Die Niederschrift des Vortrags folgt dem gesprochenen Wort. Sämtliche Zitate, soweit als solche
erkennbar, wurden in Anführungszeichen gesetzt und die entsprechende Quellenangabe wenn
möglich als Fußnote hinzugefügt.
Während seiner erzwungenen Emigration hatte Heinz Kappes 1944 das Magnum Opus Sri
Aurobindo´s, das „Life Divine“ in einem Antiquariat in Jerusalem entdeckt. „Der Weg zu einem
‚göttlichen Leben auf der Erde‛ ‚zum Reich Gottes Jesu‛ wurde hier in einer überwältigenden
Schau und Sprache gewiesen. Seit dieser Zeit mußte ich geistig und praktisch im ‚Integralen Yoga‛
leben.“
Der Text ist für den Einzelnen bestimmt (oder in Kopie zur persönlichen Weitergabe an Interessier-
te) und darf nicht für kommerzielle Interessen genutzt werden.
Sri Aurobindo erzählt: „Wenn die Rishis, die Meister der Alten Zeit, sich an den Höfen der Könige
trafen, fragten sie einander nicht: „Was denkst du?“, sondern: „Was hast du erfahren, was „bist“
du?“ Wir wollen mit der Hilfe unserer Meister immer mehr zu dem „werden“, was wir unserer ewi-
gen Bestimmung nach „sind“.
Die Lebemeister, die mich immer bewußter den Weg des Christus Jesus zu gehen lehrten, waren:
im Religiösen Sozialismus: Vater und Sohn Blumhardt, sowie Leonhard Ragaz; der Quäker Geor-
ge Fox; der Meisteryogi Sri Aurobindo Ghose. Von dem letzteren sagte ein indischer Gelehrter,
Prof. Dr. Chenchriah, Madras, daß er neben Paulus und Johannes der beste Interpret der Bot-
schaft Jesu vom Reich Gottes auf Erden ist – und Pater Lassalle schrieb mir, daß Sri Aurobindo
dem Christentum am nächsten stehe.
Über den drei Teilen meines Referats stehen jeweils dieselben Worte, nur verschieden geschrie-
ben:
„I C H B I N” — „I c h B i n” — „i c h b i n”
„ICH BIN“ - „ich bin“ ist der dem Moses am „Brennenden Busch“ geoffenbarte Name des Ewigen
(2. Moses 3,14). Diese drei Aussagen sind das Mantra meiner „dynamischen Meditation“:
Das in sich ruhende unausdenkbare SEIN des Kosmos wird sich seines Selbst bewußt als der
„ICH BIN“. Er identifiziert sich mit dem „ich bin“ des menschlichen Individuums in der Liebe, im
„Nahesein“ (Gnade), und wir antworten Seinem „ziehen zu IHM hin“ (Augustinus), indem wir uns
ihm „angeloben“ (Glaube) „von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und aus
allen unseren Kräften“. Der „ICH BIN“ des Kosmos identifiziert sich mit uns in der Liebe; und wir
antworten mit der Sehnsucht unseres Wesens; auch wir dürfen uns durch unsere Liebe mit IIHM
identifizieren. Dieser Kreislauf der Liebe zwischen Gott und Mensch wird ständig realisiert, durch
den „Ich Bin“, den Gottessohn/Menschensohn, der, ewig derselbe, sich in den verschiedenen Epo-
chen der menschlichen Evolution offenbarte als der Krishna, der Buddha, als Jesus von Nazareth,
Heinz Kappes: „Sri Aurobindo´s Gottes-Erfahrung“ 3 von 11
und der als der „Herr, der, der Geist ist“, in der fundamentalen Menschheitskrise unserer Zeit be-
sonders wirkt.
„Die Geburt Gottes in die Menschheit soll zur Geburt der Menschheit in die Gottheit führen, - und
das ist nur durch die dauernde Wiedergeburt möglich. Wir sollen innerhalb unseres Lebensablaufs
durch unsere Krisen dazu kommen, ‚von Neuem geboren zu werden‛, und die Ewige Seele des
Einzelnen soll durch die Kette ihrer Reinkarnationen zu ihrem Ursprung und Ziel gelangen, und
dadurch der ganzen Menschheit zur Vollkommenheit helfen.“
„Das Tier ist ein lebendiges Laboratorium, in dem die Natur sozusagen den Menschen entwickelte.
