestimmter Apps für Lern- und Gestaltungszwecke bewertet wird.
Einsatz von Tablets in Grundschulen 273

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Tablets in der Schule aus Perspektive der
Lehrerbildung: Schnittstelle Referendariat
Mandy Schiefner-Rohs

Tablets in der Schule aus Perspektive der Lehrerbildung

Zusammenfassung

Projekte, die den Einsatz von Tablets in der Lehrerbildung fokussieren und unter-
suchen, sind in der Minderheit gegenüber Projekten, die Kinder und Jugendliche
im Blick haben . Nur vereinzelt gibt es Hinweise auf derartige Studien, in denen
meistens Studierende allgemein und nicht spezifisch Lehramtsstudierende im
Vordergrund stehen . Der Artikel beleuchtet den Einsatz von Tablets in der
Lehrerbildung, speziell in der zweiten Phase, dem Vorbereitungsdienst resp .
Referendariat . Ausgehend von einem explorativ angelegten Projekt wird der Frage
nachgegangen, wie Referendarinnen und Referendare Tablets zur Organisation
ihres Lern- und Arbeitsalltags nutzen und welche Handlungspraktiken sich in
der Nutzung des Geräts für den persönlichen Lern- und Arbeitsalltag ausbilden .

1 Ausgangslage

Schon früh sind digitale Medien in der Schule auch in Bezug zur Lehrerbildung
diskutiert worden . Es ist davon auszugehen, dass ohne eine angemessene Integration
in alle Phasen der Lehrerbildung eine Integration digitaler Medien in der Schule
kaum gelingen wird . Seit mehreren Jahren steht damit vor allem die universitäre
Phase der Lehrerbildung im Vordergrund bildungspolitischer Forderungen (KMK
1998) und daran anschließend medienpädagogischer und hochschuldidaktischer
Projekte . Die oft gestellte Frage geht in die Richtung, wie digitale Medien in der
schulischen Bildung (Kammerl und Ostermann 2010) und darüber hinaus in der
universitären Lehrerbildung verankert werden können (KMK 1998; Tulodziecki
1997; Schiefner-Rohs 2012a, 2012b) . Gefragt wurde darüber hinaus auch nach der
277
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_12
278 Mandy Schiefner-Rohs

Konzeptualisierung und Modellierung medienpädagogischer Kompetenzen an-


gehender Lehrerinnen und Lehrer (Blömeke 2003a; Brunn et al. 1997). Und auch
in der Lehrerfort- und -weiterbildung ist das Thema der digitalen Medien virulent
(Bachmaier 2008; Häuptle et al. 2008; Weiß und Bader 2010). Wenn man davon
ausgeht, dass die Lehrerbildung als berufsbiographisches Entwicklungsprojekt
angelegt ist (Messner und Reusser 2000), müssten sich dahingehend konsequen-
terweise auch alle Phasen der Lehrerbildung mit Fragen der Integration digitaler
Medien auseinandersetzen.
Auffällig ist allerdings, dass das Referendariat1 als zweite Phase der Lehrerbil-
dung in Deutschland bisher kaum dezidiert im Fokus steht: weder im Fokus der
(empirischen) Bildungsforschung (Bölting und Thomas 2007) noch im Fokus der
Medienpädagogik. So beklagen u. a. Terhart (2000) sowie Schubarth, Speck und
Seidel (2007) fehlende empirische Forschung, insbesondere zur zweiten Phase der
Lehrerbildung. Die wenigen erziehungswissenschaftlichen bzw. schulpädagogischen
Untersuchungen fokussieren vor allem biographische Aspekte wie Entwicklungs-
aufgaben (Hericks und Kunze 2002), Professionalisierungskrisen (Dietrich 2014),
Praxisschock und Erleben (Lersch 2006; Merzyn 2005; Storr 2006), Zufriedenheit
(Strietholt und Terhart 2009; Werner-Bentke 2010) oder Subjektivierungsprak-
tiken (Pille 2013), aber auch Gestaltungsformen (z. B. Schnaitmann 2006) bzw.
Ausbildungskultur (Dzengel et al. 2011). Im Zentrum steht damit meist die Frage
nach der Kultur des Referendariats und der Zufriedenheit mit der Gestaltung
des Referendariats sowie damit verbunden die Frage, wie aus Studierenden Refe-
rendarinnen und Referendare2 und schließlich Lehrerinnen und Lehrer werden
(Alkemeyer und Pille 2008).
Diese Perspektiven bieten auch für eine dezidiert medienpädagogische Sicht-
weise auf das Referendariat als Phase der Auseinandersetzung mit digitalen Me-
dien interessante Anknüpfungspunkte. Denn gerade im Referendariat werden

1 Die Bezeichnung dieser Übergangsphase zwischen der universitären Lehrerbildung und


dem Eintritt in den Schuldienst variiert in Deutschland in Abhängigkeit der einzelnen
Länder (vgl. Abs 2011), z. B. schulpraktische Ausbildung, schulartbezogener Vorberei-
tungsdienst, Ausbildung im Landesinstitut für Schule (ebd., S. 381). Im Folgenden wird
die Bezeichnung Referendariat gewählt, da es weniger um eine konkrete Ausgestaltung
einer bestimmten Phase geht, sondern um die Phase als biographischer Übergang im
Fokus steht.
2 In Deutschland gibt es je nach Bundesland unterschiedliche Bezeichnungen (z. B.
Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter, Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst
oder Referendarinnen und Referendare). Da sich allerdings Referendar/Referendarin
den Diskurs stärker prägt, wird im Folgenden diese Bezeichnung für die in der zweiten
Phase der Lehrerbildung befindlichen Personen gewählt.
Tablets in der Schule aus Perspektive der Lehrerbildung 279

unterschiedliche Handlungspraktiken zwischen Schule und Hochschule relevant,


die auch Auswirkungen auf das Medienhandeln von Referendarinnen und Refe-
rendaren haben können: Gerade die berufspraktische Einführung könnte auch für
die Nutzung und den Einsatz digitaler Medien einen interessanten Zugang bieten.
Um dies zu zeigen, ist es im Folgenden notwendig, das Referendariat als spezifische
Phase der Lehrerbildung näher zu betrachten, bevor im Anschluss daran auf das
Themenfeld digitaler Medien und insbesondere auf die Tablet-Nutzung im Refe-
rendariat eingegangen wird.

2 Das Referendariat als Phase der Lehrerbildung

Die Lehrerbildung kennt wie andere Professionen eine Phase des Übergangs vom
Hochschulstudium in den Beruf. Auf diese besondere Phase in der Lehrerbildung soll
daher kurz eingegangen und die Notwendigkeit dargelegt werden, das Referendariat
im Sinne einer Medienbildung entlang der Lehrerbildungskette (Schiefner-Rohs
2015b) stärker in den medienpädagogischen Fokus zu setzen.

2.1 Das Referendariat als (Aus-)Bildungsphase

Studiengänge kann man danach unterscheiden, wie stark sie auf Beruflichkeit hin
konzipiert sind (vgl. Tremp 2015): Klassische Professionen, die im Wesentlichen die
schon im 19. Jahrhundert staatlich regulierten akademischen Berufe ausbilden, Stu-
diengänge, die auf einigermaßen klar beschreibbare Tätigkeitsfelder hinführen (z. B.
Wirtschaftswissenschaften, Sozialpädagogik) und Studiengänge, denen konkrete
Berufsfelder häufig nicht zugeordnet sind und in denen die individuelle Erarbeitung
beruflicher Zielvorstellungen während des Studiums auf Seiten der Studierenden
liegt. Für diesen Artikel ist der erste Typ relevant, auch wenn für die Lehrerbil-
dung zu konstatieren ist, dass sie nicht unter den klassischen Professionsdiskurs
zu fassen ist (Schiefner-Rohs 2015a). Studiengänge des ersten Typs unterscheiden
sich nun von den anderen, indem diese neben der konkreten Berufskonzeption mit
der Phase eines Referendariats eine institutionalisierte Phase des Übergangs vom
Hochschulstudium in das berufliche Handeln aufweisen.
In der Lehrerbildung ist das Referendariat die stärker praktisch ausgerichtete
Phase im Vergleich zur universitären Phase (Bölting und Thomas 2007). Im Refe-
rendariat geht es um eine „angeleitete und moderierte Praxiserprobung“ (Wernet
2006, S. 46) oder provokant ausgedrückt um das „Einschleifen unterrichtstypischer
280 Mandy Schiefner-Rohs

Bewegungen, Haltungen und Gesten“ (Alkemeyer und Pille 2008, S. 143). Ziel ist es,
den Einstieg in die eigene berufliche Praxis angeleitet erfolgreich zu bewerkstelligen.
In engem Kontakt zu Studienseminaren und Seminarleiterinnen und Seminarleitern
erwerben Referendarinnen und Referendare die Kompetenz zum selbstständigen
Unterrichten inklusive aller damit verbundenen Aufgaben von Lehrpersonen (un-
terrichten, erziehen, diagnostizieren, …). Die Professionalisierung dieser Bereiche
wird in dieser Phase organisiert „im Zusammenspiel von Hospitationen, Übungen,
Reflexionen, Problem und Prüfungen“ (ebd., S. 149).
Diese Phase des Übergangs ist für die Referendarinnen und Referendare ge-
prägt von Krisen: Schaut man in die wenigen erziehungswissenschaftlichen bzw.
schulpädagogischen Veröffentlichungen, so wird immer wieder Überforderung als
zentrales Organisationsprinzip hervorgehoben (Alkemeyer und Pille 2008, S. 143).
Darüber hinaus gibt es das die Lehrerbildner betreffende Problem der Doppelrolle
der an der Ausbildung Beteiligten: Im Gegensatz zur universitären Lehrerbildung,
die sich stärker als Distanzierung zur beruflichen Praxis sieht, ist die Antinomie
von Helfen/Beraten vs. Prüfen (Wernet 2009) im Referendariat stärker ausgeprägt
für die Referendarinnen und Referendare erlebbar.
Die historische Genese des Referendariats, z. B. die Institutionalisierung in
„eigens eingerichteten Behörden unterhalb der Ministerien“ (Abs 2011, S. 385) und
damit verbunden die Arbeit „komplementär zu den Universitäten […] indem sie
[…] aus fachlich gebildeten Akademikern Lehrkräfte ausbildeten“ (ebd., S. 386),
erschwert eine Zusammenarbeit mit der universitären Lehrerbildung bis heute. So
sind z. B. verschiedene Personen an der Ausgestaltung dieser Phase beteiligt. Zu
unterscheiden sind grob zwei Gruppen von Lehrerbildnern (ebd., S. 389):
Eine Gruppe stellen die Ausbilder dar, die an den schulexternen Trägerorga-
nisationen der Programme beschäftigt sind und angehende Lehrer durch Unter-
richtsbesuche und Beratung betreuen. Die Angehörigen dieser Gruppe werden als
Fachleiter, Lehrbeauftragte an Studienseminaren oder Ausbildungsleiter bezeichnet;
sie sind in der Regel auch für die Gestaltung von Einführungsveranstaltungen und
(fach-)didaktischen Kursen verantwortlich. Die andere Gruppe umfasst die beglei-
tenden Lehrkräfte in der jeweiligen Schule der beginnenden Lehrer. Die Angehö-
rigen dieser Gruppe werden als Mentoren, Kontaktlehrer oder Ausbildungslehrer
bezeichnet; sie sind erste Ansprechpartner für Hospitationen und Anfragen der
neuen Lehrkräfte im Schulalltag.
Damit ist analog zur universitären Phase der Lehrerbildung, in der vielfältige
Inhalte und Ansprechpartner und Ansprechpartnerinnen an der Hochschule
existieren (Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaft), auch die
anschließende Phase der Lehrerbildung konfrontiert mit Komplexität in der Aus-
gestaltung und Umsetzung.
Tablets in der Schule aus Perspektive der Lehrerbildung 281

2.2 Rolle digitaler Medien im Vorbereitungsdienst bzw.


Referendariat

Blickt man über die medienpädagogischen Forschungsarbeiten der letzten Jahre,


so wird deutlich, dass es eine intensive Auseinandersetzung mit der Rolle von di-
gitalen Medien in der (universitären) Lehrerbildung gibt (vgl. u. a. Blömeke 2003a,
2003b; Kammerl und Mayrberger 2011; Lermen 2008; Schiefner-Rohs 2012b, 2015b;
Schulz-Zander 1996), ebenso in der Lehrerfort- und -weiterbildung (vgl. u. a. Florian
2008; Reinmann 2005; Weiß und Bader 2010). Die Phase des Vorbereitungsdienstes
bzw. Referendariats bleibt allerdings medienpädagogisch erstaunlich unterbelich-
tet; es finden sich kaum Publikationen, die das Themenfeld Medienpädagogik im
Referendariat adressieren, von einzelnen Praxisprojekten abgesehen (vgl. Bremer
2010; Langer 2002; Leonhard und Lochner 2011). Ein Grund hierfür ist sicherlich
die bundeslanddivergierende Ausgestaltung dieser Phase verbunden mit vielfäl-
tigen Anspruchsgruppen und Beteiligten, so dass bildungswissenschaftliche und
medienpädagogische Forschungsbemühungen in dieser Phase herausfordernd
sind. Durch diese Unterschiedlichkeit fällt ebenso ein Vergleich unterschiedlicher
Modelle und Vorgehensweisen schwer.
Nichtsdestotrotz erscheint eine vertiefte Betrachtung dieser Phase unter me-
dienpädagogischer Perspektive aus verschiedenen Gründen lohnenswert: Das
Referendariat ist die Phase der Lehrerbildung, in der es zu einer Sozialisation in
schulische Handlungsmuster kommt (Alkemeyer 2010; Wernet 2009). So gilt es
daher zu fragen, wie schulische Mediensozialisation im Rahmen des Referendariats
geschieht. Bisher spielen digitale Medien im Referendariat eine eher geringe Rolle,
wobei in den letzten Jahren allmählich Veränderungen hinsichtlich einer stärkeren
Integration stattfinden. Was passiert allerdings, wenn nun digitale Medien sowohl
auf Schülerinnen- und Schülerseite als auch auf Seiten der Referendarinnen und Re-
ferendare explizit zum Arbeitsmittel und Lerngegenstand im Referendariat gemacht
werden? Wie gehen Referendarinnen und Referendare mit dieser Herausforderung
um, birgt doch das Referendariat als Ausbildungsphase genügend andere Heraus-
bzw. Überforderungen (Alkemeyer und Pille 2008, S. 143)? Darüber hinaus ist zu
fragen, wie digitale Medien das Handeln im Referendariat beeinflussen und wie
Referendarinnen und Referendare damit umgehen und darauf vorbereitet werden,
digitale Medien sowohl zur eigenen Vorbereitung und Arbeitsgestaltung als auch
in der Umsetzung mediendidaktischer Lehr-Lernarrangements zu nutzen. Denn in
dieser Phase gibt es für Referendarinnen oder Referendare vielfältige Handlungs-
felder: Sie hospitieren in Klassen, sind in unterschiedlichen Seminarveranstal-
tungen (Berufspraktisches Seminar, Fachdidaktisches Seminar, Veranstaltungen,
Workshops usw.) als Teilnehmende aktiv, sie werden im eigenen Unterricht besucht
282 Mandy Schiefner-Rohs

und erleben eigene Beratung in unterschiedlichen Zusammenhängen; sie führen


solche im Rahmen ihres eigenverantwortlichen Unterrichts durch, diskutieren im
Lehrerzimmer und vernetzen sich zunehmend beruflich wie privat. Dabei agieren
Referendarinnen und Referendare zwischen den Organisationen Schule und Studi-
enseminar. Daher gilt es, genau den unterschiedlichen Handlungsfeldern Rechnung
zu tragen und die Bedeutung und Rolle digitaler Medien im Referendariat über die
reine unterrichtliche Nutzung hinaus in den Blick zu nehmen.

3 Forschungsfragen und Forschungsdesign

Im Fokus dieses Artikels steht die Frage, wie die Einbindung digitaler Medien,
im vorliegenden Fall Tablets, in die bestehende, persönliche Lernumgebung der
Referendarinnen und Referendare gelingt und welche Handlungspraktiken sich
dabei entwickeln. Beleuchtet werden in dieser explorativen Studie vor allem die
Schaffung persönlicher Lern- und Arbeitsumgebungen und Prozesse reflexiver
Auseinandersetzung mit kontextübergreifendem Handeln im Lern- und Arbeits-
prozess der Referendarinnen und Referendare. Welche Rolle übernimmt hier das
Medium? Im Vordergrund stehen dabei folgende Forschungsfragen: Wie nutzen
Referendarinnen und Referendare das Tablet zur Gestaltung ihres Arbeitsalltags
und als mediendidaktisches Werkzeug? Welche Praktiken bilden sich in den
verschiedenen Handlungsfeldern heraus? Gibt es zwischen den unterschiedlichen
Handlungsfeldern im Referendariat Unterschiede? Wie gestalten Referendarinnen
und Referendare das Handeln zwischen verschiedenen Kontexten durch Medien?
Als Untersuchungsfeld genutzt wird hier ein Pilotprojekt eines Studienseminares
in Rheinland-Pfalz genutzt, welches Tablets gezielt im Referendariat eingesetzt
hat. Ziel der Projektgruppe war es nach der internen Projektbeschreibung des
Studienseminarleiters,

den Einsatz von Tablets während der zweiten Phase der Lehrerbildung in
verschiedenen Handlungsfeldern zu erproben und Einblicke über die gezielte
Nutzung elektornischer [sic!] Medien exemplarisch zu gewinnen. Ausgangs-
punkt sind unsere Handlungsfelder, d. h. es geht um den Einsatz in und für
Lernprozesse, weitere dienstliche Zwecke, aber auch um die privaten Nutzungen.
Den Schwerpunkt sehe ich auf den beruflichen Handlungsfeldern, die in der
Tablets in der Schule aus Perspektive der Lehrerbildung 283

eigenen und gemeinsamen Arbeit mit den Refs3 am Studienseminar (UBs4,


Veranstaltungen usw.), in der Unterrichtsvorbereitung, im Unterrichtsein-
satz und in der Durchführung aber auch in unserem eigenen Lernprozess
liegen. Jede Erfahrung ist willkommen und wichtig, wenn ein Kollege oder
eine Kollegin z. B. das Tablet stark für die Dokumentation der Arbeit mit
den Refs [sic!] nutzt, dann ist das ein wichtiges Arbeits- und Erfahrungsfeld.
(Projektbeschreibung intern).

Daher wurde an einem Studienseminar in Rheinland-Pfalz eine Seminargruppe


gebildet, die sich dezidiert mit digitalen Medien im Referendariat beschäftigt. Die
Anwärterinnen und Anwärter hatten alle privat ein Tablet entweder bereits zur
Verfügung oder extra für das Referendariat angeschafft. Auch der Seminarleiter
verfügte über ein Tablet und sah sich als Teil der Gruppe, um mehr über den Einsatz
des Tablets im Referendariat herauszufinden. Ziel der Gruppe war es nun, sich im
Verlauf des Referendariats mit dem Tablet als Arbeitsinstrument auseinander zu
setzen und die unterschiedlichen Erfahrungen miteinander zu teilen, um so von-
einander lernen zu können und damit das Tablet als Lern- und Arbeitsinstrument
im schulischen Alltag zu nutzen.

3.1 Methodisches Vorgehen

Zur explorativen Untersuchung wurde ein qualitatives partizipatives Forschungs-


design (Vittadini et al. 2014) geplant, welches aktiv durch die Referendarinnen
und Referendare sowie die Fachleiterinnen und Fachleiter mitgestaltet werden
konnte. Dabei einigte man sich vor Projektstart auf folgende Reflexions- und
Forschungsmethoden: Referendarinnen und Referendare nutzen ein gemeinsames
Weblog, in dem sie ihre Erfahrungen in der Nutzung der Tablets austauschen.
Dieses wurde privat für die Gruppe eingerichtet und nicht öffentlich zugänglich
gemacht. Zeitgleich wurden von den Referendarinnen und Referendaren schriftliche
Rückmeldungen eingeholt. Zentrale Forschungsmethode war darüber hinaus ein
Gruppeninterview, in dem vor allem der Umgang mit dem Tablet als Lern- und
Arbeitsinstrument im Fokus stand. Das Gruppeninterview wurde verschriftlicht
und unter Bezugnahme auf Verfahren rekonstruktiver Sozialforschung (Bohnsack
2000) in einem mehrperspektivischen Verfahren ausgewertet. Dabei sollte es zu
den Daten aus Selbstreflexionen und Weblog in Beziehung gesetzt werden. Hier

3 Referendarinnen und Referendaren


4 Unterrichtsbeobachtungen
284 Mandy Schiefner-Rohs

werden im Folgenden die Ergebnisse zusammenfassend dargestellt und an einzelnen


Sequenzen besonders prägnante Aussagen gezeigt.

3.2 Ergebnisse der Pilotphase

Es zeigte sich in der Projektdurchführung, dass die vereinbarten Methoden un-


terschiedlich erfolgreich waren: So haben nicht alle Referendarinnen und Refe-
rendare das Projekt zum Abschluss gebracht. Zwei Personen stiegen nach ca. 1/3
der einjährigen Projektlaufzeit aus. Eine Person schilderte die Gründe für den
Abbruch in einem schriftlichen Reflexionsbogen (s. u.). Darüber hinaus wurde
das Weblog kaum von den Referendarinnen und Referendaren genutzt, so dass
die erhofften Daten nicht vorlagen. Damit flossen in die Auswertung letztendlich
sowohl ein Gruppeninterview als auch zwei Reflexionsbögen der Referendarinnen
und Referendare ein.
Im Gruppeninterview stand sowohl die Tablet-Nutzung in verschiedenen
Handlungsfeldern als auch die Bewertung von Vor- und Nachteilen des Einsatzes
im Vordergrund. Gefragt wurden die Referendarinnen und Referendare nach der
Nutzung des Tablets in unterschiedlichen Einsatzfeldern wie Schule und Studien-
seminar. Geführt wurde das Interview nach 2/3 des ersten Durchlaufes mit vier
von den zehn beteiligten Referendarinnen und Referendaren. Nach der Verschrift-
lichung wurden in einem ersten Schritt inhaltsanalytisch nach Mayring (2000) in
einem induktiven Vorgehen5 verschiedene Codes aus dem Material generiert. In
einem zweiten Schritt wurden die Gruppeninterviews erneut einer analysierenden
Interpretation unterzogen. Ziel war es dann, für die Teilnehmenden stellvertretend
Orientierungsmuster als „die begrifflich-theoretische Explikation der wechselseiti-
gen (intuitiven) Verstehensleistungen der Erforschten“ (Bohnsack 2010, S. 208) zu
interpretieren, um eine gemeinsame Handlungspraxis bzw. eventuell in Ansätzen
Sozialisationsgeschichte (ebd., S. 210) nachzuvollziehen. Dies ist im vorliegenden
Gruppeninterview aufgrund des einzelnen Falles nur bedingt möglich; erste Ideen
können allerdings generiert werden.
Betrachtet man das Transkript des Gruppeninterviews, so fällt auf, dass es so
etwas wie Wortführer gibt, also im konkreten Fall eine Person, die einen sehr hohen
Redeanteil aufweist. Diese/r wortführende Referendar/in zeichnet sich dadurch aus,
dass er/sie schon lange Erfahrung mit dem Tablet hat und das dadurch erworbene
Wissen auch an die Kolleginnen und Kollegen weitergibt. Die anderen beteiligten

5 Ein herzlicher Dank für die Unterstützung in diesem Prozess geht an Andreas Hauch,
Désirée Koch sowie Alexander Theobald.
Tablets in der Schule aus Perspektive der Lehrerbildung 285

Referendarinnen und Referendare sind weniger eigenaktiv, untermauern aber


viele der Aussagen durch Zustimmung, so dass man daraus in weiten Teilen eine
Gruppenmeinung ablesen kann.
Die Referendarinnen und Referendare im Studienseminar nutzten verschiedene
Tablets6 zur Organisation des schulischen und seminaristischen Arbeitsalltags. Dabei
waren sie unterschiedlich lang im Besitz des Tablets (bis zu 3 Jahre) und nutzten
dieses bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend für den eigenen Lernprozess und zu
privaten Zwecken. Befragt nach den Erfahrungen mit den Tablets im Projekt geben
die Referendarinnen und Referendare an, das Tablet unterschiedlich zu nutzen:
Sowohl zur Organisation des eigenen Arbeitsprozesses als auch zum Einsatz für
den Unterricht. Von einer konkreten Nutzung im Studienseminar wird, bis auf
eine kurze Bezugnahme auf das Projekt, nicht weiter berichtet.
Betrachtet man die Handlungspraktiken, die sich langsam zu etablieren scheinen,
so muss man die unterschiedlichen Nutzungsformen einbeziehen und unterscheiden
in schulische und außerschulische Handlungspraktiken. Einige Referendarinnen
und Referendare setzen das Tablet als mediendidaktisches Instrument im Unter-
richt ein, z. B. in Form von Präsentationen, Filmen oder Hörverständnisübungen.
Nur eine Person führt darüber hinaus auch das Noten- und Klassenmanagement
über das Tablet. Der Einsatz im Unterricht wird allerdings durchaus als schwierig
bewertet. Als Grund hierfür wird vor allem die schlechte Ausstattung der unter-
schiedlichen Schulen genannt (z. B. in Form von Internetzugängen). Dies führt zu
einigen Problemen in der Nutzung. Darüber hinaus sind nach Interpretation der
Erfahrungen und Einschätzung der Referendarinnen und Referendare auch die
Schülerinnen und Schüler nur bedingt gewillt, das Tablet oder das private Endgerät
auch für die Schule zu nutzen:

[…] und da zeigen sich meine Schüler, obwohl sie gut ausgestattet sind, die ja
alle Smartphones haben usw., ich hab auch so ein Fragebogen gemacht und die
sind schon ganz gut ausgestattet mit ihren Smartphones, da zeigen sie sich sehr
widerständig. Also etwas auf dem, diesem privaten Gerät zu machen, was sie
sonst eben nur für Kommunikation und solche Geschichten benutzen, da jetzt
etwas zu machen, was für die Schule ist, und wo sie etwas mit lernen sollen,
also das ist meine Interpretation schon.

Und an anderer Stelle heißt es: „Leider wird es nicht so gut von meinen Schüle-
rinnen und Schülern aufgenommen. Vermutung: Smartphone wird privat genutzt
und Schülerinnen und Schüler möchten es nicht mit Schule/Lernen verknüpfen.“

6 Mit Android, über IPAD mit IOS bis zu hybriden Notebooks mit Windows 8
286 Mandy Schiefner-Rohs

(ebd.). Der Widerstand in der Nutzung von eigenen Geräten im Unterricht wird
in der Gruppe durch das Verhältnis schulisches Lehr-Lernmaterial und privates
Gerät erklärt. Es wird aber auch klar gemacht, dass das die Interpretation der Re-
ferendarinnen und Referendare ist, die nicht unbedingt die Ursache widerspiegelt.
Das Tablet in Schülerinnen- bzw. Schülerhand wird aufgrund dieser Erfahrungen
in der Schule von zu vielen Unwägbarkeiten (Infrastruktur, Netz, Ausstattung)
eher als schwierig eingeschätzt. Als weitere kritische Punkte werden aus Sicht der
Referendarinnen und Referendare fehlende Office-Programme, die fehlende Kon-
nektivität oder technische Aspekte wie WLAN Zugang oder Kabelsalat genannt.
Anregungen der Auseinandersetzung mit den Tablets erhalten sie allerdings von
den Schülerinnen und Schülern:

Und dadurch das Gefühl, also ich war jetzt ganz überrascht, dass viele meiner
Schüler ein Tablet haben und das hat mich jetzt auch wieder ermutigt, da doch
nochmal zu versuchen eben dann die Schüler auch mal ihre Geräte mitbringen
zu lassen und dann zu arbeiten.

Diese Ausstattung überrascht die Referendarinnen und Referendare auf der einen
Seite, auf der anderen setzt es Motivation frei: Während man aufgrund der oben
genannten Bedingungen oft entmutigt sei, schöpfe man hier wieder Mut, es „doch
nochmal zu versuchen“ – eine Routine oder Handlungspraxis hat sich hier also noch
nicht gebildet, im Gegenteil, der Einsatz von Tablets im Unterricht wird immer
wieder als ein Auf und Ab gekennzeichnet.
Einen Mehrwert des Tablets sehen Referendarinnen und Referendare allerdings
vor allem in der eigenen Ausbildung sowie in der Unterstützung des eigenen
Lern- und Arbeitsverhaltens. So berichten die Diskussionsteilnehmerinnen und
-teilnehmer über den Einsatz des Tablets zur Organisation des eigenen Arbeits- und
Lernalltags: Es wird vor allem eingesetzt, indem Notizen gemacht werden, die überall
verfügbar sind oder es wird „zum PDF lesen und kommentieren“ eingesetzt. Ziel ist
es nach Aussage der Referendarinnen und Referendare, sich einen elektronischen
Workflow zu erarbeiten, damit die Notizen beispielsweise überall zur Verfügung
stehen und nicht verloren gehen. Gerade die Diskussion des Workflow nimmt al-
lerdings viel Raum ein, denn Routinen hierfür scheinen noch nicht gefunden, so
dass immer wieder über eine bessere Mediennutzung reflektiert wird: Was kann
man noch verbessern, warum hat man das Tablet in dieser und jener Situation nicht
eingesetzt? Somit ist das Tablet für die Referendarinnen und Referendare auch ein
Reflexionsinstrument, sowohl hinsichtlich eigener Routinen wie auch hinsichtlich
der Reflexion von Unterricht bzw. Schülerverhalten:
Tablets in der Schule aus Perspektive der Lehrerbildung 287

Das wär wieder so ein Ausbildungsaspekt oder auch, nee so Professionalisie-


rungsaspekt des Lehrerberufes, dass man direkt die Reflexion machen kann
auf so einem Tablet. Also Reflexion von Unterricht oder auch Nachbereitung
von Unterricht.

Betrachtet man den Diskurs im Gruppeninterview tiefergehend, so wird ein Span-


nungsfeld zwischen eingeschätzter Erleichterung und tatsächlicher Nutzung sichtbar:
Auf der eine Seite sehen die Referendarinnen und Referendare viele Vorteile in der
alltäglichen Arbeitspraxis (z. B. Organisation von Notizen und Fotos sowie deren
Synchronisation und damit die ubiquitäre Verfügbarkeit von Informationen), auf
der anderen Seite haben sich nach eigenen Aussagen (noch) keine Routinen gebildet:

Ja, mir das vor diesem Gespräch noch gar nicht so aufgefallen, weil ich so, ich
bin da gerade so drin und mach und tu und bilde mich fort und installiere
fleißig und nimm das immer mit und pack das aus. Aber eigentlich hat sich’s
bei mir noch nicht so eingeschliffen, dass ich sag, das ist ein praktisches Gerät.
Das benutz ich weil das irgendwie gut ist. Sondern ich denk dann, ah, du hast
das dabei, jetzt benutz das auch mal.

