SCHRIFTENII
Ausgewählt und herausgegeben
von
Norbert Haas
übersetzt von
Chantal Creusor, Volfgang Fietkau,
Norbert Haas, Hans-Jörg Rheinberger
und Samuel M. \fleber.
Quadriga
DAS\rERK VONJACqUESLACAN
HERAUSGEBER: AIN MILLER
JACQUES-AL
ln deutscherSprache
herausgegebenvon Norbert Haas
und Hans-Joachim Metzger
l,cktorat:ClausKoch
JacquesLacan
SCHRIFTENII
Ausgewähltund herausgegeben
von
Norbert Haas
übe.setzt ,rort
ChantalCreusot,Volfgang Fietkau,
Norbert Haas,Hans-JörgRheinberger
und SamuelM. \[eber.
Quadriga
Unlvsreitäts-
Bibliolhr:l<
V o n i c h t a n d e r sa n g e g e b e n ,
N 4 ü n c hic.
s r n d d i e i n d i e s e mB u c h e n t h a l t e n e n
A r b c i r c n v o n J a c q u e sL a c a n e r s c h i e n e ni n :
l;rctiucs L,acan,€crits, Paris 1966
L,{V30SJl'rt.,r
Lacan, Jacques:
Das Verk / von JacquesLacan.Hrsg.: Jacques-AlainMiller' In
dt. Sprachehrsg. von Norbert Haas und Hans-Joachim
Metiger. - Vleinheim ; Berlin : Quadriga.
NE: Lacan,Jacques:fsammlung(dt.)]
Schriften.
2. Ausgew. und hrsg.von Norbert Haas.Übers. von Chantal
Creusot... - 3., korr. Aufl. - 1991
ISBN 3-88679-902-6
Manfred Manke
Urrrschl:rggcstaltung:
lsltN 1,fil1679-902-6
Inhdt
Vorwort 7
D Ä S D R A N G E N D E S B U C H S T A B E N SI M U N B E \ v U S S T E N
ODER DIE VERNUNFT SEIT FREUD I'
I. Der Sinn des Buchstabens rg
II. Der Buchstabe im Unbewußten t4
III. Der Buchstabe, das Sein und der andere 49
(La lettre, l'€tre et I'autre)
S U B V E R S I O ND E S S U B J E K T S U N D D I A L E K T I K
DES BEGEHRENS IM FREUDScHEN UNBE\üUSSTEN T6t
D I E \ T I S S E N S C H Ä F TU N D D I E I ü T A H R H E I T 2 r r
Personenregister 2j9
Vorwort
zur deutschenAusgabe meiner ausgewähltenSchdften -
(notwendig bezogenund gestützt auf den überse4er).
Der Sinn des Sinns ( theneaningofncanirg), man hat sich geftagt,was das
ist. Und zwar weil man, wie ich für gewöhnlich betone, die Antwort
schonhat, handelteessichdabeinicht einfachum akademischenHokus-
pokus.
Der Sinn des Sinns in meiserPraxis begreift, sich daraus,daß er flieht,
rinnt: gleichsamaus einem Faß und nicht, indem er Reißausnimmt.
Dadurch, daß er rinnt (im Sinn: Faß),gewinnt ein Diskurs seinenSinn,
will sagen dadurch, daß seine Wirkungen unmöglich zu berechnen
wären.
Die Spitze an Sinn, man spürt es, ist das Rätsel.
Ich selbstnehmemich nicht ausvon meiner ebengenanntenRegelund
stelle aus der aus meiner Praxis gefundenenAntwort die Frage nach
dem Zeichen desZeichens: \üfie zeigt es sich, daß ein Zeichen Zeichen
ist.
Das Zeichen des Zeichens,das besagtdie Antwort, die der Frage zum
Vorwand (pri-nxte) dient, ist darin zu sehen,daß ein beliebigesZei-
chen ebensogutdie Funktion eines ieden anderenübernehmenkann,
und zwar genaugenommendeshalb,weil es ihm substituiert werden
kann. Denn Tragweite hat das Zeichen nur, weil es entqifert werden
muß.
Ohne Zweifel soll die Abfolge der Zeichen Sinn annehmenaus der
Entzifferung. Nicht aber gibt dieseAbfolge ihre Struktur preis, weil
eine Di(t)mension2 der andern ihren Term gibt.
was die Elle Sinns werr ist, habenwir ausgesprochen.Daß es darauf
hinausgeht mit dem Sinn, hindert nicht, daß dieser ein Loch macht.
Eine entzifferte Mitteilung kann ihr Rätselbewahren.
In ihrem Relief bleibt jedeoperation - die eineaktiv, die andereerlitten
- unterschieden.
:r^
einem Weg, der den Sinn transzendiert, auf dem Weg nämlich, dcr
hervorgeht ausder Annahme einesdem unbewußtenWissen,dashcißt
der Verzifferung unterstelltenSubiekts.Genaudies habeich gesagt,als
ich vom Subiekt gesprochenhabe, dem V7issenuntersrellt ist (ujet
supposö tnoir).
Darum auch ist Übertragung Liebe, ein Gefühl, das hier eine so neue
Form annimmt, daß sie die Subversioneinführt, nicht daß sie dadurch
weniger illusorisch ist, aber sie gibt sich einen Partner, der mit großer
Vahrscheinlichkeit antworten wird, was bei anderenFormen nicht der
Fall ist. Ich bringe wieder den Glücksfall (bonber) ins Spiel, nur daß
die Chancediesmalvon mir kommt und ich es bin, der sie bringt.
Ich bleibe dabci: Es ist Liebe, die sich ans Wissen richtet. Nicht Be-
gehren: denn wasden IVif tricbsangeht,man kann da zweimal hinsehen,
träte er auch auf versehenmit dem Gütezeichcn Freuds, es gibt ihn
überhaupt nicht. Und zwar gibt es ihn so wenig, daß hier der Grund
ist für die Hauptleidenschaftdes sprechenden\üüesens, die nicht Liebe
ist und auch nicht Haß, sondern lgnoranz. Ich rühre da ieden Tag
daran.
Daß die Analytiker oder sagenwir dieienigen,die, indem sie sich für
solche halten, iene Rolle spielen, und ich leite es aus dem einfachen
Umstand ab, daß sie sie real spielen,daß die Analytiker also,ich sagees
im vollen Sinne,ob sie mir nun folgen oder nicht, noch nicht begrifren
haben,daß das,was eingeht in die Matrix desDiskurses,nicht Sinn ist,
sondern Zeichen,gibt eine genaueVorstellung davon, was die kiden-
schaft der Ignoranz bedeutet.
Bevor das Wesen des Schwachsinnsdie Oberhand gewinnt, hatten
andereNicht-Unkluge vom Orakel die Kundschaft verbreitet, daß es
weder enthüllt noch verbirgt: orlpatve6es gibt Zeichen.
Das war so zuZeiten derVorsokratiker, und Sokratesist für den langen
aristotelischenUmweg, der folgte, nicht verantwortlich zu machen,
obschon er hysterischwar. Von hier aus kam Freud, der sein Ohr den
Sokratischenlieh, wie ich sie genannt habe,auf die Vorsokratiker zu-
rück, die in seinenAugen als einzige die Befihigung hatten, Zeugnis
zu gebenvon dem, was er noch einmal fand.
Nicht weil der Sinn ihrer Deutung \Tirkungen gezeitigt hätte, sind die
Analytiker im \ü7ahren,denn so richtig die Deutung sein mag, ihre
lWirkungen sind unberechenbar.Sie zeugt von keinedei Wissen,denn
s A, d, U. : Im Manuekrip, d"rr,..h.
rt
rüüissenin seinerklassischenDefinition versichert sich von einer mög-
lichenVorausschauher.
Was siewissen müssen,ist, daß es ein Wissengibt, das nicht rechnet,
dasaber nichtsdestowenigetfür das Genießenarbeitet.
Was an der Arbeit des Unbewußten läßt sich nicht schreiben?Hier
eben enthüllt sich eine Struktur, die wohl zur Sprachegehört, wenn
anderses deren Funktion ist, Verzifferung möglich zu machen.Dies
ist der Sinn, auf den die Linguistik ihr Obfekt, indem sie es isolierte,
begründet hat: mit dem Namen Signifikant.
Hier allein hat sich der analytischeDiskurs auf die Wissenschaftzu
stützen. Aber wenn das Unbewußte von einem ihm eigenen Realen
Kundschaft gebensoll, ist umgekehrt hier unsereChance,aufzuklären,
wie die Sprachein der Zahl dasRealetransportiert, aus welchem \7is-
senschaftsich bildet.
rü7asunaufhödich geschriebenwkd (Ce qai ttecesse pas des'icrire),ist
getragenvomWortspiel, dasmeine Sprache(kknge nienne)von einer
anderenbewahrt hat, und nicht ohne Grund die Gewißheit, von der
der Modus der Notwendigkeit (nhesiti) im Denken ze\gt.
\üie könnte man übersehen,daß das Zufällige odet das, was aufhört,
nicht geschriebenzu werden, das ist, wodurch die Unmöglichkeit sich
zeigt oder das,was unaufhödich nicht niedergeschriebenwird. Und
daß sich von daher ein Realesbestätigt, das, wenn es auch dadurch
nicht besserbegründet ist, übermittelt werden kann durch dasEntrin-
nen,auf dasjederDiskurs antwortet.
Den 7.rc.r97)
ÜberrcfutaonNorbert Haas uld Cbantal Cressot
493DAS DRANGEN DES BUCHSTABENS
IM UNBE$TUSSTENODER DIE VERNUNFT
SEIT FREUD'
t7
Darum habe ich diesenQuerweg einer Unterredung gewählt, zu der
ich zu ebender Zeitvon der philosophischenFachschaftder Fdddration
detitudiantsfu lettres+eingeladenv/orden bin, um eine günstige Einstel-
lung für mein Exposi zu 6nden, wobei die notwendige Allgemeinheit
desselbensich dem außergewöhnlichenCharakter des Publikums an-
passensollte, seineinmaligerGegenstandaber sich mit der Komplizen-
schaftihrer gemeinsamen,literarischen,Qualifikation trifft, auf die mein
Titel anspielt.
\[ie könnte man in der Tat vergessen,daßFreud unaufhödich und bis
zu seinemEnde an dieserQualifikation für die Ausbildung der Analyti-
ker als der wichtigsten Forderung festgehaltenund daß er die uniaersi-
tat litteraram aller Zeiten als den idealen Ort für seineInstitution be-
zeichnethat!s
So bezeichneteder Rekuts auf die wiederbelebte Bewegung dieses
Diskurses durch die, denenich ihn bestimme,übetdies jene, an die et
sich nicht wendet.
Ich will sagen:niemandvon denen,die mit welchemZiel auchimmer in
der Psychoanalysetolerieren, daß ihre Disziplin auf irgendwelche
falscheIdentität poche.
Eine lasterhafteGewohnheit, derengeistigeAuswirkungen so weit ge-
hen, daß sogar die wahre hier als ein Alibi unter den andern erschei-
nen kann, dessenraffinierte Verdoppelung den feinfühligsten hoffent-
lich nicht entgeht.
Soverfolgt man mit Neugier die Wendung, die sichbezüglich Symboli-
sation und Spracheim Int. J. Pslcltoanal.ankündigt, wenn mit großem
Aufwand und mit angefeuchtetenFingern die Folios von Sapir und
Jespersenumgeblättertwerden. DieseÜbungen sind noch novizenhaft,
aber es fehlt in ihnen vor allem der Ton. Ein gewisserErnst bei der
Einkehr ins \üahrhaftigeentlockt einem ein Lächeln.
Und wie sollteselbstein Psychoanalytiker von heute6nicht glauben,er
wäre soweit gekommen,wenn er ans Sprechenrührt, da ia seineErfah-
rung aus diesemihr Instrument, ihren Rahmen, ihr Material nimmt,
und zwar bis hin zum HintergrundsgeräuschseinerUngewißheiten.
r l)as 'Ireffen fand am 9. Mai r 957 im Hörsaal Descartes an det Sorbonne statt, und
tlic Diskussion wurde dann in feuchtererÄtmosphäre fortgesetzt.
t l)ic lrrage der Laienanalyse,G.IV., XIV, S. z8r f.
0 A. d. U.: Anspielung wie noch mehrmalsim Folgendenauf dasBuch Za pgtcbana-
lyn d'aujoard'ltai, das 1956 bei den Preret aniuertitairet de France zum erstenmal
rufgclcgt wurde, Vgl. auch < Schriften I >, S, r73, Anm. 3.
rll
4et I. Der Sinn desBuchstabens'
t9
sein Platz niedergeschriebenist bereits bei seiner Geburt - und sei es
bloß in der Form desEigennamens.
Der Bezugauf die Erfahrung der Gemeinschaftals der Substanzdieses 496
Diskursesbringt keine Lösung. Denn dieseErfahrung gewinnt ihre
wesentlicheDimension aus der Überlieferung,die dieserDiskurs etst
einsetzt. Diese Überlieferung begründet, lange bevor das Drama der
Geschichtesich in sie einschreibt,die elementarenStrukturen der Kul-
tur. Und diese Strukturen ihrerseits offenbaten eine Ordnung der
Tauschakte,die, wäre sie auch unbewußt, nicht denkbar ist außerhalb
der Permutationen,die die Spracheermöglicht.
Daraus folgt, daß an die Stelle der ethnographischenZweiheit von
Natur und Kultur wohl eine dreiglieddge Konzeption der conditio
humana:Natur, Gesellschaftund Kultur, tfeten muß' wobei sehrwahr-
scheinlich der dritte Begriff sich auf die Sptachereduzieren läßt, das
heißt auf das,was die menschlicheGesellschaftihrem Wesennach von
den natürlichen Gesellschaftenunterscheidet.
Wir wollen indessenan diesem Punkt weder Partei ergreifen noch
anfangen;wir lassendie ursprünglichen BeziehungendesSignifikanten
und der Arbeit im Dunkeln. \7ir begnügen uns, um wenigstens ein
Problemlos zu sein,mit der allgemeinenFunktion, dieder Praxisindet
Genesisvon Geschichtezukommt, und betonen, daß selbstdie Gesell-
schaft,die mit demVoffang derProduzentendie ursächlicheHierarchie
von Produktionsverhältnissen und ideologischen Superstrukturen
(tlberbauten) in ihr politischesRechtwieder eingesetzthabensoll,trotz-
dem kein Esperantohervotzubringen vermochte, dessenBeziehungen
zum sozialistischenRealenradikal fede Möglichkeit einesliteratischen
Formalismusausdet Diskussion hätte verschwindenlassenkönneno.
Wir selbstvertrauen allein auf die Voraussetzungen,die dadurch Gel-
tung bekommen haben, daß die Sprachein der Forschung sich den
StatuseineswissenschaftlichenObiekts erobert hat.
Hier übernimmt die Linguistik'o eine Vorläuferrolle, in dem Bereich,
um den herum eine Neuordnung der'$Tissenschaften in der Regel eine
o Man wird sich entsinnen, daß es tatsächlich eine Diskussion übet das notwendige
Auftauchen einef neuen Sprache in der kommunistischen Gesellschaft gegebenhat,
uncl daß Stalin zur großen Erleichterung seinerphilosophischen Anhänger dieseDis-
kuerion abgeschnittenhat mit den \iüorten: Die Spracheist keine Superstruktur
([)bcrbau).
tu Vcnn wir l-inguistik sagen,meinen wir das Studium der existierenden Sprachen
Struktur und in den sich dabei offenbarenden Gesetzen- draußen bleibt die
::,,t*r
49l Revolution der Erkenntnis signalisiert:wobei allein die Notwendigkci-
ten der Kommunikation uns zwingen, auf den Rücken diesesBandcs
den Titel <Vfissenschaftenvom Menschen>> zu schreiben,ungeachtet
der Verwirrung, die sich hier verbergen kann.
Damit wir das Auftreten der Disziplin der Linguistik an einem Punkt
festmachenkönnen, sagen wir, daß diese wie jede $Tissenschaftim
modernen Sinnebestehtin dem konstituierendenMoment einesAlgo-
Dieser Algorithmus ist :
_r_ithmus.
5
:
J
zu lesenals: Signifikant über Signifikat, wobei das <über > dem Balken
entspricht, der beide Teile ttennt.
Das so geschriebeneZeichen verdanken wir Ferdinand de Saussure,
obwohl es in dieser streng reduziertenForm sich in keinem der Sche-
mata findet, unter denenes in der gedruckten Fassungder verschiede-
nen Vodesungen aus den Kursen der Jahre t9o6fo7, r9o8/o9 und
tgroln auftaucht, die eine Gruppe seinerSchülervoll Ehrfurcht unter
dem Titel Coart delinguistiqreginäralezusammenherausgegebenhat -
eine Publikation von höchstem Rang, die eine Lehre weitergibt, die
diesesNamens würdig ist, das heißt, die man nu! über die ihr eigene
Bewegung festhaltenkann.
Deshalberweist man ihr zu Recht die Ehre der Formalisierung!, ir, d",
sich über die Vielfalt der Schulenhinweg der Einschn ittzeigt,*n U"-
die moderne Linguistik beginnt.
Die Thematik dieser'$Tissenschaft hängt von nun an tatsächlichan der
erstrangigen Position, die dem Signifikanten und dem Signifikat zu-
kommt als unterschiedenenOrdnungen, die von vornherein getrennt
sind durch eine Schranke,die sich der Bedeutung widersetzt.
Dadurch wird es möglich, die dem Signifikanten eigenenVerbindun-
gen und die Funktionsbreite derselbenin der Genesedes Signifizierten
genauzu studieren.
Denn dieseUnterscheidungerstenRangesgeht entschiedenüber jene
Diskussion der Arbitraität des Zeichens hinaus, wie sie sich seit der
Theorie der abstrakten Kodes, die man ungerechtfertigterweise der Kommunika-
tionstheorie zuschlägt, die Theorie der physikalischen Konstituierung, genannt In-
formationstheotie, also iede mehr oder'weniger hypothetisch generalisierte semio-
logie.
2l
Refexion der Antike entwickelt hat, das heißt, der bereits von iener
Epoche erfahrenenAusweglosigkeit, die einer bi-univoken Entspre-
chung von Wott und Sache- und seiesauchnur im Akt der Benennung
- entgegensteht.Soviel gegenden Augenschein,der entsteht durch
die Rolle, die man demZeigefingerzuweist, der auf ein Objekt zeigt,
wenn ein kindliches Subjekt (wjet infans)Ir seine Muttersprache letnt
oder wenn es um jene sogenanntkonkreten Lehrmethoden zur Eder- 498
nung von Fremdsprachengeht'
Auf diesem Vege läßt sich allenfalls demonstrierenlz, daß es keine
Bedeutung gibt, die nicht notwendig auf eine andete Bedeutung ver-
wiese: womit man letzten Endes zu det Bemerkung kommt, daß keine
wirkliche Spracheexistiert, von der fraglich wäre, ob sie das Feld des
Signifizierten abzudeckenvermag, denn eine Wirkung ihrer Existenz
als Spracheist es, Antwort zu wissen auf alle Bedürfnisse.Versuchen
wir der Objektkonstitution in der Sprachenäher zu kommen, so kön-
nen wir nur feststellen,daß sie damit auf die Ebene des Begriffs rückt
und sich von ieglichem Nominativ abhebt, und daß dasDing (chorc)'
während es sich ganz augenscheinlichauf den Namen reduziert, sich
bricht in dem doppelten Strahl, der ausgehtvon der Ursache (caun)'
in welcher es sich in unserer Spracheverbirgt, und dem Nichts (rien),
dem es sein lateinischesKleid überlassenhat (ren).
So aufregend's diese Betrachtungen für den Philosophen auch sein
mögen, sie bringen uns ab von dem Ort, von dem aus die Spracheuns
über ihre Natur befragt. Und man wird an der Frage scheiternin dem
Maße als man sich nicht von der Illusion befreit, daß das Signifikante
der Funktion entspreche, dasSignifiziertevorzustellen,besser:daßdas
Signifikante seineExistenz im Namen irgendeinet Bedeutung 2u Yer'
antwortenhabe.
Selbstin dieser letzten Formel bleibt die Häresie bestehen.Sie allein
treibt den logischenPositivismus zur Suchenach dem Sinn des Sinns,
demmeaningofmeaning, wie man dasObiektive nennt in jener Sprache,
die ihre glühendenBewunderereher schnaubenals sprechen.Das führt
22
uns zu der Feststellung,daß auch der sinnerfülltesteText für jeneAna-
lyse sich auföst in unbedeutendeBagatellen,wogegen nur die mathe-
matischenAlgorithmen sich sträuben,die ihrerseitszu Recht ohne allen
Sinn sind.'+
t+ So zeigt uns Richards, Autor eines \7erks über die Verfahren, die diesem Obiek-
tiven angemessensind, in einem weiteren Buch die Anwendung seiner Lehre. Er
wahlt dafür eine Seite aus Mong Tse, Menciat, wie er von den Jesuiten genannt
witd: Mencitaton tbenindheißt dann der revidierte Gegenstand des stücks. Die Ga-
rantien für die Reinheit der untersuchung stehen in nichts dem Luxus in seinem
Vorgehen nach. Der Gebildete,det sich im traditionellen Kanon auskennt,zu dem
der Text gehört, begibt sich sogar in die Gegend von Peking, wohin die Zenui-
fuge der Beweisführung ohne Rücksicht auf die Kosten transportiert wurde.
!7ir werden aber ebenfalls,und dazu weit billiger, dorthin versetzt, wenn wir sehen,
wie eine Bronze, die bei der geringsten Berührung mit Gedanken einen Glockenton
von sich gibt, sich in eine Art Scheuerlappen verwandelt, mit dem die Tafel des
konsternierendsten englischen Psychologismus gesäubert wird. Nicht ohne diese
- hdlas| - sogleich mit der Hirnhaut des Autors zu identifizieren, die allein von ei-
nem Objekt und von ihm selber tibrig bleibt nach vollendeter Äusschöpfung des
Sinns des einen und desbonrcnsdes andern.
2'
Dimension ihr lüesen treibt, auf die der Psychoanalytikernoch nicht
ganzverzichtethat in dem richtigen Geftihl, daß sein Konformismus
nur von ihr her etwaswert ist. Hier ist sie,die andereIllustration:
HOMMES DAMES
2\
reine Funktion des Signifikanten ist, an dieser Übertragung nur eine
Signifikantenstruktur aufzeigen.
Die Struktur desSignifikantenaberist darin zu sehen,daßer artikuliert
ist, was ja ganzallgemeinvon der Sprachegilt.
Das besagt,daß seineEinheiten, von welchem Gesichtspunktausman
deren reziproke Übedagerungen und zunehmendeEinschließungen
auch verzeichnenmag, einer doppelten Bedingung unterworfen sind:
Sie sind zurückführbar auf letzte differenzielle Elemente, und diese
wiederum setzensichzusammennachden Gesetzeneiner geschlossenen
Ordnung.
Diese Elementesind nach der entscheidendenEntdeckung der Lingui-
stik die Phoneme,wobei mit dem Terminus freilich nicht einephonetische
Konstanz in der Modulationsvielfalt gemeint ist, sondern das syn-
chrone System differenzieller Kopplungen, das zur lJnterscheidung
einzelner\7örte r in einer gegebenenSprachenotwendig ist. Daran sieht
man, daßein wesentlichesElement im Sprechenselbstvorherbestimmt
'war,
in die beweglichenCharaktetezu schlüpfen,die, wo Didots und
Garamondsganzunten im Setzerkastenzusammenfücken,das,was wir
Buchstabe,Letter, nennen,gültig vorstellen, dasheißt die essentielllo-
kalisierteStruktur des Signifikanten.
In der zweiten Eigenschaft des Signifikanten: sich zusammenzusetzen
nach den Gesetzeneiner geschlossenen Ordnung, zeigt sich die Not- 5 0 2
wendigkeit einestopologischenSubstrats,wasder von mir für gewöhn-
lich verwendeteTerminus <signifikanteKette> approximativerfaßt:
Ringe, die in einer Kette sich in den Ring einer andern I(ette einfügen,
die wiedet aus Ringen besteht.
Dies sind die Strukturbedingungen,die - alsGrammatik - die Ordnung
der konstitutiven ÜbedagerungendesSignifikantenbis zu derdem Satz
unmittelbar übergeordnetenEinheit, und die - als Lexikon - die Ord-
nung der konstitutivenEinschließungendesSignifikantenbis zvr ver-
balenRedebestimmen.
Mit Leichtigkeit läßt sich daran, wie diesezwei Versuche,den Sprach-
gebrauchzu vetstehen,an Grenzenstoßen,ersehen,daßallein die Kor-
relationen von Signifikant zt Signifikant einen Maßstab abgeben für
icde SuchenachBedeutung,was sich zeigt in dem Begriffder Veraen-
dm.qeinesTaxiems oder Semantems,ein Begriff, der auf Kontexte ver-
weist, die graduell geradeüber den betreffendenEinheiten liegen.
Man darf jedochnicht schondeshalb,weil dieVersucheder Grammatik
und dcsLexikonssichan einerbestimmtenGfenzeerschöpfen,anneh-
z6
men, die Bedeutung regierejenseitsdavon ungeteilt. Das wäre ein Irr-
tum.
Das Signifikante antizipiert seinet Natur nach nämlich immer den
Sinn, indem es in gewisset S7eisein seinemVorfeld seineDimension
auftut. Das kann man an der Att Sätzesehen,die vor der signifikativen
Iüüendungabbrechen:Niemals werde ich . . ., Immer ist es. . ., Vielleicht
auch... Diese habendatum nicht weniger Sinn, und sie habendiesen
Sinn um so zwingender als dieser sich dadn begnügt, auf sich warten
zu lassen!6.
Ebensoverhält essichmit jenemPhänomen,dasdieseSätzeallein durch
die Rückwirkung einesAber aufscheinenläßt, schön wie Sulamit, sitt-
sam wie ein Blumenmädchen,die Negerin für die Hochzeit auf- und
vorbereitendund die Arme zur Versteigerung.
Man kann also sagen,daß der Sinn in der Signifikantenketteintistiert,
daß aber nicht ein Element der Kette seineKolsistenThatin der Bedeu-
tung, deren esim Augenblick geradefähig ist.
Es drängt sich also der Gedankeauf, daß dasSignifiziette unaufhödich
unter dem Signifikanten gleitet - was F. de Saussurean einem Bild
illustriert, dasden zwei Windungen des Oberen und desUnteren W'as-
tol sersgleicht, wie sieauf den Miniaturen der Genesishandschriften darge-
stellt sind. Ein doppelter Fluß, der markiert ist von feinen Regenstrei-
fen, wodurch sich punktierte vertikale Linien bilden, die die korrespon-
dierendenSegmenteeingrenzen.
Dagegenwäre die Erfahrunganzuführen,die mich zu einembestimm-
ten Zeitpunkt in meinemSeminarüber die Psychosenvon uSteppunk-
ten" sprechenließ, die in diesemSchemabenötigt werden, soll der
Vorherrschaft des BuchstabensRechnung getragenwerden in der
'Werk
dramatischenTransformation, die der Dialog im Subjekt ins
setztenkann17,
Aber die Linearität. die F. de Saussureals konstitutiv ansiehtfür die
t6 Damit eröffnet uns die in dieser Form auftretende verbale Halluzination manchmal
einen bisher verfehlten, weil unbemerkten Kommunikationsweg zur Freudschen
Struktur der Psychose(Seminardes Jahtes ryjtlJ6),
rz rVir taten dies am 6.Juni r9y6 anhand der ersten Szeneder Atlsalie,wobei wir
zugeben, daß eine Änspielung auf die < Edelhurerei > RacinescherHeldinnen, die ein
ltiglt bron-Kritiker in Nent Statesmanand Nation gemacht hatte, dabei nicht ohne
Einfluß war, hat sie uns doch veranlaßt, uns einmal nicht auf die wilden Dramen
Shakespeares zu beziehen,wie esim analytischenMilieu Zwang gewordenist, wo diese
Bezugnahmedie Rolle der Sdaonnetteä aikin des Philistertums spielt.
Kette desDiskurses,konform zuihrer Aussendungdurch eineeinzige
Stimme und in der Horizontale, wie sie sich in unserer Schrift
niederschreibt,ist, wenn auch notwendig, so doch durchaus nicht
zureichend.Denn siebestimmtdie Diskurskettenur in der Richtung,
die diesein der Zeit orientiert,wobei siesogaralssignifikanterFaktor
in allenSprachenaufzufassen wäre,in denen:[PeterschlägtPaul] ihre
Zeit umkehrt, indem sie ihre Terme umdreht.
Es genügtaber,der Poesiezu lauschen,wasF. de Saussure ohne Zwei-
fel tat'8, damit eineVielstimmigkeit sichvernehmenläßt,und ein jeder
Diskurs sich ausrichtet nach den verschiedenenDimensionen einer
Partitur.
Tatsächlich gibt es keine signifikante Kette, die, gleichsam an der
Interpunktion jeder ihrer Einheiten eingehängt, nicht alles stützen
würde, was sich an bezeugtenKontexten artikuliert, sozusagenin det
Vertikalen diesesPunktes.
So sehenwir, wenn wir unser nflort: arbre(Baum) wieder aufgreifen,
und zwar nicht mehr in seiner nominalen Vereinzelung, sofldern an
einer dieserInterpunktionen, daß wir es nicht allein der Tatsache,daß
dasWort barre(Balken) sein Anagramm ist, zu vetdanken haben, daß
es den Balken des Saussureschen Algorithmus durchbricht.
Denn aufgeteilt auf dasdoppelte Spektrum der Vokale und Konsonan- to4
ten, nennt es mit dem Robber und der Platanedie Bedeutungen,mit
welchenesin unsererFlora beladenist: Kraft und Herrlichkeit.Indem
es alle symbolischenKontexte anzieht,in denen es im Hebräisch der
Bibel erscheint,errichtet es auf einem baumlosenHügel den Schatten
desKreuzes.Es reduziert sich dann auf dasgroße Y als Zeichenfür die
Dichotomie, das ohne dasBild, dasals Ausschmückungin den Vap-
penbüchernvorkommt, dem Baum nichts zu verdanken hätte - so ge-
nealogischesauch daher käme. Baum des Kteislaufs, Lebensbaumdes
Kleinhirns, Baum des Saturn oder der Diana, kristalliner Niederschlag
auf einem blitzleitenden Baum, ist's eure Gestalt, die unser Schick-
sal zeichnet in der Schildkröten-Schale, die dem Feuer übergeben
wird, oder euerBlitz, der auseinerunermeßlichenNacht jenelangsame
Veränderung des Seinsim Ey ndwa der Sprachehervotgehen läßt:
'8 l)ie Veröflentlichung Jean Starobinskis im Mercarede France yom Februar r964,
rlic die Notizen von Ferdinand de Saussureüber die Anagramme und ihre hypo-
grammatische Verwendung von den saturnischen Versen bis zu den Texten Cicetos
zugringlich gemacht hat, gibt uns die Gewißheit, die uns seinerzeit gefehlt hat
(re66).
IN
Non! dit I'Arbre, il dit: Non! dansI'itincellement
De satite superbe
Q{ein! sagtder Baum, sagt: Nein! im Glitzern
seinesherdichen Haupts)
Ein Vers, den man, glauben wir, mit Recht in den mitklingenden Tö-
nen des !7orts arbrehörcn kann, wie auch den folgenden:
pue la tenpdtetraite trtiaerrcllement
Comneellefait uneherbe.
(Mit dem der Sturm so universell umgeht wie mit einem Gras)'o
Denn diesemoderne Strophe richtet sich nach demselbenGesetz des
Parallelismusdes Signifikanten, dessenZusammenklang den primiti-
ven sla'rischen Heldengesang so gut wie das höchste Raffinement
chinesischer Poesieregiert.
7ie man sieht in der gemeinsamenSeinsweise,derenthalbenmanarbre
und herbegewählt hat, damit die Zeichen des\Tidetspruchs erscheinen
können im dire <<Nor!>> und im traiter clnme (behandelnwie) und da-
mit dutch den kategorischenKontrast des Partikularismus der Hetr-
lichkeit zum Allgemeinen seinerReduktion hindurch in der Verdich-
tung von t6te :undt€np|te das ununterscheidbareGlitzern des ewigen
Augenblicks sich vollende.
Aber all diesesSignifikante, wird man sagen,kann doch nur wirken,
indem es im Subjekt gegenwärtig ist. Genau dies meine ich, wenn ich
annehme,daß es auf die Ebene des Signifiziertenübergegangenist.
Wichtig ist nämlich nicht, daß das Subiekt mehr oder weniger davon
v/eiß'zo.-(nfäreHommesund Dames in einer dem Jungen oder dem
Mädchen unbekanntenSprachegeschrieben,ihr Streit wäre nur um so
ausschließlicherein Wortstreit, der aber nicht weniger die Bereitschaft
zeigte,sich mit Bedeutung aufzuladen.)
loy ITas dieseStruktur der signifikantenKette aufdeckt,ist meineMöglich-
keit, genauin dem Maße, wie ihre Sprachemir und anderenSubjekten
gemeinsamist, dasheißt, wie dieseSpracheexistiert, mich ihrer bedie-
nen zu können um allesanderealsdasdamit zu bezeichnen,was sie sagt.
Diese Funktion des Sprechensverdient viel eher hervorgehoben zu
werden als die Funktion der Verkleidung von (meistenfallsundefinier-
baren)GedankendesSubjekts:Denn sieweistden Platzauf, den dieses
Subjekt einnimmt in der Suchenach dem W'ahren.
29
Tatsachlichgenügt esmir, meinen Baum zupflanzenim Äusdruck: Es
ist zum Auf die Bäumeklettern,dasheißt, auf ihn dasspöttischeLicht
zu werfen, dasein beschreibendetKontext dem Wort arborer(atfpflan-
zen)gibt, damit ich mich nicht zum GefangenenirgendwelcherCommu-
niquösiJberTatsachenmachenlasse,so offiziell dieseauch sein mögen,
und, vrennich die Wahrheit weiß, sietrotzalletZensarqwitcbendenZei-
lenhörenzulassenallein durch den Signifikanten,den durch die Zweige
desBaums hindurch meine akrobatischenAnstrengungen konstitutie-
ren können, welche provozierend sein können bis zur Budeske oder
nur für ein geübtesAuge etkennbar,je nachdemob ich von det Menge
verstandenwerden will odet von einzelnen.
Die sich dergestaltin der Spracheabzeichnendeeigentlichesignifikante
Funktion hat einen Namen. Diesen Namen lernten wir in unseref
Schulgrammatikauf jener letzten Seite,wo der SchattenQuintilians,
dazuverdammt,alsKapitelgespenst letzteBetrachtungenüber denStil
anzustellen,seineStimmeerschallenzu lassenschienund drohte, uns
zu angeln.
Unter den Stilfiguren oder Tropen, v/oraus dasVerb troilaer(<finden >)
abgeleitetwurde, findet sichtatsächlichdieserName. DieserName ist:
.ttetonlmie.
Wir wollen davon nur das Beispiel festhalten, das dort gegebenist:
dreißig Segel.Die Unruhe nämlich, die es in uns hervordef durch den
Umstand, daß das darin verborgene$7ort Schiff" seineGegenw^tt zu
verdoppeln schien,indem esseinenfigurativen Sinn der rüTiederholung
selbst diesesabgedroschenenBeispielshätte entnehmen können, ver-
hüllte weniger jene illustten Segelals die Definition, die dieseillustrie-
ren sollten.
W'ennwir die Sachereal verstehenwollen, so läßt, sagtenwir uns, det
fürs GanzegenommeneTeil kaum eineVotstellung davon, wie wichtig
man eine Flotte nehmen muß, die diesedreißig Segelgleichwohl vor-
stellensollen: daßein Schiffnur ein Segelhabensoll, ist in der Tat der
ungewöhnlichsteFall.
Man erkennt daraus, daß die Verknüpfung von Schiff und Segelim , o 6
Signifikantenstatthatund nirgendwo sonst,und daß die Metonymie
getragenwird von dem lVortfür lVort dieserf,Ierknüpfung22.
1o
Wir bezeichnendamit den erstenAbhang (aersant)des\X/irkungsfeldes,
das der Signifikant konstituiert, damit der Sinn darinPlatz nehme.
Nennen wir den anderen.Es ist die Metapber.Wir wollen sie sogleich
illustrieren: Das Wörterbuch von Quillet schienmir geeignet,ein Mu-
ster zu liefern, dasman nicht verdächtigen konnte ausgewähltzu sein,
und ich suchte denn auch nicht lange nach der Farce und nahm den
wohlbekanntenVers von Victor Hugo:
Sagerber'itait pas aaareni baineuse.,.23
(SeineGarbe war nicht geizig,noch von Haß erfüllt.)
mit dessenHilfe ich seinerzeitin meinem Seminarüber die Psychosen
die Metapher vorgestellt hatte.
Sagenwir, daß die modernePoesieund die surrealistische Schuleuns
hier einengroßenSchritt vorwärrs gebrachthaben,indem sie zeigten,
daß eine jede Konjunktion zweier Signifikanteneine Metapher konsti-
tuieren könnte, wäre nicht die Bedingung der größten Disparität der
to7 bezeichnetenBilder gefordert zur Produktion despoetischenFunkens,
andersgesagt: damit die metaphorischeSchöpfung stattfinden kann.
Sicher, diese radikale Position gründet sich auf die Erfahrung der
sogenanntenautomatischenNiederschrift, auf die man sichnicht einge-
3r
lassenhätte ohne die Zuversicht, die ihre Pioniere in der Freudschen
Iintdeckung zu haben glaubten. Ihr Merkmal ist aber die Konfusion
geblieben,denn die Lehre ist falsch.
Der schöpferischeFunke der Metapher entspringt nicht der Vergegen-
wärtigung zweief Bilder, das heißt zweier gleicherweiseaktualisierter
Signifikanten. Er entspringt zwischenzwei Signifikanten, deren einer
sich dem andern substituiert hat, indem ef dessenStellein der signifi-
kanten I{ette einnahm, wobei der verdeckte Signifikant gegenwärtig
bleibt durch seine (metonymische)Verknüpfung mit dem Rest der
I(ette.