Der Mensch muß ebenso ein denkendes lebendiges Laboratorium sein, in dem sie mit seiner be-
wußten Mitarbeit den „Übermenschen“ erschaffen, oder besser gesagt: Gott offenbaren will.“
Man versteht den Menschen erst sub specie re-incarnationis“ d.h. unter dem Gesichtspunkt der
Wiederverkörperung, sagt Christian Morgenstern. Die tiefsten Denker und Mystiker in allen Kultur-
kreisen waren dieser Überzeugung, um der Absolutheit unserer Ewigen Seele, der Relativität ihrer
Verkörperung und der Verantwortung des Menschen für die Evolution willen.
Der Christus Jesus identifiziert sich in doppelter Weise:
Mit seinem Vater im Himmel: „Ich und der Vater sind eins“. Er kann deshalb von sich sagen: „Ich
Bin“ Ewiges Leben, Liebe, Friede, Wahrheit, Weg, Weinstock – ohne Mich könnt ihr nichts tun“.
Und mit der leidenden Menschheit: „Ich Bin“ der Kranke, Hungernde, Gefangene, Arme... Wir
Menschen werden danach gerichtet werden, ob wir Ihn dort erkannt haben und ob „einer dem an-
deren zum Christus geworden ist.“(Luther)
„Darum kommt der Avatar nicht als ein wundertätiger Zauberer, sondern als der göttliche Lenker
der Menschheit und als das Vorbild für ein göttliches Menschsein. Sogar das menschliche Leiden
und die körperlichen Schmerzen muß Er auf sich nehmen und sie tragen, um zu zeigen, daß die
Leiden ein Mittel zur Erlösung werden können, wie das der Christus Jesus tat.“
Sri Aurobindo hat 30 Bände seiner Werke hinterlassen: politische Schriften: über die Kultur In-
diens, Dramen aus dem griechischen, germanischen und indischen Sagenkreis, sublimste spiri-
tuelle Lyrik; pädagogische Programme, die großen Werke über Evolution und Weltfrieden, die um-
fassende Synthese des Yoga mit fast 1000 Seiten und das noch größere dreibändige Werk “Life
Divine“. („Das Göttliche Leben“)
Sein tiefstes Werk ist die spirituelle Autobiographie „Savitri“ (Legende und Symbol) mit 24000 eng-
lischen Blankversen. Der Yoga-König durchwandert dort alle Bereiche des Bewußtseins bis in die
himmlischen Höhen und die Abgründe des Bösen, des Satanischen. Savitri ist die Tochter dieses
Königs Aswapati, das Bild weiblicher Vollkommenheit und Leidensfähigkeit. Sie darf sich ihren
Gatten selbst wählen, weiß aber, daß dieser nach einem einzigen Jahr des Glücks sterben muß.
So sind die letzten Abschnitte, die Sri Aurobindo noch kurz vor seinem Tod vollendete, das Ringen
mit dem Tod und der Sieg über ihn.
Die etwa 1000 Verse dieses Eindringens in die Welt des Satanischen habe ich mir neulich
übersetzt, in Erinnerung an meine geistige Auseinandersetzung mit den „Bösen Mächten“
(“adverse forces“), die ich von 1933 bis zu meiner Vertreibung aus Deutschland 1934 führte, und
dann in den 14 Jahren in Jerusalem, und jetzt wieder angesichts des Terrorismus und der Süchti-
gen und psychisch Leidenden, mit denen ich durch die Bewegungen der „Anonymen Alkoholiker“
und „Emotions Anonymous“ eng verbunden bin.
In einem Abschnitt über den Welt-Erlöser (“World Redeemer“) im Buch VI, Canto 2 spricht Sri Au-
robindo in fast 250 Versen von diesem stellvertretenden und überwindenden Leiden, von dem er
selbst einen großen Teil getragen hat:
„Wer die Menschheit erlösen will, muß teilhaben an ihrem Leiden...
Die Großen, die kamen, die leidende Welt zu erretten,
mußten hindurchgehen unter dem Joch von Qualen und Schmerz..
Des Himmels Schätze bringen sie; mit ihrem Leiden bezahlen sie den Preis, und sie opfern
für die Gabe des Wissens ihr Leben.
Der Sohn Gottes, geboren als des Menschen Sohn,
hat den bitteren Kelch ausgetrunken.