Diese fehlenden Routinen liegen u. U. auch daran, dass in der Einschätzung der
Referendarinnen und Referendare der Unterschied zu bisher verwendeten Medien
zur Organisation des Arbeitsalltags nicht so groß sei: So ist in der Diskussion auf-
fällig, dass der Einsatz des Tablets mit Medien aus ihrem Alltag wie Smartphone,
Computer oder Stift und Papier verglichen und dementsprechend bewertet wird.
Das Tablet wird immer damit in Beziehung gesetzt und herausgestellt, was mit
dem Tablet besser (z. B. Notizen machen oder PDFs lesen) oder schlechter (Mails
tippen) funktioniere. Auch in der Nutzung sowie deren Beschreibung werden
diejenigen Apps thematisiert, die eher auf individuelles Handeln zielen: So werden
u. a. beispielsweise Apps wie Evernote, Polaris Office, MDScanLite, Google Drive
App, Dropbox, Studip Mobil, Espresso Mind Map Light, Lernkarten oder Explain
Everything besprochen. Apps, die Vernetzung mit anderen benötigen oder ermög-
lichen, werden demgegenüber deutlich selten thematisiert. Ergänzt werden können
diese Befunde mit den Schilderungen aus den Reflexionsbögen, die von denjenigen
Referendarinnen und Referendaren ausgefüllt wurden, die das Tablet-Projekt
abgebrochen haben. In der Reflexion darüber, was zum Abbruch der Nutzung des
Tablets im Referendariat geführt hat, werden vor allem die schwierige Eingabe
und Verwaltung genannt; die eigene Geduld bei der Steuerung mobiler Endgeräte
sei sehr gering. Da längere Texte nur schwer einzugeben sind, wird stattdessen
doch der Computer benutzt und die erhoffte Arbeitserleichterung blieb aus. Inte-
288 Mandy Schiefner-Rohs

ressanterweise wird der Mehrwert der Nutzung durch die Eingabe längerer Texte
charakterisiert. Da das Tablet wie der Computer genutzt wurde, ergaben sich hier
für die Referendarinnen und Referendare keinerlei Vorteile. Darüber hinaus wird
das Tablet unter dem Aspekt des Datenschutzes abgelehnt: Die Verwendung wäre
dann einfach, wenn man die vorkonfigurierten Apps nutze, die allerdings daten-
schutzrechtlichen Bestimmungen nicht genügen würden.
Angeregt diskutiert wurde das Thema Medienkompetenz von den Referendarin-
nen und Referendaren. Zwei Referendarinnen und Referendare sind in der Diskussion
der Meinung, dass sich die eigene Medienkompetenz verbessert habe. Aber auch
die Medienkompetenz der Kolleginnen und Kollegen wird als Hinderungsgrund
für Tablets im Unterricht eingebracht: Selbst die Kolleginnen und Kollegen, die
sich an Programmen wie Medienkompetenz macht Schule beteiligen, hätten noch
traditionelle Vorstellungen (Kulturverlust durch Medien) und damit „diese Bretter
in den Köpfen“. Allerdings wird hier mit dem einschließenden wir geredet („sind
wir halt noch ganz weit davon entfernt, dass wir dann eben auch den Schülern Me-
dienkompetenz beibringen können, wenn wir die selber gar nicht haben“), so dass
davon auszugehen ist, dass sich auch die Referendarinnen und Referendare noch
nicht bereit fühlen, Schülerinnen und Schülern Medienkompetenz zu vermitteln.
Speziell thematisiert wird die Phase des Referendariats als sensible Phase für
die Referendarinnen und Referendare, denn es komme hier nach deren Einschät-
zung zu einer doppelten Herausforderung: Digitale Medien sind sowohl Element
privater und beruflicher Nutzung, gleichzeitig kann bei der beruflichen Nutzung
nochmals zwischen der Organisation des eigenen Arbeitsalltags, der Nutzung im
Studienseminar sowie der Nutzung in der Schule unterschieden werden. Und hier
wird durch die Referendarinnen und Referendare zum einen die Notwendigkeit
betont, sich mit diesen Geräten auseinander zu setzen, auf der anderen Seite aber
auch auf die Besonderheit hingewiesen, die sich daraus für sie im schulischen Alltag
ergibt: So ernten die Referendarinnen und Referendare schon einmal Bemerkun-
gen hinsichtlich ihrer Mediennutzung („fühlt man sich als Freak so, wenn ich bei
uns an der Schule bin und auch das Tablet dabei hab bei einer Sitzung, dann ‚oah
der Jungreferendar‘“). Damit ergibt sich für Referendarinnen und Referendare in
gewisser Weise ein Spannungsfeld zwischen der eigenen Mediennutzung, der un-
terrichtlichen Mediennutzung sowie den Anforderungen in Lehrproben, die sich
in vielen Fällen ausschließen. Diskursthema im Gruppeninterview ist vor allem
die erste Version, also die Unterstützung eigener Arbeits- und Lernroutinen; der
unterrichtliche Einsatz des Tablets wird von den Referendarinnen und Referendaren
eher mit mehr Problemen und weniger erfolgreich beschrieben. Der Einsatz im
Unterricht durch Schülerinnen und Schüler wird einerseits kritisch gesehen, aber
anderseits gewünscht in der Hoffnung, das Tablet dadurch mehr nutzen zu können.
Tablets in der Schule aus Perspektive der Lehrerbildung 289

Dieser Hoffnung gegenüber steht die Konfrontation mit traditionellen Argumenten,


auch im Kollegium an der Schule (Niedergang von Kultur durch digitale Medien).
Besonders herausfordernd wird die Situation der Lehrprobe dargestellt, die
wenig „Toleranz gegenüber der Technik“ aufweise. Dieses folgende Zitat ist dabei
besonders hervorzuheben, da es die Argumentationslinie sichtbar macht:

BEF: […] Ja und dann ist man ja auch noch in dem Spagat, dass, wenn halt
Lehrprobe, bzw. Unterrichtsbesuch, wie das jetzt heißt, wenn die statt-
finden, muss ja alles klappen. Da gibt’s ja wenig Toleranz gegenüber
der Technik. Und da braucht man dann immer noch Plan B und C,
weil’s meistens dann eben nicht klappt. Hat man ja schon oft genug
mitbekommen, dass in Lehrproben dann das Internet nicht geht oder
der Computer nicht hochfährt oder der Beamer nicht connected ist
oder was.
BEF2: oder der Overheadprojektor nicht geht.
BEF4: Ja, da muss man halt immer Alternativen, das ist halt immer sowas,
vielleicht auch nochmal so, das Problem hat man halt einfach mit
Papier und Stift nicht. Da kann halt nichts schief gehen. Das hat man
dann dabei oder man hat’s nicht dabei. Aber so, da braucht man keinen
Strom, braucht man kein Internet.

Interessant sind in diesem Zitat zwei Aspekte: Zum einen der Hinweis darauf, dass
die Lehrprobe als Spagat zwischen verschiedenen Anforderungen eingeschätzt wird
und in dieser alles funktionieren müsse. Störungen, die in jedem Unterrichtsverlauf
vorkommen können, werden schon von Beginn an problematisiert und der eigene
Anspruch geht dahingehend, diese ganz auszuschließen. Das erhöht den Druck auf
die Vorbereitung von Unterrichtssequenzen. Zum anderen wird das Funktionie-
ren von Technik weiter gefasst als die Anwendung digitaler Medien. Es geht nicht
nur darum, dass Beamer und Internet nicht funktionieren können, sondern auch
darum, dass der Overheadprojektor ausfallen könnte. Im Fokus der Diskussion
über Medien in der Schule wird also, wenn es um das Funktionieren geht, die-
jenige Technologie als schwierig erachtet, die scheinbar von Strom oder anderen
Dingen abhängig sei. Lediglich „Papier und Stift“ funktioniere in den Augen der
Referendarinnen und Referendare immer, wobei auch hier mögliche mangelnde
Funktionalität durch leere Stifte, wie es z. B. ab und zu bei Flipcharteinsätzen zum
Tragen kommt, ausgeblendet wird.
Darüber hinaus bestehen nach den Aussagen und Diskussionen der Referenda-
rinnen und Referendare Unterschiede in der Zuschreibung: Dem Tablet wird von
außen (sowohl von Schülerinnen und Schülern als auch von Kolleginnen bzw. Kol-
290 Mandy Schiefner-Rohs

legen und den Lehrenden im Studienseminar) ein hoher Imagegewinn im Gegensatz


zu Smartphones zugesprochen: man werde im Kollegium als besonders innovativ
wahrgenommen und eingeschätzt, wenn man zur täglichen Routine Tablets nutzt:
So sei man „am Nabel der Zeit“.
Diese Einschätzungen der Bewunderung beruhen auf zweierlei: Zum einen auf
dem Nimbus, der diesen Geräten beiwohnt. So weist ein Diskussionsmitglied darauf
hin, dass es chic sei und gut aussehe und dadurch auch als Statussymbol gesehen
wird – „Die Schüler denken, man wäre reich.“ Zum anderen beruht die Bewun-
derung auf Funktionalitäten des Gerätes. So kann man Dinge machen, die andere
bewundern, beispielsweise haben Referendarinnen und Referendare Informationen
über Schülerinnen und Schüler nun gesammelt zu jeder Zeit verfügbar, was zu Be-
wunderung auf Seiten der Schülerinnen und Schüler führt. Oder Referendarinnen
und Referendare können z. B. Folien besprechen und zugänglich machen:

Ja und, man kann die Leute im Studienseminar beeindrucken. Weil man ist
ja voll progressiv und state of the art. Und man kann die Leute blenden, wenn
man irgendwas auf dem Tablet macht und präsentiert – nee, ist wirklich so. […]
Und dann hab ich gedacht, ach ja, nutzen wir das gleich mal und dann haben
wir da so ein Video gemacht und dann haben wir das gezeigt und dann kann
man schon wieder so tun, als kennt man sich total gut mit Medien aus und so.

Auffällig ist, dass es hier nicht um die Einschätzung wirklicher Kompetenz geht,
sondern durch die Nutzung einzelner Funktionen so etwas wie Potemkinsche
Dörfer gebaut werden: Man spricht dezidiert davon, die anderen zu beeindrucken
oder zu „blenden“ und dass man so tun kann, als ob man sich „total gut“ auskenne.
Durch den Hinweis „nee, das ist wirklich so“ wird eine Bestätigung nachgescho-
ben: Möglicherweise, um Kritik an dieser Sichtweise die Luft aus den Segeln zu
nehmen. Hier herrscht also durchaus die Einschätzung vor, dass der Einsatz dazu
ausreiche, sich vor anderen kompetent darzustellen, indem man verschiedene Apps
nutzt. Das Vorhandensein wirklicher Kompetenz wird durch die Verwendung des
Konjunktivs am Ende des Zitats eher kritisch eingeschätzt.
Diese Sichtweise einer kompetenten Anwendung einzelner Apps und damit
generell einer mediendidaktischen Perspektive auf das Tablet musste sich allerdings
erst durchsetzen, da gerade zu Beginn das Tablet in der Schule kritisch beäugt und
als „Spaßgerät und nicht als Arbeitsgerät“ wahrgenommen wurde. Das Tablet sug-
gerierte, dass man etwas Privates macht und stieß in der Wahrnehmung der Refe-
rendarinnen und Referendare auf „zwischenmenschliche Widerstände“. Während
in der Einschätzung der Schülerinnen und Schüler wie auch der Kolleginnen und
Kollegen dieser Wandel hin zum Arbeitsgerät stattgefunden hat und damit dem
Tablets in der Schule aus Perspektive der Lehrerbildung 291

Tablet auch ein Wert zugesprochen wird, hat das Smartphone diese Entwicklung
nicht gemacht. Im Gegensatz zum Tablet wird das Handy übereinstimmend zwar
als „praktisch“, allerdings als nicht „schulkompatibel“ eingeschätzt, da es immer
mit Handlungspraktiken verbunden ist, die als „private“ konnotiert seien und
damit nicht zum schulischen Handeln passen.

Ja, aber z. B. ich war auf so einer Veranstaltung bei uns in der Schule und hab
was auf meinem Handy gemacht und ich hab was gegoogelt, was inhaltliches,
was damit zu tun hatte, was der Redner gerade erzählt hat. Und hinterher kam
eine Lehrerein, also eine Kollegin, auf mich zu und sagte das geht gar nicht,
ich hätte eine Vorbildfunktion und ich hätte da mein Handy und die Schüler
und so und wenn die mich sehen und so weiter, es wär… so. Und so ein Tablet,
das kann ich momentan einfach besser verkaufen als ich schreib da was mit.
Das wird irgendwie so zwischen Laptop und Handy wahrgenommen, also ist
so mein Eindruck gewesen.

Auffällig in diesem Zitat ist zum einen der Hinweis auf die Vorbildfunktion, die
der Referendar bzw. die Referendarin nur ausfüllen kann, wenn das Smartphone
nicht im schulischen Alltag auftauche. Hier wird die Sichtbarkeit des Smartphones
automatisch konnotiert mit etwas, was in der Schule (und während eines Vortrags)
nichts zu suchen hat. Unklar bleibt, ob es um die Ablenkung vom Vortrag an sich
oder das Medium des Smartphones geht. Interessanterweise wird dieses Erlebnis
dann eingeordnet, indem eine Marktmetapher genutzt wird: „[…] kann ich mo-
mentan einfach besser verkaufen als ich schreib da was mit“. Es geht also in dieser
Situation darum, etwas zu verkaufen, die Handlungspraktik also so anzubieten,
dass sie vom gegenüber auch abgenommen wird.

Also, das klingt jetzt vielleicht komisch, aber wenn ich halt in Seminarveran-
staltungen sitze, dann wird mir das halt momentan, dadurch, dass wir halt
auch immer wieder gesagt haben wir schreiben mit auf dem Tablet, wir machen
da keinen Quatsch, aber mir wird es dann einfach ein bisschen mehr abge-
nommen, dass ich da auch mitarbeite. Wenn ich jetzt, ich könnte ja dasselbe
auf dem Smartphone machen, aber wenn die Leute sehen, dass man auf dem
Smartphone was macht, dann wird das schon kritisch, noch kritischer beäugt
als auf dem Tablet. So ein Tablet wird mehr als Arbeitsgerät wahrgenommen,
also ich meine jetzt so unter Kollegen, mit Vorgesetzten und so.

Der Referendar bzw. die Referendarin macht durch die Einführung (das klingt
jetzt vielleicht komisch) schon klar, dass er/sie selbst irritiert ist und das Folgende
292 Mandy Schiefner-Rohs

nicht ganz einordnen kann. Die Erläuterung der Handlung und die anschließende
Rechtfertigung („wir schreiben mit auf dem Tablet, wir machen da keinen Quatsch“)
machen klar, dass die Nutzung von Smartphones nicht selbstverständlich ist, oft mit
Handlungspraktiken der Freizeit konnotiert ist und damit im schulischen Einsatz
immer noch erläutert und gerechtfertigt werden muss. Allein das Tablet (bei der
gleichen Nutzungsform auf dem Smartphone) wird mit Arbeiten konnotiert und
dabei weniger kritisch gesehen als das Handy. Dabei ist das Tablet nicht unkritisch,
jedoch in der Wahrnehmung der Kolleginnen und Kollegen das Handy „noch
kritischer beäugt“. Allein das Wort beäugen weist auf die genaue und sorgfältige,
jedoch auch kritische und abwartende Haltung hin. Diese kritische Haltung der
Kolleginnen und Kollegen wird allerdings nach Aussage der Referendarinnen und
Referendare auch durchbrochen, wenn es einen Einblick in die Möglichkeiten des
Tablets gibt.

Also so am Anfang, wenn, wenn‘s noch neu ist, dann gucken sie kritischer und
wenn man dann deutlich macht, hier, man arbeitet ja mit, man bringt sich ein,
man, man kann das parallel und vielleicht auch mal was erklärt, auch mal
zeigt ‚hier schau mal‘. Da sind meine Kollegen ganz beeindruckt momentan
an der Schule, wenn ich denen zeig, dass ich da auch was mit arbeite.

D. h. zum einen sind die Kolleginnen und Kollegen zu beeindrucken durch die
Nutzung eines Tablets, zum anderen deutet der Nachsatz darauf hin, dass das
Arbeiten nicht als erste Praxis gesehen wird: „dass ich da auch was mit arbeite“
scheint in Augen der Referendarinnen und Referendare nicht unbedingt im Fokus
zu liegen, wie das „auch“ betont.

4 Diskussion und Fazit

Im vorliegenden Pilotprojekt wurde untersucht, wie Referendarinnen und Refe-


rendare das Tablet im Arbeits- und Schulalltag nutzen. Ziel war es, mediale Hand-
lungspraktiken nachzuzeichnen, die sich durch die Nutzung und die Verfügbarkeit
des Tablets als Lern- und Arbeitsinstrument ergeben. Zusammenfassend lässt
sich sagen, dass die Referendarinnen und Referendare einen probierenden Modus
haben, um einen Mehrwert aus dem Tableteinsatz zu ziehen. Dabei geht es darum,
sowohl zum einen den schulischen Alltag zu unterstützen als auch darum, sich in
der Gruppe auszutauschen und somit eine vergemeinschaftete Problembewältigung
zu schaffen. Nach einem ersten Durchlauf entsteht der Eindruck, dass Referendar-
Tablets in der Schule aus Perspektive der Lehrerbildung 293

innen und Referendare immer noch dabei sind, sich mediale Handlungspraktiken
zu erarbeiten. Gerade die Routinen, die sich im Handeln herausbilden oder auch
nicht, sind immer wieder Thema im Gruppeninterview. So werden auf der einen
Seite durchaus Veränderungen wahrgenommen und als positiv erachtet. Auf der
anderen Seite fällt es schwer, diese Handlungspraktiken aufrecht zu erhalten, so
ist doch für das ein oder andere Tun die traditionelle Lösung, z. B. mit Stift und
Notizbuch oder aber mit dem Smartphone, effektiver und zielführender. Überra-
schend waren die Diskussionen im Zusammenspiel von Handy und Tablet: Hier
finden sich nach Meinung der Referendarinnen und Referendare unterschiedliche
Zuschreibungen, welche die Nutzung erschweren und teilweise zum Abbruch des
Projekts führten, da z. T. Referendarinnen und Referendaren der „Mehrwert“ des
Tablets nicht klar wurde. In der Schule ist das Tablet zwar immer wieder von Kol-
leginnen und Kollegen beäugt, insgesamt in der Einschätzung allerdings deutlicher
mit „Arbeitsgerät“ verbunden als das Handy bzw. Smartphone. Und dies, obwohl
die Nutzung des Smartphones für viele Aspekte in den Augen der Referendarinnen
und Referendare als praktischer wahrgenommen wird, ebenfalls wie die Nutzung
des eigenen Computers bzw. Laptops. Hier sieht man deutlich, dass das Tablet erst
einmal traditionell genutzt wird, indem Routinen, die man sonst mit Papier und
Stift, dem Handy oder dem Computer machte, auch auf das neue Gerät übertragen
werden. Mehrwerte des mobilen Lernens oder einer persönlichen Lernumgebung
werden erst langsam sichtbar und benötigen der Anleitung, da sonst das Problem
besteht, zum einen als „Außenseiter“ wahrgenommen zu werden und zum anderen
in alte Handlungsroutinen zurückzufallen – ein Umstand, der in der Gruppendis-
kussion immer wieder anklingt.
Deutungsmuster des Medieneinsatzes orientieren sich konkret an Handlungs-
praktiken und in deren Übertragung auf den Einsatz von Geräten. Betrachtet man
verschiedene Argumentationsmuster im Gruppeninterview tiefer, so fällt auf, dass
in der Diskussion der Referendarinnen und Referendare untereinander das Tablet
als einzelnes Gerät wahrgenommen wird, welches eher offline bzw. ohne Verbin-
dung zur Außenwelt gesehen wird, einzig die Synchronisationsfunktion zwischen
eigenen Geräten wird genutzt. In den Diskussionen geht es nicht um Vernetzung
oder einen Austausch, der durch die Geräte ermöglicht werden kann, sondern um
die Unterstützung individueller Handlungspraktiken der eigenen Organisation
bzw. der Organisation und Vorbereitung von Unterricht. Nimmt man die anderen
Dokumente hinzu, so fällt auch auf, dass Unter den Apps, die genutzt werden, vor
allem solche vertreten sind, die individuelles Handeln und Vorbereitungshandeln
ermöglichen (Besprechung von Folien, Anfertigen von Notizen oder Fotos, …).
Das Referendariat wurde in diesem Artikel und Projekt speziell mit dem Ziel
thematisiert, die Ausbildung medialer Handlungspraktiken im Übergang vom
294 Mandy Schiefner-Rohs

Studium zum Berufsleben in den Blick zu nehmen. Es zeigte sich auch hier, dass
die Referendariatsphase, ähnlich wie in anderen Untersuchungen (vgl. z. B. Wernet
2009) als sensible Phase wahrgenommen werden kann: Es ergibt sich in gewisser
Weise ein Spannungsfeld zwischen der eigenen Mediennutzung, der unterrichtlichen
Mediennutzung sowie den Anforderungen in Lehrproben, die sich in vielen Fällen
ausschließen. So steht die Organisation des eigenen Arbeitsprozesses im Fokus, der
nur in Sitzungen mit Kolleginnen und Kollegen in den Blick fällt. Ein Einsatz im
Unterricht während Lehrproben beispielsweise wurde von den Referendarinnen und
Referendaren gar nicht erwähnt. Zu vermuten ist, dass dieser kaum stattfindet, auch
ausgehend von den oft durch die Referendarinnen und Referendare eingeschätzten
schlechten Ausstattungen der Schulen. Erstaunlich ist damit zusammenhängend
auch die mangelnde Thematisierung der Nutzung des Tablets im Vorbereitungs-
dienst selbst. Während die eigene Handlungsroutine sowie der Einsatz des Tablets
im Unterricht thematisiert werden, bleibt im gesamten Verlauf der Diskussion eine
Lücke im Bericht der Ausgestaltung des Vorbereitungsdienstes an sich. Im Kontext
wurde auf viele Aufgaben und Belastungen der Referendarinnen und Referendare
hingewiesen, so dass es schwierig erscheint, daneben noch eine weitere Routine
auszubilden. Gerade wenn Handlungen mit Tablet/Smartphone von anderen kri-
tisch betrachtet werden, liegt der primäre Fokus nicht darauf, in diesem Bereich
Handlungsroutinen zu bilden.
Das bisherige Projekt ist explorativ angelegt, indem erste Anhaltspunkte für eine
medienpädagogische Beschäftigung mit der Phase der Berufseinübung generiert
werden sollten und in dem die Adressierung digitaler Medien auch im Referenda-
riat fokussiert wurde. Es hat sich gezeigt, dass diese Perspektive auch dahingehend
erhellend sein kann, die Veränderung von pädagogischen Handlungspraktiken
durch digitale Medien näher in den Blick zu nehmen. Vor allem das Zusammen-
spiel von außerschulischen und unterrichtlichen Handlungspraktiken, sowohl von
Referendarinnen und Referendaren als auch von Studienseminarleitenden und
Kolleginnen und Kollegen, gilt es dabei näher in den Blick zu nehmen.
Tablets in der Schule aus Perspektive der Lehrerbildung 295

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III
Fachdidaktische Aspekte
der Tabletforschung
Ein TApplet für die Mathematik
Zur Bedeutung von Handlungen mit physischen
und virtuellen Materialien
Silke Ladel

Zusammenfassung

Digitale Medien halten großes Potenzial zur Unterstützung mathematischer


Lehr- und Lernprozesse bereit . Dabei eignen sich insbesondere Tablets für den
Einsatz und die Nutzung durch junge Kinder . Der Komplexität des Einsatzes
und der Nutzung im Mathematikunterricht wird mit Hilfe der Artefact-Centric
Activity Theory begegnet . Auf dieser theoretischen Grundlage werden im fol-
genden Beitrag zwei Forschungsprojekte vorgestellt . Das eine befasst sich mit
dem Aufbau von Zahlkonzepten und damit wie die Entwicklung eines kardi-
nalen Zahlkonzepts durch den Einsatz der multitouch-Technologie unterstützt
werden kann . Das andere Projekt widmet sich dem verständnisvollen Umgang
mit Zahlen und der Verknüpfung der beiden Prinzipien des Bündelns und des
Stellenwerts . Bei beiden Projekten werden insbesondere Handlungen mit vir-
tuellen und physischen Materialien in den Blick genommen .

1 Einleitung

Der Einzug von Tablets und den darauf zur Verfügung gestellten Anwendungen (im
Folgenden kurz: Apps) in den Bildungsbereich stellt auch die Fachdidaktik Mathe-
matik vor die Aufgabe, das Potenzial dieses digitalen Mediums zur Unterstützung
mathematischer Lehr- und Lernprozesse zu eruieren und es für den Unterricht
nutzbar zu machen . Während der herkömmliche Computer mit dem Eingabegerät
Maus sowie die häufig vorzufindende räumliche Organisation dieser Geräte in
einem Computerraum nur wenig zu den Prinzipien des Lehrens und Lernens in
der Primarstufe passen, bietet das Tablet Möglichkeiten, die dem Arbeiten mit und
301
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_13
302 Silke Ladel

von gerade jungen Kindern sehr entgegenkommt. Hinsichtlich der Hardware ist es
beispielsweise von großem Vorteil, dass die Kinder direkt mit ihren Fingern ohne
den Mittler Maus mit den Objekten am Bildschirm tätig werden können (vgl. Kor-
tenkamp und Dohrmann 2010). Schwierigkeiten mit der Maus bei Kindern, deren
Hand-Auge-Koordination noch nicht vollständig entwickelt ist, entfallen somit.
Auch die Multitouch-Technologie hält insbesondere für das Lehren und Lernen
mathematischer Inhalte großes Potenzial bereit. Einher mit dem Fortschritt der
Technologie ging ein Wandel in der Art der Anwendungen. Während am Computer
auch heute noch Lernsoftware nach dem Motto eine für alles dominiert, sind die
Anwendungen am Tablet meist von spezifischerer Art und zielgerichteter nach
dem Prinzip Gewusst was! So stehen je nach Bedarf unterschiedliche Apps zur
Verfügung, die häufig individuell angepasst werden können. Dies führt auch in der
didaktischen Umsetzung und dem Einsatz und Nutzen der Geräte im Unterricht
dazu, dass Tablets zielgerichteter und individueller eingesetzt werden können.
Der Einsatz von Tablets im Mathematikunterricht ist jedoch sehr komplex.
Viele verschiedene Faktoren nehmen auf die Lehr- und Lernprozesse Einfluss und
so ist der Erfolg nicht zuletzt beispielsweise auch immer abhängig von der jeweilig
ausgewählten App oder der fachlichen, der fachdidaktischen sowie der mediendi-
daktischen Kompetenz der Lehrkraft. Die Artefact-Centric Activity Theory (kurz:
ACAT) bietet einen guten theoretischen Rahmen, um dieser Komplexität Herr zu
werden. ACAT widmet sich gezielt drei Bereichen. Zum einen wird das Tablet als
vermittelndes Artefact in das Zentrum der zu erforschenden Aktivitäten zwischen
Schülerinnen bzw. Schülern und Mathematik gestellt. Internalisierungs- und
Externalisierungsprozesse können so gezielt analysiert und erforscht werden. Des
Weiteren werden dem Design und der Analyse des Tablets und der App Rechnung
getragen, indem beispielsweise Prinzipien aus unterschiedlichen Bezugsdisziplinen
als Entscheidungskriterien zur Gestaltung herangezogen werden. Der dritte Bereich
von ACAT widmet sich dem Einsatz im Unterricht mit all seinen Facetten. Dabei
findet das individuelle Kind, die Klasse sowie die Lehrkraft Beachtung.
Im Folgenden wird zunächst ein Einblick in die theoretischen Grundlagen der
ACAT gegeben. Daran anschließend werden zwei Forschungsprojekte fokussiert, die
sich inhaltlich zum einen mit dem kardinalen Zahlkonzept sowie zum andern mit
einer Verknüpfung der Prinzipien des Bündelns und des Stellenwerts beschäftigen.
An beiden Beispielen wird aufgezeigt, wie eine Unterstützung des mathematischen
Lernprozesses mit dem Tablet erfolgen kann. Dabei werden insbesondere die erste
und zweite Phase in den Blick genommen, bei denen die Handlung mit virtuellem
Material in Kombination mit seinem physischen Äquivalent im Sinne eines duo
of artefact (Voltolini 2016) großes Potenzial zur Unterstützung mathematischer
Lehr- und Lernprozesse bereit hält.
Ein TApplet für die Mathematik 303

2 Die Artefact-Centric Activity Theory (ACAT)

Abb. 1 Die Artefact-Centric Activity Theory (ACAT) (Ladel und Kortenkamp 2013a)

Die Artefact-Centric Activity Theory (vgl . Abb . 1) wurde entwickelt um der Komple-
xität des Einsatzes digitaler Medien im Mathematikunterricht Herr zu werden . Sie
basiert auf der Activity Theory nach Leontjev (1978) . Darin sind die Subjekte, hier
die Schülerinnen und Schüler, aktive Handlungsträger . Sie sind bildungsbedürft ig
und darum selbsttätige Menschen, die Tätigkeiten ganz bewusst durchführen .
Diese Tätigkeiten finden jedoch nicht losgelöst von allem anderen statt, sondern
haben immer eine bestimmte Gegenständlichkeit, ein Objekt, in unserem Fall die
jeweilige Mathematik . Diese existiert zum einen unabhängig von anderen Dingen
als solche, zum anderen existiert sie als Bild ihrer selbst, als ein Produkt ihrer Eigen-
schaften . Die Addition lässt sich beispielsweise objektiv definieren und beschreiben,
es gibt aber auch ganz subjektive Sichtweisen . So existieren beispielsweise diverse
Grundvorstellungen der Addition (vgl . Vom Hofe 1995), welche die Denk- und
Handlungsprozesse des Subjekts bestimmen können .
304 Silke Ladel

