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VÖLKERWANDERUNG
S c h lu c h z e r u n te r b r e c h e n d ie W o r te
b e im D ik tie r e n . E ro b e rt
ist d ie S ta d t, d ie d en g a n z e n
E rd k re is e r o b e r t hat.«
Herzlich Ihr
/ '
A U F B R U C H Die ersten gotischen B R IT A N N IE N Nach 400 ziehen die Römer im Chaos der Völkerwanderung ihre Legionen
Krieger kommen als Flüchtlinge: von der Insel ab und überlassen die dortigen Provinzen ihrem Schicksal. Angelsächsische
Sie retten sich vor den Hunnen ins Invasoren (oben ein Fürstenhelm) nutzen das M achtvakuum : In blutigen W irren dehnen sie
römische Imperium. ihr Herrschaftsgebiet im m er w eiter aus - und führen Britannien zu neuem Glanz.
K A M P F Vergebens versucht Rom. seine A L E M A N N E N Nicht alle Teile Europas S C H M A C H Das Reich wankt, die Stadt
Grenzen zu verteidigen: Germanische erschüttert die Völkerwanderung: A u f der Rom aber gilt als unbezwingbar. Bis ein
Krieger fügen dem Reich Niederlagen zu, Schwäbischen Alb lebt ein Fürst unbehelligt Gotenkönig die Metropole überfällt, ihre
die es an den Rand seiner Existenz bringen. von den Umstürzen seiner Zeit. Tempel plündert und Geiseln nimmt.
Z E IT E N W E N D E D A S E N D E D E R A N T IK E UM 4 5 0 A T T IL A
Die Ara der Völkerwanderung ist eine Zeit gewaltiger Umbrüche: M it der Vertreibung der G oten durch die Hunnen hat die Völker
Germanen bestürmen das geschwächte römische Weltreich - und wanderung im Jahr 376 begonnen. U nter König A ttila dringen die
werden schließlich zu dessen Erben 6 Steppenkäm pfer schließlich tie f in den Westen Europas vor 86
3 7 6 - 5 6 8 N. CHR. S T U R M Ü B E R E U R O P A M Y T H O S D A S N IB E L U N G E N L IE D
Viele Jahrhunderte lang ist Rom das mächtigste Imperium Wie keine andere deutsche Sage kündet das im Mittelalter
seiner Zeit. Doch dann bricht eine beispiellose Katastrophe entstandene Epos von zentralen Ereignissen und Herrschern
über seine Zivilisation herein 8 der Völkerwanderungszeit 101
376 V O L K A U F D E R F L U C H T 4 0 0 - 6 0 0 Z E IT D E R F IN S T E R N IS
Von Hunnen bedrängt, suchen Zehntausende Goten Schutz im Warum bricht die römische Zivilisation in Britannien zusammen?
Imperium. Bald kommt es aber zum Streit m it Rom - und zu einer Und wie gelangen die Angelsachsen an die Macht? Noch immer
Schlacht, die für das Reich verheerende Folgen haben wird 28 suchen Forscher nach Antworten auf diese Fragen 104
4 1 0 T R IU M P H D E R B A R B A R E N 5 6 8 -7 7 4 DER Z U G DER L A N G O B A R D E N
Treu hat der Germanenkönig Alarich dem Imperium als Heer 200 Jahre nach dem Beginn der Völkerwanderung erscheint noch
führer gedient. Dann aber fühlt er sich betrogen und zieht gegen einmal ein germanischer Stamm südlich der Alpen: Die aus Ungarn
Rom: Die Ewige Stadt fällt in die Hände der Westgoten 42 kommenden „Langbärte" erobern große Teile Italiens 116
2 9 1 -5 1 1 D E R A U F S T IE G D E R F R A N K E N 4 9 3 D A S ERBE R O M S
Nach dem Ende des Weströmischen Reiches ringen Warlords um Klanglos geht das Weströmische Reich unter. Zwei Männer ringen
die Macht in Gallien. Bis sich der Merowinger Chlodwig durchsetzt anschließend um die Nachfolge seiner Herrscher: der Skire
und die Franken um 500 zur europäischen Großmacht macht 58 Odoaker und der Ostgote Theoderich ....................................... 118
UM 4 5 0 A L L T A G A U F D E R S C H W Ä B IS C H E N A L B 6 0 0 - 8 0 0 D IE U N R U H E N A C H D E M S T U R M
Der Sitz eines Alemannenfürsten liefert unschätzbare Einsichten M it der Völkerwanderung ist Europa ins Chaos gestürzt, erlebt
in das Leben, die Riten und die Bräuche der Germanen - fernab Rückschritt und Zerstörung. Eine neue O rdnung entsteht erst, als
der Wirren der Völkerwanderung 60 sich der Franke Karl der G roße 800 zum Kaiser krönen lässt 142
4 0 7 - 5 3 4 D A S R E IC H D E R B U R G U N D E R V O R SC H AU
Aus ihrer Heimat an der Oder gelangen die Burgunder bis in die G EO EPO CHE K O LLE K TIO N „Das M ittelalter“ 160
heutige Schweiz, übernehmen die Kultur Roms - und fühlen sich G EO EPO CHE „Europa nach dem Zweiten Weltkrieg“ 164
noch nach dem Fall des Imperiums als dessen Untertanen 84 G E O EPOCHE P A N O R A M A „Hamburg“ ............................ 165
ie Völkerwanderung ist eine brechen auf und verlassen ihre Heimat und gieren nach Beute, die es in den
an den Karpaten aufgeben: Ist mögli durch Nordafrika, wo sie 439 Karthago Kraft, sich diesen Angreifern zu wider
cherweise auch zu ihnen die Nachricht erobern. Später greifen sie auch Rom an. setzen.
vom Hunnensturm gedrungen, vor dem Die Vandalen sind nach den Goten D er Zug der Langobarden nach
sic sich nun vorsorglich in Sicherheit bereits der zweite Germanenstamm, Italien im Jahr 568 ist die letzte Wande
bringen wollen? der die Ewige Stadt plündert; längst rung auf dem Territorium des einstigen
hat die Agonie im Wes
ten des seit 395 endgültig
.W
geteilten Imperiums be
A n ge l
gonnen. Und es wird ein s achse n
Heerführer germanischer
Abstammung sein, der Franken
reich
476 den letzten weströmi
schen Kaiser kurzerhand
absetzt (während das un W estgoten- vkz
Langobarden-« O s t r ö m i s c h e s Reich
gleich stabilere Oströmi reich
sche Reich noch weitere
977 Jahre bestehen wird).
Oder die Langobar
den: eine germanische
Gruppe, die zu Beginn
der christlichen Zeitrech
Während der Völkerwanderung von 376 nung am Unterlauf der A m Ende der Völkerwanderung 568 sind
bis 568 n. Chr. verlassen etliche germanische Elbe siedelt, dann wohl auf dem G ebiet des einstigen Weströmischen
Volksgruppen ihre H eim at östlich von Elbe, im Lauf der folgenden Reiches neue Staaten entstanden: die K önig
Rhein und Donau, um im Römischen Reich eine Jahrhunderte immer wei reiche der W estgoten in Spanien, der Franken in
Z u ku n ft zu finden - zur N o t m it G ewalt ter nach Südosten zieht. Frankreich und der Langobarden in Italien
Im 6. Jahrhundert
tauchen die Langobarden
Jedenfalls begeben sie sich auf eine - inzwischen eine Gruppe von etwa Imperium Romanum. Die Karte Europas
der erstaunlichsten Wanderungen, die 100 000 Menschen, unter denen sich ist neu gezeichnet worden.
es je gegeben hat: Wenige Jahre nach auch Bulgaren sowie Sachsen und Gepi- Dort, wo früher römische Kaiser
dem Aufbruch überqueren die Vandalen den (aus dem heutigen Ungarn) befin herrschten, gebieten nun die Nachfahren
gemeinsam mit verbündeten Stämmen den - in Italien auf. der germanischen Eindringlinge. Sie sind
den Rhein, marschieren über Tausende Und nach dem Ende des Weströ die Erben der Cäsaren, f
Kilometer durch Gallien, die Iberische mischen Reiches und den endlosen Krie
Halbinsel und - nachdem sie die Straße gen und Verwüstungen hat keine Macht D r. F rank O tto ,/g . 1967, ist der Geschäfts
von G ibraltar überwunden haben - auf der Apenninen-Halbinsel mehr die führende Redakteur von G E O EPO CH E.
in d e n S t e p p e n A s i e n s . V o n d o r t b r e c h e n die
H u n n e n n a c h 3 70 zu e i n e m d r a m a t i s c h e n E r o b e r u n g s z u g
d u r c h E u r o p a auf. I h r e M a c h t v e r g e h t z w a r b i n n e n
I m J a h r 376 e r l a u b t R o m d e n v o r d e n H u n n e n g e f l o h e n e n G o t e n , d ie
D o n a u zu ü b e r q u e r e n u n d i m R e ic h zu s i e d e l n . D o c h s c h o n b a l d k o m m t
es z u m S t r e i t ; d i e F r e m d e n b e s i e g e n d i e T r u p p e n des I m p e r i u m s u n d
D i e g e w a l t i g e n V e r b ä n d e aus K r i e g e r n
u n d F r a u e n , G r e i s e n u n d K i n d e r n , d i e im
5. J a h r h u n d e r t das I m p e r i u m d u r c h
s t r e i f e n , w o l l e n das R e ic h n i c h t z e r s t ö r e n .
e i n e m P l a t z in d e r r ö m i s c h e n G e s e l l s c h a f t ,
K a is e r , d i e w i e alle R ö m e r d ie F r e m d e n als
» B a r b a r e n « s c h m ä h e n , s i n d nie h t in d e r
L a g e , sie f r i e d l i c h zu i n t e g r i e r e n
des I m p e r i u m s k o n f r o n t i e r t w e r d e n ,
d e s t o s t ä r k e r f a s z i n i e r t sie a u c h das
C h r i s t e n t u m . S c h l i e ß l i c h b e k e n n e n sich
g a n z e S t a m m e s v e r b ä n d e - e t w a d ie
W e s tg o te n , B u rg u n d e r o d e r Franken -
z u m k a t h o l i s c h e n G l a u b e n . U n d so f e i e r n
d i e R ö m e r d o c h n o c h e i n e n S ie g : A n d e r s
als i h r W e l t r e i c h w i r d i h r e R e l i g i o n die
Es i s t e i n e K a t a s t r o p h e , d i e e i n e m W e l t u n t e r g a n g
g l e i c h t : I m A u g u s t 410 p l ü n d e r n d ie W e s t g o t e n u n t e r i h r e m
K ö n i g A l a r i c h d ie b e d e u t e n d s t e M e t r o p o l e des I m p e r i u m
e in f e i n d l i c h e s H e e r in R o m e in . Ein M e n s c h e n a l t e r
s p ä t e r w i r d das K a i s e r t u m im W e s t e n g a n z v e r s c h w i n d e n
u n d ein G e r m a n e in I t a l i e n h e r r s c h e n
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g r ü n d e n d i e g e r m a n i s c h e n I n v a s o r e n n ac h u n d
n a c h e i g e n e R e i c h e : D i e W e s t g o t e n lassen
sich in S p a n i e n n i e d e r , d i e V a n d a l e n u n t e r w e r f e n
N o r d a f r i k a , u n d d i e F r a n k e n m a c h e n sich
n u r d e n K ö n i g s t i t e l - d e n n o c h e i f e r n sie d e m
P o m p u n d d e r P r a c h t d e r K a i s e r n ac h
d ie E r o b e r e r w e n i g , d e n n o c h s i n d i h r e R e i c h e ü b e r r a s c h e n d
d ie n e u e n H e r r e n s t ü t z e n sich a u f e i n e e t a b l i e r t e M a c h t : d ie
G e l e h r t e n k ö n n e n sie e r f o l g r e i c h r e g i e r e n
A ls Z eichen ih re r F rö m m ig k e it und
D e m u t s tifte n die w e stg o tisch e n K ö n ig e der
ka th o lisch e n K irch e e tlic h e W e ih e kro n e n
w ie diese. A n g o ld e n e n K e tte n w erden die
p ru n k v o lle n S chm uckstücke über dem
A lta r a u fg e h ä n g t; bisw eilen ve rb e rg e n sich
in ihnen auch kostbare R eliquien, etwa
K n o c h e n s p litte r c h ris tlic h e r H e ilig e r
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e i n e s H e e r f ü h r e r s in r ö m i s c h e n D i e n s t e n , e r o b e r n sie
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R e ic h e s e r w ä c h s t n u n e in e n e u e W e l t , d ie f a s t 1 0 0 0 J a h r e
a u e r n wi
Im Jahr 376 n. Chr. übertreten auf dem Balkan Zehntausende Männer, Frauen und
Kinder die Grenze zum Imperium Romanum. Es sind Goten auf der Flucht vor hunni
schen Kriegern - und dies ist der Beginn der Völkerwanderung. Zwar nimmt der
oströmische Kaiser einen Teil der Ankömmlinge auf. Doch als sie gedemütigt werden,
hungern und frieren, greifen sie zu den Waffen. Schließlich ziehen die Goten
gegen die Römer in den Krieg -------- Text: reymer klüver; Illustrationen: timo zett
Goten
stoppen, die wenige Jahre zuvor
nördlich des Schwarzen Meeres
WAS WOLLEN mächtige Flotte den Strom bewa
chen. Dennoch greifen die Goten
begonnen hat. das Imperium an. Daraufhin führt
Die Schlacht in Thrakien ist DIE REITERKRIEGER Valens 367 eine Strafexpedition ge
der mörderische Auftakt zu einem gen die unbotmäßigen Goten an.
Ringen, das Europa von Grund Einen entscheidenden Sieg
auf verändern wird. Denn die G o AUS DER STEPPE? kann er zwar nicht erringen. Aber
ten werden nicht die Einzigen die militärisch unterlegenen Bar
bleiben, die aus ihrer Heimat jen baren unterzeichnen einen weite
seits der Grenzen des römischen ren Friedensvertrag. Das Überein
Imperiums aufbrechen, weil noch kommen soll das Nebeneinander
kriegerischere Scharen sie bedrängen, ausgewandert sind, ist nicht bekannt. neu regeln. Die Römer lassen die Goten
Hunger sie dazu zwingt oder der Wohl Überliefert aber ist, dass sie bereits um fortan in Ruhe, und die respektieren da
stand des Imperiums sie anlockt. das Jahr 250 zu Raubzügen ins Römische für die Donau als Grenze. Jährliche Zah
Reich aufbrechcn. Sic überfallen Städte lungen der Römer gibt es nun nicht mehr
an den Schwarzmeerküsten, plündern in und der Handel wird eingeschränkt.
* D e r bis heute g e b rä u ch lich e E p o c h e n b e g riff „Völker Thrakien und wagen sich mit Booten in Doch der Pakt ist bald hinfällig.
w a n d e ru n g “ w u rd e im 19. J a h rh u n d e rt in D e u tsch la n d
die Ägäis vor. Erst nach mehreren römi Nicht weil ihn Römer oder Goten bre
g e p rä g t, als H isto rike r noch davon ausgingen, dass vom
schen Angriffen stellen sie um 270 ihre chen. Sondern weil ein rätselhaftes Kric-
späten 4. J a h rh u n d e rt an ganze V ö lke r ihre U rh e im a t
verlassen h ä tte n , geschlossen in u n d durch das R ö m i
Vorstöße ein. gervolk aus den Weiten Asiens alle Ab
sche Reich g e w a n d e rt w ären. Tatsächlich a b e r h a n In den folgenden Jahrzehnten sprachen zunichte macht: die Hunnen.
d e lte es sich in den m eisten Fällen n ic h t um ethnisch spalten sich die Goten wohl infolge der Keiner weiß genau, woher die Rei
h o m o g e n e V ölkerscharen, son de rn um a llm ä h lich an Niederlage gegen die Römer in zwei terhorden stammen, die um das Jahr 375
w achsende G e m e in sch a fte n von K rie g e rn u n d deren große Gruppen. Die Greutungen („Be plündernd und mordend in das Land der
A n g e h ö rig e n , denen sich nach u n d nach ganz u n te r
wohner der Steppen“) leben fortan unter Goten einfallen. Wahrscheinlich kom
schie dliche M en sche n anschlossen - A n g e h ö rig e an
d e re r S täm m e, rö m isch e A b e n te u re r und Sklaven. Eine
der Führung eines Königs in den weiten men die Hunnen aus der zentralasiati
gem einsam e Id e n titä t - e tw a als W e s tg o te n - e n t
Ebenen zwischen Dnjestr und Don in schen Steppe.
w icke lte n diese Scharen m e ist erst, na ch d e m sie auf der heutigen Ukraine und Südrussland. Was sic nun mehr als 3500 Kilome
rö m isch e m B oden eigene Reiche g e g rü n d e t hatten. Sie sind ein Reitervolk und ziehen als ter nach Westen getrieben haben könnte,
Goten
meist nicht in einem zusammenhängen Staatseinnahmen - und neue Rekruten. bewachten Straßenkreuzungen und Brü
den Siedlungsgebiet, sondern in kleinen Und immer waren Kampftruppen cken. Das wird sich als fatal erweisen.
Gruppen auf schmalen Parzellen, weit an den Grenzpunkten stationiert, um die Im frühen Herbst richten die Rö
verteilt im Imperium. Die Stammesver Neuankömmlinge gegebenenfalls zu ent mer endlich einen Fährdienst ein. Alles
In dieser Situation lädt der römi marschiert auf das Gotenlager - gerade Südosten des Balkans, räumen Speicher o
sche Statthalter Alaviv, Fritigern und zu ins Verderben. und Lagerräume, brennen G üter und ~
einige ihrer Gefolgsleute zu einem Mahl Fritigerns Kämpfer schlagen die Siedlungen nieder.
ein. Doch die Einladung ist eine Falle. Legionäre vernichtend und erbeuten die Sie erschlagen Männer und Kinder,
die Frauen schleppen sie als leben
de Kriegstrophäen in ihrem Tross
Schon früher haben sich Römer mit sich. Jungen im wehrfähigen
einer List wie dieser bedient. H a Alter pressen sie in den Dienst.
ben die Anführer ihrer Gegner Verkohlte Balken und Leichen
umgarnt, Gastfreundschaft vorge AUS DEM NICHTS markieren den Weg der Goten.
täuscht und ihren Besuch einfach Die römischen Provinzbeam
entführt oder gar ermordet. Bei
dem Mahl mit den Goten erschla
STÖSST DIE ten geraten in Panik. Aus den
Bittstellern jenseits der Donau
gen Soldaten des Statthalters die sind auf einmal gefährliche Inva
Begleiter der Anführer und wohl KAVA L L ERI E VOR soren geworden. Eilends versuchen
auch Alaviv. Fritigern aber gelingt sie noch, eine gotische Truppen
mit knapper Not die Flucht. formation, die aus schon vor län
Die Terwingen sind von den gerer Zeit rekrutierten Terwingen
Römern ausgebeutet, missachtet besteht und die über den W inter
und nun auch noch verraten worden. römischen Waffen. Neben dem Statthal in Adrianopel stationiert ist, nach Klein
Jetzt werden sie sich wehren. Schon am ter können nur wenige Römer entkom asien zu verlegen. Doch die Soldaten
Morgen nach dem Gastmahl kommt es men. Das Imperium hat nun kein beweg meutern, als sie überstürzt und ohne aus
unter der Führung Fritigerns zu einem liches Heer mehr in der Region, das sich reichend Proviant aufbrechen sollen, und
Aufstand im Gotenlager, keine 15 Kilo den Goten entgegenstellen könnte. laufen zu ihren Stammesbrüdern über.
meter vor Marcianopolis. Aufgebrachte Jetzt rächen sich die Terwingen für Alle befestigten Garnisonen und
Terwingen überwältigen die Wachmann die schlechte Behandlung an der Grenze. Städte lassen die Goten auf Weisung
schaften, plündern die Güter der Um Sklaven und thrakische Bergarbeiter aus Fritigerns in Ruhe - denn sie wissen
gebung. Der Statthalter zieht nun alle den Erzgruben schließen sich ihnen an. nicht, wie man Städte belagert und er
verfügbaren Soldaten zusammen und Plündernd ziehen die Goten durch den stürmt. Abgesehen davon aber befindet
Goten
P lü n d e ru n g sz u g d e r W estgoten im
R öm ischen Reich, u n te rstü tz t von O stgoten
W estg o ten zu g n a c h 380 575 H unn en üb erfälle
O stg o ten zu g n a c h 380
Pannonien
380
verm utliches
377 Z usa m m e n
N ach 582 schluss d e r G o te n
Friedensschluss 576
D o na u-
querung
Ad Salices
5 8 0 O s tg o te n trennen
sich von W estgoten
Naissus Marcianopolis
Thrakien
r • Kabyle
378 S chlacht b e i A d ria n o p e l
Konstantinopel
Thessaloniki Pontus
Makedonien
Asiana <5uellen: Großer Historischer Weltatlas, BSV; Heather, P.. Der ntergang
des Römischen Weltreichs, Klott-Ootta, u.a.
Als erster G otenstam m ziehen - m it Einwilligung des oströmischen Kaisers - die Terwingen (oder W estgoten)
unter ihrem A n fü h re r Fritigern auf der Flucht vor den Hunnen 376 über die Donau. Als es auf dem römischen Territorium
nach Versorgungsschwierigkeiten und einer Intrige zum K am pf zwischen Terwingen und Römern kom m t, überstehen
die A nköm m linge zwei Schlachten und verbünden sich anschließend m it den G reutungen (oder O stgoten), die inzwischen
ebenfalls ins Reich eingedrungen sind. Nach der siegreichen Schlacht von A drianopel ziehen die G oten gemeinsam
plündernd durch Thrakien und das heutige Serbien. 380 trennen sie sich wieder. Die G reutungen einigen sich m it dem
Imperium und dürfen sich im heutigen Ungarn niederlassen, die Terwingen ziehen noch bis 382 durch Makedonien,
Thessalien und Thrakien. Schließlich erhalten auch sie südlich der Donau ein Siedlungsgebiet. D ort
behalten sie ihre eigenen A n fü h re r - wohl auch eine Folge ihrer militärischen Stärke
Es ist ein schrecklicher Totentanz. Doch es ist zu spät. Mit Schwertern Furcht der Soldaten angesichts der über
Fritigern beobachtet wohl von seiner und Streitäxten stürzen sich die Goten, sie gekommenen wilden Horden, die Re
Wagenburg aus, wie die zuvor so un die Brust durch Panzer geschützt, auf die servetruppen sind längst geflohen.
durchdringlich scheinende Phalanx der Fliehenden. Auch Valens überlebt die Schlacht
Schilde der römischen Infanterie kolla Valens bemüht sich offenbar noch, nicht. Er soll, von einem Pfeilschuss
biert, wie sich die Reihen des Gegners vom rechten Flügel aus die Verteidigung schwer verwundet, in ein befestigtes
lichten, die Ordnung zusammenbricht. zu ordnen und Reservetruppen zu mo Landhaus gebracht worden sein. Das
Die Reiter fliehen, und die Legio bilisieren, die hinter dem Heer die Stel aber wird sehr schnell von den Goten
näre versuchen kehrtzumachen, zurück lung halten sollten. Vergebens. Zu groß umzingelt und in Brand gesetzt. So zu
dorthin, woher sie gekommen sind. sind die Verluste, zu mächtig ist die mindest ist es überliefert.
