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10.1 Einführung
Der Startvorgang gehört neben dem Anflug und der Landung zu den
kritischen Flugphasen. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen beschleunigt
das Flugzeug am Boden auf eine hohe Rollgeschwindigkeit, zum Anderen
werden die Triebwerke unter hoher Last betrieben. Die thermischen Be-
lastungen der Triebwerke ist in dieser Phase sehr hoch was das Risiko
eines Triebwerksausfalls erhöhen kann.
Um die Risiken zu minimieren, hat der Gesetzgeber eine Vielzahl von
Vorschriften erlassen, die es einzuhalten gilt. Diese sind sowohl an die
Flugzeughersteller, als auch an die Betreiber und letztlich auch an die
Piloten, welche die Vorschriften für den täglichen Flugdienst in ihrer
operationellen Dokumentation finden, adressiert.
Gemäß CS 25.111 (a) beginnt die Startphase (take-off path) an dem Punkt,
an dem der Startlauf beginnt. Sie endet an dem Punkt, an dem das Flug-
zeug eine Höhe von 1500 ft über dem Abhebepunkt erreicht hat.
Um Berechnungen zu vereinfachen und übersichtlicher zu gestalten, wird
die Startphase häufig in zwei Phasen unterteilt.
x Phase 1: Startstrecke (take-off distance)
Hierzu gehört der Startlauf (ground run), die Rotation (rotation) und das
Abheben und Erreichen der Überflughöhe (flare to screen height).
x Phase 2: Start-Steigflug (take-off climb)
Vom 35-ft-Punkt bis zum 1500-ft-Punkt mit den entsprechenden Steig-
segmenten.
146 10 Der Start
Beim Startlauf eines Flugzeuges wirken Kräfte, die sich aus der be-
schleunigten Bewegung des Flugzeuges ergeben.
FN W L P R (10.3)
Zur weiteren Berechnung des Startlaufs bedienen wir uns nun bekannter
Gleichungen und fügen in diese unsere Erkenntnisse aus der Kräftebilanz
ein.
x Die Geschwindigkeit (V) entspricht der zurückgelegten Strecke (s) pro
Zeiteinheit (t):
ds (10.9)
V
dt
x Die Beschleunigung (a) entspricht der Geschwindigkeit (V) pro Zeitein-
heit (t).
dV (10.11)
a
dt
Zusammenführen und umstellen von Gl. (10.9) und (10.10) nach der
Strecke führt zu:
V dV (10.12)
ds
a
Wird Gl. (10.12) nun zwischen zwei Geschwindigkeiten und zwei
Strecken integriert ergibt sich:
VY
V dV (10.13)
sy sx ³
VX
a
Für die Strecke des Startlaufs wird der Term (sy - sx) durch sG ersetzt. Die
Geschwindigkeiten werden ersetzt durch die Anfangsgeschwindigkeit am
BRP. Dort beträgt die Geschwindigkeit des Flugzeuges zwar null, aber es
muss auch die vorhandene Gegenwindkomponente (headwind component,
HWC) berücksichtigt werden.
Nach dem Lösen der Bremsen beschleunigt das Flugzeug bis zur Abhebe-
geschwindigkeit. Es muss folglich zwischen dem Stillstand V0 und dem
Abheben VLOF integriert werden. Darüber hinaus muss die herrschende
Windkomponente auch im Zähler der Formel berücksichtigt werden. Aus
V wird daher (V0-VHWC).
Die Gl. (10.13) wird daher zu:
10.2 Die Ermittlung der Startstrecke 149
VLOF
V0 VHWC dV (10.14)
sG ³
VW
a
Einsetzen von Gl. (10.5) in Gl. (10.14) ergibt die allgemeine Formel für
den Startlauf vom Punkt des Bremsenlösens (brake release point, BRP) bis
zum Abhebepunkt (lift of point, LOP).
VLOF
V0 VHWC (10.15)
sG ³ dV
g
VW >T D P W L WJ @
W
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch in der vertikalen
Richtung eine Kräftebilanz möglich und gegebenenfalls nötig ist.
1 Im allgemeinen wird der Begriff flare nur mit der Landung in Zusammenhang
gebracht. Der Begriff flare wird jedoch generell für den Flug zwischen Piste und
screen height verwendet.
150 10 Der Start
Abb. 10.2 Schubgewichtsverhältnis über Zeit zur Ermittlung der flare time
Die Addition der beiden Strecken sG und sflare ergibt eine Wegstrecke von
4613 ft. Diese Strecke wird nun noch um 15 % erhöht. Das ergibt 5305 ft
bzw. 1617 m.
Die Berechnung für die Situation des Triebwerksausfalls ist grundsätzlich
identisch. Allerdings müssen hier weitere Teilstücke berücksichtigt
werden. Beispielsweise die Strecke, vom Punkt des Ausfalls des kritischen
Triebwerks, der sich aus der dazugehörigen Geschwindigkeit VEF definiert
und der weiteren Beschleunigung mit dem verbleibenden Triebwerk.
Die Begrenzung des Startgewichts durch die Bahnlänge wird field length
limit genannt. Das durch die Bahnlänge limitierte Startgewicht nennt sich
hierzu analog field length limited PTOW. Im allgemeinen wird eine solche
Limitierung F-Limit genannt.
Die Anwendungsbestimmungen für den Luftfahrtunternehmer ergeben
sich aus JAR-OPS 1.490 (b) und (c). Demnach hat der Luftfahrtunter-
nehmer bei der Ermittlung der höchstzulässigen Startmasse die folgenden
Forderungen zu erfüllen:
x Die benötigte Startstrecke (take-off distance required, TODR) darf die
verfügbare Startstrecke (take-off distance available, TODA) nicht über-
schreiten, wobei der Anteil der Freifläche nicht mehr als die Hälfte der
verfügbaren Startrollstrecke betragen darf;
TODR TODA
TORR TORA
ASDR ASDA
Zur Erfüllung der Bestimmungen dieses Paragrafen muss die V1 für den
Startabbruch derjenigen für den fortgesetzten Start entsprechen. Ferner
darf das für einen Start auf nasser oder kontaminierter Piste ermittelte
Startgewicht nicht höher sein, als das Startgewicht für einen Start auf einer
trockenen Piste unter sonst gleichen Randbedingungen.
Limitierend für das Startgewicht ist schließlich die längste benötigte Weg-
strecke aus Startfall und Startabbruchfall.
10.3 Die Limitierung des Startgewichts 153
x Das kritische Triebwerk fällt aus und der Start wird fortgesetzt.
x Bei Erreichen der VR: Rotieren, abheben und steigen auf screen height.
x Die screen height über der Startbahn wird mit V2 erreicht.