Ein lnortfür einanderes ist die Formel für die Metapher, und wenn Sie
Poet sind, bringen Sie,indem Sie sich ein Spiel darausmachen,einen
ununterbrochenenSttom hervor, ein betörendesGewebevon Meta-
phern. Den Effekt der Trunkenheit einesDialoges, den Jean Tardieu
unter diesemTitel komponiert hat, erzielen Sie dann allein durch die
Offenbarung der radikalen Überflüssigkeitjeglicher Bedeutungfür die
vollkommen überzeugende Darstellungder bürgerlichenKomödie'
Es ist klar, nicht dasgeringsteLicht fällt auf den Vers von Hugo, wenn
man feststellt, eine Garbe sei weder geizig noch von Haß erfüllt und
zwar deswegen,weil es keine Frage ist, ob sie dieseAttribute nun vet-
dient oder nicht verdie nt, daiabeidesmit ihr zusammenEigenschaften
sind von Boas, der Gebrauch macht von ihnen, indem er über die
Garbe verfügt, ohne sie an seinenGefühlenteilhabenzu lassen.
'Wenn
seinebarbe auf Boasverweisr,wie es nun tatsächlichder Fall
ist, so deshalb,weil siesichihm in der signifikantenKette substituiert,
\üTegfallvon
an ebender Stelle,die sieum einenGrad erhöht durch den
Geiz und Haß erwartete.Jedochvon Boashat die Garbe diesenPlatz
nun gereinigt,denn er ist jetzt hinausgestoßen in die Finsternis,wo
Geiz und Haß ihn beherbergenin der Hohlform ihrer Negation'
Aber da nun einmalseineGarbedergestaltseinenPlatz usurpiert hat,
kann Boas nicht auf ihn zurückkehren,weil der winzige Faden des
kleinenrcin,der ihn noch daranbindet, ein Hindernis mehr ist, dasseine
Rückkehr an einen Besitztitel heftet, der ihn aus Geiz und Haß nicht
herauskommenließe. Sein behaupteterGroßmut sieht sich auf weniger
a/.rnichtsreduziett durch die Freigebigkeit der Garbe, die, weil sie aus
{cr Natur kommt, unsefe Zurückhaltung und Ablehnung nicht kennt t o 8
untl noch in ihrer Häufung verschwenderisch bleibt für unser Maß'
Wcnn aber in dieser Verschwendung der Geber mit der Gabe ver-
so nur, damit er auftauche im Umkreis der Figur, an der er
:.;t't*^rd,
zunichte ward. Denn dasStrahlender Fruchtbarkeit kündigt die Über-
raschungan, die das Gedicht feiert: dasVersprechenseiner künftigen
Vaterschaft, das der Greis in einem weihevollen Kontext entgegen-
nimmt.
Zwischen dem Signifikanten des Eigennamenseines Menschen also
und dem Signifikanten,der diesenmetaphorischaußerKraft setzt,ent-
steht der poetischeFunke, der hier um so wirksamer die Bedeutung
der Vaterschaft realisiet als er jenesmythische Ereignis reproduziert,
an dem Freud - im Unbewußten jedesMenschen- den Weg desVater-
mysteriumstekonstruiert hat.
Die moderne Metapherweist keineandereStruktur auf. Deswegenläßt
der Ausruf:
L'amoar estun cailloariant dansh sohil
(Die Liebe ist ein Kiesel, der in det Sonnelacht)
die Liebe neu in einerDimensionentstehen,von der ich sagenkonnte,
sieerschienemir haltbargegenüberihrem Abgleitenins Trugbild eines
narzißtischenAltruismus, dasimmer droht.
Man sieht, die Metaphet hat ihren Pl^tz genü) da, wo Sinn im Un-sinn
entsteht,dasheißt an jenem Übergang,der in umgekehrterRichtung
genommen,wie Freud entdeckthat, jenem Süort Raum gibt, das im
Französischen<das S7ort> par excellenceist, das'S7ort,für das kein
andererals der Signifikant desespritz+die Patenschaftübernimmt, wor-
an sich begreifenläßt, daß der Mensch sogar noch seinemSchicksal
Hohn spricht durch den Spott desSignifikanten.
Aber - um von hieraus danuf zurückzukommen - was findet der
Menschin der Metonymie,wenn'smehr seinsoll alsnur die Macht, die
Hindernisse der gesellschaftlichenZensur aus dem Weg zu räumen?
Manifestiert diese Form, die der Wahrheit ihr Feld in ihrer Unter-
drückung gibt, nicht einegewisseKnechtschaft,die ihrer Darstellung
inhärentist?
Man wird mit Gewinn dasBuch lesen,in welchemLeo Strauss,indem
,o9 er dasAsyl des klassischenBodensall jenenanbietet,die die Freiheit
gewählt haben, über die Beziehungenmeditiert, die die Schreibkunst
tt
zurVerfolgung unterhält2s.Indem er auf dasGenauestedie Art Konna-
turalität untersucht, die die besagteKunst an dieseBedingung bindet,
läßt er ienesEtwas aufscheinen,das seineForm aufzwingt in der \Vir-
kung, die die \Wahrheitauf dasBegehrenausübt.
Spürenwir indessennicht, daß,indem wir den\(fegendesBuchstabens
gefolgtsind,um die Freudsche\(rahrheiteinzuholen,wir brennen,und
daß sein Feuer um sich greift!
Sicher, man sagt, der Buchstabetötet und Geist macht lebendig. Wir
schließenuns nicht ausvon dieserKonvention, zumalwir hier irgend-
wo ein edles Opfer zu begrüßen hatten, das den Itrtum beging, im
Buchstabenzu suchen,aber wir fragen auch, wie der Geist ohne den
Buchstabenleben könnte. Die Ansprüche des Geistes würden auch
dann unangefochtenbleiben, wenn der Buchstabenicht die Probe abge-
Iegt hätte davon, daß er alle seine Vfahrheitswirkungen im Menschen
tätigt, ohne daß der Geist auch nur das geringste damit zu schaffen
hat.
Dies hat sich Freud offenbart,und Freud nannte seineEntdeckung das
Unbewußte.
,4
Jahthundertsz6uns vodegt. Darin bestätigt sich nur, was er bis zum
Ende verkündet hat: In dem Es geht ums Ganzeseiner Mitteilung ist
das Ganze seinerEntdeckung.
yro Die ersteausdrücklicheBestimmung gleich im Eingangskapitel- denn
diese Mitteilung leidet keinen Aufschub - besagt,daß der Traum ein
Rebus sei. Und Freud ptäzisiert, daß diese Bestimmung, wie ich zu
Anfang gesagthabe, buchstäblichaufzufassensei. Im Traum nämlich
verfolgen wir die Einwirkungen eben der verbuchstäblichenden(oder
andersgesagt: phonematischen)Struktur (rtructue littärante), in wel-
chersichder Signifikant im Diskurs artikuliert und sichanalysierenläßt.
\7ie die in der Natur nicht vorkommenden Bilder desBootes auf dem
Dach oder des Mannes mit dem wegapostrophierten Kopf, auf die
Freud ausdrücklich hinweist, sind die Bilder des Traums nur in ihrem
Signifikantenwert zu nehmen, das heißt nur so weit wie sie die Mög-
lichkeit eröffnen,den < Spruch> desTtaumrebus nachzubuchstabieren.
Diesedie Operation desLesensermöglichendeSprachsttukturstehtam
Anfang der <Traumsignifikanz>, <Traumdeutung)27.
Freud führt auf unterschiedlicheWeisevor, daß dieser Signifikanten-
wert desBildes nichts zu tun hat mit seinerBedeutung,und beruft sich
dabei auf die ägyptischenHieroglyphen, wo eslächedich wäre, aus der
Häufigkeit des Geiers oder des Kükens, die den BuchstabenAlef und
den BuchstabenWaw darstellen,womit eine Form des Verbs <sein>
und dessenPlurale ausgedrücktwerden,abzuleiten,der Text habeauch
nur im geringstenetwasmit diesenVogelarten zu tun. Freud orientiert
sich an gewissenVerwendungendesSignifikantenin dieserSchrift, die
aus der unsern verschwunden sind, so am Gebrauch des Determinati-
vums28,das den Exponenten einer kategorialen Form der buchstäb-
lichen Darstellung einesverbalen Begriffs beifügt. Er tut dies,um uns
besseran den Umstand heranzuführen,daß wir in der Schrift stehen,
in der selbstdasvermeintliche <Ideogramm) ein Buchstabeist.
Indessenbraucht es noch nicht einmal die gewöhnliche Verwirrung
hinsichtlich diesesTerminus, damit im Kopf des linguistisch nicht
26 Vgl. die Korrespondenz, vor allem die Nr. ro7 und r r9 der von seinenHetausge-
bern ausgewählten Briefe.
zz A. d. Ü. : Im Original lautet die Passage:( est au principe de la ilgnifanceda röue,
delz Traumdtztrxg.>>
28 A. d. Ü, : Das Determinativ ist ein Zeichen in der ägyptischen und sumerischen
Bildetschrift, das bestimmt, zu welcher Bedeutungskategotie das betreffende rVort
zu rechnenist. Vgl. S.Freud,G.\7., Bd. XI, S.236.
tt
geschulten Psychoanalytikers das vorurteil eines symbolismus
herrscht, der sich aus der Analogie mit der Natur, das heißt aus dem
koaptativen Bild des Instinkts herleitet. So sehr, daß es außerhalbder
französischenschule,die hier standhält,auf der Tagesordnungist: Im
Kaffeesatzlesenist nicht in den Hieroglyphen lesen,wodurch ich mich
veranlaßt sehe, eine Technik an ihre Prinzipien zu erinnern, deren
Wege durch nichts gerechtfertigt wären,hätte sie nicht dasUnbewußte
fest im Auge.
Man muß sagen,daß dies nur mit Mühe akzeptiert wird, und daß die
geistige Untugend, die wir weiter oben angeklagt haben, sich-einer
solchenBeliebtheit erfreut, daß man vom Psychoanalytikervon heute
ehererwaften kann, daßer zugibt, er dekodiere,alsdaßer sichentschlie-
ßen könnte, mit Freud die nötigen stationen zurückzulegen(biegenSie
ab bei der Statue von Champollion, sagt der Fremdenfühter), um zu
vefstehen,daß er entziffertzwas sichYom efstefenunterscheidetdutch
den Umstand, daß ein Kryptogramm alle seineDimensionen nur be-
sitzt, wenn es einer vedorenen Spnche angehört.
Diese Stationenzurücklegenheißt tfotzdem nichts anderesals: in der
<Traumdeutung))2efortzufahten.
Die Entstellung30,im Französischentransposition,inderFreud die allge-
meine vorbedingung der Traumfunktion aufzeigt, ist, was wir weiter
oben mit Saussureals Gleiten des Signifikats untef dem Signifikanten
bezeichnethaben,dasim Diskurs immer (auf, wohlgemerkt, unbewuß-
te lWeise)wirksam ist.
Es finden sich hier aber beide Abhänge der Einwirkung des Signifi-
kantenauf das Signifizierte.
Die Verdichtong, i- Französischencondensation, meint die Überbela-
stungsstruktur der Signifikanten, in der die Metapher ihr Feld ein-
nimÄt, wobei der Name (<Ver-dichtung)) daraufhinweist,daßdieser
Mechanismusvon def Natur der Poesieist, und zwar soweit,alser de-
ren eigentlich traditionelle Funktion einschließt.
Die Verschiebung, im Französischendäplacement, w^s dem deutschen
Ausdruck näher kommt, ist diesesumstellen der Bedeutung,das die
Metonymie zeigt, und das seit seinemErscheinenbei Fteud als ienes
Mittel des unbewußten gedachtwird, dasam bestengeeignetist, die
Zensur zu umgehen.
rc A. d. Ü.: Deutsch im Original.
rn A.<1.Ü.: <F,ntstellung>, im folgenden <Verdichtung>, <Verschiebung>,
<,1'raumarbeit >, < Rücksicht auf Darstellbarkeit> bringt das original auf Deutsch.
t(r
rüasunterscheidetdiesezwei Mechanismen,die in der Traumarbeit eine
herausragendeRolle spielen,von ihrer homologen Funktion im Dis-
kurs ?Nichts außereiner Bedingung,unter der dassignifikante Material
steht,die sogenannte<Rücksichtauf Darstellbarkeit>.Diese Bedin-
gung bildet aber eine Beschränkung,die sich im Innern des Systems
der Schrift auswirkt, allerdings ohne dieses aufzulösen in einer
figurativen Semiologie,in der es wieder mit den Erscheinungendes
natürlichen Ausdrucks zusammenfiele.Vielleicht wären in diesem
Zusammenhangdie ProblemeverschiedenerArten von Bilderschrift
aufzuklären, die man allein aus dem lJmstand, daß man sie in der
Schrift als unvollkommen aufgegebenhat, nicht als bloße Entwick-
lungsstadienbetrachtendarf. Der Traum scheintuns jenem Gesell-
schaftsspielzu gleichen,bei dem man auf einemSchemelstehendden
Zuschauerneinen bekanntenAusspruchoder die Abwandlung eines
solchenzu erraten gibt allein mit Hilfe einer stummen Darstellung.
Daß der Traum über dasSprechenverfügt, ändertdarannichts, denn trz
für das Unbewußte ist diesesnur ein Inszenierungselement wie die
anderen.Genaudann, wenn sowohl dasSpielalsauchder Traum sich
daran stoßen, daß das taxematischeMaterial zur Darstellung der
logischenFiguren der Kausalität,des Widerspruchs,der Hypothese
usw. fehlt, zeigt sich, daß beide Geschäftder Schrift und nicht der
Pantomime sind. Die subtilen Vorgehensweisen,die der Traum
ergreift, um dennoch dieselogischenArtikulationen auszudrücken,
und zwar wenigerkünstlich, alsesdasSpielfür gewöhnlichtut, bilden
bei Freud den GegenstandeinerbesonderenUntersuchung,die einmal
mehr bestätigt,daß die Traumarbeit den Gesetzendes Signifikanten
folgt.
Den Rest der BearbeitungbezeichnetFreud als sekundär,handelt es
sich doch um Phantasienoder Tagträume3',wie Freud sienennt, wenn
er ihre Funktion bezeichnenwill, die auf Wunscherfüllung hinausläuft.
Iht Unterscheidungsmerkmal,vorausgesetztdaß diesePhantasienun-
bewußt bleiben können, ist tatsächlichihre Bedeutung.Von ihnen sagt
Freud, daß es ihr Platz im Traum ist, entweder in ihm als signifikante
Elemente für die Aussagedes Traumgedankensrzgenommen zu wer-
den, oder der hier in Frage stehendensekundärenBearbeitung zu die-
nen, dasheißt einer Funktion, die, wie er sagt,(von unseremwachen
:r A.d.Ü.: Das deutsche\üort ist im Original beigeftigt wie auch <lVunscherfül-
lung> im gleichen Satz.
sz A.d.Ü.: Deutsch beigeftigt.
t7
Denken nicht zu unterscheiden>rr ist.Von denlfirkungen dieserFunk-
tion kann man keine bessereVorstellung geben,als wenn man sie mit
Farbtupfen vergleicht, die bald hier bald dort auf eine Schablonege-
bracht werden und so auf einer bildlichen Darstellung die in sich recht
widerborstigen I(lischees von einem Bilderrätsel oder von Hierogly-
phen erscheinenlassen.
Ich entschuldigemich, daßich selbstnur den Text nachzubuchstabieren
scheine;ich tue das nicht nur deswegen,weil ich zeigen will, was zu
gewinnenist, w'ennmansichentschließt,nichtsdavonwegzulassen. Ich
tue es, um auf etste fundamentaleund nie widerrufene Bestimmungen
zu begründen,was in der Psychoanalysesich zugetragenhat.
von Beginn an hat man die konstituierendeRolle des Signifikantenim
StatusdesUnbewußtenverkannt, die Freud von vornherein sehrexakt
formalisiert hat.
Dies aus einem doppelten Grund, wobei der am wenigsten auffallende
natürlich der ist, daß diese Formalisierung für sich allein nicht hin-
reichte, die Instanz des Signifikanten erkennen zu lassen;sie war zur t r t
Zeit desErscheinensder <Traumdeutung>rnden Formalisierungender
Linguistik weit voraus, denensie,wie man ohne Zvteifel zeigenkönn-
te, allein durch ihr Wahrheitsgewicht,den Weg gebahnt hat.
Der zweite Grund ist letztlich nur die Rückseite des ersten, denn
wenn die Psychoanalytikerausschließlichvon den im Unbewußten
aufgefundenenBedeutungenfaszinieft waren, so deshalb, weil diese
ihren geheimsten Reiz aus der Dialektik bezogen haben, die ihnen
immanent schien.
Wie ich für mein Seminat gezeigthabe, war es notwendig, die immer
mehr sichübefstüfzendenAuswirkungen dieserEinseitigkeit ins rechte
Geleisezurückzubringen, und nur darauserklären sich die offenkun-
digen Schwenks oder bessergesagt die Kursänderungen' die Freud
durch seinedringlichsteSorge,dasÜberlebenseinerEntdeckungabzu-
sichern,mit den erstenUmarbeitungen,die sie den Kenntnissenabver-
langte, seiner Lehre im Veflauf ihrer Entfaltung glaubte mit auf den
Weg gebenzu müssen.
Denn in dem Fall, in dem er war, ich wiederholees: nichts zu haben,
was, auf seinen Gegenstand antwortend, auf demselbenNiveau
wissenschaftlicherReifung gewesenwäre, hat er wenigstensdiesen
rll
Gegenstandauf der Höhe seiner ontologischen Würde zu halten ver-
mocht.
Der Rest war das Geschäft der Götter und es lief damit so, daß die
Analyse heute sich ausrichtetnach jenen imaginären Formen, die, wie
ich gezeigt habe, als Reserveüber dem Text erscheinen,den sie ver-
stümmeln - auf sie haben sich die Augen der Analytiker eingestellt:
Man vermischt sie in der Trauminterpretation mit der visionären öff-
nung des hieroglyphischen Vogelgehegesund sucht allgemeiner die
Ausschöpfungder Analyse unter Kontrolle zu bringen in einer Art
vanning3s eben jener Formen, wo immer dieseauftreten mögen, in der
Vorstellung, daß sie die Zeugen der Äusschöpfung der Regressionen
ebensowie der Neumodellierungdes<Objektbezugs> sind,in der,wie
man meint, das Subjektsich typisiertro.
Die Technik, die sich auf solchePositionenberuft, mag fruchtbar seinin
Hinsicht auf verschiedeneS7irkungen,die hinter dem therapeutischen
t r 4 Schutzschildrecht schwer zu kritisieren sind. Eine innere Kritik aber
kann ansetzenbeim flagrantenlüTiderspruchzwischendem Operations-
modus, auf den sich dieseTechnik stützt,- dasheißt der analytischen
Regel,derenfnstrumenteinsgesamt,angefangenbei der <freienAsso-
ziation>, ihre Legitimation ausdem Begriffdes Unbewußten beziehen,
wie ihn dessenEntdecker entwickelt hat - und dem völligen Verkennen
diesesBegriffsdesUnbewußten,dashier herrscht.Womit die schärfsten
Verfechter mit einer elegantenWendung fertig zu werden glauben: Die
analytischeRegel muß um so andächtigerbefolgt werden, als sie nur
die Frucht einesglücklichenZufalls ist. Andersgesagt,Freudhättenie
so recht gewußt, was er tat.
Die Rückkehrzu FreudsText zeigtdagegendenabsolutenZusammen-
hang zwischen seiner Technik und seiner Entdeckung und edaubt
gleichzeitig, seinenVorgehensweisenden gebührendenRang zuzuwei-
sen.
Deswegenmuß jede Richtigstellungder Psychoanalyse auf die Wahr-
heit jener Entdeckung zurückführen, die unmöglich in ihrem Ur-
sprungsmomentverdunkelt werden kann,
:s Bekanntlich ist dies das Verfahren, durch das eine Untersuchung sich ihres Re-
sultats vergewissert durch die mechanischeAusforschung des ganzenGegenstands-
bereichs.
36 rifleil die Typologie sich allein auf die Entwicklung des Organismus bezieht,
verkennt sie die Struktur, der das Subiekt im Phantasma,im Trieb, in der Sublimie-
rung unterliegt - eine Struktur, deren Theorie ich ausarbeite (1966).
In der Traumanalysewill uns Freud nichts anderesvorführen als die
GesetzedesUnbewußtenin ihrer allgemeinstenGültigkeit. Ein Grund,
weshalb der Ttaum dafür am günstigsten waf, ist, wie Freud uns
mitteilt, geradeder,daßer dieseGesetzeebensobeim normalenSubiekt
wie beim Neurotiker enthüllt.
Aber in dem einen wie im anderen Fall hört die Wirksamkeit des
Unbewußtennicht beim Aufwachen auf. Die psychoanalytischeErfah-
rung zeigt nicht mehr und nicht weniger, als daß dasUnbewußte keine
einzigeunsererHandlungen aus seinemFeld entläßt' SeineGegenwart
in der psychologischenOrdnung, andersgesagt:in den Beziehungs-
funktionen desIndividuums, muß gleichwohl präzisiertwerden: Sieist
durchausnicht dieserOrdnung koextensiv,denn wir wissen,daß,wenn
auchdie unbewußteMotivation sichebensowohlin bewußtenpsychi-
schenWirkungen wie in unbewußtenpsychischenWirkungen manife-
stiert, man umgekehrt grundsätzlichdaran erinnern muß, daß einegro-
ße AnzahlpsychischerWirkungen,die der Ausdruck <unbewußt>,der
den Charakter des Bewußtseinsausschließensoll, legitimerweise be-
zeichnet,dennoch ihrer Natur nach ohne iede Beziehung zum Unbe-
wußten im SinneFreudssind. Nur durch einemißbräuchlicheVerwen-
dung des Ausdrucks also verwechseltman psychischund unbewußt
in diesemSinne und bezeichnetzum Beispiel eine Wirkung des Unbe-
wußten auf das Somatischeals psychisch.
Es handelt sichalsodarum, die Topik diesesUnbewußtenzu definieten' t r t
Ich sage,esist ebendie, die definiertist mit dem Algorithmus:
!
f
'!fas
dieseruns übet die Äuswirkung desSignifikantenüber dasSignifi-
kat zu sagenermöglichthat, stimmt übereinmit seinerUmwandlungin:
^,^. I
/(sh
Wir haben die \Tirkungen der Kopräsenz nicht nur der Elemente der
horizontalen signifikantenKette, sondernauch der veftikalen Ängren-
zungen derselbenim Signifizierten- aufgeteilt nach den zwei Grund-
'Wir
strukturen in der Metonymie und in der Metapher - atfgezeigt.
konnensieso symbolisieren:
./(S...S')S>S(-)r
4o
also die Struktur der Metonymie, die anzeigt,daß die Verbindung des
Signifikanten mit dem Signifikanten die Auslassung möglich macht,
durch die das Signifikante den Seinsmangel(manqaede l'/tre) in die
Objektbeziehungeinführt, wobei es sich des Verweisungswertsder
Bedeutungbedient, um ihn mit dem Begehrenzu besetzen,das auf
diesenMangel zielt, den es unterhält.Das Zeichen(-) zwischen( )
manifestiertdabeidie Aufrechterhaltung desBalkens((- >,der im ersten
.Algorithmus die Irreduzibilitätbezeichnet,in der sichin den Beziehun-
gen des Signifikanten zum Signifikat der'Widerstand der Bedeutung
konstituiert3z.Nun die Formel:
/(:)'=s(*)'
für die Metaphemstruktur, die anzeigt, daß in der Substitution des
Signifikanten durch einen Signifikanten ein Bedeutungseffekterzeugt
wird, der poetischist oder schöpferisch,andersgesagt:Heraufkunft
der in Frage stehendenBedeutung3s.Das Zeichen< * > zwischen( )
manifestierthier das Überschreitendes Balkens<-> und den konsti-
tuierenden V7ert, den diesesÜberschreitenfür das Zutagetteten der
Bedeutunghat.
DiesesÜberschreitendrückt die Bedingung für denübergang desSigni-
1r6 fikantenins Signifizierteaus,dessenMoment ich obenbezeichnethabe,
indem ich esprovisorisch mit dem Platz desSubjektsvertauschte.
Bei der in dieserWeiseeingeführtenFunktion des Subjektsmüßen wir
nun einhalten;sie stellt den I(reuzpunkt unseresProblemsdar.
Ich denke,alsobinich (cogitoergosum),dasist nicht nur die Formel, in der
sich, auf dem historischenGipfel einer Refexion auf die Bedingungen
von tüTissenschaft, die Bindung an die Transparenzdes transzen-
dentalenSubjektsvon seinerexistentiellenBejahungher konstituiert.
Vielleicht bin ich nur Objekt und Mechanismus(und alsonichts wei-
ter als Erscheinung),sicher aber insofern ich das denke, bin ich -
absolut. Ohne Zweifel habendie Philosophenhier wichtige I(orrektu-
ren angebracht,namentlich daß in dem, was denkt (cogitans),ich mich
immer nur als Obfekt (cogitatum)konstituiere. Bleibt, daß durch diese
extreme Läuterung des transzendentalenSubjekts meine existentielle
rz Das Zeichen t bezeichnet die Kongruenz.
:E S'bezeichnet in dem Kontext den produktiven Term der signifikanten rVirkung
(oder Signi6kanz), man sieht, daß dieser Term latent in der Mtitonymie, offen in der
Metapher vorhanden ist.
4r
Bindung an seinen Entwurf unumstößlich scheint, zumindest in der
Form seinerAktualität, und daß
<cogitoergl sum>>abi cogito,ibi sun
über jeden Einwand erhabenist.
Das schränkt mich wohlgemerkt insoweit ein, als ich in meinem Sein
nur da bin in dem Maße,wie ich denke,daßich in meinemDenken bin;
in welchem Maße ich daswirklich denke, geht nur mich etwasan und
interessiert,wenn ich es sage,niemandenre.
Dem nun aus dem Wege gehen, indem man behauptet,es handle sich
nur um philosophischenSchein,heißt einfachZeugnis gebenvon Hem-
mung. Denn der BegriffdesSubjektsist unverzichtbarfür die Handha-
bung einer'sfissenschaftwie der Spieltheorieim modernenSinne,deren
Kalküle allen < Subjektivismus> ausschließen.
Es bedeutetdiesauch,daß man sich den Zugang verbietet zu dem, was
man dasUniversum Freudsnennenkönnte in dem Sinne,wie man vom
Universum desKopernikus spricht. Tatsächlichhat Freud selbstseine
Entdeckung mit der sogenanntenkopernikanischenRevolution vergli-
chen und hervorgehoben,daßesdabeieinmal mehr um den Platz ging,
den der Mensch sich im Z,enttlJmeinesUniversums zumißt.
Ist der Platz, den ich als Subjekt des Signifikanten einnehmein bezug
auf den,denich alsSubjektdesSignifikatseinnehme,konzentrischoder t 1 7
exzentrisch?Das ist die Ftage.
Es geht nicht darum zu wissen,ob ich von mir in einer'S7eise spreche,
die dem, was ich bin, konform ist, sondern datum, ob ich, wenn ich
darüberspreche,derselbebin wie der, von dem ich spreche.Und esist
nichts Mißliches dabei,wenn mari hier den Begtiff desGedankensein-
führt. Freud nämlich bezeichnetmit diesemBegriff die Elemente,die
im Unbewußten,dasheißt in den signifikanten Mechanismen,die ich in
ienenaufgewiesenhabe,im Spielsind.
Nichtsdestoweniger ist dasphilosophischecogitoim Brennpunkt iener
Täuschung,die den modernenMenschenso sichermacht,er selberzu
seinin seinenUngewißheitenüber sich selbst,sogardurch ienesMiß-
trauenhindurch, daset seitlangemden Fallen der Eigenliebegegenüber
zu hegengelernthat.
ro ( innz anders verhält es sich damit, wenn ich zum Beispiel eine Frage stelle wie
<rVarumPhilosophen? > und mich einfältiger gebe als ich bin, denn ich stelledamit
nicht nur dic Frage, die sich die Philosophen immet schon gestellt haben, sondern
rlic, fiir rlic sie sich vielleicht am meisteninteressieren.A.d.Ü.: Vgl. Jean-Frangois
llc vcl : It oarrluoidu plti losophc
s?, Pa.tis t 9 57.
,t2
'Wenn
ich nun gegen die Nostalgie, der diesesdient, die s7affedcr Mc-
tonymie kehre und mich weigere,irgendwelchenSinn jenseitsder Tau-
tologie zu suchen,und wenn ich im Namen des<Krieg ist Krieg > und
<<einSou ist ein Sou> mich entschließe,eben nur das zu sein,was ich
bin, wie werde ich mich dann von der augenscheinlichenGewißheit
losreißen,daßich in ebendiesemAkt bin?
Nicht minder kann ich, wenn ich mich auf den anderen,den metaphori-
schenPol der signifikanten Suchebegebeund mich bestimme,das zu
werden, was ich bin, also zum Sein kommen will, odet: dazu kommen
will, es zu sein (äuenir ä l'6tre), nicht daran zweifeln, daß ich gerade
wenn ich mich dabei vediere, eben darin bin.
Geradean den Punkten, wo die Evidenz unterwandertwirdvom Empi-
rischen,liegt der Dreh der FreudschenWende.
DiesessignifikanteSpiel von Metonymie und Metapher wird bis zu
und samtseineraktivenSpitze,die mein Begehrenauf eine\üüeigerung
des Signifikantenoder auf einen Seinsmangel festkeilt und mein Los
mit der Frage meines Schicksalsverknüpft, in seinerunerbittlichen
Finessedort gespielt- und zwar bis die Partieaufgehobenwird - wo
ich nicht bin, weil ich mich an dem Ort nicht festlegenkann.
Das heißt, daß wenig gesagt wurde, als ich meine Zuhörrr mit den
\Torten stutzig machte: ich denke, wo ich nicht bin, also bin ich, wo
'Worte,
ich nicht denke. die jedem frei aufmerksamenOhr spürbar
'Wieselambiguität
machen, mit welcher der Ring des Sinns auf der
verbalen Schnur unseremZagtiff entflieht+o.
Man muß sagen:Ich bin nicht, da wo ich dasSpielzeugmeinesDenkens
bin; ich denke an das, was ich bin, dort wo ich nicht denke zu den-
ken.
Zu diesemGeheimnis mit zwei Gesichtern kommt der Umstand, daß
die Wahrheit sich nur evozierenläßt in lener Alibi-Dimension, durch
;r8 die aller <Realismus>im SchaffenseineKraft ausder Metonymiebe-
zieht, wie jener andere,daß der Sinn sich nur jenem doppelten Knick
der Metapher aufschließt,sofern man flur deren gemeinsamenSchlüs-
selbesitzt: Das S und dasr desSaussureschen Algorithmus liegen nicht
auf derselbenEbene und der Mensch würde sich täuschen,wenn er
meint, et sei auf ihrer gemeinsamenAchse, die nirgendwo ist.
Dies zumindest, bis Freud es entdeckt hatte. Denn wenn das, was
Freud entdeckt hat, nicht genaudies ist, ist es nichts.
+ oÄ . d . Ü . : E i n B i l d , d a s L a c a n d e s ö f t e r n v e r w e n d e t . S . S c h r i f t e n I , S . z 3 S , A n m . 3 S .
41
f)ie Inhalte desUnbewußtenliefern uns in ihrer täuschendenAmbigui-
tät keineRealität,die im Subjektbeständigerwäre alsdasUnmittelbare;
sie beziehenihre Kraft aus der \Tahrheit und in der Dimension des
SeinstKern arser€rlYesens, das sind Fteuds eigene\forte.
Der MechanismuseineszweifachenAbspannensbei det Metaphet ist
ebenderselbewie beim Symptom im analytischenSinn. Zwischen dem
rätselhaftenSignifikanten des sexuellenTraumas und dem Term, dem
diesersich dann in einer aktuellensignifikantenKette substituiert, geht
der Funke hindurch, der in einemSymptom- einer Metapher,in der das
Fleischoder die Funktion als signifikantesElement genommenwerden
- die Bedeutung festhält,unzugänglich dem bewußten Subjekt, in der
es sich lösenkann.
Und die Rätsel,die das Begehtenjeder <Naturphilosophie>aufgibt,
seineRasetei,die den Abgrund der Unendlichkeit mimetisch wieder-
holt, die innige Verbindung, in die esdie Lust zu wissenund die Lust zu
herrschenmit dem Genießenbringt, dieseRätselverdanken sich kei-
ner anderen Regellosigkeit des Instinkts als seinem Gefangenseinin
den ewig auf dasBegehren nacltetuasanderernausgerichtetenBahnen der
Metonymie. Daher seine<perverse> Fixietung an denselbenAnknüp-
fungspunkt der signifikanten Kette, an dem die Deckerinnerung sich
festsetzt,an dem dasfaszinierendeBild desFetischGestalt annimmt.
Es gibt kein anderes Mittel, die Unzerstörbarkeit des unbewußten
Begehrenszu begreifen- während eskein Bedürfnis gibt, das, wenn es
sich um die Sättigung gebracht sieht,'nicht dahinsiechenwürde, im
Extremfail in einet Aufzehrung desOrganismusselbst.JeneKette, die
danuf intistiert, sichzu reproduzierenin der Übertragung, und die die
Kette einestoten Begehrensist, wohnt in einemGedächtnis,vergleich-
bar dem, das man ebensonennt bei unsern modernen Denkapparaten
(die auf einer elektronischenRealisierungder signifikanten Komposi-
tion basieren).
Durch sein Symptomschreitdas Subiektdie Wahrheit dessenhetaus,
was diesesBegehren in seiner Geschichte gewesenist, so wie nach
Christus' !flort die Steine geschrien hätten, hätten ihnen die Kinder
lsraelsihre Stimmegeliehen.
I)arum auchvermag nur die Psychoanalyse im Gedächtnisdie Funktion t19
cler'Wiedererinnerung genauerzu bestimmen.Verwuzelt im Signifi-
kanten,löst sie durch dasHeraufsteigender Geschichteim Menschen
die platonischenAporien der Reminiszenz.
lis gcnügt, die Drei Abhandlnngen qar Sexaaltbeoriezu lesen,die durch
4,1
eine Unmenge pseudobiologischerGlossenfür die Menge wieder zu-
gedeckt worden sind, um festzustellen,daß Freud jeden Zugang zum
Objekt von einer Dialektik der Wiederkeht abgeleitetsein läßt.
Nachdem er so vom Höldedinschen aöoroEausgegangenwar, sollte
Freud weniger alszvanzig Jahre späterzur KierkegaatdschenWieder-
holung kommen, dasheißt sein Denken vermochte sich, indem es sich
an seinemBeginn allein den einfachenaber unbeugsamenKonsequen-
zen det talkirgcr'tre:untetworfenhatte,niemalsausdet lebhaftenDienst-
barkeit zu lösen, die ihn vom königlichen Prinzip desLogos aus dahin
geführt hat, die tödlichen empedokleischenAntinomien wiederzuden-
ken.
Und wo andersals auf jenem <anderenSchauplatz>,von dem als Ort
des Traums er spricht, sollte man ansiedeln, daß et als Mann der
Wissenschaftauf einen Deat ex macltinazurückgriff, was nicht ganz so
lächerlichist durch den Umstand,daßsichhierbei dem Zuschatet zeigt,
daß die Maschineden Regisseurselbstregiert? Obszönesund grausa-
mesBild desLJrvaters,unerschöpflichim Versuch,sichloszukaufenin
der ewigenBlindheit desÖdipus - wie andersalsdaßer dasHaupt zu
beugen hatte unter der Gewalt einer Zetgenschaft, die über seine
Vorurteile hinausging, sollte man denken, daß ein Gelehrtet des
19.Jahrhundertsmehr alsan allem durch seinganzesS7etkhindurch an
jenem Totemund Taba festgehaltenhat, vor dem die Ethnologen von
heute sich verbeugen wie vor dem STetdeneines authentischenMy-
thos ?
Auf ebendie Notwendigkeiten, auf die der Mythos reagiert,antwortet
ienes herrische Wuchern besonderer symbolischer Schöpfungen, in
welchen dieZsränge desNeurotikers bis ins Detail motiviert sind, wie
das,was man die infantilen Sexualtheoriennennt.
So entwickelt der Kleine Hans- ich bringe Siejetzt genauan den Punkt,
an dem in meinem Seminar mein Kommentat zu Freud gegenwättig
sich entfaltet -, der mit fünf Jahren von seiner symbolischenUmge-
bung, die versagt, im Stich gelassenwird, angesichtsdes plötzlich für
ihn aktualisiertenRätselsseinesGeschlechtsund seinerExistenz,untet
der Anleitung Freudsund unter det Anleitung seinesVaters,der dessen
Schülerist, um den signifikantenKristall seinerPhobieherum in mythi-
scher Form alle möglichen Umwandlungen einet begrenzten Anzahl
von Signifikanteri.
yzo Es ist dies eine Operation, in der sich zeigt, daß selbstauf dem indivi-
duellen Niveau dem Menschendie Lösung des Unmöglichen ermög-
45
licht wird durch die Ausschöpfungaller möglichenFormen von Un-
m<iglichkeiten,die im signifikanten Änsatz der Lösung auftreten.Das
wirft auf packendeWeiseLicht in das Labyrinth einer Beobachtung,
deren man sich bis in die Gegenwart nur bedient hat, um Abbruchs-
material aus ihr zu gewinnen. Und es wird auch greifbag daßin der
Koextensivität der Entwicklung des Symptomsund seinerAufösung
in der Kur, sich die Natur der Neurose zeigt: Gleichviel ob phobie,
Hysterie oder Zwangsneurose,sie ist eine Frage, die das Sein für das
Subjekt <von da aus stellt, wo es war, bevor das Sublekt zur \ü7elt
gekommenist > (mit diesemNebensatzerklärtFreuddemKleinenHans
den Ödipuskomplex).
Es handelt sich hier um jenesSein,dasblitzartignur für einen Augen-
blick in der Leere des Verbums <sein> erscheint,und von dem ich
gesagthabe,daßesseineFragefür dasSubjektstellt.Washeißt das? Es
stellt sie nichtuordem Subjekt,weil ja dasSublektden Platz,an dem es
sie stellt, nicht einnehmen kann, aber es stellt sie an der Stelle des
Subjekts,das heißt es stellt die Frage an dieser Stellenit dem Subjekt
wie man ein Problem mit einer Schreibfederaufstellt oder wie der
Mensch bei Aristoteles nit seiner Seeledenkt.
Auf diese'W'eiserl hat Freud dasIch wieder in seineLehre hereinkom-
men lassen,indem er es durch die ihm eigenen\Tiderstände definiete.