Heinz Kappes: „Sri Aurobindo´s Gottes-Erfahrung“ 7 von 11
Sri Aurobindo hat diese Kämpfe im Verborgenen gekämpft, und nur die Französin Mira Alfassa,
genannt ´Die Mutter`, die seit 1920 ständig im Ashram lebte und 1973 mit 95 Jahren starb, wußte
um diesen heroischen Kampf. Sri Aurobindo hat den vierfachen Auftrag, den Jesus seinen Jüngern
gab, persönlich erfüllt: „Seid das Reich Gottes, - heilt die Kranken, - treibt die Dämonen aus, - und
überwindet den Tod.“
Er hat dies alles nie aus eigener Ego-Kraft getan, sondern in der Vollmacht durch den „Ich Bin“,
der ihm im Gefängnis in Alipore als Krishna erschienen ist.
Ich hörte während meines anderthalb-jährigen Aufenthaltes in Pondicherry von Heilungen.
Ein Rumäne schildert in seinem Buch „The Lost Footsteps“1, wie ihm, dem Todeskandidaten, im
Gefängnis in Bukarest, ein ihm vorher Unbekannter, der sich Aurobindogos nannte, regelmäßig
erschien und ihn vom Selbstmord abhielt bis er entkommen konnte. Einer meiner Freunde hat ihn
später in London besucht und den ausführlichen Bericht über diese Transaktion mitgenommen,
den ich im Ashram las. – Gegen Hitler hat er literarisch, z. B. in einem großen Gedicht Herbst 1939
„The Dwarf Napoleon“ dessen Weg der Weltzerstörung und zuletzt seinen Untergang beschrieben
„bis ihn ein größerer Dämon trifft, als er selbst ist, oder ein Donnerschlag von Gott“. Und er erzählt
auch sehr zurückhaltend von seinem Eingreifen in den Zweiten Weltkrieg.
„Es gehört zur Erfahrung derer, die eine hohe Stufe in ihrer Yoga-Realisation erreicht haben,
das es außer den gewöhnlichen Kräften und Betätigungen des Mentals, Vitals und Körperli-
chen in der Materie auch noch andere Kräfte und Mächte gibt, die einwirken können und es
auch tatsächlich tun, und zwar aus den Bereichen hinter und über dem Materiellen. Es gibt
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Silviu Graciunas T-0067
Heinz Kappes: „Sri Aurobindo´s Gottes-Erfahrung“ 8 von 11
auch eine spirituelle dynamische Macht, über welche die Menschen verfügen, die im spirituel-
len Bewußtsein fortgeschritten sind.“
In der Erkenntnis, daß hinter Hitler und dem Nazismus finstere dämonische Kräfte stehen, hat sich
Sri Aurobindo öffentlich für die Stafford-Cripps-Mission eingesetzt, und mit der spirituellen Kraft bei
Dünkirchen und Stalingrad gegen Hitler und gegen die Japaner gewirkt,
„...und er hatte keinen Grund dazu, mit den Ergebnissen unzufrieden zu sein oder die Not-
wendigkeit zu irgend einer andersartigen Aktion zu fühlen.“
Vielleicht interessieren noch zwei Bemerkungen Sri Aurobindo’s:
Auf die Frage, ob er einen Zusammenhang zwischen dem Datum seiner Geburt am 15. August,
und der „Assumptio Mariae“ sehe: „Das bedeutet die Divinisierung der Materie“.
Und zur Eucharistie:
Jesus sagt, als er seinen Jüngern das Brot brach und den Wein gab: „dies ist mein Leib – dies ist
mein Blut“. Wie offenkundig ist die Bedeutung für das östliche Verstehen! Das Plasma der Materie,
die „Nahrungshülle des Universums“, wozu Brot und Wein gehören, wird hier dargestellt als Blut
und Leib Gottes!
So wird das große ursprüngliche Opfer symbolisiert, durch das Gott Sich selbst kreuzigte, damit
die Welt existieren könne. Das Unendliche mußte zum Endlichen werden, das Unbedingte mußte
sich in das Bedingte hineingeben, der Geist in die Materie, damit diese evolvieren kann. In dem
Brot und in dem Wein, die der Kommunikant ißt, ist Gott tatsächlich da! Aber Er wird für unser Be-
wußtsein nur präsent durch einen Akt des Glaubens. Eine Upanishad sagt: „Wir müssen Gott erst
realisieren als der ‚ER IST‛, bevor wir Ihn in seinem Wesenhaften realisieren können. Wie kann
jemand, der nicht an Gott glaubt, Ihn dort realisieren, wo Er Wohnung genommen hat?“
„So offenbart sich Gott dir nicht nur als das a-personale Sein, sondern als das personale
Göttliche Wesen und Werden in seiner Doppelgestalt als Herr (‚Ishvara‛) und Schöpferische
Natur (‚Shakti‛), als Vater und Mutter.“
Dies “surrender“, Sich-überantworten, ist eine harte Arbeit. Alle Stützen dieser Meditation, dieser
„Er-Innerung“, die das Ich an Mantras, Vorstellungen, religiösen Gefühlen haben kann, fallen weg.