Die Startlaufstrecke ist dann von Bedeutung, wenn die TODA einen
clearway beinhaltet.
x Die Startlaufstrecke mit einem ausgefallenen Triebwerke (TORR OEI)
ist die benötigte Distanz aus dem Stillstand vom BRP bis zu dem Punkt,
an dem VLOF erreicht wird (Distanz A), zuzüglich 50 % der Strecke vom
VLOF-Punkt bis zu dem Punkt, an dem das Flugzeug die screen height
mit V2 erreicht (Distanz B).
x Die Startlaufstrecke mit allen Triebwerken (TORR AEO) entspricht
115 % der zuvor beschriebenen Strecke.
Zwischen der take-off distance und dem take-off run ergibt sich folgender
Zusammenhang:
Schließt sich an das Ende der Startbahn ein großer clearway an, wäre es
theoretisch möglich, den 35 ft Punkt soweit über die Freifläche zu legen,
dass der Abhebepunkt genau am Bahnende liegt. Die Forderung „TODR
TODA“ wäre damit noch immer erfüllt. Um dies zu verhindern, existiert
die Vorschrift „TORR TORA“, nach welcher der TORR nicht über das
Bahnende hinausgehen darf. Genauer gesagt darf der Punkt, der in der
Mitte zwischen VLOF und dem 35-ft-Punkt liegt, nicht hinter dem Ende der
Piste liegen.
Unter ASDR AEO versteht man die benötigte Strecke, um das Flugzeug
mit allen Triebwerken bis zur Geschwindigkeit V1 zu beschleunigen und
anschließend zum Halten zu bringen. Dabei werden folgende Faktoren be-
rücksichtigt:
x Das Flugzeug wird mit allen Triebwerken bis zu der Geschwindigkeit
V1 + 2 sec beschleunigt.
x Am Punkt V1 + 2 sec wird die Bremsung eingeleitet.
x Das Flugzeug wird unter Nutzung der maximalen Verzögerungsleistung
der Radbremsen und den ausgefahrenen Bremsklappen zum Stehen ge-
bracht. Die Schubumkehr darf im Falle einer trockenen Bahn nicht be-
rücksichtigt werden.
Unter der ASDR OEI versteht man die benötigte Distanz, um das Flugzeug
unter Annahme des Ausfalls des kritischen Triebwerks bei VEF zum Halten
zu bringen. Dabei werden folgende Faktoren berücksichtigt:
x Das Flugzeug wird mit allen Triebwerken bis zu der Geschwindigkeit
V1 beschleunigt.
10.3 Die Limitierung des Startgewichts 157
Stimmen TODA und ASDA überein, spricht man von balanced field
conditions (siehe Kapitel 9.2.7). Die Frage ist nun, in welcher Höhe die V1
innerhalb ihrer Grenzen zu wählen ist, um auf einer gegebenen Pistenlänge
das maximal mögliche Startgewicht zu erzielen.
Die Antwort liefert die sogenannte balanced field length (BFL) mit der
korrespondierenden balanced V1. Diese ergeben sich durch das Auftragen
der TODR und der ASDR in einem Koordinatensystem mit der Pisten-
länge als Ordinate und der V1 als Abszisse. Nachstehende Abbildung soll
dies veranschaulichen:
Die Abbildung zeigt die Kurven der TODR und ASDR für ein gegebenes
Gewicht:
x Die ASDR (Stopp-Fall) steigt mit zunehmender V1 in Richtung größerer
Pistenlängen an. Eine niedrige V1 bedeutet daher, dass ein möglicher
Startabbruch auch entsprechend früh eingeleitet werden würde. Die
resultierende Startabbruchstrecke ist also relativ gering. Je höher die V1
und damit auch der Punkt des Triebwerksausfalls gewählt werden, desto
später erfolgt der Startabbruch, was in einer längeren Startabbruch-
strecke resultiert. Zum einen hat das Flugzeug eine höhere kinetische
Energie, die abgebremst werden muss und zum anderen liegt schon ein
beträchtliches Stück der Piste hinter dem Flugzeug.
x Bei der TODR-Kurve (Go-Fall) verhält es sich umgekehrt. Die be-
nötigten Pistenlängen sinken mit steigender V1, d. h., eine niedrige V1
führt zu einer großen Startstrecke. Dies rührt daher, dass eine Fort-
setzung des Starts unterstellt wird. Fällt das Triebwerk nun „früh“ aus,
muss das Flugzeug mit dem verbleibenden Triebwerk auf die VR be-
schleunigt werden. Dies dauert länger und benötigt mehr Startbahn, als
dies bei einem Triebwerksausfall kurz vor der VR (also „spät“) der Fall
wäre. Daraus ergibt sich wiederum, je höher die V1, desto kürzer wird
die Startstrecke.
Die optimale Geschwindigkeit liegt im Schnittpunkt beider Kurven. Dieser
definiert die balanced V1 und die korrespondierende balanced field length.
Der grau schattierte Bereich stellt die Grenzen der V1 dar, innerhalb derer
variiert werden kann. Betrachtet man die Punkte L1 und L2 bzw. H1 und
H2 erkennt man, was passiert, wenn eine niedrigere (L) oder höhere (H) V1
gewählt wird. Eine niedrigere V1 (Low V1) führt zwar zu einer kürzeren
Startabbruchstrecke (Punkt L2) gleichzeitig auch zu einer höheren Start-
strecke. Gemäß der Regel, dass die längere der beiden Strecken limitierend
ist, führt die niedrige V1 zu einer höheren benötigten Pistenlänge. Die
Wahl einer höheren V1 führt zu den umgekehrten Ergebnissen.
Wurde die BFL für ein gegebenes Gewicht ermittelt, muss das Ergebnis
mit der physisch vorhandenen Pistenlänge verglichen werden. Die Pisten-
länge muss mindestens der BFL entsprechen. Tut sie dies nicht, hilft nur
eine Gewichtsreduktion (Gepäck, Fracht oder Passagiere zurücklassen, Be-
tankungsmenge überprüfen).
Neben der Startstrecke kann auch der Start-Steigflug (take-off flight path)
das maximale Startgewicht einschränken und muss daher überprüft
10.3 Die Limitierung des Startgewichts 159
werden. Dieses Limit wird auch climb limit oder WAT Limit (weight ,
altitude, temperature) genannt.
Der take-off flight path beginnt gemäß CS 25.115 in 35 ft am Ende der
Startstrecke und endet am selben Punkt wie der Take-off Path.
Nach den Zertifizierungsvorschriften muss das Steigvermögen des Flug-
zeugs bestimmten Mindestanforderungen genügen. Um die vielfältigen
Konfigurations- und Schubänderungen in dieser Flugphase zu reflektieren,
wurde der take-off flight path in mehrere Segmente unterteilt, wobei die
Mindestanforderungen in den einzelnen Segmenten variieren.