Daß dieseimaginärerNatur sind im Sinnekoaptativer Trugbilder, was
uns die Ethologie in den tierischenVerhaltensweisendes Paradierens
und desI(ampfes zeigt, habeich begreiflich zu machenmich bemüht in
den Reduktionsformen dieser Trugbilder beim Menschen,in der nar-
zißtischenRelationnämlich,wie Freud sie eingeführthat und wie ich
sie im Spiegelstadium weiter herausgearbeitethabe. Wenn Freud auch,
indem er in diesemIch die Syntheseder \Tahrnehmungsfunktionenan-
siedelt,in welchedie sensomotorischen Selektionsakte integriert sind,
sich schließlichauf die Aufgabe berufr, die dem Ich traditionellerweise
zugeteilt wird, nämlich die Realität zu verantworten, so bleibt diese
Realitätnur um so mehr eingeschlossen in die Ungewißheit deslcb.
I)enn diesesfch, dasman zunächstunterscheidetauf Grund der imagi-
nären Trägheiten, die es konzentriert der Mitteilung des Unbewußten
cntgegenstellt,ist nur dadurchwirksam, daßesjeneVerschiebung,die
das Subjekt ist, mit einem \Tiderstandzudeckt, der dem Diskurs als
solchemwesentlichist.
rr l)ic folgenden zwei Absätze wurden noch einmal geschrieben(Dez.68), allein,
um sic diskutsiver zu machen.
.1(r
t2r Hier liegt der Grund, wesu/egeneine Ausschöpfung der Abwehrme-
chanismen,so fühlbar sieuns ein Fenichelin seinenTechnikproblemen
auch macht, weil er ein Praktiker ist (wenn auch seineganzetheoreti-
scheReduktion der Neurosen oder Psychosenauf genetischeAnoma-
lien der libidinösen Entwicklung einePlattheit ist), sich offenbart,ohne
daß er davon Rechenschaftgibt, ja sogar ohne daß er sich davon
Rechenschaftgibt, als die Kehrseite dessen,wovon die Mechanismen
des Unbewußten die Vorderseite darstellen: Periphrase,Hyperbaton,
Ellipse, Suspension,Antizipation, Retractatio, Verneinung, Exkurs,
Ironie sind die Stilfiguren (Quintiliansfgurae rcntentiarum);Katachrese,
Litotes, Antonomasie, Hypotyposis die Tropen, die als Begriffe sich
am bestendazu eignen, dieseMechanismenzu bezeichnen.Genügt es,
in ihnen nur simple Rede'xreisen zu sehen,wo sie doch die Figuren dar-
stellen,die in der Rhetorik desDiskurseswirksam werden, der effektiv
vom Analysierten gesprochenwird.
Wo sie sich darauf versteifen, die Natur des Widerstands in einer
emotionalenStetigkeit und alsein dem Diskurs Außedichesanzusehen,
zeigen die Psychoanalytikervon heute nur, daß sie von einer iener
fundamentalenlüTahrheitenerfaßt sind, die Freud durch die Psychoana-
lyse wiederaufgedeckthat. Nämlich: daß man einer neuen Wahrheit
nicht einfach ihren Platz einräumen kann, denn esgeht vielmehr dar-
um, daß wir unsern Platzin ihr einnehmen.Sie vedangt, daß man sich
aufstören läßt. Es genügt nicht, sich bloß an sie zu gewöhnen. Man
gewöhnt sich ans Reale.Die \(ahrheit verdrängt man.
Nun ist esfür den Gelehrten,für den Magier und sogarfür den Medika-
ster speziellnotwendig, daß er der einzige Wissendeist. Die Vorstel-
lung, daß es im Innersten der einfachstenSeelenund, mehr noch, der
kranken Seelenetwas gibt, das sich entfalten soll, mag gerade noch
hingehen! Aber einer, der den Eindruck erweckt, er wissegenausogut
wie sie,was man davon zu denkenhabe.. . kommt uns zu Hilfe, ihr Ka-
tegorien desprimitiven Denkens, desprälogischen,archaischen,magi-
schenDenkens, die man so bequem den anderenimputieren kann. Es
geht nicht an, daß diese armen Schlucker uns dergestaltaußer Atem
bringen, indem sie uns vor Rätsel stellen, die recht hinterhältig sind,
wie sich herausstellt.
'$Tollte
man dasUnbewußteinterpretierenwie Freud, somüßteman wie
er eine lebendeEnzyklopädie der Künste und Musen sein und zudem
noch ein regelmäßigerLeserder Fliegenden Blätter. Und leichterwird die
Aufgabe auch nicht gerade,wenn wir uns auf Gnade und Ungnadeei-
47
nem F'aden,gesponnenaus Anspielungenund Zitaten, aus Kalauern t22
und Zweideutigkeitenanvertrauen.Müssenwir uns berufsmäßigmit
[,litterkram als Antidoton abgeben?
tjs hilft nichts, man witd sich dazu entschließenmüssen.Das Unbe-
wußte ist nicht dasUrsprüngliche oder dasInstinktive, und an Elemen-
tarem enthält es nur die Elemente des Signifikanten.
I)ie Bücher,die man alskanonischbezeichnenkann auf dem Gebietdes
Unbewußten- <Die Traumdeutung>>, <<ZurPsychopathologie desAll-
tagslebens > und <Der Witz und seineBeziehungzum Unbewußten> -
sind ein einzigesNetzwerk von Beispielen,dessenEntwicklung sichin
den Formeln der Verknüpfung und der Substitution niederschlägt(die
rufs Zehnfache gesteigert werden nur schon durch ihte besondere
I(omplexität und deten Bild von Freud oft neben dem Text geliefert
wird), Formeln, die ebendie sind, die wir vom Signifikantenin seiner
('lbertragungsfunktiongeben.In der Traumdeutung wird der Terminus
( Übertragung) genauin diesemSinneund in dieserFunktion einge-
führt, und erst späterwird der Begriff verwendet zur Bezeichnungder
intersubjektivenVerbindung zwischenAnalysiertemund Analytiker.
SolcheDiagramme sind nicht nur konstitutiv für jedeseinzelneSym-
ptom einer Neurose, sie sind auch das einzige,wodurch es möglich
wird, die Thematik von derenVedauf und Aufösung einzufassen. Die
großen Analysen und BeobachtungenFreuds zeigen dies in bewun-
'Weise.
dernswertet
Um auf ein eherbegrenztes Beispieleinzugehen,dasaberhandlicherist
und uns unsetVothaben noch einmalbeglaubigensoll, zitiereich den
Artikel von r9z7 über den Fetischismusmit dem Fall, von dem Freud
dort berichtet. Es handelt sich um einen Patientena2,bei dem die se-
xuelle Befriedigung von einem bestimmten Glanz auf der Naseabhän-
gig war, und von dem die Analyse zeigen konnte, daß er dies dem
Umstandverdankte,daß seineerstenenglischsprachigen Jahre seine
brennendeNeugier,die ihn an denPhallusder Mutter fesselte, verscho-
ben hattenin einenBlick auf die Nase ( aglanceat thenote,nicht shineontbe
ttov in der <vergessenen)Spracheder Kindheit des Subjekts),das
heißt auf dieseminenteSeinsverfehlen,dessenprivilegierten Signifikan-
ten Freud freilegenkonnte.
I)ieserAbgrund, det sichbeim Gedankenauftut, daßim Abgrund sich
ein Denken vernehmenläßt, hat von Beginn an den\Tiderstandgegen
rr l;ctischismus,
G.\ü7.,XIV, S.3rr,
48
die Analyse wachgerufen.Und nicht, wie man sagt, daß dcr Sexualität
im Menschendas'Wott geredetwurde. Dieseist in der Literatur der
yz3 Jahrhundertemit Abstand der häudgsteGegenstand.In der Psychoana-
lyseist esauf einem sehrulkigen\Veg so weit gekommen,daß ausihr
eine moralischeInstanz wurde, die \7iege und der'S7artesaal,in dem
man auf Opferbereitschaftund Liebenswürdigkeit v/artet. Die Seelein
der platonischenFassung,die man nun einsegnetund beleuchtet,erhebt
sich und fliegt schnurstracksins Paradies.
Der unerträglicheSkandalzuderZeit, alsdie FreudscheSexualitätnoch
nicht alsheiliggesptochengalt, bestanddadn, daßsieso <intellektuell >
erschien.Darin erwies siesichals würdige Komparsin all jener Terrori-
sten, deren Verschwörungen die Gesellschaftzugrunde richten soll-
ten.
Im Moment, wo die Psychoanalytiketsich dazu hetgeben,eine wohl-
denkendePsychoanalyse neu zu entwerfen,derenKrönung dassoziolo-
gischeGedicht vom atttonomen fcb darctellensoll, will ich all jenen, die
mich hören, sagen,woran siedie schlechtenPsychoanalytikererkennen
können: Sieerkennensiean dem Wort, mit dem siejedetechnischeund
theotetischeAnstrengung heruntermachenwollen, die die Freudsche
Erfahrung in ihrer authentischenLinie verfolgt. Es ist dasWofi Intel-
hktualisierang*vor dem all jene einen Hortor haben,die, in der Furcht
lebend, den $7ein der'Wahrheit trinken zu müssen,auf das Brot der
Menschen spucken, ohne daß übrigens ihr Geifer je etwas andetes
verrichten könnte als das Geschäftder Hefe.
Ist nun, was also an meiner Stelle denkt, ein andereslch? Läuft dte
Entdeckung Freudshinausauf eineBekräftigung desManichäismusauf
der Ebene der psychologischenErfahrung?+t
In Wirklichkeit ist keine Verwechslungmöglich: Freuds Untersuchun-
gen zielennicht auf die mehr oder minder seltsamenFälle von Doppel-
+r Einer meiner Kollegen ging bis zu diesem Gedanken, indem er sich die Frage
stellte, ob das Es der späteren Lehre nicht das <schlechte Ich > sei. (Man sieht, mit
wem ich zusammenzuarbeiten hatte ! 1966).
persönlichkeit. Selbst in det heroischen Epoche, von der wir eben
berichtethaben,als die Sexualitätsprachwie die Tiere im Märchen, hat
sich niemals jene Spukatmosphäreherausgebildet, die eine solche
Orientierung hätte hervorbringen müssen44.
Das dem Menschendurch FreudsEntdeckung gesetzteZiel wurde von t24
ihm auf dem Gipfel seinesDenkens festgehaltenin den bewegenden
W'orten: <Wo Es war, soll Ich werden> (Dort, wo es war, muß ich
ankommen)+s.
Dies Ziel bedeutet Reintegration und Einverständnis, ich möchte sa-
gen Versöhnung46.
Verkennt man aberdie radikaleBxzentr.izitätsich selbstgegenüber,mit
der der Menschkonfrontiert ist, verkennt man, mit andernWorten, die
von Freud entdeckteIüahrheit, wird man, sich täuschendin Aufbau
und Gang der psychoanalytischenVermittlung, aus dieser eine kom-
promißlerische Unternehmung machen,zu der sie ja auch in der Tat
verkommen ist, dasheißt man wird dort landen,wogegenFreudsGeist
und der BuchstabeseinesWerks am hartnäckigstenopponieren: Denn
der Begriffdes Kompromissesist von ihm immer wieder angesprochen
worden als das,was dasganzeElend perpetuiert, dem seineAnalysezu
Hilfe kommt, und man kann sagen,daß det Rekurs auf den Kompro-
miß, ob explizit oder implizit, eine jede psychoanalytischeAktion um
ihre Orientierung bringt und sie in tiefste Nacht stürzt.
Es langt aberauchnicht, wenn man sich an den moralisietendenTartüf-
ferien unsererZeit aufgeilt und den Mund voll hat mit Sprüchenvon
der <totalen Persönlichkeit>, um nur etwas Artikuliertes gesagt zu
habenüber die Möglichkeit der Vermittlung.
Die radikaleHeteronomie, die, wie Freuds Entdeckung zeigenkonnte,
im Menschenaufklafft, kann nicht wieder zugedecktwerden, ohne daß
aus alledem,was hier im Spiel ist, grober Unfug wird.
Was ist also dies andere,an dem ich mehr hängeals an mir, bewegt es
mich doch im Innersten meiner Identität mit mir selbst?
SeineGegenwart ist nur zu begreifen in einem zweiten Grad der An-
rr Glcichwohl ist der Ton festzuhalten, in dem man in dieset Zeitvom Zzfall andd.en
Kobold$rcichen det Unbewuften,so der Titel eines Buches von Silberer, gesptochen
hat. ln der Umgebung unserer Seelenmanagerheute wäre dies absolut anachroni-
ntisch.
tr A. d. Ü.: LacanübersetztFreudsSatz<\üo Es war, soll Ich werden >>hietmitLäot)
f'nt ja, il mefaal adrenir,was wir in Klammern wiedergeben.
.0 A.d. U.: <Vetsöhnung> deutsch in Klammern,
t()
dersheit,der es selbstin eineVermittlungsposition bringt in bezug auf
meine eigeneVerdoppelung mit mir selbst als mit einem Meinesglei-
chen.
'Wenn
ich gesagthabe, dasUnbewußte sei der Diskurs desAndern mit
großem A, so wollte ich damit auf das Jenseitshinweisen, in dem die
Anerkennung des Begehrenssich mit dem Begehren nach Anetken-
nung verbindet.
Anders gesagt,diesandereist der Andere, den noch meine Lüge anruft
als Garant der'VTahrheit,in der sie Bestandhat.
Woran man sehen kann, daß die Dimension der Wahrheit mit dem
Auftreten von Spracheauftaucht.
Noch vor diesemPunkt ist freilich in der psychologischenBeziehung,
die in der BeobachtungtierischenVerhaltensvollkommen isoliert wer-
525 den kann, bereits die Existenz von Subiekten anzunehmen,und zwar
nicht durch eine projektive Täuschung, dasLieblingskind der Psycho-
logen, die ja Experten in der Gespenstetjagdsind, sondern weil hier
Intersubiektivität gegenwärtig und manifest wird. In der lauernden
Haltung, hinter der eines sich versteckt, im Aufstellen einer Falle, im
Sich-Totstellen,mit dessenHilfe ein von seinerHorde entferntesflüch-
tiges Tier seinenVerfolger auf eine falsche Fähre bringen will, ent-
spdngt etvas, das über die faszinierendeErektion der Paradeund des
Kampfes noch hinausgeht.Trotzdem ist daran nichts, was mehr wäre
als Täuschung im Dienst eines Bedürfnissesoder was ein Dasein be-
haupten würde in jenem Jenseits-des-Schleiers, wo die ganze Natur
über ihre Absicht befragt werden könnte.
Daß überhaupt die Fnge danachan den Tag tritt (und Freud ist, wie
man weiß, in <Jenseitsdes Lustprinzips > so weit gekommen), muß
Sprachesein.
Ich kann nämlich meinen Gegner mit einet Bewegung täuschen,die
kontdr zu meinem Schlachtplanläuft, dieseBewegung übt dann ihre
täuschende'Wirkung eben nur in dem Maße, wie ich sie in Virklich-
keit produziere, und zwat fijrr meinen Gegner.
In den Sätzenaber, mit welchenich mit ihm in Friedensverhandlungen
trete, ist das, was in diesenihm vorgeschlagenwird, an einem dritten
Ort anzusiedeln,der weder mein Sprechennoch mein Gesprächspartner
ist.
Dieser Ort ist nichts anderesals der Ort der signifikanten Konvention,
wie offenbarwird in jener bitteren Klage einesJuden an seinenBruder:
<Wenndu sagst,du fahrst nachKrakau, willst du doch, daßich glauben
tr
soll, du fahrst nachLemberg. Nun weiß ich aber,daß du wirklich fahrst
nachKrakau. Also warum lügst du? >+z
Wohlgemerkt, meine Truppenbewegung, von der ich eben sprach,ist
verstehbaraus einer konventionellen Spielstrategie,aus deren Regeln
folgt, daß ich meinen Gegner täusche; abet mein Erfolg wird dann
verstandenim Zusammenhangvon Tücke, dasheißt innerhalb der Be-
ziehung zum Andern als Garanten des Guten Glaubens.
Diese Probleme hiet gehören in eine Ordnung, dereh Heteronomie
einfachverkannt wird, reduziert man sie auf irgendein <Gefühl für den
andern>, was immer man damit sagenwill. Denn nachdem die <Exi-
stenz des andern> unlängst bis zu den Ohren des psychoanalytischen
Midas vorgedrungen ist durch die Scheidewandhindurch, die ihn von
der Versammlungder Phänomenologentrennt, läuft, wie man weiß, die
folgende Nachricht durch das Schilf: < Midas, König Midas, ist das t26
andereseinesPatienten.Er selbsthat's gesagt.))
Was für eine Tür hat er hier tatsächlich eingeschlagen?Das andere,
welchesandere?
Wie der junge Andrd Gide seine Zimmerwirtin, der er von seiner
Mutter anvertraut worden wat, pdfen will, ob sieihn wie ein mündiges
\fesen behandeltund offen vor ihren Augen mit einem Schlüssel,der
nur falsch ist, weil er alle Schlösserder Art öffnet, das eine Schloß
aufsperrt, das sie selbstfür den Signifikanten hält, der ihrer erzieheÄ-
schenAbsichten würdig ist - welchen andern hat er da im Blick? Die,
die dann eingreift und zu welcher das Kind lachend sagt: < Mit einem
lächerlichenSchloßwollen Sie meinen Gehorsamerzwingen?> ? Aber
nur weil siesichversteckthatte und einenAbend lang auf der Lauer lag,
um dem Schelmnach einem gehörig spitzen Empfang eine Predigt zu
halten, ist nicht nur sie eine andere,deren Gesicht sie ihm voller Zorn
weist, sondernauchAndrd Gide ist ein anderer,der damalswie ietzt, als
er datauf zrtrückkommt, sich nicht mehr sicherist, was er denn eigent-
lich gewollt hatte: der bis in seines7ahrheithinein verändert ist dutch
den Zweifel, der gegen seinenguten Glauben vorgebracht wird.
Vielleicht sollte man in diesemReich der Verwirrung, das einfach das
ist, in dem die menschlicheoperabffi spielt,verweilen, um zu begreifen,
auf welchen lü7egendie Analyse voranschreitet,nicht nur, um da eine
()rdnung wiederherzustellen,sondetn die Bedingung der Möglichkeit
zu deren rüTiederherstellung.
J2
<<KernunseresWesens>a8, damit ist nicht so sehr gemeint, was Freud
und etlicheanderevor ihm uns mit dem vergeblichenSpruch <Erkenne
dich selbst> bedeutet haben, vielmehr sind es die !7ege, die dahin
führen, die seiner Meinung nachzu revidieren sind.
Oder vielmehr: Wonachwir Freud zufolge strebensollen,ist nicht das,
was Gegenstandeiner Erkenntnis sein kann, sondern das, was mein
'W'esen
ausmacht,und was ich, wie er uns lehrt, viel eher bezeugein
meinen Launen, in meinen Verirrungen, in meinen Phobien und in
meinen Fetischenals in meiner nur vage polizierten Persönlichkeit.
Wahnsinn, nicht länger bist du Gegenstand iener doppelsinnigen
Eloge, mit der der'Weisesich die uneinnehmbareKlause seinerAngst-
lichkeit aufgebaut hat. Denn sollte er letzten Endes nicht einmal so
schlecht in dieser wohnen, so doch nur, weil die höchste \Tirkkraft,
die seit jeher die Gänge gräbt und das Labyrinth anlegt, die Vernunft
selberist, das heißt eben der Logos, dem er dient.
'S7ie
auch wollten Sie es sich erklären, daß ein Gelehrter wie Erasmus
mit so wenig Veranlagungfür <Engagement!)),zu denenihn seineZeit
527 wie jedeandereZeitnötigte, einen so hervorragendenPlatz eingenom-
men hat in der Revolution einer Reformation, wo es um den Menschen
in jedem Menschenwie in allen ging?
Eben wenn man, so wenig esauch sei,an der Verbindung rührt, die der
Mensch mit dem Signifikanten unterhält - hier die Umwandlung der
exegetischenVerfahrensweisen-, ändert man den Lauf seiner Ge-
schichte,modifiziert man die Vertäuung seinesSeins.
Aus diesemGrund scheintder Freudismus,so unvefstandener immer
sein mag, und so konfus sich seine Folgen auch darstellen,in jeder
Beziehunggeeignet,die Veränderungensichtbarzu machen,die wir in
unserem eigenen Leben als Konstituens einer nicht faßbaren,jedoch
radikalenRevolution durchlebt haben.Es ist vergeblich, hier die Zeug-
nisse aufzuhäufenre.Alles, nicht nur die Humanwissenschaften,son-
dern die Bestimmung des Menschen,seinePolitik, die Metaphysik, die
Literatur, die Künste, das Reklamewesen,die Propaganda,folglich
auch, ich z:weiflenicht daran, die Ökonomie wurde davon betroffen.
t)
Geht es dabei noch um etwas anderesals um die nicht aufeinander
abgestimmtenWirkungen einer ungeheurenWahrheit, wo Freud einen
reinen Weg gebahnt hat? Man muß sagen,daß keine Technik sich auf
diesemWege befindet, die sich mit der psychologischenKategorisie-
rung ihres Objekts begnügt, wie es der Fall ist bei der Psychoanalyse
von heute, die sich vot einer Rückkehr zur FreudschenEntdeckung
drückt.
Auch gibt die Vulgarität der Konzepte, mit det die psychoanalytische
Praxis sich zu empfehlenkönnen glaubt, dieserhandgestricktePseudo-
freudismus, der nur noch ornamentale Funktion hat, nicht weniger
auch der schlechteRuf, in dem sie floriert, Zeugnis von ihrem funda-
mentalenAbfall.
Freud hat durch seineEntdeckung ins Innere des Kreises der Wissen-
schaftiene ScheidungzwischenObjekt und Seinwieder eingeführt, die
deren Grenze zu markieren schien.
Daß dies das Symptom und das Vorspiel einer neuen Infragestellung
der menschlichen Situation im Seiendendarstellt, was ia bis in die t28
Gegenwartimmer zu den Postulatender Etkenntnis gehört hat, dürfen
Sie,wenn ich es sage,nicht einfach als einen Fall von Heideggerianis-
mus nehmen - und wär's auch einer mit dem Präfix Neo, was dem
Mülleimerstil nichts hinzufügen würde, mit dem man sich füt gewöhn-
lich von aller Refexion dispensiert durch einen Rekurs auf den letz-
ten Schießbudenkramseinesgeistigen Strandguts.
!7enn ich von Heidegger sprecheoder vielmehr, wenn ich ihn über-
setze,bemüheich mich, dem'Wort, das er vorträgt' seinesouveräne
Deutungskraftzu lassen.
!üenn ich vom Buchstabenund vom Seinspreche,wenn ich den andern
und den Ändern unterscheide,so darum, weil Freud mir dieseBegriffe
nahelegtals Termini, auf die sich die Widerstands-und Übertragungs-
wirkungen beziehen,an denenich mich ungleich zu messenhatte all die
zwanzig Jahte, während der ich diese (jeder gefallt sich darin, es ihm
nachzusagen:)unmögliche Praxis der Psychoanalyseausübe.Auch tu'
ich es, weil ich andern helfen muß, sich in ihr nicht zu vedieren.
14
Auch um zu verhindern, daß dasFeld brach liege, dessenErbe sie sind.
Deswegenmuß ihnen zu Gehör gebrachtwerden, daß, wenn das Sym-
ptom eine Metapher ist, es nicht eine Metapher ist, dies zu sagen,und
auch nicht, zu sagen,daß dasBegehrendes Menscheneine Metonymie
ist. Denn das Symptom ist eine Metapher, ob man sich das nun ein-
gestehenwill oder nicht, wie das Begehreneine Metonymie z'rf,selbst
wenn der Mensch sich darüber lustig macht.
Auch um Sie einzuladen,sich darüber zu entrüsten,daß nach so vielen
JahrhundertenreligiösenHeuchelnsund philosophischerTaschenspie-
lerei nichts Gültiges artikuliert worden ist über das,was die Metapher
mit der Frage des Seinsund die Metonymie mit dessenMangel verbin-
det -, müßte es so sein, daß vom Gegenstanddieser Enttüstung als
Begünstigeroder Opfer noch etwasda ist, um darr;ufnt antworten: der
Mensch desHumanismus und der unwiderruflich gekündigte Glaube/
Kredit, den er auf seineAbsichten gezogenhat.
,t
Die MetapherdesSubjekts 889
Dieser Text ist die im Juni 196r entstandene Umschrift einer Intervention vom
zl.Juni r96o, mit der wir c,Perelman antwofteten, der in der sociitö depbilotophie
über das Thema <Die Idee der Rationalität und die Rechtsordnung > sprach'
In Äbsicht auf die Metapher zeugt er von einer gewissen Äntizipation dessen,was
wir in der Zwischenzeit von einer Logik des Unbewußten auf den Begrifr btingen
konnten.
r
Daß dieser Text noch als Anhang zu der zweiten Ausgabe det Ecrits erscheinen
konnte, verdanken wir I\{. Frangois Regnault, der uns rechtzeitig an ihn erinnert hat.
r A. <1.Hrsg.: Vir nutzen die Gelegenheit,den Text direkt im Anschluß an den Auf-
ratz wicderzugeben,auf den er sich bezieht'
r A.<1.ü.: mcttre qaelqa'andanr le bain : iemanden in eine Sacheeinweihen'
t Vgl. <lie Sciten 497-1 14 des Traitä de I'argamentation,t. z (PressesUniversitaires
dc [rrancc), denen unsere uneingeschränkte Bewunderung gilt'
J6
durch die Heterogenität, in der sie sich auf Thema und Phota aufteilen, so gilt dicccr
Formalismus nicht mehr ftir die Metapher. Dieser Formalismus witd nämlich, was
det beste Beweis ist, un\lar gerade in den Beispielen, die C.Perelman anführt,
\üohl gibt es,wenn man so will, viet Glieder bei der Metaphet, aber deren heteroge-
nes Verhältnis läuft über eine Scheidelinie, die sie aufteilt in: drei zu eins, eine
Scheidelinie, die sich abzeichnet als die zwischen Signifikantem und Signifizier-
tem.
Um eine Formel präziset zu fassen, die ich in dem Aufsatz <Das Drängen des
Buchstabens im Unbewußten > wiedergegeben habe, will ich ietzt schreiben
g
S S'z _* ,(p/
^/r\
;
Die Metapher ist auf radikale lVeise der Effekt, in dem ein Signifikant einem andern
in einer Kette substituiert wird, ohne durch irgend etwas Natüdiches für diese
Funktion als Phora prädestiniett zu sein, nur daß es sich um zwei Signifikanten
handelt, die als solche aufeine Phonemopposition zu reduzieren sind.
Ich will das an einem der Beispiele zeigen, die C.Perelman sinnvollerweise dem
dritten Dialog von Berkeley3s entnommen hat: dem Beispiel <Ein Ozean falscher
Gelehrsamkeit> (rience). Das schreibt sich - und es ist besser, hier wiederherzu-
stellen, was die Übersetzung bereits <einschläfern> will (um gemeinsam mit
C.Perelman einer Metapher die Ehre anzutun, die von den Rhetorikern sehr schön
erfunden wurde) -, das schreibt sich also so:
anocean - false -------) /r\
l----- anocean l;1.
reafnrng x \ r/
Leatning, Lehre (ennignemcnt) , ist in der Tat nicht rtrTissenschaft,
und es wird hier
nur um so besser spürbar, daß dieser Begriff mit dem Ozean so wenig zu tun hat
wie das Haar mit der Suppe.
Ganz bestimmt wird die versunkene Kathedrale all dessen,was bis dahin über die
Materie gelehrt wurde, einmal mehr nicht ungehört an unser Ohr schallen, wenn sie
auf den Vechsel von dumpfem und hellem Glockenton sich reduziert, mit dem der
Satz uns durchdtingt: lear-ning, lear-ning - dies dann jedoch nicht aus den Tiefen
eines unterirdischen Flusses herauf, sondern aus dem Falsch ihrer eigenen Argu-
mente.
Unter welchen der Ozean eines darstellt - und nichts anderes.Ich will sagen: Er ist
Literatur, die man ihrer Epoche wiedererstatten muß, über die er ienen Sinn unter-
maueft, daß der Kosmos an seinen äußersten Grenzen ein Ort des Betrugs werden
kann. Älso geht die Metapher aus von einem Signifizierten, werden Sie mir entge-
genhalten. Gewiß doch, aber in ihter Reichweite erstreckt sie sich über das hinaus,
89r was hier nur Rekurrenz ist, und stützt sich auf den Nicht-Sinn dessen,was nur ein
Glied Learning unter anderem ist.
'!ü7as ienes
hingegen im zweiten Teil unserer Formel an der Stelle des Fragezeichens
entsteht, ist eine neue Ärt in der Bedeutung, eine Falschheit, unbegreifbar-unan-
greifbar, unergründlich, Voge und Tal eines dzerpoEdes Imaginären, in dem ieg-
liches Geftiß versinkt, das aus ihm schöpfen wollte.
t7
<Aufgeweckt > in ihrer ganzen Frische zeigt sich diese Metapher wie iede andere als
das, was sie bei den Surrealisten darstellt.
Die radikale Metapher erscheint in dem \(utanfall, den Freud von dem Kind
betichtet, das, noch unbewaffnet in seiner Patzigkeit, wie sein Rattenmann es war'
bcvor er dann zwangsneurotisch wird, seinen Vater, der sich ihm widersetzt, an-
schreit : <Du Lampe, du Handtuch, du Teller usw. >, wobei der Vater nicht sicher ist,
ob er in dem Gesagten ein Verbrechen oder das Genie erkennen soll.
Vir unseresteilssind der Äuffassung, daß es hier gilt, die Dimension des Anwurfs
nicht zu übersehen, denn aus ihr entspringt die Metapher, Ein Anwurf weit schlim-
merer Ärt, als man sich vorstellt, wenn man das Gesagteauf eine kriegerische Invek-
tive zurückführt. In ihm nämlich nimmt ienes Unrecht seinen Anfang, das ohne
Grund einem ieden Subiekt angetan wird dadurch, daß ein beliebiges anderes Sub-
jckt sich veranlaßt sieht, ihm irgendeine Eigenschaft anzudichten. <Die Katze
macht \Wau-wau, der Hund Miau.> So lernt das Kind das Alphabet von den Ge-
walten des Diskurses, und so setzt es das Denken ein.
Man könnte sich wundern, daß ich das Bedürfnis habe, die Dinge in bezug auf die
Metapher bis an diesen Punkt zu treiben. C.Perelman wird mir indessenbeipfich-
ten, daß, bezieht man sich seiner Änalogietheorie folgend auf die Paare Schwim-
mer/Gelehrter, dann Festland/Vahrheit und gibt m^i zu, daß man eben darin un-
endlich fortfahren könnte, das, was er vorzubringenhat, ganz ofren zeigt, daß dies
alles neben dem Schlag liegt, womit wir wieder bei dem sind, was ich ausdrücke,
wenn ich sage: Keineflei Bedeutung hat als gesicherter Bestand auch nur irgend
et'üas mit dem zu tun, was hier in Rede steht'
Gewiß, von der konstitutiven Desorganisation alles Äussagens sprechen, heißt
längst nicht, alles sagen; und das Beispiel aus dem Atistoteles+, das C.Perelman
wieder zum Leben erveckt hat: Lebensabend für Alter, zeigt hinreichend deutlich,
daß wir in ihm nicht einfach die Verdrängung dessen,v/as afl dem metaphorisier-
tcn Begriff am stärksten mißftillt, zeigen können, um aus ihm einen Friedenssinn
cntspringen zu lassen, den er im Realen durchaus nicht impliziert.
Denn, denken wir an den Abendfrieden, so merken wir, daß dieser Kontur nur ge-
winnt, indem die Stimmen sich senken: das Geplauder der Schnitter und nicht we-
nigcr das Vogelgepiepse.
Auch haben wir daran zu erinnetn, daß, welch Blablabla die sprache in ihrem \(/esen 8 9 2
auch immer sein mag, doch Sein und Haben aus ihr hervorgehen'
Wcnn wir hierauf die Metapher ausspielen,die wir selbst ausgesuchthaben in dem
vofhin zitieften Äufsatz, nämlich Sa gerben'ötait par attareni bainean- <Seine Garbe
war nicht geizig, noch von Haß erfüllt>>ms Boo4endorrai,so ist dies kein vergeblich
Licd, cvoziert es doch das Band, das beim Reichen die Position des Habens an die
Vcrweigerung knüpft, die sein Sein prägt. Hier ist die Sackgasseder Liebe. Und
rclbst sie zu negieren, vermöchte hier, wir wissen es,nicht mehr auszurichten als : sie
nufzustcllen, ließe nicht die Metapher, die dadurch eingeleitet wird, daß das Subiekt
durch <scine Garbe> etsetzt wird, ienes einzige Obiekt auftauchen, das zu haben
n()twcndig die Unmöglichkeit mit sich bringt, es zu sein (dont l'aaoir nöce$iteIe
manqaeä l'lte): ienen Phallus, um den sich das ganze Gedicht dreht bis zu seiner
lctztcn Vcndung.
ttl
Das heißt, daß die allerernsteste Realität, für den Menschen gar die cinzige ernste,
betrachtet man ihre Rolle, die Metonymie seinesBegehrensaufrechtzuerhaltcn, nur
in der Metapher zu erfassenist.
$(/orauf will ich hinaus wenn nicht darauf, sie davon zu überzeugen, daß, was das
Unbewußte uns zu überprüfen aufgibt, das Gesetz ist, demzufolge das Aussagen
sich niemals auf die Aussage irgendeines Diskurses teduzieren läßt?
Sagenwir nicht, daß ich hier meine Begriffe auswähle, egal, was ich auch zu sagen
hätte. Es ist freilich nicht nutzlos, bei der Gelegenheit dartn zu erinnern, daß dcr
Diskurs der rVisse4schaft,er möge sich nun durch seine Objektivitat, durch seine
Neuttalität, durch sein Grau in Grau empfehlen, ia durch seine an Devotionalien-
kitsch erinnernde falsche Idealität, um nichts unehdicher und um nichts finsterer
in seinen Intentionen ist als iede andere Rhetorik auch.
Sagen muß man lediglich, daß das <ich> solcher rWahl anderswo geboren wird als
da, wo der Diskurs sich ausspricht, nämlich genau bei dem, der es hört.
Gibt man nicht den Status der Virkungen von Rhetorik wieder, wenn man zeigt,
daß diese sich auf jede Bedeutung erstrecken? lVollte man uns entgegenhalten, sie
hörten beim mathematischen Diskurs auf, so sind wir damit um so eher einverstan-
den, als wir diesen Diskurs gerade darum so hoch schätzen, weil er nichts bedeu-
tet.
Die einzige absolute Äussage zu dem Thema stammt von einem, der es rechtens
wissen muß: daß kein \7ürfelwurf im Signifikanten iemals den Zufall wird aus-
schalten könnens - weil nämlich, wie wir ergär:zer^können, kein Zufall außerhalb
einer Sprachdeterminierung existiert, und zwar unter vrelchem Aspekt man ihn auch
betrachten mag: als Automatismus oder als Aufeinandertreffen.
t9
,,, ÜBER EINE FRAGE,
DrE JEDERuöcrrcHEN BEHANDLUNG
D E R P S Y C H O S EV O R A U S G E H T
Dieser Artikel enthält das Vichtigste aus dem, was wir in unserem Seminar wäh-
rend der ersten zwei Trimester des Studienjahresr955-r9y6 gebtacht haben; das
dritte also bleibt davon ausgeschlossen.Ercchienen in La Pryebana!rc,Band 4,
Hoc quod triginta tres per annos in ipso loco studui,
et Sanctae Annae Genio loci, et dilectae iuventuti,
quae eo me sectata est, diligenter dedico.
I. Freud entgegen
z. Wie man dieser Frage ausweicht,lernt man ein für allemal auf der
Schulbank: Denn so bereitwillig man Wechsel in der Identität des
percipiens
annimmt, so wird doch dessenFunktion als einheitsstiftender
Faktor für das perceptumnie in Frage gestellt. So berührt dann die
63
Strukturvielfalt des percepttmnur eine Registewielfalt im Percipiens'
letzten Endes die der sensoriums. Billigerweise ist dieseVielfalt immer
überwindbaf, wenn nar das percipiens sichauf der Höhe det Realität zu
haltenvermag.
Aus diesemGrunde habendie, die auf die Ffage antworten müssen,die
durch die Existenz des Wahnsinnigengestellt ist, sich nicht enthalten,
zwischendieserund sich iene Schulbankaufzustellen,in der sie gleich-
zeitig eine schützendeMauet gefunden haben'
-
\Tir"wagen es tatsächlich,sämtlichePositionen egal, ob sie mechani-
stisch oäer dynamistischsind in dieser Sache,oder ob die Genesebei
ihnen sich d.r, Otganismus oder den Psychismuserstreckt und die
"oi
struktur auf zerfall oder Konflikt - sozusagenauf einen Haufen zu
werfen, ja,alle,so ingeniös sie sich auch geben,insofern sienämlich im
Namen der offensichtlichenTatsache,daß eine Halluzination ein ob-
jektlosesperceptumist, daspercipiensnach dem Grunde diesesperceptams
befragen zu müssenglauben, ohne daß irgendiemand merkt, daß bei
dieseä Vorgehen eine Stufe übersprungenwurde, die nämlich, bei der
man sich fÄgrnmuß, ob daspercepturn selbstdem y'ercipiens,durchdas
es erklärt werden soll, einen univoken Sinn läßt'
Dieser Schritt müßte dennoch ieder unvoreingenommenenBeobach-
tung verbaler Halluzination als legitim efscheinen,insofern diese,wie
wir*noch sehenwerden, nicht reduzierbarist weder auf ein besondetes
sensorilrm,noch vor allem auf ein percipiew,dasihr seineEinheit geben
könnte.
Zu glauben,die verbale Halluzination sei von Natur ausauditiv, ist in
der Tat ein Irrtum, man kann sich ia denGrcnzfzll vorstellen, wo siees
nicht im geringstenist (bei einem Taubstummenz'B' oder auf einer
nicht dem Gehörsinn zugeordnetenskala halluzinatorischenBuchsta-
bierens);man sollte \rot beachten,daß der Hörakt nicht derselbe
"ll.-
ist, je nachdemob er auf die Kohärenz der verbalenKette zielt, nament-
lich auf die in jedemAugenblick zu beobachtendeÜberdeterminierung
derselbendurch das Naihträgliche ihrer Abfolge, wie auch auf die in
jedem Augenblick beobachtbateSuspensionihrer Geltung, sobaldein
si.,n .ntrt.ht, der immer verweist - oder ob er im sprechensich auf die t t )
lautliche Modulation abstimmt zum Zweck der akustischenÄnalyse:
gleich, ob es dabeium Tonalität, Phonetik oder gat musikalischeAus-
sagegeht.