Wichtig ist die vorausgehende völlige Entspannung, vor allem auch das Gähnen, das den
Chemismus des Systems harmonisiert. Die Körperhaltung soll diesem Ziel der Leere dienen. Ich
sitze entweder im Lotussitz, die Hände vor der Brust zusammengelegt, oder mit zusammengeleg-
ten Fußsohlen, da ich so, wie auf einem Schaltbrett, die zwischen den Zentren der Struktur verlau-
fenden absteigenden (Yang) und aufsteigenden (Yin) Kraft- und Licht-Ströme bewußt registrieren
kann.
Aus der Ruhe kommt unser Körper, das Vital mit allen seinen Antriebskräften, das Mental mit dem
Denkprozeß, den Gefühlen, dem Willen... in die Stille und von da, wenn jede Reflexion ausge-
schaltet ist, in die „harmonische Ausgeglichenheit“ (“equality“) des Friedens.
So tritt der Repräsentant unserer Ewigen Seele in dieser Inkarnation, unser psychisches Wesen,
mit seinem Mittelpunkt des Selbst aus seiner Verborgenheit hervor, aus der es bisher unser
Schicksal lenkte. Sein Sitz ist das spirituelle Herzchakra. Dieser „verborgene Mensch des Her-
zens“ hat, wie aus dem bekannten Symbolbild ersichtlich, drei obere und drei untere Zentren: sie
werden durch die Dynamik des im Selbst einleuchtenden Göttlichen Geistes bi-polar miteinander in
Verbindung gebracht. Das oberste Zentrum über dem Haupt, der „tausendblättrige Lotus“ ist der
Ort der Einleuchtung des Überbewußten, Überrationalen, mit den Göttlichen Kräften. Dieser Licht-
und Kraftstrom verläuft durch alle Zentren hindurch abwärts bis zum Sakralzentrum am Ende des
Rückgrats, dem „Tor“ zum Unterbewußten, und zugleich Sitz der ‚Kundalini‛, der involvierten
Höchsten Natur. Wenn Glaube und Hingabe an Gott Motivkraft dieses Yoga sind, frei von ichhaften
Wünschen, steigt im Yin-Strom ein so großes Quantum dieser Energien durch die Zentren hin-
durch empor, und wird „am richtigen Ort“ positiv überbewußt verwendet, daß keine Gefahr besteht.
Nur wenn sich der Egoismus einmischt mit dem Begehren, aus dieser Kraft, persönliche Macht zu
gewinnen, können die „Sicherungen durchschlagen“ und große, manchmal unheilbare Schäden
entstehen.
Das nächste Paar ist das Stirnzentrum (das „Dritte Auge“) als Sitz von Bewußtsein, Intuition, Wille,
Liebe –, und das zweitunterste Zentrum aller vitalen Kräfte, Sexus, Machtwille, Geltungstrieb, Ge-
nußgier, also Egoismus im engeren Sinn. Diese Energien sind wert-neutral, wenn sie in der auf-
steigenden Bewegung in das Stirnzentrum gelenkt und dort zur Regeneration verwendet werden.
Hier haben wir den „Programmierer“ für unseren mentalen „Computer“ (Vernunft, Wille, Bewußt-
sein, Gefühle), da hier in diesem Zentrum vor allem (wie auch über dem Haupt) das Innere, spiri-
tuelle ‛Licht erfahren wird.
Das Halszentrum steht in Verbindung mit den Hormonzentren und den Sinneszentren. Hier ist der
obere Pol für alles, was das entsprechende untere Zentrum (Sonnengeflecht) mit den Stoffwech-
selvorgängen lenkt und so unserer körperlichen Existenz Lebenskraft verleiht.