Bei der Segmentierung des müssen folgende Prämissen beachtet werden:
x Der Ausfall des kritischen Triebwerks wird bei VEF angenommen. (CS
25.111 (a) (2))
x Das Flugzeug wird auf V2 beschleunigt, wobei V2 erreicht werden muss,
bevor die screen height erreicht wird. Beim weiteren Steigflug bis 400 ft
darf die Geschwindigkeit nicht unter die V2 gehen (CS 25.111 (a) (3)
und (c) (2)).
x Keine Konfigurationsänderungen unter 400 ft über RZ außer Einfahren
des Fahrwerks. (CS 25.111 (c) (4))
In der Literatur wird der take-off flight path häufig in vier Segmente unter-
teilt (Abb. 10.10). Flugzeughersteller weichen jedoch je nach Flugztyp von
dieser Einteilung ab. So liegt beispielsweise gerade bei strahlgetriebenen
Verkehrsflugzeugen die Beschleunigungshöhe regelmäßig in 1500 ft,
wodurch das 3. und 4. Segment in einem Final Segment zusammengefasst
werden (Abb. 10.11).
Die Bestimmungen des 2. Segments gehören zu den anspruchsvollsten
Forderungen an die Leistungsfähigkeit eines Flugzeuges. Diese gilt es, im
Rahmen des Konstruktionsprozesses zu berücksichtigen.
160 10 Der Start
Segment 1
Beginn 35 ft (screen height) über RZ
Ende Fahrwerk eingefahren.
Auftriebshilfen Startstellung
Steiggradient Positiv
Geschwindigkeit Beschleunigung auf V2 (= 1,2 bis 1,4 VS)
Ziel: Reduzierung von Widerstand
Sonstiges Das Fahrwerk ist zu Beginn ausgefahren und die Fahrwerks-
klappen sind geöffnet. Das verbleibende Triebwerk läuft mit
maximalem Startschub. Bei Propellerflugzeugen gehört auch
dazu, den Propeller in Segelstellung (feather) zu bringen, falls
dies nicht automatisch geschieht (auto feather mode).
10.3 Die Limitierung des Startgewichts 161
Segment 2
Beginn Ende des 1. Segments
Endet Höhe, in der mit dem Einfahren der Klappen begonnen wird.
Frühestens in 400 ft (minimum level-off height), spätestens in
1500 ft, bzw. in der Höhe, wo das Zeitlimit für den Startschub
erreicht wird (maximum level off height).
Startklappen Startstellung
Steiggradient 2-mot: mindestens 2,1 %
3-mot: mindestens 2,7 %
4-mot: mindestens 3,0 %
Geschwindigkeit V2
Ziel: Überfliegen von nahen Hindernissen, Höhengewinn
Sonstiges Häufig wird das Startgewicht durch diese Forderung ein-
geschränkt. Man spricht in einem solchen Fall auch vom
second segment limit.
Final Segment
Beginn Ende des 2. Segments
Endet bei Erreichen der Konfiguration für den Reisesteigflug
(cruise climb)
Startklappen Eingefahren
Steiggradient 2-mot: mindestens 1,2 %
3-mot: mindestens 1,5 %
4-mot: mindestens 1,7 %
Geschwindigkeit V2 (1,25 VS bis 1,65 VS in clean configuration)
Ziel: Steigflug auf 1.500 ft
Sonstiges
Der gross flight path ist der tatsächlich realisierbare Steigflug. Er wird in
Flugversuchen nachgewiesen, beginnt an der screen height und endet am
Ende des take-off path. Durch die oben genannte Abminderung ergibt sich
die Mindesthöhe, die das Flugzeug tatsächlich über einem Hindernis haben
muss. Dabei gilt der grundsätzliche Gedanke, dass die Höhe über einem
Hindernis umso größer sein muss, je weiter dieses vom Ende der Start-
strecke entfernt ist.
Für ein zweimotoriges Flugzeug ergibt sich daraus die Forderung, ein vor-
handenes Hindernis in mindestens 35 ft zzgl. einem Zuschlag von 0,8 %
der zurückgelegten Strecke zu überfliegen.
Der Gross Flight Path und die tatsächlich nachgewiesenen gross gradients
sind vom Hersteller nachzuweisen.
Der net flight path ergibt sich aus dem gross flight path, indem dieser um
eine bestimmte Steigung abgemindert wird. Die Höhe des Abschlags
richtet sich nach der Anzahl der Motoren und ist auf alle Segmente anzu-
wenden.
Take-Off Funnel
Bei Abb. 10.13 beginnt der departure sector entweder am Ende der
TODR, wenn die Kurve vor Erreichen des Endes der TODA eingeleitet
wird, oder am Ende der TODA, wenn der Turn nach dem Ende der TODA
eingeleitet wird.
Der Wert für die Breite W („Width“) ist abhängig von der Spannweite des
Flugzeuges. Es wird unterschieden in b < 60 m und b 60 m.
166 10 Der Start
Obstacle Envelope
Level-Off Height
Die level-off height (oft auch als acceleration height bezeichnet) ist die
Höhe, in der das Flugzeug nach einem Triebwerksausfall in den
Horizontalflug übergeht, um zu beschleunigen. Sie entspricht der Höhe am
Ende des 2. Segments.
Die minimum level-off height beträgt 400 ft über reference zero. Die
maximum level-off height ergibt sich aus dem sogenannten thrust time limit
der Triebwerke. Dies beträgt je nach Flugzeugtyp entweder 5 oder 10
Minuten. Innerhalb dieses Zeitlimits müssen die Klappen eingefahren sein.
Die resultierende Höhe am Ende des Zeitlimits entspricht der maximum
level-off height.
10.3 Die Limitierung des Startgewichts 167
Die Höhe der level-off height kann also variiert werden und hängt davon
ab, in welcher Entfernung das Hindernis steht, das zu überfliegen ist.
Je höher das Abfluggewicht ist, desto schneller muss das Flugzeug beim
Abheben sein, um den notwendigen Auftrieb zu entwickeln. Die Reifen
sind bei hoher Geschwindigkeit hohen diversen Kräften ausgesetzt.
Um die Reifenstruktur nicht zu gefährden, werden daher Maximal-
geschwindigkeiten festgelegt, bis zu denen der Reifen nicht beschädigt
wird (maximum tire speed limit).
Die Startleistung eines Flugzeuges ist von einer Vielzahl von Variablen
abhängig, die seitens des Luftfahrtunternehmers bei der Bestimmung des
maximalen Startgewichts zu berücksichtigen sind. Die JAR-OPS 1
konkretisiert diese Forderung in den Vorschriften 1.490 und 1.495 für die
Limitierung des Starts durch die Bahnlänge und durch Hindernisse.
Gewicht
Außerdem wirkt sich ein höheres Gewicht auch negativ auf den Steig-
gradienten aus. Dadurch sind auch das climb limit und das obstacle limit
betroffen.
Eine niedrigere Klappenstellung (in Abb. 10.16 als lower flaps bezeichnet)
bewirkt höhere Startgeschwindigkeiten, da das veränderte Flügelprofil
170 10 Der Start
(kleine Wölbung) weniger Auftrieb liefert, als dies eine große Klappen-
stellung (große Wölbung) tun würde.