I)iese sehr abrißartigen Erinnerungen sollten genügen, die Differenz
der in bezug a:ufdasperceptt/mso untetschiedlichenSubiektivitätenzur
6,t
Geltung zu bringen (und zu zeigen,wie sehr dieseaußerAcht gelassen
wird bei der Befragung der Patientenund in der Nosologie der < Stim-
men>).
Gleichwohl könnte einer auf den Gedanken kommen, dieseDifferenz
auf ein Objektivationsniveauim PerciPießzu teduzieren.
Zu Unrecht. Denn das Subjekt weist gerade auf der Ebene, wo die
subjektive <Synthesis>dem Sprechenseinenvollen Sinn verleiht, all
die Paradoxaauf, die esbei diesereigenartigenVüahrnehmungedeidet.
Daß diesePatadoxaschondann auftauchen,wenn der anderedasSpre-
chen übernimmt, das wird beim Subjekt hinreichend deutlich in der
Möglichkeit, ihm zu gehorchen, sofern das Sprechensein Hinhören
und Aufmerken bestimmt, denn sobalddasSubjektihm auchnur Gehör
schenkt,sieht es sich einer Suggestionausgeliefert,der es nur dann zu
entkommen vermag, urenn es den anderen datauf.reduziert, nur der
TÄger einesDiskurses zu sein, der nicht der seineist, oder einer Ab-
sicht, die er dabei verbirgt.
Auffallender noch ist das Verhältnis des Subjekts zu seinem eigenen
Sprechen,bei dem das Wichtige eher verschleiertwird durch die rein
akustischeTatsache,daß es nicht sprechenkann, ohne sich zu hören.
Daß essich selbstnicht zuhören kann, ohne sich zu teilen, ist ebenfalls
kein hervorstechendesMerkmal der Verhaltensweisendes Bewußt-
seins.Weiter gekommen sind die Kliniker, die die verbal-motorische
Halluzination durch den Nachweis desEntwurfs von Sprechbewegun-
gen entdeckt haben. Sie konnten tfotzdem nicht sagen,was der ent-
scheidendePunkt ist: daß nämlich, wenn dassensoriaru gleichgültig ist
für die Produktion einer signifikanten Kette:
r o diesevon sichausdem Subjektsichaufzwingt in seinerStimmdimen-
sion;
zo sie als solcheeine Realität annimmt, die proportional zu der in der
Praxis voll und ganz der Beobachtung zugänglichenZeit ist, welche
ihre subiektive Attribuierung erfordert;
3o ihre eigene Struktut als Signifikant bestimmendist in dieserAttri-
buierung, die in der Regel distributiv ist d.h. vielstimmig, die also als
solche das angeblich vereinheitlichendepercipiens als äquivok erschei-
nen läßt.
tJ4 3. Was wir eben gesagthaben, wollen wir mit einer Begebenheitillu-
striefen, die wir einer unserer klinischen Demonstrationen der Jahre
rgjt-J6 entnehmen,d.h. dem Jahr, an dessenArbeit hier erinnert
6J
werden soll. \Wir meinen, daß ein solcherFund nur um den Pteis einer
totalen, wenn auch bewußten Unterwerfung unter die eigentlichen
subiektiven Positionen des Kranken möglich ist, Positionen, die man
nur zu oft vergewaltigt, wenn man sieim Dialog auf den Krankheitsver-
lauf einschränkt; denn das bewirkt nur' daß die Schwierigkeiten, die
ihrer Auf kläfung entgegenstehen, vergrößert werden von einer'vrider-
spenstigkeit des Subiekts, die nicht ohne Grund auftritt.
Es ging um eins jener typischenZweietdelirien, die wir seit langerZeit
imPaar Mutter-Tochter atfgezeigt hatten; bei diesemwar dasGefühl
desEindringens, welchessichzu einemÜberwachungswahnentwickelt
hatte, nichts anderesals die Entfaltung ienet einem affektiven Duo
eigentümlichenAbwehr, ein Gefühl also, das als solchesiedem Wahn
offenstand.
Die Tochter führte bei unserer Untersuchung Beschimpfungenzum
Beweisan, denensiebeidevon seitenihrer Nachbarn ausgesetztwafen'
dazu einen Vorfall, den Freund der Nachbarin betreffend, die sie an-
geblich bedrängte, seitdem sie einen vertfauten Verkeht mit ihr ein-
stellen mußten, den sie vother getn gesehenhatten. Dieser Mann, der
alsoindirekt Parteiin den Geschehnissen ist, und sonstim Hintergrund
bleibt, wie die Kranke vorbrachte, hatte, ihret Erzählung nach, als er
ihr einmal im Flur desHausesbegegnetwaf, siemit dem übeltönenden
rWort <Sau>tituliert.
'Worauf
wir, wenig geneigt, datin die Retourkutsche auf ein
<Schwein! > zu etkennen,wassich nur zu leicht als Proiektion extrapo-
lieren ließe, die in solchen Fällen immer die des Psychiatersist, sie
kurzerhandfragten, was sichin ihr selbstim Augenblick davor zugetta-
gen habe.Nicht ohne Erfolg; denn sie gestanduns mit einem Lächeln,
daß sie angesichtsdes Mannes tatsächlichjene Worte gefüstert hatte,
die er, wenn man ihr glauben will, nicht so übel hätte aufnehmen
dürfen: <Ich kommevom Metzger...>>
Auf wen zieltendiese?Es bereiteteihr einigeVeflegenheit, eszu sagen'
'Was
und sie gestanduns das Recht zu, ihr dabei zu helfen' den wort-
wiirtlichen Sinn betrifft, so dürfen wir unter andetem die Tatsachenicht
außer Acht lassen,daß die Kranke sich auf das Schroffstevon ihrem
Mann und dessenVerwandtschaft gelöst, und damit einer von ihret
Mutter mißbilligten Ehe ein Ende gesetzt h^tte, die seither ohne
l,)piloggebliebenwar; dies weil sie überzeugtwar, daß dieseBauern,
um mit dem Flittchenausdef Stadtfertig zu wefden,nichtsGeringeres t 3 t
vorhatten,als siegehörig auseinanderzunehmen.
66
Es ist hier indessenunwichtig, ob esdesRückgriffs auf dasPhantasma
vom zerstückeltenKörper bedarf oder nicht, um zu verstehen,wie die
Kranke, gefangen in der Zweierbeziehung, hier wiederum auf einc
Situation antwortet, die ihr über den Kopf wächst.
Für unserengegenwärtigenZweck genügt, daß die Kranke versichert,
dieser Satzsei als Anspielung gemeint, wobei sie allerdings nur Ratlo-
sigkeit zeigt, wenn es darum geht, auf wen von den Anwesendenoder
auf welche Abwesende angespieltwurde; denn es zeigt sich auf die
Weise, daß das icb (je) als Subjekt des Satzesin direkter Rede, seiner
in der Linguistik I so genanntenShifterfwktion entsprechend,die Be-
gtimmung des sprechendenSubiektsin der Schwebehielt, solangedie
Anspielung, zweifelsohnein ihrer beschwörendenAbsicht, selberos-
zilliererld blieb. Diese Ungewißheit nahm, naih der Pause,ein Ende
duich die Hinzufügung desWortes << Sau>, dasseinerseitsalsInvektive
zu. schwer war, um dieser Oszillation isochtorl zw folgen. Auf diese
Weise gelang es dem Diskurs, seineVerwerfungsabsichtin der Hallu-
zinationzu verwirklichen. An dem Ort, wo dasunnennbareObjekt im
Realenverworfen wird, wird ein Wort laut, das, an den Platz dessen
tretend, was keinen Namen hat, det Absicht des Sublekts nicht hat
folgen können, ohne sich von ihr abzulösendurch den Gedankenstrich
einer Erwiderung: Es setztdamit seineauf eineVerfluchung abzielende
Antistrophe dem Schimpf jener Strophe entgegen,die jetzt für die Pa-
tientin mit dem Index des ich restituiert wird, und reiht sich auf die
'Weise
in seiner Opazität ein in die Ausrufe der Liebe, wenn diese,um
dasObjektihres Epithalamiumsanzurufen,mit dem Signifikantenkurz
schließt und die Vermittlung des rohesten Iruaginärenergreift: <Ich
fressedich... Chou!> <Dir schwindendie Sinne...Ratte!>
6j
Denn unbezweifelbarzeigt sich sein Einbruch ins Realebereits daran,
daß es,wie es gewöhnlich geschieht,sich in Gestalt einer gebtochenen
Kette darstellt2.
Man berührt da auch iene Wirkung, die ieder Signifikant, ist er erst in t 3 6
den Bereich der Wahrnehmung getreten,besitzt: Er regt im p€rcipiefls
eine Zustimmung an, die ausgehtvon der Etweckung der verborgenen
Duplizität deszweiten durch die offensichtlicheAmbiguität desersten.
Wohlgemerkt, all dies kann in der klassischenPerspektivedeseinheits-
stiftenden Subiektsals Täuschungseffekterscheinen'
Es fällt nur auf, daß diese Petspektive, füt sich genornmen, auf die
Halluzination beispielsweisenur so dürftige Ausblicke eröffnet,daßdie
Arbeit einesWahnsinnigen- freilich einessobemerkenswerten,wie der
PräsidentSchteberesin seinen<Denkwürdigkeiten einesNervenkran-
ken >I war - schonvor Freud von Seitender Psychiaterlebhaft begrüßt
wurde und auch noch nach ihm als ein'Sferk zur Einführung in die
Phänomenologieder Psychosegelten kann - und nicht nur füt Anfän-
ger+.
Uns selber lieferte sie die Basis zu einer Strukturanalyse,als wir in
unseremSeminardesJahresrytt-J6 über die FreudschenStrukturen
auf dem Gebiet der Psychosen,einem Rat Freuds folgend, sie einer
neuedichenUntersuchung unterzogenhaben.
Auf dasdurch dieseAnalyseentdeckteVerhältniszwischendem Signifi-
kanten und dem Subjekt trifft man, wie bei diesemBeginnen zu sehen
ist, bereits auf der Seite der Phänomene,wenn man, von der Fteud-
schen Erfahrung zurückkommend, weiß, zu welchem Punkt sie hin-
führt.
Aber dieses Ausgehen vom Phänomen, das ordentlich fortgeführt
würde, müßte wiederum zu diesemPunkt kommen, wie esbei uns der
' Vgl. das Seminat vom 8. Februar 1956,in dem wir das Beispiel der <<normalen >
Vokalisierung der Paix du soir entwickelt habeo.
t DenkuürdigkeileneinesNeraenkranken,von Dt. jur. Daniel Paul Schreber, Senats-
präsidentbeimKgl. OberlandesgerichtDresdena.D., Oswald Mutze, Leipzigtgo3,
deren Übersetzung ins Französischewir zur Verwendung unserer Gruppe vorberei-
tet haben (4.d.Ü.: Neudruck, hrsg. u. eingel. von Samuel M.\Weber, Frankfurt/
Ilcrlin/\üien [Ullstein] r 973).
r l)ies ist insbesonderedie Meinung, die det Verfasser der englischen Übersetzung
<licset Denkpürdigkeitenin seiner Einleitung S. z; zum Äusdruck bringt (vgl. Me-
rW.M.
moirt of mytncruoatillness,ttanslated by Ida Macalpine and Richard Hunter,
I)awson and sons, London), erschienenim Jahre unseresSeminars.Die Einleitung
gibt auch Rechenschaftvom Schicksaldes Buches, S'6-ro.
(r ll
Fall war, als eine erste Untetsuchung det Paranoia uns vor dreißig
Jahren an die Schwelleder Psychoanalysefühtes.
In der Tat ist die trügerischeAuffassungeinespsychischenProzesses im
t37 Sinnevon Jaspers,bei dem dasSymptom nur Indiz wäre, nirgendwo so
fehl am Platz wie bei der Psychose,denn nirgendwo ist das Symptom,
wenn man es zu lesenweiß, klarer in der Struktur selbstartikuliert.
'V7as
uns dazuzwingt, diesenProzeßdurch die radikalstenDeterminan-
ten der Beziehungdes Menschenzum Signifikanten zu definieren.
69
Patientenfolgen) und der Verwendung nach. Die Halluzinationen ge-
ben dem Subjekt Auskunft über die Formen und Verwendungsarten,
die den Neokode ausmachen:Z.B. verdankt das Subiekt ihnen erst
einmal schon die Bezeichnung<Grundsprache>>*, mit der es diesen
henennt.
Es handelt sich da um etwas, das ziemlich nahe an jene Mitteilungen
herankommt, die die Linguisten autonlrzflennen,insofern nämlich das
Signifikante selber (und nicht das, was es bedeutet) Gegenstandder
Kommunikation ist. Dieses eigenartige,aber normale Vethältnis der il8
Mitteilung zu sich selbst verdoppelt sich hier aber dadurch, daß von
diesenMitteilungen angenommenwird, sie seienvon W'esenheiten ge-
tragen, deren Beziehungensie selberaussprechenin Modi, die sich als
den Verknüpfungen des Signifikanten sehr ähnlich erweisen.Der Be-
griff <Netvenanhang>,der ebenfallsaus diesenMitteilungen stammt,
illustriert dieseBemerkung,sofernnämlichEdeidenund Handelnzuri-
schendiesen\Wesenheiten reduziertsind aufdieseangeschlossenen oder
abgetrenntenNerven, aber auch sofern diese,ganz wie <Gottesstrah-
len>, denen sie homogen sind, nichts anderesdarstellenals die Entifi-
zierung det von ihnen getragenen'S7orte. (Vgl. auf S.r3o-X das,w'as
die Stimmen aussprechen: <Vergessen Sie nicht, daß es die Natur der
Strahlenist, sprechenzu müssen.>)
Beziehung hier des Systemszu seiner eigenen Signifikantenkonstitu-
tion, die m nzu den Akten der Frageder Metasprachelegensollteund
die unseres Erachtens zeigt, wie ungeeignet dieser Begriff ist, um
differenziete Elementein der Sprachezu beschreiben.
Bemerken wir andererseits,daß wir hier iene Phänomene vor uns
haben, die man zu Unrecht intuitiv genannt hat, weil in ihnen die
Wirkung der Bedeutungder Entfaltung derselbenvorausgeht.Es han-
delt sich in rüTirklichkeitum einen Effekt des Signifikanten, insofern
dessenGrad der Bestimmtheit(zweiterGrad: Bedeutungvon Bedeu-
tung) ein Gewicht annimmt, dasproportional ist zu der enigmatischen
I-er,re,die sich zuerst auf dem Platz der Bedeutung selbstpräsentiert.
DasAmüsantedabeiist, daßin dem Maße,wie dieseHochspannungdes
Signifikantenfür dasSubjekt zusammenfällt,dasheißt, wie die Halluzi-
nationensich auf einen Singsangreduzieren,auf ein Geleier, dessen
Lcere Wesen ohne Intelligenz und Persönlichkeitzugeschriebenwird,
Wesen,die geradezuaus dem Registerdes Seinswegradiertsind, daß
in ebendiesemMaße also,sagenwir, die StimmenBezugnehmenauf
die (wie es in der Grundspracheheißt) < Seelenauffassung )), die sich in
1o
einem Katalog von Gedankenmanifestiert,der einesWerks der klassi-
schenPsychologienicht unwürdig wäre. Dieser Katalog verbindet sich
in den Stimmen mit einer pedantischenÄbsicht, was das Subjekt nicht
hindert, die triftigsten Kommentare beizusteuern.STir wollen festhal-
ten, daß die Quelle der Begriffein diesenKommentaren immer sorgfäl-
tig unterschiedenwird, so daß das Subjekt, wenn es z.B. das Wort
<Instanz> verwendet, in einer Fußnote hervorhebt, daß der Ausdruck
y39 von ihm stammt. (Vgl. die Anmerkung auf S.1o-II und die Anmerkun-
gen det Seitenrr bis zr-I.)
So kann ihm auch die erstrangigeBedeutung,die den <Erinnerungsge-
danken> in der psychischenÖkonomie zukommt, nicht entgehen,wo-
von es denn auch prompt im poetischenund musikalischenGebrauch
der modulierendenWiederholung einen Beweisliefert.
Unser Patient, der die < Seelenauffassung ) unbezahlbarbeschreibtals
<<etwas idealisierteVorstellung,die sich die Seelenvon dem menschli-
chenLebenund Denken gebildethatten> (S.r6a-XII), glaubt,er habe
dabei <Einblicke in das Wesendes menschlichenDenkprozesses und
des menschlichen Empfindens gewonnen, um die (ihn) wohl mancher
Psychologebeneidenkönnte> (S.I67-XII).
'V7ir
gestehenihm dies um so lieber zu, als er sich, im Unterschiedzu
diesen,nicht einbildet, er'ü/ürdejeneKenntnisse,derenTragweite er so
humoristisch einschätzt,aus der Natur der Dinge beziehen; und als,
wenn er meint, er müssediesesich zunutzemachen,es,wie wir bereits
gezeigthaben,von einer semantischenAnalyse aus geschieht!a
Aber, um unseren Faden wieder aufzugreifen, kommen wir doch zu
jenen Erscheinungen,die wir den bisher behandeltenals Mitteilungs-
phänomenenentgegensetzenwollen.
Es handelt sich um unterbrochene Mitteilungen, mittels welcher eine
Beziehung zwischen dem Subjekt und seinem göttlichen Gesprächs-
partner unterhalten wird, eine Beziehung,der sie die Form eineschal-
hngeoder einer Geduldsprobegeben.
Die Stimme desPartnersschränkt nämlich die Mitteilungen, um die es
geht, ein auf einen Satzanfang,wobei der Sinn im übrigen vom Subjekt
ohne Schwierigkeit ergänztwerdenkann bis auf eineplagende,beleidi-
gendeSeite,die meist von einer entmutigendenAlbernheit ist. Die Be-
e Halten wir fest, daß unsere Ehrung hier die von Freud nur verlängert, der nicht
abgeneigt war, im Schreberschen rü7ahneine Vorwegnahme der Libidotheorie zu
sehen(G.V., VII, S.3ry).
7r
herztheit, die es an den Tag legt, wenn es in seinerEtwiderung nicht
schwankt, ja sogar die Fallen wegräumt, in die man es hineinbringt,
ist gewiß nicht dasUnwichtigste für unsereAnalysedesPhänomens.
Wir verweilenaberhier noch beim eigentlichenText der, wie man sagen
könnte, halluzinatoischen Herausfotderung (oder besser: Protasis).
Von einer solchenStruktur liefert uns das SubiektfolgendeBeispiele:
(S.zr7-XVI)
r) <Nun will ich mich...> z) <Siesollennämlich.,.>1) <Daswill ich
mir. . .>, um uns an die zu halten,auf die esjeweilsmit der Ergänzung t40
der für es unbezweifelbarrichtigen Bedeutung antworten muß, näm-
lich:
r) <Nun will ich mich dareinergeben,daßich dumm bin;
z) Sie sollen nämlich dargestellt- Ausdruck aus der Gottessprache-
werden als Gottesleugner,als wollüstigen Ausschweifungenergeben,
usw;
1) Das will ich mir erst übetlegen;>
Man kann erkennen,daßder SatzandemPunkt unterbrochenwird, wo
die \Tortgruppe endet, bei der man von Index-Termen sprechen
könnte, d.h. von Tdrmen, die durch ihre Funktion im Signifikanten -
nach dem oben eingeführten Ausdruck - als shiftersausgewiesenwer-
den, also genau jene Terme, die im Kode die Stellung des Subjekts
bezeichnenausgehendvon der Mitteilung selbst.
Elidiert bleibt folglich der eigentlich lexikalischeTeil desSatzes,anders
gesagtderTeil, der die Wörter umfaßt,die der Kode, seiesnun der allge-
meine Kode oder der delirierende,durch ihren Gebrauchdefiniert.
Ist esnicht beeindruckend,die beherrschendeStellungzu sehen,die der
Funktion desSignifikantenin beidenOrdnungen von Phänomenenzu-
kommt, und ist man dadurch nicht aufgerufen, nachzuforschen,was
auf dem Grund der Assoziation ist, die sie konstituieren: von einem
Kode, der gebildet ist aus Mitteilungen über den Kode, und von einer
Mitteilung, die reduziert ist auf das, was im Kode auf die Mitteilung
hinweist.
Dies allesmüßte man mit der größten Sorgfalt in eine graphischeDar-
stellung übertrageno,mit deren Hilfe wir in diesemJahr versucht ha-
ben, die Verknüpfungen im fnnern des Signifikanten, sofern sie das
Subjektstrukturieren,wiederzugeben.
Denn hier geht esum eineTopologie, die völlig verschiedenist von der,
'S7as
r. hat uns Freud hier gebracht?Wir sind in die Materie eingetreten
mit der Behauptung,daßin bezug auf dasProblem der Psychosedieser
Beitrag über einen Anlauf nicht hinausgekommenwar.
Es ist dies unmittelbar spürbat in der Einfalt der Positionen, auf die
man sich beruft bei Auffassungen,die sich alle auf das eine Grund-
schemazudckführen lassen: !7ie ist der Übergang des Inneren ins
Außere zu bewerkstelligen?Tatsächlichmag das Subjekthier noch so
entschiedenein opakesEs einschließen,eswitd in der Motivation der
Psychosenichtsdestowenigerangesprochenals ein fch, das heißt auf
eine Weise,die in der gegenwärtigenpsychoanalytischenOrientierung
voll zum Ausdruck kommt : als ebendasunverwü sdichepercipierc.Die'
sespercipienshat jede Macht über sein nicht weniger unverändertes
Korrelat: die Realität, und das Modell dieser Macht entstammt einer
Erfahrung, die allgemeinzugänglich ist: der affektiven Projektion.
7'
Es empfehlensichdie gegenwärtigenTheorien tatsächlichdadurch,daß
dieserMechanismusder Projektion in ihnen völlig unkritisch zur An-
wendung gelangt. Alles spricht dagegen,und trotzdem hilft nichts, am
alletwenigstendie klinische Evidenz, daß man sieht, daß es nichts Ge-
meinsamesgibt zwischender gefühlsmäßigenProjektion und ihren an-
geblichenWahnwirkungen, zwischender Eifersucht desTreulosenund
der desAlkoholikers zum Beispiel.
Freud wählt in seinemVersuch einer Deutung des Falls desPräsiden-
ten Schrebet- den man schlechtliest, wenn man ihn auf die wieder-
käuendenÄdaptionen reduziert, die itrm folgten - die Form einer gram-
matischenDeduktion, um die Gabelung der Beziehung zum anderen
in der Psychosedarzustellen:Es geht um die verschiedenenMittel, die
Aussage:Ich liebeihn, zu verneinen.Danachist dasverneinendeUt-
teil nach zwei Momenten strukturiert: Einmal, in einem ersten,in der
Umkehtung des'WertsdesZeitworts: Ich hasseihn, oder der Inversion
des Handlungsttägersoder des Objekts: Ich bin es nicht, oder auch:
Er ist es nicht; sie ist es (oder umgekehrt); dann, in einem zweiten ,42
Moment, in der Interversion der Subiekte:Er haßt mich, sie liebt et,
sie liebt mich - die in dieserDeduktion formal enthaltenenlogischen
Probleme sollen uns nicht aufhalten.
Mehr noch: Fteud weist in diesemText den Mechanismusder Projek-
tion ausdrücklichzurück, weil er ihm als dem Problem nicht angemes-
senerscheint,und tritt an dieser Stelleein in eine sehr ausfühtliche de-
taillierte und feinsinnige Erörterung über die Verdrängung, wobei er
aber gleichwohl einige Orientietungssteine setzt für unser Problem,
übet die wir hier nur sagenwollen, daß sie immet noch unberühtt aus
den Staubwolken der psychoanalytischenBaustelleherausragen.
to \(/er zuviel beweisen will, geht in die Irre. So interpretiett Ida Macalpine - die gut
getan hat, einzuhalten bei dem, wie der Patient selber notiert (S.39-IV), allzu
übetredenden Charakter der suggestiven Bestärkung, zu der sich Dr'Flechsig (von
dem alles uns bestätigt, daß er sich sonst ruhiger benommen hat) bei Schreber
hinreißen laßt im Zusammenhang mit den Versprechungen einer Schlafkur, die er
ihm vorschlägt - Ida Macalpine interpretiert also ausführlich die Zeugungsthemen,
von denen sie meint, sie wären durch diesen Diskurs suggeriert (vgL Mcmoirer',.,
Discussion, 5.396, Zeilen rz und zr), indem sie sich auf die Verwendung des
Zeitworts to dcliu7 stützt zur Bezeichnung der Virkung, die die Behandlung auf
seine Leiden erv/artungsgemäß haben soll, wie auch auf das Adiektiv prolifu'mit
dem sie das deutscheaugiebigtuf ,wie man schon sagen muß, recht weit hergeholte
rVeise übersetzt, und das auf jenen Schlaf angewendet wird.
Nun braucht man den Terminus to deliacrimHinblick auf das,was er übersetzt, nicht
zu diskutieren, aus dem einfachen Grunde, weil es da nichts zu übersetzengibt. \Vir
haben uns die Augen gerieben vor dem deutschen Text. In diesemist dasVetb vom
Autor oder vom Setzet einfach vergessen worden, und I.I\{acalpine hat es uns in
ihren übersetzerischen Bemühungen unwissentlich wieder hingesetzt, Vie sollte
rJ7ünschen
man nicht finden, daß ihr Glück wohl verdient war, als sie es dann, ihren
gemäß, wieder vorfand.
77
I)iesesPhantasmaist in der Tat von größter Bedeutung,und ich halte
sogaran dieserStellefest,daßdasersteMal, alsich diesesPhantasmabei
einem Mann edangte, dies auf einem $üege geschah,der in meiner
Laufbahn Epoche gemachthat, und daß der Betreffendeweder hypo-
chondrisch noch hysterischwar.
Nun, was diesesPhantasmaangeht,so spürt sie sogat, auf sehrfeinfüh-
lige Vfeise,ruirabilein der gegenwärtigenZeit, dasBedürfnis, esauf eine
symbolischeStruktur zu beziehen.Um diese jedoch außerhalbdes
Ödipuskomplexeszu finden, greift siezu ethnographischenReferenzen,
derenAssimilierung wir in ihrer Schrift nur schlechtermessenkönnen.
Es geht um das <heliolithische> Thema, zu dessenBefürwortern sich
einer der hervorragendstenAnhänger der englischenDiffusionisten-
schuleaufgeschwungenhat. Wir wissen um dasVerdienst dieserAuf-
fassungen,aber sie scheinenuns nicht im geringsten dazugeeignet,die
Vorstellung zu stützen, die Frau Macalpine uns von einet nichtge-
schlechtlichenZeugung als einer <primitiven> Auffassung geben
will".
Der Irtum von Frau Malcalpineläßt sichanderserklären:nämlichso,
daß sie zu einem Resultat gelangt, das zu dem, was sie sucht, den
größten Gegensatzdarstellt.
Indem siein einer von ihr als intrapsychischqualifiziertenDynamik ein
Phantasmaisoliet - einer Perspektivezufolge, die sie auf den Begriff
der Übertragung hin eröffnet - kommt sie schließlich dahin, in der
Ungewißheit des Psychotikersüber sein eigenesGeschlechtden emp-
findlichen Punkt zu sehen,auf den die Intervention desAnalytikers sich t46
richten soll, und stellt dabei die glücklichen Wirkungen einer solchen
Intervention der katastrophalenentgegen,die tatsächlichbei Psychoti-
kern immer dann beobachtet werden kann, wenn suggestiv auf die
Anerkennung einer latenten Homosexualitäthingearbeitetwird.
Nun ist die Ungewißheit über das eigeneGeschlechteben ein banaler
Zugbei det Hysterie, dessenÜberhandnehmenin der Diagnostik Frau
Macalpinedenunziett,
Keine imaginäreBildung nämlich ist spezifisch'r,keine ist ausschlagge-
7tl
bend weder in der Struktur, noch in der Dynamik eines Prozesscs.
Daher bringt man sich in die Lage, die eine wie die anderezu verfehlen,
wenn man, in det Hoffnung, es besserzu treffen, det symbolischen
Artikulation spottet, die Freud zu gleicher Zeit wie das Unbewußte
entdeckthat, und die diesemtatsächlichwesensgleichist I Die Notwen-
digkeit dieser Artikulation bezeichneter uns in seinemmethodischen
Bezug auf den Ödipuskomplex.
'r Vrrr Sonnenaufgang: Also sprach Z,lrathustra, Dritter Teil. Es handelt sich um
rlcn 4. Gesangdiesesdritten Teils.
llo
schenienemAnderswo und dem Ort, der allen gegenwärtigund jedem
verschlossenist, an dem Freud entdeckt hat, daß, ohne daß man dran
denkt und also ohne daß irgendeiner denken kann, er könne besset
daran denken als ein anderer,es denkt. Es denkt eher schlecht,aber es
denkt unerschüttedich: In diesenV7orten zeigt er uns dasUnbewußte
an: von Gedanken, die, wenn sie auch nicht genau denselbenRegeln
gehorchen wie unsete hohen oder ordinären Alltagsgedanken,doch
vollkommen artikuliert sind.
Unmöglich also ist diesesAnderswo auf die imaginäre Form einer
Sehnsuchtzw redtzieren, auf ein vedorenes oder künftiges Paradies;
was mafl da findet, ist das Paradies der kindlichen Liebe, in dem,
baudelairede Dieu, sich grüne Dinge tun's.
Im übrigen, wenn wir noch zweifeln wollten, so hat Fteud den Ort des
Unbewußten mit einem Ausdruck bezeichnet, der ihm bei Fechner
aufgefallenwar (der in seinemExperimentalismusdurchausnicht der
Realistist, als den ihn die Lehrbücher ausgeben): einandererScltauplatq,
eine Wendung, die er an die zvanzigmal in seinen Anfangswerken
wiederholt.
Nachdem nun diese Benetzung mit frischem'Wasset,wie wir hoffen
wollen, die Geister erfrischt hat, können wit fortschreiten zur wissen-
schaftlichenFormulierung der Beziehungzu jenem Änderen des Sub-
fekts.
z. Damit die gequälten Seelenhier <im Bild sind>, werden wir die
genannte Beziehung auf das bereits früher entworfene Schema! an-
wenden, das wir hier vereinfacht haben:
s
Schema !
tt'
8r
suchte,die in herausgehobenen Momenten, in Ttäumen, Versptechern,
Witzen, von dort aus zu uns gelangen.
Wie wäre das Subiekt an diesemDiskurs interessiert,wenn es nicht an
ihm teilhätte? Und eshat teil, in der Tat, insofern esbei allenvier Ecken
desSchemasgezogenwird, namentlichbeim S als seinerunaussptechli-
chenund stupidenExistenz,beim a, seinenObjekten, beima'als seinem
Ich, das heißt bei dem, was sich von seiner Form in seinenObjekten
spiegelt,und beim A als dem Ott, von dem aus die Frage nach seiner
Existenz sich an es richten kann.
Denn es ist eine Erfahrungswahrheit für die Analyse, daß ffu das
Subjekt die Fragenach seinerExistenz gestelltwird nicht in Gestalt der
Angst, die dieseFtage auf der Ebene deslch hervorruft und die nur ein
Element in ihrem Gefolge ist, sondernals artikulierte Frage: <Wasbin
ich da?>, die seinGeschlechtund seineKontingenz im Seinbetrifft, daß
es nämlich einerseitsMann oder Frau ist, andererseitsnicht sein könn-
te, da beide ihr Geheimnis vetbinden und es in die Symbole der Zeu-
gung und des Todes flechten. Daß die Frage nach seinerExistenz das
Subjekt umflutet, es trägt, es überschwemmt,ia sogat in allen Teilen
zerceißt,davon gebenihm die Spannungen,die Schwebezustände, die
Phantasmen,die der Analytiker vor Augen hat,Zeagnis; zudem muß
gesagtwerden: Es geschiehtim Zeichen der Elemente desbesonderen
Diskurses,in dem dieseFrage sich im Anderen artikuliert. Denn eben
dadurch, daß diesePhänomenesich in die Figuren eines solchenDis-
kurseseinordnen,haben siedie Starrheit von Symptomen,sind sie les-
bar, und lösen sich, wenn sie entziffert sind.
tl4
Fotmen seelischerBeziehungenausgewähltwurden, und deren Aus-
wahl einer gewissen\7illkür folgt, da sie, um dassymbolischeTernion
homolog zu decken, der Zahl nach begrenzt sein muß.
Dazu liefert die polare Beziehung,durch die dasSpiegelbild(der narziß-
tischenBeziehung)als einheitsstiftendmit der Gesamtheitderimaginä-
ren ElementedessogenanntenzerstückeltenKörpers verbundenist, ein
Paar,dasnicht allein durch eine natürliche Zweckdienlichkeit der Ent-
wicklung und der Struktur geeignetist, als Entsprechungfür die sym-
bolischeBeziehungMutter-Kind zu fungieren.Das imaginärePaardes
Spiegelstadiumserweist sich durch das,was es an Gegen-Natur mani-
festiert, bezieht man es auf eine spezifischeVorzeitigkeit der Geburt
beim Menschen,als fähig, dem imaginärenDreieck die Basiszu liefern,
die von der symbolischenBeziehungauf gewisse'$feiseüberdecktwer-
den kann (vgl. das SchemaR).
Durch das Aufklaffen, das diese Vorzeitigkeit ins Imaginäre hinein-
bringt, und in dem die $Titkungen des Spiegelstadiumswuchern, wird
nämlich dasmenschlicheTierfäbig,sich als stetblich vorzustellen; man
kann nicht sagen,esvermöchte diesohne seinsymbiotischesVerhältnis
zum Symbolischen,sondern eher, daß ohne dies Aufklaffen, dases ins
eigene Bild vedremdet, diese Symbiosemit dem Symbolischennicht
hätte entstehenkönnen, in dem es sich als sujetä la mort (dem Tode
unterworfen / als Subjekt zum Tode) konstituiert.
85
gischeFeststeckendet Bedeutung des SubjektsS unter den Signifikan-
ten desPhallus zurückwirkin kann auf die Sttitzung desdurch dasGe-
viert M in I begrenzten Realitätsfeldes.rü7obeidie beiden anderen
Ecken desselben:i und ra die beiden imaginären Terme der narzißti-
schenBeziehungdarstellen,dasIch und das Spiegelbild.
86
'Wer
tt4 unsetemSeminardesJahres ryt6-J7 gefolgt ist, weiß, wie wir das
hiet aufgestellteimaginäre Ternion, dessenEcke I vom Kind als be-
gehrtem realiter konstituiert wird, verwendet haben, um dem Begriff
der Objektbeziehung'e,der in der letzten Zeit etwasin Mißkredit ge-
riet desvielen läppischenZeugs wegen,das man unter ihn rubrizieren
wollte, das Erfahrungskapital wieder zurückzugeben,das ihm legiti-
merweisezukommt.
Dieses Schemaedaubt uns tatsächlich,jene Relationen zu zeigen, die
sich nicht auf die präödipalenStadienbeziehen- die sind wohlgemerkt
nicht nichtexistent, jedoch analytisch undenkbar (wie es das strau-
chelnde,aber nicht richtungslose'\ü7erk von Melanie Klein hinreichend
deutlich macht) - wohl aber auf die prägenitalenStadien,sofern diese
ihre Ordnung in der Rückwirkung des Ödipus finden.
Die ganzeFrage der Perversionenbestehtdarin, zu begreifen,wie das
Kind in seiner Beziehung zu der Mutter - eine Beziehung, die in der
Änalyse nicht gebildet wird durch seinevitale Abhängigkeit, sondern
durch seine Abhängigkeit von ihrer Liebe, d.h. durch das Begehren
nach ihrem Begehren- sich mit dem imaginären Obiekt diesesBegeh-
rensidentifiziert, sofern die Mutter selberesim Phallussymbolisiert.
Der durch dieseDialektik erzeugtePhallozentrismusist alles,was wir
t t t hier zu behaltenhaben.Wohlgemerkt ist dieserdurchausbedingt durch
das hier von dem Band schtäggestrichen wiid, das man hier erwarten kann, wo es
dann tatsächlich hinkommt, d.h. das Feld l[ der Realität deckend und das a, das
den Feldern J und I entspricht.
Als Repräsentant der Repräsentation im Phantasma,d. h. als urverdrängtes Subiekt
trägt das 8,das vom Begehten schräggestrichene S, das Realitätsfeld; und dieses
selber erhält sich nur durch die Äussonderung des Objekts a, das ihm gleichwohl
seinen Rahmen gibt.
Indem wir das, was in unserem Text nur als Effekt des Narzißmus gut artikuliert ist,
an Stufen messen, die sämtlich durch ein Eindringen des alleinigen Feldes 3 ins
Feld 0t vektorisiert sind, ist es völlig ausgeschlossen,daß wir durch irgendwelche
Hintertüren dem Gedanken wieder Einlaß gewähren würden, iene Effekte ( < Sy-
stem der Identifizierung>, lesen wir) könnten auf welche rJüeiseimmer die Realität
theoretisch begründen.
'Wer
unseren topologischen Vorträgen gefolgt ist (die ihre Rechtfertigung in der
noch zu artikulierenden Struktur des Phantasmasfinden müssen), weiß wohl, daß
beim Möbiusband nichts Meßbares in seiner Struktur übrigbleibt, und daß diese
sich wie das Reale, um das es hier geht, aufden Schnitt selber teduziett.
Diese Fußnote deutet den derzeitigen Stand unserer topologischen Ausarbeitung an
(Juli re66).
Io Titel dieses Seminars.
87
das Eindringen des signifikanten in den Psychismusbeim Menschen
und schlechterdingsnicht abzuleiten von irgendeiner vorgegebenen
Harmonie des genanntenPsychismusmit der Natur, die et ausdrückt.