Im spirituellen Herzzentrum ist das Doppeldreieck (das Symbol Sri Aurobindo´s), dessen oberes
Kraftfeld ‚Prana‛ mit dem Atemkreislauf, das untere der Blutkreislauf ist, also Ursprung und Ende
unseres verkörperten Lebens. Sri Aurobindo verwendete das geläuterte ‚Tantra‛, weil diese tägli-
che Disziplin zur Weiterentwicklung unseres psychosomatischen Apparates unentbehrlich ist. Un-
ser Körper ist noch lange nicht fähig, die supramentalen Energien zu realisieren. Bis in das Zell-
Bewußtsein hinab muß der Geist bewußt werden, und es mag noch Jahrhunderte dauern, bis das
für eine genügende Anzahl von Menschen möglich ist. Jedenfalls „sollen wir aus jeder Meditation
stärker hervorgehen, als wir hineingegangen sind.“
Diese „dynamische Meditation“ ist kein Selbst-Zweck. Sie ist die Leiter, auf der wir zu immer höhe-
ren Bewußtseins-Frequenzen emporsteigen, um die dort gewonnenen Kräfte herunterzubringen
zur Transformation der Menschheit. So werden wir „Werkzeug“, „Instrument“, „Kanal“ für die Kräfte
des Geistes zur Entfaltung des Reich Gottes auf der Erde; wir werden Mitarbeiter Gottes im Sinn
des bekannten Gebetes des Heiligen Franziskus.
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Für mich ist in dem Christus Jesus, der als der „Ich Bin“ in mir gegenwärtig ist, das Höchste Be-
wußtsein von ‚Sat‛ ‚Chit‛ ‚Ananda‛ und seine Instrumentation im Supramental eine geahnte Wirk-
lichkeit. Sri Aurobindo hat die psychologischen Stufen dorthin vorgelebt.
Wenn der Übergang aus dem Ich-Bewußtsein in das Bewußtsein des Selbst erfolgt ist, kommen
wir in das „HÖHERE MENTAL“. Das für unsere Weltkrise fundamental wichtige Bewußtsein be-
steht darin, daß wir alle Gegensätzlichkeiten von der über ihnen liegenden „Einheit“ her als Pol und
Gegenpol nicht nur erkennen, sondern auch verwirklichen! Keine für das Ego-Mental bestehende
Dualität ist davon ausgenommen: von der Animus-Anima-Polarität in den Krisen zwischen Mann
und Frau bis hin zu der prinzipiellen Einheit der Supermächte in ihrer Verantwortung für das Leben
der Menschheit. Auf dieser Bewußtseinsstufe wird alles Denken und Empfinden neu dynamisch
programmiert. Die Seele des Mannes, die durch die Überentwicklung der Ratio verkümmert ist,
wird durch die Seelenkraft der spirituellen Frau entwickelt.
Das „ERLEUCHTETE MENTAL“ bringt uns in der Erfahrung der Licht- und Kraft-Ströme zur Aus-
wirkung dieser spirituellen Seelenkräfte auf unsere Organe, Gehirn, Nerven, Zellen, und über den
Körper hinaus auf unser Wirken und unsere Umwelt. Wir erkennen Krankheiten und andere Notsi-
tuationen als die Krisen, die zu einem neuen „Stirb und Werde“ drängen. Vor allem das wider-
spenstige Ego-Begehren wird durch das „Feuer“ des Opfers ins Schöpferische gewandelt. Das
abstrakte Denken in den Ideologien, Idealismen, religiösen Utopien, moralischen Pharisärismus
wird in das „Vernehmen“ dessen gewandelt, was „einleuchtet“.
Im „INTUITIVE MENTAL“ wird diese Lichtkraft aktiv in der „Seelen-Heil-Praxis den Leidenden und
Suchenden gegenüber, die Er uns zuweist. Aus dieser Intuition wirken die großen Heiler und Er-
zieher, die Helfer der Menschheit, die dabei den Kampf gegen die “adverse forces“, die dämoni-
schen Mächte, auf sich nehmen und den Sieg des Christus (Avatars) über diese vollziehen. Aus
dieser Erleuchtung reden die begnadeten Verkünder, die „sind“, was sie sagen, und wirken die
Dichter und Künstler mit jedem Ausdrucksmittel, das die hinter allem Äußerlichen verborgene
Wahrheit und Schönheit offenbart. Und dazu gehören die charismatischen Politiker und Gesetzge-
ber, die, die Menschheit in ihrer schwerfälligen Evolution lenken – die Menschen, die sich opfern,
damit die anderen leben. Aber gerade in diesen Bereich des Intuitiven mischen sich die Dämonen
ein und wirken als die großen Verführer, die Rasputins und Hitler, Khomeinis und Maheshs u.a.