Damit verbunden ist auch eine höhere TODR. Die ASDR hingegen nimmt
bei niedrigerer Klappenstellung ab. Grund dafür ist zum einen ein ver-
minderter Widerstand und zum anderen ein geringerer Auftrieb, der in
einem höheren Gewicht auf dem Fahrwerk resultiert, was das Bremsver-
mögen verbessert. Die höhere Geschwindigkeit beim Abheben bewirkt
eine bessere Steigrate. Weiter wegstehende Hindernisse können so höher
überflogen werden.
Bei großer Klappenstellung ist dies umgekehrt. Die nun große Profil-
wölbung erlaubt einen Start mit geringerer Geschwindigkeit. Das Flugzeug
muss folglich nicht so lange beschleunigen, was in einer reduzierten
TODR und TORR resultiert. Die Flugbahn des Flugzeuges ist anfänglich
steiler, weshalb nahe stehende Hindernisse (sog. close-in obsacles) besser
überflogen werden können.
Ein Vorteil für die Wahl einer großen Klappenstellung ist, wenn das Flug-
zeug aus bestimmten Gründen zügig abheben soll (kurzer Startlauf).
Beispielhaft anzuführen wäre hier eine schlechte Pistenoberfläche (Stein-
schlaggefahr bzw. Schäden durch sogenanntes foreign object damage)
oder auch eine bestimmte Kontaminierung, wie z. B. Schneematsch.
Neben dem Antrieb des Flugzeugs haben die Triebwerke noch die Auf-
gabe, verschiedene Verbraucher mit Verdichterzapfluft (bleed air) zu ver-
sorgen. In erster Linie sind dies die Klima- und Enteisungsanlagen des
Flugzeuges. Für solche Fälle wird den Triebwerken an einer bestimmten
Stelle im Verdichter Luft entnommen. Diese Luftentnahme mindert die
Startleistung und dadurch auch das MATOW. Um diese Leistungsverluste
auszugleichen, müsste mehr Treibstoff eingespritzt werden. Dies jedoch ist
aufgrund der verwendeten Werkstoffe im Triebwerk und deren
Temperaturgrenzen nur bedingt möglich.
Der Leistungsverlust durch das Betreiben der Klimanlage kann in ge-
wichtsbeschränkten Situationen teilweise kompensiert werden. Z. B. durch
die Versorgung der Klimaanlage durch die Hilfsturbine oder - im Einzel-
fall - durch die Durchführung eines drucklosen Starts (sogenannter
bleedless bzw. unpressurized take-off). in einem solche Fall wird die
Klimaanlage in einer bestimmten Höhe (z. B. acceleration altitude) wieder
aufgeschaltet.
172 10 Der Start
Technische Beanstandungen
Bremsanlage
Liegt ein negativer Pistengradient vor, bleibt die Rechnung gleich, ledig-
lich das Vorzeichen vor der Klammer ändert sich.
RZ 2000 2700 0,014 3,28 1876,016 (10.20)
Die Abb. 10.21 zeigt einen negativen Pistengradienten bei sonst gleichen
Werten.
10.4 Beeinflussende Kriterien beim Start 175
weise eliminiert. Die Summe aller Faktoren kann unter Umständen dazu
führen, dass sich die RFL für nasse oder kontaminierte Bahnen nicht oder
nur kaum von der einer trockenen Bahn unterscheidet.
Abb. 10.24 Einfluss von nasser und kontaminierter Piste auf RFL und V1
178 10 Der Start
Luftdruck
Temperatur
Wind beeinflusst sowohl die Start- und Startabbruchstrecken, als auch die
Flugbahn nach dem Abheben. Somit beeinflusst er das field length limit
und das obstacle limit.
Bei einer Gegenwindkomponente (headwind component – HWC) wird die
VLOF um den Betrag der Komponente früher erreicht. Das Flugzeug muss
also nicht so lange beschleunigt werden. Liegt hingegen eine Rücken-
windkomponente (tailwind component – TWC) vor, muss das Flugzeug um
diesen Betrag mehr beschleunigt werden, sodass die Beschleunigungs-
strecke länger wird.
10.4 Beeinflussende Kriterien beim Start 179
Betrachtet man den Startabbruchfall, ist auch hier eine HWC vorteilhafter
als eine TWC, denn eine HWC reduziert die relevante Geschwindigkeit
über Grund.
Hinsichtlich der Hindernisfreiheit führt eine HWC zu einem steileren
Flugweg und eine TWC zu einem flacheren Flugweg.
Aus Sicherheitsgründen sind die Vorteile einer HWC nur zu 50 % an-
rechenbar, während die Nachteile einer TWC mit 150 % zu berück-
sichtigen sind.
Oftmals ändert sich der Wind mit der Höhe nach Betrag und Richtung.
Eine zu 50 % berücksichtigte HWC bei der Berechnung der Hindernisfrei-
heit kann also möglicherweise nicht mehr bestehen. Die Option, eine
HWC bei der Berechnung der Hindernisfreiheit zu berücksichtigen, ist also
mit Vorsicht zu genießen und eher zu unterlassen.
Vereisung
Die Kontaminierung des Flugzeuges durch Eis oder Schnee am Boden ist
eine unter keinen Umständen zu unterschätzende Gefahr. Besonders bei
Vereisung des Flügels kann es aufgrund veränderter aerodynamischer
Verhältnisse zu gravierenden Beeinträchtigungen der Flugleistung
kommen. Zum einen verringert sich der Auftrieb, zum anderen erhöht sich
der Widerstand. Die Strömungsabrissgeschwindigkeit steigt an, wodurch
sich die Sicherheitsmarge zum Strömungsabriss verringert.
Für eine Vereisung des Flügels müssen am Boden keine Minusgrade
herrschen. Ein langer Flug in großen Höhen mit tiefen Temperaturen sorgt
für eine Auskühlung des Treibstoffs und einer damit verbundenen sehr
kalten Flügeloberfläche. Regen und Nebel können dadurch schnell am
Flugzeug gefrieren. Besonders sensibel für Vereisung und generelle
Rauigkeit ist die Flügelvorderkante (leading edge). Hier reichen bereits
kleine Rauigkeiten aus, um den Auftrieb signifikant zu mindern.
180 10 Der Start
Dieses Verfahren nutzt die Tatsache, dass die von den Flugzeugherstellern
veröffentlichten Startgeschwindigkeiten vielfach nur hinsichtlich der be-
nötigten Pistenlänge optimiert sind. Die Startgeschwindigkeiten basieren
auf einem konstanten Verhältnis der V2 zur VS (bzw. V1SG).
Die Geschwindigkeiten sind daher bei langen Pisten niedriger, als eigent-
lich notwendig und entsprechen nicht dem Optimum des Steiggradienten.
Die folgende Abbildung soll dies schematisch für ein gegebenes Gewicht
darstellen.