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U m ih re F o rd e ru n g e n d u rc h z u s e tz e n , zie h en sie u n te r ih re m
K ö n ig A la ric h m it Tausenden K rie g e rn v o r die M a u e rn Roms.
A m 24. A u g u s t 410 g e s c h ie h t das erm ane
fa lle n in die E w ige S ta d t ein Von MATHIAS MESENHOLLER
G e b ie te d es W eström ischen
u n d O strö m isch en R eiches 395
Mainz
Trier» w ich tig e Z ü g e v o n A larich
w ich tig e Z ü g e v o n A thaulf
Paris Worms Main
westgotisches
Siedlungsgebiet
418
Mailand
•Toulouse ivenna
Narbonne
24.8.410
Plünderung Adrianopel •
Konstantinopel
Cosenza
* -}- Ende 410
Tod von Alarich
Goten in Rom
S iz ilie n
D ie W estgoten verlassen unter A larich um 395 jene G ebiete im heutigen Bulgarien, die ihnen Rom 13 Jahre zuvor überlassen
hat. Sie m arodieren auf dem Balkan und fallen 408 in Italien ein, das zur westlichen H älfte des m ittlerw eile geteilten Imperiums
gehört. Nach der Plünderung Roms zieht der Verband in den Süden der Halbinsel, von wo aus Athaulf, der N achfolger
des inzwischen gestorbenen Alarich, ihn nach Gallien führt: D o rt erst wird der Stamm 418 wieder sesshaft
Föderation miteinander konkurrierender Für die Völkerschaften jenseits der Umgekehrt bedeutet, Römer zu
Regionen und Machthaber. Grenzen haben sic nur mitleidige Ver sein, zivilisiert zu sein: Ein Bürger, so
Zusammengehalten wird es von achtung übrig. Diese „Barbaren“ gelten das Ideal, tritt gesittet auf, hat sich unter
militärischer Macht - und von der Loya den Römern nicht einmal als vollwertige Kontrolle, folgt seinem Verstand und den
lität seiner Bewohner. Wer einmal in den Menschen. Chronisten stellen sie als wild Gesetzen, erkennt - theoretisch - die
Bann von Roms Zivilisation geraten ist, und unbeherrscht dar, zugleich aufbrau kaiserliche Autorität an.
der will die Thermen und Aquädukte, die send und schnell verzagt, primitiv und Hingegen spielen äußerliche Merk
Wagenrennen und Zirkusspiele, die Auf listig, vor allem aber als unfähig, nach male kaum eine Rolle; zu vielfältig sind
stiegschancen und den Wohlstand des Recht und Gesetz zu leben. H aut- und Haarfarben, Gesichtszüge
Reichs nicht mehr missen. Im Krieg ist es den römischen Le und Körperbau innerhalb des Imperiums.
Rom hat die Eroberten nicht nur gionären ausdrücklich erlaubt, die Dörfer Römer kann folglich jeder werden, unge
bezwungen - sondern sie gewonnen. Und der Fremden samt Frauen und Kindern achtet seiner Herkunft.
seit im Jahr 212 n. Chr. jeder freie Ein auszurotten. Ein angemessener Tod für Die Kaiser lassen denn auch seit
wohner des Imperiums das Bürgerrecht gefangene Barbaren ist es, sie im Zirkus Jahrhunderten Siedler aus den Gebieten
erhielt, sind viele Gallier, Iberer, Briten, den wilden Tieren vorzuwerfen - ihres jenseits des Rheins und der Donau ins
Germanen erst recht überzeugte Römer. gleichen sozusagen. Land. A uf diese Weise versuchen sie die
Germanische Krieger überqueren einen Fluss. Immer stärker sind Roms Herrscher darauf angewiesen, dass ihnen barbarische
Stämme Hilfstruppen stellen: Militärische Macht hält das gewaltige Imperium zusammen, doch viele Römer meiden den Heeresdienst,
bevorzugen etwa eine Karriere in der Verwaltung. So gelingt Männern wie Alarich der Aufstieg in die Armeespitze
l
grausigen Klangs wegen. Germanen, die dieser wilden Männer unerträglich. Ei
in hohe Ränge aufsteigen, nehmen nicht fersüchtig schmähen sie die Waffenträger
wie früher lateinische Namen an, son des Reichs allesamt als Barbaren - wie
dern lassen sich weiterhin Merobaudes, groß die Zahl regulärer Soldaten mit
Bauto oder Arbogast rufen. germanischer, keltischer, hunnischer oder
Als „Heermeister“ (eine Art Gene iranischer M uttersprache tatsächlich GENERAL
ral) zählen diese Emporkömmlinge zur auch sein mag (der Anteil ist unklar).
Offizierselite des Imperiums, sie üben
politischen Einfluss aus - werden gar zu
Die Loyalität der Legionen zu Rom
indes steht außer Frage. Ebenso, dass LENKT
Kaisermachern. Denn kein I Ierrscher sie den meisten Gegnern weit überlegen
kann gegen die Armee regieren; immer sind: sowohl der Zahl als auch ihrer Aus
wieder verhilft sie Putschisten und rüstung nach, zu der schwere Stein- und
Thronräubern zur Macht. Pfeilkatapulte zählen, vor allem aber
Für manche Zivilisten sind der Ein dank einer eisern exerzierten Disziplin. KAISER
fluss und die trotzige Selbststilisierung Umso schwerer lassen sich die ge
fallenen Legionäre nach einer Katastro
phe wie der von Adrianopcl ersetzen.
Auch deshalb verpflichten die Kaiser Kaiser, beharrt auf dem Recht, seinen
schon seit Langem geschlossene Einhei neuen M itherrscher selber auszuwäh
ten von Stammeskriegern als Hilfstrup len - und sammelt ein mächtiges Heer,
pen: Sie sind rasch und in großer Zahl um Eugenius zu stürzen.
zu haben, ihre Verluste zu verschmerzen. Ostrom stellt sich gegen Westrom.
Da sich die Legionen des oströmi
schen Kaisers auch anderthalb Jahr
zehnte nach der Niederlage bei Adria
nopel noch nicht vollends erholt haben,
Goten in Rom
besteht die Streitmacht von Theodosius
zu einem erheblichen Teil aus hunni
schen und germanischen Hilfstruppen.
Auch etliche Goten, die seit einigen
Jahren in den oströmischen Balkanpro
vinzen siedeln, marschieren mit.
Einer ihrer Anführer ist ein junger,
aber bereits erfahrener, sehr ehrgeiziger
Soldat namens Alarich.
Diesem Verband stellen sich die
besten Kämpfer des Westens entgegen -
Adrianopcl aber bleibt eine Ausnahme. schlachtcrprobtc Legionen, die Eugenius
Die blutigsten Schlachten schlagen und Arbogast unter anderem aus Britan
Roms Armeen nicht mit barbarischen nien und vom Rhein abgezogen haben,
Invasoren - sondern untereinander. ergänzt um fränkische und alemannische
Denn die römische Zivilisation ist Söldner.
zwar raffiniert, aber nicht friedlich. M it In ihrem Stab dient mindestens ein
aller Härte streiten Kaiser, Adelige und Vertreter der vornehmsten Männer des
Militärs um Einfluss, Titel, Prestige, um Reiches - der römischen Senatoren, die
Vorteile für sich selbst, die eigene Fami zum großen Teil Eugenius unterstützen.
lie. Um Macht und Ruhm. Immer wieder Denn Rom mag zwar als Sitz der
eskaliert diese Gier nach Geltung bis Kaiser abgelöst worden sein, es bleibt
zum Bürgerkrieg. die größte Stadt und der symbolische
Im Jahr 392 ist cs erneut so weit. Mittelpunkt des Imperiums.
Nachdem der im Westen herrschende Die Dichter überbieten sich in
Kaiser gestorben ist, lässt dessen fränki hymnischen T iteln: „Ewige S tadt“,
scher Heermeister Arbogast eigenmäch „Haupt des Erdkreises“, „Haus der G öt
tig einen Nachfolger ausrufen, den Hof ter“, „Tempel der ganzen Welt“.
beamten Eugenius. Doch Thcodosius, Die M etropole ist überreich an
der zweite, in Konstantinopel regierende Prachtbauten, Monumenten, Tempeln
47
und Kirchen, öffentlichen Bädern, Are viele Jahre trainierten Einheiten, zudem zurück in ihre Siedlungsgebiete auf dem
nen, Theatern, Märkten, Luxus jeder Art. erfahrene Offiziere und Ausbilder. Balkan. Ein Teil der Einheiten wird von
Ihre Armen werden auf Staatskosten Es ist eine Selbstverstümmelung, einem Goten geführt, der die Schlächte
gespeist, die meist adeligen Reichen sind von der Rom sich nicht erholen wird. rei am Frigidus überlebt hat: Alarich.
vermögender als irgendwo sonst. Zunächst jedoch zieht Theodosius
Diese Schicht wohlhabender Aris im Triumph nach Italien. Erstmals seit
tokraten, deren Landbesitz überall im Jahrzehnten ist das Reich wieder in einer
Imperium zu finden ist, sieht sich nicht Hand geeint. Der Kaiser sucht den Senat
einfach nur als eine privilegierte Elite - in Rom auf, spricht vor den hohen H er
sondern als „besseren Teil der Mensch ren gegen das Heidentum. Die Besiegten
heit“, so einer aus ihren Reihen. werden nicht bestraft, müssen aber den
Von klein auf geschult an den klas alten Göttern abschwören.
sischen Schriftstellern, im literarischen Dann begibt sich Theodosius nach
Latein und präzisen Denken, in Selbst Mailand - und erliegt dort Anfang 395
beherrschung und Etikette, führen diese mit knapp 50 Jahren überraschend einem
Adeligen ein Leben zwischen Staats Herzversagen.
dienst und kultivierter Muße. Der unerwartete Tod des Kaisers ist
Den Aufstieg Konstantinopels ver für das geschwächte, kaum befriedete
folgen sie mit Widerwillen. Und so, wie Imperium eine Katastrophe. Denn Theo
sie immer noch zu feierlichen Anlässen dosius hinterlässt zwar zwei bereits zu Seine Herkunft ist dunkel. Vermutlich
das traditionelle römische Gewand tra Mitherrschern berufene Söhne, Arcadius wird er um 370 an der Donau geboren,
gen, die Toga, hängen viele dieser kon in Konstantinopel und Honorius in Mai vielleicht in eine edle Familie. Wohl mit
servativen Aristokraten hartnäckig den land. Doch der eine ist wohl gerade erst den Goten, die 376 ins Römische Reich
alten Göttern an, während die Kaiser seit 17, der andere zehn Jahre alt. fliehen, gelangt er als Kind auf den Bo
Langem das Christentum als Staatsreli Noch auf dem Totenbett trifft der den des Imperiums; da ihm ein Zichvater
gion propagieren. Vor allem Theodosius sterbende Kaiser daher eine folgen das Kämpfen beigebracht haben soll, ist
ist ein besonders aggressiver Verfechter schwere Entscheidung. Er setzt einen er vermutlich früh verwaist. Bald tut der
des neuen Glaubens. Vormund für den kleinen Honorius ein: junge Krieger sich unter Banditen und
Eugenius hingegen achtet die G öt seinen Heermeister und langjährigen Rebellen hervor, die marodierend durch
ter der Ahnen: A uf seinen Standarten Vertrauten Flavius Stilicho - so jeden Thrakien ziehen. Später unterstellt er
prangt das Bild des Herkules, über sei falls stellt Stilicho es anschließend dar. sich Theodosius und führt eine eigene
nem Feldlager thront eine Jupiterstatue Schon der Name schillert. Den Truppe, als er mit dessen Armee nach
m it einem goldenen Blitz. So ist der römischen Beinamen „Flavius“ führen Westen aufbricht.
Kampf um die M acht und den Vorrang viele Ncubürger sowie Aufsteiger unter Nun aber ist er verbittert. Er hat
zwischen Westen und Osten auch ein den kaiserlichen Offizieren; „Stilicho“ ist loyal gedient, seine M änner haben am
Kampf um die Ideologie des Reiches. germanisch. Dennoch: Der Sohn eines ersten Tag der Schlacht einen enormen
Am 5. September 394 treffen die römischen Offiziers vandalischer A b Blutzoll entrichtet. Dafür hat er auf
Heere an einem Pass beim Fluss Frigidus kunft und einer Römerin ist selbst Rö Anerkennung gehofft: einen hohen offi
im heutigen Slowenien aufeinander. mer durch und durch. Seine Treue gilt ziellen Rang, wertvolle Geschenke oder
dem Imperium, sein Gott ist die Macht.
Stilicho unterbreitet den Höflingen
Die Schlacht dauert zwei Tage. Am und eben besiegten Aristokraten des
ersten lässt Theodosius vor allem seine Westens ein verführerisches Angebot. Da
Goten in vorderster Reihe kämpfen; sie üblicherweise der ältere Kaiser Vorrang ROM
erleiden fürchterliche Verluste. vor dem jüngeren genießt, läge die grö
Am zweiten jedoch bringt der ßere Autorität bei Arcadius und damit
Legende nach ein Wunder die Wende: in Konstantinopel. Behauptet jedoch WIRD ZUM
Ein starker W ind weht angeblich dem Stilicho einen Regentschaftsanspruch für
Heer des Westens entgegen, verkürzt die
Reichweite der Spccrc und Pfeile. Brutal
beide Söhne, rangiert der westliche H of
zumindest gleichauf.
FAUST
machen die Kämpfer aus dem Osten die Indem er ihr also einen Vorteil ge
Legionen aus dem Westen nieder, auch genüber der Konkurrenz im Osten ver PFAND DER
Eugenius wird getötet, Arbogast bringt heißt, gewinnt der Heermeister die west
sich selbst um. Ähnlich wie zuvor das
Ostheer bei Adrianopel verliert nun die
römische Elite für sich.
Zudem entlässt Stilicho die nicht
GOTEN
weströmische Armee ihre besten, über mehr benötigten gotischen Hilfstruppen
Goten in Rom
werden gelenkt von hohen M ilitärs. A uch Honorius (o. I.), der 395 im A lte r von zehn Jahren auf den Thron gelangt, regiert nicht selbst:
Lange steht er unter der Vorm undschaft seines O berbefehlhabers Flavius Stilicho, dem Sohn eines Germ anen und einer Römerin
Landzuweisungen. Offenbar hat er nichts Heermeisters wollen sie nichts wissen; Einfall Alarichs nach Italien im Frühjahr
davon bekommen. dessen Marsch auf den Balkan verstehen 402 zurückzuschlagen.
Also beschließt er, sich seinen Lohn sie als Versuch, diese Provinzen unter die Die Hintergründe für die Invasion
mit Gewalt zu nehmen. Als die Einhei Oberhoheit des Westens zu bringen. der Goten sind unklar, doch vermutlich
ten den Balkan erreichen, rebellieren sie M ehr noch: Um das Gebiet zu si hat Alarich nach blutigen Hofintrigen in
und fallen plündernd über die römischen chern, verleiht Arcadius nun dem Meu Konstantinopel seinen Rang wieder ver
Provinzen Thessalien und Makedonien terer Alarich den Rang eines Generals. loren und versucht nun, der Mailänder
her. Bald schließen sich ihnen beutegie Die Goten erhalten zudem Land zur Regierung einen Ersatz abzupressen. Der
rige Unzufriedene aller A rt an. Nutzung, Unterhalt und Ausrüstung. im Reich aufgewachsene Barbarenfüh
Um den Aufruhr niederzuschlagen, rer will eine machtvolle Rolle in diesem
eilt Stilicho mit der Armee aus Italien Imperium spielen. W ie Stilicho.
herbei. Doch dann muss er auf Geheiß Inzwischen regiert Stilicho im Westen Anders als Stilicho aber kann oder
des Kaisers Arcadius in Konstantinopel ebenso machtbewusst wie tüchtig. Ihm will Alarich auf der regulären Laufbahn
die oströmischen Kämpfer in seinen Rei gelingt der schwierige Balanceakt, zu nicht zum Erfolg kommen. Stattdessen
hen an den Bosporus ziehen lassen, weil gleich führende römische Senatoren und sucht er sein Ziel als Führer einer eigen
die dortigen Provinzen von den Hunnen den christlichen Klerus für sich zu ge ständigen Gefolgschaft mit Gewalt zu
bedroht werden (siehe Seite 86). winnen. Geschickt lenkt er den heran- ertrotzen. Dreimal treffen die Kämpfer
Mit den Resten des Westheers aber wachsenden Honorius in seinem Sinne, der beiden aufeinander. Zumindest ein
kann Stilicho keine Schlacht wagen. Er verheiratet ihn mit einer seiner Töchter. mal bringt Stilicho die Rebellen vermut
zieht sich daher zurück und reist an den Vor allem aber sichert er sich die Befehl lich an den Rand der Vernichtung - und
Rhein, um dort unter Germanen Irische gewalt über die Armee. lässt sie entkommen: entweder weil seine
Hilfstruppen zu werben. Noch nie verfügte ein Offizier über eigenen Verluste zu groß sind oder weil
Vermutlich sabotieren der Ostkaiser eine solch kaisergleiche Macht. er erkennt, dass Alarich ihm durchaus
Arcadius und seine Berater Stilichos Stilicho nutzt sie, um die Kastelle von Nutzen sein kann.
Feldzug mit voller Absicht. Denn von am Rhein zu erneuern, eine Revolte in Denn er drängt die Invasoren zwar
einem Vormundschaftsanspruch des Nordafrika zu unterdrücken - und einen in die Region zwischen Alpen und mitt-
Anfang 407 fallen Abertausende Vandalen. Sueben und Alanen über den Rhein nach Gallien ein; in weiten Teilen der Region
kommt es zu erbitterten Kämpfen zwischen den Invasoren und römischen Legionären. Der Heermeister Stilicho wird der Lage nicht Herr.
Zwar ist er zu diesem Zeitpunkt m it dem Gotenkönig Alarich verbündet, doch dessen Truppen stehen weit entfernt auf dem Balkan
ir-
l
an Parteigänger unter den Germanen
jenseits des Limes geliefert, barbarische
Rivalen gegeneinander aufgehetzt und
sie manipuliert, zuweilen Feldzüge ge
führt, um zu verhindern, dass im Germa
nenland gefährliche Allianzen entstehen.
Nun aber haben die zunehmend mit sich
selbst beschäftigten Herrschenden des
Imperiums genau das zugelassen.
Und liefern den Westen des Reichs
einem beispiellosen Inferno aus.
Um das Jahr 403 bildet sich nörd
lich der Donau ein Bündnis von germa
nischen Vandalen und Sueben, unter
stützt von Alanen, die aus den Weiten
G etrieben von der Furcht. Stilicho könnte zu m ächtig werden, lässt Honorius
seinen Heermeister (3. v. r.; bei seiner H ochzeit m it einer N ichte des römischen
Kaisers Theodosius) 408 hinrichten. Nun aber wird ihm Alarich gefährlich
der südrussischen Steppe kommen und Gallien vor. Am Rhein siedelnde germa
mit den Hunnen (oder auf der Flucht vor nische Hilfstruppen schlagen sich ver
ihnen) nach Mitteleuropa gezogen sind. zweifelt, werden aber von den Angreifern
Vielleicht sind es 30 000 Krieger und überrannt.
Goten in Rom
70 000 Angehörige, die sich nun auf den Stadt um Stadt fällt, auf dem Land
Weg nach Westen machen. gehen die Gutshäuser mit ihren mosaik
verzierten Böden, Baderäumen und fei
nen Speisezimmern, den eleganten Gär
ten und Säulengängen in Flammen auf.
Die Invasoren treiben das Vieh fort,
plündern die Speicher, machen reiche
Beute an Gold und Geld, raffen edle
Kleider und Schmuck an sich.
Zu Tausenden werden römische
Bürger erschlagen, selbst in den Kirchen
niedergemacht, als Sklaven verschleppt.
„Ganz Gallien“, stöhnt ein Zeit
zeuge auf, „war wie vom Rauch eines
einzigen Scheiterhaufens erfüllt.“
Und ein anderer: „Mit Schwert,
Geißel, I Iunger, Ketten, Kälte und Hitze
Wohl in der Neujahrsnacht 407 überque - auf tausend Arten - reißt ein einziger
ren die Ersten den Rhein. Manchen His Tod die elende Menschheit fort.“
torikern zufolge ist der Fluss zugefroren Schon lange fühlen sich die im
und erleichtert den Einmarsch; starke Nordwesten verbliebenen Armeen von
Gruppen mögen auch die große Stein Ravenna missachtet; angesichts der In
brücke bei M ainz stürmen, an unge vasion rebellieren sie nun gegen ihren
schützten Stellen Boote und Flöße nut Kaiser. Die Soldaten rufen einen Offizier
zen. Vermutlich dauert es Wochen, die zum Gegenkaiser aus und greifen die
gigantische Streitmacht über den Strom Eindringlinge auf eigene Faust an. Bin
zu setzen (siehe Seite 72). nen Kurzem sammelt sich das römische
Rasch erobern und plündern die Gallien um den Usurpator.
Eindringlinge Mainz, Worms und Trier, Und Stilicho? Der Heermcistcr
dann marschieren sie weiter in das reiche wagt mitten in der Krise ein atemrauben-
Andere Kämpfer, die sich retten überschreitet die Alpen. Weil eine Bela die Kais besetzen, Straßen abriegeln.
können, fliehen zu Alarichs Goten. Der gerung Ravennas aussichtslos ist, wählt Und abermals schwillt seine Truppe an:
aber wird von den neuen Herren in Ra er ein anderes Ziel: Ende des Jahres Tausende Sklaven, in der Mehrheit wohl
venna nun gleichfalls zum feindlichen erscheinen die Armee und ihr Tross aus germanische Kriegsgefangene, fliehen aus
Barbaren erklärt. Seine Vereinbarungen Frauen und Kindern vor Rom. der belagerten Stadt zu seinem Heer.
mit Stilicho gelten nicht mehr. Anders als Ravenna liegt die Ewige Schon nach wenigen Wochen bleibt
Da entschließt sich Alarich im Stadt im Binnenland und wird vom Ha den hungernden Römern nichts, als sich
Herbst 408 zu einem Erpressungsver fen Portus aus versorgt. Alarich schneidet freizukaufen: Sie bringen ein Löscgcld
such. Er sammelt seine Verbände und diese Versorgung ab, lässt seine Männer von 5000 Pfund Gold und 30 000 Pfund
Im A ugust 410 g ib t Alarich das Signal zur Plünderung Roms. Drei Tage lang wüten die G oten zwischen
Trium phbögen, Villen und Tempeln, raffen G eld und G old. Schmuck und kostbares G eschirr zusammen. D och ihr König
erlegt ihnen angeblich eine gewisse M äßigung auf: C hristliche Kirchen zum indest verschonen die A ngreifer
I
Seit anderthalb Jahren lagern viele sein, über 381 W ehrtürme verfügen -
Soldaten Alarichs sowie deren Frauen doch da nur wenige Soldaten die Stadt
und Kinder in Roms Vororten und Um
land. Die Reserven sind aufgezehrt, auch
beschützen, ist sie leicht zu erobern.