Bei seinen Tätigkeiten bedient sich das Subjekt immer bestimmter Werkzeuge
(instruments, mediating artefacts). Die Trias Subject – Object – Tools ist auf den
Instrumental Act von Vygotky (1997) zurückzuführen. Das Kind interagiert demzu-
folge nicht direkt mit dem Objekt sondern über das Werkzeug, in unserem Fall über
die App am Tablet. Dieses Werkzeug bringt Veränderungen in der Interaktion mit
sich. Manche der vorherigen Prozesse werden evtl. unnötig, da sie vom Werkzeug
übernommen werden. Das Werkzeug birgt aber auch neue Möglichkeiten. Es ver-
ändert den Ablauf der Tätigkeiten, z. B. die Intensität oder die Dauer der Prozesse.
In ACAT ist dieses Werkzeug, im Folgenden speziell das Tablet mit einer App, als
vermittelndes Artefakt zwischen dem aktiv handelnden Kind und der Mathematik,
in den Fokus der Betrachtungen (Artefact-Centric) gestellt.
ACAT besteht aus drei Bestandteilen. Die Hauptachse (Subject – Artefact – Object)
bezieht sich insbesondere auf die Externalisierungs- und Internalisierungsprozesse,
die bei der Arbeit des Kindes mit dem Tablet bei der Beschäftigung mit mathema-
tischen Inhalten stattfinden. Das rechte obere Dreieck (Artefact – Object – Rules)
widmet sich Fragestellungen, die das Design und die Analyse von Apps vor dem
Hintergrund der Beachtung von Prinzipien (Rules) unterschiedlicher Bezugsdiszip-
linen betreffen. Das linke untere Dreieck (Subject – Artefact – Group) betrachtet den
Einsatz und die Nutzung des Tablets im Unterricht in seiner ganzen Komplexität.
Der Prozess der Verinnerlichung (Interiorisierung) erfolgt in der Mathematik
über das konkrete Handeln mit didaktischem Material. Hierauf aufbauend finden
eine Arbeitsrückschau sowie eine Vorhersage des weiteren Vorgehens statt. Dem
Erläutern des eigenen Vorgehens folgt schließlich die Wiedergabe der Strukturen
und Beziehungen der Handlungen rein in der Vorstellung (vgl. Aebli 1987; Ladel
2009). Die Struktur und die Beziehungen einer Handlung sind von wesentlicher
Bedeutung, können aber je nach Artefakt ganz unterschiedlich aussehen. So fol-
gen beispielsweise Handlungen mit virtuellen Materialien und Handlungen mit
physischen Materialien ganz unterschiedlichen Regeln. Da die virtuellen und die
physischen Materialien ihre jeweils ganz eigenen Vorteile aufweisen, ist der Ansatz
des duo of artefact (Voltolini 2016) sehr vielversprechend. Darin werden die Vorteile
beider Artefakte in einem kombinierten Einsatz genutzt, um die Kinder in ihrem
Lernprozess zu unterstützen.
Nun hat jede Person ihre ganz eigene, subjektive Sichtweise des Objekts. Ent-
sprechend fließt auch die subjektive Sicht des Programmierers und Designers
einer App in deren Gestaltung mit ein. Diese beeinflusst ganz entscheidend die
Internalisierungs- und Externalisierungsprozesse des Kindes. So ist grundsätzlich
bereits von Bedeutung, ob bei den Gestaltern einer App beispielweise eine behavi-
ouristisch geprägte Sichtweise der Mathematik vorliegt, was häufig in sogenannte
drill&practice-Apps mündet oder eine eher konstruktivistische Sicht, wie z. B. bei
Ein TApplet für die Mathematik 305

der App Rechendreieck (Urff 2014). Weitere Fragen sind, ob mathematik-didaktische


Prinzipien beachtet werden, indem beispielsweise eine Fünfer- und Zehnerstruktur
vorliegt? Werden Erkenntnisse aus der Multimedia-Forschung bzgl. multipler exter-
ner Repräsentationen in der Umsetzung einer App genutzt? Wichtig ist ebenso zu
wissen, mit welcher Zielsetzung eine App entwickelt wurde. Entsprechend müssen
Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler lernen und wissen, welche App sie wozu
nutzen und einsetzen können.
Nicht zuletzt nimmt die Lehrperson und die Klasse (Group) Einfluss auf die
Lernprozesse eines jeden Kindes. Dabei sind die mathematischen und mathema-
tikdidaktischen Kompetenzen der Lehrperson ebenso wichtig wie die informati-
onstechnischen und mediendidaktischen Kompetenzen. So gilt – wie auch beim
Schulbuch und bei physischen Arbeitsmitteln –, dass die beste App in der Hand
einer nicht-kompetenten Lehrperson nutzlos ist. Des Weiteren besteht ein großes
Potenzial des Tablets darin, dass es zum einen sehr individuell eingesetzt und an-
gepasst werden kann, zum andern aber auch insbesondere das soziale Miteinander
und die Kommunikation fördern kann. So können beispielsweise die einzelnen
Produkte der Kinder vom Tablet über eine Verbindung zum interaktiven White-
board schnell und einfach in der Klasse allen Kindern zugänglich gemacht werden.
Auch die gemeinschaftliche Arbeit an ein und demselben Produkt wird über eine
Vernetzung leichter möglich.
Mit ACAT wird einerseits Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie
Lehrkräften ein Instrument an die Hand gegeben, mit dem bestehende Anwendungen
analysiert und gezielt im Unterricht eingesetzt werden können und andererseits
Entwicklern neuer Anwendungen eine Grundlage für Designentscheidungen ge-
geben (vgl. Ladel und Kortenkamp 2016b). Dies wird in dem vorliegenden Beitrag
anhand zweier Beispiele konkretisiert.

3 Die vier Phasen mathematischer Lernprozesse

Nach Aebli (1987) verlaufen mathematische Lernprozesse in vier Phasen (vgl. Abb.
2). Ausgehend vom Handeln und Operieren mit verschiedenartigen Materialien
(Phase 1) wird über abstraktere, insbesondere bildhafte Darstellungen (Phase 2)
zum Umgang mit reinen Ziffern (Phase 3) übergegangen mit dem Ziel, diesen zu
automatisieren (Phase 4) (vgl. Ladel 2009).
306 Silke Ladel

Abb. 2 Die vier Phasen mathematischer Lernprozesse (Ladel 2009)

Grundlage eines jeden Lernprozesses (Phase 1) stellen die Handlungen und Ope-
rationen dar . Unter einer solchen versteht Aebli (1987, S . 182) „zielgerichtete, in
ihrem inneren Aufbau verstandene Vollzüge, die ein fassbares Ergebnis erzeugen“ .
Entscheidend ist, dass die Kinder sich der Beziehungen bewusst sind oder werden,
die durch die Operation erzeugt oder verändert werden (Aebli 1983, S . 229) . Dabei ist
die Art der Repräsentation der Handlungsobjekte zunächst untergeordnet – wichtig
ist jedoch, dass das Kind die Objekte sehen kann (s . hierzu: Sarama und Clements
2009) . Es ist unbestritten, und das soll an dieser Stelle festgehalten werden, dass
Primärerfahrungen mit physischen Gegenständen wichtig sind und diese nicht
durch den Umgang mit virtuellen Materialien ersetzt werden sollen! Beim Einsatz
digitaler Medien zur Unterstützung mathematischer Lehr- und Lernprozesse bei
jungen Kindern geht es vielmehr um eine sinnvolle Kombination der physischen
und der virtuellen Materialien im Sinne eines duo of artefact (vgl . Maschietto und
Soury-Lavergen 2013; Voltolini 2016), bei dem sich die Vorzüge der jeweiligen
Materialien gegenseitig ergänzen .
In der zweiten Phase des mathematischen Lernprozesses geht es insbesondere
um den Prozess der Verinnerlichung . Über die Möglichkeit einer automatischen
Verknüpfung externer multipler Repräsentationen (kurz: MELR – multiple external
linked representations) besteht durch die Arbeit mit digitalen Medien die Möglich-
keit auch die mentale Verknüpfung beim Kind zu fördern (vgl . Ladel 2009) . Denn
im Prozess der Verinnerlichung ist es von besonderer Bedeutung, dass „jede neue,
symbolischere Darstellung der Operation […] mit der vorangehenden, konkreten
in möglichst enge Verbindung gebracht wird […] .“ (Aebli 1983, S . 238) . Handlungen
Ein TApplet für die Mathematik 307

in einer Darstellungsform führen durch die automatische Verknüpfung simultan


zu Änderungen in einer anderen Darstellungsform . So können den Kindern die
Auswirkungen ihrer Tätigkeiten in der enaktiven Repräsentationsform beispiels-
weise gleichzeitig auf symbolischer Ebene angezeigt und so eine Verknüpfung
beider Darstellungsformen geschaffen werden .
Ein Großteil der aktuell vorhandenen Lernsoft ware im Bereich Mathematik ist
der dritten und vierten Phase zuzuordnen (vgl . Abb . 3) . Auch wenn diese häufig
aufgrund des behavioristischen Ansatzes mit seinem drill&practice kritisiert wird,
so sind Fertigkeiten bezogen auf die Geläufigkeit der Grundaufgaben durchaus
wichtig und sinnvoll (vgl . die zwei Verläufe mathematischer Lernprozesse nach
Grassmann et al . 2014) und können durch eine gut gestaltete, motivierende App
gezielt gefördert werden . Voraussetzung hierfür ist jedoch ein gesichertes Verständnis
des mathematischen Inhalts .

Abb. 3 Apps zur Unterstützung in der dritten und vierten Phase des mathematischen
Lernprozesses

In den beiden im Folgenden vorgestellten Forschungsprojekten wird der Fokus


insbesondere auf Phase 1 und 2 gelegt . Denn gerade hier birgt das Tablet vielfältige
Möglichkeiten zur Unterstützung des mathematischen Lehr- und Lernprozesses . So
ermöglicht beispielsweise die Bedienung über die touch-Funktion den Kindern direkt
mit den virtuellen Objekten zu hantieren und zu operieren . Dies ist insbesondere für
junge Kinder mit einer noch nicht fertig ausgebildeten Hand-Auge-Koordination von
Vorteil . Gleichzeitig kann die hohe Flexibilität des digitalen Mediums genutzt werden
308 Silke Ladel

und zum Beispiel Formen und Farben geometrischer Objekte leicht und schnell
verändert werden . Es bedarf jedoch eines Bewusstseins dafür, dass Handlungen
mit physischen und mit virtuellen Materialien ganz unterschiedliche Bedeutung
haben können . Dies wird im Folgenden anhand des kardinalen Zahlkonzepts sowie
anhand der Prinzipien des Bündelns und des Stellenwerts aufgezeigt .

4 Zur Förderung des kardinalen Zahlkonzepts

4.1 Externalisierungs- und Internalisierungsprozesse am


Tablet

Abb. 4 Externalisierungs- und Internalisierungsprozesse zum kardinalen Zahlkonzept


mit multitouch-Technologie

Zahlen (hier: Object) können unter ganz verschiedenen Aspekten betrachtet werden .
Sie können beispielsweise zur Angabe einer Anzahl (Wie viele?), einer Rangfolge
(Der wievielte?), zur Codierung (z . B . Postleitzahl) oder als Rechenzahl (z . B .
Kommutativgesetz) genutzt werden . Für ein vollständig entwickeltes Zahl- und
Operationsverständnis, das notwendige Grundlage für weiterführendes Rechnen
ist, spielt insbesondere der Erwerb des kardinalen sowie des sich daraus entwi-
ckelnden Teil-Ganze Konzepts eine zentrale Rolle (vgl . Resnick 1983; Ladel 2011) .
Ein TApplet für die Mathematik 309

Hat das Kind (hier: Subject) ein solches entwickelt und weiß, dass eine Zahl aus
verschiedenen Teilen zusammengesetzt werden kann, so fällt der Übergang zur
Addition und Subtraktion leicht. Dominiert hingegen das ordinale Zahlkonzept, so
löst das Kind Additions- und Subtraktionsaufgaben häufig zählend und ist nicht in
der Lage Zusammenhänge zwischen Aufgaben oder Zahlbeziehungen herzustellen.
Ein erstes Artefact, mit dem Kinder ihr mentales Verständnis von Zahlen exter-
nalisieren, sind die Finger. Die Finger sind grundsätzlich ein gutes Arbeitsmittel,
da sie immer verfügbar sind und Beziehungen zur fünf sowie zur zehn aufweisen.
Dies ist im Hinblick auf das Prinzip der Kraft der Fünf sowie auf unser dezimales
Zahlsystem notwendig. In einer Untersuchung von ca. 200 Kindern im Alter
zwischen 5 und 8 Jahren wurde die Art der Fingernutzung zur Darstellung von
Zahlen und Operationen untersucht (vgl. Ladel 2011). Unter anderem konnte darin
die Bedeutung der Beziehungen zur Fünf und zur Zehn als geistige Stützpunkte
nachgewiesen werden. Entscheidend ist, wie die Finger genutzt werden. Brissiaud
(1992) unterscheidet zwei grundlegende Darstellungsarten: Als Finger Symbol
Sets eingesetzt, wird eine Anzahl auf einen Blick gezeigt. Hier steht das kardinale
Zahlkonzept im Vordergrund sowie auch das Teil-Ganze Konzept, z. B. acht als vier
Finger der einen Hand und vier Finger der anderen Hand. Bei der Darstellungsart
Counting Word Tagging to Number wird jedem Finger im Sinne der Eins-zu-Eins-
Zuordnung genau ein Zahlwort zugeordnet und zählend vorgegangen. Ziel des
mathematischen Anfangsunterrichts ist es die Kinder dahin zu bewegen, ihre
Finger im Sinne von Finger Symbol Sets zu nutzen.
Während nun über das Eingabegerät Maus lediglich ein singletouch möglich ist
(auch wenn dieser dann mehrere Objekte auf einmal erzeugen kann) können die
Kinder mithilfe der multitouch-Technologie mehrere Finger gleichzeitig auf den
Bildschirm legen und so eine größere Anzahl an Objekten auf einmal erzeugen (vgl.
Abb. 4 und Abb. 5). Es wurde der Frage nachgegangen, wie der Aufbau grundlegen-
der Zahl- und Operationskonzepte durch den Einsatz von multitouch-Technologie
unterstützt werden kann. Dazu wurde zunächst der Umgang von 5-Jährigen mit
touches am Trackpad untersucht. Dabei legten Kinder beispielsweise den Handrü-
cken auf das Trackpad oder die ganze Handfläche. Auch wenn sie das Trackpad nur
mit den Fingerspitzen berührten, waren diese häufig so nah aneinander, dass sie
vom Computer nicht als einzelne Berührungen erkannt wurden. Das zeigt erneut,
dass die Bedienung des touch-Bildschirms nicht intuitiv ist, sondern erst erlernt
werden muss. Dieser Lernprozess geht jedoch sehr schnell.
310 Silke Ladel

Abb. 5 Ordinales und kardinales Zahlkonzept mit Fingern und am Touchpad

4.2 Design und Analyse von Apps

Ob die Multitouch-Technologie und deren Nutzung in einer App die Entwicklung


des kardinalen Zahlkonzepts tatsächlich unterstützen kann, hängt in großen Teilen
vom Design der App ab. Bereits die Antwort auf die Frage, wie die Fingerberüh-
rungen visualisiert werden sollen, lässt mehrere Möglichkeiten zu. Wird in der App
TouchCounts (Tangible Mathematics Project 2014) (vgl. Abb. 6 links) der Bildschirm
mit einer gewissen Anzahl von Fingern berührt, so erfolgt eine auditive Wiedergabe
des Zahlworts und die Anzahl wird in Form von kleinen Kreisen angezeigt, die
sich kreisförmig bewegen und von einem größeren Kreis umschlossen sind. Eine
Strukturierung im Sinne der Kraft der Fünf ist nicht gegeben, so dass die Anzahl
bei der Erfassung entweder gezählt oder über die Verbindung zur symbolischen
Darstellung gelesen werden muss. Jede gelegte Anzahl wird in einer anderen Farbe
dargestellt, die auch bei anschließender Addition erhalten bleibt. So sind die beiden
Ausgangsmengen auch nach der Vereinigung immer noch ersichtlich. In einer
unveröffentlichten Eigenproduktion (vgl. Abb. 6 Mitte; vgl. Ladel und Kortenkamp
2013a, 2013b) ist die Anzahl der Fingerberührungen in Form von einfarbigen
roten Quadraten visualisiert, die entsprechend dem Hunderterfeld mit Fünfer-
struktur angeordnet werden. Eine quasi-simultane Anzahlerfassung ist dadurch
möglich, ebenso wird aber auch das Zahlsymbol angezeigt, so dass die ikonische
Darstellung automatisch mit der symbolischen verknüpft ist. Bei Addition zweier
Mengen erscheint zwar kurz die Additionsaufgabe, anschließend ist jedoch nur
noch die Summe zu sehen. Durch die Anordnung im Hunderterfeld wird bei dieser
Designvariante eine Verbindung des virtuellen Materials zu seinem physischen
Äquivalent geschaffen. Bei beiden Apps erfolgt eine automatische Strukturierung
Ein TApplet für die Mathematik 311

der gelegten Objekte . Anders ist das bei der App Fingerzahlen – Fingermengen (Urff
2015; vgl . Abb . 6 rechts) . Hier werden die Bildschirmberührungen als Fingerab-
drücke visualisiert, die genau an der Stelle erscheinen und liegen bleiben, an denen
der Bildschirm berührt wurde . Es erfolgt keine Strukturierung . Allerdings ist im
Gegensatz zu den ersten beiden vorgestellten Apps bei dieser kein freies Legen
möglich, sondern es ist die Aufgabe, eine symbolisch vorgegebene Zahl mit den
Fingern zu legen . Eine Strukturierung, die eine quasi-simultane Anzahlerfassung
ermöglichen würde, ist bei dieser Aufgabenstellung zunächst einmal also nicht
unbedingt notwendig . Die Entscheidung für die eine oder andere Gestaltungsweise
ist demnach auch immer abhängig von der Aufgabe und dem Ziel, das eine App
verfolgt . So ist es grundsätzlich wichtig, Designentscheidungen zu begründen und
so für die Anwender nachvollziehbar zu machen .

Abb. 6 Varianten der Visualisierung von Fingerberührungen

In einer Studie mit 60 Kindern im Alter von ca . 5 Jahren wurde u . a . untersucht,


wie diese verschiedene vorgegebene Anzahlen auf dem multitouch-Tisch erzeugen
(Ladel und Kortenkamp 2013b) . Dazu arbeiteten die Kinder jeweils zu zweit für ca .
15 Minuten am multitouch-Tisch . Es wurden Videoaufnahmen der Kinder gemacht,
eine Log-Datei zeichnete die Fingerberührungen am Bildschirm auf . Unter anderem
zeigten die Ergebnisse, dass Kinder Anzahlen zwar teilweise mit den Fingern auf
einmal zeigen konnten, die Finger aber dennoch hintereinander zählend auf den
Bildschirm legten . Als ein Grund hierfür waren zunächst Mängel in der Funktion
der Technik auszumachen . Ein weiterer Einfluss lag darin, ob die Objekte von
einem Bereich in einen anderen gezogen oder geschoben werden müssen oder
eine einfache Bildschirmberührung zur Herstellung von Objekten benötigt wird .
Ebenso zeigten Impulse wie Kannst du das auch auf einmal legen? einen Einfluss
312 Silke Ladel

auf die Art und Weise wie Kinder ihre Finger am Multitouch-Tisch nutzten. Fest-
zuhalten ist, dass die Handhabung der Finger in der Realität und die Finger auf
dem Bildschirm zwei unterschiedliche Artefakte sind, die getrennt voneinander
betrachtet werden müssen. Die Ergebnisse stützen auch die Rolle der begleitenden
Lehrperson sowie die Tatsache, dass Aufzeichnungen der Finger-Berührungen
allein nicht aussagekräftig genug sind. Weitere Ergebnisse (s. hierfür Ladel und
Kortenkamp 2013b) zeigten, dass Kinder beim Bearbeiten der Aufgabenstellung
auf ganz unterschiedliche Zahlkonzepte zurückgreifen und diese in Abhängigkeit
von der jeweiligen Situation, bzw. in Abhängigkeit von der Größe der Zahlen oder
auch des vermittelnden Artefakts, gebrauchen. So konnten unterschiedliche Zer-
legungsarten wie Halbieren, die Kraft der Fünf nutzend oder Gruppierungen im
Sinne des dezimalen Teil-Ganze Konzepts ausgemacht werden. Insbesondere aber
haben die Studien gezeigt, dass die Funktionalität der Technik und das Design der
Anwendung großen Einfluss auf die Handlungen der Kinder haben.
In der Fortführung des Projekts zur Förderung des kardinalen sowie des Teil-Gan-
ze Zahlkonzepts wurde nun gezielt nach bestehenden Anwendungen recherchiert,
die ein entsprechendes Potenzial aufweisen. Während die meisten Apps dem Bereich
Zählen oder Zählen lernen zuzuordnen sind, sind Apps zur Unterstützung der
Mengendarstellung durch Nutzung der multitouch-Technologie rar. Die beiden
Apps Fingu (Image & Form International AB 2015) und Ladybug (Scrivens 2013),
die für das Projekt ausgewählt wurden, werden im Folgenden kurz vorgestellt.
Aufgabe bei der App Ladybug (vgl. Abb. 7) ist es mit genauso vielen Fingern
den Bildschirm zu berühren wie schwarze Punkte auf dem Marienkäfer zu sehen
sind. Es geht also zunächst um eine Anzahlerfassung mit einer anschließenden
Anzahldarstellung. In den Einstellungen kann zwischen den Modi 1 to 10 und
random gewählt werden. Die Anzahl der Punkte auf dem Marienkäfer fängt je nach
Modus mit eins an und geht die Zahlenreihe bis zehn durch oder sie wird zufällig
gewählt. Ebenso kann zwischen finger mode und tap mode gewählt werden. Während
beim finger mode die Fingerberührungen erkannt werden, egal wo die Finger auf
den Bildschirm liegen, müssen die Finger beim tap mode direkt auf die schwarzen
Punkte des Marienkäfers gelegt werden. Die Anzahl der gelegten Finger wird bei
beiden Modi angezeigt, indem die schwarzen Punkte grün umkreist werden. Haben
genauso viele Finger den Bildschirm berührt wie Punkte auf dem Marienkäfer zu
sehen sind, läuft dieser nach oben weg und ein neuer Marienkäfer erscheint.
Ein TApplet für die Mathematik 313

Abb. 7 Die App Ladybug (Scrivens 2013)

Die Aufgabenstellung bei der App Fingu (vgl . Abb . 8) ist die Gleiche wie bei Ladybug:
Ziel ist eine Anzahlerfassung mit anschließender Anzahldarstellung . Allerdings ist
die App anders gestaltet . Bei Fingu wird eine Anzahl an Früchten einer bestimmten
Sorte in strukturierter Anordnung gezeigt, so dass eine quasi-simultane Anzah-
lerfassung möglich ist . Allerdings sind die Früchte nicht ständig sichtbar, sondern
sie bewegen sich über den Bildschirm und verschwinden nach einer gewissen Zeit .
Die Kinder müssen nun innerhalb einer vorgegebenen Zeit die gleiche Anzahl
an Fingern auf den Bildschirm legen . Die Berührungen des Bildschirms sind als
Fingerabdruck visualisiert . Wurde die korrekte Anzahl an Fingern innerhalb der
vorgegebenen Zeit auf den Bildschirm gelegt, so erscheinen lachende Süßigkeiten .
Ist die Anzahl nicht korrekt oder die Zeit abgelaufen, so erscheint eine Zwiebel .
Ein ansteigendes Level sorgt zudem für eine Erhöhung des Schwierigkeitsgrads .
In den Einstellungen sind vielfältige Anpassungen möglich:

• Answer Time First (Zeit zur Bearbeitung einer Aufgabe)


• Answer Time Second (Zeit zur Bearbeitung von Aufgaben, die bereits einmal
richtig gelöst wurden)
• Exposure Time First (Erscheinungszeit der Objekte)
• Exposure Time Second (Erscheinungszeit der Objekte für Aufgaben, die bereits
einmal richtig gelöst wurden)
• Object Distance (Abstand zwischen Sets von Objekten)
• Object Speed (Geschwindigkeit, mit der sich die Objekte bewegen)
• Timeout (Zeit bis zur Spielpause)
• Touch Input Latency (Zeit zwischen dem Berühren des Bildschirms und der
Registrierung des Inputs)
314 Silke Ladel

Abb. 8 Die App Fingu (Image & Form International AB 2015)

4.3 Einsatz und Nutzung der App

In einer Pre-Studie wurden im Winter 2015/16 die beiden Apps Ladybug und Fingu
mit acht 5-jährigen Kindern erprobt . An insgesamt sechs Terminen arbeiteten die
Kinder je max . 15 Minuten mit den Apps . Bei der App Ladybug wurde die Ein-
stellung finger mode – random gewählt . Die Einstellungen der App Fingu wurden
ausgehend von den ursprünglich vorhandenen Einstellungen wie folgt angepasst:
AnswerTimeFirst: 6, AnswerTimeSecond: 4, ExposureTimeFirst: 0,5 . Die Kinder
wurden bei der Arbeit mit den Apps videographiert, die Videos anschließend mit
Hilfe eines Analysebogens ausgewertet . Dieser beinhaltete folgende Aspekte: In-
struktion/Hilfestellung, Motivation, Mimik und Gestik, Sprache, mathematische
Handlungen sowie Individualisierung . Es liegen erste Beobachtungen vor, die im
Folgenden beschrieben werden . Diese Beobachtungen werden in einer empirischen
Studie weiter erforscht; diese ist aktuell in Arbeit .
Dadurch, dass bei Ladybug der Marienkäfer ständig sichtbar ist, zählten viele
Kinder die Punkte einzeln ab – auch wenn sie die Anzahl vorab bereits quasi-si-
multan erfassen konnten . Durch das Zählen wollten sie sich absichern . Dadurch,
dass die Zeit zur Eingabe der Anzahl durch Fingerberührungen nicht eingeschränkt
war und ebenso das Hintereinanderauflegen von Fingern auf den Bildschirm von
der App als korrekte Lösung anerkannt wurde, legten viele Kinder zählend die
Finger auf . Dabei gingen sie entweder aufbauend die Zahlreihe hoch, indem immer
ein Finger mehr aufgelegt wurde bis die gewünschte Anzahl erreicht war oder sie
legten alle zehn Finger auf und nahmen einen nach dem andern bis zur korrekten
Anzahl wieder weg .
Ein TApplet für die Mathematik 315

Die gleichen Kinder versuchten zunächst auch bei Fingu zählend vorzugehen.
Dadurch konnte jedoch die Zeitvorgabe (s. Einstellungen oben) nicht eingehalten
werden, so dass eine negative Rückmeldung (Zwiebel) erschien. So legten die
Kinder erst immer schneller hintereinander die Finger auf den Bildschirm, bis es
ihnen mit der Zeit auf einmal möglich war. Die Zeitvorgabe ist demnach ein ganz
wichtiges Element, um die Kinder dazu zu bewegen, die Anzahl quasi-simultan
darzustellen. Dies führt zu der Hypothese, dass eine immer kürzere Darstellung
der Früchte den Erwerb einer quasi-simultanen Anzahlerfassung unterstützen
kann. Die Möglichkeit zur individuellen Anpassung der App beinhaltet großes
Potenzial zur Unterstützung des Erwerbs des kardinalen Zahlkonzepts. Diese
ersten Beobachtungen werden durch die Ergebnisse einer Untersuchung von
Baccaglini und Maracci (2015) gestützt. Eine weitere Beobachtung war, dass die
Kinder bei der Anwendung von Ladybug ziemlich schnell gelangweilt waren und
die Motivation nachließ. Ganz anders bei Fingu. Dies wird darauf zurückgeführt,
dass das Aufgabenangebot bei Ladybug zum einen sehr eingeschränkt ist (zehn
Aufgaben, die sich immer wiederholen). Bei Fingu hingegen sorgte das größere
Angebot an Aufgaben zusammen mit abwechslungsreichen Bildern (Wechsel der
Früchte) und der Motivationselemente (Spiel auf Zeit sowie Süßigkeiten/Zwiebel)
dafür, dass die Kinder sich länger anhaltend konzentriert und motiviert mit der
Aufgabenstellung beschäftigten.

5 Bündelungen und Stellenwert – verständnisvoller


Umgang mit Zahlen

5.1 Externalisierungs- und Internalisierungsprozesse


am Tablet

Unser Zahlsystem (hier: Object) ist durch fünf Kennzeichen beschrieben: das Prinzip
der fortgesetzten Bündelung, das Prinzip des Stellenwerts, das Dezimalsystem, das
multiplikative sowie das additive Prinzip (für eine ausführliche Darstellung s. Ladel
und Kortenkamp 2013b, 2014). Im Folgenden stehen insbesondere das Prinzip der
fortgesetzten Bündelung und das Prinzip des Stellenwerts sowie deren Verknüpfung
im Fokus. Nach dem Prinzip der fortgesetzten Bündelung werden immer zehn
Elemente einer Einheit zu einem Element der nächsthöheren Ordnung gebündelt,
so lange bis es nicht mehr geht. In Phase 1 des mathematischen Lernprozesses (s.
vorne) können bei der Erarbeitung von Bündelungen und Entbündelungen ganz
unterschiedliche Materialien (Artefact) genutzt werden. Häufig in Klassenzimmern
316 Silke Ladel

vorzufinden sind Mehrsystemmaterial und Steckwürfel . Während Steckwürfel


an sich zunächst in ganz unstrukturierter Form vorliegen, besteht ein Vorteil des
Mehrsystemmaterials darin, dass eine Dezimalstruktur von Beginn an gegeben
ist (zehn Einerwürfel ergeben eine Zehnerstange, zehn Zehnerstangen ergeben
eine Hunderterplatte, etc .) . Je nach Material haben jedoch die Handlungen ganz
unterschiedliche Bedeutung . Beim Mehrsystemmaterial werden beispielsweise zehn
Einerwürfel gegen eine Zehnerstange getauscht . Dieser Tauschvorgang kann bei
Kindern durchaus dazu führen, dass sie eine Zehnerstange nicht als gleichwertig
zu zehn einzelnen Würfeln (an-)erkennen, da es sich um ganz andere Objekte
handelt . Bei der Arbeit mit Steckwürfeln hingegen werden in der Tat zehn einzelne
Steckwürfel zu einer Zehnerstange gebündelt . Es sind die gleichen Objekte, die
zu einer Zehnerstange zusammen gesteckt werden (vgl . Ladel 2014) . Allerdings
nimmt das Aneinanderstecken der Steckwürfel viel Zeit in Anspruch und sollte
zudem, zur Gewährleistung einer quasi-simultanen Anzahlerfassung, immer in
zwei verschiedenen Farben mit Fünfergliederung erfolgen . In Kombination mit
dem physischen Material können Handlungen mit dem virtuellen Äquivalent Hilfe
leisten . So z . B . mit der App Number Pieces (vgl . Abb . 9) .