Die obere Grenze des Mentals bildet das „ÜBERMENTAL“, das Kosmische Bewußtsein.
Sri Aurobindo erfuhr diese Erleuchtung am 24. November 1926 und zog sich dann von den Kon-
takten mit der Außenwelt zurück, um in der Vollendung seiner Werke, in der Einwirkung auf die
Weltkräfte, vor allem in der Vollendung von „Savitri“ und in den zahllosen Briefen, durch die er sei-
ne Schüler geistig führte, sein Meisterwerk zu vollenden.
„Durch die Übermental-Schau und die Übermental-Dynamik tritt an die Stelle des zentrieren-
den Ich-Sinnes eine weite kosmische Erfahrung und das Gefühl eines grenzenlosen kosmi-
schen Selbst. Aus dieser Geeintheit mit den Selbsten der Menschen, mit dem Innersten in
Tieren und Pflanzen, mit den Bewegungskräften der materiellen Natur, treten Kräfte und Fä-
higkeiten hervor, die als „Wunder“ erscheinen. Aber „Wunder wirken zu wollen“ wäre eine
dämonische Egoverführung! Gerade in dieser Bewußtseins-Frequenz vollendet sich die
Transformation, die dem kommenden Christus/Avatar das menschliche Instrument zur Vol-
lendung des „Göttlichen Lebens auf Erden“ (Life Divine), des „Reich Gottes unter den Men-
schen, durch die Menschen, für die Menschen“ zur Verfügung stellt.“
„Dieser Yoga erstrebt nicht die individuelle Vergöttlichung, sondern die Vollkommenheit der
Menschheit!“
Darum kann ich die Kräfte des Göttlichen nur behalten, wenn ich sie weitergebe. Darum identifi-
ziert sich der Christus Jesus mit den Menschen, die ganz unten, verachtet, am meisten leiden,
eben mit „der schlechten Gesellschaft“. (Adolf Holl)
Heinz Kappes: „Sri Aurobindo´s Gottes-Erfahrung“ 11 von 11
Hier ist die Grenze zum Übergang in die „obere Hemisphäre“ des Bewußtseins, in das SUPRA-
MENTAL erreicht. Mit der großen Schwierigkeit ringend, Erfahrungen auszudrücken, die jenseits
der Begriffe unserer rationalen Sprache liegen, stellt Sri Aurobindo in Hunderten von Seiten, vor
allem im „Göttlichen Leben“ und in der „Synthese des Yoga“ die Wirklichkeit dieses Wahrheits-
Bewußtseins dar. Es ist heute in der unerhörten Krise der Menschheit aktuell geworden und be-
drängt uns. Es steht hinter dem dargestellten Aufstieg des Bewußtseins. Die Grenzen unserer Sin-
ne werden im Zentral-Sinn überwunden: Translokation, Ubiquität, „Erinnerung an die Zukunft“, un-
mittelbare Einsicht in die supranationale Wahrheit. Das sind Andeutungen für dieses, unsere weite-
re Entwicklung bestimmende Bewußtsein. Vielleicht „weiß nur der Wissende“, der mit Intuition und
offener Seele diese Erfahrungen liest, was für eine ungeheure Welt des gegenwärtigen und zu-
gleich zukünftigen „Reich Gottes“ über einer fast verzweifelnden Menschheit als Hoffnung auf-
leuchtet.
Für mich ist der gegenwärtige Herr, der auferstandene Christus Jesus, der „der Geist ist“, also
mein „Ich-Bin“ der Offenbarer dieser Welt, in die mich Sri Aurobindo, und mit ihm ´Die Mutter`,
Mirra Alfassa, immer neu einführt.
Sri Aurobindo betont, daß er kein Religionsstifter, kein Philosoph ist. Und gewiß darf man nicht die
Verwirklichung dessen, was ein „Lebemeister“ für uns errungen hat, durch die Flucht in emotionale
oder kultische Verehrung ersetzen!
Horchen wir auf seine Mahnung: “be“ and “do“! (Sei es und handle danach!)
So einfach ist das alles, weil „die Liebe Gottes ausgegossen ist in unser Herz durch den Heiligen
Geist“.