Das aber wäre ein Schritt, der alle
»ES IST
weiter entfernte Landstriche ausgeplün Pläne Alarichs auslöschtc: der ihn zum
dert. Vielerorts verstecken Bauern das politischen Paria, zum Inbegriff eines DAS ENDE
wenige, das ihnen geblieben ist, bestellen Barbaren machte - und als Verhandlungs
partner unmöglich. Es wäre das Einge
in ihrer Verzweiflung die Felder nicht
mehr, lassen Bewässerungsgräben verfal ständnis des Scheiterns. Sein Heer würde DER WELT«,
len, die dünne Krume ausdörren. das Zentrum jenes Glanzes zerstören, an
M it dem Sommer legt sich eine
drückende Schwüle auf das Land. Vom
dem er um jeden Preis teilhaben will.
Wohl erst in der Nacht auf den 24.
KLAGT EIN
sumpfigen Ufer des Tiber her breiten August 410 entscheidet der Gotenführer,
sich Stechmücken aus und übertragen dass er keine andere Option mehr hat. GEISTLICHER
Malaria. Längst umgeben Abfälle, der Er gibt Rom zur Plünderung frei.
Unrat der kampierenden Menschen und D er Schrecken, den dieser Satz
ihrer Tiere die Feldlager der Goten. birgt, wird von den Quellen kaum wie
Krankheiten, Hunger, Untätigkeit - mit dergegeben. Das Geschrei der in Panik Die Berichte der meist christlichen
jedem Tag wächst die Gefahr einer Meu fliehenden Menschen und das W im Chronisten erzählen es nicht, deuten nur
terei gegen den erfolglosen Anführer. mern jener, die eingeholt und ermordet an. Stattdessen fassen sie die Skrupel des
Im Juli 410 setzt Alarich den Ge oder erschlagen werden. Das Flehen der gleichfalls getauften Alarich in Bilder.
genkaiser Attalus kurzerhand ab, um Frauen, das Krachen eingetretener Tü N icht mit Gewalt seien dessen
erneut mit Honorius zu verhandeln. Er ren, aufbrechender Truhen, umgerisse Männer in die Stadt eingedrungen, son
ist sogar bereit, nach Ravenna zu ziehen ner Gestelle, das Scheppern berstender dern eine Adelige habe die Tore geöffnet,
wie ein Bittsteller. Immer noch vertraut Amphoren. um die hungernde Stadtbevölkerung zu
er auf sein Faustpfand Rom. Die vielen Tausend Soldatenschuhe erlösen. Die Kirchen, vor allem die bei
Goten in Rom
Doch entweder ist Honorius das und Hufe auf dem Straßenpflaster. Die den großen Basiliken St. Peter auf dem
Schicksal Roms gleichgültig - oder er hat scharfen Kommandos der Eindringlinge vatikanischen Hügel und St. Paul an der
seine Offiziere nicht im Griff. Jedenfalls und ihre höhnischen Rufe gegen die Un Straße nach Ostia, sowie jeder, der in
überfallen römische Truppen die Goten. terlegenen. Das Prasseln von Flammen, ihnen Zuflucht suchte, seien geschont
das Husten der im Rauch halb Erstick worden. Angeblich hätten barmherzige
ten, das Knacken mächtiger Dachbalken. Barbaren fromme Jungfrauen persönlich
Das Zetern der Menschen, selbst ausge in diese Asyle geleitet.
hungert, denen das letzte Scheffel Korn Goldene Kelche, Monstranzen und
geraubt wird; das Quieken der verblie andere im G ottesdienst verwendete
benen Schweine unter dem Messer, Flat Schätze seien nicht geraubt, sondern un
tern geköpfter Hühner, Schlabbern sau ter dem Schutz gotischer Schwerter in
fender Pferde an den Marmorbrunnen. die Sicherheit St. Peters gebracht wor
Die Gesänge in den Tavernen und den. M ehr noch: Die Fremden hätten
das Schluchzen in den ausgeraubten sich den Prozessionen angeschlossen.
Villen. Der Triumph und die Lust der Der wahre Kern dieser (zweifellos
Eroberer angesichts der unvergleichli beschönigenden) Schilderungen besteht
chen Schätze, die sie in der Hauptstadt wohl darin, dass Alarich seinen Truppen
der Welt finden, ihr wütender Streit in eine gewisse Mäßigung auferlegt.
fremden Zungen oder dem Vulgärlatein Sie sollen sich zwar schadlos halten,
Die Angreifer sind schwach, Alarichs der Truppe um ein Amulett, ein Prunk dürfen in Tempeln und Herrenhäusern,
Verluste gering. Doch er hat nun jede schwert, ein gefärbtes Gewand, eine Frau. einfachen I laushalten und Werkstätten
Hoffnung auf Verhandlungen verloren. Die erstaunten Rufe der Angreifer alles Geld und Gold, Schmuck, erlesenes
Zunächst bleibt ihm nichts, als zurück vor den Arenen und Staatsbauten, die Geschirr, wertvolles Gerät zusammenraf
an den Tiber zu ziehen. Erneut hat er alles übertreffen, was Alarichs Soldaten fen, schwelgen und kujonieren - nicht
keine Zugeständnisse erreicht. Irgend zuvor gesehen haben, vor den hoch auf aber dem blinden Brand- und Blutrausch
etwas aber muss er seinen Leuten anbie ragenden Mietskasernen und Triumph erliegen, der siegreichen Heerhaufen
ten, will er sie Zusammenhalten. Allein, säulen, deren opulente Reliefs Roms eigentlich zusteht.
er hat nichts. Außer Rom. Siege über die Barbaren verherrlichen: Nach drei Tagen befiehlt Alarich
Die Mauern der Ewigen Stadt mö Erkennen sic in jenen ihresgleichen - den Abzug. Denn das immer noch abge
gen vier Meter dick und 15 Meter hoch oder in den gerüsteten Siegern? schnürte Rom hat zwar Luxusgüter jeder
AUFSTIEG EINER
GROSSMACHT
Im 5. Jahrhundert herrscht im römischen Gallien Chaos. Armeeführer ringen um Einfluss - bis
ein fränkischer König alle Macht an sich reißt: Chlodwig aus der Dynastie der Merowinger begründet
ein Reich, das sich bald von der Nordsee bis zu den Pyrenäen erstreckt
Text: SIMONE BERNARD; Karte: CHRISTIAN KUHLMANN
ahrhundertelang siedeln jene der anderen an die germanischen Inva tierenden Überreste der dortigen Verwal
J
Stämme, die römische Autoren soren verloren geht, machen einige von tung übernommen - und an der Spitze
ab 291 n. Chr. unter dem Namen ihnen Karriere: Franken steigen in Gal der übrig gebliebenen Strukturen stehen
„Franken“ zusammenfassen und lien zu Armeeführern auf. De facto sind in fast allen Städten katholische Bischö
die am Ende der Völkerwande sic nun selbstständige Warlords; die Re fe, auf deren Loyalität sich ein christ
rungszeit das Abendland dominieren gierung in Ravenna erkennt sie oft als licher Herrscher eher verlassen kann.
werden, östlich des Niederrheins (im heu Machthaber über ihre Regionen an. Zudem sind die meisten Untertanen
tigen Nordrhein-Westfalen und in Teilen Einer dieser Militärführer ist der Chlodwigs Christen; die Taufe des Kö
der Niederlande). Um 250 queren ihre Salierkönig Childerich, der - formal im nigs erhöht also dessen Legitimität.
Krieger erstmals den Rhein und fallen in Namen Roms —von Tournai im heuti 507 erobert er den Norden des
die westlich des Flusses gelegene römi gen Belgien aus den Nordosten Galliens Westgotenreichs, von der Loire bis zur
sche Provinz Gallien ein. Legionäre drän regiert. Seine Beziehungen zu den römi Garonne; angeblich erschlägt er selber
gen die Eindringlinge zurück, doch die schen Heermeistern im Südwesten der dessen König. Die Westgoten ziehen sich
fränkischen Überfälle häufen sich nun. Region sind gut. Mehrmals unterstützt in Richtung des heutigen Spanien zu
Gegen 350 machen sich die Salier er sie im Kampf gegen westgotische und rück. Chlodwig macht Paris zu seiner
dann nach Gallien auf, ein fränkischer sächsische Krieger. neuen Residenz; er ist nun König aller
Stammesverband, dem sich weitere Teil- Sein Sohn Chlodwig erbt wohl 481 fränkischen Stämme und Herrscher über
gruppen anschließen. Auch sic werden den Thron und beginnt bald, den Macht einen Großteil des heutigen Frankreich.
von den Römern besiegt, dürfen aber bereich seiner Familie, der Merowinger, Den entstehenden Staat sichert er
nach 358 zwischen Maas und Schelde zu vergrößern: Er unterwirft nun andere mit einer geschickten Heiratspolitik ge
siedeln. Im Gegenzug schützen sie dort fränkische Könige sowie das Reich eines gen Ansprüche anderer Machthaber ab:
fortan die Grenze des Reichs. römischen Warlords in Nordwestgallicn. Er selbst vermählt sich mit der Tochter
G ut drei Jahrzehnte später über Um das Jahr 496 marschiert er nach des burgundischen Königs, seine Schwes
fallen die Rheinfranken, ein weiterer Süden und besiegt bei Zülpich aleman ter gibt er dem in Italien herrschenden
Stamm, römische Siedlungen und Hee nische Truppen, die den Rhein über Ostgotenkönig Theoderich zur Frau.
reslager in der Gegend von Köln. Um schritten haben (siche Seite 60). Im Jahr 511 stirbt Chlodwig. Seine
390 plündern sie die Stadt und verwüsten Die „Hilfe Gottes“ bei diesem Sieg Nachfolger werden in den folgenden
deren Umland. Bis zur Mitte des 5. Jahr soll den heidnischen König zum Chris Jahrhunderten die Burgunder, Thüringer,
hunderts erobern die Franken ein Terri tentum bekehrt haben. Gegen 500 lässt Alemannen, Bajuwaren, Sachsen und
torium, das von Köln im Norden bis nach er sich mit einigen Gefolgsleuten nach Langobarden unterwerfen und das Fran
Trier und Mainz im Süden reicht. katholischem Ritus taufen. kenreich zum mächtigsten Imperium des
Salier und Rheinfranken dienen W ahrscheinlich aber beugt sich Kontinents machen.
bereits seit einiger Zeit im römischen Chlodwig schlicht den Verhältnissen in Und einer von ihnen wird sich am
Heer. Und im Chaos jener Jahre, als in seinem Reich: Nach dem Zusammen Weihnachtstag des Jahres 800 in Rom
permanenten Kriegen im Westteil des bruch des römischen Imperiums im zum Erben der römischen Cäsaren krö
Römischen Reiches eine Provinz nach Westen haben die Franken die noch exis nen lassen: Karl der Große. £
ursprüngliches
Siedlungsgebiet
Aachen
fränkisches Gebiet
um 480
fränkischer Einfli
bereich ab 496/497
Eroberungen unter
Chlodwig I.
zwischen 481 und 511
Clermont-
Ferrand
Bordeaux
GEOEPOCHE-Karte
A b 350 n. Chr. siedeln jene Stämme, die römische Chronisten »Franken« nennen und die in den heutigen Niederlanden und dem
westlichen Deutschland beheim atet sind, nach und nach auch in Gallien. Ende des 5. Jahrhunderts, als die zuvor von Rom beherrschte
Region im Chaos versinkt, unterw irft König C hlodw ig vom Stamm der Salier, die im Nordosten Galliens regieren, alle anderen frän
kischen Anführer. Dann g re ift er nach Süden aus. D er Herrscher zieht gegen die Alem annen am M itte lrh e in zu Felde, erobert 507 den
nördlichen Teil des W estgotenreichs, von der Loire bis zur Garonne - und begründet so ein neues Reich: das der Franken
mmm
Der
ge Häuser, ein
paar Pferde und etwa
100 Menschen: Die
von einer Holzmauer
umschlossene Siedlung
auf der Anhöhe, die
später den Namen
»Runder Berg« erhalten
wird, ist klein - aber
dennoch ein alemanni
sches Machtzentrum
r pj
I k b J L A , M l 1
Alemannen
Schwarzwaldes und des Odenwaldes, auf
der Schwäbischen und der Fränkischen
Alb nieder. Die Anwesen, die sich über
die Höfe in den Tälern erheben, bieten
ihnen nicht nur Schutz vor feindlichen
Angriffen, sondern sind auch ein Sinn
bild ihrer Macht.
W ie Archäologen hcrausgefunden
haben, betreibt mancher Fürst dafür ei
nen enormen Aufwand: Am Südwest
rand des Schwarzwaldes, in der Nähe der
römischen Rheingrenze, lässt ein Alc-
manne vermutlich eine ganze Bergkuppe
abtragen, um auf dem so geschaffenen
Plateau seine Residenz anzulegen.
Hunderttausende Kubikmeter Fels
haben seinem königlichen M achtan
spruch zu weichen - ein gigantisches
Werk, das er wohl nicht allein mit seinen
Untertanen vollbracht haben kann: Viel
leicht dient der Anführer als G renz
offizier der römischen Armee und kann
daher auf Hilfe aus dem nahe gelegenen
Gallien zurückgreifen. Oder es erleich
tert ihm und seinen Mannen die Arbeit,
dass die Römer einst Bergbau in der Re
gion betrieben und dort bereits Terrassen
angelegt hatten.
Auch die flache Kuppe des Runden
Berges nahe dem heutigen Reutlingen
64 GEO EPOCHE Die Völkerwanderung
Das Anwesen auf dem 250 M e te r hohen Bergkegel ist schwer einzunehmen, vor allem im
W inter, wenn die kahlen Bäume A ngreifern weniger Sichtschutz bieten und die Hänge vereist
sind. Bauern aus dem Tal müssen auf dem W eg zu ihrem Herrn gewundenen Pfaden folgen
Alemannen
66
Axtblätter und Scheren hergestellt wer Klumpen. Ist der abgekühlt, reinigen die
den, ein solches Schwert formen, muss Noch folgen Männer das Rohmetall durch weiteres
er verschiedene Stähle zusammenfügen. Erhitzen und sorgfältige Hammerschläge
weitgehend von verbliebenen Fremd-
Zunächst erhitzt ein Gehilfe ge
bündelte Platten aus unterschiedlich sic ihren alten stoffen. Wieder und wieder falten sic das
hartem Stahl, wieder und wieder hält er Material nun, lassen ihr Werkzeug darauf
das Material in die Glut. Anschließend
schallt der Klang des Schmiedehammers Göttern niedergehen, um das Metall zu verdich
ten und den darin enthaltenen Kohlen
durch die Siedlung: M it gekonnten stoff gleichmäßig zu verteilen. So ent
Schlägen verbindet der Meister die ein steht Stahl, den sie dem Schmied zur
zelnen Teile, streckt und verwindet sie. Runden Berg oder irgendwo in der Nähe Weiterverarbeitung überreichen.
Wochen dauert es, bis auf diese Weise haben Handwerker daher vermutlich aus Besonders hochgestellte Kämpfer
aus mehreren Kilogramm M etall ein Fclsbrockcn und Lehm einen trichter lassen den Griff ihres Schwertes vergol
neues Schwert entsteht. förmigen, fast mannshohen Ofen errich den - eine Aufgabe für den Feinschmied:
Das für den Stahl nötige Eisen stel tet, der sich auf rund 1300 Grad Celsius In seiner W erkstatt auf dem Runden
len die Alemannen selbst her; die Schwä aufheizen lässt. Berg liegen Feilen, Meißel und Keramik
bische Alb birgt mehrere Erzvorkom Bei dieser Temperatur löst sich das tiegel sowie Gießformen aus Ton bereit,
men. Um jene Hitze zu erzeugen, die das Gestein aus dem im Ofen aufgeschich mit denen er unter anderem Gewand
Metall vom Gestein scheidet, reicht ein teten Erz und fließt durch eine Öffnung nadeln und Schnallen für die Ledergür
gewöhnliches Feuer nicht aus. Auf dem ab. Das Eisen bildet am Boden einen tel der Männer fertigt und verziert.
Um genügend Gold etwa für das
Dekor einer Gewandnadel zusammen
zubekommen, besorgt er sich wohl eine
Im größ ten Gebäude lebt die fürstliche Familie zwischen W änden aus Fachwerk, Lehm und der seltenen römischen Goldmünzen und
Stroh, gewärm t von einem steinumfassten Feuer in der M itte des einzigen Raumes und aus bringt sic in einem Tiegel zum Schmel
liegenden Tierfellen. Kerzen spenden Licht und den angenehmen D u ft von Bienenwachs zen. Durch die Zugabe von Quecksilber
Alemannen
(das er später durch Verdampfen über
dem Feuer wieder entfernt) wird die
Masse derart zähflüssig, dass sie sich mit
einem Pinsel aufbringen lässt.
f e ' : 'y- m
Brauch, den die A le m a n n e n w o h l ab etwa 4 5 0 p fle g e n . (E in e solche Begräbni
im Jahr 1999 n ic h t w e it von der Residenz des alem annischen Fürsten nahe de
höfe oder ganze Ortschaften aus. galliens unter seine Herrschaft gebracht, verfallen, Erdrutsche haben ihre Über
Zwar mögen Vorgänger des Herr hat den letzten römischen Statthalter in reste mitgerissen, zurückgelassene Gegen
schers auf dem Runden Berg, wie auch der Region besiegt und sich die Gebiete stände unter Geröllschichten begraben.
andere alemannische Fürsten, Verbünde anderer fränkischer Kleinkönige unter So kommt es, dass rund 1500 Jahre
te Roms gewesen sein - mit dem kaiser worfen. Nun wendet er sich südwärts. später, als Wissenschaftler die Siedlung
lichen Auftrag, das nordöstliche Vorfeld Vielleicht treibt ihn schierer Expan erforschen, nur noch ein paar Tonscher
des Reiches zu sichern. sionswille, vielleicht aber setzt er sich ben, Schmuckteile und Löcher im Fels
Doch Schriftquellen deuten darauf auch gegen alemannische Truppen zur davon zeugen, dass auf diesem Berg in
hin, dass es ab der Mitte des 5. Jahrhun Wehr, die über den Rhein in das entste der Schwäbischen Alb eine germanische
derts vermehrt zu Überfällen durch ale hende fränkische Reich vorgedrungen Sippe einst mehr als ein Jahrhundert lang
mannische Gruppen kommt: Der gallo- sind. A uf jeden Fall schlägt Chlodwig die W irren der Völkerwanderung über
römische Beamte Sidonius Apollinaris um 496 ein alemannisches Heer nahe der dauert hat. £
berichtet um 457 beispielsweise, römische heutigen Stadt Zülpich.
Einheiten hätten südöstlich der Schwä Und er siegt auch in weiteren Sebastian K retz, Jg. 1982, ist Autor
bischen Alb eine Truppe von 900 Ale Schlachten: Um 507 kontrolliert Chlod in Berlin. In sa B e th k e ,/g . 1977, hat diese
mannen zurückgeschlagen. wig vermutlich Teile des alemannischen Ausgabe redaktionell betreut. T im W ehr
Sicher ist, dass die westliche Hälfte Machtbereichs. Bis 537 bringen seine m ann, Jg. 1974, fe r tig t schon seit vielen
des seit 395 geteilten Römischen Reiches Nachfolger schließlich sogar das gesamte Jahren Illustrationen f ü r G E O E PO CHE.
in jenen Jahren kollabiert: bedrängt Land zwischen Rhein, Donau und Main
durch die H unnen und germanische unter ihre Herrschaft.
Stämme, zermürbt durch innere Kämpfe. Welches Schicksal den Menschen LITERATUREMPFEHLUNGEN: Karlheinz
Die wahre Macht halten nicht mehr auf dem Runden Berg in dieser Zeit Fuchs et al. (Hg.), „Die Alamannen", Theiss:
die Kaiser, sondern deren oberste Offi widerfahrt, ist ungewiss. umfangreicher Ausstellungskatalog zu allen
ziere, die Heermeister - bis schließlich Kommt es dort zu Kämpfen mit Aspekten der in Südwestdeutschland sie
476 ein germanischer Heerführer den fränkischen Soldaten, wie manche W is delnden Germanen. Helmut Bernhard et al.,
letzten weströmischen Imperator absetzt senschaftler vermuten? Zerschlagen Er „Der Runde Berg bei Urach", Theiss: etwas
••
(siehe Seite 118). oberer all jene Gefäße und Gläser, deren älter, aber immer noch das beste Uberblicks
Manche Anführer der alemanni Überreste die Archäologen viele Jahr werk, das sich konkret mit den Funden auf
schen Verbände nutzen das Chaos also, hunderte später auf dem Plateau bergen der Anhöhe der Schwäbischen Alb befasst.
A u f Ochsenwagen, Pferden und auch zu Fuß brechen die Vandalen um 400 auf. Ihre gesamte Habe nehmen sie mit. Nach und nach schließen sich
V T f. WA
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verbunden? Oder eher lose Bündnisse ihren Funden ebenfalls nicht recht eine Schneise der Verwüstung quer durch
zahlloser kleiner Stämme? Oder ganz schlau. Wenn eine Stadt niedergebrannt das heutige Deutschland, durch Frank
und gar ungeordnete Menschenmassen, worden ist - wann und von wem? reich, Belgien, Spanien und Portugal. Die
Freibeuter der Spätantike, Abenteurer Wenn auf dem einstigen Gebiet des Vandalen erobern die Küsten des M a
aus allen Weltgegenden, die sich irgend Römischen Reiches ein Schwert neben ghreb, ihre Flotten suchen die Balearen
welchen Anführern anschließen und Sizilien, Sardinien und Kor
und dabei nach und nach deren sika heim, ihr König plündert gar
Namen annehmen? Rom, die Ewige Stadt.
Die Angreifer selbst haben, S ie g la u b e n a n d e n Doch dann verlieren sie eine
zumindest während der ersten Schlacht, und das ganze Volk löst
Generationen, kaum eigene Texte
hinterlassen. Niemand hat ver
G o t t ih re r F einde sich auf, als hätte es nie existiert.