Abb. 9 Die App Number Pieces


Ein TApplet für die Mathematik 317

Durch einen einzigen Klick kann eine Zehnerstange entbündelt werden (vgl . Abb .
9 oben), durch einfaches Einkreisen gebündelt (vgl . Abb . 9 unten) . Durch einen
dickeren Strich in der Mitte der Zehnerstange wird zusätzlich automatisch die
Fünferstruktur visualisiert .
Zur Erarbeitung des Stellenwertprinzips wird zumeist die Stellenwerttafel als
Arbeitsmaterial (Artefact) herangezogen . In dieser können Zahlen notiert oder
Plättchen gelegt werden und erhalten je nach Stelle (Spalte) einen bestimmten
Wert zugeordnet, z . B . zwei Plättchen in der Zehnerspalte haben den Zahlenwert
von 2•10 = 20. Nun können an dieser Stellenwerttafel Handlungen vorgenommen
werden, wie z . B . das Verschieben eines Plättchens . Arbeiten die Kinder mit dem
physischen Material, so hat das Verschieben eines Plättchens eine Wertänderung zur
Folge (vgl . Abb . 10 oben) . Wird beispielsweise ein Plättchen von der Zehnerspalte
zur Einerspalte verschoben, so wird der Wert der ganzen Zahl um einen Zehner
vermindert und um einen Einer vergrößert, der Zahlenwert wird also insgesamt um
neun kleiner (-10 +1 = -9) . Diese und weitere Handlungen an der Stellenwerttafel
sind notwendig und wichtig, um Einsicht in unser Stellenwertsystem zu erhalten .

Abb. 10 Zur Bedeutung von Handlungen an der physischen (oben) und an der virtuellen
(unten) Stellenwerttafel
318 Silke Ladel

Wurden das Bündelungs- und das Stellenwertprinzip zunächst getrennt vonein-


ander erarbeitet, so ist es anschließend wichtig, beide Prinzipien miteinander zu
verknüpfen: „Das Netzwerk des Stellenwertkonzeptes wächst weiter, wenn Be-
ziehungen hergestellt werden zum Bündeln und Entbündeln beim Addieren und
Subtrahieren mehrstelliger Zahlen.“ (Gerster und Schulz 2007, S. 30) Grundlage
einer verständnisvollen Erarbeitung der schriftlichen Addition und Subtraktion ist
die Erkenntnis, dass z. B. ein Zehner gleich viel Wert ist wie zehn Einer (1Z = 10E).
Bei der schriftlichen Addition und Subtraktion werden Zehn an der Einerstelle zu
Eins an der Zehnerstelle gebündelt bzw. Eins an der Zehnerstelle zu Zehn an der
Einerstelle entbündelt (Übertrag). Eine Verknüpfung des Bündelungs- mit dem
Stellenwertprinzip ist mit physischen Materialien umsetzbar, wenn Kindern die
Regel vorgegeben wird, dass ein Plättchen beim Verschieben um eine Stelle nach
rechts durch zehn Plättchen ersetzt werden, bzw. immer nur zehn Plättchen um
eine Stelle nach links verschoben und zu einem gebündelt werden können1. Diese
Regel kann aber auch an das digitale Medium ausgelagert werden und automatisch
erfolgen. Dies ist in der App Stellenwerte der Fall. Wird hier ein Plättchen eine Spalte
nach rechts verschoben, so erscheinen automatisch insgesamt zehn Plättchen. Ein
Plättchen eine Spalte nach links zu verschieben geht nur, wenn mindestens zehn
Plättchen in der Spalte sind, so dass weitere neun mit verschoben und zu einem
Bündel nächsthöheren Ordnung zusammengefasst werden können. Das Verschie-
ben eines Plättchens in der Stellenwerttafel hat hier eine andere Bedeutung als
bei seinem physikalischen Äquivalent. Es folgt einer anderen Regel. Bei der App
Stellenwerte bedeutet das Verschieben eines Plättchens eine Darstellungsänderung
bei gleicher Wertigkeit.
Die App Stellenwerte wurde mit dem Ziel der Unterstützung des Aufbaus des
Stellenwertverständnisses in der Primarstufe konzipiert (Ladel und Kortenkamp
2015a). Gründe für diverse Entscheidungen bzgl. des Designs werden im Folgenden
kurz vorgestellt.

1 Häufig wird zur Verknüpfung des Bündelungs- mit dem Stellenwertprinzip mit Mehr-
systemmaterial in der Stellenwerttafel gearbeitet und auch viele Apps greifen dies auf.
Dies sollte jedoch aufgrund diverser Gründe vermieden werden (nähere Informationen
hierzu s. Ladel 2014).
Ein TApplet für die Mathematik 319

5.2 Design der App Stellenwerte

Abb. 11 Design der App Stellenwerte (Kortenkamp 2016)

Die Darstellung der Zählmarken als rote Kreise erfolgte passend zu seinem physi-
schen Äquivalent, den Wendeplättchen oder roten Zählmarken, mit dem die Kinder
zumeist in der Schule arbeiten . Die Kinder können diese einzeln mit ihren Fingern
erzeugen und in die Stellenwerttafel legen oder mehrere auf einmal . Der Wert einer
Zählmarke wird ihr je nach Stelle, in der sie liegt, zugeordnet . Die roten Zählmarken
sind bewusst nicht strukturiert angeordnet, da die Kinder über die Titelzeile deren
Anzahl entnehmen können . Des Weiteren sind die Zählmarken zunächst alle ein-
farbig gehalten . Zum Zeitpunkt des Einsatzes der virtuellen Stellenwerttafel sollte
der Abstraktionsprozess von verschiedenartigen zu gleichartigen Objekten in der
Stellenwerttafel bereits stattgefunden haben . So schreiben Kinder beispielsweise
auch bereits die Ziffern einer Zahl, die stellvertretend für die Objekte stehen, alle
in einer Farbe . Dennoch besteht bei Wunsch der Lehrkraft in den Einstellungen
der App die Möglichkeit in den sogenannten Montessori-Modus zu wechseln . In
diesem sind die Einer grün, die Zehner blau, die Hunderter rot gefärbt (vgl . Abb .
12 oben) . Dadurch wird der einer Anzahl zugeordnete Wert zusätzlich zu seiner
Stelle über dessen Farbe angegeben .
320 Silke Ladel

 
Abb. 12 Curricularer Aufbau und Einstellungsmöglichkeiten in der App Stellenwerttafel
Ein TApplet für die Mathematik 321

In der App Stellenwerte wird zudem vom Potenzial multipler Repräsentationen


(MELR) Gebrauch gemacht. So kann das Kind in der enaktiven Repräsentations-
form interaktiv mit der Stellenwerttafel arbeiten während gleichzeitig die ikonische
Darstellung vorliegt. Eine Verknüpfung zur symbolischen Darstellung besteht in
dreierlei Hinsicht. Zunächst wird die Anzahl der Plättchen in jeder Spalte (z. B. 3
Hunderter) angezeigt. Der gesamte Wert der Zahl erscheint über der Stellenwerttafel
entweder in Ziffernform (z. B. 132) oder in Wortform (z. B. einhundertzweiunddrei-
ßig), was in den Einstellungen unter Show total und Spell out abänderbar ist. Da
bei Angabe einer Zahl rein in Ziffernform (ohne SWT) ein fortgesetztes Bündeln
notwendig ist, wird im Sinne des focus of attention (vgl. Raskin 2000) die Anzahl
in der Spalte rot markiert, wenn in der Spalte mehr als neun Zählmarken liegen
(vgl. Abb. 12 Mitte). Im Sinne eines curricularen Aufbaus der Stellenwerttafel kann
die Anzahl an Stellen (Places), sowie die Nachkommastellen (Fractional Places)
geändert werden. So kann der dezimale Aufbau unseres Stellenwertsystems von
Klasse 1 in der Primarstufe bis zur Sekundarstufe erfahrbar gemacht werden. Über
Änderungen der Basis ist auch eine Nutzung auf universitärem Niveau möglich
(vgl. Abb. 12 unten). Hierbei kann der Zahlenwert zur dezimalen Basis angezeigt
werden oder zu der jeweils gewählten Basis (hier: 4). Das Komma ist in der Stel-
lenwerttafel durch einen Doppelstrich visualisiert (vgl. Abb. 12 unten). Dieser ist
unsymmetrisch gestaltet, um Fehlvorstellungen der Schülerinnen und Schüler
frühzeitig vorzubeugen2.
Eine Verknüpfung des Prinzips des Stellenwerts mit dem Prinzip der Bündelung
erfolgt über eine einprogrammierte Regel: wird eine Zählmarke um eine Spalte nach
rechts verschoben, so erscheinen automatisch zehn. D. h. diese eine Zählmarke wird
entbündelt. Wird eine Zählmarke um eine Spalte nach links verschoben, so gehen
automatisch neun weitere mit, die zu einer Zählmarke nächsthöherer Ordnung
gebündelt werden. Sind weniger als zehn Zählmarken in der Spalte vorhanden so
ist ein Verschieben nicht möglich. Auch ein Bündeln und Entbündeln über mehrere
Spalten hinweg ist möglich.

5.3 Einsatz im Unterricht und Fallbeispiel

Voraussetzung für den Einsatz der virtuellen Stellenwerttafel ist, dass das Prinzip
der Bündelung sowie das Prinzip des Stellenwerts mit den Kindern erarbeitet wurde
(vgl. Ladel 2014) und ein gesichertes Verständnis vorliegt. Erst dann kann darauf
aufbauend eine Vernetzung dieser beiden Prinzipien erfolgen. Hierfür eignet es sich

2 Für nähere Informationen hierzu s. Ladel und Kortenkamp 2015a.


322 Silke Ladel

beispielsweise durch den kombinierten Einsatz der physischen und der virtuellen
Stellenwerttafel beim Kind einen kognitiven Konflikt hervorzurufen . Dies war u . a .
ein Aspekt einer qualitativ angelegten Studie mit leitfadengestützen Interviews auf
der Basis von vier Aufgabenblöcken mit 52 Zweitklässlerinnen und Zweitklässlern
(für mehr Informationen und Ergebnisse hierzu s . Ladel und Kortenkamp 2015b,
2016a) . Zunächst wurde den Kindern eine Stellenwerttafel gezeigt, auf der zwei
Plättchen bei den Zehnern und drei Plättchen bei den Einern zu sehen waren, und
die Frage gestellt, wie die Zahl heißt . Anschließend wurde gefragt, was passiert,
wenn man ein Plättchen von den Zehnern zu den Einern schiebt . Auf die Antwort
der Kinder hin wurde ihnen die virtuelle Stellenwerttafel gegeben und sie wurden
darum gebeten, das Verschieben an dieser auszuprobieren . Exemplarisch sei an
dieser Stelle das Transkript des Interviews (Tab . 1) mit einer Schülerin aufgeführt
(vgl . Ladel und Kortenkamp 2015b) .

Tab. 1 Transkript des Interviews einer Schülerin


1 I Wie heißt die Zahl?

2 S Dreiundzwanzig, weil das sind zwanzig und das sind drei Einer und zwanzig plus
drei gleich dreiundzwanzig .
3 I Ok . Schreibst du mal die Zahl da rein?
4 I Und wenn ich jetzt ein Plättchen von den Zehnern zu den Einern schieben würde .
Was würde dann passieren?
5 S Hm . Dann ist das kein Zehner mehr sondern ein Einer oder? Oder ist es dann
noch ein Zehner?
6 I Ich weiß nicht .
7 S Ich glaub’ ein Einer .
8 I Aha .
9 S Dann wären’s zehn, vierzehn .
10 I Ja, schreibst du es mal da rein?
Ein TApplet für die Mathematik 323

11 I (I. holt Tablett mit Stellenwert-App.) Und dann probieren wir das Ganze mal hier
aus . Da haben wir jetzt die 23 . Verschieb doch mal ein Plättchen von den Zehnern
zu den Einern .

12 S (S. verschiebt ein Plättchen) . Oooh . Ey Caramba .


13 I Ey Caramba . Was passiert denn da?
14 S Es werden ganz viele .
15 I Ja . Und guck mal da oben, da stehen auch die Zahlen . Kannst du da auch mal gu-
cken und probieren? (I. schiebt bündelt wieder und schiebt die 10 Plättchen zurück
zu einem Zehner).
16 S (flüstert) 2 Zehner (überlegt) Äh .
17 I Schieb mal nochmal .
18 S Schieb ich mal (S. nimmt ein anderes Zehnerplättchen und verschiebt es zu den
Einern) .
19 I Wie heißt denn die Zahl jetzt?
20 S 13 Einer .
21 I Ja, und da habe ich noch einen Zehner (I. zeigt auf das Plättchen in der Zehner-
spalte) .
22 S Komisch .
23 I Was ist denn da passiert?
24 S (S. überlegt) Das sind 10 Einzelne! Jetzt, solche . (S. zeigt auf Plättchen) .
25 I Wieso das?
26 S Weil das tät ja nicht gehen . Guck du tätest ein Plättchen, und dann, wenn du keine
zehn Einzelne hast, dann wären’s ja bloß eins . Wenn du zehn Einzelne hast, dann
wären’s Zehner .
Nun schiebt S . ein Plättchen von den Einern zu den Zehnern zurück . Dabei gehen gemäß
dem Stellenwert neun weitere Einerplättchen in die Zehnerspalte .
27 S Ups, was ist denn da passiert?
28 I Ja, was ist denn da passiert?
29 S Die andern sind von dem rüber gerutscht . Weil von dem Einer, dann, weißt du,
wenn der auf die Zehner kommt, dann wären’s ja bloß elf und dann kommen
immer noch neun dazu und 9 plus 1 wären dann zehn, dann wären’s wieder zwei
Zehner, zwanzig, und dann wären’s wieder 23 .
324 Silke Ladel

Dieser Ausschnitt zeigt eindrucksvoll, wie das Kind über den Umgang mit der
physischen Stellenwerttafel internalisiert hat, dass das Verschieben eines Plättchens
eine Wertänderung der Zahl zur Folge hat. Die andere, nicht erwartete Reaktion
der Stellenwert-App führt bei dem Kind zu einem kognitiven Konflikt. Dem oben
beschriebenen Mädchen gelang es erfolgreich die Verknüpfung des Stellenwerts
mit der Bündelung herzustellen. Aber erst wenn diese Verknüpfung verstanden
ist, können beispielsweise die schriftlichen Rechenverfahren der Addition und
Subtraktion erarbeitet werden.

6 Schlussbemerkung

Das Tablet mit seiner Technologie hat großes Potenzial zur Unterstützung mathe-
matischer Lernprozesse. Dies betrifft nicht nur die dritte und vierte Phase, son-
dern bereits und insbesondere die erste und zweite Phase, in denen mit konkreten
Objekten gehandelt wird und der Übergang über die ikonische zur symbolischen
Repräsentation erfolgt. Dabei sind Primärerfahrungen der Kinder im Umgang
mit den physischen Materialien Grundlage für weiteres mathematisches Arbeiten.
Darauf aufbauend kann der kombinierte Einsatz des physischen Arbeitsmittels mit
seinem virtuellen Äquivalent im Sinne eines duo of artefact den Lernprozess der
Kinder nachhaltig unterstützen. Hierzu ist es jedoch erforderlich sich im Detail mit
der Gestaltung der App auseinanderzusetzen und die Bedeutung der Handlungen
zu untersuchen.
Virtuelle Arbeitsmittel am Tablet stehen aktuell in der internationalen Forschung
stark im Fokus (s. Moyer-Packenham 2016). Aber auch in anderen Bereichen hält
das Tablet großes Potenzial beim Lehren und Lernen von Mathematik bereit (Ladel
2013). Jedoch bedarf es noch vielfältiger Forschungsarbeit hinsichtlich der Frage,
wie die jeweiligen Apps gestaltet und im Unterricht genutzt und eingesetzt werden
müssen, damit dieses Potenzial auch tatsächlich wirksam wird. Ein Anfang dazu
wurde gemacht und wird unter anderem durch die Arbeitsgruppe PriMaMedien
– Lernen, Lehren und Forschen mit digitalen Medien im Mathematikunterricht
der Primarstufe (www.pri-ma-medien.de) vorangetrieben.
Ein TApplet für die Mathematik 325

Literatur

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scher Grundlage. Medien und Inhalte didaktischer Kommunikation, der Lernzyklus (13.
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Aebli, H. (1987). Grundlagen des Lehrens. Eine Allgemeine Didaktik auf psychologischer
Grundlage. Stuttgart: Klett-Cotta.
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im Anfangsunterricht (Rechenschwäche – Erkennen, Beheben, Vorbeugen). Freiburg im
Breisgau: Institut für Mathematik und Informatik und ihre Didaktiken, Pädagogische
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Ladel, S. (2009). Multiple externe Repräsentationen (MERs) und deren Verknüpfung durch
Computereinsatz. Zur Bedeutung für das Mathematiklernen im Anfangsunterricht.
Hamburg: Verlag Dr. Kovac.
Ladel, S. (2011). Multiplex-R: Zum Wechsel zwischen verschiedenen Darstellungsformen
von Zahlen und Operationen bei 5- bis 8-jährigen Kindern. In R. Haug, & L. Holzäpfel
(Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2011 – Beiträge zur 45. Jahrestagung der
Gesellschaft für Didaktik der Mathematik vom 21.02.2011 bis 25.02.2011 in Freiburg
(S. 527-531). Münster: WTM-Verlag.
Ladel, S. (2013). „Garantierter Lernerfolg“ oder „Digitale Demenz“? Zum frühen Lernen
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Experimente mit Smartphone und
Tablet-PC: Analyse leistungsbezogener
Antwortsicherheiten im Physikstudium
Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller

Experimente mit Smartphone und Tablet-PC

Zusammenfassung

Smartphone und Tablet-PC können auf Grund integrierter Sensoren als mobile
Messlabore eingesetzt werden, die den Lernenden aus ihrem Alltag vertraut
sind . Während positive Lerneffekte beim Arbeiten mit diesen Medien als
physikalisches Experimentiermittel nachgewiesen werden konnten, blieb die
Betrachtung metakognitiver Variablen bisher außer Acht . Dabei gibt es guten
Grund zur Annahme, dass das Nutzen mobiler Endgeräte zu einer akkuraten
Selbstreflexion des eigenen Verständnisses führen kann .
In dem Beitrag wird die Grundlage zur Untersuchung dieser Annahme
gesetzt, indem zunächst Lernschwierigkeiten im angestrebten Untersuchungs-
feld diagnostiziert und geschlossene Aufgabentypen quantitativ hinsichtlich
metakognitiver Diskriminationsstärke charakterisiert werden .

1 Einleitung

Umfrageergebnisse zeigen, dass Smartphone und Tablet-PC mehr und mehr zum
Alltag speziell der jungen Generation gehören . Auch in Schulen hält der Tablet-PC
zunehmend Einzug, wobei die Nutzung der Geräte bisher primär als Notebook-Er-
satz erfolgt (z . B . als Cognitive Tool, zu Recherchezwecken) . Bisher häufig außer
Acht gelassen wird aber die Möglichkeit, Smartphone und Tablet-PC als Experi-
mentiermittel im naturwissenschaft lichen Unterricht zu verwenden . Denn solche
Geräte stellen kleine, mobile Messlabore dar, die mit den vielfältig integrierten
Sensoren unübersichtliche Versuchsapparaturen ersetzen können und die zudem
den Lernenden aus ihrem Alltag gut vertraut sind .
327
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_14
328 Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller

Im deutschen Sprachraum wurden in den letzten Jahren bereits verschiedene


Arbeiten zum Einsatz von Smartphones als „mobile Mini-Labore“ zum Experi-
mentieren im Physikunterricht und -studium sowie Lehrerhandreichungen dazu
veröffentlicht (Überblick siehe z. B. Kuhn 2015; Kuhn und Vogt 2014). Seit 2013
publiziert außerdem die Zeitschrift Physik in unserer Zeit in jedem Heft die Be-
schreibung einer App und ein zugehöriges Beispielexperiment (Kuhn et al. 2013).
Nach dem Start der Kolumne iPhysicsLabs in der Zeitschrift The Physics Teacher
im Jahr 2012, in der monatlich ein neues Experiment mit Smartphones oder Ta-
blet-PCs vorgestellt wird (Kuhn und Vogt 2012), wurden verstärkt vielfältige und
umfassende Beispiele von Smartphone-Experimenten auch in verschiedenen Zeit-
schriften im angloamerikanischen Sprachraum diskutiert. Eine Zusammenstellung
publizierter Beiträge zu diesem Thema im englischsprachigen Raum zeigt Kuhn
(2014). Weitere, kürzlich erschienene Beispiele für verschiedene Themenbereiche
der Physik sind in Hirth et al. (2015), Müller et al. (2015), Hochberg et al. (2014),
Klein et al. (2014a, 2014b) zu finden.

2 Theoretischer und konzeptioneller Hintergrund:


Die Projekte iMobile Physics und physics.move

2.1 iMobile Physics: Didaktisches Prinzip und theoretische


Einordnung

Die Einsatzmöglichkeiten mobiler Kommunikationsmedien als mobiles Mini-Labor


sind gerade im Physikunterricht sehr vielfältig, da sie mit diversen internen Senso-
ren ausgestattet sind, die physikalische Daten erfassen. Dazu gehören zum Beispiel
Mikrofon und Kamera, Beschleunigungs-, Magnetfeldstärke- und Beleuchtungs-,
bzw. Helligkeitsstärkesensor. Der ursprüngliche Grund für den Einbau der Sensoren
war dabei natürlich nicht das Experimentieren: Der Beschleunigungssensor wird
z. B. genutzt, um die Neigung des Geräts zu bestimmen und den Bildschirm an die
Geräteorientierung anzupassen. Der Magnetfeldstärkesensor findet Verwendung als
Kompass zur Unterstützung der Navigation mit dem Smartphone oder zur Information
des Nutzers mit positionsspezifischen (Wetter-)Umgebungsdaten (Temperatur, Luft-
druck, Luftfeuchtigkeit usw.). Die mit den internen Sensoren erfassten physikalischen
Daten lassen sich aber über ihre eigentliche Funktion hinaus mit Hilfe zusätzlicher
Programme, sogenannter Apps, auslesen. Damit sind besonders im Physikunterricht
sowohl qualitative als auch quantitative Experimente in vielfältigen Themenbereichen
möglich. Smartphones und Tablet-PCs stellen somit kleine, transportable Messlabore
Experimente mit Smartphone und Tablet-PC 329

dar, die unübersichtliche Versuchsapparaturen ersetzen können. Viele mit mobilen


Kommunikationsmedien durchführbare Experimente waren bisher ausschließlich
computergestützt mit teils teuren und umständlich zu bedienenden Sensoren möglich.
Dagegen können Experimente mit internen Sensoren von Smartphone oder Tablet-PC
durch die intuitive Bedien­barkeit der Apps einfacher durchgeführt und ausgewertet
werden, sodass eine stärkere Fokussierung auf die physikalischen Inhalte möglich
ist. Weiterhin sind sie den Lernenden aus ihrem Alltag gut bekannt, wodurch eine
hohe Vertrautheit mit ihrer Bedienung erwartet werden kann.
Außer der Tatsache, dass sich Smartphone und Tablet-PC technisch und unter-
richtspraktisch für den experimentellen Einsatz im Physikunterricht eignen, gibt es
auch fachdidaktische und lernpsychologische Gründe, warum diese Verwendung
sinnvoll ist:

1. Der Einsatz der Geräte als mobile Mini-Labor im naturwissenschaftlichen


Unterricht ist didaktisch erstens durch den Alltags- und Lebensweltbezug des
Experimentiermittels Smartphone bzw. Tablet-PC begründet. Er lässt sich so-
mit in lernpsychologische Rahmentheorien einordnen, nämlich das Situierte
Lernen (vgl. z. B. Greeno et al. 1993; Gruber et al. 1995) und der kontextbasierte
naturwissenschaftliche Unterricht (Context Based Science Education; Bennett et
al. 2007; Fensham 2009; Kuhn et al. 2010). Die Annahme dabei ist, dass neben
der Authentizität (im Sinne von Alltagsbezogenheit) eines Themas auch die
Authentizität der in Versuchen verwendeten Medien einen positiven Einfluss
auf das Lernen im Physikunterricht hat (sog. materiale Situierung). Konkret
bedeutet diese Annahme, dass der kognitive und motivationale Lernerfolg der
Lernenden in Bezug auf Experimente im Physikunterricht größer ist, wenn sie
ein physikalisches Phänomen mit Experimentiermitteln untersuchen, die sie
jeden Tag benutzen (Kuhn und Vogt 2013; 2015).
2. Zudem wird ein verstärktes Autonomieerleben der Schülerinnen und Schüler im
Umgang mit Smartphone und Tablet-PC angenommen (Ryan und Deci 2000),
da sie mit den Geräten selbstständig experimentieren, ihre eigenen (mit dem
eigenen Gerät erfassten) Daten erheben (Stichwort: Ownership; O’Neill und
Barton 2005) und die im Unterricht experimentell bearbeiteten Inhalte ebenso
außerhalb der Schule erwerben bzw. wiederholen können.
3. Darüber hinaus stellt der Einsatz o. g. Geräte multiple Repräsentationen innerhalb
eines Lerninhalts bereit (automatische Darstellung der Messdaten als Diagramme
und Wertetabellen, Formeln, Vektoren und Bilder). Im Gegensatz zu traditio-
nellen Experimenten, bei denen verschiedene Repräsentationsformen erst im
Nachhinein erstellt werden können, sind diese hier bereits vor der kognitiven
Verarbeitung parallel zum Experimentieren verfügbar und erlauben damit die
330 Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller

mentale Fokussierung auf weiterführende Kompetenzen. Mit dem Medium ge-


nerierte multiple Repräsentationen helfen, physikalische Sachverhalte an einem
Kontext kohärent miteinander zu verbinden. So kann beispielsweise die Position
einer rollenden Getränkedose auf einer schiefen Ebene durch die Analyse des
zugehörigen Experimentalvideos bestimmt werden. Wie in Abbildung 1 zu
sehen ist, nimmt der Abstand der Markierungspunkte mit der Wegstrecke zu
und das zugehörige Geschwindigkeit-Zeit-Diagramm lässt auf eine konstante
Beschleunigung schließen. Repräsentationen bzw. die Fähigkeit der Konstruk-
tion und Interpretation von Repräsentationen sowie der Transferierung von
einer in andere Repräsentationen (sog. Repräsentationskompetenz) spielen eine
Schlüsselrolle für erfolgreiches mathematisch-naturwissenschaftliches Lernen
(De Cook 2012). Die vom Nutzer generierten multiplen Repräsentationen (Dia-
gramme, Formeln, Vektoren, Videos und Bilder) helfen, physikalische Sachver-
halte an einem Anwendungsbeispiel kohärent miteinander zu verbinden. Im
unteren Teilbild der Abbildung 1 ist die Flugkurve einer rotierenden Papprolle
dargestellt. Während das linke Teilbild bildhafte (vektorielle) Informationen
über die Geschwindigkeit in beide Raumrichtungen (x und y) beinhaltet, zeigt
das rechte Teilbild die Geschwindigkeitskomponenten in x-Richtung auf einer
abstrakteren Darstellungsebene. Die Zuordnung beider Darstellungsformen
unter Berücksichtigung der physikalischen Gesetze erfordert einen flexiblen
Umgang mit multiplen Repräsentationen. Lernende mit größeren Fähigkeiten
im Umgang mit Repräsentationen besitzen auch höhere Problemlösekompe-
tenzen (Meltzer 2005; Nieminen et al. 2012). Repräsentationskompetenz wird
außerdem für das Verstehen wissenschaftlicher Konzepte, für die Reduktion
von physikalischen Fehlkonzepten und für das Lösen physikalischer Probleme,
die über das einfache Manipulieren von Gleichungen hinausgeht, als essentiell
angesehen und gilt als konstituierendes Merkmal fachsprachlicher Kompetenz.
Zudem wird diese Kompetenz als Bedingung angesehen, Expertenwissen über
eine Domäne zu konstruieren und zum physikalischen Verständnis beizutragen.

Die Literatur dokumentiert an vielfacher Stelle Verständnisschwierigkeiten beim


Umgang mit verschiedenen Repräsentationen (vor allem Graphen). Im Vorder-
grund dieses Beitrags steht die Möglichkeit, solche Schwierigkeiten ökonomisch,
quantitativ nachzuweisen, indem Studierende nach der Sicherheit im Umgang mit
Repräsentationen gefragt werden und gleichzeitig ihre Fähigkeit im Umgang mit
diesen ermittelt wird.
Experimente mit Smartphone und Tablet-PC 331

Abb. 1 Beispiele für physikalische Bewegungsanalysen von Objekten


Oben links: Getränkedose rollt eine schiefe Ebene hinunter. Punktspur der Bewegung
(blau), Winkelmessung (rot-schwarze Schenkel) und Lage des Koordinatensystems.
Oben rechts: Auswertung der Geschwindigkeit-­Zeit-Daten der vollen Getränke­dose mit
Tablet-PC.
Unten links: Flug einer senkrecht zur Zeichenebene rotierenden Papprolle zur Illustrie-
rung des Magnus-Effekts.
Unten rechts: Geschwindigkeitsvektoren (links); Messwerte und Theoriekurve im Dia-
gramm. Die Theoriekurve folgt aus den Differentialgleichungen (A und B sind Konstan-
ten, g ist die Erdbeschleunigung).

2.2 physics.move: Videoanalyse mit dem Tablet-PC

Das im Folgenden beschriebene Projekt physics.move: Teaching Experimental Physics


by Using Mobile Technologies as Experimental Tools umfasst die Konzeption und Im-
plementation von experimentellen Aufgabenstellungen in der Studieneingangsphase
unter Verwendung von Tablet-PCs als Experimentiermittel (Klein 2015a; 2015b).
physics.move ist eine konkrete Realisierung des iMobilePhysics Projekts, indem
die Kamera der mobilen Endgeräte zur Aufnahme der Messdaten (=Positionen
und Zeiten) und bestimmte Applikationen zur Datenanalyse genutzt werden. In
332 Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller

den Übungen zur Experimentalphysik 1 (Mechanik) bearbeiten Studierende zwei


neuartige Typen von Aufgaben:

• In Videoanalyse-Aufgaben (VA-Aufgaben) arbeiten die Lernenden mit vorge-


gebenen Videos von Realexperimenten der Mechanik (meist Bewegungsabläu-
fen) und einer adäquaten Problemstellung. Gemäß Gröber et al. (2014) werden
VA-Aufgaben definiert als Sequenz zusammenhängender theoretischer und
videobasierter experimenteller Teilaufgaben.
• Beispiele für videobasierte experimentelle Aufgabenanteile sind z. B. das Messen
von Zeiten, Längen und Winkeln im Video, das Durchführen einer Videoanalyse
(d. h. Bestimmung von zweidimensionalen Ort-Zeit-Koordinaten eines Objekts)
oder die Verarbeitung von Messdaten. Die Konstruktion der Teilaufgaben be-
rücksichtigt weiterhin die Ergebnisse kognitionspsychologischer und fachdidak-
tischer Forschung zum Lernen mit multimedialen Inhalten und greift Aspekte
der neuen Aufgabenkultur (Pientka 2000; Kuhn 2010; Kuhn et al. 2010) auf.
• Mobile Videoanalyse-Aufgaben (mVA-Aufgaben) beziehen sich nicht auf vorge-
gebene Experimentiervideos sondern instruieren die Planung, Durchführung
und Videographie von Freihandexperimenten geringer Komplexität mit Hilfe
von Alltagsmaterialien (Klein et al. 2014a, 2014c). Das Attribut mobil deutet an,
dass die Lernenden zur Videoaufnahme und Auswertung mobile Endgeräte wie
Tablet-Computer oder Smartphones nutzen können. Diese neuen technischen
Alltagsmöglichkeiten eröffnen auch neue Möglichkeiten der Lehre. Mobile
Videoanalyse-Aufgaben beinhalten ebenso wie VA-Aufgaben theoretische
Aufgabenanteile, die Bezug zum Experiment nehmen.