Dieser imaginäre Effekt, der allein vom Vorurteil, das an eine dem
Instinkt eigentümlicheNofmativität glaubt, alsDiskordanz empfunden
werden kann, hat dennochienemlangen,heutzutag'e,freilich nicht ohne
schaden,erloschenenStreit darum, ob die phallische Phaseprimärer
oder sekundärerNatur sei, ein Ende gesetzt.Wäre dieseFrage allein
nicht schon von höchsterBedeutung, so vefdiente dieser Streit unsete
Aufmerksamkeit der dialektischen Leistungen wegen, die er Etnest
mit Freud
Jones abveflangt hat, als dieser,sein volles Einverständnis
Lekräftigend, einen Standpunkt vertfat, der dem Freudschen diametral
entgegenwar, nämlich den, der ihn, mit einigen Nuancen, gewiß, zum
faÄpfgefanrten der englischenFeministen machte, die besessen das
prinzip des<Jedemdas Seine>verfochten:den Boys der Phallus,den
Girls die V...
Freud als
7. Diese imaginäre Funktion des Phallus wurde also von
Angelpunkt des symbolischenvorgangs enthüllt, welcher bei beiden
Geihicbttrn das Geschlechtdurch den Kasttationskomplex völlig in
Frage stellt.
Daß diese Funktion des Phallus heutzutageim analytischenKonzert
untergeht (in dem der Phallusauf die Rolle desPartialobiektsreduziert
wird), ist nur die Folge iener tiefen Mystifizierung, in der die Kultur
sein symbol behauptet,verstandenin dem Sinne,in dem das Heiden-
tum selberihn erst am Schluß seinergeheimstenMysterien hervorge-
bracht hat.
Dies ist in der Tat in der subiektivenÖkonomie- so wie wir siesehen:
als vom unbewußten geleitet- eine Bedeutung,die nur durch das,was
wir Metapher nennen, genauer: die Vatermetapher, evoziert werden
kann.
Und dies führt uns, da wir uns vornahmen, mit Frau Macalpine zu
dialogisieren,zufück auf deren Bedürfnis, sich auf einen <Heliolithis-
m.rso zo beziehen,der ihret Meinung nachdie Zeugung in einet präödi-
palen Kultur kodifiziert, bei der die Zeugungsfunktion des vaters
überspieltwürde.
All das, was man, in welcher Form auch immer, in dieser Richtung
sagenkann, wird nur um so deutlicher die signifikantenfunktion her-
vorheben, die die Vaterschaftbedingt.
88
Denn in einer anderenDebatte iener Zeit, in der die Psychoanalytikcr
y16 sich noch Gedankenüber die Lehre machten,hat Ernest Jonesmit einer
weiter reichenden Bemerkung als der eben zitierten ein Argument
gebracht, das drum nicht weniger unangemessen war.
Er weigerte sich nämlich, angesichtsdet in irgendeinem austtalischen
Stamm herrschenden Anschauungen, zu glauben, daß itgendeine
menschlicheGesellschaftdie Erfahrungstatsacheverkennen könnte, 'S7elt
daß, bis auf rätselhafte Ausnahmen, keine Frau ein Kind zur
bringt, ohne davor einen Koitus gehabt zu haben, noch daß in ihr
Unkenntnis herrschen könnte über den diesbezüglicherfordedichen
Zeittaum. Nun, wenn es uns auch vollkommen legitim erscheint,ein
derartigesVertrauen in die menschlicheFähigkeit zur Beobachtungdes
Realenzvsetzer, esist gleichwohl für unsereFtage ohne iedenBelang.
Denn erfotdert es der symbolischeZusammenhang,wird die Vater-
schaft halt trotzdem der Tatsachezugeschrieben,daß die Frau einem
Geist begegnetean diesemoder ienem Brunnen oder an einem Mono-
lith, den der Geist angeblichbewohnt.
Das ist wohl der Beweisdafür, daß die Zeugwngdem Vater zugespto-
chenwerden kann allein vermittels der $Titkung einespuren Signifikan-
ten, einerAnerkennung nicht desrealenVaters,sonderndessen,wasdie
Religion uns als Namen-des-Vatersanzurufen lehrt.
Es bedarf wohlgemetkt keines Signifikanten,Vatet zu sein, so wenig
wie um tot zt) sein - aber ohne Signifikant wird niemand, weder von
dem einen noch vom andeten dieser Seinszustände, iemalswissen.
fch erinnerehier die, die nichts dazubewegenkann, in den Texten von
Freud eine Ergänzung zu den Aufklärungen zu suchen,die ihnen ihte
Lehter austeilen,mit welchemNachdruck in diesenTexten die Affinität
der beiden signifikanten Beziehungenunterstrichenwird, die wir eben
angesprochenhaben, ein jedes Mal, wenn das neurotische Subiekt,
insbesonderedet Zwangsneurotiket, sie durch die Verknüpfung ihter
Themen manifest werden läßt.
Wie sollte sieFreud auchnicht erkennen,nachdemihn seineÜbedegun-
gen notwendig dahin geführt haben,die Encheinung desSignifikanten
des Vaters als Autoffi des Gesetzesmit dem Tod, ia sogar mit dem
Vatermord zu verbinden - damit zeigend, daß, ist dieser Mord das
fruchtbare Moment der Schuld,durch die das Subiekt sich auf Lebens-
zeit mit dem Gesetzverbindet, der SymbolischeVatet, sofern er dieses
Gesetzbedeutet,wohl der Tote Vater ist.
89
IV. Von SchtebersSeite ttz
ä* .*'(+)
der signif kantenSubil i tuierung:
2r Hier die Stelle: <Einleitend habe ich dazu zu bemerken, daß bei der Genesisder
betreffenden Entwicklung deren erste Anfänge weit, vielleicht bis zum r 8. Jahthun-
dert zurückreichen,cinesteibdicNamenFlccbtigundSchreber(tron uns hervorgehoben)
(wahrscheinlich nicht in der Beschränkung auf je ein Individuum der betreffenden
Familien) und andernteils der Begriff des Seelenmorfu (Sperrdruck im Text) eine
Hauptrolle spielen.> (II, zz).
9r
sachenheftete,derenVeröffentlichung der damaligenSitte zuwidedief. t t 9
So fehlt das darauffolgendeKapitel ganz, und Freud hat, um seinen
Scharfsinnwirken zu lassen,sich mit der Anspielung auf Faast, Frei-
schätqtndByrons Marfredbegnügenmüssen,wobei diesesletzte Werk
(ausdem, wie er annimmt, der Name Ariman stammt, eine der Gottes-
apophanienin SchrebersWahn) ihm durch solchenBezug den ganzen
Wert seinesThemas zu nehmen schien: Der Held stirbt durch den
Fluch, den ihm der Tod desObjekts einesGeschwisterinzestszagezo-
gen hat.
Da wir mit Freud entschiedenhaben,einem Text zu vertrauen, der bis
auf diese,allerdings bedauernswerten,Beschädigungenein Dokument
bleibt, dessenGlaubhaftigkeit von höchstemRang ist, werden wir nun
darangehen,in der ausgebildetstenForm des Wahns,mit der dasBuch
sich vermischt, eine Struktur aufzuweisen,die, wie sich zeigen wird,
dem Prozeß der Psychoseselbstgleichzustellenist.
92
daß sich da etwas zuget:ilagen haben muß, was nicht aus dem eigenen
Geist kommt: ein Beweis, dem wir uns, wie es scheint, nur dank der
weiter oben für die Position desPsychiatersdargelegtenpe
titionesprinci-
pii widersetzen können.
9t
feinsinnig bemerkt, daßsieallesamtfliegendenArten angehören:Vögel
oder Insekten.
Erscheinendieseletzten Meteore des Vfahnsnicht als Spur einer Bah- t61
nung oder alsAusfransungen,wenn siedie zwei Momente aufzeigen,in
denender im subiekt zum SchweigengekommeneSignifikant aus sei-
ner Nacht erst einmaleinenScheinvon Bedeutungan derOberfäche des
Realenaufglimmen läßt, dann dasRealeleuchtenläßt in einer aus dem
Unteren seinesUnterbausals Nichts herausgeworfenenFulguranz?
An der spitze der halluzinatorischenEffekte sind esieneGeschöpfe,die,
wollte man in aller Strenge das Kriterium anwenden, wonach das
Phänomenin derRealitäterscheinenmuß, allein den Titel von Halluzi-
nationen verdienen; sie lassenuns das Tdo von Schöpfer, Geschopf
und Geschaffenem,das hier sich abhebt, in seinem symbolischenZu-
sammenhaltnoch einmal überdenken.
94
152 Bemerkenwir hier nur, daß sie für uns weit repräsentativersind vcr-
möge des Überraschungseffekts,der bei ihnen hervorgerufen wird
durch die !7ortähnlichkeit und die rein lautlichenAquivalenzen,denen
siein ihrer Verwendung folgen (Santiago: Carthago,Chinesentum:
-
JesumChtistum etc., S.zro XV).
Im selbenMaß zieht dasWesenGottes sich immer weiter zurück in den
es bedingendenRaum, ein Rückzug, der intuitiv erfaßbar ist in dem
zunehmendenLangsametwerdenseinet Worte, dasbis zu einem stam-
melndenBuchstabierengeht (S.z3o-XVI). So würden wir, wenn wir
allein der Andeutung diesesProzessesfolgen wollen, dieseseinmalige
Andere, an dem sich die ExistenzdesSublektsartikuliert, fürvornehm-
lich dazu geeignethalten, die Orte zu leeren(sieheAnmerkung S. r96-
XIV), an denen sich das \Tortgelispel entfaltet, würde uns Schreber
nicht die zusätzlicheInformation liefern, daß jener Gott ausjedem an-
deren Aspekt des Tauschesverworfen ist. Er entschuldigt sich dabei,
muß iedoch,so bedauernswertes auchffu ihn ist, feststellen:Gott ist
nicht nur undurchdringlich für die Erfahrung, er ist unfähig, den le-
benden Menschenzu verstehen;er begreift ihn nur von außenher (was
seineEigenart zu seinscheint); jedeInnedichkeit bleibt ihm verschlos-
sen.Gewiß läßt ein <Aufschreibesystem ), in welchemHandlungen und
Gedanken aufbewahrt werden, im Vorübergehn an jenes Notizheft
denken, das der Schutzengelaus unsern katechisiertenKindertagen in
seinen Händen hielt; aber abgesehendavon notieren wir die völlige
Abwesenheiteiner Prüfung auf Herz und Nieren (S.zo - I).
So reduziert sich dann allesauf dasewige Fortdauern jenesGewäschs,
nachdem die <Seelenläuterung>in den Seelenjeden Bestand an per-
sönlicher Identität abgeschaffthabenwird; jenesGewäschs,durch das
allein Gott noch von den STerkenweiß, die dasmenschlicheIngenium
hervorbringt (S. loo - Nachträge II).
Erwähnenswert in diesemZusammenhangist, daß der Großneffe des
Autors der Nouaespecies invctorurz(Johann-Christian-Danielvon Schre-
'S7undergeschöpfe
ber) unterstreicht, daß keines der eine neue Art
darstellt; - und ebenfalls,daß - entgegenFrau Macalpine,die hier die
Taube sieht, die die fruchtbare Botschaft desLogos ausdem Schoßdes
Vaters in die Jungfrau befördert - dieseWundergeschöpfeuns viel-
mehr an die erinnern, die der ZauberkünstlerausseinerI7este oder sei-
nen Hemdsärmelnhervorkommen läßt.
Wir können da schließlichnur staunen,daßdasdiesenMysterien ausge-
5q lief.erte Subfekt weder zöger.t,geschaffenwie es nun einmal ist, mit
9t
seinen Worten den Finten seinesHerrn, die von einer beschämenden
Albernheit sind, Gegenweht zu bieten, noch, sich gegen die Vernich-
tung zur'Wehr zu setzen,die über es wie über anderezu verhängenes
ihn für fähig hält, Kraft eines Rechts, das ihn im Namen der <Welt-
ordnung > dazu ermächtigt, ein Recht, das,wiewohl esauf seinerSeite
steht, dieseseinzigartigeBeispiel des SiegeseinesGeschöpfesbegrün-
det, daseine Kette von Verwirfungen der <Perfidie> seinesSchöpfers
unterworfen hat (<Perfidie> sagt der Text, nicht ohne Vorbehalt:
S.zz6-XVI).
Ist dasnicht ein eigentümlichesGegenstückzu der fortgesetztenSchöp-
fung eines Malebranche,dies widersetzlicheGeschaffene,das sich ge-
gen den eigenenZusammenbruchallein mit seinem\Wort und seinem
Glaubenans SprechenbehauPtet!
Dies wäre wohl wert, daß man die Autoren vom Philosophieabitur
noch einmal aufwärmt, unter denenwir vielleicht dieienigenallzusehr
mißachtethaben,die außerhalbder Linie standen,die ienenpsychologi-
schenBiedermannvofbereitet hat, in dem unsereEpocheiht Maß eines,
meinen Sie nicht auch, doch etwasflachenHumanismusfindet.
De MalebrancheootdeLocke,
plat nalin k plus loafoque...
(von Malebrancheoder von Locke
war der schlauereder verrücktere.. .)
Nun welcherwar's?Da hapert's,mein lieberKollege.Nun, so legensie
wenigstensdiesesteifeMiene ab.'S7annwefden Sie sich denn endlich
wohl fühlen, da, wo Siezu Hausesind?
6. Denn bereitsund kurz davor hatte sich für ihn im Feld desImaginä-
ren die Kluft aufgetan, die dem Fehlen der symbolischen Metapher
entsprach,diejenige,die nur eineLösung finden konnte im-Vollzug der
Entmannung.
Gegenstanddes Grauensfür das Subjekt zunächst,dann als vernünfti-
ger Kompromiß akzeptiert (S. r 77 - XIII) ; von da an unabänderliches
Schicksal(sieheAnmerkung S. r 79- XIII) und künftiges Motiv für eine
das ganzeUniversum betreffendeEdösung.
'V7enn
wir gleichwohl nicht quitt sind mit dem Ausdruck <Entman-
nung>,wird er uns doch bestimmt wenigerbelastenalsFrau Macalpine
in der Stellung, die wir als die ihre beschriebenhaben. Zweifelsohne
glaubt sie, Ordnung in die Dinge zu bringen, wenn sie das Wort
ztmanningfür das Vott enasculationeinsetzt, das der Übersetzer des
BandesIII der ColhctedPaparrunschuldigerweisefür angebmchtgehal-
ten hatte; sieverwahrtesich sogargegendie ÜbernahmedieserÜberset-
zung in die in BearbeitungstehendeautorisierteAusgabe. Zweifelsohne
will sie damit irgendeineundurchschaubareetymologischeSuggestion
aufrecht erhalten, durch die diese Begriffe sich unterscheidenlassen
sollen, die aber desungeachtetdieselbeVerwendung habelzs.
'Wenn
Aber wozu das alles? Frau Macalpine die Einbeziehung eines
Otgans für impropörc26hält, von dem sie in bezug auf die <Denkwür-
digkeiten> will, daß es friedlich in den Leib des Subjekts resorbiert
,s Macalpine,op,cit.,S.
398.
26 Dies die Schreibung des englischen rü/orts, das eben Verwendung findet in der
großartigen Versübersetzung der ersten zehn Gesängederlllias von Hugues Salel.
Sie sollte es schaffen,das Vott im Französischenüberleben zu lassen,
wefde, meint sie dann, uns eine Dantellung desfurchtsamenKauerns
zu geben,in dasesflüchtet, wenn esfriert, oder meint siedie Einsprache
,lesGewissens,bei dessenSchilderungder Autor desSatyiconsmaliziös 551
verweilt?
Oder glaubt sievielleicht, eswäre ie um einerealeKastration gegangen
beim Komplex diesesNamens?
Durchaus mit Grund bemerkt sie die Ambiguität, die darin liegt, daß
die Verweiblichung des Subfektsund die Entmannung für äquivalent
gehaltenwefden. Sie übersieht iedoch, daß diese Ambiguität die der
subiektiven Struktut selbstist, die sie hier erzeugt: Äus ihr folgt, daß,
wasauf der imaginärenEbenean die Umwandlung desSubiektesin eine
Frau grenzt, eben genau das ist, was diesesum iede Erbschaft bringt,
von der es legitimerweiseerwarten könnte, es erhielte ausihr für seine
PersoneinenPenis.Und diesist so,weil Seinund Haben,auchwenn sie
im Pdnzip einanderausschließen,nicht zu unterscheidensind, zumin-
dest nicht in bezug auf das Ergebnis, sofern es sich um einen Mangel
handelt.'Wasandererseitsnichts daranändert, daßihre Unterscheidung
für die Folge sehrwichtig ist.
Man kann das daran sehen,daß der Patient nicht weil ihn die Verwer-
fung vom Penistfennt, sondernweil er Phallusseinmuß, der Verweibli-
chung anheimgegebenwird.
Die symbolischeParität Mädchen: Phallus,oder im Englischen die
Gleichung Girl : Pltallus,wie Fenichel sagt27,dem sie zum Thema
einesverdienstvollen, wenn auch etwas vefwickelten Aufsatzeswird,
hat ihre wurzel in den imaginären'sregen,über die das Begehrendes
Kindes sich mit dem Seinsverfehlender Mutter identifizieren kann, in
welchesdiesewohlgemerkt selbereingeführt wurde durch das symbo-
lische Gesetz,in dem ienesVerfehlen sich konstituiert.
Aus demselbenGrund dienen die Frauen im Realen, mit ihrer oder
gegen ihre Einwilligung, als Tauschobiektein ienen Tauschhandlun-
gen, deren Ordnung in den elementarenVerwandtschaftsstrukturen
festgelegtist, und die sich bei Gelegenheitim Imaginäten fortsetzen,
während das,was entsprechendin der symbolischenOrdnung übermit-
telt wird, der Phallusist.
,7 Die sJmbolirhe Ghicbung Madchen : Pballat iil Int.zeit$hrift für Pgcltoanallrc,
-- Phalhtt
XXII, 1936, inzwischen unter dem Titel: Tbe sltmbolieequation: Girl
paarterll,
übersetzi in Psltchoanalltic S.
ry49,XX, vol' 1, ,ot-524' Die ftanzösische
Spracheerlaubt uns, den unserer Meinung nach angemessenenBegiff pucelh(J.urrg-
frau) zu vetwenden.
98
7. Hier nun betreibt die Identifizierung (wie immer sie aussehenmag),
durch die dasSubiekt dasBegehrender Mutter auf sich genommenhar,
t66 in ihrer Bewegung die Aufösung des imaginären Dreifußes (bezeich-
nenderweisehat der Patient seinenerstenAnfall von ängstlicherVer-
wirrung begleitet von einem selbstmörderischenRaptus in der Woh-
nung seinerMutter, in die er sich geflüchtet hat: S. 19-+o- IV).
Zweifelsohnehat die unbewußte Divination sehr früh schon das Sub-
jekt gemahnt, daß es, da es nun einmal nicht der der Mutter fehlende
Phallus sein kann, nur die Möglichkeit hat, die Frau zu sein, die den
Männern fehlt.
Dies ist denn auch der Sinn jenes Phantasmas,dessenSchilderung
dutch seineFeder allgemeinesAufsehen erregt hat, und das wir oben
aus der Inkubationszeit seineszweiten Krankheitsanfallszitiet haben,
die Vorstellung nämlich, <daßesdoch eigentlich recht schönseinmüs-
se,ein \ü7eibzu sein, das dem Beischlafuntediege>.
STomit wir dieseEselsbrückeder Schrebediteraturan ihrem Platz auf-
gespießthätten.
Diese Lösung war hier jedoch verfrüht. Denn was die < Menschenspie-
lerei> betrifft (ein Begriff aus der <Grundsprache>, in der heutigen
Spracheetwa: Rifi6 bei den Menschen),die normalerweisehätte darauf
folgen müssen,fiel der Appell an die Tapferen fach, wie man sagen
könnte, aus dem Grund, daß diese ebensoder Unwahrscheinlichkeit
anheimgegebenwaren wie das Subjekt selber, d.h. ebensobar jedes
Phalluswie dieses.Denn nicht weniger für siealsfür eswar im Imaginä-
ren des Subjekts jener Strich ausgelassen,der parallel zur Zeichntng
ihrer Gestaltläuft, so wie man ihn auf einerZeichnungdeskleinen Hans
sehenkann, und der den Kennern von Kinderzeichnungenveftraut ist.
Da waren die anderen von nun an nur noch <<füchtig hingemachte
Männer>28.
So daß die ganzeAffäreauf ziemlich beschämendeV7eisenicht von der
Stelle gekommen wäre, hätte das Subjekt sie nicht glänzendausgebü-
gelt.
Schteberselbsthat für ihren Ausgang (im November r89y, d.h. zwei
Jahrenach dem Ausbruch seinerKrankheit) den Begriffvon <Versöh-
nung) geprägt: in dem Vort klingen verschiedeneBedeutungenan,
<<Buße>, <Befriedungder Götter> und hinsichtlichder Eigenschaften
st A. d. Ü. : <<
mein verstorbener Vater >, worin das Vort Feuer ( fea) anklingl
IO'
Hier noch kann man untef dem zeichen der Kreatur den wendepunkt
ansetzen,von dem eine doppelteLinie ausgeht,die der narzißtischen
wollust und die der idealen Identifizierung. Dies iedoch in dem Sinn,
daßihr Bild zum Lockmittel der imaginärenVerhaftung wird, in der die
eine wie die andere Vfurzeln schlägt. Hier auch geht die Linie um ein
Loch herumrgenaugesagtum das,in dem der < Seelenmord > den Tod
installierte.
lwirkung, die der t 7 r
Öffnetesich dieserandereAbgrund durch die einfache
im Symbolischenvergeblich an die väterliche Metapher gerichteteAp-
pell aufsImaginärehat? oder müssenwir ihn begreifenals ein in einem
zweitenGrad durch die Elision desPhallusProduziertes,die dassub-
jekt zu ihrer Lösung auf dastodbringendeAufklaffen des Spiegelsta-
diumszurückführte?Gewiß solltehier die diesesmal genetische Verbin-
dung diesesStadiumsmit der Symbolisierung der Mutter als,der ur-
sprünglichenevoziertwerden,damit sichdieseLösung begründen läßt'
Irt et nnt nun möglich,die geometrischenPunktedesSchemas R auf ein
Schema der Struktur des am
Subjekts Ende despsychotischen Prozesses
zu übertragen?wir versuchenes durch das Schemar, das wit unten
wiedetgeben
IOJ
Iflas hier die Frage der entfremdendenInzidenz des Signifikanten an- t 7 t
geht, die wir im Auge haben,so behaltenwir diesenNadir einer Nacht
im Juli 94 im Gedächtnis,da Ariman, der niedere Gott, sich im glän-
zendstenOrnat seiner Macht Schteberenthüllte und ihn mit dem ein-
fachenWort: <Luder> ! anrief,dasnachAuskunft desSubiektsein <in
der Grundspnche ganzgeläufigerAusdruck> istr.
Die ÜbersetzungdiesesWorts vetdient ein besseresSchicksalals bloß
den Rückgriff auf Sachs-Villatte,mit dem man sich im Französischen
begnügte.NiededandsRekurs auf das englischelend, was <Hure>
bedeutet,scheintuns nicht annehmbarin seinerAnstrengung, den Sinn
von <Schlampe>oder <<Sau> einzuholen,der seinerVerwendung als
Schmutz-und Schimpfwort innewohnt.
Tragen wir aber dem Archaismus Rechnung, der, wie uns bedeutet
w'urde, für die Grundsprachecharakteristischist, so glauben wir uns
im Recht, wenn wir diesenTetminus auf dasWurzelwort desfranzösi-
schenleune3a,des englischenlure beziehen- was wohl die beste An-
redead homiren darstellt,auf die man von seitendes Symbolischenge-
faßt sein darf: das große Andere gteift nicht seltenzu solchenUnver-
schämtheiten.
Bleibt noch die Eindchtung des Feldes $ im Schema,sofetn sie die
Bedingungen darstellt, unter denen die Realität sich fürs Subiekt wie-
derherstellte: für diesesals eine Art Inselchen, dessenFestigkeit ihm
zugerechnetwird nach der Probe auf die Beständigkeit3s,für uns ge-
bunden an das, was ihm diese bewohnbar macht, was sie aber auch
yerzerct,durch exzentrischeNeugestaltungendes Imaginären J und
des SymbolischenQ, die jene auf das Feld ihrer Versetzung reduzie-
ren.
Die untergeotdneteVotstellung, die wir uns hier von der Funktion der
rr S.r16-X.
s+ A. d. U.: franz. lenre, engl. lare : Köder, Lockung, Täuschung. Der Ü., dessen
Muttersprache das Vienerische ist, bestätigt die Bedeutung <durchtriebenes, listi-
gcs Veibstück >. Seine Schwesterist oft genug von seiten der Großmutter mit dem
Vort <Luder> in dieser Bedeutung liebevoll beschimpft worden. In der \üeid-
marrnssprachehat das rVort <Luder > tatsächlich den Sinn von Ködet, Äas.
rr Auf dcm Gipfel der imaginären Auflösung hat das Subjekt in seiner delirierenden
rVahrnehmung einen eigentümlichen Bezug auf jenes Realitätskriterium gezeigt,
{ar datin besteht, daß real ist, was immer an demselben Platz wiederkehrt; darum
wurdc die Realität auf besondete rlTeisevon den Gestirnen dargestellt: Dies ist das
Motiv, das von den Stimmen mit dem Namen <Anbinden an Erden> (S' lz5 -IX)
bczcichnctwutde,
I o(r
Realität im Prozeß, sowohl hinsichtlich seiner Ursache als auch hin-
sichtlich seinerWirkungen, machenmüssen,ist hier das \üichtige.
Wir können uns hier nicht über die gleichwohl erstrangigeFrage ver-
breiten, was wir für dasSubjekt sind, wir, die esuns alsLeseranspricht,
auch nicht darüber, was vom Verhältnis zu seinerFrau bleibt, der der
erstePlan desBuchs gewidmet war und deren Besuchewährend seiner
Krankheit immer von tiefster Empfindung begleitet waren, und von
574 derSchreberbehauptet,zusammenmit dem entscheidendenGeständnis
seinerBerufung zum Vfahn, er habefür sie <durchausdie frühere Liebe
bewahtt> (s. Änmerkung S.r79 - XIII).
Daß im SchemaI die StreckeSaa'Aauftechterhaltenwitd, symbolisiet
die Meinung, die wir ausdet Prüfung diesesFallsgewonnenhaben,daß
nämlich die Beziehung ^rm anderenals zu seinesgleichen,ia sogar eine
so hohe Beziehungwie die der Freundschaftin dem Sinne,in dem Ari-
stotelesin ihr das\üesender ehelichenVerbindung sieht,durchausver-
einbar sind mit demAus-der-Achse-HebenderBeziehungzum großen
Anderen und allem,was diesean radikaler Anomalie mit sichführt, was
man in der alten Klinik auf unpassendeWeise,aberdennochnicht ohne
einigen Annähetungswert Partialwahn genannt hat.
Dieses Schemagehörte dennoch in den Papierkotb, wenn es, wie so
viele andereauch,irgend iemand dazuvedeiten sollte, in einemintuiti-
ven Bild die Analyse zu vergessen,die es unterstützt.
Der bloße Gedanke daran macht, daß man begreift, wie sehr die Ge-
sprächspartnerin,deren authentischeÜbedegungenwir hier noch ein-
mal grüßen, Ida Macalpine,auf ihre Kosten käme bei der Verkennung
dessen,q/ases uns konstituieren ließ.
rü7it behaupten hiet nämlich, daß die Vernunft, die das Drama des
Wahnsinnsetkennt, bei ihtem Geschäftist- wa ret agitur-, denn dieses
Drama ist situiert in der BeziehungdesMenschenzum Signifikanten.
Die Gefahr, die man heraufbeschvrört,wenn man mit dem Kranken
deliriert, kann uns nicht einschüchtern,so wenig wie seinerzeitFreud.
Mit ihm halten wir daranfest, daßman den zu höten hat, der spricht, da
essichum eine Mitteilung handelt,die nicht von einem Subjektjenseits
der Spracheherrührt, sondern vielmehr von einem Sprechenjenseits
desSubjekts.Denn erst dann wird man jenesSprechenvernehmen,das
Schreberim Andern einfängt, wenn es von Atiman zu Ormuzd, vom
verschlagenenbis zum abwesendenGott, die Mahnung vorbringt, in
der dasGesetzdes Signifikanten selbstartikuliet wird: <Aller Unsinn
hebt sich auf!> (S. ßz-t87 - XIII und 1rz - NachttageIV)
r07
An diesemPunkt finden wir (und übedassenes denen, die sich später
einmal mit uns befassenwerden, herauszufinden,warum wir dies zehn
Jahrelang anstehenließen)jeneAussageausunseremDialog mit Henry
Ey wieder: <Nicht nur kann dasWesendesMenschennicht ohne den 575
Wahnsinn begdffen werden, es wäre auch nicht das \üfesendes Men-
schen,wenn es nicht, als GrenzeseinerFreiheit, den Wahnsinn in sich
trüge > 16.
V. Postskriptum
t6 Propot ur la caunlitä pychiqrc (Bericht vom e8. September 1946für die Tage von
llrnncval), vgl. Ecrits, Patis r966, S. r5r.
t clll
mehr alsVermischung denn alseineVereinigung zweier tüfesencrschci-
nen lassen,und die in der Gier, die sich da mit dem Überdruß zusam-
mentut, in der Komplizenschaft, die deren erpresserischeForderung
stützt, nichts an sich hat von jener, nennenwir die Dinge so, wie sie es
vetdienen: Gegenwatt und Freude, die im mystischenEdebnis strah-
len: ein Widerspruch, der nicht nur demonstriert, sondern geradezu
'Weise
begründet wird dadurch, daß auf erstaunliche in dieser Bezie-
575 hung dasDu fehlt, dessenWort bestimmteSprachen(tbou) dem Anruf
Gottes wie dem Anruf an Gott votbehalten, und die der Signifikant des
Anderen im Sprechenist.
Wir kennen die falsche Scham,die die Wissenschaftdiesbezüglichan
den Tag legt: Siegeht Hand in Hand mit jenenfalschenschulfuchseri-
schenVorstellungen, die da dauerndvon unaussprechlichenEdebnis-
sen, ja sogar von <krankhaftem Bewußtsein> reden, um die Anstren-
gung zu entwerten, von der sie sich selbst dispensieren,die Anstten-
gung nämlich, die es gerade an dem Punkt braucht, wo es nicht um
Unaussprechlichesgeht, weil eben es spricht; wo das Edebte, weit
davon endernt, zu trennen, sich mitteilt; wo die Subjektivität ihre
wahrhafteStruktur preisgibt, diejenige,bei der das,wassichanalysieren
läßt, identisch ist mit dem, was sich artikuliert.
Vom selbenAussichtspunkt aus,auf den uns die delirierendeSubjekti-
vität geführt hat, v/erdenwir uns auch der wissenschaftlichenSubjekti-
vität zuwenden: derjenigennämlich, die der Gelehrte, der in der \7is-
senschaftarbeitet, teilt mit dem Menschen der Kultur, von der seine
l7issenschaftgetragenist. lü7irwetden nicht vedeugnen, daß wir von
der Stelle der rü7eltaus, wo wir uns aufhalten, bereits genug von den
Dingen gesehenhaben,um uns Gedankenmachenzu können übet die
Kriterien, vermittels welcher der Mensch eines Diskurses übet die
Freiheit, den man mit Recht als delirierendbezeichnenkann (wir haben
ihm eins unseterSeminaregewidmet) einesBegriffs desRealen,bei dem
der Determinismus nur ein Alibi ist und der sofort beängstigendwird,
wenn man ihn auf denZufall ausweitet(wir haben das unserer Zuhö-
rerschaft in einem Test-Experiment gezeigt), eines Glaubens,der ihn
füt zumindestensdie Hälfte des Universums unter dem Symbol des
'VTeihnachtsmannes
vetsammelt (was wohl niemand entgehen kann),
uns davon abhalten könnte, ihn durch eine legitime Analogie in die
Kategorie der sozialenPsychoseeinzureihen,die, wenn wir uns nicht
iren, Pascallange vor uns konzipiet hat.
Daß einesolchePsychosesichalsdurchausver.einbarzeigtmit dem, was
r09
man die gute Ordnung nennt, ist nicht zu bezweifeln; das berechtigt
aber den Psychiater, sei er auch Psychoanalytiker,noch keineswegs
dazu,an seineeigeneVereinbarkeit mit jener Ordnung zu glauben,um
sich in Besitz einer adäquatenVorstellung der Realitätzu wähnen,von
der sein Patient abweichenwürde.
Vielleicht täte er unter diesenBedingungenbesserdaran,dieseVorstel-
lung von seinerEinsicht in die Gründe der Psychoseaufzugeben:was
unserenBlick zurück auf den Richtpunkt ihter Behandlunglenkt.
Um den Weg zu efmessen,der uns davon trennt, sollte esgenügen,an
jene Anhäufung von Langsamkeitenzu erinnern, mit denenihre rüfall- t 7 7
fahrer ihn abgesteckthaben.Jederweiß, daßkein Konzept desÜbertra-
gungsmechanismus,so kenntnisreich es auch immer sein mochte, bis
heute etwas anderesvorgelegt hat als die Beschreibung eines in der
Praxis rein dualen Verhältnisses,das in seinem Substrat iedoch voll-
kommen konfus gebliebenist.
Stellenwir hier die Frage,was denn die Übetragung, wenn man sienur
einmal in ihrer Grundbedeutung als l7iederholungsphänomennimmt,
in den Verfolgern wiederholen soll, an denenFreud ihte Auswirkung
aufzeigt.
Darauf kommt uns eine weiche Antwort: Ihtem Gedankengangfol-
gend, wird es sich ohne Zweifel um ein vätedichesVersagenhandeln.
In dem Stil hat man dann draufos geschrieben,und die <Umgebung>
desPsychotikerswurde zum Gegenstandeiner minuziösenAufzählung
all der biographischenund charakterologischenEtikettchen, die man
in der Anamnese von den dramatispersonae,von deren <zwischen-
menschlichenBeziehungen >, ablösenkonnterT.
Halten wir uns aber an die Strukturbestimmungen, die wir herausge-
stellt haben.
Damit die Psychoseausgelöstwird, muß der Namen-des-Vaters,der
verworfen*, d.h. nie an den Platz desAndern gekommenist, daselbst
angerufenwerdenin symbolischerOpposition zum Subjekt.
I)as FehlendesNamens-des-Vaters an diesemPlatz leitet nämlich durch
dasLoch, dasesim Signifikat aufreißt, jene kaskadenartigenVerwand-
lungen des Signifikantenein, die einenprogressivenZusammenbruch
t7 Vgl. Andr€ Greens These über das Familienmilieu der Schizophrenen (Le nilieu
lanilial desrcbiqopbrlnet,Parisr 9 57), eine Atbeit, deren Verdienst nicht geschmälert
wordcn wäre, wenn etwas bestimmtere Maßstäbe sie zu einem besserenErfolg
gcftihrt hätten; namentlich die Annäherung an den <psychotischenBtuch>, wie
r"t,r"-"rweise sagt, hätte nur gewinnen können.
:l:r
desImaginärennx Folge haben,bis an den Punkt, wo Signifikant und
Signifikat sich in der delirierendenMetapher stabilisieren.
Wie aber kann der Namen-des-Vatersvom Subjekt angerufenwcrden
an dem einzigen Platz, von dem aus et ihm hätte zukommen können,
und wo er nie gewesenist? Durch nichts anderesals durch einen realen
Vater, nicht unbedingt durch den Vater des Subjektes,durch Einen-
Yater (Un-päre).
Darüber hinausmuß dieserEine-Vater an jenenPlatz kommen, tvo das
Subjekt ihn von früher her nicht rufen konnte. Es genügt dafür, wenn
dieser Eine-Vater in Ddttposition steht in einem Verhältnis, das das
imaginärePaara-ä, d.h. Ich-Obiekt oder Ideal-Realität,zur Basishat,
y78 das das Subjekt in das von ihm induzierte erotisierte Aggressionsfeld
miteinbezieht.
Man suche diese dramatischeKonjunktur am Anfang der Psychose.
\7ie immer sieauftretenmag, in der Gestalt desEhemannsfür die Frau,
die eben ein Kind geboren hat, in der PersondesBeichwatersfür eine
Beichtende,die ihren Fehler bekennt, in der Begegnung, die das ver-
liebte iunge Mädchen mit <dem Vater des iungen Mannes> hat, man
wird sie immer finden, und zwar um so leichter, ie mehr man sich von
den < Situationen) im romanhaften Sinne desWortes leiten läßt. Man
kann hier im Votbeigehen erkennen,daß solcheSituationendie eigent-
liche Quelle desRomancierssind, nämlich die, die die <Tiefenpsycholo-
gie > fießen läßt, und zu der keinepsychologischeSichtihn hinzuführen
vermöchter8.
Um nun zum Ursprung der Verwerfung* des Namen-des-Vaterszu
kommen, muß man sehen, daß der Namen-des-Vatersam Platz des
Änderen den Signifikanten des symbolischenTernions selbstverdop-
pelt, sofern er das Gesetzdes Signifikanten konstituiert.
Die Probe drauf wird denenbestimmt nicht teuer zu stehenkommen,
die in ihrer Suchenach den <Umgebungs>koordinaten der Psychose
ohnehin mutterseelenalleinvon der ftustrierenden zur päppelnden
Muttet irren, nicht ohne dabeizu spüren,daßsie,wenn siesich der Seite
des Familienvaters zuwenden, brennen, wie es beim Cacbe-tampon-
Spieltoheißt.
18 rl(/ir wünschen hier demienigen unserer Schüler Glück, der sich auf die Spur
dieser Bemerkung gemacht hat; hier wird die Kritik sich einesFadensvergewissern
können, der sie nicht betrügt.
ro Ä. d. Ü. : Entspricht dem Spiel, bei dem mit dem Kommentar <heiß> oder <kalt >
die Nähe oder Entfernung zu einem gesuchten Gegenstand angezeigt wird.