Wer, also, sind die Vandalen?
zeichnet, wie und wann sich ein
Volk versammelt hat, warum es
losgezogen ist, was man im fremden, einem Skelett liegt - bedeutet das, dass D er römische G elehrte Plinius der
• •
reichen Imperium Romanum eigentlich hier ein barbarischer Angreifer bestattet Altere ist der Erste, der um 77 n. Chr.
erhoffte und wie es denn gewesen ist, worden ist, da die Römer ihren Toten in in einem Werk vandili erwähnt. Zu die
durch dieses Reich zu ziehen. Vielleicht der Regel keine Grabbeigaben zukom ser Zeit leben die Vandalen - das legen
konnten sie nicht schreiben, vielleicht men ließen? Aus welchem Volk? Und
war ihnen die Literatur auch gleichgültig. war er ein durchziehender Krieger, der
Die Archäologen schließlich, die zufällig hier fiel? Oder ein neuer Herr,
sich heute über Grundmauern und ein der sich das Land, in dem sein Grab
gefallene Gräber beugen, werden aus liegt, bereits unterworfen hatte?
Oder liegt in jener Grube ein ger
manischer Söldner, der im Auftrag der
Kaiser Rom geschützt hat? Also kein
Angreifer, sondern ein Verteidiger?
Vandalen
Oder haben gar jene Forscher recht,
die eine Unterscheidung in germanische
und römische Gräber generell für un
möglich halten?
Wenig Genaues also weiß man über
die „Völker“ und deren „Wanderung“,
und wohl bei keinem Volk vermischen
sich Mythos und Unwissen, düsterer
Ruhm und beklagenswert unklare histo
rische Überlieferung so sehr wie ausge
rechnet beim scheinbar erfolgreichsten
jener Epoche: den Vandalen. Im Jahr 406 n. Chr. überqueren die
Dieses germanische Volk, das jahr Vandalen den Rhein, die Grenze zum
hundertelang in einer entlegenen Ecke römischen Im perium - und niemand hält
Europas lebt und lange von den meisten sie auf. Rom braucht seine Truppen an
antiken Chronisten ignoriert wird, ver anderen O rte n , in anderen Kämpfen
setzt wie aus dem Nichts dem stolzen
Imperium einen schweren, ja womöglich
den tödlichen Schlag. Es zieht innerhalb
weniger Jahrzehnte von den Karpaten archäologische Funde sowie einige spä
nach Nordafrika und hinterlässt dabei tere antike Texte nahe - im heutigen
Mittel- und Südpolen. Wohl im 2. Jahr
hundert n. Chr. verlagern sie ihren
Siedlungsschwerpunkt nach Süden, in
Verm utlich ist es nicht nur Richtung der Slowakei, an die Flüsse
Beutegier, die die Vandalen treibt: Theiß und Donau - und damit in die
W ie andere Germ anen vo r ihnen Nähe der imperialen Grenze. So nahe,
wollen sie den hohen Lebensstandard dass römische Ideen, Religionen, Spra
im Römischen Reich genießen chen bis zu ihnen ausstrahlen.
Möglich, dass I ländler, I Iandwer- ist. Die Vandalen und ihre Verbündeten Wahrscheinlich legen sie es darauf
ker und Flüchtlinge sich von der Reichs verschwinden jedoch rasch wieder von an}foederati zu werden, „Verbündete“ des
grenze bis an den Karpatensaum wagen. der Donau und damit aus Roms Blick. Kaisers. In diesen Status sind ja bereits
Und sicher werden auch einzelne Van Im W inter 406 aber sammeln sie andere Germanenstämme erhoben wor
dalen den umgekehrten Weg gehen, um sich plötzlich am östlichen Rheinufer - den: Sie haben sich in römischen Pro
in Rom als Söldner ihr Glück zu suchen. und die Römer werden sie nun nie wie vinzen niederlassen dürfen und müssen
In der Slowakei wird jedenfalls spä der vergessen... die nun schützen. Dafür erhalten sie je
ter ein Grab entdeckt, das den materiel ein Drittel der Steuern, der sonstigen
len Einfluss des Imperiums beweist: Es Einnahmen und des Landes.
ist mit feinsten Gold- und Silberwaren Man muss sich düstere Anhöhen irgend Sehen sich die Vandalen also bereits
römischer Werkstätten gefüllt. wo am Mittel- oder Oberrhein vorstel am westlichen Rheinufer, als Herren über
Im Lauf der Jahrhunderte setzen len, dichte Wälder, womöglich kleine Städte mit Thermen und Theatern, als
sich vor allem zwei Unterstämme aus Felder, abgeerntet so spät im Jahr. Bewohner ländlicher Villen, die Rcich-
dem Volk der Vandalen durch, die Am Ufer stehen Reiterkrieger in tümer des Imperiums genießend?
Hasdingen und die Silingen. Wohl vom langen Hosen, die wollenen Umhänge
4. Jahrhundert an werden sie nach und zusammengehalten von verzierten Me-
nach zu Christen —allerdings hängen sic tallspangcn, bewaffnet mit Lanzen,
nicht der Rom beherrschenden katholi Schilden, Wurfäxten, langen Schwertern.
schen Kirche an, sondern der arianischen Bei ihnen Frauen und Kinder, vielleicht
Glaubensrichtung. Sie sprechen ein dem zu Fuß, vielleicht auf Ochsenkarren.
Gotischen nahes Idiom, obwohl, das legt
• •
Für das Jahr 429, also einen gut
zumindest die brüchige Überlieferung 20 Jahre später gelegenen Zeitpunkt,
nahe, die Goten von alters her Feinde der wird ein glaubwürdiger antiker Beobach
Vandalen sind. ter die Vandalen auf 80 000 Köpfe schät
Doch um 400 verschwinden die zen - was bedeutet, dass sic 15 000 bis
Vandalen aus ihrer Heimat an der Theiß. allerhöchstens 30 000 Kämpfer stellen.
Das ist, verglichen mit den römischen
Legionen zur Glanzzeit des Kaisertums,
nicht gerade ein beeindruckendes Heer.
Doch die Reiter sind schnell und
gut organisiert. Das ganze Volk ist ver
mutlich in Tausendschaften aufgeteilt,
die jeweils einem Unterführer folgen.
Über allen steht ein König namens
Godegisel. Zum Gefolge des Herrschers
zählt auch ein Prinz, der königliche
Spross mit einer Sklavin, der allerdings
einen höchst stolzen Namen führt: Gci-
Was ist geschehen? Hat eine Hungersnot serich, „Herrschend mit der Lanze“.
sie fortgetrieben? Oder ist es die Angst Was erhoffen sich die Kämpfer,
vor den Hunnen, die bereits den Osten wenn sie von den Anhöhen auf den
Europas verheeren? W ill man sich in Rhein blicken? Wenn sic nur einen Raub
Sicherheit bringen, bevor jener schreck zug planten, würden sie nicht ihre Fami
liche Feind nahe ist? lien mitnehmen. Wollen sie mit 80000
Auf jeden Fall überschreiten Van Menschen wirklich das Imperium mit
dalen, so Chronisten, um das Jahr 400 seinen Millionen Bürgern unterwerfen?
die Grenze zur römischen Provinz Pan
nonien im ungarischen Donauraum.
M it ihnen ziehen schon bald Sue
ben, ein germanischer Stamm, sowie Zwei Jahre lang ziehen die Van
Alanen, ein Steppenreitervolk, das bereits dalen scheinbar ziellos durch Gallien,
seit Jahrzehnten immer weiter nach Wes machen mal hier, mal dort Beute. Und
ten vordringt und eine iranische Sprache irgendwann sind sie so weit von ihrer
spricht. Eine seltsame Koalition hat sich Heimat entfernt, haben sich auf ihrem
da gefunden, und niemand kann heute Zug so viele Feinde gemacht, dass eine
mehr sagen, wie sie zustande gekommen Umkehr ausgeschlossen scheint
Vandalen
dernd, raubend, gezogen von der Gier nen plötzlichen Richtungswechsel nahe war“, klagt der spätantike Theologe Sal-
nach immer neuen Schätzen, zugleich legt - sei es, dass berittene Kundschaf vian. „Nachdem dieses als Erstes das Ver
auch getrieben von der schieren Not, ter möglicherweise eine Stadt als zum derben erreicht hatte, stand das Land der
denn wenn sie irgendwo länger bleiben, Plündern geeignet befinden, eine andere Belgier in Flammen, dann der Reichtum
dann müssen sie hungern. jedoch nicht. der verschwenderischen Aquitanier und
Bald steigt der Rauch niederge Vielleicht kommt es manchmal so dann das ganze Binnenland von Gallien.“
brannter Häuser über Speyer auf, dann gar vor, dass die Einheimischen selbst Und Orientius, ein gallischer Bi
über Straßburg, M etz, Reims, schof aus ebenjenem finsteren
Amiens, Tournai. Immer tiefer Jahrhundert, resümiert lakonisch:
hinein nach Gallien geht der Zug, „Ganz Gallien rauchte als einziger
immer planloser auch scheint er G e rm a n e n kä m p fe n Scheiterhaufen.“
zu werden. Mal wenden sich die
Krieger hoch nach Norden bis ins
heutige Belgien, dann wüten sie
g e g e n Germanen Doch so wenig solche Berichte
im Zentrum Galliens, schließlich über die Strategie der Angreifer
wälzen sie sich gen Süden. verraten, so wenig weiß man auch
Wenn dahinter eine Strategie von den Vandalen den Weg zum nächsten über die Einzelheiten dieses Höllenzugs.
Godegisel steht, dann ist sie heute nicht N achbarort weisen, bloß um diese Vermutlich nutzen die Vandalen die
mehr bekannt. Jedenfalls sieht es in die schrecklichen Fremden fortzulocken. guten römischen Straßen. Der Tross mit
ser Phase nicht so aus, als würden sich Sicher ist nur, dass etliche römi all den Frauen und Kindern und der im
die Angreifer planmäßig eine reiche, gut sche Provinzen unter den Angriffen der mer weiter anschwellenden Beute, dieser
zu verteidigende Region auf Dauer un Kämpfer Godegisels leiden: „Zuerst hat Lindwurm aus Menschen und Packtie
terwerfen wollen. sich das Volk der Vandalen von seinem ren wird sich wohl kaum mehr als zehn
Vielmehr wirkt es, als treibe der Heimatland über das nahe gelegene Ger Kilometer am Tag bewegen - und wehe
Zufall sie voran: Sei cs, dass eine Kreu manien ergossen, das dem Namen nach dem Landgut oder dem Weiler, wo er
zung zweier Straßen ihnen vielleicht ei barbarisch, der Herrschaft nach römisch abends lagert.
Vandalen
testens jetzt, Tausende Kilometer von der
Heimat entfernt sowie mehrere ausge
plünderte römische Provinzen im Rü
cken, ist klar, dass es kein Zurück gibt.
Kein Vandale könnte sich je mit
seiner Beute wieder bis über den Rhein
davonstehlen. Wer nicht sterben will, der
muss sich Land erkämpfen.
Und tatsächlich: Roms Machthaber
auf der Iberischen Halbinsel fugen sich,
zumindest für den Augenblick, ins U n
vermeidliche. Den Angreifern wird 411
- endlich! - eigenes Land zugeteilt. Die
Hasdingen besetzen den Süden des heu
tigen Galizien sowie Nordportugal, die
Sueben sichern sich den Norden Gali
ziens und Asturien, die Silingen einen
großen Teil Südspaniens, die Alanen
holen sich den Rest Portugals und eine
Ecke Südostspaniens. (Betrachtet man
die Größe der zugeteilten Regionen,
dann müssen Alanen und Silingen die
wichtigsten Gruppen der Angreifer sein.)
Die Einzelheiten des Abkommens
zwischen den Eindringlingen und den
Römern sind nicht überliefert, doch
wahrscheinlich geht nun ein Drittel der Nur kurz währt der Frieden zwischen dem Imperium und den Vandalen. 416
Steuern auf Wein und Silberminen, jeder schickt Rom die m it ihm verbündeten Westgoten nach Spanien, um die Eindringlinge
dritte Denar an Brückengebühren oder zu vernichten. Die richten ihren Blick nun bald weiter gen Süden - nach Afrika
A lan en Konstantinopel •
O s t r ö m i s c
TarifaJ^AIgeciras
Tanger* *Ceuta • > , 'V
0 400 km
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W a n d eru n g a n die röm ische E ro b e ru n g s- u n d P lü n d e ru n g s GE0£P0CH£-Karte
R eich sg ren ze u m 400 n. Chr. zü g e in A frika u n d im M ittelm eer
Vandalen
Gallienzug ah 406 a b 429
Ib e rie n z u g a b 409 K e rn g e b ie t des K önigreichs
d e r V a n d a le n in A frika
411 G e b ie t d e r V an d alen , W est- u n d O ström isches
rxj A lan e n u n d S u e b e n im größte Ausdehnung des Vandalenreichs R eich z u B eginn d er
W eströ m isch en R eich V an d alen zü g e
Kein anderes germanisches Volk gelangt so weit, kein anderes erkämpft sich ein so prächtiges Reich: Um 4 0 0 n. Chr. verlassen die
Vandalen ihr Siedlungsgebiet im heutigen Ungarn und der Slowakei, überqueren 406 die Grenze zum W eströmischen Reich und beginnen
••
einen beispiellosen Raubzug. Uber Jahre hinweg plündern sie Stadt um Stadt, führen auch erbitterte Kämpfe gegen römische Truppen.
Vorübergehend schließt das Imperium sogar Frieden mit den Eindringlingen, überlässt ihnen auf der Iberischen Halbinsel große Territorien.
Doch dann schickt der Kaiser 416 die m it ihm verbündeten Westgoten gegen die Invasoren. Daraufhin ziehen sich die Vandalen in
den Süden Spaniens zurück, setzen 429 über die Straße von Gibraltar - und verheeren Nordafrika. 439 erobern sie Karthago, errichten
dort ein eigenes Königreich, greifen die Balearen, Korsika. Sardinien und Sizilien an. Und plündern 455 schließlich Rom
Plünderungs- und wohl auch Erkun bläulicher Strich über dem Horizont. Und das Imperium? Kein Legionär
dungsfahrten über das Meer. Waffenklirrende Krieger, Familien, Beute erwartet die Angreifer mit dem Schwert
Im Mai 429 wagt Gciscrich den und viele, viele Reitpferde stehen auf den in der Faust, niemand verteidigt den Zu
Sprung auf den anderen Kontinent. Wie schwankenden Decks. tritt zur Kornkammer des Reiches.
der wüsste man gern Einzelheiten. Das Ziel? Wohl die Häfen von Tan
Wahrscheinlich drängen sich die Vanda ger und Ceuta. Selbst ein langsames Se
len in den Häfen Tarifa und Algcciras gelschiff, das bei Morgengrauen in Spa D enn der in Karthago residierende
und vielleicht auch in den Dörfern der nien ablegt, ist am Abend in Nordafrika. Befehlshaber Nordafrikas ist in einen
Umgebung zusammen. Handelsschiffe, Für 80 000 Menschen und den Tross Machtkampf verstrickt, sein Blick richtet
Fischerkähne, jeder schwimmbare Un wird Geiserich Hunderte Schiffe requi sich, zumindest zunächst, wohl eher nach
tersatz wird ihnen recht sein. rieren müssen. In weniger als einer Wo Ravenna als nach Westen. Zudem stehen
Es sind ja an der schmälsten Stelle che wird ihm das vermutlich gelungen seine Truppen weit östlich von Gcisc-
bloß 15 Kilometer, Afrikas Küste ist ein sein. Eine Meisterleistung. richs Landungsstelle. D er entlegene
Nordwestzipfel Afrikas wird traditionell ein kleines Volk in Polen, nach einer
kaum gedeckt. Und schließlich unter Wanderschaft von mehr als drei Jahr
steht dieser Landstrich nicht einmal zehnten und Tausenden Kilometern zu
nominell dem Befehl des afrikanischen den Herren Nordafrikas aufgestiegen.
Feldherrn, sondern gehört zur Verwal- Geiserich gründet ein Reich, das
tungseinheit Spanien - die aber überwie große Teile des Maghreb umfasst, aber
gend in vandalischer I land ist. auch die Balearen, Sardinien, Korsika War dies das Bestreben der Vandalen, als
Geiserich jedenfalls führt sein Volk und Sizilien, denn in Karthago fallen sie zu Silvester des Jahres 406 den Rhein
nun mehr als 2000 Kilometer durch den ihm zahllose Schiffe in die Hände, die überquerten: ein Reich in Afrika? Der
Maghreb nach Osten. Die Truppen, die seine Kämpfer zu Eroberungen nutzen. Untergang Roms? Wohl kaum. Vermut
sich ihm doch noch entgegenstellen, Den Vandalen gelingt es damit als lich erhofften sie sich bloß einen Flecken
schlägt er zurück. Er nimmt die reiche einer der ersten Gruppen der Völker Land in den Grenzen des Imperiums, wo
Stadt Hippo Regius und am 19. Oktober wanderung, ein stabiles und zudem sehr sie den Reichtum Roms genießen, aber
439 sogar die Metropole Karthago, eine wohlhabendes Reich zu gründen. Und auch Rom dienen durften.
der bedeutendsten Hafenstädte des M it sic sind die Einzigen, die darüber hinaus Anders gesagt: Sie wollten anfangs,
telmeeres. Damit sind die Vandalen, einst auch zur maritimen Macht werden, denn auf ihre A rt und ziemlich rücksichtslos,
LITERATUREMPFEHLUNGEN: Konrad
Vössing, „Das Königreich der Vandalen". W is
senschaftliche Buchgesellschaft: gute, über
sichtliche Darstellung vom Volk und seiner
Geschichte, allerdings mit Schwerpunkt auf
der Reichsgründung in Afrika. „Das König
reich der Vandalen", von Zabern: opulenter
Ausstellungskatalog, der in verschiedenen
Durch den Fall Karthagos erbeuten die Vandalen zahlreiche Schiffe, erobern die Beiträgen alle Aspekte vandalischer G e
Balearen, Sardinien, Korsika und Sizilien und plündern im Juni 455 schließlich zwei Wochen schichte sowie die Lage in Westrom und
lang Rom (oben) - ein Schlag, von dem sich das Reich nicht mehr erholen wird Nordafrika beleuchtet.
EIN STAMM,
ZWEI REI CHE
Nachdem römische Truppen ihre Siedlungen am Rhein vernichtet haben, müssen die ursprünglich aus
dem heutigen Polen stammenden Burgunder um 443 an den Genfer See ziehen. Dort begründen sie ein
zweites Reich, das wie keine andere Germanenherrschaft von der Kultur Roms durchdrungen ist
-------------- Text: S I M O N E B E R N A R D : Karte: C H R I S T I A N K U H L M A N N
rsprünglich bewohnen die kursierende Legende, ihr Volk stamme der auch das Umland von Lyon ein und
Burgunder, ein Germanen in Wirklichkeit von den Römern ab. weiten ihr Gebiet schließlich bis Avi
stamm, das Land zwischen Tatsächlich haben die Burgunder gnon im Süden und in die Region um
Oder und Weichsel; so je längst Gebräuche aus dem Imperium Dijon im Norden aus.
denfalls notiert es um 150 n. Chr. der übernommen, nutzen gleiches Geschirr Die Herrscher in Rom, durch Intri
griechische Gelehrte Ptolemaios, der als und Werkzeug, tragen ähnliche Kleidung gen in Italien geschwächt, können diese
Erster die Lage ihrer Siedlungsgebiete und bekennen sich zum Gott der Chris Expansion nicht verhindern. Zudem ha
beschreibt. In den folgenden Jahrzehnten ten. Geführt wird der Stamm vermutlich ben die Burgunder enormen Einfluss in
wandern die Burgunder von dort allmäh von mehreren Kleinkönigen, die dem der römischen Armee: Viele ihrer Ade
lich nach Siidwcsten. Römischen Reich eng verbunden sind: ligen bekleiden hohe Heeresämter und
Möglicherweise wird die Schar von Mindestens einer der Adeligen dient als gebieten über Truppen, die das Reich in
benachbarten Germanen verdrängt: von Leibwächter in der kaiserlichen Residenz Gallien stationiert hat. Der spätere bur-
• rp •
den Gepiden, die in dieser Zeit ihren in Irier. gundische König Gundobad wird um 470
Machtbereich in Richtung der burgun- Im Jahr 407 setzt ein Teil der Bur sogar höchster Feldherr des Weströmi
dischen Gebiete ausweiten. gunder über den Rhein. Bald darauf schen Reiches.
Um 260 stoßen Römer und Bur gründet der Stamm mit Einwilligung des Ab etwa 480 regiert Gundobad in
gunder erstmals aufeinander, als Krieger Kaisers auf römischem Boden am M it Lyon. An seinem H o f wird wohl meist
des Stammes von Norden her über die tellauf des Flusses ein eigenes Reich, Latein gesprochen, die Muttersprache
Donau in eine Grenzprovinz des Impe vermutlich in der Gegend um Worms. vieler seiner Berater. Auch die Höflinge
riums einfallen und Regionen im heuti Als die Neuankömmlinge 435 je sind mit der Kultur Roms vertraut. Die
gen Bayern und vielleicht auch in Vor doch beginnen, eigenmächtig ihr Gebiet Burgunder übernehmen viele der Ge
arlberg plündern. Doch im direkten in Richtung Mosel auszudehnen, wirft setze des Imperiums und dessen Verwal
Kampf sind sie Rom unterlegen: Am ihnen Rom Vertragsbruch vor und straft tung; manche Posten besetzen sie aus
Lech bringen Legionäre den Angreifern sie brutal ab: Aetius, mächtigster Feld Gründen der Gleichberechtigung dop
um 278 eine schwere Niederlage bei. herr des Westreiches, löscht ihren Staat pelt, mit je einem Römer und einem
Etwa in dieser Zeit lassen sich die im Jahr darauf mithilfe hunnischer Krie Germanen.