Die beiden in Abbildung 1 skizzierten Experimente sind Beispiele für die physika-
lische Bewegungsanalyse mit Hilfe mobiler Endgeräte.

2.3 Projektziele von physics.move und Ausrichtung


dieses Beitrags

Das primäre Ziel des Projekts physics.move ist die Förderung repräsentationaler
und konzeptioneller Fähigkeiten von Physikstudierenden im ersten Fachsemester.
Die Übungsaufgaben stellen dabei die zentrale instruktionale Gelegenheit dar, die
Bildung dieser Kompetenzen durch neue, experimentbezogene Aufgabenformate
unter Nutzung mobiler Endgeräte zu unterstützen. Die empirische Absicherung
der theoriebasierten Hypothesen erfolgt durch eine Vergleichsstudie unter Erhe-
bung der relevanten Variablen durch standardisierte Testinstrumente. In diesem
Experimente mit Smartphone und Tablet-PC 333

Beitrag sollen die Ergebnisse dieser Primärvariablen in den Hintergrund rücken


und stattdessen ein methodisches Forschungsgebiet beleuchtet werden, das erst seit
jüngster Zeit Einzug in die naturwissenschaftsdidaktische Forschung nimmt: Die
Erhebung und Auswertung der jeweiligen Antwortsicherheit zu diesen Primär-
variablen. Dahinter steckt die Idee, neben der eigentlichen physikalischen Frage
zur Messung der Leistungsfähigkeit eine Ratingskala zu präsentieren, auf der die
Probanden die Zuversicht in die just gegebene Antwort ausdrücken (vgl. Abb. 2).
Durch die Reflexion der eigenen Leistung hinsichtlich der unmittelbar gelösten
Aufgabe werden Rückschlüsse auf metakognitive Fähigkeiten möglich (Lindsey
und Nagel 2015). Das Erkennen von Defiziten durch diese Art der Selbstreflexion
wird als Voraussetzung gesehen, den Lernprozess effektiv zu strukturieren und zu
steuern (selbstreguliertes Lernen, Garavalia und Gredler 2002; Schunk und Pajares
2004). Dieses Reflexionsvermögen gewinnt im Rahmen vorlesungsbegleitender
Übungen an Bedeutung, da der größte Teil des Lernens im Selbststudium stattfindet.
Lernende, die ihre eigene Fähigkeit akkurat beurteilen können, verfügen über die
Möglichkeit, zielgerecht zu lernen. Das Planen und Überwachen des Lernfortschritts
führt zu besseren Leistungen (Boekaerts und Rozendaal 2006).

Abb. 2 Leistungs-Item mit fünf Antwortalternativen und anschließender


Sicherheitsabfrage durch vierstufige Beurteilungsskala.

Dieser Beitrag fasst zunächst die Grundlagen bezüglich der Erhebung von Antwort-
sicherheiten zusammen und gibt einen Überblick über den Stand der Forschung
innerhalb der Naturwissenschaftsdidaktik (Abschnitt 3). In Anlehnung an bishe-
rige Untersuchungen wird ein Maß für die Genauigkeit der Selbsteinschätzung
334 Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller

definiert, diese auf Stichprobenebene bestimmt und es wird untersucht, ob es


einen Zusammenhang zwischen der Genauigkeit der Selbsteinschätzung und dem
Leistungsniveau der Probandinnen und Probanden gibt (Forschungsfrage 1; siehe
Abschnitt 3.2). Ferner wird der Einfluss des Geschlechts auf die Selbsteinschätzung
untersucht. Die Untersuchung knüpft an bestehende physikdidaktische Forschung
über metakognitive Fähigkeiten an und reichert diese vor dem Hintergrund multipler
Repräsentationen, die den zentralen instruktionalen Gegenstand der Intervention
bilden, mit Evidenzen an.

3 Erfassung von Antwortsicherheiten zur Messung


metakognitiver Fähigkeiten im Rahmen
physikdidaktischer Lehr-Lernforschung

Die Technik, zu einem Multiple-Choice-Item neben den Antwortalternativen


zusätzliche Informationen über den Problemlösungsprozess zu erheben, ist ur-
sprünglich auf Tobin und Capie (1981) zurückzuführen. Sie boten der Testperson zu
jeder Alternative mehrere mögliche Begründungen an, die beispielsweise typische
Denkfehler adressieren (sog. two-tier-items bzw. assertion-reasoning-tasks, zu dt.
etwa zweistufige Items bzw. Auswahl-Begründungs-Items). Während sich der Ein-
satz von two-tier-tests in vielen Studien bewährt hat, vermag die Fragetechnik nur
wenig Auskunft darüber zu geben, ob die Testperson die Antwort wirklich wusste,
schlicht erraten hat oder feiner differenziert, wie sicher sie sich ihrer Antwort war.
Das Erheben fragenbezogener Antwortsicherheiten wird als confidence-rating
bezeichnet und hat seinen Ursprung in der Psychologie (Echternacht 1971). Tests,
die alle drei Stufen nutzen, werden als three-tier-tests bezeichnet und sind in der
Leistungsdiagnostik wenig verbreitet (Caleon und Subramaniam 2010).
Im nächsten Abschnitt werden die bedeutendsten Arbeiten auf diesem Gebiet
zusammengefasst und die dort verwendeten Methoden dargestellt.

3.1 Forschungsstand und methodische Grundlagen

In jüngeren fachdidaktischen Forschungsarbeiten wird vermutet, dass ein tiefes


Verständnis der Inhalte einer Aufgabe erst dann vorliegt, wenn Lernende die
richtige Antwort wissen und sich ihrer Antwort sicher sind (Aslanides und Savage
2013; Lindsey und Nagel 2015). Sie messen den absoluten Ausprägungen der Ant-
wortsicherheiten eine Bedeutung zu und interessieren sich für die Veränderung
Experimente mit Smartphone und Tablet-PC 335

der Skalenmittelwerte vor und nach einer Lernphase (Struck und Yerrick 2010;
Sharma und Bewes 2011; Aslanides und Savage 2013). Manche Arbeiten setzen die
mittlere Antwortsicherheit Sj einer Aufgabe j unmittelbar in Relation zur mittleren
Schwierigkeit Pj dieser Aufgabe und bezeichnen die Differenz beider Größen,
messen den absoluten Ausprägungen der Antwortsicherheiten eine Bedeutung zu und interes-
sieren sich für die Veränderung der Skalenmittelwerte vor und nach einer Lernphase (Struck
b = Sj – Pj (1)
und Yerrick 2010; Sharma und Bewes 2011;j Aslanides und Savage 2013). Manche Arbeiten
setzen die mittlere Antwortsicherheit Sj einer Aufgabe j unmittelbar in Relation zur mittleren
als bias
Schwierigkeit Pj(Tendenz). Positive
dieser Aufgabe undWerte werdendiemit
bezeichnen einer Überschätzung
Differenz beider Größen,der eigenen
Leistung, negative Werte mit einer Unterschätzung verbunden (Pieschl 2008). Die
nach Gleichung (1) definierte Tendenzb j = ist
S j generell
− Pj eher vorsichtig zu interpretieren. (1)
Zwar argumentieren
als bias (Tendenz). viele Forscherinnen
Positive Werte werden mit einer und Forscher für die
Überschätzung der Verrechnung ab-
eigenen Leistung,
negativesoluter
Werte Größen
mit einer(Schraw 1995), jedoch
Unterschätzung lässt sich
verbunden aus messtheoretischer
(Pieschl 2008). Die nach Sicht keine (1)
Gleichung
definierteRechtfertigung für eineeher
Tendenz ist generell derartige Rechenoperation
vorsichtig erkennen,
zu interpretieren. Zwarwenn beide Größen
argumentieren viele
zuvor nicht
Forscherinnen auf einer für
und Forscher gemeinsamen Skala kalibriert
die Verrechnung absoluterwerden
Größen (z. B. mittels1995),
(Schraw Rasch-Mo-
jedoch
lässt sichdellen). Plausibler als dieSicht
aus messtheoretischer Betrachtung absoluter Größen
keine Rechtfertigung erscheint
für eine die Berechnung
derartige Rechenoperation
erkennen, vonwenn beide Größen zuvor nicht
Zusammenhangsmaßen. auf einer gemeinsamen
Zur Beurteilung Skala
metakognitiver kalibriert
Fähigkeit werden
im obigen
(z.B. mittels
SinneRasch-Modellen). Plausibler als die Betrachtung
eignet sich die Korrelationsanalyse zwischen den absoluter Größen erscheint
Ausprägungen der Ant- die
Berechnung von Zusammenhangsmaßen.
wortsicherheiten Zur Beurteilung
und den Schwierigkeitsindizes dermetakognitiver Fähigkeit
Aufgaben. Bestehende im obigen
Studien
Sinne eignet sich die Korrelationsanalyse zwischen den Ausprägungen der
lassen sich dahingehend unterscheiden, ob der Zusammenhang auf Ebene des Ge- Antwortsicherhei-
ten und den Schwierigkeitsindizes
samttests (Makro-Ebene) oder derauf
Aufgaben.
der Ebene Bestehende Studien
einzelner Items lassen
basiert sich dahingehend
(Mikro-Ebene).
unterscheiden, ob der Zusammenhang auf Ebene des Gesamttests (Makro-Ebene)
Während eine Analyse auf der Makro-Ebene eine Aussage über die metakognitive oder auf der
Ebene einzelner Items basiert (Mikro-Ebene). Während eine Analyse auf der Makro-Ebene
Kalibrierung einer Population bzgl. eines Lerninhaltes im Allgemeinen trifft, dient
eine Aussage über die metakognitive Kalibrierung einer Population bzgl. eines Lerninhaltes
die Analyse auf der Mikro-Ebene zur Identifikation von Lernschwierigkeiten und
im Allgemeinen trifft, dient die Analyse auf der Mikro-Ebene zur Identifikation von Lern-
Fehlvorstellungen
schwierigkeiten bzgl. konkreter
und Fehlvorstellungen Lerninhalte.
bzgl. konkreter Lerninhalte.

3.1.1 Metakognitive Kalibrierung


3.1.1 Metakognitive
Eine Person Kalibrierung
mit guter metakognitiver Kalibrierung verspürt im Durchschnitt
Eine Person mit guter metakognitiverbei
eine hohe Antwortsicherheit Aufgaben, verspürt
Kalibrierung die sie richtig löst sowie eine
im Durchschnitt eineniedrige
hohe Ant-
wortsicherheit bei Aufgaben, die sie richtig löst sowie eine niedrige Sicherheit kann
Sicherheit bei falschen Aufgaben (Lindsey und Nagel 2015). Die Person also
bei falschen
Aufgaben (Lindsey
zwischen und Nagel
richtigen und2015). DieLösungen
falschen Person kann also zwischen
unterscheiden. richtigen
In diesem und falschen
Zusammen-
Lösungen unterscheiden.
hang In diesem(1979)
definiert Shaughnessy Zusammenhang definiert
den CAQ-Index Shaughnessy (1979)
(confidence-judgement den CAQ-
accuracy
Index (confidence-judgement accuracy der
quotient) als Genauigkeitsmaß quotient) als Genauigkeitsmaß
Selbsteinschätzung durch der Selbsteinschätzung
durch
Sr − S f
CAQ = (2) (2)
sp

Dabei bedeutet S r / f dieSmittlere
Dabei bedeutet r / f die mittlere Antwortsicherheit
Antwortsicherheit aller Personen
aller Personen bei richtigen
bei richtigen bzw.bzw.
falschen
falschen Antworten. Die Berücksichtigung der gepoolten Standardabweichung
Antworten. Die Berücksichtigung der gepoolten Standardabweichung sp aus den Antwortsi- sp
aus den Antwortsicherheiten für richtige bzw. falsche Lösungen trägt
cherheiten für richtige bzw. falsche Lösungen trägt der Tatsache Rechnung, dass einzelne der Tatsache
336 Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller

Rechnung, dass einzelne Probanden die Sicherheitsskala unterschiedlich breit


ausschöpfen. Der CAQ besitzt die formale Struktur einer Effektstärke und kann
als Analogie zum Sensitivitätsmaß d‘ der Signalentdeckungstheorie betrachtet
werden (Häufigkeit Treffer minus Häufigkeit falscher Alarm, Velden 1982). Er wird
genau dann Null, wenn keine adäquate Selbsteinschätzung erfolgt, d. h. wenn es bei
richtigen und falschen Antworten keinen Sicherheitsunterschied gibt (Analogie:
Die Detektionsleistung wäre dann Null). Der CAQ bezieht sich auf alle Beobach-
tungen in einem Test, kann für jede Probandin bzw. jeden Probanden individuell
berechnet werden und ist t-verteilt (Shaughnessy 1979). Eine Stichprobe besitzt
eine angemessene Selbsteinschätzung, wenn sich der mittlere CAQ signifikant von
Null unterscheidet. Sharma und Bewes (2011) untersuchten Physikstudierende
im ersten Semester nach der Genauigkeit ihrer Selbsteinschätzung bei Konzept-
test-Aufgaben zur Mechanik. Sie zeigten, dass leistungsschwache Probanden ihre
eigene Leistung weniger genau einschätzen können als leistungsstarke und eher
dazu tendieren, ihre Leistung zu überschätzen. Diesen positiven Zusammenhang
zwischen Leistungsniveau und metakognitiver Kalibrierung findet man in an-
deren Naturwissenschaften ebenso wie die Überschätzung der eigenen Leistung
im niedrigen Fähigkeitsbereich (Shaughnessy 1979; Sinkavich 1995; Pajares und
Graham 1999; Rebello et al. 2012; Karatjas 2013). Beide Beobachtungen stehen im
direkten Zusammenhang und werden unter dem Begriff Dunning-Kruger-Effekt
vereint (Kruger und Dunning 1999). Solche Fehleinschätzungen, die auf man-
gelnde metakognitive Fähigkeiten zurückgeführt werden können, führen zu we-
niger Anstrengungsbereitschaft und sind deshalb lernhinderlich. Bisher ist wenig
darüber bekannt, welche Faktoren die Genauigkeit der Selbsteinschätzung beim
Lösen physikalischer Aufgabenstellungen beeinflussen. Zudem liefern die in zwei
Arbeiten präsentierten Daten unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich des Faktors
Geschlecht: In der Studie von Sharma und Bewes (2011) wurde festgestellt, dass
die Tendenz zur Über- oder Unterschätzung nicht von dem Geschlecht abhängt.
Zwar sind sich Frauen ihrer Antworten im Mittel weniger sicher als Männer, zeigen
aber auch geringere Leistungen. Brell (2008) dagegen fand vor dem Hintergrund
eines Tests zur geometrischen Optik geschlechtsspezifisch unterschiedlich starke
Korrelationen zwischen Antwortsicherheit und Aufgabenschwierigkeit (Jungen:
r = 0.31; df = 97; p = 0.002, Mädchen: r = 0.12; df =123; p = 0.106). Die Ergebnisse
deuten darauf hin, dass Jungen ihre eigene Leistung besser einschätzen können als
Mädchen. Während sich die Analyse von Sharma und Bewes auf Daten von Studie-
renden im ersten Semester stützt, untersuchte Brell Schülerinnen und Schüler der
achten Jahrgangsstufe, weshalb die Ergebnisse nicht zwingend vergleichbar sind,
aber einen Anstoß zur weiteren Untersuchung dieses Faktors geben.
Experimente mit Smartphone und Tablet-PC 337

Die erste Arbeit aus der Physikdidaktik, die den Dunning-Kruger-Effekt ex-
plizit erwähnt, stammt von Lindsey und Nagel (2015). Sie weisen den Effekt auf
Stichprobenebene für Nebenfachstudierende vor dem Hintergrund problemlö-
sungsorientierter Aufgaben zur Mechanik nach. Auf der Mikro-Ebene zeigen ihre
Daten, dass es Studierenden unabhängig ihrer metakognitiven Fähigkeit bei einigen
Aufgaben nicht gelingt, zwischen richtigen und falschen Antworten im Sinne ver-
schiedener Sicherheiten zu unterscheiden. Sie argumentieren, dass für ein besseres
Verständnis der metakognitiven Prozesse Zusammenhangsanalysen auf Itemebene
durchgeführt werden sollten. Insbesondere erfordere es weitere Analysen solcher
Aufgaben, bei denen zwischen richtiger und falscher Antwort nicht unterschieden
wird. Der Artikel übersieht dabei, dass es in der Physikdidaktik bereits eine Reihe
von Vorschlägen gab, wie eine solche Analyse auf Itemebene durchgeführt werden
kann (siehe folgenden Abschnitt.).

3.1.2 Analyse auf Itemebene


In der Praxis wird angenommen, dass sich Fehlvorstellungen durch niedrige
Lösungswahrscheinlichkeiten bei vergleichsweise hohen Antwortsicherheiten ma-
nifestieren, auch wenn die Stichprobe im Allgemeinen (d. h. auf der Makro-Ebene)
eine gute metakognitive Kalibrierung zeigt (Aslanides und Savage 2013; Planinic
et al. 2006). Aslanides und Savage (2013) erhoben Antwortsicherheiten bei der
Entwicklung und Validierung eines Konzepttests über die Spezielle Relativitäts-
theorie. Sie identifizierten einzelne Aufgaben, bei denen es keine Korrelation zwi-
schen Sicherheit und Leistung gab und führten diese auf bestehende Fehlkonzepte
zurück, beispielsweise über die Symmetrie von Bezugssystemen bei Zeitdilatation.
Planinic et al. (2006) gingen ähnlich vor und berechneten mittels Rasch-Analyse die
Sicherheitsparameter (i) bei allen Antworten, (ii) nur bei richtigen und (iii) nur bei
falschen Antworten sowohl für einen Mechanik-Test als auch für einen Test über
elektrische Stromkreise. Sie fanden in der Mechanik vermehrt Fehlvorstellungen,
was sich in hohen Sicherheiten bei falschen Antworten ausdrückte. Dagegen waren
sich die Schülerinnen und Schüler bei elektrischen Stromkreisen per se unsicherer,
gleichsam bei richtigen und falschen Antworten.
Zusammenfassend deutet die Forschungslage darauf hin, dass unterschiedliche
Zusammenhänge zwischen Antwortsicherheit S und Aufgabenschwierigkeit P für
aufgabentypische Merkmale sprechen. Bei allen Arbeiten werden die mittleren
Antwortsicherheiten richtiger und falscher Antworten auf Itemebene miteinander
verglichen. Dies entspricht der Berechnung des CAQ-Index nach Gleichung (2) auf
Itemebene. Bei einer mehrstufigen Sicherheitsskala wie in unserem Fall bietet es sich
darüber hinaus an, die mittlere Lösungswahrscheinlichkeiten pro Sicherheitskatego-
rie zu betrachten. Für jedes Item erhält man so einen charakteristischen Verlauf der
338 Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller

Lösungswahrscheinlichkeit mit steigender Sicherheit. Neben der Korrelation beider


Größen liefern entsprechende Diagramme Hinweise über die Unterscheidbarkeit
der Lösungswahrscheinlichkeit bzgl. einzelner Sicherheitsausprägungen sowie
Hinweise über die absoluten Werte von S und P. Letztere geben einen qualitativen
Eindruck über die Über- bzw. Unterschätzung (bias), ohne dabei auf die kritisierte
Berechnungsvorschrift in Gleichung (1) zurückzugreifen.

3.2 Forschungsfragen

Wie in Abschnitt 2.1 herausgestellt wurde, spielen multiple Repräsentationen im


iMobilePhysics-Projekt im Allgemeinen und im physics.move-Projekt im Speziellen
eine große Rolle für das Verständnis physikalischer Konzepte. Gerade im Rahmen
instruktionsbasierter Ansätze (physics.move) ist eine akkurate Selbsteinschätzung
der eigenen Fähigkeiten eine Voraussetzung für zielgerichtetes Lernen. Da in der
physikdidaktischen Forschung der Zusammenhang zwischen metakognitiven Fä-
higkeiten und dem Verständnis multipler Repräsentationen noch nicht untersucht
wurde, beziehen sich die folgenden Forschungsfragen zunächst auf die Diagnose-
möglichkeit metakognitiver Kalibrierung mittels Analyse fragebezogener Antwort-
sicherheiten. Dies ist ein notwendiger Schritt, um darauf aufbauend Maßnahmen
zur Steigerung der metakognitiven Kalibrierung zu entwickeln. Diese Maßnahmen
knüpfen an die Darstellungs-Funktionalitäten multipler Repräsentationen von
mobilen Endgeräten (Tablet-PC) an und nutzen die Möglichkeit, experimentelle
Daten mit Theoriewerten am Gerät abzugleichen.

1. (Genauigkeit der Selbsteinschätzung) Wie hoch ist die Genauigkeit der Selbst-
einschätzung (metakognitive Kalibrierung, Pieschl 2008) bzgl. repräsentations-
bezogener bzw. konzeptorientierter Aufgaben auf Stichprobenebene und gibt es
einen Zusammenhang zum Leistungsniveau/zum Geschlecht der Probandinnen
und Probanden?
2. (Analyse auf Itemebene) Unterscheiden sich die Zusammenhänge zwischen
Antwortsicherheit und Lösungswahrscheinlichkeit einzelner Items unterein-
ander und lassen sich daraus Rückschlüsse auf vorliegende Fehlkonzepte oder
Verständnisschwierigkeiten ziehen?
Experimente mit Smartphone und Tablet-PC 339

4 Material und Methoden

4.1 Stichprobe

Die Studie fand in den beiden Wintersemestern 2013/14 und 2014/15 im Rahmen
der wöchentlichen Übungen zur Experimentalphysik 1 (1. Fachsemester Physik)
statt. Insgesamt nahmen 165 Studierende (127 männlich, 69 %  Physik-Hauptfach)
am ersten Testzeitpunkt zum Semesterbeginn teil. Die Quote von besuchten Phy-
sik-Leistungskursen beträgt 62 %, die von Mathematik-Leistungskursen beträgt 79 %.
Die Note der Hochschulzugangsberechtigung ist überdurchschnittlich (2.1 +/- 0.7).

4.2 Studiendesign

Das Studiendesign geht aus Abbildung 3 hervor. Die erste Interventionsphase be-
ginnt in der dritten Vorlesungswoche mit der Bearbeitung des zweiten verpflichten-
den Übungsblattes. Während dieser vierwöchigen Phase unterschieden sich die
Übungsblätter der Gruppen hinsichtlich des Aufgabenformats (Kontrollgruppe:
traditionelle Aufgaben, Interventionsgruppe: Videoanalyse-Aufgaben z. T. mit
mobilen Endgeräten). Anschließend tauschten die Übungsgruppen ihre Rollen
und weitere vier Interventionswochen schlossen sich an (sog. Rotationsdesign).
Die Testzeitpunkte t0, t1 und t2 zur Erfassung der Untersuchungsvariablen liegen
unmittelbar vor bzw. nach der ersten Interventionsphase (Prä/Post1) sowie nach
der zweiten Phase (Post2). Für die in Abschnitt 3.2 formulierten Forschungsfragen
werden nur die Daten des ersten Testzeitpunktes vor der Intervention berücksichtigt.

Abb. 3 Studiendesign; KG = Kontrollgruppe, IG = Interventionsgruppe


340 Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller

4.3 Variablen und Erhebungsinstrumente

Die hier berücksichtigten Zielvariablen sind die Repräsentationskompetenz (kognitiv)


und das Konzeptverständnis von Bewegungen (kognitiv) sowie die zugehörigen
Antwortsicherheiten. Repräsentationskompetenz wurde durch das KiRC-Instru-
ment (Kinematics representational competence; Multiple-Choice-Items mit drei
Antwortalternativen, Cronbach’s α = 0.82; Klein et al. 2016; Itembeispiele unten),
das Konzeptverständnis mit Aufgaben aus dem FCI (Force-Concept-Inventory;
Multiple-Choice-Items mit funf Antwortalternativen, α = 0.55; Hestenes 1992)
erfasst. Dabei wurde zu insgesamt 21 Items eine vierstufige Rating-Skala zur Er-
fassung der Antwortsicherheit dargeboten (vgl. Abb. 2; 16 KiRC-Sicherheitsitems,
5 FCI-Sicherheitsitems).1 Der KiRC-Test beinhaltet Aufgaben zu den grundlegen-
den Konzepten der Kinematik, die in drei verschiedenen Repräsentationsformen
vorliegen (bildhaft, graphisch und algebraisch). Ein Item erfordert beispielsweise
die Verknüpfung bildhafter Information (Kugel rollt auf gekrümmter Rampe) mit
einem Kinematik-Graphen, während ein anderes Item die algebraisch-formale
Interpretation einer eindimensionalen, ungleichmäßig beschleunigten Bewegung
abprüft. Die Sicherheitsitems gruppieren sich faktoranalytisch zu den zugehörigen
Tests und sind ausreichend reliabel (α = 0.88 für beide Sicherheitsskalen). Die Aus-
bildung klar trennbarer Faktoren zeigt schon an dieser Stelle, dass die Reflexion
des eigenen Wissens domänenspezifisch ist.

5 Ergebnisse

5.1 Deskriptive Daten

Tabelle 1 beinhaltet für jedes Item die über die Stichprobe gemittelte Lösungs-
wahrscheinlichkeit Pj (Schwierigkeitsindex) und die mittlere Antwortsicherheit
Sj. Die 16 KiRC-Items (Index K) weisen insgesamt eine mittlere Schwierigkeit
P K = 0.69 bei einer mittleren Sicherheit S K = 0.75 auf. Bei den etwas schwereren
Konzept-Items (Index Kon, P Kon = 0.57) zeigte sich eine größere Unsicherheit
( S Kon = 0.64). Männliche Studenten weisen sowohl im KiRC-Test als auch im
Konzepttest im Mittel eine signifikant höhere Antwortsicherheit auf als weibliche
(tK = 2.3; df = 156; p < 0.05; tKon = 3.36; df = 130; p < 0.001) und besitzen in beiden

1  Die darüber hinaus erhobenen Begleitvariablen werden infolge des Beitragsfokus an


dieser Stelle nicht aufgeführt.
Experimente mit Smartphone und Tablet-PC 341

Tests eine höhere Leistungsfähigkeit (tK = 3.58; df = 156; p < 0.001; tKon = 2.32; df
= 130; p < 0.05). Vergleicht man, wie in der Literatur üblich, die absoluten Werte
von P und S miteinander, zeichnet sich gemäß Gleichung (1) eine leichte Tendenz
zur Überschätzung der Leistungsfähigkeit bei beiden Tests ab. Abbildung 4 (links)
deutet darauf hin, dass sich die leistungsschwachen Probanden eher überschätzen
als leistungsstarke, die dagegen eher zur Unterschätzung der eigenen Leistung
neigen, denn die Datenpunkte liegen vermehrt oberhalb der Winkelhalbierenden,
insbesondere für das niedrige Leistungsquartil.
Tabelle 1 enthält weiterhin die gemittelten Schwierigkeitsindizes pro Sicher-
heitskategorie (S = 0; 0.33; 0.66; 1) und die Häufigkeiten der gewählten Kategorie
pro Item. Wie aus den Daten hervorgeht, wurde insgesamt wenig geraten. Pro Auf-
gabe wählten weniger als 10 % der Probanden die Kategorie S = 0, mit Ausnahme
von Item K11. Falls die Kategorie S = 0 gewählt wurde, liegt die durchschnittliche
Lösungswahrscheinlichkeit bei 0.27 (Konzept-Items) bzw. 0.40 (KiRC-Items), was
den tatsächlichen Ratewahrscheinlichkeiten (0.20 bzw. 0.33) nahe kommt. Der Zu-
sammenhang zwischen Pj und Sj auf Itemebene wird in Abschnitt 5.3 ausgewertet.

Tab. 1 Deskriptive Statistiken auf Itemebene


Geraten Unsicher Zweifelhaft Ganz sicher
(S=0) (S=1) (S=2) (S=3)
Item N P S N P N P N P N P r p
K1 155 0.43 0.72 5 0.2 26 0.08 62 0.48 62 0.55 0.3 0
K2 156 0.72 0.87 1 1 6 0.33 47 0.62 102 0.79 0.21 0.007
K3 154 0.79 0.79 3 0.67 21 0.62 48 0.73 82 0.88 0.23 0.004
K4 154 0.81 0.83 4 0.25 13 0.46 43 0.79 94 0.89 0.37 0
K5 155 0.63 0.65 7 0.43 42 0.45 59 0.66 47 0.79 0.27 0.001
K6 154 0.69 0.73 10 0.5 19 0.32 56 0.75 69 0.77 0.26 0.001
K7 152 0.91 0.77 5 0.4 17 0.82 55 0.93 75 0.96 0.3 0
K8 150 0.64 0.81 2 1 12 0.5 54 0.52 82 0.73 0.15 0.06
K9 150 0.83 0.71 8 0.38 28 0.68 50 0.88 64 0.92 0.35 0
K10 150 0.83 0.81 4 0.75 18 0.5 39 0.87 89 0.89 0.26 0.001
K11 145 0.41 0.53 22 0.27 47 0.43 46 0.39 30 0.5 0.11 0.182
K12 82 0.43 0.81 1 0 8 0.38 29 0.48 44 0.41 0.02 0.876
K13 83 0.71 0.69 2 0.5 15 0.53 41 0.73 25 0.8 0.2 0.006
K14 82 0.62 0.68 7 0.29 15 0.53 29 0.55 31 0.81 0.31 0.005
K15 82 0.6 0.76 3 0.67 12 0.42 25 0.64 42 0.62 0.08 0.482
342 Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller

Geraten Unsicher Zweifelhaft Ganz sicher


(S=0) (S=1) (S=2) (S=3)
Item N P S N P N P N P N P r p
K16 81 0.81 0.8 1 0 7 0.43 31 0.77 42 0.93 0.42 0
Kon1 131 0.44 0.64 8 0.38 31 0.29 53 0.4 39 0.64 0.24 0.006
Kon2 131 0.62 0.65 12 0.17 23 0.43 53 0.62 43 0.84 0.41 0
Kon3 122 0.57 0.59 14 0.43 25 0.56 58 0.57 25 0.64 0.11 0.293
Kon4 121 0.53 0.58 12 0.17 37 0.41 40 0.63 32 0.69 0.32 0
Kon5 124 0.67 0.74 10 0.2 15 0.4 37 0.62 62 0.84 0.43 0

Abb. 4 Zusammenhang zwischen Leistung und Antwortsicherheit bezüglich


den KiRC-Aufgaben (links) und zwischen Leistung und Genauigkeit der
Selbsteinschätzung (CAQ) (rechts). Die vier Leistungsquartile werden farblich
unterschieden.