I I I
Ja,aberwäre es nicht übertrieben bei solch tappendemHerumsuchen
nacheinemvätedichen Mangel, den man seelenruhigunterteilt in einen
donnerndenVater, einen gutmütigen Vater, einen allmächtigen,einen
gedemütigten,einensteifen,einenlächedichenVater, einenHausvater,
einen Vater, der bummelt - wäre esnicht übertrieben zu erwarten; daß
folgende Bemerkung irgendwas auszulösenvermöchte: daß nämlich
die Prestigeeffekte,die bei alledemim Spielsind, und bei denenGott sei
Dank die ternäre Beziehung des Ödipus nicht ganz wegfällt, da die
Reverenzder Mutter dabei für entscheidendgehaltenwird, zurückzu-
führen sind auf die Rivalität der beiden Eltern im Imaginären des
Subjekts,dasheißt auf das,was sichin der Frageausdrückt,die anschei-
nend regelmäßig,um nicht zu sagenobligatorischin jeder Kindheit, die
sich nichts vergibt, auftaucht: <Wen liebst du am meisten,Vati oder
Mutti? >
Mit diesemVergleich wollen wir nichts unterschlagen,g nzim Gegen-
teil, denn dieseFrage,in der dasKind unweigerlich den Ekel konkreti- t79
siert, den esvor dem Infantilismus seinerEltern empfindet,ist ebendie,
anhandderer diesewahrhaftigen Kinder, die die Eltern sind - in diesem
Sinn gibt es keine anderenin der Familie, als sie- dasGeheimnisihrer
Ein- oder ihrer Zwietracht, je nachdem,maskierenwollen, d.h. das
Geheimnis,von dem ihr Sprößling g^nz genauweiß, daß da dasganze
Problemliegt, und daß es sich hier stellt.
Darauf wird man uns entgegenhalten,man legeebenden Akzent auf das
tsand der Liebe und Verehtung, durch das die Mutter den Vater auf
seinenidealen Platz setztoder nicht. Merkwürdig, antworten wir fürs
erste, daß man dieselbenBande im umgekehrten Sinn kaum erwähnt,
wodurch sichherausstellt,daßdie Theorie an dem Schleiermitwebt, der
von der kindlichen Amnesie über den eltedichen Koitus geworfen
wird.
Nachdrücklich betonenwollen wir aber, daßman sich nicht nut darum
kümmern sollte,wie die Mutter sichmit det PersondesVaters abfindet,
sondern darum, welchen Wert sie seinemWort beimißt, seiner,spre-
chenwir dasWort aus,Autorität, andersgesagt,welchenPlatzsiedem
Namen-des-Vatersbei der Etrichtung des Gesetzeseinräumt.
l)es weiteren muß dasVerhältnis desVaters zu diesemGesetzan sich
selbstin Betrachtgezogenwerden,denn in ihm findet sich der Grund
für dasParadox,nachwelchemdie verheerendsten Auswirkungen der
Vaterfigur mit einer bemerkenswertenHäufigkeit in den Fällen auftre-
tcn, wo der Vater wirklich eine gesetzgebende Funktion ausübt oder
doch so tut, sei es, daß er tatsächlichzu denen gehört, die die Gesetze
machen, oder sei es, daß er sich als eine Stütze des Glaubens nur
hinstellt, alsAusbund an Integrität oder Ergebenheit,als Tugend- oder
Tatenbold, als Diener einesheiligen Werks, egal um welchen Gegen-
stand oder Nichtgegenstand es dabei gehen mag, um Nation oder
Geburtenzahl,um W'ehroder Wache,um Legat oder Legalität, um den
Kampf für die Reinheit, die Richtigkeit oder fürs Reich, allesIdeale,die
ihm nur zu oft Gelegenheitgeben,in einer Haltung zu etscheinen,die
Schuldausdrückt,Ungenügenoder Betrug und auch,um alleszu sagen,
Gelegenheit,den Namen-des-Vatetsaus seinerStellung im Signifikan-
ten auszuspetren.
Soviel braucht esfreilich gar nicht, um zu diesemResultatzu kommen,
und niemand,der Kinder analysiert,wird abstreiten,daß die \Tahrneh-
mung von lügenhaftem Verhalten für diese oft die vetheerendsten
's7irkungen 'Weise
hat. Wet aber faßt in Worte, daß die auf diese
wahrgenommeneLügenhaftigkeit die Beziehung auf die konstituie-
rende Funktion des Sprechenseinschließt?
So stellt sich denn heraus,daß ein bißchen Strenge nie fehl amPlatz
58o ist, wenn es darum geht, der allerzugänglichstenErfahtung den Sinn
zu geben, den sie wahrhaftig hat. Über die Folgen, die man davon
für Beobachtung und Technik erwarten darf, witd andernorts befun-
den.
Iüir sagenhier nur, woran man die Ungeschicklichkeiterkennenkann,
die die inspiriertestenÄutoren an den Tag legen im Umgang mit den
Erkenntnissen,die den Vorrang betreffen,den Freud der Übertragung
der Beziehungzum Vater bei der Genesisder Psychosebeimißt.
Ein hervorragendesBeispiel dafüt ist Niededand+o,der auf die delirie-
rende GenealogieFlechsigsaufmetksammacht, die konstruiert ist aus
den Namen det realen Abstammung Schrebers:Gottftied, Gottlieb,
Fürchtegott, und insbesondereDaniel, der sichvom Vater auf den Sohn
überträgt, und dessenSinn im Hebräischener wiedergibt, um in dem
Umstand, daßsieauf den Namen Gottes hin konvergieten, einesymbo-
lischeKette a:ufzuzeigen, die ihre Bedeutungdarin hat, daßsieim lü7ahn
die Funktion desVaters manifestiert.
Da et aber die Instanz des Namen-des-Vatetsnicht erkennt, zu deren
Erkenntnis eshalt nicht reicht, daß siehier mit bloßem Äuge zu erken-
nen ist, verpaßt er die Gelegenheit,hier die Kette zu fassen,in die die
ao oP.cit.
8
vom Subiekt empfundenenerotischenAggressioneneingewirkt sind,
und alsobeizutragen,daß,wasman eigentlichdelirierendeHomosexua-
lität nennenmuß, an seinenPlatz gerückt wird.
Wie hätte er dann einhaltenkönnen bei dem, was der oben angeführte
Satzausden erstenZeilen deszweiten Kapitels+'von Schreberin seiner
Aussageverbirgt: eine der Aussagen,die so offensichtlich dafür ge-
macht sind, um überhört zu w'erden,daß sie die Äufmerksamkeit auf
sich ziehen müssen.Was will, buchstäblich genommen, besagen,daß
der Autor auf der gleichen Ebene die Namen Flechsig und Schreber
mit dem <<Seelenmord> verbindet, um uns in das Prinzip des Miß-
brauchseinzuführen, dessenOpfer er ist. Wir müssendem Scharfsinn
der künftigen Glossatorennoch etwasübriglassen!
Gleich ungewiß ist der Ausgang, wenn Niededand im selbenAufsatz,
diesmal ausgehendvom Subjekt und nicht mehr vom Signifikanten
(Begriffe, die ihm, wohlgemetkt, unbekannt sind), versucht, die Rolle
der Vaterfunktion bei der Auslösung desS7ahnsgenauerzu bestimmen.
'Wenn
er nämlich behauptet,er könne in der einfachenAnnahme der t 8 r
Vaterschaftdurch das Subjekt den Anlaß zur Psychoseerkennen- ril/as
dasThema seinesAufsatzesbildet -, so ist esein STiderspruch,die von
Schrebervermerkte Enttäuschungüber eineausgebliebeneVaterschaft
und seineBerufung ans Obedandesgericht,die ihm den Titel < Senats-
pdsident> einbrachteund somit die Eigenschaft einespater constiptus,
für äquivalent zu halten: dies aus dem einzigen Grund seinerzweiten
Krise ohne PÄjudtz der ersten,die dasScheiternseinerKandidatur zum
Reichstagebensogut erklären könnte.
Dabei wäre eine Referenz auf die Position als Drittes, auf die der
Signifikant in allen Fallen berufen wird, passenderund vermöchte
diesenWiderspruch aufzuheben.
Aber in der Perspektive unserer Ausführungen ist die ursprüngliche
Vcrwerfung dasalles überragendeProblem, und esist längst nicht so,
daß die vorigen Betrachtungenuns auf keinen grünen Zweig kommen
ließen.
Dcnn schlägtman nachim Werk von Daniel Gottlob Motitz Schreber,
dem BegründereinesorthopädischenInstituts an der Leipziger Univer-
sität, dem Erzieher, oder besser,um es auf englisch zu sagen,dem
<Ildukationalisten >, dem Gesellschaftsreformermit <apostolischerBe-
rufung, den MassenGesundheit,Glück und Heil zu bdngen> (siclda
tr4
Macalpine,loc. cit.3. 1+z)durch Gymnastik, dem Propagator jener
grünen Klitschen, die den Angestellten ihren Suppengrünidealismus
erhalten sollen und die in Deutschlandnoch immer < Schrebergäten>
heißen, ganz zw schweigenvon den vierzig Auflagen der <ärztlichen
Zimmergymnastik >>, deren<flüchtig hingemachteMänner > von Schre-
ber eigenserwähntwerden(S.r 66-XII), schlägtman da nach,sodürfen
wir jeneGrenzenfür überschdttenhalten,wo dasNative und Natalezur
Natur kommen,zum Natüdichen,zum Naturismus,sogafzur Naturali-
sierung, wo die Tugend sich verwandelt in Taumel, das Legat in die
Liga, Salus,das Heil, in den Salto, wo das Reine an die Verschlimme-
rung rührt, und wo wir uns nicht wundern werden, wenn das Kind,
ganz wie der Schiffsjungeim berühmten Fischfang von Prövert, den
Wal der Hochstapeleiverwirftra, nachdem er ihn, um dasunsterbliche
Sttick wieder aufzunehmen,am Einschlagdepäreenpart durchbohrt hat.
t82 Kein Zweifel, daß es det Gestalt des Dr. Flechsig in ihrer Forscher-
strenge(im Buch von Frau Macalpinefindet sich ein Bildaa,dasihn vor
dem Hintergrund einer kolossalenVergrößerung einer Gehirnhemi-
sphäre zeigt) nicht gelungen wat, Ersa;tzzu bieten für die plötzlich
wahrgenommeneLeere der Inauguralverwerfung:(<Kleiner Flech-
sig ! > rufen die Stimmen.)
Jedenfallsist diesdie AuffassungFreuds,wenn die Übertragung,die das
Subjektaufdie Personvon Flechsigrichtet,alsder Faktor erscheint,der
dasSubjekt in die Psychosegestürzthat.
Auf diesemWeg geben einige Monate späterdie göttlichen Anwürfe
im Subjektihr Konzert und bringen so den Namen-des-Vaters dazu,
sich mit dem Namen Gottes4sa. . . f .. . zu lassen;den Sohn bestärken
sie in der Gewißheit, daß am Ende seinerPrüfungen er nichts Besseres
zu tun habenwird alsauf die ganze\7elt zu <machen>+o(S. zz6- XVI).
€ In einer Änmerkung auf derselben Seite zitiert Ida N{acalpineden Titel eines der
Bücher diesesÄutors: <Glückseligkeitslehrefür das physischeLeben des N{en-
schen>.
+r Ä. d. Ü. : Deutsch im Original in Klammern.
++ A.d.Ü.: Vgl. auch Daniel Paul Schreber, DetkwürdigkciteneinerNeruenkranken,
hrsg. S.M.Veber, Berlin r973, S.487.
+s (S. rp4 - XIV) Die Redensart <Ei verflucht. ..) war noch ein Überbleibselder
Grundsprache,in welcher die S7orte<Ei verflucht, das sagt sich schwer> jedesmal
gebraucht wurden, wenn irgendeine mit der Veltordnung unverträgliche Erschei-
nung in dasBewußtseinder Seelentt^t,z.B. <Ei verfucht, dassagtsich schwer,daß
der liebe Gott sich f . . . Iaßt >.
a6 Vir glauben, wir können aus dem Register der Grundsprache selbst diesen
So ist schließlich das letzte Wott, in dem die <innere Erfahrung>
unseresJahrhundertsuns ihre Zeitrechnung gab, fnnfzig Jahrevorher t8j
artikuliert worden in der Theodizee,der Schrebersich überantwortet
sah:<Gott ist eineH...D4E
Dies der Ausdruck, in dem der Prozeßgipfelt, durch den der Signifikant
sich im Realen <entfesselte>,nachdemdas Falliment des Namen-des-
Vaters offenkundig war, d. h. desSignifikanten,der im Anderen, als Ort
des Signifikanten,der Signifikant desAnderen als Ort desGesetzesist.
Vilir wollen es in der Frage, die jeder möglichen Behandlung der Psy-
chosevorausgeht,fürs erstedabeibewendenlassen;sie führt, wie man
sieht, die Konzeption ein, an die man sich in der Behandlung bei der
Handhabung der Übertragung halten soll.
Euphemismus nehmen, dessen sich hier die Stimmen und Schreber selbst ganz
gegen ihre Gewohnheit enthalten.
Vir glauben so auch dem Gebot wissenschaftlicher Sttenge besser zu genügen,
wenn wir die Heuchelei hervorheben, die auf diesem Umweg wie auf anderen, das,
was die Freudsche Etfahrung zeigt, verharmlost, ia sogar zu einem läppischen
Geschwätz werden laßt. Vir meinen die undefinierbare Verwendung, die man für
gewöhnlich von bestimmten Hin'üeisen macht, etwa: In diesem Moment seinef
Analyse regtedierte der Patient auf die anale Phase.l$as für ein Spaßwäre es da, das
Gesicht des Analytikers zu sehen, wenn der Ktanke auf seiner Couch zu <stoßen >
znfängt, oder auch nur sabbert.
All das ist nur eine maskierte Rückkehr zur Sublimierung, die sich in dem inter urinas
etfaecu nascimarversteckt und mit ihm implizite zum Ausdruck bringen will, daß
iener schmutzige Ursprung nur unseren Körper betrifft.
Die Analyse entdeckt ganz andete Dinge. Nicht sein Fetzen Fleisch, sondern das
Sein des Menschen selbstgerät unter die Äbfälle, an die sich schon seineersten Spiele
hielten, sofern nämlich das Gesetz der Symbolisi"rong, ä.t das sein Begehren not-
wendig gebunden ist, den Menschen in seinem Netz ( fht*t 1 fängt, und zwar durch
seine Stellung als Partialobiekt, als welches er sich darbietet bei seinemEintritt in die
Velt, in der das Begehren des Änderen das Gesetz macht.
Diese Beziehung bringt Schreber wohlgemerkt klar zum Ausdruck, wenn ef, um es
unzweideutig zu sagen,aufden Akt des Sch. . . namentlich zurückftih(t, daß ef sPüft,
wie sich da die Elemente seinesSeinsversammeln, deren Zerstreuung in die Unend-
lichkeit seinesrVahns sein ganzesLeid ausmacht.
+r Ä.d.Ü.: Ygl.däflCsdasignifant,Lacatt Schriftenl, S'zo9; dazu S.Leclaire: Der
psychoanalytischeProzeß, Ein versuch über das unbewußte und den Aufbau einer
buchstäblichenOrdnung, \Valter, Olten und Freiburg im Breisgau rg7r, S.t41f'
Anmerkung r49.
rs Und zwar in der Form: <Die Sonneist eine Hute> (S.384-Änlagen). Die Sonne
bitdet hier für Schreberden zentralen Aspekt Gottes. Die innere Erfahrung, von der
hier die Rede ist, ist Titel des zentralen \flerks von Georges Bataille. In Madame
Ednarda beschreibt er das besondere Extrem dieser Erfahrung.
rr6
Zu sagen,was wir auf diesemGebiet machen können, wäre verfrüht,
denn eshieße,<über Freud hinaus> zu gehen,und Freud zu überholen,
kommt nicht in Fnge, solangedie Psychoanalysenach Freud, wie wir
gesagthaben,auf die Stufe vor ihm zurückgefallenist.
Jedenfallshält uns dies von allen Gegenständenab außer dem einen:
denZugangwiederherzustellenzu der Erfahrung, die Freud freigelegt
hat.
Denn verwendet man die von ihm eingerichteteTechnik unabhängig
von der Erfahrung, der sie verbunden ist, handelt man ebensostupid
wie einer der hechelnd die Ruder schwingt in einem Schiff, das auf
Sandliegt.
(Dezemberryfl - Januarr9y8)
II7
r S ID I E B E D E U T U N G D E S P H A L L U S
Vir geben hier ohne Textänderungen den Vortrag wieder, den wir am 9. Mai r95 8
im Max-Planch-Institut in München gehalten haben, wo zu sprechen Prof. Paul
Matussek uns eingeladen hatte.
\flenn man einigermaßen weiß, welche geistigen Moden damals beherrschend wa-
ren in Kreisen, die für ihre Zeit durchaus nicht als unaufgeklärt gelten konnten, so
wird man ermessenkönnen, welche ResonanzBegriffen beschert sein mußte, die wir
als etstet bei Freud ausgezogenhaben, etwa, um einen zu nehmen, der im Folgenden
auftaucht, jener <andere Schauplatz>.
Und vrenn die <Nachträglichkeit >, um noch einen dieser Begriffe aufzunehmen, die
heute in der schöngeistigen Szenekursieren, eine solche Anstrengung inpraktikabel
erscheinen läßt, so nehme man zur Kenntnis: Damals vzaren sie unerhört.
Der unbewußte Kastrationskomplex hat bekanntlich die Funktion
einesKnotenpunkts, und zwat:
r. in der dynamischenStrukturierung der Symptome im analytischen
Sinr-rdes'Sflottes,also dessen,was in den Neurosen, Pervetsionenund
Psychosenanalysierbatist ;
z. in einer Regulation der Entwicklung, die diesererstgenanntenRolle
ihre ratio vedeiht: nämlich die Einrichtung einer unbewußtenPosition
im Subjekt, ohne die diesesweder sich mit dem Idealtypus seines
Geschlechtsidentifizieren,noch ohne die Erfahrung tiefer Ungewißheit
auf die BedürfnisseseinesPartnersin der sexuellenBeziehungantwor-
ten, noch gat dieienigendesin diesererzeugtenKindes aufangemessene
'Weise
wahtnehmen könnte.
Darinzeigtsich eineAntinomie, die dem Prozeßinnewohnt, in dem der
'Warum
MenschsichseinGeschlechtaneignet: kann et dessenAttribute
nur über eine Bedrohung, ja sogar nur untet dem Aspekt einer Berau-
bung sich zu eigen machen?In <Das Unbehagenin der Kultur> ging
Freud bekanntlich so weit, einekeineswegszufällige,sondernessentielle
Störung der menschlichenSexualitätanzunehmen,und einer seinerletz-
ten Aufsätzehandelt von der Unmöglichkeit, die Folgen, die ausdem
Kastrationskomplex im männlichen Unbewußten, aus dem Penisneid
im weiblichen,resultieren,auf eine <endliche> Analysezu reduzieren.
686 DieseAporie ist nicht die einzige,aberdie erste,die durch die Freudsche
Erfahrung und die daraus resultierende Metapsychologie in unsere
Edahrung vom Menscheneingeführt urordenist. Keinetlei Reduktion
auf biologische Gegebenheitenvermag sie aufzulösen: Das beweist
ausreichenddie Notwendigkeit desMythos, der der Strukturierung des
Ödipuskomplexeszugrunde liegt.
Es ist nur ein Kunstgriff, wenn man sich bei diesetGelegenheitauf eine
erbliche amnetischeErwetbung beruft, nicht nur weil diese schon in
sich strittig wäre, sondern weil sie das Problem nicht tdfft: rüTelche
Beziehungbestehtzwischen dem Vatermord und dem Pakt des Urge-
setzes,wenn dieseseinschließt, daß die Kastration die Strafe für den
Inzestist?
Diese Diskussion kann nut dann fruchtbar sein, wenn sie auf der
Grundlage von klinischen Tatsachengefüht wird. Diese zeigen eine
Beziehungdes Subjektszum Phallus, die sich ohne Rücksicht auf den
anatomischenGeschlechtsunterschied herstellt und die deswegeneine
besondersheikle Deutung bei der Frau und in bezug auf die Frau
vedangt, namentlich in den folgenden vier Punkten:
t2l
'Süarum
r. betrachtet sich das kleine Mädchen, und sei's auch nut für
einen Augenblick, als kastriett (sofern dieserAusdtuck bedeutet: des
Phallus beraubt sein),und zwar durch dasOperieren von iemand, der
zuerst, wichtiger Punkt, seineMutter ist, und dann sein Vater' immet
jedoch so, daß man in ihm eine Übertragung im analytischenSinn des
Begriffs erkennensollte.
z.'Sü'arum,noch grundsätzlicher, wird die Mutter von beiden Ge-
schlechternals mit einem Phallusausgestattetangesehen,als phallische
Mutter?
3. Warum wirkt sich korrelativ die Bedeutung der Kastration auf die
Symptombildung nur aus auf Grund der (klinisch manifesten) Tat-
sache,daß die Kasttation als die der Mutter entdeckt wird?
4. Diese drei Probleme kulminieten in der Frage nach dem Sinn der
phallischenPhasein der Entwicklung. Bekanntlich benutzt Freud die-
sen Begriff, um die erste genitale Reifung zu spezißzieren:und zwat,
einerseits,insofern siesich durch die imaginäreVorherrschaft desphal-
lischen Attributs und durch den masturbatorischenGenuß charakteri-
sierenließe,wähtend et, andererseits,diesenGenuß bei det Frau an der
Klitoris, die damit zu einer phallischenFunktion aufrückt,lokalisiert,
womit er nun bei beidenGeschlechternbis zum Ende dieserPhase(das
heißt bis zum Untergang des Ödipuskomplexes)iede instinktive Ein- 682
ordnung der Vagina als Ort genitaler Penetration auszuschließen
scheint.
DiesesNichtwissen stehtunter dem starkenVerdacht einesVerkennens
im technischenSinn desVTortes,und dasum so mehr, alsesgelegentlich
fingiert ist. Sollte es sich dabei nur um das Nichtwissen in iener Ge-
schichtehandeln, mit der Longus uns die Initiation von Daphnis und
Chloe wiedergibt, die er den Aufklärungen einer alten Frau aussetzt?
Manche Autoren sind daher soweit gegangen,die phallischePhaseals
\ü/irkung einer Verdrängung zu betrachtenund die Funktion, die das
phallischeObjekt dabei einnimmt, als Symptom. Schwierigkeiten zei-
gen sich, sobald man wissen will, welches Symptom: Phobie, meint der
eine,Perversion,det andere, und manchmal sagteinerbeides'Im letzten
Fall scheint <nichts mehr zu gehen> : Nicht daß es nicht interessante
Verwandlungen gäbe, in welchen ein phobisches Obiekt zu einem
l,'etischwerden kann; aber wenn es sich um interessanteVerwandlun-
gen handelt, so geradewegen der unterschiedlichenStellung, die das
phobischeObjekt und der Fetischin der Struktur einnehmen.Von den
zu verlangen, sie sollten diesen Unterschied gemäß den Be-
::.*"
trachtungsweisenformulieren, die heuteunter dem Titel der Obicktbc-
ziehung im Schwangesind, wäre ein müßigesUnterfangen. Und dies
nicht zuletzt, weil sie sich auf nichts anderes stützen als auf jenen
approximativenBegriffdes Partialobjekts,der nie einer Kritik unterzo-
gen worden ist, seitdemKarl Abraham dasUnglück hatte,ihn äufgrund
der Edeichterungen, die er unsererZeit offeriert, einzuführen.
Es bleibt, daß die nunmehr eingeschlafeneDiskussion über die phal-
lische Phase,wenn man die übriggebliebenenTexte aus den Jahren
r9z8-r912 wieder liest, uns erfrischt durch dasBeispieleiner theoreti-
schenLeidenschaft,der der inzwischen eingetreteneVerfall der Psy-
choanalyseals Folge ihrer Transplantation nach Amerika einen Hauch
von Nostalgie hinzufügt.
rüTollteman diese Debatte lediglich resümieren,würde man nur die
authentischeVemchiedenartigkeitder Positionenvon HeleneDeutsch,
Karen Horney und Ernest Jones- um nur die bekanntestenNamen zu
nennen- verfälschen.
Die Folge von drei Aufsätzen, die der letztgenanntediesem Thema
gewidmet hat, ist von besondererSuggestivkraft: und wäre esauchnur
dadurch, daß er als erster hier etwas gesehenhat, woraufer aufbauen
konnte, und was ausgedrücktwerden kann durch den von ihm gepräg-
ten Begriff der Aphanisis.Obwohl er sehr richtig die Beziehung der
Kastration zum Begehrenproblematisiert,beweister dabeiseineUnfä-
higkeit, anzuerkennen,was er trotzdem fast in den Griffbekommt, so
daß der Begdff, der uns gleich den Schlüsselliefern wird, hier aus
seinemNichtvorhandenseinselbstaufzusteigenscheint.
688 Amüsant ist vor allem seinErfolg bei dem Unternehmen,Freud bis in
den Buchstabenhinein zu folgen und dennoch zu einer Position zu
kommen, die der von Freud strikt entgegengesetztist: in der Tat ein
Musterbeispielfür ein schwierigesGenre.
So leicht läßt sich aber der Fisch nun auch wieder nicht ertränken, so
offensichtlichvoll des Spotts über Jones' Plädoyer für die Wiederher-
stellung naturrechtlicherGleichheit (dasihn fortreißt bis zu jenem Bi-
belwort, nach dem Gott beide, Mann und Frau, erschuf). In der Tat,
was ist gewonnen, wenn Jones die Funktion des Phallus als Partial-
objekt normalisiert, gleichzeitig aber gezwungenist, sich auf die Prä-
senzdes Phallusim Mutterleib, den Phallusals <internesObjekt> zu
berufen, d.h. auf einen Begriff, der erst in den PhantasienseineFunk-
tion erhält, die Melanie Klein entdeckt hat, und der deshalbuntrenn-
bar mit der KleinschenDoktrin verbundenist. die diesePhantasienauf
r23
die Rekurrenz des Ödipuskomplexesbis auf die früheste Kindheit zu-
rück bezieht. Man wird nicht fehlgehen,wenn man die Frage wieder
aufgreift, wie Freud zu seineroffensichtlichparadoxenAuffassungge-
koÄmen ist. Man wird nämlich einräumenmüssen,daß er wie kein an-
derer angeleitet war in seiner Anerkennung jener ordnung der Er-
scheinungendes Unbewußten, deren Finder e1war, und daß, weil die
Natur dieserErscheinungennicht ausreichendartikuliert wurde, seine
Nachfolger mehr oder weniger unausweichlichin die Irre gehenmuß-
ten.
Ausgehendvon dieserAtt \/ette, die dem von uns nun schonseitsieben
'S(/erke
Jahrin fortgesetzten Komment^r vrm Freuds zugrunde liegt,
ri.td *it zu gewissenResultatengelangt: vor allem zu dem, daß der
Begriffdes signifikanten, wie er in der modernenlinguistischenAnalyse
deÄ Begriff des Signifikatsentgegengesetztwird, unverzichtbar ist für
iede Ärtikulation des analytischenPhänomens.zwat ist dieseLingui-
stik Freud nicht verfügbar gewesen,da sie nach ihm entstand; doch
behauptenwir, daß das Besondeteder Entdeckung Freuds eben darin
üegt, äaß sie die Formeln der Linguistik antizipiert, ausgehendvon
einemBereich,in dem man ihre Herrschaft am allerwenigstenerwaften
konnte. umgekehrt verleiht Freuds Entdeckung dem Gegensatzvon
Signifikant und signifikat seinvolles Gewicht: d. h. der signifikant übt
seineaktive Funktion ausin der Bestimmungiener\Tirkungen, über die
dasBedeutbareseinePrägung erleidetund durch diesesEdeiden Signi-
6kat wird.
DiesesErleiden, diese Passiondes Signifikanten wird von da her zu
einer neuen Dimension der Conditiobsmana:sofern nämlich nicht ein-
fach der Mensch spricht, sondefn Es in dem Menschenund durch den
rüTirkungen,in
Menschenspricht; sofern seineNatur eingewobenist in
denen die Struktur der Sprache,zu deren Material er wird, wieder 68g
auftaucht, und sofern damit die Relationl des Sprechensin ihm Reso-
nanz findet, jenseitsvon allem, was dem Vorstellungsvermögen der
Vorstellungspsychologie zugänglichist.
Man kann d"h.t t"g.tt, daß die Konsequenzender Entdeckung des
Unbewußtenin der Theorie noch nicht einmal halb erfaßt sind, wenn-
glcich die Erschüttefung, die sie in det Praxis bewirkt hat, spürbater
ist, alsman sich davon Rechenschaftgibt, selbstin der Form von Rück-
schlägen.Es muß allerdings deutlich werden, daß dieseBetonung, die
' A . d . Ü . : V g l . u n t e nS ' z r 8 A n m .
r24
wir auf die BeziehungdesMenschenzum Signifikantenlegen,nichts zu
schaffenhat mit jener <kulturalistischen> Position (im gewöhnlichen
Sinne des Begriffs), die von Karen Horney beispielsweisevorwegge-
nommen wurde im Streit um den Phallus, eine Position, die Freud als
feministischbezeichnethat. In der Tat handelt essich nicht um die Be-
ziehung desMenschenzut Spracheals zu einemgesellschaftlichenPhä-
nomen, auch nicht um so etv/aswie jenesattsambekannteideologische
Psychogenese,die freilich nicht einfach durch den Rekurs auf jenen
völlig metaphysischenBegriff aus dem \7eg zu täumen ist, der auf den
Krücken dner petitioprircipii, nämlich der Anrufung des<Konkreten >,
unter dem Namen des <Affekts> recht kümmedich daherkommt.
Es geht hier darum, daß die zitiettenWirkungen wiedergefundenwer-
den sollen in jenen Gesetzen,die den <anderenSchauplatz>beherr-
schen, den Freud in bezug auf die Träume als Ort des Unbewußten
bezeichnethat, die V7irkungen,die offenbatwetden aufder Ebenejener
Kette ausmateriell instabilen Elementen, die die Sprachekonstituiert,
und die determiniert sind durch jenesdoppelte Spielvon Kombination
und Substitution im Signifikantennach den zwei Abhängen (aersants),
die das Signifikat erzeugen: Metonymie und Metapher, jene \Tirkun-
gen also,die bestimmendsind für die EinsetzungdesSubjekts.Zu di*
sem Zweck erscheint dann eine Topologie (im mathematischenSinn
diesesBegriffs),ohne die, wie man bald bemerkt,esunmöglichist, die
Struktur einesSymptoms(im analytischenSinne)auchnur zu notieren.
Es spricht im Andern, sagenwir, und bezeichnenmit dem <Andern >
eben den Ott, den der Rückgtiff auf das Sprechenevoziert in jeder
Beziehung,in die er interveniert. W'ennEs im Andern spricht, egal, ob
das dann vom Subjekt mit den Ohren vernommen wird oder nicht,
dann deswegen,weil das Subjekt in ihm seine signifikante Stellung
6ndet durch etwas,dasjedem Erwecken desSignifikatslogisch vorauf-
geht. Die Entdeckung,was dasSubjektan diesemOrt, d.h. im Unbe-
wußten, artikuliert, läßt uns begreifen,auf Kosten welcher Spaltung*
es sich konstituiert hat.
69o Der Phallus läßt sich hier aus seinerFunktion erhellen.Der Phallus in
der FreudschenDoktrin ist kein Phantasma,wenn man unter Phan-
tasmaeineimaginäreVirkung verstehenmuß.Es ist alssolcherebenso-
wenig ein Objekt (ein partiales,internes,gutes,bösesetc.),insofern
r2t
dieserBegriffdie Realitäthervorhebt,die in einerBeziehungangespro-
chenwird. Noch weniget wohl ist er dasOrgan, Penisoder l(litoris, das
er symbolisiert.Nicht ohne Grund hat Freud hier sich auf jenesSimu-
lacrum bezogen,das der Phallus für die Antike-war.
Denn der Phallusist ein Signifikant, ein Signifikant, dessenFunktion in
der intrasubjektivenÖkonomie der Analysevielleicht den Schleierhebt
von der Funktion, die er in den Mysterien hatte. Denn es ist der
Signifikant, der bestimmt ist, die Signifikatswirkungenin ihrer Gesamt-
heit zu bezeichnen,soweit der Signifikant diese konditioniert durch
seineGegenwart als Signifikant.
'Wenden
wir uns von da ausje*-rültttungen dieset Gegenwart zu. Sie
bestehenzunächstauseinÖ-rUmleitung der Bedürfnissedes Menschen,
die dadurchauftritt, daßdieserspricht,.indem Sinne,daßseineB€dürf-'
nissein dem Maße, wie sie dem Anspftich unterstellt sind, Cntfremdet
zu ihm wiederkehren.Es ist diesnicht die Folge seinerrealenAbhängig-
keit (und man glaubeja nicht, daßman hier jeneparasitäreKonzeption
vor sich hat, die det Begriff der Abhängigkeit in det Neurosenlehre
darstellt),sondernvielmehr die Folge der signifikantenAusformung
als solchen und des lJmstands, daß seine Mitteilung vom Ort des
Andern aus ergeht.
Was also in den Bedürfnissensich entfremdetfindet, bildet eine Urver-
drängung*, weil es,per Hypothese,sichnicht im Anspruch zu artikulie-
,".r rrir-"g t wasaberdennocherscheintin einemAbkömmling, der das
darstellt,vrassichbeim MenschenalsBegehten* zeigt, die Phänomeno-
logie, die sichausder analytischenErfahrung herausschält,ist sehrwohl
geeignet,den paradoxen,abweichenden,efratischefl, exzenttier'ten,ia
sogar skandalösenCharakter des Begehtens zu demonstfieten, wo-
durch diesessichvom Bedürfnis unterscheidet.DieseTatsacheist sogar
so gesichert, daß sie kaum einem Moralisten der vergangenheit, der
diesesNamenswüfdig v/af, entgangeoist. Der Freudismusvon ehedem
schien dieser Tatsacheden Statuseiner sichetenErkenntnis geben zu
sollen. Heute befindet sich die Psychoanalyseaber paradoxerweisean
der Spitze des ewigen Obskurantismus und übt ihre einschläfernde
'üüirkung nur um so mehr, als sie die Tatsacheleugnet, gestütztauf ein
Ideal der theoretischenund praktischenReduktion des Begehrensauf
dasBedürfnis.
I)arum haben wir hier jenen Statusfestzuhalten,ausgehendvom An-
spruch,dessencharakteristischeEigenschaften im Begriffder (Ffustfa-
tion > (den Freud nie vetwendet hat) ausgeklammertbleiben.
t z(t
Der Anspruch an sich zielt auf etwas anderesals die Befriedigungen,
69r na'chdenener ruft. Er ist Anspruch auf eine Gegenwart oder auf cine
Abwesenheit.Das bringt jeneursprünglicheBeziehungzur Mutter zum
Ausdruck, die schwanger geht mit jenem Anderen, das dieseits des
Bedürfnissezu situierenist, die esbefriedigen kann. Sie konstituierr er
bereitsals Inhaber des<Privilegs >, die Bedürfnissezu befriedigen, das
heißt der Macht, ihnen dasvorzuenthalten,wodurch allein siebefriedigt
wären.DiesPrivilegdesAndern umreißt sodie radikaleGestaltderGabe
dessen,wasesnicht hat, dasheißt dessen,was man seineLiebe nennt.
Auf diesemWegehebt der Anspruch die Besonderheitvon alledem,was
gewährt werden kann, auf und verwandelt es in einen Liebesbeweis,
wobei selbst die Befriedigungen, die er für das Bedürfnis erwirkt,
erniedrigt werden dadurch, daß sie nicht mehr darstellen als dasZer-
schellendes Liebesanspruchs(all das ist vollkommen spürbar in der
Psychologie der Säuglingspflege,an die sich unsere Kindermädchen-
Analytikerinnen gehängt haben).
So entstehtdann also die Dringlichkeit, daß die dergestaltaufgehobene
Besonderheitj ensei ts des Anspruchs wieder auftaucht. Und tatsächlich
erscheintsie auch dort wieder, aberindem siedie Struktur konserviert,
die vom Unbedingten des Liebesanspruchsunterschlagenwird. Ver-
möge einer Umkehrung, die keine einfache Negation der Negation
darstellt, taucht die Macht des reinen Vedusts auf aus dem Überrest
einer Obliteration. Dem Unbedingten des Anspruchs substituiet das
Begehrendie <absolute> Bedingung: DieseBedingung entbindetin der
Tat, was im Liebesbeweisgegen die Bedürfnisbefriedigungrebelliert.
Daher ist das Begehren weder Appetit auf Befriedigung, noch An-
spruch auf Liebe, sondern vielmehr die Differenz, die entsteht aus der
Substraktiondeserstenvom zweiten,ja dasPhänomenihrer Spaltung*
selbst.
Man begreift, wie die sexuelleBeziehungdiesesgeschlossene Feld des
Begehrenseinnimmt und ihr Los hier ausspielenwird. Denn diesesFeld
ist gemacht dazu, daß auf ihm sich das Rätsel produziert, das jene
Beziehungim Subjekt aufwirft und das sieihm doppelt <signifiziert> :
als \Tiederkehr des Anspruchs, den sie auslöst, als Änspruch an das
SubjektdesBedürfnisses; alsAmbiguität, die vergegenwärtigtwird be-
züglich des Andern, das im beanspruchtenLiebesbeweisim Spiel ist.
Das Auseinanderklaffenin diesemRätselzeigt, wodurch esdeterminiert
ist, in der einfachstenFormel, die es offenlegt: daß nämlich weder das
Subjektnoch det Andere (für jedender Beziehungspatner)sich damit
r27
zufrieden geben können, Subjekte des Bedürfnissesoder Obiekte der
Liebe zu sein,sonderneinzig und allein damit, Statthalterzu seinfür die
Ursache(cause ) des Begehrens.
Diese lfahrheit bildet innerhalb des sexuellenLebens den Kern aller
Fehlbildungen, die in den Bereich der Psychoanalysefallen. Sie macht 692
hier auch die Bedingung für das Glück des Subiektsaus: Aber das
Aufklaffen desselbennr tatnen, indem man sich wiederum auf die
Kraft der <Genitalität > beruft, und es zu lösen durch das Heranreifen
derZärtlichkeit (dasheißt allein durch den Rekurs auf den Anderen als
Realität),ist, so fromm die Absicht auch seinmag, darum nicht weniger
ein Schwindelgeschäft.Man muß hier hinzufügen,daßausgerechnetdie
französischenPsychoanalytikermit ihrem heuchlerischenBegriff einer
<genitalenOpferbereitschaft> ienenmoralisierendenGleichschritt ein-
führten, det ztt den Liedern heilsverkündender Gesangvereinenun
überall sich durchsetzt.
Jedenfalls,der Mensch kann nicht die Absicht haben,g nz a) sein (im
Sinneiener <Personin ihrer Ganzheit> oder der <total personality> als
einet weiteren Prämisse,in deren Namen die moderne Psychotherapie
vom Süegeabkommt), sobald das Spiel der Verschiebung und der
Verdichtung, dem er in der Ausübung seinerFunktionen unterworfen
ist, seineBeziehungals Subjekt zum Signifikanten markiert.