Burgunder - inzwischen wohl ein Stamm ger aus. Spätere Dichter weben das E r Das Weströmische Reich indes ist
von mehreren Zehntausend Menschen eignis in eine grausame Geschichte ein, mittlerweile untergegangen. Nun steigen
- am mittleren Main nieder, wo sie in die nach dem Ende der Völkerwande die Franken zur neuen Vormacht in Gal
einen jahrzehntelangen Konflikt mit rung in Mittel- und Nordeuropa kursiert: lien auf (siehe Seite 58); schließlich er
den Alemannen verwickelt werden. Sie die Nibelungensage (siehe Seite 101). obert einer ihrer Könige 534 das Gebiet
kämpfen nun auch an der Seite Roms: Die überlebenden Burgunder sie der Burgunder. Aber das scheint für die
Von 356 n. Chr. an schließen sie mit dem delt Aetius rund um den Genfer See an, ses Volk ohne Bedeutung: Bis etwa 600
Imperium mehrere Bündnisse gegen ihre wo sie nach 443 ein neues, nun durch und glauben viele Burgunder, so bezeugen es
alemannischen Nachbarn - und berufen durch römisch geprägtes Reich aufbauen. Grabinschriften, sic seien noch immer
sich dabei auf die offenbar schon länger Im Laufe der Zeit nehmen die Burgun Untertanen Roms. £
ursprüngliches Siedlungsgebiet
zwischen Oder und Weichsel
allmähliche Wanderung
im 3. Jahrhundert
Rheinüber
querung 407
mutmaßliche Grenze des
ersten Burgunderreiches
Ansiedlung am
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Zwang isumsiedlung [
mittleren Main
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GEOEPOCHE-Karte
Die Burgunder, die anfangs zwischen Weichsel und Oder und später am Main siedeln, gründen zwei Reiche auf römischem Boden. Das
erste entsteht ab 407 am Rhein, wird jedoch bald von Rom vernichtet. Das zweite erblüht ab 443 am Genfer See. Von dort expandieren
die Burgunder nach Nordwesten und gen Mittelmeer. 534 wird ihr Reich von den aus Gallien expandierenden Franken unterworfen
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M it ihren Angriffen auf die Goten hat um 375 n. Chr. die Völkerwanderung begonnen. Nun, gut
70 Jahre später, gebieten die Hunnen über ein eigenes Großreich - und attackieren das Imperium
Romanum in mehreren Feldzügen. Angeführt werden sie von einem König, den die Christenheit
schon bald als schrecklichsten aller Barbaren fürchtet, als Strafboten des Allmächtigen: Attila
--------------- Text: J O H A N N E S S T R E M P E L : Illustrationen: T H E C R E A T I V E A S S E M B L Y
Attila
mit ihren Angriffen auf gotische Stämme besetzten sie nicht? W ie viele Flüsse entstellt und gekrümmt, dass man sie für
Die Hunnen leben in ihrer Steppenheimat nicht in festen Behausungen und Siedlungen,
sondern in runden Zelten aus Schafshäuten und Filz, die sie schnell wieder abbauen können. Als
Nomaden versorgen sie sich durch ihre Weidetiere - und durch die Beute von Überfällen
w ic h tig e H u n n e n fe ld z ü g e
u n te r Attila
■ > B alk an feld zü g e 4 4 1 -4 4 7
s & s jj '■- ■ G allien feld zu g 451
umai
■ Italien feld zu g 452
Mainz
West- u n d O ström isches
Reich zur Zeit Attilas
Worms
Metz Straßburg
Orleans Regensburg
451 S ch la ch t
d e n K atalaun o n aü
F eldern
Mailand
Ravenna
Konstantinopel
Attila
Quellen: Großer Historischer Weltatlas, BSV;
Stickler, T.( Die Hunnen, CH.Beck; Kelly, C.,
GEOEPOCHE-Karte Attila the Hun, Vintage Random H.
D ie wahrscheinlich aus Zentralasien stammenden Hunnen (siehe auch Karte Seite 146) erobern nach 375 im Kam pf gegen
zahlreiche germanische Stämme ein gewaltiges Steppengebiet, dessen Zentrum schließlich im heutigen Ungarn liegt. Unter
ihrem Herrscher A ttila sucht die neue G roß m acht ab 440 auch die aggressive K onfrontation m it den beiden römischen
Teilreichen: T ie f dringen die Reiterkäm pfer a u f Kriegszügen zum einen in den Balkan ein, stoßen zum anderen bis nach Gallien
und Italien vor. Ziel der A n g riffe sind jedoch nicht dauerhafte Eroberungen. Die Attacken sind vielm ehr groß angelegte
Raub- und Erpressungsunternehmen, die Beute einbringen und Tributzahlungen erzwingen sollen
hat nichts gemein mit den lateinischen Lebensweise und dem gleichen Lebens Hier leben Nomaden, die, statt Ackerbau
„Chunni“, den „Oünnoi“ der Griechen raum: Reiterkrieger aus der endlosen zu betreiben, mit ihren Herden auf der
oder den „Hunas“, die um 500 n. Chr. ins Weite der eurasischen Steppe - einer Suche nach Weideplätzen das Land
indische Gupta-Reich vorstoßen. Ebene von 7000 Kilometer Ausdehnung, durchstreifen. Weder Gebirgszüge noch
Xiongnu, Chunni, Hunas - alles die sich von der ungarischen Puszta im Meeresküsten versperren dabei den Weg,
Varianten des gleichen Namens: H un Westen bis zur Wüste Gobi und dem manche Sippen legen über 1000 Kilo
nen. Ein Begriff, der, einmal aufgekom nördlichen China im Osten spannt. meter in einem Jahr zurück.
men, beibehalten und auf viele Völker Es ist eine baumlose Landschaft, in Jene Reiterkrieger, die im 4. Jahr
übertragen wurde. Unabhängig von einer der W inde gehen, die einen ausgewach hundert nach Europa vorstoßen, stam
Ethnie oder Stammeszugehörigkeit be senen Mann umstoßen können, und tro men wahrscheinlich aus dem Gebiet des
zeichnet er Gruppen mit der gleichen ckene Sommer auf harte W inter folgen. heutigen Kasachstan, nordöstlich des
Attila
dem Bündnis mit den Hunnen sind nur Bogens kann oft mehrere Jahre dauern,
Es ist ein deutliches Zeichen: Mit noch wenige Soldaten stationiert. Aber und als Waffe ist er den Hunnen sogar
der Abwanderung hunnischer und auch heute ist ein Markttag, und die Bauern zu kostbar, um ihn den gefallenen Krie
anderer barbarischer Krieger über die aus der Umgebung drängen sich in den gern als Grabbeigabe zu überlassen.
Donau soll ein Ende sein. Von jetzt an Gassen, um ihre Waren zu verkaufen. In ihren Reitkünsten sind die
gilt es als Verbrechen, aus dem M acht Da zeichnet sich in der Ferne eine Kämpfer allen Völkern überlegen: Wenn
bereich der Hunnen ins Römische Reich Staubwolke ab. Dunkle Schatten berit sich ihnen Gegner nähern, lassen sie die
zu fliehen. Die Brüder wollen ein wirk tener Krieger lösen sich aus dem Dunst, ins Leere reiten, täuschen gar die Flucht
liches Reich mit wirklichen Untertanen.
Darüber hinaus trotzen die beiden
den Unterhändlern in einem Vertrag
einen verdoppelten Tribut für den Frie
den ab: 700 Pfund Gold im Jahr.
Warum lässt sich der Kaiser in
Konstantinopel darauf ein? Zwar haben
die Hunnen eine furchterregende Streit
macht, doch sind sie den Legionen so
wohl an Zahl wie Disziplin unterlegen.
Aber Ostrom ist eben auch ein gro
ßes Reich mit vielen Feinden. Eine si
chere Donaugrenze und eine verlässliche
Ordnungsmacht am jenseitigen Ufer sind
dem Kaiser den Preis wert. Die Truppen,
die den Fluss bewachen, kann er gut in
anderen Reichsteilen gebrauchen.
Attila und Bleda wiederum benöti
gen das Geld, um die Gefolgsleute ihres Auch große Städte fallen den Hunnen zum Opfer. Im Jahr 447 steht Attila vor
Onkels an sich zu binden. So funktio der oströmischen Kapitale Konstantinopel. Doch er sieht von dem entscheidenden
niert die Hierarchie der Hunnen: Die A ngriff ab - unter anderem, weil eine Epidemie seine Truppen schwächt
Überfällen entfachen
Prozent der jährlichen Steuereinnahmen zügen zerstört wurde. Jetzt ist sie verlas Feldlager des Hunnenkönigs - eine Fülle
Ostroms aus. Ein Krieg mit den schreck sen. Nur in einem Spital dämmern ein dicht beieinanderstehender Zelte in einer
lichen Hunnen käme bedeutend teurer. paar Kranke, gepflegt von Mönchen. Das Ebene. Um Attilas Zelt stehen Krieger
Weitaus demütigender fiir Konstan- Ufer eines nahen Flusses ist voller ge Wache, der König erwartet den Besuch
tinopel ist Attilas zweite Forderung: die bleichter Knochen der Gefallenen. auf einem hölzernen Thron. Zunächst ist
Einrichtung einer Pufferzone südlich der Die M änner ziehen weiter über er freundlich, erwidert die Grüße und
Donau. Eines entmilitarisierten und ent Tage durch verwüstetes Gebiet, vorbei an guten Wünsche des Kaisers.
völkerten Streifen Lands zwischen bei verlassenen Dörfern und niedergebrann Doch als die Sprache auf die hun
den Reichen, bis zu 150 Kilometer breit.
a•
ten Höfen, und erreichen schließlich nischen Flüchtlinge kommt und die Rö
Der I lunne will sich so vor Über jenseits einer Schlucht die Ufer der Do mer sagen, sie hätten bereits alle ausge
raschungsangriffen schützen, den Rö nau. Fährmänner setzen sie in Einbäu liefert, ergrimmt Attila in jähem Zorn.
mern nimmt er mit dem Fluss ihre seit men über den Strom. Dahinter beginnt Er lässt seinen Schreiber eine Liste
Jahrhunderten bewährte Grenze. das unbekannte Reich der Hunnen. mit Überläufern vorlesen, die sich an
Die Gesandten reisen in heikler geblich noch bei den Römern befinden,
Mission, es sind krisenhafte Zeiten. und herrscht den Übersetzer der Gruppe
Durch diese Pufferzone reist im Sommer Schon viermal in diesem Jahr hat Attila auf Hunnisch an, er würde ihn am liebs
449 ein junger Diplomat namens Priskos. Unterhändler nach Konstantinopel ge ten „den Geiern zum Fraß“ vorwerfen.
Er stammt aus Thrakien, hat Rhetorik schickt, weil noch immer nicht alle hun Dann aber beruhigt er sich wieder
und Philosophie studiert und ist Teil nischen Flüchtlinge an ihn ausgeliefert und lässt die Gesandten wissen, er wün
einer oströmischen Gesandtschaft, die seien, wie er sagt. sche nun die Geschenke des oströmi
Attila in seiner Residenz die Aufwartung Der König ist gereizt - und wann schen Kaisers zu begutachten.
machen soll. Später wird Priskos die E r immer er seine Forderungen nicht erfüllt Die Gespräche sollen in Attilas
innerungen an die Reise niederschreiben. sieht, droht er mit einem neuen Feldzug. Residenz fortgeführt werden, die eine
Es ist ein einmaliges Zeugnis: der Priskos beobachtet Kämpfer, die sich am Wochenreise entfernt liegt.
einzige erhaltene Bericht eines Augen Flussufer sammeln, „weil Attila auf rö Die Gesandten machen sich auf
zeugen über Attila und dessen Reich. misches Gebiet übertreten wollte, unter den Weg. Sie kommen durch eine weite
Am Beginn der Pufferzone schlägt dem Vorwand, dort zu jagen. In W irk Ebene aus Sümpfen und Marschland,
die Gruppe ihr Lager in Naissus auf lichkeit aber rüstete er zum Krieg.“ erhalten von den Bauern hartes Brot aus
(heute Nis in Serbien). Eine prächtige Nicht weit von der Donau entfernt, Gerste statt des gewohnten Weizens,
Stadt, bis sie von Attila auf seinen Feld erreicht die kleine Gesandtschaft das trinken M et statt Wein und manchmal
Bier, gebraut aus Hirse. Während eines Als die Gesandten ankommen, ist Die römischen Unterhändler lässt
Gewitters suchen sie Zuflucht in dem der O rt in freudiger Aufregung: Denn er dagegen warten. Sie werden zwar noch
D orf einer vornehmen Frau - wie sich auch Attila und seine Krieger sind gerade am selben Abend zu einem Festbankett
herausstellt eine Witwe von Attilas er eingetroffen. Ein Reigen von Mädchen in Attilas Halle eingeladen, sitzen dann
mordetem Bruder Blcda. Sic „schickte geht dem Herrscher unter ausgebreiteten aber zu weit entfernt, um mit ihm zu
uns Proviant und schöne M ädchen“, weißen Schleiern entgegen und singt sprechen.
schreibt Priskos, „mit denen wir der hunnische Lieder. Der Herrscher thront zu diesem
Liebe pflegen sollten“. Auf diese Weise Eine vornehme Frau tritt aus einem Anlass auf einem Bett in der M itte des
würden die Hunnen Gäste ehren. Haus, ihre Dienerinnen bringen Speisen Saales, links und rechts an den Wänden
und Wein, und Attilas Gefolgsleute hal stehen Stühle für die Gäste. Hinter ihm
ten einen silbernen Tisch in die Höhe, führen ein paar Stufen hinauf zu einem
damit der König vom Sattel aus höflich weiteren Ruhelager mit Leinentüchern
davon kosten kann. Dann zieht er sich in und bunten Decken, das Priskos an ein
seinen Palast zurück. I Iochzeitsbett Neuvermählter erinnert.
Die Besucher dürfen sich im Dorf Die Großen des Reichs haben sich
frei bewegen. Um eine weitere Audienz an diesem Abend in der Halle versam
zu erhalten, übergibt Priskos Geschenke melt. Es sind nicht nur Hunnen —Attila
an Attilas Hauptgemahlin. In einem der herrscht über einen Vielvölkerstaat, sein
schönsten Häuser ruht sie auf einem wei H of ist der Treffpunkt einer internatio
chen Lager. Wollene Teppiche sind auf nalen Aristokratie. Herkunft spielt im
dem Boden ausgebreitet, auf denen Die Verständnis der Hunnen, die ja selbst
nerinnen sitzen und kunstvolle Sticke eher die Lebensweise als die Abstam
reien fertigen, die später die Kleider der mung eint, keine Rolle.
Attilas Residenz (die wohl irgendwo im Krieger zieren werden. Ostgoten, Gepiden und Skiren ge
heutigen Ungarn liegt) ist auf der Anhö Dann hört der Römer draußen das hören zu Attilas engsten Vertrauens
he oberhalb eines ausgedehnten Dorfes Rufen einer Menge und sieht plötzlich leuten, auch ein Römer ist darunter.
errichtet. Die Anlage ist von einem Zaun Attila. Ohne jede Leibwache oder ein Allesamt sind es Fürsten, die sich nach
mit Türmen und Palisaden umfriedet, Insigne der Macht tritt der Herrscher aus Attilas Tod in der barbarischen wie der
dahinter befindet sich ein großes Haupt dem Haus. Untertanen tragen ihre Streit römischen Sphäre zu behaupten wissen.
haus aus Balken und mit getäfelten Wän fälle vor und nehmen seine Schiedssprü Und niemand kann es zu diesem
den, an das sich hölzerne Säulenhallen che entgegen. Danach empfangt Attila Zeitpunkt ahnen, aber unter Attilas Ge
und kleinere Gebäude anschließen. einige Gesandte barbarischer Stämme. folge sind drei Männer, deren Söhne
einmal nacheinander Italien beherrschen
werden: die Väter von Romulus, dem letz
ten weströmischen Kaiser, von Odoaker
und von Theoderich.
Mundschenke bewirten die Gäste.
Vor den Gängen erheben sich die Fürs
ten und leeren ihr Glas zu Ehren des
Königs. Alle Anwesenden essen erlesene
Speisen von silbernen Tellern und trin
ken Wein aus goldenen und silbernen
Bechern. Nur Attilas Teller ist aus Holz
und lediglich mit Fleisch gefüllt.
„Schlicht war auch sein Gewand,
das nur durch fleckenlose Reinheit her
vorstach“, schreibt Priskos. Anders als bei
den übrigen Hunnen waren „weder sein
Schwert noch die Bänder an den Sanda
len mit Gold, Edelsteinen oder anderem
Zierrat geschmückt“.
Möglich, dass der König der Hun
nen ein besonders maßvoller Herrscher
Für die meisten Siedlungen bedeutet ein A n g riff der Hunnen wie ist. Doch eher wahrscheinlich, dass er
hier das Verderben. W egen ihres Tempos, ihrer Schlagkraft und der Effizienz sich für seine römischen Besucher als
ihrer W affen gelten A ttilas Mannen vielen als unbesiegbar besonders bescheiden in Szene setzt.
Attila
Als um 450 n. Chr. die Tribute aus
dem Osten ausbleiben, wendet sich
A ttila nach Westen. Und verbreitet
auch dort, bis ins Herz Galliens, beamten, der sich angeblich Goldgefäße 440er Jahren den Rang eines Ileermeis-
Schrecken und Zerstörung, um vom angeeignet habe, die Attila zustehen. Der ters erhalten zu haben - möglicherweise,
weströmischen Herrscher G eld H unne scheut sich nicht, den U nter weil er Westrom Hilfstruppen gegen
gegen Frieden zu erpressen händlern mit Krieg zu drohen, sollte der Barbaren in Gallien gesandt hat.
Schuldige nicht ausgeliefert werden. Wahrscheinlicher aber ist, dass sein
Was geht in Attila vor? Interessiert „Ehrensold“ in Wirklichkeit ein Tribut
er sich wirklich für jede Kleinigkeit in ist, um ihn vom Westen fernzuhalten.
seinem Reich? Will er den Römern seine
jüngster Sohn hereinkommt, blickt er Allmacht demonstrieren? Oder einen
zärtlich auf und streichelt seine Wange. Vorwand für einen neuen Krieg finden? Doch im Jahr 450 stirbt überraschend
Trotz der gastfreundlichen Aufnah Der weströmische Gesandte deutet der Kaiser von Ostrom, und sein Nach
me durch die Hunnen können die Ge es Priskos so: Keinem anderen Herrscher folger macht ein Ende mit der Be
sandten letzten Endes wenig erreichen. sei so schnell so viel gelungen. Sein schwichtigungspolitik gegenüber den
Als Attila die Besucher endlich ein Glück habe Attila „so hochmütig ge Hunnen: Er stellt alle Zahlungen ein.
weiteres Mal empfangt, ist keine Rede macht, dass er gerechten Vorstellungen Attila, der auf Gold für seine Vasal
mehr von Flüchtlingen. Stattdessen er nicht mehr zugänglich ist“. len angewiesen ist, müsste nun Krieg
zählt er eine verworrene Geschichte von Der Gesandte erzählt Priskos auch, führen. Aber die Provinzen auf dem Bal
seinem Sekretär, dem eine reiche Frau dass Attila vom weströmischen Kaiser kan sind ausgeblutet, und Konstantinopel
scheint zu mächtig für einen Angriff. Da kommt das Gerücht auf, die aufwuchsen. Er hat die Verbindung zu
Beim letzten Mal ist ihm nicht entgan Schwester des Kaisers in Ravenna habe den Hunnen aufrechterhalten, viele ihrer
gen, wie stark die Stadt befestigt ist. dem Hunnenkönig heimlich die Ehe Kämpfer haben seine Legionen unter
Also wendet er seinen Blick nach angetragen. Eine kaum zu glaubende stützt. Vielleicht war cs sogar Aetius, der
Westen. Geschichte, vielleicht von Attila selbst in Attila den Titel des Heermeisters ver
die Welt gesetzt. Nun fordert er als schafft hat. Jetzt sind sie Gegner.
Brautgeld nicht weniger als die Hälfte Zu Beginn des Jahres 451 macht
des Reichs vom Kaiser. sich Attilas Heer auf den Weg. Unter
Zeigt sich hier der Größenwahn, wegs schließen sich ihm weitere Stämme
von dem der weströmische Gesandte zu an, es sind wohl einige Zehntausend
Priskos sprach? Natürlich lehnt der Kai Krieger, die bald darauf den Rhein über
ser ab - und Attila rüstet zum Feldzug. queren. Die H orden plündern Trier,
Die Entscheidung über das Schick Metz, Reims, Troyes, belagern Orleans.
sal des Weströmischen Reiches fällt nicht Es ist dieser Feldzug Attilas, der
in Italien, sondern in Gallien, wo der sich tief ins Gedächtnis des Abendlandes
heimliche Herrscher Roms, der Heerfüh eingräbt. Selbst der Papst soll in den
rer Aetius, mit seinen Truppen steht. H unnen die „Geißel Gottes“ erkannt
Denn, so Attilas vermutliches Kal haben: die Zuchtrute, mit welcher der
kül: Würde er zuerst Italien angreifen, Herr die sündige Menschheit peitscht.
Westrom ist ebenso wohlhabend wie der könnte Aetius ihm in den Rücken fallen. Aetius hat inzwischen ein Bündnis
Osten, aber geschwächt durch M acht Würde er Aetius aber in Gallien schla mit den Westgoten geschlossen. Diese
kämpfe sowie germanische Völker, die gen, dann hätte er in Italien leichtes Allianz stellt Attilas Heer im Juni 451 auf
inzwischen bis nach Spanien und Nord Spiel. Also sucht Attila die direkte Kon den Katalaunischen Feldern in der
afrika vorgedrungen sind. Attila muss nur frontation. Champagne. Es kommt zu einer wahren
noch einen Vorwand finden, um den Aetius gehörte in seiner Jugend zu Völkerschlacht: Unter dem Banner des
Bündnispartner mit Krieg zu überziehen. den Geiseln, die am H o f der I lunnen Aetius kämpfen Römer, W estgoten,
des Attila ne des Königs Nibelung erschlagen und deren Schatz geraubt
sowie eine Tarnkappe, die unsichtbar mache und übermensch
liche Kräfte verleihe. Zudem habe er einen Drachen erstochen
Das Lied der N ibelungen, eines der bedeutendsten und in dessen Blut gebadet, was seine Haut unverwundbar
W erke deutschsprachiger D ichtung, verw ebt die
machte (bis auf eine kleine Stelle zwischen den Schultern).
Begebenheiten der Völkerwanderung m it der W elt
Trotz der Warnungen Hägens wird Siegfried gastlich
der Sagen. So wird aus dem Hunnenherrscher aufgenommen. Doch bevor er Kriemhild heiraten darf, soll er
A ttila beispielsweise der König Etzel
Attila
Nach dem Tod ihres G atten Siegfried heiratet die
Sagengestalt Kriem hild (im Bild links) den bekrönten
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Hunnenherrscher Etzel (Buchmalerei, 15. Jh.)
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nti f(K>nr «vt? ferner
Günther helfen, die isländische Königin Brünhild als Frau zu
vil 4u< fn»V .:U p. V p rt.U (tn V i W im
cM u« n d t öu m W tift w rnvr fcr
gewinnen, die über magische Kräfte verfugt, solange sie jung
tvot*r \otabA . v n Vtfflhir frvuiimj'.w wcAidabapn.bvr«vwr ***1*r-Cm fräulich bleibt. Siegfried erfüllt dem Burgunderkönig diese
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V i t w w ir fr MW 9 'm Vtv f i t e h o f e turi» rtm dfrbH i«. n n d i o t f
Bitte: Verborgen dank der Tarnkappe, ringt er Brünhild nieder,
v u h « i n . fr\wch in f tn « r m q tn b e 9 ftn r r civn n i 5 n wa sodass Günther ihr die Jungfräulichkeit nehmen kann.