Durch eine variable Handhabung der V2 kann bei gegebenem Gewicht der
Steiggradient erhöht werden, oder unter Beibehaltung des Steiggradienten
das maximale Startgewicht erhöht werden. Bei Airbus ist dieses Verfahren
unter dem Begriff „KVS“ bekannt. KVS ist das Verhältnis der V2 zur VS.
Die zulässige Bandbreite der V2 liegt in der Regel zwischen 1,2 und 1,39
VS.
10.5 Optimierter Steigflug (improved climb) 181
Dieses Verfahren ist insbesondere dann von Vorteil, wenn das PTOW
durch die Steigleistungsforderung limitiert ist, andererseits aber genügend
Piste zur Verfügung steht. In der Folge wird mit einer erhöhten VR ge-
startet, um anschließend mit der erhöhten V2 zu steigen.
10.6.1 Einführung
Nach einem Triebwerksausfall wird mit Max Thrust und mit der Ge-
schwindigkeit V2 als best angle of climb speed bis zur berechneten level-
off altitude gestiegen. In aller Regel liegt diese standardmäßig bei 1500 ft
über Grund.
Dort angekommen wird das Flugzeug beschleunigt. Enthält die EOSID
eine Kurve zu einem Holding Fix, wird diese mit Erreichen der level-off
altitude eingeleitet, sofern aufgrund von Hindernissen nicht ein anderer
Flugweg zu fliegen ist.
Wurde mit der Klappenstellung von 20° gestartet, beginnt bei Erreichen
von „V2 + 12 kt” das dritte Segment:
x Die Klappen werden auf „8°”gefahren und bei „V2 + 20 kt” werden sie
ganz eingefahren;
x Bei Erreichen der VFTO wird mit dieser Geschwindigkeit der Steigflug
fortgeführt (hierzu bietet sich der Speed Mode des Autopiloten an.)
x der Schub wird auf maximum continuous thrust gesetzt.
x der Steigflug wird mindestens bis zur minimum sector altitude (MSA)
fortgesetzt.
Der Flugweg nach einem Triebwerksausfall ergibt sich aus der Be-
schreibung der EOSID. Kurven sind bis zum Erreichen der VFTO mit einer
Schräglage von maximal 15qzu fliegen und können anschießend mit 25q
geflogen werden. Die VFTO entspricht beim CRJ somit der clean
maneuvering speed, ab der Kurven ohne Einschränkung geflogen werden
dürfen.
Bei einem Start ohne Triebwerksausfall darf mit dem Einfahren der
Klappen während einer Kurve (z. B. wenn die Beschleunigungshöhe und
eine Kurve zusammenfallen) erst begonnen werden, wenn die VFTO er-
reicht wurde und die Fluggeschwindigkeit zunimmt. Damit wird der
Möglichkeit eines Triebwerksausfalls während einer Kurve Rechnung ge-
tragen.
Das Einfahren der Startklappen wäre zwar nach Erreichen von „V2+12 kt“
und bei einer Schräglage von höchstens 15q erlaubt, würde aber dazu
führen, dass die Abflugroute deren Kurven einen „Standard-Radius“ auf-
weisen, eventuell nicht eingehalten werden kann. Der Standard-Radius für
Kurven unterstellt eine Drehgeschwindigkeit von 3qpro Sekunde. Die
notwendige Schräglage (bank angle) kann mit folgender Faustformel be-
stimmt werden.
TAS (10.21)
Bank Angle 7
10
10.6.3 Kurvenflug
Die folgende Abbildung zeigt ein Flugzeug mit der Schräglage I und dem
Radius R.
Daraus folgt:
10.6 Triebwerksausfall beim Start 185
L cosI mg (10.23)
Der Auftrieb übersteigt also das Gewicht im Kurvenflug um den Faktor
cos I
Durch umstellen der Gl. (10.23) nach cos I erhalten wir
mg (10.24)
cos I
L
Nach einsetzen von Gl. (10.24) in Gl. (4.32) erhalten wir die Beziehung
des Lastvielfachen zum Kurvenflug.
L L 1 (10.25)
n
W mg cosI
Gl. (10.25) erlaubt uns nun das Lastvielfache in Kurven zu berechnen. So
ergibt eine Kurve mit einer Schräglage von 60° ein Lastvielfaches von 2 g.
In Kurven wiegt das Flugzeug folglich mehr, was durch zusätzlichen Auf-
trieb ausgeglichen werden muss und in einem verminderten Steig-
gradienten resultiert.
Nachdem wir nun die vertikalen Kräfte berechnet haben, wollen wir auch
die horizontalen Kräfte untersuchen. Hier wirkt unter anderem die Zentri-
fugalkraft als Produkt aus Zentrifugalbeschleunigung und Flugzeugmasse.
Die Zentrifugalbeschleunigung wiederum ist der Quotient dem Quadrat
der Geschwindigkeit und dem Kurvenradius, wobei mit Geschwindigkeit
die TAS gemeint ist.
Das Kräftegleichgewicht in horizontaler Richtung ergibt sich somit zu:
o V 2m (10.26)
¦ F:
R
L sin I 0
Daraus folgt:
V 2m (10.27)
L sin I
R
Durch das Zusammenführen von Gl. 10.24 und 10.27 und Auflösung nach
R erhalten wir die Gleichung zur Berechnung des Turnradius.
V2 (10.28)
R
g tan I
186 10 Der Start
An einem kleinen Flugplatz mit einer Platzhöhe von 1.500 ft ist folgende
Abflugrute vorgegeben: Climb straight ahead. At 3000 ft, turn left to
ALPHA VOR. Stay within 4 NM from Runway Centerline“. Die Ge-
schwindigkeit im Steigflug beträgt 150 kt CAS. Wie hoch muss die
Schräglage mindestens sein, um innerhalb des vorgegebenen Radius zu
bleiben unter ISA Bedingungen.
Um diese Frage zu beantworten, bedarf es mehrerer Rechenschritte:
1. Umrechnung der CAS in eine TAS mit Hilfe von Gleichung (5.18).
Hierzu benötigen wir G (0,8962) und T (9,9794) aus der ISA-Tabelle
für 3.000 ft. Wir erhalten somit eine TAS von 157 kt.
2. Umrechnen der TAS von kt in m/s mit Hilfe der Umrechnungsformel
aus Kapitel 3.7.4. (= ca. 157 kt = ca. 291 km/h = ca. 81 m/s) und um-
rechnen des vorgegebenen maximalen Radius‘ mit Hilfe von Kapitel
3.7.2 (4 NM = 7.408 m)
3. Einsetzen der Formel in die nach tan I umgestellte Gl. (10.28).
§m·
2 (10.29)
812 ¨ ¸
tan I ©s¹ 0,09
m
9,81 2 7408m
s
Das Flugzeug muss folglich eine Schräglage von mindestens 5° einhalten,
was kein Problem darstellen sollte und kann somit als unkritisch bewertet
werden.
Hierfür nehmen wir an, dass unser Flughafen in einer Höhe von 2000 ft
liegt. Die Temperatur beträgt 25 °C und weicht offensichtlich von ISA ab.