Der Phallus ist der privilegierte Signifikant dieser Markierung, in der
der Part des Logos mit der Heraufkunft des Begehrenskonvergiert.
Man kann sagen,daßdie rü7ahlauf diesenSignifikantenfällt, weil er am
auffallendstenvon alledem,wasman in der Realität antrifft, die sexuelle
Kopulation ausdrückt wie auch den Gipfel des Symbolischenim buch-
stäblichen (typographischen)Sinn diesesBegriffs, da er im sexuellen
Bereich der (logischen)Kopula entspricht. Man kann auch sagen,daß
er kraft seiner Turgeszenzdas Bild des Lebensfussesist, soweit die-
ser in die (in der) Zeugung eingeht.
Alle dieseVorstellungen verschleiernaber immer noch die Tatsache,
daßer seineRolle nur vetschleiertspielenkann, dasheißt seinerseitsnur
als Zeichen derLatenz, mit der allesBedeutbaregeschlagenist, sobald
es in der Signifikantenfunktionaufgehoben*ist.
Der Phallusist der SignifikantdieserAufhebung* selbst,die er durch
seinVerschwinden inauguriert (initiiert). Daher taucht der Dämon des
Aiöa4,(Scham)* geradein dem Augenblick auf, in dem der Phallus in
den antikenMysterienenthüllt wird (vgl. dasberühmteGemäldein der
Villa von Pompeji).
r28
Er wird dann zum Balken, der in der Hand diesesDämons das Signifi-
zierte schlägtund es dadurch als bastardhafteNachkommenschaftsei-
ner signifikanten Verkettung kennzeichnet.
Soentstehtein Verhältnis der Komplementaritätin der Instauration des
Subjektsdurch das Signifikante,dassowohl dessenSpaltung* erklärt
wie auch die Bewegung desEingreifens, in der diesesich vollendet.
6gt Undzwar:
r. dadutch,daßdasSubjekt seinSeinnur bezeichnet,indem esalles,was
es bedeutet,schrägstreicht,wie datauserhellt, daß es um seinerselbst
willen geliebt werden möchte, ein Trugbild, das nicht darin aufgeht,
alsgrammatikaüschbenanntzu v/erden(da esja denDiskurs abschafft);
z, dadurch,daß das,was von diesemSeinim Urverdrängten* lebendig
ist, seinSignifikantesdarin 6ndet, daßesdasKennzeichender VerdÄn-
gung* vom Phallus erhält (durch das das Unbewußte Spracheist).
Der Phallus als Signifikant gibt die raisondes Begehrens(nach der
Bedeutung, die dieser Begriff in der französischenSprachehat, wenn
von einer <mittleren und äußerenraison>> im Goldenen Schnitt die Rede
ist).
Ich vetwende ihn auch wie einen Algorithmus, um mein Exposd nicht
endlosaufblasenzu müssenund im Vertrauen auf den Widerhall unse-
ter gemeinsamenErfahrung, die Ihnen ermöglicht, dieseVerwendung
zu verstehen.
Daß der Phallusein Signifikant ist, bedeutet,daßdasSubjektZugangzu
ihm findet am Ort des Andern. Da aber der Signifikant hier nur ver-
schleiert sein kann, und z'war als Grund (raison) des Begehrensdes
Andern, ist das Subjekt gezwungen, das Begehren des Andetn als
solchesanzuerkennen,das heißt den andern, sofern er selbstdurch die
signifikante Spaltung* gespaltenesSubjekt ist.
Die in der psychologischenGeneseaufttetendenErscheinungenbestä-
tigen dieseFunktion des Phallus als Signifikanten.
So wird es möglich, die Tatsache,die Melanie Klein hervorhebt, ge-
nauerzu formulieren: daß nämlich dasKind von Anfang an der Auffas-
sung ist, die Mutter <enthalte>den Phallus.
Die Entwicklung aber erhält ihre Ordnung in derDialektik desLiebes-
anspruchsund der Ptobe auf dasBegehren.
Unter einem solchenBegehren,dessenSignifikant ihm fremd ist, kann
der Liebesanspruchauch nur leiden. W'enn das Begehrender Mutter
det Phallus ist, will das Kind, um es zu befriedigen, Phallus sein. So
macht sich die dem BegehrenimmanenteSpaltungschondadurchbe-
r29
merkbar, daß sie im BegehrendesAndern erfahrenwird; denn sie op-
poniert dagegen,daß das Subjekt sich damit begnügt, das, was es an
Realem,was diesemPhallus entspricht' ltabenkann, dem Anderen zu
präsentieren,denn, was es hat, zählt nicht höher als das, was es nicht
hat, inAnbetracht seinesAnspruchsauf Liebe, der möchte,daßesist.
SolcheProbe auf das Begehrendes Andern ist, wie uns die klinische
Erfahrung zeigt, nichtentscheidenddadurch,daßdasSubjekt durch sie
erfährt, ob es selbst einen realen Phallus hat oder nicht, sondern da-
durch, daß es erfährt, daß die Mutter ihn nicht hat. Dies ist dasErfah-
rungsmoment, ohne welches sich keine auf den Kastrationskomplex
bezüglicheKonsequenz,seisiesymptomatisch(Phobie)oder sttuktural 69+
(Penisneid)*,zeigen kann. Hier zeichnetsich die Koniunktion desBe-
gehrensab, sofern der phallischeSignifikant sein Kennzeichenist, mit
der Drohung oder Sehnsuchtdes Habensverfehlens(wanqueä auoir).
Gewiß hängt seineZukunft von dem Gesetzab, das der Vater in diese
Sequenzeinführt.
Man kann aber,hält man sich an die Funktion desPhallus,Strukturen
herausarbeiten,denen die Beziehungenzwischen den Geschlechtern
unterworfen sind.
Diese Beziehungendrehcn sich, wie wir sagen,um ein Sein und ein
Haben, die dadurch, daß sie sich auf einen Signifikanten,auf den Phal-
lus, beziehen,die ärgerlicherüTirkunghaben,daßsieeinerseitsdem Sub-
iekt Realität in diesemSignifikanten verleihen, anderetseitsdie zu be-
deutendenBeziehungenirrealisieren.
Dies geschieht über das Dazwischentreteneines Scheins,der an die
StelledesHabenstückt, um esauf der einen Seitezu schützen,auf der
andernden Mangel im andernzu maskieren,und der zur Folge hat, daß
er die idealen oder typischenEtscheinungsfotmendesVerhaltens bei-
der Geschlechter,bis zut äußerstenGrenzeim Akt der Kopulatiort, g nz
ins Komödienhafte projiziert.
DieseIdeale erhaltenihre Kraft ausdem Anspruch, den siezu befriedi-
gen vetmögen, und der immer Liebesanspruchist, mit seinemKomple-
ment der Reduktion desBegehrensauf den Anspruch.
So paradox dieseFotmulierung auch erscheinenmag, wir behaupten,
daßdie Frau, um Phalluszu sein,Signifikant desBegehrensdesAndern,
einenwesentlichenTeil der'$Teiblichkeit,namentlich all ihre Attribute
in die Maskeradezurückbannt.Ausgetechnetum dessentwillen, wassie
nicht ist, meint sie,begehrtund zugleichgeliebt zu werden' Was indes-
scnihr eigenesBegehrenanbelangt,sofindetsie dessen Signifikanten im
I lc)
Körper dessen,auf den sichihr Liebesanspruch richtet. Man darf aber
gewiß nicht vergessen, daß das Organ, das mit dieser signifikanten
Funktion ausgestattet ist, von hier ausdenWert einesFetischannimmt.
Abet als Ergebnis bleibt für die Frau, daß in ein und demselbenObjekt
sowohl eine Liebeserfahrung,die als solche (siehe oben) sie idealiter
dessenberaubt, was diesesihr gibt, als auch ein Begehren, das hier
seinen Signifikanten findet, konvergieren. Deswegen wird, wie man
beobachtenkann, dasFehlen der dem SexualbedürfniseigenenBefrie-
digung, andersgesagt:die Frigidität, von der Frau verhältnismäßiggut
ertragen,während die dem BegehreninnewohnendeVerdrängung bei
ihr geringer ist als beim Mann.
Beim Mann aber zeitigt die Dialektik von Anspruch und Begehren
695 Folgen, angesichtsderen man sich noch einmal über jene Sicherheit
vrundern kann, mit der Fteud sie genauan den Verbindungsstellen,an
denensieerscheinen,situiert hat unter dem Titel einer für dasLiebesle-
ben spezifischenErniedrigung.
Findet det Mann die Möglichkeit, seinenLiebesanspruchin der Bezie-
hung zur Frawzu befriedigen, sofern der Signifikant desPhallus sie als
diejenige konstituiert, die in der Liebe das gibt, was sie nicht hat, so
wird umgekehrt seineigenesBegehrennachdem PhallusseinenSignifi-
kanten hochkommen lassenin seiner übrigbleibenden Divergenz auf
<eine andere Frau> hin, die auf vetschiedeneWeise diesenPhallus
bedeutenkann, ob als Jungfrau oder als Hure. Hieraus ergibt sich eine
zentrifugale Tendenz des Genitaltriebsim Liebesleben,die dazu führt,
daßvom Mann die Impotenz viel schlechterertragenwird, wähtend die
demBegehtenimmanenteVerdrängung* größereBedeutungannimmt.
Man darf freilich nicht glauben, daß die Art Untreue, die hier für die
männlicheFunktion konstitutiv zu sein scheint,dieserallein eigentüm-
lich sei. Denn betrachtet man die Sachegenauer, so findet sich die
gleiche Verdoppelung bei der Frau, nur daß der Andere der Liebe als
solcher, das heißt insofern ef dessenberaubt ist, was er gibt, sich
schlechtbemerkbarmachtin demRückstoß,durch dener sichdem Sein
desselbenMannessubstituiert,dessenAttribute sieschätzt.
Man könnte hier hinzufügen, daß die männliche Homosexualitätdem
phallischenKennzeichenentsprechend,dasdasBegehrenkonstituiert,
sich auf dem Abhang des Begehrenskonstituiert, daß hingegen die
weibliche Homosexualität,'üriedie Beobachtungzeigt, sichan einerEnt-
täuschung orientiert, die den Abhang des Liebesanspruchsverstärkt.
Diese Bemerkungenbedürften eigentlich weiterer Nuancierung durch
rtl
einen Rekuts auf die Funktion det Maske, sofern dieseiene Identifika-
tionen beherncht, in denen die Verweigerungen des Änspruchs sich
aufösen.
Die Tatsache,daßdie \ileiblichkeit ihr Refugium in dieserMaske findet
Curchdie Verdrängung *, die dem phallischenKennzeichendesBegeh-
rens inhätent ist, führt zu der merkwürdigen Konsequenz, daß beim
Menschendie männlicheParadeselbstals weiblich etscheint.
Korrelativ dazuläßt sich der Grund für jenen Zug begreifen, der nie
aufgeklärt worden ist, und an dem die Tiefe der FreudschenIntuition
noch einmal sichermessenläßt : warum Freud nämlich behauptet,daßes
nur eineLibido gebe,wobei seineSchriftenzeigen,daß er sie als männ-
lich auffaßt.Die Funktion desphallischenSignifikantenmündet hier in
seinetiefsteRelation: die, durch die die Alten hier NoÜ5 und Aoyög
Fleischwerden ließen.
Diese Schrift sollte als Votwort zu ( Die Philosophie im Boudoir > dienen. Erschie-
nen ist sie in der Revue <<Critiqar)(Nt. ryt, AptiI.t963) als Bericht übet die
Edition der \üerke Sades.für die sie auch bestimmt wa;'z Ed. da Cercleds liare
pricieax, t961, t5 Bänder
rt6
Erst in demAugenblick - und diesesParadoxonverdient Aufmerksam-
keit-, wo dasSubjekt sich keinerlei Objekt mehrgegenübersieht,stößt
esauf ein Gesetz,dasvon vornherein schonalssignifikant erscheintund
sich von einer Stimme im Bewußtsein her kundgibt, die, um sich als
Maxime zu artikulieten, einen Bereich schafft, der reine praktische
Vernunft odet Wille ist.
Soll dieseMaxime das Gesetzedassenkönnen, ist es erfordedich und
zugleich hinreichend, wenn sie zur Probe ihret Vernünftigkeit sich in
logischer Hinsicht als universell erweist. Was freilich iure logico nicht
heißt, sie nötige sich damit auch jedermann auf, wohl abet, daß sie für
alle Fälle, oder genauer, daß sie für keinen Fall gilt, wenn nicht für
ieden.
Da aber diesePrüfung vernunftgetecht sein muß, und zwar im Sinne
reiner, wenngleich praktischer Vernunft, kann sie nur im Falle von
Maximen einesTypus gelingen,die sichauf analytischemWegeableiten
lassen.
Exemplifiziert wird dieserTypus an Hand der Vedäßlichkeit, wie siefür
die RückgabeeinesDepositumsr unabdingbarist: hängt doch die Pra-
xis desDepositumsvon beidenOhten ab, die sich, soll derjenige,dem es
anvertraut wird, sich seinerAufgabe würdig zeigen,jedweder Einflü-
sterung verschließen müssen, die diese Vedäßlichkeit anfechten
könnte. Anders gesagt:kein Depositum, wenn nicht det damit Betraute
seinerRolle gewachsenist.
Nun regt sich selbstin diesemevidentenFall womöglich bei manchem
dasBedürfnis nach einet synthetischerenBegründung. Ihr Ungenügen
wollen wir daher am Beispiel einer Maxime illustderen, die, so re-
spektlosdies auch klingen mag, dem Pöre Ubu nachgebildetist: <Es
lebePolen,denn gäb'skein Polen,gäb'sauch keinePolen.>
768 Niemand wolle nun auf Grund einer gewissenSchwerfälligkeit bzw.
Erregbarkeit in Zweifel ziehen,wie sehr wir an einer Fteiheit hängen,
ohne die die Völker in Trauer gehen.Aber ihre analytische,wenngleich
unwiderlegbare Begründung ist doch von der Art, daß sie bei aller
Unfehlbarkeit sichein wenig moderiert, bedenktman, daßdie Polen seit
je, wenn immer sich der Himmel über Polen verfinstette, sich bemer-
kenswert unerschüttedich zeigten, und das selbstnoch in Anbetracht
der Klagen darüber.
3 Vgl. die Änmerkung zum Lehrsatz III des ersten Kapitels det Anafitik dr reinen
praktirchen Vrnanft. Vorländet, S. 3r.
r37
Daran zeigt sich einmal mehr, wieso Kant sein Bedauern darübet
äußert, daß sich det Erfahrung des moralischen Gesetzesals Gegen-
stand der Erscheinung keinedei Anschauung darbietet.
Dieser Gegenstandverbirgt sich, wie wit zugebenmüssen,innethalb
der gesamtenKritik. Allerdings läßt er sich eraten anhand der Spur,
wie Kant siein der unetbittlichen Folgerichtigkeit hintedäßt, mit der er
sich bemüht, diese Verbergung aufzwzeigen,verdankt iht doch das
\7erk jene zweifellos unschuldige, aber spürbareErotik, die, wie wir
zeigenwerden,zuinnerstim S7esendiesesGegenstandesselbstbegrün-
det ist.
Deshalb möchten wir geradean diesemPunkte unsererAusführungen
alle diejenigen unter unseren Lesern, die mangels Lektüre ein noch
jungfräulichesVerhältni s zw Kriti khaben,bitten innezuhalten,um hier
späterwieder anzuknüpfen.Inzwischenmögen siesich überzeugen,ob
siedie l7irkung hat, von der wit sprachen,auf alleFälleversprechenwir
ihnen jene besondereLust, die sich auf diese Leistung hin bei ihnen
einstellenwird.
Die anderenwollen uns nun indie Philoropbie in Botdoir folgen, zumin-
destin die Lektüre.
r lll
irgendeine Schrankemich daran hindern könnte, diesenLustzoll nach
Beliebenzu erpressen.))
So sähe die Regel aus, der man die volontö de tous zu unterwerfen
gedenkt, sofern ihr eine Gesellschaftdurch Zwang Geltung verschafft.
Für jedesvernünftige \Jüesenbestenfallsschwar.zerHumor, um einen
Unterschiedzumachenzwischender Maxime und der Zustimmung, die
ihre Voraussetzungbilden soll.
Nun aberhabenwir außerder Untetscheidungzwischendem Vernünf-
tigen und Vernünftelei - und die Kritik hat uns, wenn in irgend etwas,
so in ebendieserUnterscheidunggeschult-, jenerArt Vernünftelei, die
nichts als eine verirrte Zuflucht zum Pathologischenist, inzwischen
gelernt, daß im Humor die Funktion des <Überich> ins Lager des
Komischen überwechselt.Damit könnte diese psychoanalytischeIn-
stanz, dem Labyrinth von Obskutantismus entrissen,in dem unsere
Zeitgenossenden Begriffverwenden, nicht nur ein wenig an Lebendig-
keit gewinnen, sondern auch die Kantische Prüfung der allgemeinen
Regel um jenesQuentchen Vfitz bereichertwerden, dasihr fehlt.
Sind wir von daher nicht gehalten,um so mehr füt etnst zu nehmen,
was sich uns datbietet, als es so ernst gar nicht ist. \Vir wollen daher,
wie man wohl sieht, nicht danachfragen, ob es vonnöten ist odet ge-
nügt, daßeineGesellschaftein Recht auf Genießensanktioniert, indem
sie jedermannedaubt, sich darauf zu berufen, soll damit ihre Maxime
zum Imperativ des moralischenGesetzeserhoben werden.
Vermag doch keinedei positive Legalität über die Erhebung dreser
Maxime zum Rang einer allgemeinenRegel zu entscheiden,da eben
jener Rang siemöglicherweisein l7iderspruch zu allen anderenRegeln
bringen kann.
Aber so wenig es sich hier darum handelt, die Frage zu entscheiden,
steht in diesem Zusammenhangdie Ausdehnung diesesRechtesauf
jedermannzur Debatte, wie es die Maxime beansprucht.
Bewiesenwäre damit nämlich bestenfallsnur eine Möglichkeit ihrer
Allgemeinheit, nicht aber ihrer universellenGültigkeit, die die Dinge
beuteilt gemäßihrer Begründung und nicht nach ihrem Arrangement.
Bei dieserGelegenheitsei dahernicht versäumt,die Überschätzungder
Rolle anzuprangern,wie man sie gegenwärtig dem Moment der Rezi-
prozität insbesondereim Falle subjektiver Strukturen zuschreibt, die
sich zuinnerst dagegensträuben.
Die Reziprozität, eineumkehrbareBeziehung,die in Form einer einfa-
chen Linie zwei Subjekte miteinander verbindet, die dieseBeziehung
rt9
auf Grund ihrer <reziproken> Position für äquivalent halten, findet,
wenn schonnur mühevoll alslogische Zeit irgendeinerÜberschreitung
des Subiektsin seinerBeziehungzum Signifikanten,so noch mühevol-
ler als Etappe einer Entwicklung zu ihtem Platz, nehme man dieseals
eine psychischean oder nicht (wobei stetsdas Kind dazu herhält, daß
ihm allesMögliche in pädagogischer Absicht andemonsttiertwird).
rWiedem auch sei, bereits an dieser Stelle läßt sich für unsereMaxime
verbuchen,daß sie als Paradigmaeiner Aussagedienen kann, die Rezi-
prozität schlechthinausschließt(Reziprozität,nicht aber die Verpflich-
tung zur Erwiderung).
JedwedesUrteil über die Ordnung desVerruchten, dasunseretMaxime
Geltung venchaffen würde, gleicht sich darin, daß es ihr die Eigen-
schafteiner in Hinsicht auf die Moral als allgemeingültig angenomrne-
nen Regel zugestehtoder bestreitet,seit die Moral mit Kant als unbe-
dingte Praxis der Vernunft gilt.
Man wird ihr diesenTitel schonausdem einfachenGrunde zugestehen
müssen,daßihre bloße Kundgabe (iht Kerygma) zugleich einerseitszu
begründen vermag, daß das Pathologische,iegliche Rücksicht auf ein
Gut, auf eineLeidenschaftbzw. auf Mitleid radikal abzuweisenist - und
Kant legt, indem er sieabweist,dasFeld desmoralischenGesetzesfrei -
andererseits,daß diesesGesetz seine Substanz einzig in seiner Form
findet, da sich der Wille ihr nur dann verpfichtet, wenn er aus seinem
HandelnjedwedenBestimmungsgrund der nicht ausseiner
ausschließt,
Maxime selberfolgt.
Zwar sind uns diesebeiden Imperative, zwischendenensich die mora-
lische Erfahrung bis ntm Zerreißen des Lebens spannenläßt, in der
Form desSadeschenParadoxonsaufedegt, als gälten sie dem Anderen,
nicht uns selbst,
Indes bestehthier nur auf den enten Blick eineKluft, verfäht doch der
moralischeImperativ auf latenteWeisegenauso,da sein Gebot alsvom
Anderen her an uns ergeht. Hiet zeigt sich, wie man sieht, g nzvnver-
hüllt, worauf die am Beispiel der Verwahrungspflicht desDepositums
offenkundige Parodie des Formal-Allgemeinen oben erst hinweisen
sollte, daß nämlich die Bipolarität, auf der das Moralische Gesetzsich
begründet,nichtsweiter ist als jeneSpaltungdesSubfekts,wie sie sich
jedesmal,wenn der Signifikant sich einschaltet,vollzieht: insbeson-
dere zwischendem SubjektdesAussagensund dem Subjektder Aus-
sage.
Das Moralische Gesetz hat kein anderesPrinzip. Das gilt es noch
140
einmal zu verdeutlichen, ohne iener Mystifikation stattzugeben,wie
man siean Hand desGag <Es lebePolen> verspürt.
Geradeweil die SadescheMaxime ausdem Munde desAnderen ergeht,
ist sie aufrichtiger, als wenn sie an die Stimme im Innern appellieren
würde, da sie die für gewöhnlich unterschlageneSpaltungdes Subiekts
demaskiert.
771 Das SubjektdesAussagenslöst sichhier ebensodeutlichab wie in <Es
lebe Polen>, wo sich nut voneinanderscheidet,was mit seinerKund-
gabe stetszugleich Klamauk erregt.
Man möge sich, um es so zu sehen,nur die Doktrin vor Augen halten,
auf die Sadeselbst die Herschaft seinesPrinzips gründet. Es ist die
Doktrin der Menschenrechte.Daß kein MenschdesandetenEigentum
noch jemalsdessenÄpanage sein könne, dürfe et nicht zum Vorwand
nehmen, das Recht aller andeten aufzuheben,um aus ihm nach Belie-
ben Genuß zw ziehen+. Was ihm daher an Zwang widerfährt, ge-
schieht nicht so sehr aus Gewalt heraus,sondern eher in Konsequenz
desPrinzips, bestehtdoch die Schwierigkeit ftir denjenigen,det diesen
Zwang zum Richtspruch macht, nicht so seht darin, jemanden zur
Zustimmung zu bewegen,als vielmehr, diesenSpruch an seiner Stelle
zu fällen.
Den Anderen als frei also, die Freiheit desAnderen macht der Diskurs
vom Recht auf Lustedüllung zum Subjekt seinesAussagens,und zwat
'$7eise,
nicht auf eine die sich vom <Du bist >sunterschiede,wie sieaus
dem mörderischenGrunde einesjeden Imperativs hervorgeht.
Dieser Diskurs wirkt jedoch nichtsdestowenigerbestimmendfür das
Subiektder Aussage,indem er esbei jedemAnruf ausseinemäquivoken
Inhalt heraustreibt:macht doch dasGenießen,dasin seinerRedebereits
sich schamloseinbekennt,sich zum Pol in einem Paar,bei dem der an-
dere sich in der Höhlung befindet, die esjeweils schonam Ort desAn-
deren bohrt, um dort das Kreuz der SadeschenErfahrung zu errich-
ten.
t42
senzugestimmt hätten, sou/iean die Maxime, die mit der'Wiedererste-
hung ihrer Republik für diesezum organischenGesetzgeworden wärc'
Phänomeneder Stimmewie diese,zumaldie der Psychose,habenin der
Tat diesenObiektcharakter,und die Psychoanalyse war in ihren Anfän-
gen nahe daran,die Stimme des Gewissens darauf zu beziehen.
So wird denn ersichtlich, wieso Kant meinen kann, dieses Objekt
entziehesich ieglicher Bestimmung im Rahmen der transzendentalen
Asthetik, obwohl esan einerAusbuchtungdesSchleiersderErscheinun-
gen immer wieder erkennbar wird, ist es doch weder wurzellos noch
zeitlos in der Anschauung, weder irreal in seinem Modus noch wir-
kungslos in seiner Außerung: nicht nur weil Kants Phänomenologie
hier mangelhaftist, sonderndie Stimme,selbstwenn sieverrückt ist, die
Idee eines Subiekts aufddngt und nicht das Obiekt des Gesetzesauf
eine Bösartigkeit des realenGottes muß schließenlassen'
Zweifellos hat das Christentum die Menschen dazu erzogen, wenig
danuf ntachten, wie esmit der Lust auf seitenGottes steht.Daran geht
auch Kants Voluntarismus desGesetzesum desGesetzeswillen achtlos
vorüber, der damit, wie man wohl sagendarf, die stoischeErfahrung an
Ataraxie noch überbietet.
Kant, könnte man denken,steht hier unter demZ:wangevon etwas'was
773 et, allzu nahe,wenn auch nicht von Sade,so doch von ienem Mystiker
in sich vernimmt, im Seufzer,mit dem erstickt wird, was er darüber
hinaus noch füchtig erblickte, als er seinen Gott ohne Gesicht sah:
GrinrnigkeitTSadenennt es: das Höchste'Wesenin der Ordnung des
Bösen.
z A. d. Ü. : Deutsch im Original.
r4t
'Wenn
indessenseinGenießendarin aucherstarrenmag, entgehtesdoch
nicht der Erniedrigung in einem Akt, den er nicht umhin kann, als
ein Geschöpfvon Fleischzu vollziehen, bis ins Mark hinein geknechtet
von der Lust.
Nfeder spiegelt noch erwidert dieseSpaltung die Verdoppelung (war-
um sollte siesienicht ( vergegenseitigen> ?),die sichim Anderen beider
Zuständedes Subjektsvollzogenhat.
Zweifellos würde die Begierde,die dieser Spaltung des Subjektserge-
ben ist, sich damit zufriedengeben,Wi[e zum Genuß zu heißen. Nur
machte dieserName sie des V7illens,an den sie im Anderen sich rich-
tet, nicht würdiger, indem sie ihn bis zum Extrem der Zvtietncht zwi-
schensichund seinemPathosin Versuchungführt; um diesnämlichzu
tun, geht sie, der Ohnmacht nahe, geschlagendavon.
Denn wie sie losgeht, bleibt die Begierdeder Lust unterworfen, deren
Gesetzsie dazu bestimmt, sie in ihrer Absicht immer wieder zu kurz
kommenzu lassen.Homöostase,die sichimmer wiedernur allzuschnell
an der tiefsten Schwelleder Spannungwiederfindet, an der dasLeben-
dige sein Dasein fristet. Ewig verfrüht, der Niederschlagdes Flügels,
kraft dessen es das Siegel der Reproduktion seiner Form zu setzen
vermag.
Ein Flügel gleichwohl, der sichhier zu erhebenhat, um die Verbindung
des Sexusmit dem Tode zu verbildlichen. Lassenwir ihn ruhen unter
einemeleusinischen Schleier.
Die Lust also, dort unten noch in ihrem Wettstreit mit dem Willen ein
Ansporn, ist hier nur mehr ein wankenderKomplice. Selbstin der Zeit
des Genießenswäre sie ganz einfach aus dem Spiel, griffe nicht das
Phantasmaein, um sie durch eben jenen Zwist zu erhalten, dem sie
erliegt.
Anders gesagtmacht das Phantasmadie eigentlicheLust der Begierde 774
aus. Noch einmal sei daher unterstrichen, daß Begierde nicht gleich
Subjektist, da esniemalsdurch einenSignifikantendesAnspruchs,was
immer dieserauchsei,kann bezeichnetwerden, da esdarin nicht artiku-
lierbarist, wenn esauch in ihm artikuliert ist.
So läßt sichhier mit Leichtigkeiterfassen,wiesodie Lust ins Phantasma
greift.
Wic die physiologischeErfahrungzeigt, durchläuftder Schmerzeinen
in jeder Hinsicht längerenZyklus als die Lust, da der Reiz ihn erst in
dem Punkt erregt, wo die Lust endet.ITie langeer freilich auch dauern
mag, hat er doch wie die Lust seinenEndpunkt: die Ohnmacht des
t44
Subjekts. Diese vitale Voraussetzungaber macht sich das Phantasma
zuntttze,um an der empfindlichstenStelleder Sadeschen Erfahrung die
Begierdezu fixieren, die an ihrem Ägenten erscheint.
Definieren läßt sich das Phantasmain der allgemeinstenFotm einer
Algebra, die wir eigens zu diesem Zweck entworfen haben, d.h. die
Formel (S Oa), worin dasPunzzeichenO als <Begietdenach>> zu lesen
ist, eine Formel, die man ebensogutauch von hinten nach vorn lesen
kann, und zsvarmit der Einführung einer ldentität, die auf absoluter
Nicht-Reziprozität beruht. (Eine Relation, die in ihrem Umfang den
Formationen des Subjektsentspricht.)
\üüieesdamit auchbestelltseinmag, im vodiegenden Fall jedenfallsläßt
sich dieseForm besondersleicht vedebendigen,Sie verbindet nämlich
darin die Lust, welcher ein Instrument (Objekt a det Formel) substi-
tuiert wurde, mit der Art Spaltung,die vom Subjektgetragenwird, wie
das Experiment sie anordnet.
Dies ist möglich nur deshalb,weil ihr sichtbarerAgent in der Starredes
Objekts versteinert, und zwar mit dem Ziel, daßseineSubiektspaltung
vom Anderen her im vollen Umfang auf ihn zurückschnellt.
Es handelt sich also um eine vierteilige Struktur, deren es, ausgehend
vom Unbewußten, stetsbedarf, um die Verfassungdes Subjektiven in
seinerKonstruktion zu erfassen.Dem entsprechenunseredidaktischen
Schemata.
Modulieren wir dahernoch einmal dasSadesche Phantasmagemäßdie-
ser Schemata:
S
r46
Reiz.Eher zeigt sich darin die Grimassevon etwas,was wir schonin der
776 Tngödie an Hand der Funktion der Schönheitaufzuzeigenzuchten:die
äußerste Schranke, die den Zutritt zu einem Bezirk fundamentalen
Schreckensversperrt,man denkenur an dieAntigonedesSophoklesund
den Augenblick, in dem dot derEqag äutyatep,d.xau ausbrichtto.
Dieser Exkurs aber wäre hier fehl am Platze, führte er uns nicht zu
einemPhänomen,dasman alsdie Diskordanz der zwei Tode bezeichnen
könnte, die sich aus der Existenz der Verurteilung ergibt. Wesentlich
an dem, was sich zwischen zwei Toden im Diesseitsabspielt, ist, daß
es uns erkennenläßt, daß auf nichts anderemdasJenseitsberuht.
Das zeigt sich deutlich an der Paradoxiein SadesEinstellung zur Hölle.
Die Idee der Hölle, die et woil hundertmal als Mittel der Unterwerfung
unter die religiöse Tyrannei schmäht,ist nämlich auf eigenartigeWeise
in den GesteneinesseinerHelden wieder wirksam, obwohl einesbegei-
stertenVerfechtersdes Subversiven,der Libertinage in ihrer vernunft-
gerechtenForm, wir meinen den greulichen Saint-Fond". Die Prakti-
ken, mittels deren er nämlich seinenOpfern ihre Todespein aufedegt,
beruhen auf dem Glauben, er vermöchte damit für sie im Jenseitsdie
ewige Qual zu erwirken. Geradeweil das Verhalten dieserFigur sich
dem Blick der Komplicen in gewisserWeise verbirgt und ihr Glaube
durch die Scheugeprägt scheint,sich näher über ihn zu äußern,unter-
streicht sie ihre Authentizität. Und ein paar Seitenweiter erblickt man
sie bei dem Versuch, dies Verhalten ein wenig glaubwürdiger ztr ma-
chen,indem sie vom Mythos einer Attraktion redet, die dazu tendiere,
die <Patikel desBösen>zu versammeln.
Dies Moment desInkohärenten bei Sade,dem die Sadisten,auch ihrer-
seits ein wenig hagiographisch,zu wenig Aufmerksamkeit schenken,
würde klarer, höbe man den in SadesSchriften ausdrücklich erwähn-
ten Terminus des zweiten Todes hervor. DessenGewißheit abe4 auf
die Sadegegen die schrecklicheRoutine der Natur (die, wie es an an-
derer Stelleheißt, dutch dasVerbrechendurchkreuzt werden soll) seine
Erwartung setzt, machte es erfordedich, bis zu einer Grenze vofzu-
stoßen,an der der Untergangdes Subjektsdoppelt geschieht:womit
Sadeim \Tunsch symbolisiet, daß die auseinandergerissenen Bestand-
teile unseresKörpers, nuf um zu verhindern, daß sie sich ie wieder ver-
binden, ihrerseits endgültig vernichtet werden.
ro Antigone. v.
78r.
" Vgl. Histoire de Juliette. Ed. Jean-Jacques Pauvert. Bd. 1I, S, r96ff.
r47
'Wenn
Freud indessendie Dynamik dieses'Wunsches12 in bestimmten
Fällen seinerPraxis anerkennt, wobei er dessen
Funktion vielleicht allzu
eindeutig auf eine Analogie zum Lustptinzip rcduziert, indem er es
einem <Todestrieb> (besser: -Ansptuch) zuordnet, wird ihm gerade
nicht zustimmen können, wer selbstin der Technik, die er Freud ver-
dankt, wie in seinenVodesungen, nur hat lernen können, die Sprache
sei allenfalls Hilfsmittel oder Paradeinstrument.Ihm freilich erweist
sich Freud nützlich auf Kongressen.Nun sind zweifellosin den Augen
solch blassetEpigonen die Millionen von Menschen,für die das Lei-
den am Dasein der offenkundigeBeweisfür die Praktiken desHeils ist,
die sie auf ihrem Glauben an Buddha begründen, unterentwickelt. Ja,
esmag ihnen sogarwie etwa Buloz, dem Leiter der Reaae desDesx Mon-
des,det es Renant3ganz unverblümt zu verstehengab, als er, wie Bur-
nouf berichtet, irgendwann in den finfziger Jahren (desvorigen Jahr-
hunderts) dessenArtikel über den Buddhismus zurückwies, <<unmög-
lich> erscheinen,<daßes so dumme Leute gibt>.
Solltensiedenn nicht, wenn siesicheinbilden,ein feineresOhr zu haben
als die anderenPsychiater,je vernommenhaben,wie diesetSchmerzim
ReinzustanddasKlagelied mancherKranker prägt, die man Melancho-
liker nennt? Oder einendieserTräume festgehaltenhaben,derenNach-
witkung den Ttäumer noch lange verstört, weil er in dem Zustand, in
dem er dasGefühl einer unversiegbarenrüTiedergeburt etlebte, auf den
Grund des Schmerzesam Dasein drang?
Oder sollten wir ihnen, um dieseHöllenstrafen, die man sich niemals
jenseitsdessenausmalenkonnte, womit die Menschenhier auf Erden
den gewöhnlichenUnterhalt bestreiten,wieder gebührcndzur Geltung
zu bringen, inständig vot Augen halten, einmal zu bedenken,wie sich
unser täglichesLeben als ewigesDasein ausnimmt?
Nichts, nicht einmal die Verzweiflung, berechtigt zu Hoffnung gegen
eine letzten Endes soziologischeDummheit, die hier nur erwähnt sei,
damit man draußennicht übertdebeneErwartungen an Kreise knüpfe,
in denen man eine gesicherteteErfahrung der Formen des Sadismus
hat.
Das gilt vor allem in Anbettacht der Aquivokation an dem Beispiel
jcner Umkehrbeziehung,wie sie von da aus Verbreitung findet, wo-
nach nämlich der Sadismusan eine ldee des Masochismusgebunden
I' Subiektiver Dynamismus: der physische Tod gibt dem Verlangen nach dem
zwcitcn Tod seinen Gegenstand,
t3 Vgl. das Vorwort Renans zu seinen Nozuelleritudesd'hittoire rdligicue von r884.
r48
sei,von der man sichdraußennur schwedichvorzustellenvermag,was
für ein Durcheinander sich auf ihr aufbaut. Treffender dürfte es wohl
sein,wenn man da die PointejenesbekanntenGeschichtchens über die
Ausbeutungdes Menschendurch den Menschenwiedererkennt:be-
kanntlichdie Definition desKapitalismus.Und der Sozialismusdemzu-
folge? Nun, dasGegenteil.
Sounfreiwillig diesetHumor auchist, ist diesdochderTon, in demeine
bestimmteVersion von Psychoanalyse sich verbreitet.Und er vermag
zra.fasziniercn,weil man ihn gar nicht erst bemerkt.
Und doch ist diesder Ton det Doktrinäre, die sichum einegepflegtere
77s Toilette bemühen.Und dazu trägt man wohl, fein existentialistisch,
Maßanzug,oder ein wenig schlichter,personalistisch, Konfektion. Der
Sadist,so heißt eshier etwa, (negieredie ExistenzdesAndern >. Eben
diesaberging zugegebenermaßen aus unsererAnalysehervor.
Sollte es sich indessenihr zufolge nicht eher so verhalten, daß der
Sadismusdie Qual desDaseinsabweistauf den Anderen,nur daßihm
darüberentgeht,daß er sich auf diese\Weiseseinerseits in ein <ewiges
Ding > verwandelt, sofern uns denn Mr. Whitehead den Gebrauch
diesesTerminus gestattet?
Watum sollte er nicht aber auch für uns Gemeingutsein?Ist es nicht
genau dies, Edösung, Unsterblichkeitdet Seele,was den Stand des
Christenkennzeichnet? Aber nicht zu hastig,sonstwagenauchwir uns
zu weit vor.
Eher solltenwir schonim Auge behalten,daßSadedemTrugbild seines
Phantasmas nicht aufsitzt,in dem Maße,wie nämlichdie Strengeseines
Gedankenseingehtin die Logik seinesLebens.