T T n i w t m .trftr M i e+ cen » tu - k r .if r f ü *•*n m r f ttiK 'to r
( r W o i . ^ I I X 5rY£Mt«ta*-to « A i r u i t r f l v . r r . i t • W m tm .fc m H * Viele Jahre später verrät Kriemhild Brünhild, dass Gün
#*r Ml t r : d « i U u r - S r N w « * . W fcnn »>'»«•<» w * " * m ir
n t t t m t r u * M tu Lmfc«n.*U(h rtrt* v u rttH ifr n u r W d i d i m n t u - w *
ther sie einst nur mit Siegfrieds Hilfe bezwungen hat. Brünhild
.1tr mbH ur. ftÄurfcro vnm ntc^ .frr von T-m frtm vm mr. fordert von Günther daraufhin den Tod des Drachentöters,
) , »rVn WwnKir mn«M Ufi^ f f j y r j n . w i v ü M unt «tUu.m «Mim
f m frn m m h **e b d k « w d * « . \ n m a n K n- fpC M pr und Hagen schreitet zur Tat: Er stößt seine Lanze in Siegfrieds
. •>ii«hvitr tnC cK trpfm O rttrn . ^ r r * ~ ^ 4 i uuä w i H j^ m r
Wi «vc)»fr bnifrftii t i w W r t '& f c . r f l r w n f lk m m » n w i i i . h f w n r einzige verwundbare Stelle - und versenkt den Nibelungen
■ f ti.ty in ' 6c** » n «LU<nMtrA>gJKfr ***i Ä w
w n r & w td rfr* n -" rtie i« n * ifrc m v « f r w U t r \ y n
m ir j r i m m d U n M b r
4 tn W rr^ v n o lr
schatz im Rhein.
öiVr Wntn «iv.it» y U g m «*tf vT» fr « m . fr freier kuniojr -nan. Kriemhild sinnt nun auf Rache für den Tod ihres Mannes.
f, b ftro m v i i n u i - n n t tr r im t frrfirii f p m m c n n j u n l u n . B i i n h w i r r
fr* u u f « u r f d u U k .f * • ttifr* « . m tn m 13 Jahre lang muss sie machtlos am H of Günthers leben, che
m , fc w M r fr' »** fcwmc** « n w nM ? • cyi*. » riu*r wai
Etzel, der mächtige König der Hunnen, um ihre Hand bittet
und sie sein Werben erhört. Als sie weitere Jahre später ihre
Brüder an den Hunnenhof lädt, wittert Hagen eine Falle.
Dennoch ziehen die Könige samt Gefolge zum Palast
von Etzel. Fortan nennt der Dichter der Sage die Burgunder
„Nibelungen“: Der Schatz hat erst den Söhnen König Nibe-
lungs und dann Siegfried den Tod gebracht, und bald wird sein
Das Nibelungenlied wird um 1200 niedergeschrieben. Fluch auch Günther und seine Brüder treffen.
N ur wenige Jahre später entsteht diese H andschrift des Tatsächlich flammt an Etzels H of tödlicher Streit auf.
Textes. Es ist die älteste überlieferte Die Nibelungen fechten gegen die Hunnen sowie germani-
LITERATUREMPFEHLUNGEN: Histori
sches Museum der Pfalz Speyer (Hg.),
..Attila und die Hunnen". Theiss Verlag: Der
Ausstellungskatalog bietet einen guten, um
fassenden Einstieg in die Welt der Reiter
Irgendwann mehren sich die Niederlagen der Hunnen, die römischen Tributzahlun krieger. Christopher Kelly, ..Attila the Hun",
gen bleiben aus. Als Attila unerwartet stirbt, zerfällt sein Reich binnen kurzer Zeit in Vintage Books: teils etwas reißerische, aber
Nachfolgekämpfen. Dem temporeichen Aufstieg folgt ein rasender Niedergang lesenswerte Biografie des Hunnenkönigs.
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Vorbasse
H a d ria n s w a ll
□ FeddersenWierde
Mercia East E in f ä l l e i n E n g l a n d
Anglia A ngeln
Briten Sutton Hoo S ach sen
Verulamium J ü te n
(St Albans) F lu ch t au s E n g lan d
London Briten
Wessex
K ö n i g r e ic h e u m 6 0 0
I I A ngeln
I I S achsen
J ü te n
Britannien
I I B riten
Um das Jahr 4 0 0 ziehen die Römer ihre Legionen aus Britannien ab und überlassen die Region ihrem Schicksal.
Was genau in der Folgezeit geschieht, ist bis heute um stritten. Sicher ist nur: Die germanischen Angeln, Sachsen und Jüten
nutzen das M achtvakuum und siedeln sich im Laufe des 5. Jahrhunderts auf der Insel an. Ihre angestammte Heim at
hingegen verödet. In blutigen W irren erweitern die Invasoren ihr H errschaftsgebiet im m er weiter, einzig das heutige Wales
und Cornwall erobern sie nicht. Viele Briten verlassen das Land und fliehen nach G allien, etwa in die heutige Bretagne.
Jahrhundertelang ringen W arlords um die M acht - bis sich um 600 mehrere stabile Königreiche etabliert haben
Also muss der römische Kaiser auf Imperiums. Rom pumpt viel mehr Geld kein Geldstück stammt aus der Zeit nach
der Insel stets mehrere Legionen statio nach Britannien hinein, als es aus der 402 n. Chr. Noch jahrzehntelang werden
nieren, die sich schließlich vor allem Provinz herausholt: Jahr um Jahr ankern im Imperium Romanum Münzen ge
hinter dem 128 n. Chr. fertiggestellten Frachtsegler in den Häfen von London schlagen, doch kaum eine erreicht mehr
Hadrianswall verschanzen. und anderen Städten, in deren Rümpfen die Insel. Ganz Britannien, so scheint es,
Dieser Limes, ein turmbekrönter Truhen voller Münzen sind, mit denen ist um das Jahr 400 schlagartig der Geld
Grenzwall mit Militärlagern im Hinter Bauern, Händler und Legionäre bezahlt zufluss verweigert worden.
land, riegelt die schmälste Stelle Nord- werden. Dafür liefert die in Teilen äu
englands von den schottischen H igh ßerst fruchtbare Provinz Getreide an die
lands ab und schützt fortan die Provinz römischen Armeen. Zur gleichen Zeit verfallen die britischen
vor Überfallen. Hin und wieder verliert jemand ein Städte. Im antiken Verulamium (St
Man muss sich das England jener Geldstück. Archäologen und Schatz Albans) etwa scheinen die Wohnhäuser
Zeit als eine Art riesigen Garnisons sucher werden später Tausende Münzen kurz vor 400 aufgegeben zu werden und
standort vorstellcn, versorgt durch die bergen, in allen Regionen Englands, aus zu verfallen, ins leere Theater werfen die
Ressourcen der reicheren Regionen des fast allen Zeiten des Kaiserreiches. Doch letzten Einwohner ihren Müll.
Der Ursprung der mehr als 3500 Einzelteile des Schatzes von Staffordshire - hier ein Schmuckblech in Form zweier A d le r - lässt sich heute
nicht m ehr genau bestimmen. Zu verworren sind die Verhältnisse auf der Insel nach dem A bzug der Römer, zu undurchschaubar die Fehden
der Eroberer. Sicher ist nur, dass der H o rt in einem früheren angelsächsischen M achtzentrum gefunden wird: dem Reich von Mercia
Britannien
hier und da Reste hölzerner Hütten auf wird immer größer: Im Jahr 381 verlässt
Mosaikböden nachweisen: Offenbar hat der kaiserliche H of Trier, zieht sich nach
man nach 400 diese Behausungen in grö Südfrankreich, später nach Mailand und
ßere, leere Räume hineingebaut.
Und gelegentlich können Archäo
Schicksal schließlich bis nach Ravenna zurück.
Und je kritischer die Lage an den
logen nachweisen, dass Monumente sys Außengrenzen im Westen wird, desto
tematisch abgetragen worden sind: Im gnadenloser ist der Machtkampf im In
Verlauf des 5. Jahrhunderts werden bei M it den Monumenten verschwin neren: Etliche Feldherren putschen und
spielsweise in Wroxeter und Exeter die det auch die Gelehrsamkeit. Kein antiker erklären sich kurzerhand zu Herrschern.
Steine von Basiliken - gewaltiger Markt - Chronist überliefert, wann und warum Im Jahr 383 steigt ein hoher Offi
und Gerichtsgebäude - bis auf die und wie Britannien verfällt - und dieses zier von Britannien aus in dieses mörde
Grundmauern fortgeschafft. Niemand um das Jahr 400 einsetzende Schweigen rische Spiel ein: Magnus Maximus, ein
weiß, wer diesen Abbruch organisiert hat. wird fast zwei Jahrhunderte lang währen. Berufssoldat aus armer Familie, der sich
Denn auch über die Jahrzehnte, bis zum Oberbefehlshaber aller Legionen
die auf diesen Zusammenbruch folgen, auf der Insel hochgedient hat. Bald nach
Auch jenseits der britischen Städte zeigt berichtet so gut wie niemand. dem Gratian, der legitime weströmische
sich überall das gleiche Bild: Kaum ein Text ist überliefert, den Herrscher, seinen H of in Trier verlassen
• die Villen auf dem Land - auf Historiker auswerten könnten. Archäo hat, rufen Britanniens Legionen Maxi
gegeben bis auf ein paar Verschlüge, die logen bergen nur wenige und meist rät mus zum Kaiser aus.
jemand in den Ruinen errichtet hat; selhafte Zeugnisse aus dem Boden. Der Putschist segelt mit seinen
• die Forts am Hadrianswall - auf Bei den Dark Ages stoßen Wissen Truppen nach Gallien, wird von Gratian
gegeben bis auf wenige Bastionen;
• •
schaftler an die Grenzen ihrer Kunst. Sie zum Kampf gestellt und besiegt dessen
• die Acker - ebenfalls aufgegeben, können bloß lückenhaft Daten, Ereig Truppen; der Kaiser wird erschlagen.
wie Wissenschaftler über Pollenanalysen nisse, Entwicklungen rekonstruieren, und Bald kontrolliert Maximus auch Spa
in bestimmten Erdschichten herausfin- die Ergebnisse sind oft umstritten und nien und residiert in der alten Kaiserstadt
den, die zeigen, dass auch die Getreide widersprüchlich. Trier. Fünf Jahre lang darf er davon träu
felder veröden und an ihre Stelle wieder Weshalb kollabiert um 400 n. Chr. men, die ganze Macht des Imperiums an
Wildkräuter und Bäume treten. die römische Zivilisation in England? sich zu reißen. 388 fällt er in Italien ein,
Kurz: Britanniens Kultur kommt Und was geschieht in den beiden darauf stellt sich dem oströmischen Herrscher
um das Jahr 400 zu einem abrupten Halt, folgenden Jahrhunderten? Theodosius zur Entscheidungsschlacht
Nach und nach schließen sich die germanischen Invasoren zu immer größeren Gruppen zusammen. Im Osten der Insel gründen Krieger
vom Stamm der Angeln ein Herrschaftsgebiet, das sie »East Anglia« nennen. Um 600 ist dieses Reich bereits so mächtig, dass einer seiner
Anführer in einem gewaltigen Schiffsgrab beigesetzt wird - mitsamt diesen prunkvollen Schulterstücken (Fund aus Sutton Hoo)
Als Archäologen im Jahr 1939 den G rabhügel von Sutton H oo öffnen, stoßen sie auf die Überreste eines rund 30 M eter langen Schiffes, in
dessen Innerem ein hoher A d e lig e r bestattet worden ist. Die G rabbeigaben, wie diese Gürtelschnalle, beweisen die hohe K unstfertigkeit der
Angelsachsen. D och die A rt der Bestattung deutet darauf hin, dass die Eroberer um 600 noch im m er teilweise heidnischen Sitten folgen
über die Nordsee. Und sie werden auf England an; zudem landet noch Verstär verzweifelter Briten erreicht: E r möge
strategische Positionen verteilt. kung aus der Heimat an der Küste. ihnen beistehen! Das bedeutet, dass auch
Tatsächlich finden sich viele der noch zu dieser Zeit Kämpfe zwischen
ältesten archäologischen Spuren der ie Ex-Söldner folgen dabei Briten und Sachsen toben, aber nicht
Sachsen in England auf einer Achse von
Kent im Süden über York bis an den
Hadrianswall - also dort, wo noch kurz
zuvor Legionen stationiert waren.
Nach dem Scheitern von Maximus
D keinem Masterplan und erst
recht keinem obersten König.
Man muss sich dieses Ringen
vielmehr als Kampf versprengter Solda
tenhaufen unter selbst ernannten War-
entschieden sind. Aetius jedoch hat viel
zu wenige Soldaten unter seinem Kom
mando, um auch nur einen von ihnen auf
die Insel zu schicken.
De facto gibt Rom damit das Land
aber stehen diese Söldner plötzlich in der lords vorstellen, jeweils mit dem Ziel, ein Britannien verloren, da sein oberster
Fremde: ohne Geld, ohne Schiffe, um Tal, ein altes Römerlager, einen wichti Feldherr keinen Versuch unternimmt,
wieder in die Heimat zurückzusegeln. gen Hügel unter Kontrolle zu bringen. es zu verteidigen. Und auch die Briten
Doch müssen sie das überhaupt? Nun bricht überall das Chaos aus, scheinen begriffen zu haben, dass ihnen
Die Sachsen leben ja in einer rei allerorten entbrennen Kämpfe - es kein Kaiser helfen wird. Mehr noch: dass
chen, fast wehrlosen Region. kommt zum Kollaps der Zivilisation. sie nicht länger zum Imperium gehören.
Boten werden nach Germanien ent Indizien? Der Feldherr Aetius, der Viele von ihnen fliehen jedenfalls
sandt, um Verstärkung zu holen. Und so letzte große General Westroms, zieht 448 um die Mitte des 5. Jahrhunderts von der
greifen die Fremden von innen heraus in in Gallien ein, als ihn eine Gesandtschaft Insel nach Gallien, wo noch die letzten
Britannien
England versinkt nun in Jahrzehnten Grabbeigaben, etwa ein Helm, der mit diese Arbeiten und selbstbewusst genug,
lokaler Fehden. Es kommt nicht zu einer Mustern verziert ist, wie sie auch in Ger um zu glauben, dass man hier einen
einzigen, heroischen Schlacht der Briten manien und Skandinavien populär waren, Kultort für die Ewigkeit schafft - und
gegen die Sachsen —vielmehr liefern sich was vielleicht bedeutet, dass hier ein nicht einen Platz, den man vielleicht
kleine Gruppen endlose Scharmützel.
Und oft genug sind manche sächsische
und britische Horden sogar unterein
ander verbündet und bekämpfen andere
sächsisch-britische Haufen.
Niemand, so scheint es, kümmert
sich auf der Insel in dieser Zeit um den
Rest Europas. Niemand schreibt Berichte
für die Nachwelt, wahrscheinlich kann
auch kaum noch jemand schreiben.
Niemand kümmert sich mehr um
G o tt und die Kirche. Niem and, so
scheint es, reist noch übers Meer. Für die
Zeitgenossen auf dem Kontinent - für
die letzten Römer, flir die germanischen
Sieger, für den Papst und die Bischöfe -
muss es so sein, als verschwinde das alte
Britannien hinter einem Nebel.
Niemand im Rest Europas weiß,
was auf der Insel geschieht. Doch es
müssen sich Dramen abspielen: Denn als
sich der Nebel nach Jahrzehnten endlich
wieder lichtet, sieht England fundamen
tal anders aus. Männer zwischen zwei Bestien: Das Motiv, das auf diesem Deckel einer Geldbörse aus dem
Im Jahr 1939 wird in Sutton Hoo Grab von Sutton Hoo prangt, ähnelt skandinavischen Darstellungen. Vermutlich stehen die
bei Ipswich ein Grabhügel geöffnet. Dort wilden Tiere für zwei Eigenschaften, die jeder Herrscher benötigt: Stärke und Mut
Um 600 laufen thrymsas genannte Geld ganzen Volks durchsetzen. Warum dann Möglich ist das schon, wahrschein
stücke um, ihr Name ist eine Verschlci- also Englisch? Vielleicht weil die Angrei lich ist cs nicht. Viel wahrscheinlicher ist,
fung des lateinischen tremissis - so hei fer fast alle Briten, die nicht rechtzeitig dass niemals mehr Licht fallen wird auf
ßen die Münzen in Gallien. In manchen in die Bretagne oder in die Highlands jene zwei Jahrhunderte, in denen es dun
Ortschaften, Ipswich zum Beispiel, wer flohen, niedermetzelten, sodass am Ende kel wurde in Britannien. £
den nun auch wieder Töpferwaren und kaum noch jemand blieb, der die alte
andere Produkte des Kontinents gehan Sprache beherrschte? G E O E P O C H E -A utor C ay R adem acher,
delt. Kurz: Politisch, religiös und kom Verbirgt sich im großen Schweigen Jg. 1965, hatte im Studium der A lten Ge
merziell ist England um 600 im mittel womöglich das Schweigen über einen schichte nur gelegentlich m it Britannien und
alterlichen Europa angekommen. großen Mord, wie britische Geschichts seinem rätselhaften Ende zu tun —obwohl
So könnte es gewesen sein. schreiber lange vermutet haben? Gegen doch der Kollaps einer K ultur höchste
diese These spricht, das weder archäolo Aufmerksamkeit verdient hätte.
gische Funde noch neuere DNS-Unter-
Oder hat es sich ganz anders zugetragen? suchungen sie stützen.
Ist es noch viel brutaler, viel rücksichts Werden wir also je genau erfahren, LITERATUREMPFEHLUNGEN: Guy Hal
loser zugegangen? Um 400 spricht nie was in den Dark Ages geschah? Liegt sall, „Worlds of Arthur. Facts and Fictions
mand auf der Insel Englisch, sechs bis irgendwo ein Fürstengrab, dessen Schatz of the Dark Ages “. Oxford University Press:
sieben Generationen später ist es das das Rätsel erhellen könnte? Verbirgt sich bringt auf bewundernswert klare Weise, so
vorherrschende Idiom der Insel gewor in den Ruinen einer römischen Villa eine weit das möglich ist. Licht in die dunkelsten
den. Noch zweimal haben im Mittelalter Spur, die darauf hindeutet, wohin die beiden Jahrhunderte englischer Geschichte.
Fremde England unterworfen, die W i Besitzer verschwunden sind? Ruht in Helena Hamerow (Hg.). „The Oxford Hand-
kinger und die Normannen. Doch nie irgendeiner vergessenen Bibliothek die book of Anglo-Saxon Archaeology“, Oxford
mals konnten sich Dänisch oder Nor- Handschrift eines Chronisten, der jene University Press: ein umfangreicher Über
mannisch/Französisch als Sprache des Epoche entwirrte? blick fast aller Funde aus den Dark Ages.
• •
m Frühjahr 568, rund 80 Jahre nach eigenhändig den Gepidenkönig, erzwingt M it dieser Invasion endet die Ara der
ins
Alboin führt einen Zug von rund
30 000 Kriegern und deren Familien auf
die Apenninen-I lalbinsel: insgesamt
wohl 100000 Menschen, unter die sich
Völkerwanderung.
Alboin, der sich um 570 zum Herr
scher über Italien ausrufen lässt, gelingt
cs jedoch nicht, die gesamte Apcnnincn-
I lalbinsel zu unterwerfen.
Sein Heer zerfällt bald nach der
tümer und eine neue Heimat für seinen auch Bulgaren, Gepiden und einige Tau Ankunft in einzelne Verbände, deren
Stamm gewinnen will. send Sachsen gemischt haben. Anführer nun eigenmächtig weitere Ge
Lange Zeit haben die Langobar Offenbar erscheint Italien dem biete erobern.
den zuvor im heutigen Norddeutschland Langobardenkönig als leichte Beute. Bis zu Alboins Tod im Jahr 572 ent
gelebt. Antike Historiker erwähnen die Das einstige Herzland des Imperium stehen auf diese Weise mehr als 30 eigen
Völkerschar (deren Name „Langbärte“ Romanum steht seit 552 wieder unter ständige langobardische Herzogtümer,
sich von der wilden Barttracht ihrer römischer Herrschaft: In einem fast die sich rings um die Städte in der Lom
Krieger herleitet) erstmals kurz nach der 20-jährigen Krieg hat es der oströmische bardei, der Toskana und in weiten Teilen
Zeitenwende als kleine, am Unterlauf der Kaiser Justinian I. von den Ostgoten zu Süditaliens erstrecken.
Elbe siedelnde Gruppe von Viehhaltern. rückerobert. Als jedoch 584 ein Einmarsch der
Die M änner gelten als besonders gute Doch das Land, über das nun ein Franken droht, ernennen die Herrscher
Kämpfer und leisten häufig Kriegsdienst Statthalter Konstantinopels regiert, liegt des Nordens wieder einen gemeinsamen
für andere germanische Fürsten. darnieder: Städte, das Ackerland, Straßen Regenten - und wehren den Angriff
Im 2. Jahrhundert n. Chr. wandern und Wasserleitungen sind im Verlauf unter dessen Oberbefehl erfolgreich ab.
etliche Langobarden nach Süden - zu der Kämpfe mit den Ostgoten verwüstet Nun entsteht in der dortigen Region
mindest dringen im Jahr 167 Krieger des und zerstört worden. Pestausbriiche und ein dauerhaftes Reich, dessen Könige
Stammes über die Donau ins Römische Hungersnöte haben unzählige Opfer ge in Pavia residieren, während die Fürs
Reich ein. Danach verlieren sich ihre fordert. Zudem setzen Rebellionen ver ten des Südens weitgehend unabhängig
Spuren, bis die Langbärte um 490 wieder einzelter Gotengruppen sowie Einfälle bleiben.
auszumachen sind: Chronisten berichten, der Franken und Alemannen dem neuen Alle Versuche Ostroms, die Lango
dass sie sich in dieser Zeit im heutigen Regime zu. barden wieder aus Italien zu vertreiben,
Niederösterreich ansiedeln. Und so können die Langobarden scheitern. G ut 200 Jahre herrschen sie
Die Gruppe lässt sich schließlich nahezu widerstandslos binnen zwei Jah fortan, von Konstantinopel schließlich
südlich der Donau im heutigen Ungarn ren die nördliche Po-Ebene erobern; ein offiziell anerkannt, über die heutige
nieder, wo sie schon bald in schwere zig die Stadt Pavia ergibt sich erst nach Lombardei, die Toskana und große Ge
Kämpfe mit den Gepiden verwickelt längerer Belagerung. biete Süditaliens - bis Europas neuer
ist, einem benachbarten germanischen Es ist das letzte Mal, dass ein mächtiger Mann, der Frankenkönig Karl
Stamm. Im Jahr 567 gelingt König germanischer Verband Gebiete des ehe der Große, weite Teile ihres Territoriums
Alboin der entscheidende Sieg: Er tötet maligen Weströmischen Reichs besetzt: im Jahr 774 erobert. £
Siedlungsgebiet im
1. Jahrhundert
Siedlungsgebiet
von ca. 490 bis 568
• Ravenna
Eroberung
Pavias 572
GEOEPOCHE-Karte
••
167 n. Chr. dringen die Langobarden von der Elbe aus erstmals ins Römische Reich ein. Um 490 siedeln sie in Österreich, bald darauf
in Ungarn. Erst in Italien, wo sie 568 einfallen, finden sie eine dauerhafte Heimat: Fast 200 Jahre lang herrschen sie über einen Großteil der
Halbinsel. Doch nördlich der Alpen ist eine neue Großmacht aufgestiegen, die die Langobarden schließlich unterwirft: das Frankenreich
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Im Taumel d e r V ö lk e r
w a n d e ru n g e r s t i r b t das
w e s trö m is c h e K a is e rtu m .