Wir müssen im nächsten Schritt also T und G ermitteln.
G ist durch einen Blick in die ISA-Tabelle schnell ermittelt ist: 0,9298.
Bei der Temperatur ist etwas mehr Aufwand gefordert. Da die Atmosphäre
im Beispiel von ISA abweicht, kann der Wert nicht direkt aus der ISA-
Tabelle abgelesen werden. Es muss eine Korrektur erfolgen.
x Ermittlung der ISA-Temperatur gem. ISA-Tabelle: (2000 ft = 11 °C)
x Vergleichen von TISA mit Tact: Der Vergleich zwischen der Temperatur
nach ISA und der aktuellen Temperatur ergibt, dass die Atmosphäre
14 K wärmer ist. Es herrschen also „ISA+14“ Bedingungen.
x Korrektur von TUmwandlung von relativer Temperatur in absolute
Temperatur: TISA= 11 °C = 284,2 K
Durch einsetzen der ISA-Abweichung in T erhält man:
Tact TISA 'ISA 284,2 14 (10.34)
T corr 1,0349
T0 T0 288,15
Ermittlung von V
G 0,9298 (10.35)
V 0,8984
T 1,0349
Einsetzen in Gl. (10.33) liefert
V2 min 172 0,8984 # 163 kt (10.36)
Das korrespondierende Gewicht zur V2min ist ein durch den Kurven-
radius limitiertes Gewicht.
Ist der sogenannte gradient loss ermittelt, kann man den entsprechenden
Höhenverlust (welcher der Beaufschlagung entspricht) mit folgender
Gleichung errechnen.
arc (10.40)
height loss gradient loss
100
Höhenverlust am Hindernis 1:
§ 50 · (10.41)
HL1 ¨ S 3000 ¸ 0,0055 # 2618 m 0,0055 # 15 m | 50 ft
© 180 ¹
Höhenverlust am Hindernis 2:
§ 180 · (10.42)
HL2 ¨ S 3000 ¸ 0,0055 # 9425 m 0,0055 # 52 m | 171 ft
© 180 ¹
Durch die fiktive Erhöhung der Hindernisse um diese Werte wird der
Forderung nach einem Ausgleich der verminderten Steigleistung im
Kurvenflug Rechnung getragen.
Welche Mindesthöhen muss ein zweimotoriges Flugzeug mindestens an
den beiden Hindernissen erreichen?
Nach den Vorschriften müssen die Hindernisse in 35 ft zuzüglich einer zu-
sätzlichen Sicherheitsmarge von 0,8 % der zurückgelegten Strecke in
Metern überflogen werden. Daraus ergeben sich folgende Rechnungen:
10.7 Der Startabbruch 191
Sicherheitsmarge am Hindernis 1:
7.418 m 0,008 | 60 m # 197 ft (10.43)
Sicherheitsmarge am Hindernis 2:
15.425 m 0,008 | 124 m # 407 ft (10.44)
10.7.1 Einführung
Mit der unterstellten Beschleunigung von drei kt pro Sekunde hätte die
bisherige Definition der V1 als Entscheidungsgeschwindigkeit fatale
Folgen.
Im Falle eines bahnlimitierten Starts würde das Flugzeug mit ca. 40 kt über
das Bahnende hinausschießen. Gerade schwere Flugzeuge haben bei V1
eine Geschwindigkeit von 120 – 70 kt/s und eine Beschleunigung von
3 – 6 kt/s.
Dies lässt das Risiko mit der Größe und dem Gewicht des Flugzeuges noch
ansteigen. Eine B747-400, die bei Erreichen ihrer V1 eine Beschleunigung
von sechs kt/s erfährt, würde innerhalb von zwei Sekunden nach V1 ca.
zwölf kt über V1 hinaus beschleunigt werden.
Bei einem field length limited take-off würde sie die Startbahn am Ende
mit einer Geschwindigkeit von ca. 120 kt verlassen.
196 10 Der Start
Immer wieder kommt es vor, dass ein Start wegen eines geplatzten Reifens
abgebrochen wird. Außer Frage steht, dass diese Entscheidung für die Be-
satzung nicht einfach zu treffen ist. Meistens ist lediglich ein undefinier-
bares Geräusch zu hören. Hinzu kommt dann noch oftmals, dass das Flug-
zeug in der Steuerbarkeit beeinflusst ist und die Richtung nicht hält. Die
Summe dieser Wahrnehmungen bewegt oftmals die Besatzung dazu, den
Start abzubrechen.
Aber auch selbst dann, wenn das Platzen eines Reifens klar erkannt wird,
muss die Besatzung damit rechnen, dass das Triebwerk oder die Flügel-
klappen durch hochgewirbelte Reifenteile beschädigt wurden. Dieses
Szenario muss man sich während einer hochdynamischen Situation vor-
stellen.
Die Besatzung hat keine Anzeigen im Cockpit für geplatzte Reifen,
sondern stützt ihre Entscheidungen lediglich auf - bestenfalls in ihrer
Summe eindeutige - Wahrnehmungen. Alles in allem ist dies keine leichte
Entscheidung.
Bei einem F-Limit gilt folgendes: Wird ein Reifenplatzer bei niedrigen Ge-
schwindigkeiten (unter 80 kt) angenommen, sollte der Start abgebrochen
werden. Bei hohen Geschwindigkeiten birgt ein Startabbruch im all-
gemeinen ein ungleich höheres Risiko, als die Fortführung des Startvor-
gangs - allerdings nur unter der Annahme, dass der geplatzte Reifen keine
anderen Systeme beschädigt hat. Dies zu erkennen liegt im Ermessen der
Besatzung. Aufgrund dieser Problematik haben die Flugzeughersteller eine
Empfehlung herausgegeben, den Start bei Geschwindigkeiten über „V1 –
20 kt“ fortzusetzen, auch wenn tatsächlich mit einem geplatzten Reifen ge-
rechnet wird.
Die folgende Abbildung4 zeigt den Einfluss eines geplatzten Reifens auf
die Sicherheitsmargen beim Start und bei der Landung.
Ein Startabbruch nach dem Platzen eines Reifen, kann zu einem Über-
schießen des Pistenendes um 300 bis 500 ft führen. Das Pistenende wird
dabei mit einer Geschwindigkeit von ca. 40 – 60 kt verlassen. Die
sicherere Variante wäre, den Start fortzusetzen. Denn die Landung mit ge-
platztem Reifen ergibt eine kaum nachweisebare Verlängerung der Lande-
strecke.
10.7 Der Startabbruch 199
Der Einfluss der Bremsklappen auf die Bremsleistung des Flugzeugs wird
oft unterschätzt. So kann auf einer trockenen Startbahn das Nichtfahren der
Bremsklappen zu einem Überschießen der Bahn führen, selbst wenn die
maximale Schubumkehr genutzt wird.