5.2 Metakognitive Kalibrierung (Makro-Ebene)

Der Datensatz wurde in richtig und falsch beantwortete Aufgaben geteilt, und die
mittleren Antwortsicherheiten wurden in diesen beiden Kategorien bestimmt. Die
Genauigkeit der Selbsteinschätzung (vgl. Gleichung (2)) beträgt für den KiRC-Test im
Mittel über alle Personen CAQ = 0.52 +/- 0.08. Der Wert unterscheidet sich signifikant
von Null (t(111) = 6.37; p < 0.001). Wird die Kohorte zudem in Leistungsquartile
eingeteilt, ergeben sich mit absteigender Leistung die Indizes 0.72, 0.74, 0.59 und
0.05, die sich mit Ausnahme des letzten alle signifikant von Null unterscheiden.
Leistungsschwache Probanden besitzen folglich keine adäquate Selbsteinschätzung.
Experimente mit Smartphone und Tablet-PC 343

Abbildung 4 (rechts) stellt die Genauigkeit der Selbsteinschätzung (CAQ) über


der Leistungsfähigkeit (mittlere Lösungswahrscheinlichkeit P) dar. Der erkennbare
Zusammenhang beider Größen wird durch eine signifikante Korrelation bestätigt
(r(112) = 0.30; p = 0.001). Ferner wurden keine signifikanten Unterschiede bezüglich
der metakognitiven Kalibrierung zwischen Studenten männlichen und weiblichen
Geschlechts festgestellt (t(110) = 0.56; p = 0.58).
Für den Konzepttest ergibt sich analog CAQ = 0.70. Der Wert unterscheidet
sich signifikant von Null (t(42) = 3.13; p < 0.01). Die Berechnung des CAQ-Index
schließt Probanden aus, die weniger als zwei Antworten richtig oder falsch gelöst
haben (vgl. Gleichung (2)). Bei insgesamt fünf Items fällt dies bei der Auswertung
des Konzept-Tests stark ins Gewicht, sodass der CAQ-Index auf Grund der geringen
Itemzahl nur von 43 Probanden berechnet werden konnte. Aussagen über den Zu-
sammenhang zwischen Leistungsfähigkeit und Genauigkeit der Selbsteinschätzung
sind ohne unterscheidbare Leistungsstufen hinfällig, weshalb keine zur Abbildung  4
äquivalente Abbildung für den Konzept-Test dargestellt ist.

5.3 Itemcharakteristika (Mikro-Ebene)

Mit Hilfe von Korrelationsanalysen wurden alle Items auf einen linearen Zusam-
menhang zwischen Lösungswahrscheinlichkeit und gegebener Antwortsicherheit
getestet (vgl. Korrelationskoeffizienten in Tab. 1). Zur Beurteilung der Signifikanzen
wurden die p-Werte mit einer variablen Schranke verglichen, um einer Inflation
des α-Fehlers auf Grund der multiplen Analysen vorzubeugen (Benjamini und
Hochberg 1995). Es wurden vier KiRC-Items und ein Konzept-Item identifiziert,
die nur eine geringe, nicht signifikant von Null verschiedene Korrelation aufweisen.
Die Lösungswahrscheinlichkeiten dieser Items sind in Abbildung 5 (links) katego-
rienweise dargestellt, wobei auf die S = 0 Kategorie verzichtet wird. Innerhalb dieser
Kurven lassen sich zwei Item-Gruppen unterscheiden: Die P-Werte der Items K11,
K12 und Kon3 fallen über alle Sicherheitsstufen hinweg etwa gleich aus, d. h. bei
diesen Items unterscheidet die ansonsten gut metakognitiv-kalibrierte Stichprobe
nicht zwischen richtigen und falschen Antworten. Dagegen lassen die Items K8
und K15 noch eine Unterscheidung zwischen wenigstens zwei Stufen erkennen.
Zum Vergleich sind im rechten Teil von Abbildung 5 die Charakteristiken bei
Aufgaben mit einem hohen linearen Zusammenhang zwischen Sicherheit und
Lösungswahrscheinlichkeit dargestellt. Unabhängig von der Gesamtschwierigkeit
Pj zeigen alle Kurven einen ähnlich steilen Verlauf.
344 Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller

Abb. 5 Lösungswahrscheinlichkeiten P pro Sicherheitskategorie auf der Mikro-Ebene


für Items ohne sign. Korrelation zwischen P und S (links) und für Items mit
hochsignifikanter Korrelation (rechts). Items, die keine Korrelation zeigen,
werden in Abschnitt 6 diskutiert und sind dort aufgeführt.

6 Interpretation und Diskussion

Die deskriptiven Daten legen nahe, dass die Stichprobe im Allgemeinen eine hohe
Sicherheit beim Beantworten der Aufgaben verspürt, was auf das Vorwissen im
Themengebiet Kinematik zurückzuführen ist. Es kann vorausgesetzt werden, dass
die meisten Studierenden die grundlegenden Inhalte in ihrem vorangegangenen
Physikunterricht in der Schule behandelten. Diese Absolutwerte unterscheiden sich
hinsichtlich des Geschlechts der Studierenden. In Einklang mit den Ergebnissen von
Sharma und Bewes (2011) waren sich männliche Studenten bei der Beantwortung
der Aufgaben sicherer als weibliche und lösten die Aufgaben auch besser.
Zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage wurde der CAQ-Index als Ge-
nauigkeitsmaß der Selbsteinschätzung für jede Person auf der Makro-Ebene
berechnet. Unabhängig vom Geschlecht besitzt die Stichprobe im Mittel eine
signifikante metakognitive Kalibrierung (CAQ > 0; p < 0.001), kann ihre Leistung
also adäquat einschätzen.
Die zweite Forschungsfrage wird durch die Berechnung der Korrelationen
zwischen Antwortsicherheit und Lösungswahrscheinlichkeit auf der Mikro-Ebene
(Itemebene) unter Einbezug der deskriptiven Daten beantwortet. Während bei den
meisten Items die Lösungswahrscheinlichkeit mit zunehmender Sicherheit steigt,
stellten fünf Items Ausnahmen dar, die im Folgenden diskutiert werden.
Experimente mit Smartphone und Tablet-PC 345

• Bei Item K11 (vgl. Abb. 6) besteht keine Korrelation zwischen Sicherheit und
Leistung. Die Lösungswahrscheinlichkeiten der unsicheren Probanden (S = 0.33)
unterscheiden sich weder von den ganz sicheren (S = 1) noch von denen, die
etwas Zweifel an ihrer Antwort hegen (S = 0.66). Dieses Item thematisiert den
Verlauf der Beschleunigungsvektoren bei einer beschleunigten Kurvenfahrt und
damit ein Konzept der Rotationskinematik. Ein häufig gewählter Distraktor zeigt
gleich lange, ins Zentrum gerichtete Beschleunigungspfeile. Da diese Darstellung
eine gleichmäßige Kurvenfahrt mit konstanter Bahngeschwindigkeit darstellt,
mag dieses Bild bei manchen Studierenden Vertrautheit erwecken, was sie dazu
verleitet ihrer Antwort eine hohe Sicherheit zuzuschreiben. Die Vermutung, dass
eine konstante Länge der Beschleunigungspfeile zu einer


Abb. 6 Item K11
346 Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller

gleichmäßigen Beschleunigung führt, liegt ein Verständnis der eindimensio-


nalen Kinematik zu Grunde, die den Richtungscharakter außer Acht lässt. In
diesem Zusammenhang berichten Mashood und Singh (2012), dass Lernende
ihre Erkenntnisse aus der linearen Kinematik auf die Rotationskinematik
übertragen, was zu Fehlschlüssen führen kann. Außerdem weit verbreitet ist die
Auffassung, dass die Geschwindigkeit (Winkelgeschwindigkeit) nur dann größer
wird, wenn die Beschleunigung (Winkelbeschleunigung) größer wird. Hinter
dieser Vorstellung steckt ein Fehlkonzept, das seinen Ursprung ebenfalls in der
linearen Kinematik hat (McDermott et al. 1987). Hinter den hohen Sicherheiten
bei falschen Antworten verbergen sich fehlerbehaftete Vorstellungen über den
Lerninhalt, die nur schwer zu überwinden sind.
• Bei Item K12 (vgl. Abb. 7) verhält es sich ganz ähnlich: Das Item weist eine sehr
hohe Sicherheit (Sj = 0.81) bei geringer Lösungswahrscheinlichkeit (Pj = 0.43)
auf. Die Lösungswahrscheinlichkeit ändert sich mit zunehmender Sicherheit
nicht. Die Studierenden sollen bei diesem Item ein v(t)-Diagramm in Relation
zu einer Bewegung entlang einer Rampe setzen, wobei eine Richtungsumkehr
stattfindet. Der am häufigsten gewählte Distraktor zeigt an dieser Stelle einen
Knick im v(t)-Diagramm. Die Studierenden bemerken nicht, dass eine Rich-
tungsumkehr aber mit einem Vorzeichenwechsel der Geschwindigkeit einhergeht.
Das Problem, einen Richtungswechsel in einem v(t)-Graphen darzustellen ist in
der physikdidaktischen Forschung bekannt (McDermott et al. 1987) und tritt
ebenso bei dem Item K15 auf.
Experimente mit Smartphone und Tablet-PC 347

Abb. 7 Item K12 und K15


348 Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller

• Item K8 (vgl. Abb. 8) fragt nach dem v(t)-Verlauf eines in Luft fallenden Ge-
genstandes und weist eine mittlere Schwierigkeit bei sehr hoher Sicherheit auf.
Der am häufigsten gewählte Distraktor suggeriert, dass die Kugel zunächst
ungehindert ‚Fahrt aufnimmt‘ und erst nach einiger Zeit abgebremst wird. Der
erste Abschnitt des v(t)-Diagramms erinnert an eine gleichmäßig beschleunigte
Bewegung im x(t)-Diagramm (Parabel). Das zunächst ungebremste Fallen der
Kugel ist konform mit der Alltagsvorstellung, dass die Luftreibung bei kleinen
Geschwindigkeiten vernachlässigt werden kann. Denkt man dies physikalisch
korrekt weiter, müsste die erste Bewegungsphase aber linear verlaufen, d. h. der
Falschbeantwortung dieses Items liegt eine Konfusion zwischen den kinemati-
schen Größen Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung zu Grunde, die in der
Literatur an mehrfacher Stelle erwähnt wird (McDermott 1984; Beichner 1994).

Abb. 8 Item K8

• Das Item Kon3 (vgl. Abb. 9) des FCI-Tests zeigt eine Rakete, die sich zunächst
mit konstanter Geschwindigkeit im Weltraum bewegt und dann plötzlich
senkrecht zur Bewegungsrichtung beschleunigt. Die korrekte Bahnkurve
ergibt sich gemäß dem Superpositionsprinzip und dem zweiten Newtonschen
Axiom zu einer Parabel. Der falschen Antwort (e) liegt die Impetusvorstellung
zu Grunde: Die Kraft in die ursprüngliche Richtung muss erst aufgebraucht
werden, bevor das Raumschiff durch Zünden der Raketen seine Richtung än-
dert (Argumentation gemäß dokumentierter Fehlvorstellung, McCloske 1983).
Experimente mit Smartphone und Tablet-PC 349

Die inadäquate Selbsteinschätzung wird durch das Fehlen erfahrungsbasierter


Anker zur metakognitiven Reflexion erklärt, wodurch die Studierenden nicht
zwischen richtigen und falschen Antworten unterscheiden können. Interessant
ist zudem, dass bei abstrakten Inhalten eine Impetusvorstellung häufiger auftritt
als bei erfahrungsbasierten Inhalten, wie beispielsweise der Flugzeug-Aufgabe
aus Item Kon4. Dieses Item erfordert aus der Sicht eines Experten die gleichen
Denkprinzipien wie Item Kon3, doch zeigt sich auf Grund der Erfahrung eine
sehr genaue Selbsteinschätzung, wie der Korrelationskoeffizient r = 0.32 (p<0.001;
vgl. Tab. 1) zeigt.

Abb. 9 Item Kon3 und Kon4

7 Fazit und Ausblick

Der Beitrag diskutiert die Möglichkeit, die metakognitiven Fähigkeiten beim Arbeiten
mit multiplen Repräsentationen zu beurteilen. Da multiple Repräsentationen eine
bedeutende Rolle bei der Verwendung mobiler Medien als physikalisches Experi-
mentiermittel spielen, ist eine akkurate Selbsteinschätzung bzgl. des Umgangs mit
Repräsentationen von großer Bedeutung für erfolgreiches Lernen, besonders im
350 Pascal Klein, Jochen Kuhn und Andreas Müller

Rahmen instruktionaler Lernszenarien. Es wurden bestehende Analysemethoden


genutzt und adaptiert und auf eigene Daten angewendet, um Lernschwierigkeiten
zu diagnostizieren und verschiedene Aufgabentypen voneinander zu unterscheiden.
Aus der Analyse auf Stichprobenebene wurde der in der Literatur häufig doku-
mentierte Trend festgestellt, dass die Genauigkeit der Selbsteinschätzung von dem
Leistungsniveau abhängt. Während leistungsstarke Probanden ihre repräsentatio-
nalen Fähigkeiten akkurat beurteilen, überschätzen leistungsschwache Probanden
ihre Fähigkeiten (Dunning-Kruger-Effekt, Kruger und Dunning 1999). Wegen der
großen Bedeutung der Repräsentationskompetenz für das Verstehen von Physik
und der Sonderstellung der Kinematik innerhalb der Fachsystematik fallen diese
Ergebnisse besonders ins Gewicht. Verfügen leistungsschwache Probanden nur über
ein inadäquates Reflexionsvermögen der eigenen Fähigkeiten, besteht die Gefahr,
Lerndefizite nicht aufholen zu können. Gerade in den ersten Vorlesungswochen,
aus denen die Daten stammen, ist nicht auszuschließen, dass sich solche Defizite
auf die Leistung auswirken. Daraus wird die Hypothese generiert, dass der CAQ ein
Prädiktor für die Leistungsentwicklung darstellt. Perspektivisch könnten an dieser
Stelle Förderungsmaßnahmen zur Steigerung der metakognitiven Kalibrierung
ansetzen. Die angewandte Methode erlaubt zudem die Identifikation von Defiziten
auf individueller Personenebene.
Aus der Analyse auf Itemebene lässt sich schließen, dass es (i) Studierenden
trotz weitgehend korrekter metakognitiver Kalibrierung innerhalb einer bekannten
Domäne bei einzelnen Aufgaben nicht gelingt, zwischen richtigen und falschen
Lösungen zu unterscheiden, (ii) inadäquates Beurteilungsvermögen auf Lern- und
Verständnisschwierigkeiten der Repräsentation und der zu Grunde liegenden
Konzepte zurückgeführt werden kann und sich somit (iii) die angewandte Analyse
eignet, auffällige Items zu identifizieren.
Es steht eine Untersuchung der zeitlichen Veränderung der Selbsteinschätzung
aus. Obwohl die skizzierten Instruktionsmaterialien (Videoanalyse-Aufgaben)
zwar nicht explizit darauf abzielen, metakognitive Prozesse zu beeinflussen, sind
perspektivisch instruktionale Strategien zur Förderung metakognitiver Prozesse im
Rahmen der universitären Ausbildung von Physiklehrerinnen und -lehrern denkbar.
Der Einsatz von Tablet-Computern verbunden mit einem neuen, experiment-
bezogenen Aufgabenformat erlaubt es, den Lernenden unmittelbares Feedback
über einzelne Schritte des Problemlöseprozesses zu geben, sodass die Ausbildung
metakognitiver Strategien angeregt werden kann.
Die Reflexion der eigenen Leistung hinsichtlich der unmittelbar gelösten Aufgabe
erlauben Rückschlüsse auf metakognitive Fähigkeiten (Lindsey und Nagel 2015). Das
Erkennen von Defiziten durch diese Art der Selbstreflexion wird als Voraussetzung
gesehen, den Lernprozess effektiv zu strukturieren und zu steuern (selbstreguliertes
Experimente mit Smartphone und Tablet-PC 351

Lernen, Garavalia und Gredler 2002; Schunk und Pajares 2004). Könnten den Ler-
nenden also derartige Erkenntnisse gleich während des Lernprozesses rückgespiegelt
werden, würde dies die Ausbildung metakognitiver Strategien anregen. Könnte die
Analyse derartiger Defizite implizit erfolgen (z. B. durch in dem Medium verbaute
Sensoren), wäre ein mediengestütztes personalisiertes und adaptives Feedback in
Echtzeit möglich. Diesen Fragestellungen widmen wir uns in aktuellen Studien,
wozu die Erkenntnisse dieser Untersuchung einen Grundstein legen.

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Tablets zur Förderung diskursiver
Aushandlungsprozesse im
Fremdsprachenunterricht
Henriette Dausend

Tablets zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse

Zusammenfassung

Tablets als Bestandteile unserer Lebenswelt tragen ein sich wandelndes Kommu-
nikationsverhalten zunehmend in den Unterricht . Daher muss gefragt werden,
wie sich der Gebrauch von Tablets auf die kommunikativen Aushandlungspro-
zesse im Lerngeschehen auswirkt . Dieser Artikel beleuchtet die Chancen des
Tableteinsatzes aus der Perspektive des Fremdsprachenfachs Englisch in der
Grundschule . Er stellt das Projekt Teaching English with Tablets vor, das mittels
Videografie von tabletgestütztem Unterricht und Interviews untersucht, wie die
fremdsprachliche Diskurskompetenz von Lernenden durch Tablets gefördert
werden kann . Dieser Artikel stellt erste Erkenntnisse zu Prinzipien, Aufgaben-
stellungen und Methoden für einen kommunikativen und handlungsorientierten
tabletgestützten Englischunterricht vor .

1 Einleitung

Die fortschreitende Entwicklung der digitalen Medien hat zunehmend Einfluss


auf das menschliche Kommunikationsverhalten . So benennt Sebastian Pranz
(2009, S . 13) in der Einleitung seiner wissenssoziologischen Abhandlung zwei sich
wandelnde Dimensionen des Kommunikationsverhaltens via digitaler Medien:

Zum ersten kann man von der Ausbildung und Differenzierung eines weltweit ver-
fügbaren und in Hochgeschwindigkeit operierenden Netzwerkes sprechen, in dem
jederzeit Jeder mit Jedem in Verbindung treten kann . […] Zum zweiten, und mit Blick

355
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7_15
356 Henriette Dausend

auf die handelnden Subjekte, gestaltet sich der angesprochene Prozess als eine sukzes-
sive Veränderung der mit diesem Medientyp verbundenen Nutzungsgewohnheiten.

Diesem Zitat folgend sind es sowohl die Kommunikationssettings, die sich stetig
wandeln und entwickeln, als auch die Art und Weise, wie diese Settings ausgestaltet
werden. Es entsteht ein Wechselspiel aus immer leistungsfähigerer Technik und
der Nutzung dieser durch den Menschen (vgl. Gattenhof und Dezuanni 2015a,
S. 31). Dabei hat die Ausdifferenzierung technischer Geräte und ihrer medialen
Anwendungsmöglichkeiten des zurückliegenden Jahrzehnts zu einer Veränderung
menschlicher Sprach-, Handlungs- und Beziehungsmuster geführt.
Diese Präsenz digitaler Medien als Bestandteil gesellschaftlicher Realität verleitet
dazu, sie der Schule nicht länger vorzuenthalten (vgl. Irion 2014, S. 39). Vielmehr
wird argumentiert, dass gerade die hohe Präsenz digitaler Endgeräte auch die Art
und Weise, wie gelernt wird, verändert hat (vgl. Dezuanni et al. 2015, S. 7). Dement-
sprechend gibt es Überlegungen, dass solche Fächer, die aufgrund einer sprachlichen
Ausrichtung Kommunikationsformen explizit fokussieren, von einer Einbindung
der digitalen Kommunikationsgeräte und der damit einhergehenden Ausweitung
der Interaktionssituationen profitieren. Denn in sprachlichen Fächern, wie Deutsch
und Englisch, sind die Fähigkeiten und Fertigkeiten erfolgreich kommunizieren zu
können grundständig zu erwerbende Kompetenzen. So zielt der Englischunterricht
unmittelbar auf die Etablierung einer diskursiven Sprachkompetenz (vgl. Dausend
2014, S. 65ff.). Diese Diskurskompetenz befähigt Schülerinnen und Schüler Bedeu-
tungen in zielsprachlichen Situationen verhandeln zu können, und wird in eben
solchen Sprechsituationen generiert (vgl. Hallet 2010, S. 130; Dausend 2014, S. 170ff.).
In fachdidaktischen Diskussionen wird jedoch nach wie vor nach probaten Mitteln
und Methoden gesucht, wie Schülerinnen und Schüler in bedeutsame zielsprachliche
Interaktionen treten können. Mit dem Tablet scheint nun ein Medium einsatzbereit,
welches einen individuellen und mobilen Zugang zur digitalen Welt, einen großen
Input an englischsprachigen Inhalten sowie vielfältige Möglichkeiten sprachlicher
Rezeption und Produktion bietet (vgl. Dezuanni et al. 2015, S. 1).
Die Einbindung des Tablets in den Unterricht, mit dem Ziel die sprachliche
Kommunikation zu fördern, wird somit aus zwei Gründen relevant. Erstens muss
sich Schule an gesellschaftlichen Kommunikationsarten und -wegen beteiligen, wenn
sie ihrem Auftrag gerecht werden will, junge Menschen auf ein selbstbestimmtes
Leben vorzubereiten. Zweitens werden Tablets als ein Mittel aufgeführt, welches
ein selbstgesteuertes und handlungsorientiertes Lernen ermöglicht (vgl. Kirch
2014, S. 50f.). Beide Argumente verdeutlichen die Idee, welcher dieser Artikel folgt,
nämlich nicht zu diskutieren, ob Tablets in Lehr-Lernsituationen genutzt werden
sollten oder nicht. Vielmehr geht es darum, Tablets in ihren Chancen und Gren-
Tablets zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse 357

zen für Schule zu begreifen und zu fragen, auf welche didaktisch und methodisch
sinnvolle Art und Weise Tablets im Unterricht zur Kompetenzförderung genutzt
werden können. Folglich ist es notwendig zu erläutern, welchen Zielsetzungen der
Englischunterricht folgt und wie Kommunikationstechnologien diese unterstützen
können.

2 Ziele und Prinzipien von Englischunterricht

Das Ziel des Englischunterrichts ist es, eine fremdsprachliche Diskurskompetenz


zu fördern. Dabei unterscheiden sich die Zielsetzungen im Primar- und Sekund-
arbereich vornehmlich durch differente Niveaustufen, welche in bestimmten
Kompetenzbereichen erreicht werden sollen. Die verschiedenen Bereiche der
Diskurskompetenz sind jedoch weitestgehend identisch. So benennen die Kern-
curricula der Bundesländer die eigenaktive Aushandlung von Bedeutungen und
von sprachlichen Zusammenhängen als den Kern eines kompetenzorientierten
Lernens (vgl. Dausend 2014, S. 40ff.).
Trotz mannigfaltiger Verwendung ist es bedeutsam den Terminus Kompetenz
näher zu beleuchten. Nach Weinert (2001, S. 27f.) können Kompetenzen als ein
Konglomerat von Fähig- und Fertigkeiten, Wissen und Können sowie Einstellungen
und Haltungen verstanden werden. Diese einzelnen Teilkomponenten sollen im
Unterricht gefördert werden, um die Schülerinnen und Schüler zu zielsprachlichen
Aushandlungsprozessen zu befähigen. Dabei sind Kompetenzen weniger als Ziele
einer einzelnen Unterrichtsstunde zu verstehen, sondern als längerfristige Dispo-
sitionen, welche sich über die Zeit und durch die Aktionen der Schülerinnen und
Schüler im Unterricht entwickeln. Das Ziel allen Handelns im Kontext des Fremd-
sprachenunterrichts ist es, dass die Schülerinnen und Schüler „zur umfassenden
Teilhabe sowohl an Gesellschaft […] als auch zur selbstbestimmten Gestaltung ihres
eigenen Lebens“ (Hallet 2011, S. 30) befähigt werden. Die sprachlichen Handlungen
sind somit als Weg und als Ziel fremdsprachlichen Lernens und gesellschaftlicher
Bildung gleichermaßen zu verstehen.
In diesem Kontext wird zwischen dem Diskurs als der Auseinandersetzung mit
Fragestellungen in einer sozialen Situation sowie dem Diskurs als der Verwendung
spezifischer Fertigkeiten unterschieden. So kann Diskurs als Discourse den Aus-
handlungsprozess zwischen Individuen beschreiben, während die Bezeichnung
discourse auf die Fertigkeiten wie „saying/writing/listening/reading/viewing“ (Gee
1990, S. 142) hinweist. In der diskursiven Interaktion reicht ein Einsatz isolierter
Fertigkeiten, im Sinne des Begriffs discourse, jedoch nicht aus, um Bedeutungen
358 Henriette Dausend

erfolgreich verhandeln zu können. Vielmehr sind komplexe Kompetenzen not-


wendig, welche zwar auf den Fertigkeiten des Hörens, des Sprechens, des Lesens
und des Schreibens aufbauen, jedoch in Abhängigkeit zu Einstellungen, Wissen,
Erfahrungen und Motivationen das Handeln bestimmen (vgl. Hallet 2011, S. 36).
Zusammengefasst als Kompetenzen werden alle Teilbereiche dann zu Werkzeugen,
welche es den Lernenden erlauben, an komplexen Aushandlungsprozessen jenseits
sprachlicher und kultureller Grenzen teilzunehmen (vgl. Bonnet/Breidbach 2013,
S. 33f.).
Um die Art solcher Diskurse weiter beschreiben zu können, und damit Aus-
sagen über notwendige Kompetenzen machen zu können, muss geschaut werden,
von welchen Faktoren gesellschaftliche Diskurse heutzutage geprägt sind. In den
letzten Jahrzehnten lassen sich vor allem zwei Entwicklungen ausmachen, welche
auch für den Unterrichtskontext bedeutsam sind: So haben sowohl die technolo-
gischen Entwicklungen als auch die zunehmenden sozialen Diversitäten zu einer
explosionsartigen Verbreitung neuer Kommunikationszusammenhänge und
-modi geführt. Diese Diversität spezifiziert Diskurse in einem für Schule bislang
unbekanntem Maße (vgl. Anstey und Bull 2006, S. 19ff.). Der Fremdsprachenun-
terricht als ein Raum, in welchem Kultur und Sprache explizit verhandelt werden,
muss dieser zunehmenden Komplexität und Multimodalität der Kommunikation
zwischen Menschen unterschiedlicher Sprachen und Kulturen Rechnung tragen
und weitreichende Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler fördern (vgl. Cope
und Kalantzis 2000, S. 6): „[…] students will need to acquire the skills, strategies,
and practices they need for work and leisure; active citizenship; participation in
social, cultural, and community activities; and personal growth.“ (ebd. S. 19)
Wenn nun überlegt wird, wie ein Fremdsprachenunterricht methodisch und
didaktisch aufzubauen ist, um Bedeutungsaushandlungen anzubahnen, muss die
eben dargestellte Komplexität der Diskurskompetenz beachtet werden.
Folglich sollten die Prinzipien von Unterricht so gewählt werden, dass diese die
Gestalt der Diskurse aufgreifen (vgl. The New London Group 2000, S. 10ff.; Bach
und Breidbach 2009, S. 286ff.). Der Englischunterricht muss den Schülerinnen und
Schülern Gelegenheiten bieten, ihr sprachliches sowie ihr kulturelles Können und
Wissen, ihre Fähig- und Fertigkeiten sowie ihre Einstellungen und Haltungen nutzen
und erweitern zu können. Dies kann gelingen, wenn sie als am Unterrichtsdiskurs
Teilnehmende verstanden werden. Dieses Prinzip, die Schülerinnen und Schüler
als Diskursteilnehmer wahrzunehmen, wird dann erreicht, wenn auch solche
Kompetenzen beachtet und eingebunden werden, welche die Schülerinnen und
Schüler in den Unterricht mitbringen (vgl. Rösler 2013, S. 156). Das bedeutet vor
allem, auch andere sprachliche und kulturelle Kompetenzen, sprich die Schülerinnen
und Schüler mit all ihren Sprachen und Kulturen zu berücksichtigen (vgl. Dausend
Tablets zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse 359

2015, S. 72ff.). Ein solcher Unterricht nutzt die sprachlichen und kulturellen Kom-
petenzen im Klassenraum für eine Erweiterung des Potentials der Schülerinnen
und Schüler um die Dimensionen der Zielsprache.
Die notwendigen sinnhaften Unterrichtsdiskurse entstehen in der Verbindung
von Kompetenzen mit Unterrichtsinhalten. Denn nur durch Inhalte können die
abstrakt formulierten Kompetenzen operationalisiert werden (vgl. Bär 2013, S. 99f.).
Inhalte sind dabei sowohl in Anlehnung an die Curricula als auch orientiert an
den Interessen und Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler auszurichten. Ein
Orientierungspunkt sollte immer ihre Lebenswelt sein. So können pädagogisch
sinnvolle Inhalte mit den Bedürfnissen und den Vorerfahrungen der Schülerinnen
und Schüler verknüpft werden. Denn eine Diskussion bedeutungstragender Inhalte
erlaubt eine gesellschaftliche Teilhabe, welche sich an die Lebenswelt der Schüle-
rinnen und Schüler anschließt und sowohl eine reale Herausforderung als auch ein
Übungsfeld darstellt. Diese positiven Effekte der Konkretisierung, Anschaulichkeit
und fächerübergreifender Bearbeitung von Inhalten können vor allem aus Studien
zum bilingualen Lernen abgeleitet werden (Übersicht in Dausend 2014, S. 132ff.).
Zudem können thematische, sprachliche und methodische Mitentscheidun-
gen der Schülerinnen und Schüler die Partizipation erhöhen (vgl. Dausend 2013,
S. 131ff., Dausend et al. 2013, S. 78). So kann angenommen werden, dass Phasen
eigenständigen Arbeitens zu einer vertieften Kommunikation beitragen können.
Aus diesem Prinzip erschließt sich ein weiterer Grundsatz, welcher im Kontext
der Diskurskompetenz relevant wird, die Förderung von Sprachproduktionen
und Bedeutungsaushandlungen. Beide Aspekte sind zentral, da das Hören und
Sprechen die Basis mündlicher Interaktion bildet. Das mündliche Sprechen und
das Aushandeln von Bedeutungen müssen somit frühzeitig gefördert werden.
Es kann festgehalten werden, dass Bedeutungsaushandlungen im Sinne diskursi-
ver Prozesse im Englischunterricht dann angeregt werden können, wenn die Schü-
lerinnen und Schüler als Personen mit vielfältigen Kompetenzen wahrgenommen
werden. Um diese erweitern zu können, müssen den Lernern Aufgaben angeboten
werden, in welchen sie Inhalte sinnvoll und selbstgesteuert verhandeln. Dabei sind
es die Kommunikationstechnologien, welche eine diskursive Aushandlung von
Bedeutungen stützen können. Im Folgenden wird beschrieben, inwieweit diskur-
sive Aushandlungsprozesse in der aktuellen Unterrichtspraxis umgesetzt werden.
360 Henriette Dausend