Zw ei G e rm a n e n rin g e n
ansch ließ e n d in Ita lie n
e r b i t t e r t um das Erbe des
Im p e r iu m R o m a n u m .
D e r O s t g o t e T h e o d e r ic h
t r i u m p h i e r t - und f o r m t
ein neues Reich, das ü b e r
raschend die alten G la n z
z e ite n w ie d e r b e le b t
Text : J E N S - R A I N E R B E R G
Illustrationen: TIM W E H R M A N N
miKay
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120
gekämpft. Odoaker war früher im römischen M ilitär Karriere
Elitesoldat in der Garde des gemacht hatte: Odoaker.
weströmischen Kaisers, ein ho Bei den entscheidenden
her Militär auf vertrauensvollem Gefechten fiel der Heermeister,
Posten. Und Thcoderich hat in Odoaker triumphierte.
seiner Jugend zehn Jahre am H of Wenig später, im September
des oströmischen Imperators in 476, setzte der Sieger auch den
Konstantinopel zugebracht, hat jugendlichen Kaiser Romulus
dort Geometrie und Rhetorik ab - ernannte aber keinen Nach
gelernt, Griechisch und wahr folger. Vielmehr sandte Odoaker
scheinlich auch Latein. Mantel, Zepter und Diadem, die
Längst ist ja in dieser Kri- kaiserlichen Insignien, an den
senzcit des Im periums nicht H of des oströmischen Imperators
mehr klar, was Innen ist und was nach Konstantinopel. Er brauchte
Außen, was römisch und was sie nicht mehr, denn er hatte sich
barbarisch - haben die Identitä von seinen Truppen zuvor zum
ten und die Machtverhältnisse rex Italiae ausrufen lassen, zum
ihre Eindeutigkeit verloren. König über Italien.
Und so verwundert es nicht, Ein historischer Moment:
dass gerade der Gote Theoderich, Ein Barbar putscht sich im Her
der langmähnige Barbar, der mit zen des Westreichs mit einem
seinem M ord an Odoaker die neuen H errschertitel an die
Macht in Italien übernimmt, in Macht und legt das Amt des Im
den kommenden Jahrzehnten so perators einfach still (für immer,
etwas wird wie der bessere, der wie sich herausstellcn wird). Da
erfolgreichere Kaiser - ohne frei mit hört das weströmische Kai
lich je den Imperatorentitel zu tragen. kriegsähnlichem Streit. Kaiser wurden in sertum auf zu existieren, mehr als 500
Denn im Prinzip ist das römische Putschen hinweggefegt oder ermordet. Jahre nachdem Augustus zum ersten
Kaisertum im Westen bereits einige Jahre In den 20 Jahren nach dem Einfall Imperator emporgestiegen ist.
zuvor untergegangen. Spätestens seit der Vandalen amtierten neun verschie
M itte des 5. Jahrhunderts waren die dene Regenten an der Spitze des West ahrscheinlich erkennt
obersten Herrscher, die von Italien aus römischen Reichs, immer wieder unter Odoaker, dass der Kai
über die westliche Hälfte des geteilten brochen durch monatelange Phasen, sertitel überflüssig ge
Imperium Romanum geboten, politisch in denen gar kein Kaiser den Thron worden ist, diese Rolle
massiv geschwächt. In großen Teilen besetzte. Die tatsächliche M acht war durch ihre Schwäche sogar destabili
ihres offiziellen Territoriums hatten in in dieser Zeit ohnehin längst auf die sierend wirkt. Doch er ist klug genug,
zwischen Germanen die Macht an sich Heermeister übergegangen, die höchsten keinen Bruch mit dem weiterhin amtie
gebracht: Westgoten in Südfrankreich, Offiziere des Reichs. Sie kontrollierten renden oströmischen Kaiser Zcnon in
Vandalen in Nordafrika, Franken und viele der Herrscher wie Marionetten. Konstantinopel zu wagen.
Burgunder im Norden und Südosten Im Jahr 475 hob einer dieser Heer Und so unterstellt er sich dessen
Frankreichs, in Belgien und der Schweiz. meister seinen minderjährigen Sohn Schirmherrschaft, auch wenn er in Italien
So war vom einstigen weströmi Romulus auf den Thron - passendes fortan durchaus eigenmächtig regieren
schen Imperium am Ende nur noch ein Symbol für die inzwischen erreichte Un will. Zu groß ist das politische Gewicht
Rumpfgebiet übrig geblieben, zu dem
___ • •
mündigkeit des ehrwürdigen Amtes. des Ostherrschers, um sich von ihm zu
neben Italien etwa Dalmatien und Ös Romulus wurde der letzte Kaiser. lösen, sich ihm gar entgegenzustellen.
terreich gehörten. Mehrfach attackierten Denn der Heermeister verdarb es Deshalb lässt Odoaker eine Ge
feindliche Truppen das weströmische sich mit seiner Machtbasis. Er verwei sandtschaft an den Bosporus reisen, die
Herzland. 452 fiel der Hunne Attila im gerte seinen Soldaten - mittlerweile zum den Segen des Imperators einholen soll.
Norden ein. Drei Jahre später plünderten großen Teil germanische Kämpfer, die als Zenon laviert, als die Diplomaten
die Vandalen die Stadt Rom. Söldner im Dienst des Imperiums stan eintreffen. Er kann die Machtübernahme
den - den von ihnen geforderten höheren in Italien nicht einfach so hinnehmen
Lohn. Die Soldaten rebellierten darauf (nicht zuletzt weil es in Dalmatien im
Fast noch fataler wirkten sich jedoch die hin, angeführt von einem 43-jährigen mer noch einen Römer gibt, der berech
innenpolitischen Kämpfe aus: T ief ver Offizier aus ihren Reihen, einem aus dem tigte Ansprüche auf das westliche Kai-
feindete Parteien und Lager in der römi heutigen östlichen Ungarn stammenden scramt erhebt). Also erkennt Zcnon
schen Elite verzehrten sich in bürger Germanen vom Stamm der Skiren, der Odoaker offiziell nicht an. Aber er gibt
;
Vom Balkan
aus ziehen T heo
derich und seine
O s tg o te n 4 8 8 /8 '
nach Ita lie n , um
das reiche Land
zu erobern. G u t
100 0 0 0 M ensch
begeben sich mi
P ferden und O cl
senkarren a u f de
1500 K ilo m e te r
langen W eg:
Frauen, K inder,
Bauern - und vo
allem K rie g e r
den Gesandten dennoch zu ver gelingt, dessen Reich zu erobern,
stehen, dass er ihn bis auf Weite wird der Ostkaiser ihn dort als
res defacto als neuen Herrscher neuen Herrscher anerkennen, als
akzeptiert. seinen Stellvertreter im Westen.
Zcnon traut Odoakcr nicht, Zcnon treibt höchstwahr
aber er will vor allem Zeit gewin scheinlich ein perfides Kalkül. Er
nen. Er hat zu viele Probleme hofft vermutlich, dass sich zwei
daheim, um sich um die Vor für ihn bedrohliche Barbaren ge
gänge im Westen zu kümmern. genseitig zermürben, vielleicht
Denn nicht nur Intrigen am sogar vernichten.
eigenen H of setzen ihm zu: Seit Im m er stärker näm lich
einiger Zeit muss er sich auch misstraut Zenon auch Odoaker,
mit einem aufstrebenden Germa der in Italien einigermaßen er
nen auseinandersetzen - einem folgreich regiert. Er fürchtet, dass
Kämpfer, der schließlich Odoaker sich der Skire irgendwann gegen
zum Verhängnis werden wird. Konstantinopel wenden könnte;
schon gibt cs Gerüchte, Odoaker
W wei große gotische paktiere mit einem Rebellenfüh
2 ’ Kriegergruppen ziehen
in diesen Jahren durch
-d den Balkan, der über
wiegend zum Herrschaftsbereich
Ostroms zählt. Die Vorfahren
dieser Kämpfer sind ursprüng
rer im Ostreich.
Theoderich, der selbstbe
wusst und stark genug ist, frei zu
entscheiden, muss seinerseits ei
nen Reiz an dem Angebot finden.
Italien, das historische Herz
lich, wie viele andere Germanen, des Imperiums, gilt immer noch
durch den Vorstoß der Hunnen als bedeutendes, prestigeträchti
in das Reichsgebiet gedrängt worden. eine Allianz der Goten mit dem oströmi ges Territorium. Zudem ist die Region
Beide Gruppen zählen zu jenem Teil schen Kaiserhaus. trotz der vielen Kämpfe in den Jahrzehn
der gotischen Völkerschaft, den Chro Nach der Rückkehr zu seinem ten zuvor weiterhin sehr wohlhabend -
nisten später „Ostgoten“ nennen werden Stamm dient Theoderich mit seinen zumal verglichen mit jenen zerklüfteten,
(andere Trupps, die schon bald weiter eigenen Truppen als hoher Offizier kargen Gegenden des Balkans, in denen
in Richtung Mitteleuropa ziehen, wer für den Kaiser in Konstantinopel und sich Theoderich
99
in letzter Zeit oft be-
den als „Westgoten“ bezeichnet; siehe kämpft in dessen Auftrag unter anderem wegt hat. Überdies hat der Gote erst vor
Seite 42). gegen die andere Gruppe der Ostgoten; Kurzem seine Gefolgschaft vergrößert;
W eil die O stgoten m ilitärisch dann aber verliert er seine römischen militärische Erfolge in Italien könnten
schlagkräftig sind, hat sich inzwischen Ehren wieder, weil er auf Reichsgebiet seine Stellung als König festigen.
ein heikles Wechselspiel mit dem Kaiser geplündert hat - gewinnt die imperiale Und so nimmt der Barbarenherr-
von Konstantinopcl ergeben: Mal kämp Position und Wertschätzung bald darauf schcr den Vorschlag tatsächlich an. Und
fen sie - für Geld oder Land - als Ver allerdings ein zweites Mal. begibt sich auf sein bislang gewagtestes
bündete des Imperators gegen dessen Doch als Theoderich den Anführer Unternehmen.
innere und äußere Feinde, mal bedrohen der zweiten Gotengruppe tötet, beide
sic ihrerseits den Herrscher, um Vorteile Scharen unter seiner Herrschaft vereinigt
für sich herauszuschlagen. und so seine Anhängerschaft mit einem Spätsommer 488. Fast 1500 Kilometer
Anführer der einen Gruppe ist der Schlag verdoppelt, wird er für Konstan liegen vor ihm, als Theoderich im O rt
gotische Fürstensohn Theoderich aus tinopel zur unkontrollierbaren Größe. Novae nahe der Donau, in einer Region
dem einst in Ungarn siedelnden G e Thcodcrichs Verband ist nunmehr des heutigen Bulgarien, das Signal zum
schlecht der Amaler, im Jahr 474 als etwa mit gut 20 000 Kriegern eine der größ Aufbruch gibt.
21-Jähriger zum König aufgestiegen, ge ten Streitmächte der gesamten germani Es schallt über eine gewaltige Men
lobt für seinen Machtinstinkt und über schen Welt. schenmenge, die sich an diesem Tag ver
durchschnittlichen Kampfesmut. Für Kaiser Zcnon ist cs brandge sammelt hat: Krieger, Frauen, Kinder,
Theoderich kann schon früh auf ein fährlich, eine solche Macht mit unklarer wahrscheinlich auch Sklaven und be
bewegtes Leben zurückschauen: Bereits Loyalität in seiner Nähe zu haben. waffnete Bauern, insgesamt gut 100000
mit acht Jahren kommt er nach Konstan Daher unterbreitet er Theoderich Menschen, die nun mit ihrem Anführer
tinopel und lebt dort (was zu jener Zeit im Jahr 488 einen Plan. Der Gotenkönig gen Westen ziehen. (Vermutlich nehmen
durchaus üblich ist) ein Jahrzehnt lang soll mit seinem Gefolge nach Italien zie Theoderich und seine Mannen ihre Fa
als Geisel, als menschliches Pfand für hen und Odoaker angreifen. Falls es ihm milien mit, weil sie nicht nur eine mili-
125
gegenüber, doch Theoderich umgeht die Sein gesamtes Leben als Erwach nur Geschick im Schwertkampf erlangt,
Mannen des Gegners und dringt ohne sener hat der etwa 40-Jährige bislang als sondern auch - im Umgang mit den ger
größere Kämpfe weiter ins Land vor. ruheloser Kämpfer verbracht. Hat im manischen Großen - Talent in Kommu
Etwas später entbrennt bei Verona Modus der Gewalt seinen Vorteil ge nikation und Diplomatie.
dann die erste richtige Schlacht. Theo sucht; hat einen vergleichsweise kleinen Dennoch ist die Weitsicht seiner
derich treibt Odoakers Soldaten nach Verband von Menschen angeführt, mit Politik in den folgenden Jahren bemer
anfänglichen Schwierigkeiten in ein denen er vielfach verwandtschaftlich ver kenswert.
Flusstal, wo viele von ihnen ertrinken. bunden war; ist nie mehr als Monate
Ihr Anführer muss fliehen. oder wenige Jahre an einem O rt geblie
Und doch: Es wird ein langes, äu ben; hat gleichsam vom Sattel aus regiert. Die mit Abstand dringendste Aufgabe
ßerst verlustreiches Ringen, bis der Krieg Wie anders dagegen nun die Lage: für den neuen Herrscher ist die Ansied
entschieden ist. Die vielen befestigten Er tritt die Herrschaft über Italien an - lung seines Stammes, der Ostgoten.
Städte Norditaliens helfen Odoaker und ein festes, weitgespanntes Territorium Was soll mit den Menschen gesche
seinen Truppen, sich zu verteidigen - es mit mehreren Millionen Einwohnern, hen, die als Eroberer nach Italien gekom
sind schwer einnehmbare Stützpunkte, einen hochentwickelten Staat mit kom men sind? W ie soll er mit jenen 20000
die Theoderich auf seinem Vormarsch plexen Institutionen, mit Provinzverwal Kriegern und ihren Familien umgehen,
erst erobern muss. tungen, Richtern und Räten, mit politi die nach dem Sieg ungeduldig eine
Schließlich kann der Ostgote den schen Strukturen, die seit vielen Jahr Belohnung, eine A rt Beute, erwarten,
Gegner dennoch in der Küstenstadt Ra hunderten gewachsen sind. Privilegien, materielle Vorteile. Die sich,
venna einkreisen; zunächst aber halten Es bleibt letztlich ebenso erstaun nach den Jahren der Wanderschaft, nun
die Verteidiger aus, weil Schiffe sic von lich wie unerklärlich, wie gut Theoderich dauerhaft niederlassen wollen.
See aus versorgen. dieser Wechsel in den folgenden Mona M it dieser heiklen Angelegenheit
Als es Theoderich im Sommer 492 ten gelingt. betraut der neue König einen jungen rö
auch noch gelingt, die Wasserseite zu Sicher helfen ihm dabei die Jahre mischen Verwaltungsexperten namens
blockieren, wird die N ot in Ravennas am H o f in Konstantinopel, die ihn mit Petrus Marcellinus Felix Libcrius, der
Mauern schnell dramatisch. Der Bischof den römischen I Ierrschaftsmechanismen sich als äußerst fähig erweist. Liberius
der Stadt greift ein - und tatsächlich vertraut gemacht haben, aber auch mit versorgt die Neuankömmlinge entweder
kann er nach all den Jahren des Kampfes der Lebensweise und den Ansichten der mit Ländereien, die sie selbst als Guts
einen Vertrag zwischen den beiden Geg Oberschicht im Imperium. Und mögli besitzer verwalten oder bewirtschaften
nern vermitteln, eine scheinbare Einigung. cherweise hat er als Kriegerkönig nicht lassen können, oder lässt ihnen feste An
Es ist jene Übereinkunft teile an den staatlichen Steuer
über eine gemeinsame Regent einnahmen zukommen.
schaft, die Theoderich binnen Die Kunst von Liberius be
nicht einmal drei Wochen so blu steht darin, das neu vergebene
tig aufkündigen wird. Land zu großen Teilen aus dem
staatlichen Besitz zu nehmen
ach seinem Mord an sowie vom Erbe Odoakers und
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Näher kann man als geborener Bar Ehrenrettung bemüht, wird auf Theo Als Theoderichs Schwester, die
bar dem Wesen des römischen Kaiser derichs Befehl ebenfalls getötet. Witwe des verstorbenen Vandalenherr
tums nicht kommen. Unter den einflussreichen römi schers, von Schergen des neuen Regimes
schen Familien nimmt die Opposition gefangen genommen und - unter dem
gegen die Herrschaft der Goten zu. Vorwurf, einen Um sturz geplant zu
G etragen wird der W iderstand haben - getötet wird, sinnt der Gote auf
wohl vor allem von frommen Katholiken, Vergeltung.
die sich daran stören, dass ein Arianer Zu Beginn des Jahres 526 ordnet
an der Spitze des Staates steht. Und da er an, schnellstmöglich eine gewaltige
sich der Papst und die Kirche des O st Flotte von 1000 Schiffen zu bauen, um
reichs nach jahrzehntelangem Zwist vor das Vandalenreich zu attackieren.
Kurzem wieder ausgesöhnt haben, ist Doch zu einem Großangriff kommt
Konstantinopel plötzlich ein wichtiger es nicht mehr. Im August erkrankt Thco-
Partner für die katholischen Kritiker. derich schwer (woran, ist heute nicht
Nun zeigt sich, dass Theoderichs mehr bekannt). Es gelingt ihm noch,
Strategie des Ausgleichs nicht alle W i seinen Enkel als Nachfolger zu bestim
dersprüche zwischen Goten und Römern men. Von einer Runde aus hochrangigen
beseitigen konnte. Jetzt brechen diese Goten und einigen Römern lässt er sich
Und doch zerfällt aller Glanz und alle Gegensätze hervor. diese Entscheidung bestätigen.
Größe. Nicht sofort - dann aber stetig, Denn umgekehrt klagen auch im Seinen gotischen Landsleuten gibt
blutig und anscheinend unausweichlich. mer mehr hochstehende Goten, der er bei dieser Gelegenheit wohl noch ein
Ein gutes Jahrzehnt noch blüht Herrscher habe zu viele Zugeständnisse mal sein altes Credo der Verständigung
Theoderichs Herrschaft, in Wohlstand an die Römer gemacht, sich zu sehr ihrer mit auf den Weg: Sie sollen den Senat
und weitgehendem Frieden. Um 524 je Lebensweise angenähert. Habe etwa die und das römische Volk lieben.
doch zeigen sich die ersten Risse. kriegerischen Tugenden einer übertrie Kurz darauf, am 30. August 526,
Der König, inzwischen gut 70 Jahre benen Bildungsbeflissenheit geopfert. stirbt Theoderich.
alt, bemüht sich darum, einen geeigne Überdies droht nun noch Unge
ten Nachfolger für sich zu finden. Er hat mach von draußen: Der neue König der
keinen eigenen Sohn, und der Gatte sei Vandalen in Nordafrika wendet sich von Bereits zu Lebzeiten hat sich der Herr
nerjüngsten Tochter, der ihn stattdessen Theodcrich ab und Konstantinopel zu. scher ein Mausoleum errichten lassen.
beerben sollte, ist im Jahr 522 Handwerker, eigens aus Klein
gestorben. asien angeworben, haben den
In dieser ungewissen Zeit zylindrischen Bau nordöstlich
nimmt einer der Senatoren Roms von Ravenna erschaffen, sein
Kontakt zum oströmischen Kai zehneckiges Erdgeschoss, die
ser auf, vermutlich unter ande Etage darüber mit der runden
rem, um hinter dem Rücken Kammer, in der Theoderich nun
Theoderichs über dessen Thron bestattet wird: in einem steiner
folge zu beraten. nen Sarkophag aus rötlichem
Der Gote erfährt über einen Porphyr - eine letzte Referenz an
Kurier von der Korrespondenz die Purpurfarbe der Imperatoren.
und wertet sie als Hochverrat. Rund 14 Meter beträgt der
Noch empörter ist er dar Durchmesser des Monuments,
über, dass einer seiner höchsten 16 M eter erheben sich seine
römischen Beamten (der von M auern über den Boden. Ein
dem Briefwechsel wohl schon JU S T IN IA N gewaltiger kuppclförmigcr Stein
früh erfahren, ihn aber nicht (527-565 n. Chr.) schließt es nach oben hin ab.
gemeldet hat) den Senator sogar Den 230 Tonnen schweren
noch in Schutz nimmt. N ach T h e o d e ric h s Tod a tta Kalksteinblock haben 700 Arbei
Thcodcrich reagiert hart: Er c k ie rt d e r neue O s tka ise r die ter mit einer komplizierten Fla
lässt beide Honoratioren in den G o te n . Er w ill w ieder über ein schenzugkonstruktion an seinen
Kerker werfen; wenig später wird geeintes röm isches G ro ß re ich Platz befördert.
der hohe Beamte verurteilt und herrschen - w ie die Cäsaren Eigensinnig wie sein Erbau
mit dem Beil hingerichtet. frü h e re r J a h rh u n d e rte . D och er wirkt das Mausoleum - anders
D er Schwiegervater des er ru in ie rt d a m it Ita lie n als alle sonstigen Bauwerke jener
Gehenkten, der sich um dessen Zeit, weder typisch römisch noch
v o n O d o ak e r b e h e rrsc h te s G eb ie t
bis 493
Italien feld zu g u n te r T h eu d erich 4 8 8 -4 9 3
Ostgotenreich ab 493
v e re in te s G o ten reich u n te r T h eo d erich
Thüringer
□ 5 1 1 -5 2 6
alle G re n z e n z e ig e n d e n S tan d von 526
Burgunder
reich
V erona •
ivenn. larcianopolis
Novae
Konstantinopel#
Thessaloniki
Während O strom als Reich weitgehend intakt bleibt, zersplittert der westliche Teil des Imperiums im 5. Jahrhundert in mehrere
germanische Staaten, darunter die Reiche der Franken und der Burgunder. Theoderich zieht m it den O stgoten 488/89 vom Balkan nach Italien,
besiegt d o rt die Truppen des Germ anen Odoaker, der kurz zuvor den letzten römischen Kaiser gestürzt hat, und erschafft ein Reich
der O stgoten. Anschließend schließt er Bündnisse m it den Franken, Vandalen, Burgundern und W estgoten, erringt über das W estgotenreich
gar die O berhoheit. Nach seinem Tod verschiebt sich die M acht erneut: Erst erobern O strom s Truppen große Teile des Gotenreichs
(siehe Karte Seite 156), später erheben sich die Franken zur neuen Vorm acht in Westeuropa (siehe Karte Seite 158)
erkennbar gotisch. Zudem: wuchtig, ger, doch sie kann nicht verhindern, dass den und Süden her in Italien ein (siehe
wehrhaft, im Prinzip unzerstörbar. die Kluft zwischen traditionalistischen Karte Seite 156).