Abb. 10.37 bezieht sich auch auf ein F-Limit auf trockener Bahn.
Positive Effekte der Schubumkehr dürfen bei trockener Bahn nicht zur
Ermittlung des Bremswegs berücksichtigt werden. Dadurch ergibt sich bei
deren Nutzung eine gewisse Marge.
Abb. 10.38 Einfluss der Bremsklappen auf das Bremsvermögen für ein typisches
mittelgroßes zweimotoriges Flugzeug
Abb. 10.39 zeigt die Wichtigkeit des Startabbruchs bei einem Triebwerks-
ausfall vor V1 im Falle von balanced field conditions. Würde die Be-
satzung in einem solchen Fall den Start fortsetzen, würden sie sich am
Bahnende je nachdem, wann das Triebwerk ausgefallen ist erheblich
unter der screen height befinden.
Eine Fortsetzung des Starts bei einem Triebwerksausfall nur 3 kt unter
der V1 führt zu einer screen height am Pistenende von 20 ft. Alle
202 10 Der Start
10.8.1 Einführung
Darüber hinaus gibt es noch die Variante des Variable Thrust Rating, die
aber heute kaum noch von Bedeutung ist und hier nicht behandelt wird.
Alle reduced thrust Verfahren haben gemeinsam, dass nicht der maximal
mögliche Schub genutzt wird, sondern ein geringerer Wert. Dadurch er-
geben sich für das Triebwerk eine geringere thermische und mechanische
Belastung und ein niedrigerer Druck. Diese Tatsache resultiert in vielen
Vorteilen für das Triebwerk:
x Geringere Abnutzung des Triebwerks
x Geringere Kosten für Teile und Überholung
x Erhöhung der Lebensdauer der Triebwerke
x Erhöhte Zuverlässigkeit und dadurch erhöhte operative Sicherheit gegen
Ausfall.
Ebenfalls reduziert auf die alternative Leistungsstufe werden die VMCG und
die VMCA. Diese Tatsache kann besonders auf kurzen Pisten von Be-
deutung sein, wie nachstehende Abbildung zeigt.
Abb. 10.43 Erhöhung des PTOW durch derate auf kurzen Pisten
Je länger die Piste, desto höher ist das mögliche Startgewicht. Man erkennt
klar das höhere Startgewicht bei höherem Schub. Allerdings erkennt man
auch den Effekt auf kurzen Pisten. Hier kann die derate method aufgrund
der niedrigeren VMCG ein Vorteil sein.
Die assumed temperature method (auch flex thrust method genannt) macht
sich die Charakteristik der Fan Triebwerke mit einer sogenannten flat rate
temperature zu Nutze (siehe Kapitel 6.4.1).
Solange das aktuelle Startgewicht kleiner als das MATOW ist, würde man
bei einem Start mit maximum take-off thrust mit einem enormen
Schubüberschuss starten. Beim einem „flex take-off“ wird nun die
Temperatur gesucht, an dem das aktuelle Startgewicht dem MATOW ent-
spricht. In aller Regel ist dies hinter dem sogenannten brake point bei
einem niedrigeren Schub. Diese so gefundene Temperatur ist die für den
Start nun „angenommene“ (= assumed) Temperatur, was zu einem
niedrigeren Schub führt.
10.8 Start mit reduziertem Schub 207
Beim flex thrust findet keine Anpassung der minimum control speeds statt.
Die Kontrollierbarkeit ist somit sichergestellt. Denn es kann jederzeit der
volle Schub gesetzt werden.
Flex Thrust darf unter folgenden Bedingungen nicht angewendet werden:
x kontaminierte Piste
x erwartete oder mögliche Windscherung
x Anti-Skid System nicht nutzbar
Weitere Einschränkungen sind je nach Flugzeughersteller möglich und in
den entsprechenden Handbüchern veröffentlicht.
In der Vergangenheit war das ATM bzw. Flex Thrust Verfahren immer
wieder vielen Vorbehalten ausgesetzt. Viele Piloten fühlten sich unwohl
bei der Anwendung und äußerten Sicherheitsbedenken.
Eine häufig geäußerte Vermutung ist der Wegfall jeglicher Sicherheits-
margen bei einer Limitierung durch die Bahnlänge oder durch Hindernisse.
Diese Vorurteile sind jedoch unbegründet.
Die Anwendung von flex thrust beim Start bringt neben den bereits be-
schriebenen Vorteilen durch die geringere Triebwerksbelastung noch
10.8 Start mit reduziertem Schub 209
Ein aus der Sicht des Piloten wohl noch interessanterer Punkt ist die Ab-
bildung der Sicherheitsmarge bei der Startstrecke. Gerade bei kurzen
Pisten gibt es häufig Vorbehalte, die höchstmögliche assumed temperature
anzuwenden. Bei einem durch Bahnlänge limitierten Start kommt das
Vorurteil auf, „man würde sich an das Ende der Piste flexen“. Das ist
jedoch aufgrund des TAS Effekts nicht ganz richtig.
10.8 Start mit reduziertem Schub 211
Beispiel:
Die Außentemperatur betrage 2 °C. Die Startdatenberechnung ergibt ein
Field Length Limit mit einer Startstrecke von 2.400 m und einer assumed
temperature von 40 °C. Das 'T beträgt folglich 38 °C. Ein Field Length
Limit bedeutet, dass im Falle eines Startabbruchs das Flugzeug genau am
Pistenende zum stehen kommt. Die sogenannte stop margin würde also
„auf dem Papier“ 0 m betragen. Nach Berücksichtigung des TAS Effekts
jedoch ergibt sich eine Sicherheitsmarge von ca. 12,5 %. Dies sind bei
2400 m Startstrecke immerhin ca. 300 m.
Die folgende Abbildung zeigt den Flugweg nach einem Triebwerksausfall
beim Start. Im Vergleich zu einem full thrust take-off in tatsächlicher
warmer Atmosphäre birgt der flex thrust take-off in kälterer Atmosphäre
aber mit der Flex N1 auf Basis einer hohen Tass. einen Sicherheitsvorteil.
Die geforderten Sicherheitsmargen können jederzeit sichergestellt werden.
Die Hindernisfreiheiten sind aufgrund des früheren Abhebepunktes auf der
Piste und dem identischen Steiggradienten etwas höher.
Darüber hinaus kann jederzeit das verbleibende Triebwerk auf Volllast ge-
fahren werden.
212 10 Der Start
Lärmschutz
Beim Start mit reduced thrust ergibt sich im Vergleich zum Start mit
maximum take-off thrust eine längere Startstrecke und ein geringeres
Steigvermögen. Dies resultiert in geringeren Überflughöhen während des
Startsteigflugs, was zu einem leichten Anstieg des Lärms direkt unterhalb
des Flugwegs führt. Dieser leicht erhöhte Lärmpegel wird zum Großteil
durch den geringeren Schub wieder ausgeglichen. Seitlich des Flugwegs
reduziert sich der Lärm ab einer bestimmten Distanz durch die natürliche
Dämpfung des Bodens und durch Abschirmeffekte des Triebwerks. Auf
den gesamten „Lärmteppich“ gesehen führt der reduced thrust take-off zu
einer Reduktion der Geräuschemission.