3 Die praktische Umsetzung des Englischunterrichts

Die Beschreibung der Ziele und Prinzipien ist in erster Linie ein Sollwert. Daher
muss beschrieben werden, in welchem Maße sich diese in der Unterrichtspraxis
wiederfinden. Insgesamt werden die Lerngelegenheiten zum freien Sprechen und
zu diskursiven Prozessen als zu gering eingeschätzt, da diese nach wie vor eine
Herausforderung für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen darstellen:
„Promoting oral production in the target language in a classroom seems something
of a challenge“ (Müller-Hartmann und Schocker-v. Ditfurth 2009, S. 61). So finden
sich vor allem im Primarstufenbereich, in welchem die mündliche Kommunikation
Priorität hat, Stimmen, die eine Ausweitung diskursiver Situationen fordern, um
das Potential der Lernenden besser auszuschöpfen (vgl. u. a. Roos 2007; Engel et
al. 2009). Allerdings wurde lange das Fehlen geeigneter Methoden und Konzepte
moniert, denn Legutke und Kollegen sehen weniger die Bereitschaft der Schü-
lerinnen und Schüler zur Sprachproduktion als mangelhaft denn die fehlenden
didaktischen Ansätze zur Förderung dieser: „[…] the reasons for the observed lack
of oral language production in primary classrooms may not be rooted in learners’
preferred forms of participation, but in prevailing approaches to teaching at primary
level“ (Legutke et al. 2009, S. 54). Diese Aussagen gehen mit der Idee einher, durch
mehr sprachliche Anteile im Unterricht die sprachliche Handlungskompetenz der
Schülerinnen und Schüler stärken zu können. Allerdings dürfen diese nicht nur
auf dem Niveau des wiederholenden und chorischen Sprechens verbleiben. Denn
Bedeutungen können nur verhandelt werden, wenn die Schülerinnen und Schüler
ihre sprachlichen Mittel individuell einsetzen. Folglich müssen die von Legutke et
al. (ebd.) geforderten Ansätze bereits für den Grundschulbereich sprachlich offene
Situationen zur Bedeutungsaushandlung anbieten. Im Jahr 2014 konnte ein erster
Ansatz mit dem Modell des transcurricularen Lernens für einen diskursiv-kompe-
tenzorientierten Unterricht veröffentlicht werden (Dausend 2014). Das Modell gibt
Hinweise, mit welchen didaktischen und methodischen Mitteln Phasen diskursiven
Sprechens bereits in der Grundschule ermöglicht werden können. Wie der Name
transcurricular besagt, geschieht dies, indem inhaltliche Belange unter Verwendung
sprachlicher und kultureller Ressourcen der Schülerinnen und Schüler bearbeitet
werden. Diese Art der Auseinandersetzung mit den Zielsetzungen und den eigenen
Bedürfnissen ist im Englischunterricht implementiert, greift jedoch über die Fach-
grenzen (transcurricular) in sämtliche Bereiche, um Lernerfahrungen individuell
und bedeutsam zu machen. Diese Selbstbestimmung erfahren die Schülerinnen
und Schüler z. B., wenn sie das Thema me and my family im Englisch-, Sach- und
Kunstunterricht parallel erarbeiten. Sie erhalten die Möglichkeit anderen von ihren
Familien, den Wohnorten usw. in ihrer Familiensprache sowie auf Deutsch und
Tablets zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse 361

Englisch zu berichten. In einer solchen Vernetzung von Sprachen und Inhalten


besteht die Chance, die sprachlichen Zuordnungen der Fächer aufzubrechen und
das Englische und die Familiensprache auch im Fach Kunst oder Sachunterricht
zu nutzen, wenn dies in den entsprechenden Situationen sinnvoll scheint.
Zwar konnte mit dem transcurricularen Lernen ein Ansatz geboten werden,
wie diskursive Aushandlungsprozesse in sinnhaften Situationen jenseits von Fach-
und Sprachgrenzen etabliert werden können. Allerdings fehlten bislang Medien,
welche es erlauben, die Diskurse von Schülerinnen und Schülern im Unterricht zu
stimulieren und gleichzeitig aufzuzeichnen. Im Kontext der Debatten um die Nut-
zung digitaler Medien in den Schulen hat sich nun ein Kommunikationsmedium
etabliert, welches eben diesen Ansprüchen gerecht zu werden scheint. Es ist das
Tablet, welches vielfältige Aufgabenstellungen ermöglicht, in welchen die Schüle-
rinnen und Schüler in Diskurse untereinander oder mit Außenstehenden treten
können. Gleichzeitig bieten zahlreiche Programme eine Hilfe bei der Sicherung
von Gruppenarbeitsprodukten. Welchen Nutzen insbesondere das Tablet für die
Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse haben kann, wird im folgenden
Abschnitt beschrieben.

4 Das Tablet als Medium im diskursiv-


kompetenzorientierten Englischunterricht

Das Tablet bietet vielfältige Möglichkeiten, welche zur Initiierung von Sprachpro-
duktionen und Bedeutungsaushandlungen genutzt werden können. Somit sind es
zum einen die mannigfaltigen Funktionen von Tablets, welche eine fachdidaktische
Diskussion dieser notwendig machen. Zum anderen sind es die politischen und
gesellschaftlichen Tendenzen, Tablets zunehmend in Schulen einsetzen zu wollen
(vgl. Irion 2014, S. 39), welche dazu zwingen zu untersuchen, in welchen Phasen
von Unterricht und zu welchen Zielen Tablets eingesetzt werden können. Denn
nur wenn didaktisch-methodisch sinnvolle Einsatzmöglichkeiten benannt sind,
können die Geräte als Mehrwert für den Unterricht diskutiert werden.
Positive Effekte auf die Gestaltung von Lehr-Lern-Situationen werden vor allem
durch die Multimodalität, die Mobilität und die Digitalität des Tablets evoziert.
Mit einer Größe von 7-11 Zoll, einer Dicke von wenigen Zentimetern und einem
Gewicht von einem Drittel eines Notebooks ist das Tablet sehr handlich und mobil
einsetzbar. Die Bedienung per touch screen erlaubt eine unmittelbare Bearbeitung
der Daten in den Grafiken selbst und umgeht eine abstrakte Auge-Hand-Koor-
dination via Tastatur oder Maus (vgl. Dezuanni et al. 2015, S. 1). Erhebungen aus
362 Henriette Dausend

dem Bereich des Vorschulunterrichts verweisen zudem auf eine sehr intuitive Be-
dienbarkeit der Tablets durch junge Lernende, wodurch eine Fokussierung auf die
eigentliche Aufgabe unterstützt wird (vgl. Kucirkova et al. 2014, S. 182; Gattenhof
und Dezuanni 2015a, S. 37). Die durchschnittliche Akkulaufzeit von einigen Stunden
ermöglicht die mobile Mitnahme des Gerätes. Der Aspekt der Digitalität erlaubt es,
komprimierte Dateien komplexer Dinge in einem Gerät nutzen zu können, indem
mit dem Tablet die Möglichkeit besteht, Bücher und Texte zu lesen, sich Notizen
zu machen, Filme oder Fotos mit der integrierten Kamera zu erstellen, anzusehen
und zu verarbeiten u. v. m. (vgl. Dezuanni et al. 2015, S. 1). All diesen Funktionen ist
gemein, dass der Nutzer Dateien sowohl rezeptiv wahrnehmen als auch produktiv
erstellen, verarbeiten u. ä. kann. Dafür werden eine Vielzahl an Applikationen (Apps)
angeboten. Diese Softwareprogramme variieren zwar je nach Betriebssystem, für
welches sie verfügbar sind, in Art und Umfang. Allerdings existiert mittlerweile ein
riesiger Softwaremarkt für Apps, so dass auch für den Bildungskontext passende
Apps kritisch auszuwählen sind. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, Dateien mit
anderen per Bluetooth oder WLAN zu teilen.
Viele dieser Charakteristika erlauben es, produktiv und diskursiv mit Sprache
zu arbeiten. Für den Fremdsprachenunterricht scheint der Mehrwert des mobi-
len und individuellen Zugangs zum Internet ersichtlich, da durch das Tablet auf
englischsprachige Texte, Filme, Audiodateien, Chats, Foren u. v. m. zugegriffen
werden kann. Für die Schülerinnen und Schüler ergibt sich eine Partizipation an
Inhalten in digitalen Zusammenhängen, in welchen auch die Zielsprache auftritt.
Im Klassenzimmer können sie mittels Tablet individuell auf die von der Lehrper-
son vorbereiteten Angebote zugreifen oder auch selbstständig recherchieren. Eine
solche Stärkung der Eigeninitiative kann für differenzierte Unterrichtsaufgaben
und eine Orientierung am jeweiligen Leistungsniveau der Lernenden ebenso ge-
nutzt werden wie für einen lebensweltbezogenen, inhaltlich interessanten Zugang
zu zielsprachlichen (mündlichen, bildlichen oder geschriebenen) Texten. Zudem
unterstützen die Tablets auch Begegnungsprojekte mit Sprecherinnen und Spre-
chern der Zielsprache, den Klassiker des mobilen fremdsprachlichen Lernens. Die
Schülerinnen und Schüler können im Chat, in Foren, per Mail oder mittlerweile
auch per Skype mit Partnerschulen kommunizieren.
Im (in diesem Artikel fokussierten) Grundschulbereich ist die Arbeit mit dem
Tablet intensiver anzuleiten als in höheren Klassenstufen. Beobachtungen im Projekt
Teaching English with Tablets zeigen, dass die Lernenden mehr Hilfe benötigen je
jünger sie sind bzw. je schwächer ihr Leistungsniveau ist. Jüngere Schülerinnen und
Schüler benötigen detailliertere und kleinschrittigere Aufgabenstellungen sowie
Vorentlastungen von sprachlichen Mitteln, wenn sie selbstgesteuert die englische
Sprache verwenden wollen. Sind angemessene Hilfssysteme angeboten, können
Tablets zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse 363

die Lernenden mittels produktiver Apps freie Sprache produzieren. Als produktiv
wird eine App klassifiziert, welche es erlaubt, eigens erstellte Inhalte entlang eines
individuell gestalteten Skripts zu erarbeiten. Gattenhof und Dezuanni (2015b,
S. 88) sowie Kucirkova et al. (2014, S. 174) sprechen in diesem Zusammenhang von
storymaking apps. Als Beispiele können die von Apple angebotenen Apps Book
Creator oder Puppet Pals genannt werden. Beide bieten den Schülerinnen und
Schülern Möglichkeiten, eigene Geschichten zu erarbeiten und diese sprachlich
umzusetzen. Mit der App Puppet Pals wird ein digitales Rollenspiel erstellt, indem
die Lernenden Charaktere und Hintergründe wählen oder selbst hinzufügen. Sie
bewegen ihre Charaktere entsprechend der von ihnen erarbeiteten Geschichte,
während ihre Aussagen parallel von der App aufgezeichnet werden. Somit wird
eine synchrone Aufnahme von Bewegungen und Sprache erstellt und es ist keine
weitere Verarbeitung notwendig. Der Book Creator ist in seiner Handhabung und
dem Outcome komplexer als Puppet Pals, da er weniger mit vorgefertigten Settings
arbeitet. Er bietet vielmehr die Chance ein eigenes digitales Buch zu erstellen, in
welchem Texte, Bilder, Videos, Farben und Formen sinnvoll zusammengefügt werden.
Die Nutzung der produktiven Apps scheint für einen diskursiven Unterricht
in vielerlei Hinsicht sinnvoll. Beim Erstellen von Geschichten, Themenheften und
Rollenspielen erfüllt sich der Wunsch, dass die Schülerinnen und Schüler mit
Sprache handeln. In diesem Zusammenhang verweisen die Autoren im Rahmen
ihrer Forschung zum Einsatz produktiver Apps im Vorschulbereich darauf, dass das
Erarbeiten eigener Geschichten zentral für das Erlebnis der Lernenden ist. Indem sie
eigene Erfahrungen in Geschichten transferieren, knüpfen sie an Kompetenzen an,
welche sie ihre gesamte Kindheit über bereits genutzt haben und halten die Kontrolle
darüber, was sie erzählen und wie sie dies darstellen (ebd., S. 97). Sie nutzen all ihre
sprachlichen und kulturellen Kompetenzen, um Handlungsstränge zu entwickeln
und diese sprachlich und visuell ansprechend umzusetzen. Dabei gelingt es, Modi,
welche bislang getrennt voneinander genutzt wurden, nun in einer Datei mittels
eines Mediums festzuhalten und beliebig oft abzuspielen. Im Falle der App Puppet
Pals lässt sich zudem argumentieren, dass sie einen guten Zusatz zum klassischen
Rollenspiel bietet, da das in Puppet Pals geschaffene Produkt nicht flüchtig ist, son-
dern in anderen Unterrichtszusammenhängen wiederholt genutzt oder erweitert
werden kann. Des Weiteren wird die haptische Komponente bei der Arbeit mit dem
Tablet als lernförderlich eingeschätzt (vgl. Gattenhof und Dezuanni 2015a, S. 37).
Arbeiten die Schülerinnen und Schüler während der Erstellung der Skripte
und der Aufnahmen in Gruppen, so müssen sie sich auf Inhalte und Gestaltungs-
formen einigen. Diese soziale Konstellation initiiert Sprachhandlungen zwischen
den Gruppenmitgliedern, welche in diskursive Aushandlungsprozesse münden. In
diesen müssen die Lernenden Standpunkte benennen und verteidigen sowie Kom-
364 Henriette Dausend

promisse aushandeln, was von Falloon und Khoo (2014, S. 27) als der lernförderliche
Mehrwert beim gemeinsamen Arbeiten mit produktiven Apps beschrieben wird:

It was apparent that the open nature of these apps, combined with the greater public
work space affordances of the device, at least potentially could provide students with
powerful environments supportive of critical but collaborative content development,
as gauged by increased exploratory talk. (ebd.)

Auch wenn zu erwarten ist, dass gerade im Grundschulbereich viele dieser Aus-
handlungsprozesse in der deutschen Sprache stattfinden, so können doch zweierlei
Kompetenzzuwächse erwartet werden. Erstens ist es wichtig, dass die Schülerin-
nen und Schüler ihre Diskurskompetenz unabhängig von der Sprache überhaupt
trainieren, indem sie sich mit anderen auseinandersetzen und einigen müssen. Es
kann angenommen werden, dass Kompetenzen in Bezug auf eine Diskurskom-
petenz in der Familiensprache sich auch positiv auf andere Sprachen übertragen
lassen. Zweitens müssen die Schülerinnen und Schüler trotz nichtzielsprachlicher
Diskussion ein Endprodukt schaffen, welches die englische Sprache nutzt. Folglich
muss in die Aushandlungsprozesse die Zielsprache in gewissem Maße einfließen,
wenn z. B. über Begriffe diskutiert wird. Es scheint demnach wahrscheinlich,
dass es während der Diskurse auch zu metasprachlichen Aushandlungen kommt.
Wird noch beachtet, dass im Sinne des transcurricularen Lernens die Sprachwahl
flexibel über Fächergrenzen hinausreicht, wird ersichtlich, dass der Wunsch nach
diskursiven Aushandlungsprozessen stärker wiegt als die absolute Einsprachigkeit
im Unterricht. An dieser Stelle sei betont, dass die hier beschriebenen Aushand-
lungsprozesse nicht den bisherigen Unterricht in Gänze ablösen sollen, sondern
als eine Ergänzung zum einsprachigen Unterricht im Englischen zu sehen sind.
Ebenso wie die Sprachen flexibel genutzt werden können, bieten die Tablets die
Chance, die Produkte der Schülerinnen und Schüler multimedial aufzubereiten.
Die Lernenden werden zu Produzenten von Filmen, Büchern etc., welche sich
an Inhalten und weniger an Fächergrenzen orientieren: „The [tablet] can enable
young children to create and share digital content that focuses on art forms and
cross-curricular learning“ (Gattenhof und Dezuanni 2015a, S. 30).
Für die Lehrpersonen ergeben sich aus der Arbeit mit dem Tablet zwei weitere
Aspekte, die sie für ihre Unterrichtsgestaltung unmittelbar nutzen können. Mit
den Dateien liegen Sprachprodukte der Schülerinnen und Schüler vor, welche
einen Zugriff auf die konservierten sprachlichen Artikulationen der Lernenden
erlauben. Hieraus ergibt sich die Chance, das Kompetenzniveau der Schülerinnen
und Schüler abzuleiten und dieses sowohl für ein individuelles Feedback als auch
für die Bewertung zu nutzen. Insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Bewer-
tungsverfahren zum mündlichen Sprechen, in welchen die Lehrperson vorgefertigte
Tablets zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse 365

Dialoge mit jedem Lernenden durchspricht, wirkt die freie Sprache auf dem Tablet
als angemessene Zusatzgrundlage. Zudem können individuelle Förderangebote
abgeleitet werden, da die Lehrperson durch die freie Gestaltung der Sprachprodukte
umfangreichere Einblicke in den Kompetenzstand der Schülerinnen und Schüler
erhält als durch rezipierte Dialogstrukturen. Mit Blick auf die Wortwahl und die
Syntax scheint dies ebenso spannend wie für die Betonung. Da die Lernenden
während der Aufnahme in einer realistischen Sprachsituation agieren, kann davon
ausgegangen werden, dass sie spontansprachliche Fehler begehen, welche von der
Lehrperson im Produkt diagnostiziert und analysiert werden können.
All diese Annahmen gehen auf fachdidaktische Überlegungen zum Umgang
mit dem Medium Tablet sowie auf erste Beobachtungen in Unterrichtssituationen
und Fortbildungen für Lehrpersonen zurück. Allerdings existieren für den Eng-
lischunterricht im deutschen Schulkontext bislang keine Aussagen darüber, wie
und wozu die Schülerinnen und Schüler produktive Apps nutzen. Um Aussagen zu
den Möglichkeiten von Tablets auch aus empirischer Sicht formulieren zu können,
wurde im Jahr 2014 das Projekt Teaching English with Tablets gestartet. Im Folgen-
den werden die Forschungsfragen, das -design sowie erste Ergebnisse vorgestellt.

5 Die Studie Teaching English with Tablets

Die Studie Teaching English with Tablets wird von der Juniorprofessur Grund-
schuldidaktik Englisch an der Technischen Universität Chemnitz durchgeführt1.
Das Ziel der Untersuchung ist es, sinnvolle Einsatzmöglichkeiten des Tablets für
das Fremdsprachenlernen zu beschreiben. Zentral ist die Frage, in welchen Phasen
von Unterricht und unter Verwendung welcher Aufgabenstellungen das Tablet als
Medium genutzt werden kann. Dabei werden die Möglichkeiten von Tablets vor
allem in Hinblick auf die Förderung solcher Kompetenzen fokussiert, welche mit
den bisherigen Mitteln und Methoden des fremdsprachlichen Lernens nur unzu-
reichend gefördert werden können. Wie bereits erläutert werden konnte, ist eine
immer währende Herausforderung die Ermöglichung von ausreichend Situationen
zum freien Sprechen. Daher wird im aktuellen Forschungszyklus der Schwerpunkt
auf die Frage gelegt, wie Tablets zur Förderung von Sprachproduktionen genutzt
werden können. In Anlehnung an sprachproduzierende Aufgaben gliedern sich

1 Die Durchführung der Studie sowie die Erhebung und Auswertung der Daten erfolgt
unter Mitarbeit von Susanne Nickel und Maik Schönherr.
366 Henriette Dausend

die Forschungsfragen des aktuellen Erhebungszyklus in eine übergreifende und


drei untergeordnete Fragen:
Welche Möglichkeiten bieten Tablets für diskursive Aushandlungsprozesse im
Englischunterricht der Grundschule?

1. Wie verhalten sich Schülerinnen und Schüler bei der Erarbeitung sprachpro-
duzierender Aufgaben mit dem Tablet im Englischunterricht?
2. Wie gestaltet sich die Sprachnutzung von Schülerinnen und Schülern in sprach-
produzierenden Gruppenarbeitsphasen?
3. Welche Einstellungen zeigen Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen
zum Nutzen von Tablets in sprachproduzierenden Gruppenarbeitsphasen?

5.1 Das Forschungsdesign der Studie Teaching English


with Tablets

Die Studie Teaching English with Tablets bietet einen explorativen Zugang zum Ein-
satz von Tablets im Fremdsprachenunterricht. Aufgrund mangelnder empirischer
und theoretischer Vorannahmen bezüglich einer didaktisch sinnvollen Nutzung
von Tablets für den Fremdsprachunterricht im deutschen Kontext gilt es eben solche
Ansätze zu entwickeln. Das Design ist daher von einer Offenheit geprägt, die nicht
theoretische Vorannahmen überprüft, sondern solche erst durch die Arbeit und
das Suchen im Feld generiert (vgl. Kleemann et al. 2013, S. 19).
Das Feld Schule ist durch eine Vielzahl von Akteuren geprägt. Beschreibungen
von Unterricht müssen daher immer Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler
gleichermaßen betrachten. Soll nun der Nutzen der Tablets im Unterricht beobachtet
und beschrieben werden, setzt dies eine enge Zusammenarbeit der Lehrpersonen
mit den Forschenden voraus. Eine Arbeit im Lehrer-Forscher-Tandem erlaubt es,
praktische Voraussetzungen und theoretische Annahmen der Felder unterrichtlicher
Praxis und wissenschaftlicher Forschung zu verknüpfen. Dabei wird sich Elemen-
ten der Aktionsforschung im Kontext der interpretativen Unterrichtsforschung
bedient, um gemeinsam Zyklen von Aktion, Beobachtung, Reflexion und neuer
Aktionsidee zu etablieren (vgl. Altrichter und Posch 2007, S. 17). Es ist vor allem
der explorative Ansatz eines sich Herantastens an den Untersuchungsgegenstand,
welcher hier im Rahmen von Aktionsforschung umgesetzt wird. So werden Daten
erhoben und ausgewertet, um daraufhin theoretische Verallgemeinerungen zu bilden
(vgl. Kleemann et al. 2013, S. 25). Folglich werden die Erkenntnisse unmittelbar auf
die Vorannahmen gespiegelt, so dass Modifikationen dieser zu Veränderungen in
weiteren Forschungszyklen führen.
Tablets zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse 367

In der Studie Teaching English with Tablets kommt die Aktionsforschung auf
zwei Ebenen zum Tragen. Zum einen kann das Lehrer-Forscher-Tandem als eine
Aktionsforschungsentität verstanden werden, in welcher je nach Situation „das
Handeln in der Praxis und das Schlüsse-Ziehen aus der Handlungserfahrung“
(Altrichter und Posch 2007, S. 15) von der Lehrperson oder dem Forscher vollzogen
wird. Die Lehrpersonen reflektieren die Arbeit mit dem Tablet und generieren – im
Sinne der Aktionsforschung – neue Handlungsmöglichkeiten. Die Forschenden
begleiten die Lehrperson in diesem komplexen Prozess und zwar, nach Bergfelder
(2011), als Expertinnen bzw. Experten der Forschung und gleichzeitig Lernende.
Beide Gruppen sind dabei als Subjekte zu verstehen, die in wechselnden Rollen
versuchen, den Gegenstand als Ganzes durch gemeinsame Aktions- und Refle-
xionsprozesse zu beschreiben. So übernehmen in der Studie TET auch die For-
schenden die Lehrerrolle, wenn sie die Lehrpersonen im Umgang mit den Tablets
schulen. Auch die Phasen der gemeinsamen Planung von Unterricht fördern die
Interaktion von Lehr-Lernprozessen zwischen Lehrpersonen und Forschenden,
da unterschiedliche Expertisen zusammengebracht werden, um eine praxistaug-
liches Unterrichtsszenarium zu entwickeln. Gemeinsam sehen sie den Einsatz der
Tablets als Herausforderung und entwickeln längerfristig Wege zur sinnhaften
unterrichtlichen Implementierung dieser.
Die Auswahl der teilnehmenden Lehrpersonen ist von Kriterien abhängig, welche
sie für eine intensive Zusammenarbeit befähigen. Repräsentative Zusammenhänge
können im Rahmen der interpretativen Unterrichtsforschung im pädagogischen
Kontext vernachlässigt werden, da sich jeder Unterricht mit andersartigen syste-
mischen Bedingungen konfrontiert sieht. Dementsprechend werden die Fälle nach
dem für die Aktionsforschung dienlichen Kriterien gewählt:

• Interesse am Einsatz digitaler Medien, insbesondere Tablets, im Englisch­


unterricht
• Information der Eltern sowie Bewerbung des Projektes in der Schule
• Bereitschaft zur Teilnahme an einer 6-stündigen Fortbildung
• Aktive Teilnahme an einem Planungsgespräch (60 Minuten) an der TU Chemnitz
• Bereitschaft sich im Unterricht filmen und im Anschluss interviewen zu lassen
• Unterstützung von Seiten der Schulleitung

Alle Forschungsfragen (vgl. Abschnitt 4) sollen durch Beobachtungen der Un-


terrichtspraxis sowie Befragungen der Akteure beantwortet werden. Um eine
reale Unterrichtssituation anzunähern, wird der Unterricht mit den Tablets von
Lehrpersonen in ihrem regulären Unterricht durchgeführt. Auf diese Weise wird
beobachtet, wie die Tablets in ausgewählten Unterrichtsstunden zur Erarbeitung
368 Henriette Dausend

des regulären Unterrichtsinhaltes benutzt werden. Von einer vollständigen Imple-


mentierung der Tablets, sprich einer Nutzung in jeder Unterrichtsstunde, wird im
aktuellen Stadium der Studie abgesehen. Denn die explorative Erschließung einer
sinnvollen, temporären Tabletnutzung für das Schulfach Englisch hilft didaktische
Ansätze zu generieren, welche für eine spätere Umstellung eines Unterrichts auf
digitale Medien von Nutzen sein kann. Das Tablet wird somit als ein Medium
unter vielen verstanden, welches nur aufgrund seines kompetenzunterstützenden
Mehrwerts phasenweise in das Lehren und Lernen des Englischen integriert wird.

5.2 Der erste Erhebungszyklus der Studie Teaching English


with Tablets

Der erste Forschungszyklus wurde von Januar bis August 2015 durchgeführt. In
diesen acht Monaten konnte mit fünf Lehrpersonen von drei Chemnitzer Schulen
und insgesamt 109 Schülerinnen und Schüler gearbeitet werden.
Die Lehrpersonen nahmen im Januar an einer Fortbildung zum Einsatz von
Tablets im Unterricht teil. Daraufhin wurde mit je einem Forschenden Unterricht
geplant, in welchem die Tablets für sprachproduzierende Aufgaben verwendet wur-
den. Die Planungen orientierten sich an den jeweils aktuellen Unterrichtsinhalten,
so dass sich für jede Klasse eine individuelle Aufgabenstellung ergab:

• Klasse 1 (n=18): Erzähle die Geschichte mit der App Our Story nach.
• Klasse 2 (n=23): Create a role play with Puppet Pals (topic: weather).
• Klasse 3 (n=25): Create a digital book with the Book Creator (topic: spring)
• Klasse 4.1 (n=19): Create a digital book with the Book Creator (topic: the ugly
duckling); Create a role play with Puppet Pals (topic of your own choice).
• Klasse 4.2 (n= 24): Create a digital book with the Book Creator (topic: hobbies)

Alle Aufgaben wurden in einem Zeitraum von 90 bis 225 Minuten an einem oder
auch mehreren Tagen bearbeitet. Die verwendeten drei eingesetzten Apps (vgl. Tab.
1) zeichnen sich alle durch einen hohen Grad an Offenheit aus.
Tablets zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse 369

Tab. 1 Beschreibung der Funktionen der Apps Book Creator, Puppet Pals und Our Story
App Beschreibung Kompetenz
Book Eigene Bücher erstellen, lay- Ein Skript für ein Buch erarbeiten und um-
Creator outen und digital verschicken; setzen;
Einfügen von Text, Bildern, Gesprochene und geschriebene Texte zusam-
Audio- und Videodateien; menfügen;
Speicherung des Produktes Sprachaufnahmen mit Visualisierungen und
Schrift verbinden
Puppet Ein digitales Rollenspiel mit Eine Storyline erarbeiten und dialogisch
Pals animierten Charakteren und umsetzen;
Aufnahmen der eigenen Spra- Eigene Sprache zu den Bewegungen der Cha-
che in Echtzeit erstellen; raktere und der Storyline produzieren;
Speicherung des Produktes Dialogisches Sprechen in Echtzeit;
Our Eine eigene Geschichte erstel- Eine Storyline erarbeiten;
Story len; Bilder in eine Reihe brin- Bilder aussuchen und zuordnen;
gen und für jedes Bild eine Zu den Bildern sprechen
Sprachaufnahme hinterlegen

Der Unterricht sowie die Arbeit ausgewählter Paare wurden als Video und/oder
Audiodatei aufgezeichnet. Zudem wurden Schülerinnen und Schüler verschiedener
Klassen interviewt. Im Herbst 2015 konnten alle Interviews sowie ein Großteil der
Video- und Audiodaten ausgewertet werden. Die Ergebnisse des ersten Zyklus
werden nun genutzt, um in einem zweiten Zyklus (Dezember 2015 bis Juli 2016)
die Forschungsorganisation, die Datenerhebung und den Beobachtungsfokus zu
justieren (vgl. Abschnitt 6). Auch wird die Zielgruppe erweitert, indem parallel mit
Grundschulen und Sekundarschulen gearbeitet wird.

5.3 Die Ergebnisse des ersten Erhebungszyklus der Studie


Teaching English with Tablets

5.3.1 Interviews (Klasse 2 und 4)


Bislang konnten neun Interviews in der zweiten und sieben in der vierten Klasse
durchgeführt werden. Während der Auswertung der Daten konnten folgende
Auswertungskategorien generiert werden.