Und so ist es der Zukunft ein ganz Goten und selbstbewussten Römern sich Es folgt ein fast 20-jähriges, bru
und gar unpassendes Symbol. Denn das weiter vergrößert. tales Ringen. 540 verliert Theoderichs
Erbe Theoderichs zerbirst nach dessen H errschergeschlecht endgültig die
Tod; dramatisch zerfallt die Welt um den Macht. Trotzdem schlagen die Goten
festen Monolithen seines Mausoleums. Die wirkliche Katastrophe aber kommt abermals zurück. Immer neue Kämpfe
Als Erstes, ja eigentlich sofort, zer von Osten. Dort herrscht seit 527 Kaiser gipfeln in zwei Entscheidungsschlachten,
bricht die Einheit Ravennas mit dem Justinian, der sich vorgenommen hat, den die das Gotenheer 552 verliert.
Reich der Westgoten, die ja vor allem Westen wieder unter seine Kontrolle zu Zwei Jahre später lässt Justinian den
an Theoderich gebunden war. In Italien bringen. Im Jahr 534 unterw irft der H of in Italien auflösen und errichtet eine
führt zunächst seine Tochter die Regie oströmische Herrscher das Vandalcn- neue Verwaltung, die fortan von Kon
rung für den erst zehnjährigen Thronfol reich, zwei Jahre später fällt er von Nor stantinopel aus gesteuert wird. Westrom
Verband der Langobarden in Italien ein. Freie Mitarbeit: Johannes Schneider M A R K E T IN G : Kristin Niggl
A U T O R E N : Jörg-Uw e A lb ig . C ay Rademacher H E R S T E LLU N G : G +J Herstellung, Heiko Belitz (Ltg.).
Die Germanen, die ursprünglich aus der Freie Mitarbeit: Dr. Henning Albrecht. Simone Bernard. O liver Fehling
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V ER IFIKA T IO N : Lenka Brandt. O la f Mischer.
fetzen im Norden, um Rom sowie der A lice Passfeld. Andreas Sedlmair (H eft mit D V D ). ISSN-Nr. 1861-6097
© 2015 G rüner + Jahr. Hamburg
äußerste Süden des Landes gehören wei Freie M itarbeit. Tobias Hamelmann.
D r Dirk Hem pel, Svenja Muche Bankverbindung: Deutsche Bank A G Hamburg,
terhin zum Einflussbereich des Ostherr W IS S E N S C H A F T L IC H E B E R A T U N G : Matthias Friedrich Konto 032280000. BLZ 200 700 00
schers, die übrigen Regionen werden nun K A R T O G R A P H IE : Stefanie Peters IBAN: DE 30 200 7 0 00 0 0032 2800 00.
Freie Mitarbeit: Christian Kuhlmann B IG D E U T D E H H
von den Langobarden kontrolliert. Roms S C H L U S S R E D A K T IO N : Dirk Krömer Litho: 4mat M edia. Hamburg
alte senatorische Elite hat ihren Einfluss Freie Mitarbeit: Antje Poeschmann Druck: M oh n M edia Mohndruck G m b H . Gütersloh
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Italien herrschte, hat Westrom zu einer Telefax: +49/1805/861 8 0 02* *H C*n(/Mnui« «u> d*»ii ii*oi«lwn F»tdu»o Mob;HurJcpr*it minimal 4i C*ni/M>rui*
Während das Oströmische Reich erstaunlich unbeschadet durch die Zeit der Völkerwanderung
gelangt, dauert es Hunderte von Jahren, bis sich Europas Westen von Zerstörung, Instabilität und Kultur
Verlust erholt und eine neue, dauerhafte Ordnung entsteht: das Kaisertum des Abendlandes
Von INSA BETHKE
ast ein halbes Jahrtausend Genau 100 Jahre nach dem Grcnzübcr- dauern, bis im Abendland neue, stabile
lang haben die römischen Kai tritt der Goten setzte ein Militärführer Machtstrukturen entstehen.
ser die Geschichte Europas germanischer Herkunft den letzten Kai Um das Jahr 600, gut drei Jahr
geprägt. Die M acht der Im ser des Weströmischen Reiches kurzer zehnte nach dem Ende der Völkerwan
peratoren reichte von Britannien im hand ab. derung, sind ihre Folgen weithin sicht
Norden bis nach Afrika im Süden, von Ende des 5. Jahrhunderts befand bar: Auf der Iberischen Halbinsel haben
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Spanien bis ans Schwarze Meer. Es war sich fast das gesamte Gebiet des einsti die Westgoten ein Reich errichtet. Uber
ein gewaltiges Viel völkerreich, dessen gen westlichen Reichsteils in fremden den Großteil Galliens und einige germa
Zivilisation Menschen aus aller Welt Händen. Zwar erhoben die Kaiser in nische Gebiete herrschen die Franken.
anlockte. Konstantinopel Ansprüche darauf, zwar In Britannien existieren nun mehrere
Zwar wurde das Imperium immer gelang es dem oströmischen Imperator angelsächsische Königreiche. Und die
wieder von inneren Wirren und außen Justinian nach 532 sogar, den Germanen aus Ungarn eingefallenen Langobarden
politischen Konflikten erschüttert, doch einige Regionen zu entreißen - etwa haben weite Teile Italiens in ihre Gewalt
wurde ihm keine Krise zum Verhäng Nordafrika den Vandalen und Italien den gebracht.
nis - bis Roms Machthaber im Jahr 376 Ostgoten. Doch es sollte Jahrhunderte Nirgendwo zeichnet sich die Zei
n. Chr. ihre Donaugrenze für tenwende so deutlich ab wie
die vor den Hunnen flüchten hier, im einstigen Zentrum der
den Goten öffneten, bei der römischen Zivilisation. Denn
Integration der Germanen je nach jahrelangen Kämpfen
doch kläglich versagten. zwischen den Goten und Ar
Die folgende, von Chaos meen des oströmischen Kaisers
und Gewalt geprägte Ara, in gleicht Italien einer Trüm
der die Goten und andere ger merlandschaft.
manische Heeres- und Stam In Rom leben vielleicht
mesverbände durch das Römi noch 90 000 Menschen - 200
sche Reich zogen, in der die Jahre zuvor waren cs noch fast
Fremden Allianzen mit und 800 000. M ietshäuser und
gegen Rom schmiedeten, in Villen verfallen, Statuen und
der neue Reiche gegründet Kolonnaden bröckeln. In den
wurden und vergingen, über Gewölben des Kolosseums
stand die W eltmacht nicht: haben sich Familien nieder-
Nicht nur Roms Bauwerke (o.) verfallen: In Westeuropa
nehmen Handel und Geldwirtschaft nach der Völkerwanderung
ab, schrumpfen die Städte, schwinden Pracht und Bildung
142 GEO EPOCHE Die Völkerwanderung
gelassen, denen die Gänge als einen dauernden M ehrfron
Viehställe dienen. tenkrieg führen.
Auch aus anderen Regio Auch nach dem Unter
nen des einstigen Westreiches gang des Weströmischen Rei
sind Glanz und Leben gewi ches kommt Europa nicht zur
chen, auch dort verkommen Ruhe. Denn an seinen Gren
Straßen und Aquädukte. Trier, zen tauchen schon bald erneut
Mainz und Köln, einst bedeu fremde Angreifer auf.
tende Metropolen, schrump Bereits um das Jahr 550
fen auf die Größe von Klein stehen die Slawen, deren Vor
städten. Und London ist eine fahren möglicherweise aus
Ansammlung von Ruinen. Die in den Wirren verheerte Stadt Rom - hier die Reste Regionen nördlich der Karpa
Die G utshöfe in den einer Basilika - verliert neun von zehn Einwohnern. Das ten stammen, an der unteren
Provinzen, einst ökonomische einstige Herz des Imperiums wird zu einem Provinzort Donau und drängen nun auf
Zentren, deren Besitzer auf den Balkan sowie nach Ost-
ihren Feldern und Weinbergen und Mitteleuropa.
viele Arbeiter und Sklaven beschäftigten, im 5. Jahrhundert gelungen ist, ihren Im Jahr 711 fallen Araber und mit
werden nicht mehr bewirtschaftet. All Reichsteil zu festigen. Das liegt an meh ihnen verbündete Berberstämme von
gemeinbildende Schulen wie in römischer reren Faktoren. Nordafrika aus auf der Iberischen Halb
Zeit, in denen viele Bürger ihre Kinder Zum einen ist die Stadt Konstan- insel ein. Binnen kürzester Zeit zerschla
in Fächern wie Grammatik und Rechnen tinopcl durch starke Mauern geschützt. gen die Invasoren das Reich der West
unterrichten ließen, gibt es nicht mehr: Während Rom gleich mehrmals geplün goten, überqueren die Pyrenäen und
Die neuen Herren pflegen diese Tradi dert wird, gelingt es keinem feindlichen greifen die Franken an, die inzwischen
tion nicht weiter. Einzig angehende Kle Heer im 4. und 5. Jahrhundert, die Kapi ein Gebiet von der Nordsee bis zum
riker erhalten in kirchlichen Instituten tale des Ostens einzunehmen. Mittelmeer, vom Atlantik bis zum Ober
noch eine schulische Ausbildung. Die M auern von Konstantinopel lauf der Donau beherrschen.
Das antike Kulturgut gerät weitge schirmen darüber hinaus auch Klein Dem fränkischen Herrscher Karl
hend in Vergessenheit: Geistlichen und asien, Syrien und Ägypten ab, die reichs Marteil gelingt es im Jahr 732 zwar, die
weltlichen Herren gelten die Worte der ten Provinzen Ostroms. Araber zurück auf die Iberische H alb
Bibel und der alten Kirchenväter nun Zum anderen sind die Machtver insel zu drängen. Doch erst sein Enkel
mehr als die Schriften der Philosophen; hältnisse im Oströmischen Reich stabiler etabliert eine Ordnung auf dem Konti
nur in Klöstern verwahren Mönche noch als im von Bürgerkriegen erschütterten nent, die von Dauer sein wird: Karl der
Reste der römischen Gelehrsamkeit. Westen, wo die Kaiser im 5. Jahrhundert Große erobert weite Gebiete der Lango
Die meisten Menschen leben von ihre M acht zunehmend an ihre Heer barden in Italien, unterwirft die zwischen
der I Iand in den Mund, produzieren auf meister verlieren. Eine klare dynastische Rhein und Elbe siedelnden Sachsen
ihrem Acker, in ihrer Werkstatt gerade Erbfolgeregelung sorgt in Konstanti und sichert seine Grenzen an Elbe und
so viel, wie sie für sich selbst oder zum nopel für Stabilität; zudem können die Saale gegen die Slawen.
Tausch brauchen. Der Fernhandel zwi Herrscher nach dem Abzug der Hunnen Und schließlich erhebt er sich, mit
schen Städten und Provinzen erlahmt im Jahr 450 (denen sie gewaltige Tribute einem gewagten Griff in die Vergangen
mehr und mehr, und so verliert auch die zahlen mussten) ihre Finanzen konsoli heit, auch ideell zum neuen Herrn des
Geldwirtschaft massiv an Bedeutung. dieren. Anders als den weströmischen Kontinents: Am Weihnachtstag des Jah
Kurz: Die technischen, kulturellen Machthabern bleiben ihnen also genü res 800 lässt sich der Frankenkönig in
und ökonomischen Errungenschaften, gend Mittel, um auch unter dem Druck jener Stadt, aus der einst das Imperium
die über Jahrhunderte die römische Z i fremder Heere ihre politische und mili erwuchs, durch den Papst zum „Kaiser
vilisation strahlen ließen, gehen in gro tärische Stärke zu bewahren. der Römer“ krönen.
ßen Teilen des einstigen Westreiches nun Und schließlich haben die oströmi Aber nicht nur dem Titel nach tritt
verloren. schen Kaiser schlicht - Glück. Karl der Große das Erbe der antiken Cä
Denn genau in jenen Jahrzehnten, saren an. Er lässt auch die Schriften des
anz anders die Situation im öst in denen Germanen ins Imperium drän Altertums sammeln und vervielfältigen,
lichen M ittelmeerraum. Dort gen, bleiben sie von ihren ärgsten Fein gründet zahlreiche Schulen, systemati
A besteht die antike Zivilisation den im Osten verschont: den Persern. siert die Volksrechte in seinem Reich,
noch lange Zeit fort, denn dieser Teil des Zwar flammt der Konflikt immer wieder um es straff regieren zu können, errichtet
römischen Imperiums hat die Wirren der auf, doch beschränken sich die Kämpfe Kirchen, Klöster und neue Bistümer -
Völkerwanderung besser verkraftet - vor meist auf ferne Grenzregionen. Konstan und führt Europa so in eine neue Zeit:
allem deshalb, weil es den Kaisern dort tinopel muss also nicht wie der Westen die des abendländischen Kaisertums. 9
Jüten
Britannien
Sachsen
F ra n k e n
Hermunduren
Greutungen
gunder Markomannen (Ostgoten)
£■ Juthungen Quaden
lerwingen
(Westgoten)
Italia annonaria
rovinzen
Konstantinopel
Italia suburbicaria Makedonien
ispanien
Asiana
Afrika
Um 375 erstreckt sich das Römische Reich vom A tla n tik bis nach Ä gypten. Die germanischen Stämme, die nordöstlich seiner Grenzen siedeln, sind
scheinbar keine existenzielle G efahr für das m ächtige Imperium. Doch plötzlich ziehen aus der eurasischen Steppe die Hunnen plündernd gen Westen.
Um ihnen zu entkom m en, dringen viele Zehntausend Germanen auf Roms H errschaftsgebiet vor - ein Ereignis, das Europas Geschichte prägen wird
2A T
Schlacht a u f den
Katalaunischen Feldern
tantinope
H u n n e n fe ld z ü g e 3 7 0 -3 7 6
H u n n e n fe ld z ü g e u n ter A ttila 44 1 -4 5 2
D ie Züge der aus der eurasischen Steppe stammenden Hunnen lassen sich in mehrere Phasen einteilen: Erst lösen sie um 375
m it ihren A ttacken auf die G oten die Völkerwanderung aus, dann setzen sie sich nördlich der Donau und des Schwarzen Meeres fest,
fallen von d o rt 395 in die Balkanprovinzen ein und attackieren, über den Kaukasus ziehend, das O ström ische Reich in Kleinasien.
U nter König A ttila greifen sie neben dem Balkan schließlich auch G ebiete tie f im Westen des Imperiums an. 451 kom m t es auf den
Katalaunischen Feldern in Gallien zu einem Entscheidungskam pf m it W estrom - den die Reiterkrieger verlieren. Nach einem
ebenfalls erfolglosen Einfall in Italien und A ttila s Tod im Jahr 453 vergeht die M acht der Hunnen sehr schnell
Jüten
Sachsen Lango
barden
Franken
c- J u t h u n g e n
Ostgoten
Donau
Westgoten
Zunächst treiben die Hunnen O st- und W estgoten aus ihren Siedlungsgebieten nördlich der unteren Donau und des Schwarzen
Meeres über die römische Grenze. Südlich des Stroms vereinigen sich die beiden gotischen Stämme kurzzeitig, vernichten nahe der Stadt
A drianopel im Jahr 378 ein großes oströmisches Heer, töten in der Schlacht auch den Kaiser Valens. Dessen N achfolger schließt
Frieden m it den Eindringlingen und gewährt ihnen Siedlungsland. Zudem dürfen die G oten ihre eigenen Führer behalten. Sie leben fortan
nahezu gleichberechtigt innerhalb des Römischen Reiches - und zeigen den anderen germanischen Stämmen, dass das scheinbar
unbezwingbare Imperium (das sich im Jahr 395 endgültig in einen W est- und einen O stteil spalten w ird) verwundbar ist
A t l a n t i s c h e r
Ozean
H u n n en F ran k en
V andalen J ü te n
Als die Völkerwanderung 376 beginnt, ist zunächst der östliche Teil des Römischen Reiches betroffen. Tausende G oten überqueren
die Donau und ziehen plündernd über den Balkan - auch in Richtung Konstantinopel. Die wohlhabende Stadt aber ist zu gut geschützt,
und die reichen Provinzen im O rie n t, etwa Kleinasien oder Ä gypten, sind für die Invasoren ohnehin unerreichbar. Schon bald richtet
sich die W ucht der A n g riffe nun auch anderer Germ anenstämm e gegen die westliche H älfte des Imperiums: Vandalen und Burgunder
überwinden die Rheingrenze; Angeln, Sachsen sowie Jüten greifen nach Britannien; und die W estgoten attackieren sogar Rom. A m
Ende ist der W estteil des Imperium Romanum untergegangen. O strom aber wird noch fast ein weiteres Jahrtausend überleben
Angeln
Briten
mannen
oire
Gepiden
Toulouse
Donau
W estgotenreich
Konstantinopel
Karthago
von ö d o a k e r b e h e rrsc h te s G eb ie t
ein schließlich s p ä te re r E ro b e ru n g en
Das weströmische Kaisertum hört 476 auf zu existieren: In jenem Jahr meutern die Soldaten Roms in Italien. Ihr germanischer Anführer,
der O ffizier Odoaker, setzt den jugendlichen Kaiser Romulus ab, schickt die kaiserlichen Insignien nach Konstantinopel und macht sich selbst
zum König in Italien. Zu seinem Reich gehört bald auch das Gebiet jenseits der Alpen bis zur oberen Donau sowie das heutige Kroatien und
Bosnien. Schon zuvor haben germanische Völker in anderen Teilen des westlichen Imperiums eigene Reiche gegründet: die Vandalen in
Nordafrika, die Westgoten auf der Iberischen Halbinsel und in Gallien. D ort siedeln in der Gegend um den Genfer See auch die Burgunder
sowie - im Gebiet zwischen Nordsee und Rhein - die Franken, die einst als Grenzschützer ins Imperium geholt worden sind
Angel
sachsen
London
Aachen fhüri
Donau
Konstantinopel
Westgotenreich
Toledo
Karthago #
Vandalen
reich
Nach seinem Sieg über O doaker im Jahr 493 etabliert der aus der Balkanregion stammende Theoderich die O stgoten
als eine neue M acht in der M itte Europas. Er herrscht über ein Reich, das sich zu beiden Seiten der A dria erstreckt. A b 511 ist er
zudem in Personalunion auch G ebieter über das W estgotenreich in Spanien - und dam it der bis dahin m ächtigste germanische
König in Europa. D och auch die Franken haben ihren M achtbereich inzwischen deutlich erweitert. Und als Theoderich im Jahr 526
stirbt, hat das O stgotenreich seinen H öhepunkt bereits überschritten. Zudem wird der oströmische Kaiser noch einmal
versuchen, das Territorium der westlichen Reichshälfte zurückzugewinnen und die Germanen zu vertreiben
556
fränkisch
Mailand Donau
• Ravenna
556
fränkisch
Marseille
Mons Lactarius
552
S ard in ien
Karthago
Kaiser Justinian, der ab 527 in Konstantinopel regiert, ist besessen von der Idee, das Imperium Romanum in seiner alten Größe wieder
herzustellen. 535 wagt er vom Balkan und von Nordafrika aus den A n g riff auf die Ostgoten. Binnen fünf Jahren unterwerfen seine Truppen
fast ganz Italien, besetzen Rom. ziehen in die Hauptstadt Ravenna ein und nehmen den ostgotischen König gefangen. Doch dann schwächt ein
persischer A n g riff im Nahen Osten seine Armeen - und in Italien geht der schon besiegt geglaubte Feind in die Gegenoffensive. Erst nach
einem zweiten jahrelangen Feldzug strecken die Ostgoten 552 endgültig ihre Waffen: Justinian herrscht wieder über ein Reich, das in seinen
Ausmaßen an die alte Größe des römischen Imperiums erinnert. Aber schon wenige Jahre später wird ein neuer Feind gen Italien ziehen
Aachen
B r it e n
Donau
Konstantinopel
W e s tg o te n re ich
Toledo
Nach fast zwei Jahrhunderten ständiger Kämpfe scheint sich in Europa um 568 ein neues G leichgew icht abzuzeichnen: Die Franken
beherrschen G allien sowie weite Teile des heutigen Deutschland, die W estgoten siedeln auf der Iberischen Halbinsel, die Angelsachsen in
Britannien, und Konstantinopel kontrolliert dank seiner militärischen Erfolge fast den gesamten M ittelm eerraum . D och an der Nordgrenze des
Reiches, im heutigen Ungarn, droht eine neue G efahr: D ie germanischen Langobarden haben wohl erkannt, dass die kaiserlichen Truppen zu
schwach sind, um das von den G otenkriegen verheerte Italien zu verteidigen. Sie ziehen nach Westen und gründen nach militärischen Erfolgen
auf der Apenninen-Halbinsel ein eigenes Reich. M it ihrem Einmarsch endet die Völkerwanderung. Eine neue Epoche zieht auf: das M itte la lte r
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Vorschau
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m 16. August 1944 treiben Mit dem Krieg hat Deutschland Ländern wie Polen und Ungarn ver
Bürger der gerade befreiten den Kontinent in Dunkelheit gestürzt. läuft die Front dieses neuen, kalten
französischen Stadt Char 40 M illionen Tote, elf M illionen Krieges mitten durch Europa. Die
tres eine geschorene Frau d i s p l a c e d p e r s o n s , zerstörte Städte, Teilung wird gut 40 Jahre anhaltcn.
durch die Straßen. Sie soll dafür büßen, ausgelöschte Dörfer. Der Konflikt hat GEO E P O C H E erzählt die Ge
dass sie ein Kind von einem deutschen Gräben gerissen zwischen Völkern, schichte der Jahre zwischen dem
Soldaten hat. Auch im Rest Europas Religionen, zwischen Tätern und Op Beginn der Befreiung Italiens 1943
gilt: Als endlich die Waffen schweigen, fern, zwischen Mitläufern und Wider und dem Tod des für die Spaltung des
herrscht noch lange kein Frieden. Son standskämpfern. Auch die Sieger ent Kontinents hauptverantwortlichen
dern zunächst Chaos. Mancherorts zweien sich schon bald - und nach Sowjetdiktators Stalin 1953: die Jahre
dauert es Wochen an, anderswo Jahre. den kommunistischen Putschen in nach der Katastrophe.
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1865-1965
N u r langsam b e g in n t, Prag, 1947: In O ste u ro p a
w ie hier in U ngarn, der übernehm en bald die iese Stadt lebt am und vom Wasser: an der
W ie d e ra u fb a u K o m m u n iste n die M a c h t
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