Treibstoff
Luftverschmutzung
Abb. 10.49 Density Sub Graph (CAP 698 © by Civil Aviation Authority)
Anschließend wählt man die Tabelle 10.7 für die entsprechende Klappen-
stellung und ermittelt die Geschwindigkeiten für das aktuelle Startgewicht.
Diese sind noch für Wind und Pistenneigung zu korrigieren (Beispiel für
Flaps 5, PMC6 ON). Bei einem Flugzeug mit einem Startgewicht von 55 t
ergeben sich aus Abb. 10.41 die folgenden Geschwindigkeiten: V1 =
138 kt, VR = 140 kt und V2 = 149 kt.
Nun wird mit Hilfe der Tabelle 10.8 die aktuelle VMCG ermittelt.
Ist diese größer, als die ermittelte V1, ist der Start nicht erlaubt. In unserem
Beispiel (OAT 20 °C, PA 3000 ft) ergibt sich interpoliert eine VMCG von
112 kt und liegt damit unter der zuvor ermittelten V1.
Existiert ein stop- oder clearway, muss eine weitere Tabelle konsultiert
werden, die unter Umständen eine weitere V1-Korrektur zur Folge hat.
Tabelle 10.9 V1 Korrekturen für Stop- und Clearway (CAP 698 © by Civil Avia-
tion Authority)
Abb. 10.50 Runway Weight Chart eines Canadair Jets 200 für den Flughafen
Madrid Barajas (© Deutsche Lufthansa AG)
10.9 Methoden der Startdatenberechnung 219
Kopf [A]
1) Flugzeugtyp
2) In diesem Feld finden sich Angaben über die Berechnungs-
bedingungen der RWC. Alle unkorrigierten Daten basieren zunächst
auf den Systemparametern „Air Condition ON, Anti-Ice OFF, APR
und Anti-Skid ARMED“. Liegen andere Bedingungen vor, sind die
unter [C] aufgeführten Korrekturen anzubringen.
3) Flughafendaten
4) Piste (RWY): Bezeichnung der RWY oder RWY Intersection
5) Name des Flughafens. Der Drei- bzw. Vier-Letter-Code steht in der
unteren rechten Ecke [E/4]).
6) ISA-Temperatur und QNH Korrektur bezogen auf den Flughafen. Da
Madrid eine elevation von 1.998 ft hat, beträgt die ISA-Temperatur
dort 11 C. Die QNH-Korrektur ermöglicht, die Umrechnung von
QNH in QFE.
Kalkulationsspalte [B]
1) Startklappenstellung (8° oder 20°): Hier werden alle Daten für Flaps
8 und Flaps 20 dargestellt.
2) OAT-Spalte: Für den CRJ 200 existiert eine sogenannten limitation,
dass nur bis zu einer Außentemperatur von ISA +35 °C gestartet
werden darf. Daher werden die RWC auch nur bis zu dieser
Temperatur berechnet. Die OAT-Spalte endet daher spätestens bei
50 °C. Aufgrund der elevation des Flughafens von Madrid von ca.
2000 ft und der korrespondierenden ISA von 11 °C endet die OAT-
Spalte dort bei aufgerundet 47 °C.
3) TOW Limits: Die Spalte zeigt das geringste Gewicht in Tonnen und
die Abkürzung des einschränkenden Parameters. Die Bedeutung der
Abkürzung wird in [E/3] am Ende der RWC aufgeführt. Das Climb
Limit (C) (oder auch second segment limit) wird in einer separaten
Spalte (6) ausgewiesen. Die Korrekturen werden am geringeren der
beiden Gewichte aus Spalte (3) und (6) abgezogen. Das limitierende
Gewicht aus TOW und Climb wird fettgedruckt dargestellt.
Die folgende Tabelle zeigt die Bedeutung der einzelnen Ab-
kürzungen, wie sie in der Fußzeile [E/3] dargestellt werden:
F = field length limit * = obstacle limit
C= climb limit B = brake energy limit
T = tire speed limit V = VMCG bzw. VMCA limit
E = engine thrust time limit M = AFM Limit
220 10 Der Start
Korrekturspalte [C]
Fußzeile [E]
Wie wir aus dem Kapitel zum Startvorgang bereits wissen, endet die Start-
strecke, wenn das Flugzeug die screen height erreicht. In den IEM OPS
1.495(a) (1) (b) (iii) (TOD for wet or contaminated runway), wird bei
nasser oder kontaminierter Piste eine Reduzierung dieser screen height von
35 ft auf 15 ft gestattet. Dadurch wird die TODR etwas kürzer, da der 15-
ft- Punkt früher erreicht wird.
Diese „Erleichterung“ wurde eingeführt, um die wirtschaftlichen Nachteile
durch geringere Startgewichte etwas auszugleichen. Sie gilt jedoch nicht
für die TODR AEO sondern nur für die Ermittlung der TODR OEI.
Durch die Reduzierung der screen height, muss für den Fall des Trieb-
werksausfalls auch die Hindernisfreiheit entsprechend reduziert werde.
Denn wenn das Flugzeug am Ende der Piste tiefer fliegt, wird es auch
nachfolgende Hindernisse tiefer überfliegen. Der gesamte Take-Off Flight
Path verläuft etwas flacher. Daher erlaubt die IEM OPS 1.495 (a) (2) auch
die Reduzierung der Hindernisfreiheit des Nettoflugwegs von 35 ft auf
15 ft.
In bestimmten Fällen kann es dazu kommen, dass durch die reduzierte
screen height das PTOW auf nasser bzw. kontaminierter Bahn höher ist,
also auf trockener Bahn. In einem solchen Fall muss immer das Limit für
die trockene Bahn herangezogen werden.
x Im ersten Schritt wird das PTOW für eine trockene Piste ermittelt.
Hierzu kann z. B. eine RWC verwendet werden.
x Anschließend wird das PTOW in Abhängigkeit von Flugzeug-
konfiguration (CONF1+F, CONF2 oder CONF3) und Pistenlänge um
ein bestimmtes Gewichtsdekrement verringert (obere Tabelle in Abb.
10.54). Bei einem Start in Frankfurt (4000 m Pistenlänge) mit CONF2
beträgt das Dekrement beispielsweise 7.000 kg.
x Mit diesem korrigierten Gewicht wird dann in die der Konfiguration
entsprechende untere Tabelle gegangen, um das MATOW zu be-
stimmen.
x Zur Ermittlung der Geschwindigkeiten (V1, VR und V2) wird das
aktuelle Startgewicht ermittelt (nicht das PTOW oder corrected weight)
Abb. 10.54 Ausschnitt aus der Contaminated Runway Correction Tabelle, A320
Familie (© Airbus)