1. Vorwissen über Tablets


2. Beschreibung des Tätigkeitsablaufs/Arbeitstechniken
3. Gruppenarbeit
370 Henriette Dausend

4. Erlebte Lernerfolge
5. Vergleich zum normalen Unterricht
6. Ideen/Wünsche für weitere Arbeit mit Tablet

Für alle Kategorien können erste Einblicke in die Einstellungen der Schülerinnen
und Schüler vorgestellt werden. In Bezug auf das (1) Vorwissen über Tablets gaben
die Lernenden an, Tablets bereits durch die Eltern, Geschwister oder anderen Un-
terricht zu kennen. Vor allem in den Fächern Deutsch und Mathematik konnten
erste Erfahrungen gesammelt werden. Zudem verfügten einige Schülerinnen und
Schüler nach eigenen Angaben bereits über ein eigenes Tablet.
Die (2) Beschreibungen des Tätigkeitsablaufs deckten sich bei den meisten
Lernenden. Diese unterschieden sich lediglich in den Phasen der selbstgesteuerten
Gruppenarbeit, in welchen die Gruppen individuelle Arbeitstechniken entwickelt
hatten. So gaben einige Schülerinnen und Schüler an, dass sie die Erarbeitung
ihrer Geschichte mit Puppet Pals in mehrere Arbeitsschritte gegliedert hatten. In
Bezug auf die Sprachaufnahmen zeigten sich Varianten, wie die Sprachaufnahme
an einem Stück zu sprechen oder die Aufnahme regelmäßig zu unterbrechen, um
abschnittsweise zu sprechen.
Die (3) Gruppenarbeit als solche erlebten die Lernenden sowohl als Herausforde-
rung als auch als Chance. Als problematisch benannten sie, dass einige Schülerinnen
und Schüler das Tablet nicht an andere weitergeben wollten. Auch kam es beim
Erstellen der Geschichte sowie dem Wählen von Charakteren und Hintergründen
zu Meinungsverschiedenheiten. Diese konnten jedoch meist durch Kompromisse
gelöst werden, was wiederum als positiv beschrieben wird. Auch die Koordination
der Arbeit in der Gruppe schien herausfordernd, da es zum Reinsprechen anderer
während der Aufnahme, zum versehentlichen Löschen von Dateien und zu einer
Unzufriedenheit Einzelner mit dem Gruppenergebnis kam. Als positiv wurde die
Arbeitsteilung genannt, welche sich durch die Arbeit am Tablet ergab. So wurden
die Aufgaben von Lernenden untereinander aufgeteilt. Außerdem gaben die Schü-
lerinnen und Schüler an, sich durch die Arbeit in der Gruppe explizit unterstützen
zu können, indem sie Hilfe unmittelbar erbaten oder auch selbst gaben. Des Wei-
teren wurde die Gruppenarbeit mit Freude und Motivation darüber verbunden,
die englische Sprache gemeinsam nutzen zu können.
Viele Schülerinnen und Schüler konnten zudem (4) empfundene Lernerfolge
beschreiben. Dreizehn der befragten Lernenden äußerten, dass der Umgang mit
dem Tablet nicht schwer ist bzw. leicht fiel. Einige bemerkten zudem positiv, dass
die Einarbeitungszeit gering und die App selbsterklärend sei sowie die Tipps der
Lehrkraft geholfen hätten. Bei Unsicherheiten wurde zudem auf Erklärungen der
Mitschülerinnen und Mitschüler zurückgegriffen.
Tablets zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse 371

Im (5) Vergleich zum normalen Unterricht schätzten die Lernenden, dass sie
sich selbständig einbringen konnten. Sie benannten den kreativen Umgang mit der
Sprache und das gemeinsame Erarbeiten eines Inhaltes als zentrale und gewinnbrin-
gende Veränderung zum „normalen“ Unterricht. Vor allem das gemeinschaftliche
Arbeiten wurde von einigen Schülerinnen und Schülern als besonders erfreulich
beschrieben. Auch die Arbeit mit der App Puppet Pals wurde mit Adjektiven wie
interessant und kreativ verbunden. Des Weiteren gaben einige Lernende an, dass
es sie freute, etwas mit Technik allgemein und speziell den Umgang mit dem Tablet
zu lernen.
Die meisten Schülerinnen und Schüler verfügten zudem über konkrete (6) Ideen
und Wünsche, wie sie die Tablets weiterhin nutzen würden. Ein Drittel der Befragten
nannte konkrete Themen, wie z. B. Obst und Gemüse oder Wochenendaktivitäten,
zu welchen sie die App Puppet Pals gerne noch einmal nutzen möchten. Außerdem
gaben sie Aktivitäten an, welche über das im Unterricht mit dem Tablet Erlebte
hinaus gehen, wie Videos schauen, Notizen machen, Wetterberichte suchen und
übersetzen, Lieblingsspiele auf Englisch spielen, Lernspiele zum Unterrichtsthema
nutzen, Texte auf dem Tablet schreiben und im Internet recherchieren.

5.3.2 Einschätzungen der Lehrpersonen


Die Lehrpersonen schätzten die Arbeit mit dem Tablet insgesamt positiv ein, da
sie eine hohe Motivation der Schülerinnen und Schüler bei der Bearbeitung der
Aufgabe wahrnehmen konnten. Diese wurde zum einen auf die neue Erfahrung
mit dem Medium Tablet, zum anderen auf die Möglichkeit zum kreativen Arbei-
ten zurückgeführt. Die Möglichkeit sich selbst einzubringen, wurde von einigen
Lehrpersonen als ein Grund für die hohe Konzentration der Lernenden auf den
Arbeitsauftrag gesehen. Zudem waren sie positiv überrascht, wie frei die Schülerinnen
und Schüler die englische Sprache verwendeten. Vor allem die hohe Qualität und
Quantität des englischsprachigen Outputs der Lernenden übertraf die Erwartun-
gen aller Lehrpersonen. Auch schätzten sie die inhaltliche Kreativität, welche die
Endprodukte aufwiesen. Zudem wurde die Frage thematisiert, wie mit diesen in
Bezug auf die Bewertung und Weiterarbeit umzugehen sei.

5.3.3 Sprachnutzung der L1 Deutsch und L2 Englisch während


Gruppenarbeitsphasen
Im ersten Forschungszyklus ist die Frage zentral, wie sich die Sprachnutzung der
Schülerinnen und Schüler während der gemeinschaftlichen Arbeit mit der App
Puppet Pals darstellt. Die Aufgabe lautete „Create a role play with Puppet Pals
372 Henriette Dausend

(topic of your own choice)“, nachdem bereits ein Buch mit dem Book Creator zum
Thema the ugly duckling erarbeitet worden war.
Anhand der Audio- und Videomitschnitte einzelner Arbeitsgruppen lassen sich
erste Funktionen der Sprachverwendung aufzeigen. Interessant ist der Vergleich
der Gruppen untereinander, da alle Lernenden auf Grund der Familiensprache
Deutsch ein sehr hohes Sprachniveau im Deutschen haben.
Bei der Bearbeitung der Aufgabe verwendeten alle Gruppen sowohl die L1
Deutsch als auch die L2 Englisch (vgl. Tab. 2). Das Deutsche wurde vor allem für
organisatorische Klärung eingesetzt. So nutzten die Schülerinnen und Schüler ihre
Kompetenzen im Deutschen, um Aufgabenstellungen klarzustellen, Informationen
zum zeitlichen Ablauf ihrer Arbeit zu besprechen, über die technischen Bedin-
gungen zu reden. Auch zur strukturellen Planung ihrer Geschichten verwendeten
die Lernenden die deutsche Sprache, wenn sie den Plot aushandelten, den Ablauf
der Szenen planten und Charaktere und Hintergründe auswählten. Sie nutzten
die deutsche Sprache ebenfalls in einem metasprachlichen Kontext. So gaben sie
Feedback zur englischen Aussprache eines Mitschülers auf Deutsch oder sie klärten
englische Begriffe, indem sie auf Deutsch darüber diskutierten. Weiterhin war

Tab. 2 Situationen unterschiedlicher Sprachnutzung der L1 Deutsch und L2 Englisch


(vgl. Dausend und Nickel i. Dr.)
Sprachnutzung
L1 Deutsch L2 Englisch
Organisatorisches • Aufgabenstellung
besprechen
• Partner anweisen
• zeitlichen Ablauf
besprechen
• technische Belange
klären
Strukturelle Planung • Plot verhandeln • Textteile vorschlagen
des Textes • Charaktere/Settings • Textteile zusammen-
wählen fügen
• Szenen planen • Texte üben
• Texte/Notizen schreiben
• Titel benennen
Aufnahme der Rollenspiele • Code-mixing • Aufnahme der Texte
Reflexion der Aufnahme • Aufnahme bewerten • Aufnahmen anschauen
Metasprachliche Bezüge • Sprache der Partner
bewerten
• Begriffe klären
Tablets zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse 373

während der Aufnahmen partiell der Einfluss des Deutschen vorhanden, indem
einzelne Begriffe in ihrer deutschen Variante genannt oder eine deutsche Betonung
genutzt wurde. Die entstandenen Aufnahmen bestanden überwiegend jedoch aus
englischer Sprache.
So gelang es den Schülerinnen und Schüler Erzähltextfragmente und Titel für
die Geschichte in der Zielsprache Englisch vorzuschlagen. Gemeinsam entwickelten
sie aus diesen Teilen einen Erzähltext und übten diesen in der Zielsprache. Einige
Gruppen nutzten zudem erste Kenntnisse in der Schriftsprache, indem Sie sich
Notizen zu ihren Erzähltexten machten. Die Geschichten wurden in der Zielspra-
che aufgenommen und angehört. Einige Gruppen erstellten mehrere Varianten
ihrer Geschichten.
Im Folgenden werden die vorläufigen Ergebnisse genutzt, um erste Antworten
auf die Forschungsfragen zu geben.

6 Diskussion der Ergebnisse vor dem Hintergrund der


Forschungsfragen

Das Ziel der Studie Teaching English with Tablets ist es zu beschreiben, welche
Möglichkeiten Tablets für diskursive Aushandlungsprozesse im Englischunterricht
der Grundschule bieten. Im vorangegangen Abschnitt konnten erste Ergebnisse
in Bezug auf die Forschungsfragen benannt werden. Nun sollen diese vor dem
fachdidaktischen Hintergrund diskutiert werden, um Chancen und Grenzen des
Einsatzes von Tablets auszuloten. Dafür sollen im Folgenden Aspekte wie (1) die
Arbeit mit dem Tablet allgemein, (2) die Initiierung von Diskursen, (3) die Ver-
wendung der L1 Deutsch und der L2 Englisch sowie (4) die Einstellungen zum
Tableteinsatz diskutiert werden.

1. Die Beobachtungen von Unterricht sowie die Einschätzungen der Lehrpersonen


zeigen, dass der Großteil der Lernenden fokussiert am Tablet arbeitet. Trotz
dieser Konzentration sind auch Phasen zu erkennen, in denen die Schülerinnen
und Schüler zwar mit dem Tablet arbeiten, sich jedoch nicht auf die Aufgaben-
stellung fokussieren. Sie spielen mit anderen Apps oder arbeiten mit Puppet
Pals unter einem anderen, selbstgewählten Fokus. Interessant ist jedoch, dass
auch in diesen nichtaufgabenzentrierten Phasen die Nutzung der L2 zu beob-
achten ist. Des Weiteren zeigt eine Sichtung der Produkte, dass alle Gruppen
in der vorgesehenen Zeit zu einem, wenn auch qualitativ und quantitativ sehr
individuellem, Ergebnis kommen. Daher stellt sich die Frage, welche Funktion
374 Henriette Dausend

die Phasen nichtaufgabengeleitenden Arbeitens im Lern- und Arbeitsprozess


haben können. Es ist zu klären, warum diese Phasen entstehen, welche Rele-
vanz die nichtaufgabenzentrierten Phasen für die Schülerinnen und Schüler
haben und wie diese den Arbeitsprozess und das Arbeitsergebnis beeinflussen.
Doch auch wenn die Lernenden phasenweise nicht der Aufgabe nachgehen, so
geben sie doch im Interview alle ähnliche Arbeitsschritte an. Hieraus lässt sich
schließen, dass zum einen die jeweilige App bestimmte Arbeitswege vorgibt oder
antizipieren lässt. Zum anderen scheinen die gegebenen Aufgabenstellungen
ausreichend unterstützend zu wirken. Diese Beobachtung verdeutlicht, dass der
Arbeit mit dem Tablet eine zielgerichtete Planung vorausgehen muss, die Apps
und Aufgabenstellungen aufeinander abstimmt. Es darf nicht der Trugschluss
entstehen, dass die geschlossenen Anwendungen der App als Aufgabenstellung
ausreichen. Sprachliche Entlastungen und scaffolding sind weiterhin zentral
sowie eine kleinschrittige Hinführung zur Produkterstellung. Auf diese Weise
kann ein für den Primarbereich notwendiges Unterstützungssystem geboten
werden, welches eine freie Arbeit mit der App erlaubt.
2. In Bezug auf die Interaktion ist zu erkennen, dass inhaltliche und sprachliche
Bedeutungen von den Schülerinnen und Schülern ausgehandelt werden. Dies
unterstützt die Annahme, dass Tablets genutzt werden können, um Diskurse
zu initiieren. Allerdings finden diese bislang überwiegend auf Deutsch statt, so
dass der Mehrwert zunächst in einer mittelfristigen Übertragung der gewonne-
nen Diskurskompetenz auch in andere Sprachen zu sehen ist. Wie intensiv die
Schülerinnen und Schüler sich miteinander beschäftigt haben, zeigen auch die
Antworten der Lernenden in den Interviews. So konnten die meisten Schülerin-
nen und Schüler Bedeutungsaushandlungsprozesse benennen und beschreiben.
Dabei scheinen sie die gemeinsame Besprechung, Planung und Durchführung
sowohl positiv als auch kritisch wahrzunehmen.
3. Doch auch wenn im Vorfeld der Aufnahmen die deutsche Sprache überwiegend
zur Aushandlung von Bedeutungen genutzt wird, so zeigt die Sichtung der Sprach-
produkte, dass die Schülerinnen und Schüler fast ausschließlich die englische
Sprache bei der Aufnahme ihrer Dialoge verwenden. Die aufgenommene Sprache
zeichnet sich ebenso durch vielfältige und spontansprachliche Strukturen aus
wie durch die Verwendung von gelerntem Vokabular und chunks. Interessant
sind in diesem Zusammenhang auch die Gespräche, welche bei der Planung
der Texte über Sprache stattfinden. So werden z. B. die Bedeutungen englisch-
sprachiger Begriffe diskutiert und Textvorschläge auf Englisch gemacht. Diese
Ergebnisse sind beeindruckend, da sie zeigen, dass Schülerinnen und Schüler
durch die Arbeit mit produktiven Apps angeregt werden, Diskurse über Sprache
führen. Diese Tatsache tritt insbesondere im Grundschulunterricht eher selten
Tablets zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse 375

auf, da sprachliche Gesetzmäßigkeiten eher implizit erfasst werden sollen (vgl.


Böttger 2010, S. 79). Eine explizite Diskussion zielsprachlicher Phänomene ist
erst in höheren Klassenstufen zu erwarten. Diese Tatsache weißt jedoch einmal
mehr daraufhin, dass es durch die Aufgaben mittels der Tablets gelingt, Sprache
als Werkzeug einzusetzen, dessen Verwendung je nach den Bedürfnissen der
Schülerinnen und Schüler diskutiert wird. Nun ist es interessant in weiteren
Untersuchungszyklen zu erheben, inwieweit sich diese metasprachlichen Diskurse
ausweiten lassen und auf die Sprachverwendung im Unterricht auswirken. Zudem
bleibt zu fragen, inwieweit die von den Lernenden benannten Motivationen zum
eigenständigen Arbeiten auch über die Zeit erhalten bleiben.
4. Diese Ergebnisse zum Umgang mit den Tablets decken sich mit den Einstellungen
von Lernenden und Lehrpersonen zum Lernen mit den mobilen Endgeräten.
Die Schülerinnen und Schüler beschreiben ihr Interesse mit dem Tablet zu ar-
beiten als hoch. Einige kennen Tablets bereits aus ihrem privaten Umfeld und
erfahren diese im Unterricht in einer neuen Funktion. Bei aller Euphorie muss
perspektivisch untersucht werden, ob diese Begeisterung abnimmt, je selbst-
verständlicher die Arbeit mit dem Tablet wird. Allerdings lassen sich aus den
Daten zwei Faktoren ablesen, welche eine langfristige positive Einstellung der
Schülerinnen und Schüler erahnen lassen. So geben die Lernenden nicht nur an,
dass die Arbeit mit dem Tablet Spaß mache, sondern benennen das eigenständige
Arbeiten, die Arbeitsteilung in der Gruppe und das viele Englischsprechen als
besonders motivierend. Dementsprechend scheint nicht nur das Medium als
solches einen Reiz zu haben, sondern auch die Aktivitäten, welche damit im
Englischunterricht möglich sind. Zweitens benennen einige Schülerinnen und
Schüler klare Vorstellungen, wozu sie das Tablet im Englischunterricht außer-
dem einsetzen möchten. Diese Tatsache mag andeuten, dass sie das Tablet nicht
nur als Spielgerät, sondern als ein lernförderliches Medium verstehen. Diese
Aussagen decken sich mit denen der Lehrpersonen, welche trotz einiger völlig
unvorhersehbarer Unterrichtsentwicklungen, Unsicherheiten im Umgang mit
den Medien sowie teilweise recht lautem Unterrichtsverlauf dem Einsatz ge-
sammelt positiv gegenüber stehen. Auch sie können den von ihnen vermuteten
Mehrwert vor allem in den Sprachprodukten benennen, welche sie durch eine
Sprachqualität und -quantität beeindrucken. Wird beachtet, dass diese ersten
Unterrichtsstunden für alle Beteiligten neue Erfahrungen darstellen, ist zu
fragen, wie sich das Arbeitsverhalten, aber auch die Quantität und Qualität von
Sprache entwickeln, wenn der Unterricht zunehmend an aus den Erkenntnissen
abgeleiteten Prinzipien ausgerichtet wird. Um solche Prinzipien eines tabletge-
stützten Unterrichts zu generieren, sind weitere Erhebungszyklen notwendig.
376 Henriette Dausend

7 Resümee und Ausblick

Insgesamt kann nach dem ersten Erhebungszyklus festgehalten werden, dass sich
produktive Apps zur Initiierung von Diskursen im Grundschulunterricht eignen.
Insbesondere junge Lerner scheinen von den grafischen Möglichkeiten der Apps zu
profitieren. So regen die Settings und Charaktere in der App Puppet Pals die Phantasie
an und erlauben eine Unterstützung der Sprache durch haptische Erfahrungen und
Visualisierungen. Insbesondere schwache Lernende erzielen schnell ein positives
Sprecherlebnis, da auch kurze Aussagen ausreichen, um Dank der professionellen
Gestaltung der App komplexe Zusammenhänge in einem ansprechenden Produkt
zu kommunizieren. Sprachlich kompetente Lernende profitieren in eben gleichem
Maße von der Offenheit produktiver Apps, da der Komplexität ihrer Geschichten
keine Grenzen gesetzt sind. Nach Belieben können Charaktere und Hintergründe
genutzt und Geschichten erzählt werden, sodass mittels der App eine enorme
Bandbreite der Differenzierung möglich wird.
Allerdings wird zu klären sein, wie perspektivisch mit den Sprachprodukten
umgegangen werden soll. Zunächst geben sie Hinweise auf den Lernstand der
Schülerinnen und Schüler und können von den Lehrpersonen zur Evaluierung
herangezogen werden. Dennoch bleibt zu überlegen, wie mit sprachlichen Fehlern
umgegangen wird. Aufgrund des Gruppenarbeitsprozesses können diese nicht um-
gehend von der Lehrperson korrigiert werden, so dass sie sich gerade in den Phasen
der Einübung der Dialoge festigen können. Andererseits weißt der Grundsatz der
moderaten Fehlerkorrektur darauf hin, dass mündliche Sprachproduktionen nicht
immer unmittelbar in der Diskussion zielsprachlich korrekt korrigiert werden soll-
ten (vgl. Legutke et al. 2009; Böttger 2010). Allerdings ist es weit verbreitet, gerade
vor der Erstellung sprachlicher Produkte einen Evaluationsprozess vorzuschalten,
sodass die Lernenden mit zielsprachlich korrekten Strukturen weiterarbeiten. In
Bezug auf die Arbeit mit dem Tablet ist zu klären, wie eine solche sprachevalu-
ierende Phase eingebaut werden kann. Erkenntnisse aus Studien zum Lesen und
Schreiben mit dem Tablet im Muttersprachenunterricht sprechen sich für ein
Mentoring des Lernprozesses durch die Lehrperson aus (vgl. Dooley und Dezuanni
2015, S. 18). Andere sehen auch das Feedback und das kollaborative Aushandeln
mit peers als eine korrigierende Instanz (vgl. Kucirkova et al. 2014, S. 182f.). Diese
Aussagen können erste Ansätze bieten, um ein Mentoringsystem im Umgang mit
produktiven Apps zu erstellen. Des Weiteren ist zu überlegen, wie mit fehlerhaften
Produkten umgegangen werden soll. Eine Frage, die sich hier stellt ist, wie die
Lehrperson einen Revisionsprozess einleiten kann, welcher die Lernenden in die
sprachliche und inhaltliche Bearbeitung, Weiterverarbeitung oder Korrektur der
Produkte einbindet.
Tablets zur Förderung diskursiver Aushandlungsprozesse 377

Diese Fragen sollen in einem weiteren Erhebungszyklus näher untersucht werden.


Zudem wird die Arbeit mit der App Puppet Pals auch in Klassen der Sekundarstufe
sowie mit Lernenden, deren Familiensprache nicht Deutsch ist, beobachtet, um
etwaige Unterschiede im Umgang mit Diskursen zu erheben. Das Ziel ist es unter
gleichbleibender Fragestellung gefestigtere Aussagen mittels einer Erhöhung des
Datensatzes und vergleichender Fallgegenüberstellungen treffen zu können.

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Angaben zu den Autorinnen und Autoren
Angaben zu den Autorinnen und Autoren

Aufenanger, Stefan, Prof . Dr .; Professor für Erziehungswissenschaft und Medienpä-


dagogik an der Universität Mainz mit den Forschungsschwerpunkten Medienkom-
petenz und Media Literacy, digitale Medien in Familie, Kindergarten und Schule
sowie Lehren und Lernen mit Medien . Außerdem beschäft igt er sich mit qualitativen
Forschungsmethoden sowie Medienethik . E-Mail: aufenang@uni-mainz .de

Bastian, Jasmin, Jun .-Prof . Dr .; Juniorprofessorin für Erziehungswissenschaft mit


dem Schwerpunkt Medienpädagogik an der Universität Mainz . Ihre Forschungs-
schwerpunkte umfassen das Lehren und Lernen mit digitalen Medien, Einstellungen
und Annahmen zu Medien(wirkungen), Nutzung und Rezeption von Medien in
Familie, Kita, Schule und Studium . E-Mail: jasmin .bastian@uni-mainz .de

Bremer, Claudia; Expertin für E-Learning an der Goethe-Universität Frankfurt .


Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen E-Learning Szenarien, den Einsatz digi-
taler Medien in Bildungsprozessen und Organisationsentwicklung . E-Mail: mail@
bremer .cx

Bresges, André, Prof . Dr .; geschäftsführender Direktor des Institut für Physikdi-


daktik an der Universität zu Köln . Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind
kompetenzorientierte Lehrerbildung, neue Medien in der naturwissenschaft lichen
Bildung und die Erschließung lebensweltbezogener Kontexte für die Physikdidaktik .
E-Mail: andre .bresges@uni-koeln .de

Dausend, Henriette, Jun .-Prof . Dr .; Juniorprofessorin für die Grundschuldidaktik


Englisch im Zentrum für Lehrerbildung der Technischen Universität Chemnitz .
Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen des transcurricularen Lernens,

381
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017
J. Bastian und S. Aufenanger (Hrsg.), Tablets in Schule und
Unterricht, DOI 10.1007/978-3-658-13809-7
382 Angaben zu den Autorinnen und Autoren

der Förderung von Mehrsprachigkeit und dem Einsatz von Street Art sowie von
Tablets im Fremdsprachenunterricht. E-Mail: henriette.dausend@zlb.tu-chemnitz.de

Döbeli Honegger, Beat, Prof. Dr.; hat an der ETH Zürich in Informatik promoviert
und ist Professor für Medien- und Informatikdidaktik an der Pädagogischen Hoch-
schule Schwyz. Er beschäftigt sich seit über 15 Jahren in Forschung und Lehre mit
allen Aspekten der Digitalisierung im Bildungswesen. E-Mail: beat.doebeli@phsz.ch

Egger, Nives; hat an der Universität Bern Pädagogische Psychologie und Medien-
wissenschaften studiert. Seit 2012 arbeitet sie am Institut für Medien und Schule
an der Pädagogischen Hochschule Schwyz als wissenschaftliche Mitarbeiterin in
verschiedenen Forschungsprojekten zum Einsatz von digitalen Medien zum Lehren
und Lernen. E-Mail: nives.egger@phsz.ch

Genz, Florian; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Physikdidaktik der


Universität zu Köln mit den Schwerpunkten neue Medien und qualitative Bildungs-
forschung. E-Mail: florian.genz@uni-koeln.de

Heinen, Richard; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am LearningLab der Universität


Duisburg-Essen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Schulentwicklung, Lerninfra-
struktur und Medienintegration sowie Unterstützungswerkzeuge für Lehrkräfte. In
Kooperationen mit der Medienberatung NRW und Kommunen in NRW unterstützt
das LearningLab Schulen in NRW dabei, Medienintegration als Schulentwicklungs-
prozess zu gestalten. E-Mail: richard.heinen@uni-duisburg-essen.de

Jahnke, Isa, Prof. Dr.; Professorin und Forschungsdirektorin des Information Ex-
perience Lab an der iSchool for Information Science and Learning Technologies,
University of Missouri-Columbia, USA. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen
Human-Centered Emergent Technology for Learning and Creativity (wearables,
mobile devices), Technology-enhanced Designs for Learning Expeditions und
Sociotechnical Design. E-Mail: jahnkei@missouri.edu

Kammerl, Rudolf, Prof. Dr.; Professor für Erziehungswissenschaft unter besonderer


Berücksichtigung der Medienpädagogik an der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Bildungs- und Soziali-
sationsforschung sowie Lernen mit neuen Medien und Medienpädagogik. E-Mail:
rudolf.kammerl@fau.de
Angaben zu den Autorinnen und Autoren 383

Klein, Pascal; Promovend und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der AG Physikdi-


daktik der Technischen Universität Kaiserslautern. Seine Forschungsschwerpunkte
umfassen das aufgabenbasierte Lernen mit mobilen Medien im tertiären Bildungs-
bereich (Physik). E-Mail: pklein@physik.uni-kl.de

Kuhn, Jochen, Prof. Dr. habil.; ist Universitätsprofessor und Leiter der Arbeits-
gruppe Didaktik der Physik im Fachbereich Physik der TU Kaiserslautern. Seine
Forschungsschwerpunkte sind die theoriegeleitete Konzeption und quantitative
empirische Untersuchung experimenteller Lehr-Lernmedien im Rahmen einer
‚neuen Aufgabenkultur‘ in Physik sowie das Lehren und Lernen in Schülerlaboren.
E-Mail: kuhn@physik.uni-kl.de

Ladel, Silke, Prof. Dr.; Professorin für Fachdidaktik Mathematik, Primarstufe an


der Universität des Saarlandes sowie Partnerin der Firma KLEE (Kreativ Lernen,
Erfolg Erleben) – Dr. Knopf und Dr. Ladel Partnerschaft. Ihre Forschungsschwer-
punkte liegen in der Erforschung sinnvoller Einsatzmöglichkeiten zum Lehren
und Lernen von Mathematik mit digitalen Medien sowie in der Erforschung eines
verständnisvollen Umgangs mit Zahlen. E-Mail: ladel@math.uni-sb.de

Molenaar, Inge, Assistant Professor Dr.; professor of educational sciences with a


special focus on technology use in education at the Behavioural Science Institute
at the Radboud University Nijmegen. Her research interests include adaptive
educational technologies, learning analytics and self-regulated learning. E-Mail:
i.molenaar@pwo.ru.nl

Müller, Andreas, Prof. Dr.; Professor für Naturwissenschaftsdidaktik an der Univer-


sität Genf. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen Forschung und forschungsbasierte
Entwicklung, u. a. zur Aufgabenkultur und zum kontextorientierten Unterricht im
Bereich naturwissenschaftlichen Lernens und Lehrens. E-Mail: andreas.mueller@
unige.ch

Prasse, Doreen, Prof. Dr.; hat an der Humboldt-Universität zu Berlin in Psychologie


promoviert und ist Professorin für Bildungsforschung mit dem Schwerpunkt Digitale
Medien & Schule an der Pädagogischen Hochschule Schwyz. In ihrer Forschung
beschäftigt sie sich mit der ICT-Integration in Unterrichts- und Schulprozesse,
insbesondere in Bezug auf mobile Technologien sowie auf Innovationsprozesse in
Schulen. E-Mail: doreen.prasse@phsz.ch
384 Angaben zu den Autorinnen und Autoren

van Schaik, Annemarie, MSc Science of Education; advisor for De Onderwijsspe-


cialisten an organisation for special needs education on 21 primary and secondary
schools. She provides advice for administrators, principals and teachers about the
meaningful use of (adaptive) technology, differentiation and personalization in
teaching. E-Mail: annemarie.vanschaik@deonderwijsspecialisten.nl

Schiefner-Rohs, Mandy, Jun.-Prof. Dr.; Juniorprofessorin für Pädagogik mit dem


Schwerpunkt Schulentwicklung im Fachbereich Sozialwissenschaften der TU Kai-
serslautern. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Medienbildung und -handeln
in Institutionen, forschungsorientiertes Lehren und Lernen sowie Lehrerbildung.
E-Mail: mandy.rohs@sowi.uni-kl.de

Tillmann, Alexander, Dr.; Wissenschaftlicher Mitarbeiter der zentralen eLear-


ning-Einrichtung studiumdigitale und Lehrbeauftragter im Fachbereich Geographie
an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Seine Forschungsschwerpunkte liegen
in den Bereichen Mediendidaktik, Geographiedidaktik und empirische Bildungs-
forschung. E-Mail: tillmann@studiumdigitale.uni-frankfurt.de

Welling, Stefan, Dr.; Stellvertretender Leiter des Instituts für Informationsma-


nagement Bremen GmbH. Seine Arbeitsschwerpunkte sind schulische Medienin-
tegration, Lernen mit mobilen Endgeräten sowie Lernen mit digitalen Medien in
der beruflichen Bildung. E-Mail: welling@ifib.de

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