Schema z
,Z' r49
Damit kann V, demlüTillenzum Genuß,nicht längerbestritten werden,
daß er sich in moralischenZwang verwandelt, wie ihn etwa die Prdsi-
dente de Montreuil erbarmungslosüber das Subjekt ausübt, dessen
Spaltungsich,wie man sieht, nicht auf eineneinzigenLeib beschränken
muß. (Bemerkenswerterweise stempelterstder Erste Konsul dieseSpal-
tung als Geisteskrankheitab, indem er sie administrativ bestätigt.)
ITas sich hier spaltete,vereinigt sich in S, dem rohen Subjekt und
typischen Träget des für das PathologischekennzeichnendenHerois-
mus, der sich etwain der Art von Ergebenheitäußerte,wie sieSadevon
seitenderer bewiesenwurde, die sich, wie seineFrau, seineSchwägerin
- seinDiener, varum nicht? - zunächstseinenExzessenlaaussetzten,
oder auch in Form anderer Beispiele von Devotion, die aus seiner
Geschichtegelöschtsind.
Und was schließlichSadeselbst,das schräggestrichene$, angeht,zeigt
sich, daß er erst, nachdemdie Dinge zu ihrem Abschluß gefundenha-
ben,ihnen im Verschwindenals SubjektseinenStempelaufdrückt. Sade
ist ausder\7elt gegangen,ohne auch nur dasGeringste,und dasist un-
glaublich genug, weniger noch als Shakespeare, von seinemBilde hin-
terlassenzu haben,nachdemer in seinemTestamentverfügt hatte, ein
undurchdringliches Buschwerk solle bis hin zum Schriftzug auf dem
Stein den Namen verdecken,der sein Schicksalbesiegelte.
Mi1göaat's,daßman doch nicht geborenwäre, seinFluch, unheiliger als
der desÖdipus, trägt ihn nicht empor zu den Göttern, sondernverewigt
sich in dem Werk, auf dasmit ededigenderHandgebärdeJules Janin
weist, wie es sich unversinkbarüber Wasserhält, indem er eszugleich
von den Büchern begrüßenläßt, die, glaubte man ihm, wie der heilige
JohannesChrysostomosoder die Pensöes esin jeder ehrwürdigen Biblio-
thek verdecken.
Ja, esist ein Argernis, SadesWerk, hört man Euch, Ihr Herren Justiz-
und Universitätsräte,wie Jahrmarktsdiebemiteinander tuscheln, nur
vermag esimmer noch beidenvon Euch, demeinendurch denanderen,
dem einen und dem anderen, dem einen im anderen die Fassungzu
rauben t6.
I)enn ein Phantasma ist in der Tat verwirrend, da man nicht weiß, wo
'r Man möge nicht glauben, wir schenkten der Legende Glauben, er hätte sich in der
Zcit sciner Gefangenschaft persönlich eingeschaltet. Vgl. Gilbert Ldly, Vie du
Marquis de Sade,Bd. II, S. j77-t8o, sowie die Änmerkung auf der Seite 8o.
rs (lhor desÖdipus, v, rrzj.
l0 NfauriceGargon. L'affüre Sade.
J.-J.Pauvert. t9j7. Bt zitiert Janin nach der
Ito
man eseinordnen soll, weil es, ganzund garPhantasma,nur im Diskurs
wirklich, einfach so da ist und keine Ansprüche an Eure Fähigkcitcn
stellt, Euch hingegen zumutet, daß Ihr Euch mit Euren Begierdenins
Benehmensetzt.
Wolle der Lesersichnunmehr achtungsvolljenenexemplarischenFigu-
ren nähern,die nach einem Jahrmarktsdtusim Sadeschen Boudoir ihre
Verbindungen eingehenund lösen. <Die Stellung wird gelöst!>
ZeremoniellePause,weihevolle Skandietung.
780 Gelegenheit, darin die Gegenständedes Gesetzeszu begrüßen, die
Euch unbekannt bleiben werden, da Ihr unfähig seid,Euch in den Be-
gierden wiederzuerkennen,deren Grund sie sind.
Cut ist's, barnlterTigqusein
Fragt sicbnurr qa wem?
Ein gewisser Herr Verdoux löst das Problem tagtäglich, indem er
Frauenin den Ofen steckt, bis er seinerseitsauf dem elektrischenStuhl
landet. Die Seinigen, meinte er, wünschten angenehmzu leben. Er-
leuchteterals er, bot Buddha sich denjenigenzum Fraße,die den \7eg
nicht kannten. Trotz solch außerordentlicher Gönnerhaftigkeit, die
möglicherweisenur aus einem Mißverständnis resultiert (ist es doch
keineswegssicher, ob die Tigerin Buddha als Fraß überhaupt mag),
liegt auch det Selbsrvedeugnungvon Herrn Verdoux ein Irrtum zu-
grunde, der sich mit einem nicht einmal teuren Quentchen Kritikhätte
vermeiden lassen.Niemand zweifelt datan,daß die Praxisder Vernunft
ökonomischerund gleichzeitiglegalergewesenwäre, hätte er die Seini-
gen den Riemen etvrasenger schnallenlassen.
<Aber wozu, mag man sich fragen, all diese Metaphern und was
soll's...>
Monströs in der Att, wie sie sich hiet zu funkelndem Genuß versam-
meln, lassendieseMoleküle uns plötzlich innewerden,daß esihrer im
Leben noch andere,gewöhnlichere gibt, deren Zweideutigkeiten wir
uns soebenvor Augen führten. Plözlich sind sie es, die uns achtungs-
würdiger erscheinenals jene, weil nämlich reiner in ihren Valenzen.
Begierden.. ., hier allein dabei, sie miteinander zu bündeln, in all ihrer
Überdrehtheit, damit deutlich werde, daß das BegehrendasBegehren
desAnderen ist.
'V?'er
uns bis hierher gefolgt ist, weiß, daß der Begierdeein Phantasma
Reuzede Parir von t874,in seiner Verteidigungsrede, S,851o. Zweite Belegstelle,
S.6z: J.Cocteau als Zeuge schreibt, Sadesei ein Argernis, nicht ohne in ihm den
Philosophen und Sittenprediger anerkannt zu haben.
zugrunde liegt, das einen Fuß zumindest im Anderen hat, geradeden,
auf den es ankommt, auch wenn er, ia vot allem, wenn er hinkt.
Das Objekt, wir habenes an Hand der FreudschenErfahrung gezeigt,
dasObjekt der Begierde,wo es sich nackt darbietet,ist nur die Schlacke
einesPhantasmas,worin dasSubjekt ausseinerOhnmacht nicht wieder
zu sich kommt. Es ist ein Fall von Nekrophilie.
Unä im allgemeinenschwankt dies Objekt entsprechenddem Subjekt.
Geradedamit erweist es sich als ebensounfaßbarwie der Gegenstand
des Gesetzesnach Kant. Nunmehr aber mag der Verdacht hervortre-
ten, wie er sich durch diese Annäherung aufdrängt. Sollte das mora-
lische Gesetz nicht die Begierdein dem Falle repräsentieren,wo nicht
das Subjekt,sonderndasObjekt esist, dasfehlt?
Scheintnicht das Subjekt, allein mit sich als innerer Stimme, ohne daß 7 8 1
doch, was siezumeist sagt,Hand und Fuß hätte, sich hinlänglich durch
den Balken zu bezeichnen,durch den der Signifikant $ es zum Bastard-
zeichenmacht, aus dem Phantasma($ O a) entlassen,von ihm abkünf-
tigtz 1- doppeltenS7ortsinn?
'Wenn,
worüber Kant sich verwundert zeigt, diesesSymbol dem Gebot
von innen weicht, öffnet es uns den Blick ftir eine Begegnung,die, auf
dem \7ege vom Gesetzzur Begierde,ftir beidejeweils weiter reicht als
nur bis zur Unterschlagungihres Gegenstandes.
Es handelt sich um die Begegnung, mit der die Zweideutigkeit des
'Wortes
Freiheit spielt: wobei uns der Moralist, der sie in Beschlag
nehmen möchte, eher scham-als gedankenloserscheint.
Hören wir denn lieber, wie Kant sie selbstein weiteres Mal exemplifi-
ziertts. ( Setzet>, schreibt er, <daß jemand von seinerwollüstigen Nei-
gung vorgibt, sie sei, wenn ihm der beliebte Gegenstand und die
Gelegenheit dazu vorkämen, für ihn ganz unwiderstehlich, ob, wenn
ein Galgen vor dem Hause,da er dieseGelegenheittrifft, aufgerichtet
uräre,um ihn sogleich nach genossenerWollust daran zu knüpfen, er
alsdannnicht seineNeigung bezwingen würde? Man darf nicht lange
raten, was ef antworten würde. Fragt ihn aber,ob, wenn sein Fürst ihm
unter Androhung derselbenunverzögertenTodesstrafezumutete, ein
Ir Die Doppelsinnigkeit des lVortspiels <dont il dörive, dans les deux sens du
terme ) läßt sich im Deutschen kaum mit detselben Bedeutungsnuance wiederge-
ben. Bekanntlich übersetzt Lacan gelegentlich <Trieb> (franz. pulsion) mit <La
d C r i v e >(. Ä . d . Ü . )
tr Es handelt sich um die Änmerkung ntr zweiten Äufgabe zum Lehrsatz III im
crsten Kapitel der Analltik. Edition Vorländer, S. 31.
rJz
falsches Zeugnis wider einen ehdichen Mann, den er gerne untcr
scheinbarenVorwänden verderben möchte, abzulegen,ob er da, so
groß auch seineLiebe zum Leben wohl sein mag, siewohl zu überwin-
den für möglich halte? Ob er estun würde oder nicht, wird er vielleicht
sich nicht getrauenzu versichern; daß esihm aber möglich sei,muß er
ohne Bedenkeneinräumen.Er urteilt also, daß er etwas kann, darum
weil er sichbewußt ist, daßer essoll, und erkenntin sich die Freiheit, die
ihm sonst ohne das moralischeGesetzunbekannt gebliebenwäre.>
Die erste Antwort, die hier ein Subiekt geben soll, bei dem, wie man
zunächsterfthrt, sich vieles nu( in Form von Worten abspielt,legt den
Gedanken nahe, daß man uns deren Wortlaut vorenthält, obwohl es
darauf geradeankäme.Um ihn aufzuschreiben,würde man sich daher
lieber an eineFigur halten, bei der wir indessenGefahr liefen, auf jeden
Fall ihre Schamhaftigkeitzu vedetzen,möchte siedoch keineswegsmit
dieserAngelegenheitin Verbindung gebtacht werden. Iü7irmeinen die
782 Figur jenes idealen Bürgers, von dem, wie Kant an anderer Stelle
erklärt, und zweifellos aus Opposition zu Fontenelle,dem allzu galan-
ten Hundertjähdgen,<seinGeist sichbückenwürde>Ie.
'V7ir
wollen Kants Strolch daher davon entbinden, seine Aussagezu
beeiden. Es wäre indessenmöglich, daß ein Verfechter der Leiden-
schaft, blind genug, in der Frage eine Ehrensachezu sehen,Kant in
Schwierigkeitenbrächte, könnte er ihn doch zu der Feststellungnöti-
gen, daßbestimmteLeute dutch nichts so sicher dazugebr.achtwerden,
sich auf iht Ziel zu stürzen,alswenn essich darum handelt,die Gering-
schätzung,die Verachtung des Galgenszu beweisen.
Denn weder ist der Galgen dasGesetznoch kann er von diesembeför-
dert werden. Den Galgen befördert immer die Polizei, die, wie esnach
Hegel heißt, wohl der Staatsein kann. Das Gesetzaber ist, soviel weiß
man seit Äntigone, etwasanderes.
Dem widerspricht Kant mit seinemLehrbeispiel übrigens nicht: dem
Galgen erteilt er hier nur die Funktion, daß mit dem Subjekt zugleich
seineLiebe zum Leben daran geknüpft werde.
Geradedazuaberkann die Begierdein der Maxime zEt nonpropteraitant
uiuendiperderecautasimFalle einesmoralischen'Wesens werden, und aus
det Tatsacheheraus,daßesmoralischist,zum kategorischenImpetativ
erhoben,auchwenn esmit dem Rücken zurWand steht,Soweitnämlich
wird sie hier getrieben.
Kommen wir denn zum zweiten Punkt von Kants Lehrbeispiel. seine
784 Überzeugungskraftist, gemessen an seinerAbsicht, nicht größer. Ge-
setzt nämlich, sein elenderWicht wäre auch nuf ein klein wenig schlag-
fertig, würde man ihn fragen können, ob es zufälligerweiseseineAuf-
gabesei,die Wahrheit zu sagen,für den Fall, daßmit diesemMittel det
Tyrann sein Vedangen befriedigen könnte.
Sollteer z.B. sagen,der Unschuldigesei ein Jude,wenn er eswirklich
ist, vor einemGericht, das,wie man eseflebt hat, daranAnstoß nimmt -
oder gar, er seiAtheist, für den Fall, daß er selbstsich besserüber die
Tragweite der Anklage im klaren wäre alsein Konsistorium, dasnur auf
eine Prozeßakteaus ist - oder wird er etwa seine Abweichung vom
<geradenvTege> in einem Augenblick als unschuldig hinstellen wol-
len, 'tro die Spielregel Selbstkritik heißt -, und, nun ia, hat ein Un-
schuldiger überhaupt jemals eineganz reine Weste,wird er sagen'was
er weiß?
Man kann die Maxime zur Pflicht erheben,der BegierdedesTyrannen
sei Widerstand zu leisten,sollte der Tyrann es sein, der sich die Macht
anmaßt, sich die BegierdedesÄnderen zu unterwerfen.
rtt
Damit erweistsichauf beidenEbenen(sowiean Hand der schwierigen
Vermittlung), die I(ant zu bewerkstelligensucht, um zu zeigen,das
Gesetzlege nicht nur die Lust, sondernauch den Schmerz,dasGlück
oder aber den Druck des Elends bzw. die Liebe zum Leben, kurzum
alles,was<pathologisch> ist, auf die Waage,daßdie Begierdenicht nur
denselbenErfolg haben, sondern ihn auch mit größerem Recht etlan-
gen kann.
Wenn indessendie Vorgabe, die wir der Kritik auf Grund der Wendig-
keit ihrer Argumentation eintäumten,ein wenig unsererintellektuellen
Neugier entsprang,in Erfahrung zu bringen, worauf sie wohl abzielt,
solltenicht dann dieserImpuls angesichtsder Ambiguität jenesErfol-
gesunsveranlassen, die überaschendenZugeständnisse zu revidieren?
Wie etwa die Ungnade, die sich ein wenig schnell alle Gegenstände
zuzogefl,soweit sie jeweils mit dem Anspruch atfttaten, das Gute zu
sein,weil nämlich unfähig, die Eintracht der N0illenzuwegezu bringen,
da sie statt desseneinfachderen'Wettstreitentfachten.So im Fall von
Mailand, woran Kad V. und Franz L erfuhren, um welchen Preis ein
jeder von ihnen darin dasselbeGut erblickte.
Das hieße doch wohl mißverstehen,was es mit dem Objekt der Be-
gierdeauf sich hat.
Hier können wir esnur streifen,um in Erinnerung zu rufen, was wir an
andererStelleüber das Begehrenlehrten,als wir es als Begehrendes
Anderen definierten,insofern esimmer schonals Begehrennachseinem
Begehrenentspringt.Damit würde die Eintrachtder Begierdenbegreif-
bar, freilich nicht ohne Gefahr. Insofern sich diese nämlich zu einer
Kette gliedern,ähnlichder Prozessionder Blinden bei Breughel,in der 7 8 t
ein jederzwar seineHand in der Hand dessenhat, der vor ihm geht, nur
daß keiner weiß, wohin alle gehen.
Alle machen daher, kehren sie um, die Edahrung einer allgemeinen
Regel,nur wissensie damit nicht weiter.
Sollte die Lösung im Sinneder praktischenVernunft darin bestehen,sie
im Kteise marschierenzu lassen?
Noch da,wo er fehlt, ist der Blick sehrwohl Objekt, dasjederBegierde
ihre universelleRegelpräsentiert,indem er derenUrsachematerialisiert
und die Spaltungzwischen<Mittelpunkt und Absenz> des Subjekts
dadn festmacht.
Erfahrungsgemäßgilt ihr zufolge die Unlust als Vorwand füt die Ver-
drängung der Begierde, insofern sie als Unlust auf dem Wege ihrer
Befriedigung entstünde: zugleich aber als die Form, die dieseBefrie-
digung sogar noch in der Wiederkehr des Verdrängten annimmt.
In ähnlicherWeiseverstärkt die Lust ihre Aversion, dasGesetz^nzruer-
kennen, indem sie den Wunsch, ihm zu gehorchen- der die Abwehr ist
- unterstützt.
'Wenn,
wie die Kritikb sehr klassischdefiniet, die Glückseligkeit des
Subjektsin einer sein ganzesDasein ununterbrochenbegleitendenAn-
nehmlichkeit desLebensbesteht,wird sie sich evidenterweisedemfeni-
.W'eg
gen verweigern, der nicht vom der Begierdeabläßt. Dieser Ver-
zicht kann willentlich geleistetwerden, nut wird er damit erkauft, daß
der Mensch seines7ahrheitpreisgibt, was sich ziemlich deutlich an der
Ablehnung zeigt, auf die die Epikuräer und Stoiker bei den Anhängern
der gewöhnlichen Lebensvotstellungstießen.Ihre Ätaraxie schmälert
ihre \Teisheit. Daß sie die Begierde herabsetzen,ist ihnen nicht als
Verdienst anzurechnen.Denn man erweist dem Gesetznicht dadurch
Gehorsam, daß man es auf einen so hohen Sockel stellt, vielmehr hat
man dasGefiihl, mag man sich dessenbewußt sein oder nicht, eswerde
dadurch eher entwertet.
Sade,der Ci-devant,greift, wo diesfällig wird, auf St.Just zurück. Daß
das Glück zu einem Faktor der Politik geworden sei, ist eine schiefe
Behauptung.Denn daswat esstets,und esführte nur zur Rückkehr von
Zepter und Weihtauchfaß,die sich vorzüglich damit vertragen.Neu ist
vielmehr ein anderet Faktor, die Freiheit zu begehren,und neu nicht
etwa, weil er eineRevolution auslöst,kämpft oder stirbt man doch stets
um einer Begierde willen, sondern weil diese Revolution aus dem
rüTillenentspringt, ihten Kampf um die Freiheit der Begierdezu führen'
785 Darausfolgt zugleichihr \fille, daßdasGesetzfrei sei,so frei, daßsiees
als Witwe braucht, und zwar als Urbild der'S7itwe,die Euren Kopf in
denKorb schickt,sobalder sichnur regt. Hätte St.JustdenPhantasmen
Organts in seinemKopf weiterhitPlatz gewährt, der Thetmidor wäre
vielleicht zu seinemTriumph geworden.
Fände dasRecht auf GenießenAnerkennung, würde esdie Herrschaft
rt7
des Lustprinzips in eine forthin abgelegteEpoche abschieben.Sade
bringt, um esauszusprechen, durch einenfür kaum jemandmerklichen
Bruch dasalteRichtmaßder Ethik ins Spiel:esist nichtsanderesalsder
EgoismusdesGlücks.
Freilich ist auch bei Kant die Erinnerung daran nicht ganzedoschen,
wenn man nur bedenkt, mit welcher Geläufigkeit er auf sie zurück-
kommt, oder mehr noch sich ihre Nachwirkungen, efwa anhand der
Postulatevergegenwärtigt, mit denen er sowohl auf Vergeltung dort
droben wie auf einen Fortschritt hier unten schließt.
Möge sich uns denn ein anderes Glück zeigen, dessenNamen wir
eingangsnannten,und der Statusder Begierdeändert sich, zwingt uns,
ihn noch einmalzu untersuchen.
'S7ohin
Hier aber wird eine Entscheidung füllig. eigentlich führt Sade
uns in der Erfahrung des Genießens oder auch nur seiner Wahr-
heit?
Denn diese Menschenpyramiden,phantastisch,wie sie das Kaskaden-
hafte des Genießensdartun, lüasserspieleder Begietde, deren Anlage
die Gärten der Este in barockem Schwelgenschillern läßt, höher noch
würden sie die Lust gen Himmel schießenlassen,nur um uns in den
Bann der Fnge zu ziehen, was es eigentlich ist, das da hinabsprüht,
UnabsehbareQuanten, deten Atom, Haßliebe,in der Nähe der Sache,
aus der der Mensch mit einem Schrei auftaucht, wie Moitd schillert,
woran sich nach der Übertretung bestimmter Schrankenerweist,daßes
nichts damit zu tun hat, worauf die Begierdeim Phantasmaberuht, das
durch ebenjene Schrankenentsteht.
Über sieist Sade,wie wir wissen,in seinemLebenhinausgegangen.
Und andershätte er uns zweifellos,was sich von seinemPhantasmaim
Werk abzeichnet,nicht mitgeteilt.
Es mag frappieren,wenn wir in Frage stellen,was das S7erkselbstvon
dieserrealenErfahrung vorgeblich übermittelt.
Beschtänkenwit uns aufs Boudoir zwecks einer kurzen Bemerkung
über die Gefühle, die eineTochter für ihre Mutter hegt, kann man wohl
sagen,daßdie Bosheit,die Sadeso treffendin ihrer T ranszendenz erfaßt, 787
uns hier nicht viel Neuesüber die InterferenzendesHerzenslehrt. Ein
'Werk,
dasbösartig seinwill, sollte essich nicht edauben,ein bösartiges
Werk zu sein,und dieserPointe kommt diePbilosoplue allerdingsentge-
gen, stecktin ihr doch ein gut Teil von einem (guten) Werk.
l,)inwenig zu viel Predigtton darin.
r Jtl
Z'weifellosist esein Traktatüber die Erziehung der Mädchen2lund als
'V7enn
solcher den Gesetzeneiner Gattung unterworfen. es auch da-
durch hervorsticht, daß esdas<Anal-Sadistische > offen zutagelegt, das
dies Thema in seinerzwangshaftenBehardichkeit in den beiden Jahr-
hunderten zvvor vernebelt hatte, bleibt es ein Traktat über die Erzie-
hung. So unerträglich der Predigtton für das Opfer ist, so sehr gefällt
sich darin der Lehrer.
'Was
an historischerInformation, oder genauer,an Faktengelehrsamkeit
darinsteckt,ist ziemlich verschwommen.Man vermißt einenLa Mothe
le Vayer. Die Physiologieist ein Konglomerat von Kochrezepten.Und
in puncto sexuellerErziehung glaubt man eins der medizinischenEla-
borate von heute zu dem Thema zu lesen.Das sagt wohl genug.
Mehr Konsequenz in dem Skandal,wie er sich in der Ohnmacht zu
erkennengibt, in der sich gemeinhin die erzieherischeIntention entfal-
tet, selbst die, wogegen hier das Phantasmasich mühevoll richtet:
darauserwächst iedet Bestandsaufnahme dieser Erziehungseffekteein
Hindernis, vermag sich doch, was von dieserAbsicht Resultatgewor-
den ist, nicht offen zu erkennenzu geben.
Dies Moment der SadeschenOhnmacht in ihren löblichen Effekten
hätte von unschätzbarem'Wertsein können. Daß es Sademißriet, gibt
zu denken.
Sein Versagenbestätigt sich durch ein weiteres, das nicht minder be-
merkenswertist: Niemals führt uns dasWerk den Erfolg einet Verfüh-
rung vor, mit der sich das Phantasmaschließlich doch noch krönen
würde: eineVerführung, bei der dasOpfer, und sei'sin seineralledetz-
ten Zuckung, der Absicht seinesPeinigerszustimmenwürde bzw. sich
seinerseitsdurch den Antrieb dieserZustimmung mitreißen ließe.
Damit zeigt sich unter anderemGesichtspunkt,daßdie BegierdeKehr-
seitedesGesetzesist. Am Sadeschen Phantasmawird offenkundig, wie
sieeinanderbedingen.Für Sadestehtman ein für allemalauf einer Seite,
der guten oder der schlechten;datan vermag keine Schmachetwaszu
ändern. So feiert also die Tugend Tdumph: erst durch diesesParado-
xon stellt sich der eigentümlicheHohn deserbaulichenBucheswieder
her, auf den Justineallzu direkt abzielt,wodurch sieihn geradeverfehlt.
788 Abgesehenvon einerwackelndenNase,die sicham Ende desposthum
erschienenenDialogaed'anpr1treet d'un noribondfrndet (man muß schon
sich hier um ein Thema handelt, das wohl kaum noch
lflB.tt, daß es
2I Sade weist in seinem vollständigen Titel ausdtücklich daraufhin.
tJ9
anderen Gnaden als den göttlichen offensteht),verspürt man in dem
Werk bisweilen den Mangel anWitz, allgemeinervielleicht jeneswit,
wie ihn Pope damalsseit fast einem Jahrhundert gefordert hatte.
Dies ist natüdich über dem Einbruch der Pedanterie,die seit rü7odd
War II auf dem französischenSchrifttum lastet,in Vergessenheitgera-
ten.
rWennes denn schon einesgefestigtenHerzensbedarf, um Sadenoch
folgen zu können, wo ef etwa die Vedeumdung preist, und zwar als den
ersten Artikel der Moralität, die er in seiner Republik einführen will,
wünschteman sich doch, er bewiesedarin wenigstensdie Bissigkeit
einesRenan. < Schätzenwit uns glücklich >, schtieb dieser,<daß Jesus
kein Gesetz antraf, das die Verhöhnung einer Klassevon Mitbürgern
unter Strafestellt. Die Pharisäerwären unantastbargewesen2z.> Und et
fährt fort: <Diese höchst subtilen Spötteleien,seine provozierenden
Tollheiten trafen stetsins Schwarze.Jesuswar es, der mit göttlichem
Geschick dies Nessushemdder Lächedichkeitwebte, das der Jude,
Sohn der Pharisäer,seitachtzehnJahrhundertenin Lumpen hinter sich
herschleift. So zeigt es sich als Meisterwerk erhabenstenSpottes,und
seineZüge habensich in Feuerschriftin dasFleischdesHeuchlersund
des Bigotten gesengt.Unvergleichliche, eines Gottessohneswürdige
Znge! So vermag nur ein Gott zu töten. Sokratesund Moliöre kitzeln
nur ein wenig auf der Haut. Er aber dringt mit seinemFeuerund seiner
Ragebis ins Mark.>2r
Wie treffsicher dieseBemerkungen sind, zeigt sich an den bekannten
Folgen, nämlich det Betufung des Apostels in die Reihe der Phadsäer
und dem universellenTriumph der pharisäischenTugenden. Und dar-
aus ließe sich, wie man wird zugeben müssen, ein Argument von
anderemKaliber schnitzenals ausder eher kläglichen Entschuldigung,
mit der Sadesichbei seinerApologie der Verleumdungbescheidet:daß
der rechtschaffeneMensch doch stetsdarüber triumphiere.
Gleichwohl tut dieseBanalitätder düsterenSchönheitkeinenAbbruch,
wie sie ausdiesemMonument von Hohn erstrahlt. In ihr ist die Erfah-
rung bezeugt, die wir hinter dem suchen, was sich zum Phantasma
zusammenspann.Eine tragischeErfahrung, wie sie hiet, ganz Furcht
und Mitleid, unter einemLichtstreif ausdem Jenseitsden Schattenihrer
Situationvor sichhinwirft.
u Vgl. Renan.Vie de
Jösus.r7,Äusg., S. 339,
.r ibid. S. 146.
r6o
tüfitze+die
789 Verblüffung und Verfinstetung, dies ist im Gegens^tza)m
Verbindung, die uns in diesenSzenendurch ihren kohlschwarzenGlanz
faszintett,
DiesesTragischehat in seinerArt erst spätetin diesemJahrhundert in
mehrals einemWerk, im erotischenRoman sowieim religiösenDrama,
konkretere Gestalt angenommen.Wir wütden es das Debil-Tragische
nennen,vrovon man, es sei denn in Pennälerwitzen,bis in unsereTage
hinein nicht wußte, daß es nur um Steinwurfweite von den erhabenen
Formen desTragischenentfernt liegt. Man muß sich, um zu vetstehen,
was wir meinen, nur Claudels,Trilogie des Päre buniliti vor Augen
halten. (Und sollte, um uns recht zu verstehen, wissen, daß wir an
diesem \7erk die Zige der Tragödie in ihret authentischstenForm
nachgewiesenhaben.Melpomene,die mit Klio zusammenbricht,ohne
daßman sähe,welcheder beiden det anderendasGrab schaufelnwird.)
Damit wären wir denn endlich soweit, Sade,meinenNächsten,zubefra-
gen; den Anstoß dazu verdanken wir dem außerordentlichenScharf-
blick PierreKlossowskis'5.
Nun ist eszweifellosder Diskretion diesesAutors zuzuschteiben,daßer
seineFormel hinter einer Anspielung auf St.Labre verbarg. Wir aber
fühlen uns nicht mehr veranlaßt,ihr dieselbeDeckung zu gewähren.
Daß das SadeschePhantasmasich eher den Stützpfeilern der christli-
chenEthik eingliedertalsanderenOrdnungen,läßt sichanhandder von
uns aufgewiesenenStrukturen leicht begreifen.
Sadeaber, und das sollte man darüber nicht vergessen,würde es von
sich weisen,mein Nächstet zu sein,und man sollte ihm, was er von sich
weist, nicht mit gleicher Münze rückzuerstattenversuchen, sondetn
vielmehr den Sinn dieserZurückweisung darin nt erkennen.
Sade stand, wie wir meinen, seiner eigenen Bösartigkeit nicht nahe
genug,als daßer in ihr seinemNächstenhättebegegnenkönnen.Diesen
Z,tgtellt er mit vielen, und insbesonderemit Freud. Dies mag nämlich
daseinzige Motiv sein,aus dem Menschen,bisweilen unter ihnen auch
aufgeklärteGemüter, vor dem christlichen Gebot zurückschrecken.
Bei Sadesehenwir diesenunsererAnsicht nach entscheidendenTest in
t t r6r
seiner Ablehnung der Todesstrafe, deren Geschichte ausreichen
würde zu beweisen,daß sie eins der Korrelate, wenn nicht gar die
Logik der Barmherzigkeitist.
An dieserStelle,an dem Knotenpunkt zwischenBegierdeund Gesetz,
ist Sadealso stehengeblieben.
Sollte etwas in ihm sich doch ans Gesetzgeklammet haben, weil er
darin die Gelegenheit erblickte, von der der Apostel Paulus spricht, 790
über alle Maßen sündig zu sein,wer wollte den Steinnachihm werfen?
'Weiter
aber ist er nicht gegangen.
Nicht nut, weil bei ihm vrie bei einem ieden das Fleisch schwachist,
sondern det Geist zu willig, als daß er sich keiner Täuschunghingäbe.
Die Apologie desVerbrechenstreibt ihn nur auf dem Umweg dazu,sich
zum Gesetzzu bekennen.Im Malefiz wird das Höchste \fesen restau-
riert.
Man höre nur, wie er mit seinetTechnik renommiert, alles,was ihm in
den Kopf kommt, in die Tat umzusetzen,in dem Glauben, er werde,
wenn er an die Stelleder Reuedie Wiederholung setze,dem Gesetzim
Innern ein für allemalein Ende bereiten.Und um uns zu ermutigen,ihm
zu folgen, fällt ihm nichts Besseresein als das Versprechen,daß die
Natur auf ihre magische Ärt, Weib, das sie ist, uns immer weiter
nachgebenwerde.
Man wäre schlecht beraten, in diesen Allmachtstraum Vertrauen zu
setzen.
Er zeigt uns in jedem Falle zur Genüge, daß keine Rede davon sein
kann, Sadehätte, wie Klossowski es sehenmöchte, nicht ohne freilich
zu erkennenzu geben,daß er selbstnicht daranglaubt, ienenGrad von
Apathie erreicht, daßer schließlich<an den Busender Natur zurückge-
kehrt wäre, im \Tachzustand,in unserer))von der Sprachebewohnten
<Weltz6>.
Über das,was Sadehietzu fehlt, habenwir esuns versagt,auch nur ein
rü7ort zu vedieren. Spürt man es nicht aber an det Steigerung der
Pbilosopbie,an der Tatsacheetwa der gebogenenNadel, die den Helden
Bufiuels so viel bedeutet,und die zu guter Letzt herbeizitiert witd, um
bei der Tochter einen aussichtslosenPenisneid zu beheben.
Sei dem wie es sei,so scheintdoch nichts dadurch gewonnen,Diotima
hier durch Dolmancd zv ersetzen,eine Gestalt, die der gewöhnliche
Weg über Gebtihr zu erschreckenscheint, und die, wie Sadesah, die
t6z
gaflze Angelegenheit durch ein Noli tangerematremzum Abschltrll
bringt. Getr.. . und zugenäht"dieMutter bleibt untersagt.Damit bestil-
tigt sich unser Verdikt über SadesFügung unter das Gesetz.
Von einemTraktat, in dem eswirklich um die Begierdeginge, hier nur
wenig, praktisch gat nichts.
Was auf diesem Querweg nach einer Begegnung davon anklingt, ist
allenfallsein vernünftiger Ton.
r63
7 %S U B V E R S I O ND E S S U B J E K T S
UND DIALEKTIK DES BEGEHRENS
IM FREUDSCHEN UNBEWUSSTEN
Dieset Text gibt den Vortrag wiedet, den wir an einem von d,enColloquupbilosopbi-
qaet internationasx iJlber das Thema <Die Dialektik> veranstalteten Kongreß in
Royaumont gehalten haben. Der Kongreß, zu dem uns Jean tVahl eingeladen hatte,
fand vom r9. bis 23.September196ostatt.
Veranlassung zur Veröffentlichung diesesTextes gibt uns sein Datum. Er liegt vor
dern Kongreß von Bonneval, aus welchem der Text hervorging, der aufihn folgt.
Dem Leser soll damit eine Vorstellung vermittelt wetden von dem Vorsprung, den
unsere I-ehre verglichen mit dem, was wir von ihr bekanntmachen können, allemal
hielt.
(Der Graph, den wir im Text wiedergeben, var für unser Seminar über die Bil-
dungen des Unbewußten angefertigt worden. Er entstand speziellzur Struktur des
\i7itzes, von det wir damals zur überraschung des Publikums ausgingen, Das war
im ersten Trimester bzw. im letzten des Jahres r9y7. Eine Zusammenfassungdie-
ses Seminars mit der hiet wiedergegebenen Zeichnung erschien seinerzeit im Bslle-
tin depgcbologie.)
Eine Struktur ist konstitutiv für die Praxis, der man den Namen <Psy-
choanalyse> gibt. Diese Struktur dürfte einem Publikum wie dem hier
anwesenden,das als philosophisch gebildet gelten darf, nicht gleich-
gültig sein.
Die Behauptung,Philosoph zu sein heiße,sich für Dinge zu interessie-
ren, an denenjeder, ohne eszu wissen,interessiertist, ist in der Tat in-
teressant,denn das Besonderean ihr ist, daß sie gilt, auch wenn sie
letztlich nicht entscheidbarist. Entscheidbar wäre sie ja nur, wenn je-
dermann zum Philosophenwürde.
Ich sprechevon ihrer philosophischenGeltung, denn detart ist letzten
Endes das Schema,das uns Hegel in der <Phänomenologiedes Gei-
stesDvon der Geschichtegibt.
Das Problem auf diesenNenner bringen, hat den Vorzug, daß es uns
nun leichterfällt, das Subjekt zu situieren: in einer Beziehung zum
Wissen.
Leichter auch, die Ambiguität einer solchenBeziehung aafntzeigen.
Die gleiche Ambiguität, die die Auswirkungen der Wissenschaftim
zeitgenössischenUniversum manifestieren.
Der Gelehrte, der'Wissenschafttreibt, ist durchaus ebenfallsein Sub-
jekt, er ist alssolchessogarbesondersausgezeichnet in seinerKonstitu-
tion, wassichan demUmstandzeigt,daßdie Wissenschaft nicht soohne
weiteresauf die lü7eltgekommenist (daß ihre Geburt nicht ohne Kom-
plikationen vedief und ihr auch einige Mißerfolge vorausgingen: Ab-
tteibung, oder Frühgeburt).
DiesesSubjektindessen,daswissenmuß, wasestut (wenigstensmöchte
man das meinen), weiß nicht, was in den Auswirkungen der'VTissen-
'Wenigstens
schaft faktisch immer schon jeden angeht. ist dem offen-
sichtlich so im zeitgenössischenlJniversum, in dem folglich ein jeder,
was dieseUnwissenheitanbelangt,mit ihm auf gleicher Höhe steht.
Dies allein ist es wert, daß man von einem Subjekt der'lüTissenschaft
spricht. Dem versucht nun eine Epistemologie gerechtzu werden, die,
könnte man sagen,mehr Prätentionenaufweistals wirkliche Erfolge.
Deswegenalso,damit man dashier lerne, beziehenwir uns in ganz und
gar didaktischerAbsicht auf Hegel, damit zum Zvteckder Ausbildung,
was ia unset Ziel ist, begreifbat wird, was es mit der Frage nach dem
Subjekt auf sich hat, wie sie dutch die Psychoanalysesich auf eine
eigentlich subversiveW'eisestellt.
Zu solchem Vorgehen qualiFziert uns ganz offensichtlich die Erfah-
rung, die wir von dieserPraxis besitzen.Veranlaßt hat uns dazu, wie
r67
unsereSchülerbezeugenkönnen, ein Mangel an Theorie, der noch ver-
doppelt wird durch den Mißbrauch in ihrer'Weitergabe,wobei daseine
wie das andere,nicht ohne Gefahr für die Praxis, hinausläuft auf das
totale Fehlen einer'S7issenschaftlichkeit.Dabei wäre die Frage nach
den Minimalbedingungen einessolchenWissenschafts-Status vielleicht
kein schlechterAusgangspunkt. Er hat sich immerhin als techt weit-
führend erwiesen.
lüfir beziehenuns hier nicht auf das weite Feld, das durch eine gesell-
schaftlicheFragestellungaufgetanwitd. Insbesonderenicht wegen der
Schlußfolgerungen,die wir aus jenen notorischen Abweichungen ha-
ben ziehenmüssen,die in Amerika und England als psychoanalytische
Praxis ausgegebenwefden.
Im folgenden geht es uns um die Definition der Subversion,und wir
möchten uns vor dieserVersammlung, auf deren Rang wir schon hin-
gewiesenhaben,dafür entschuldigen,daßwir in ihrer Gegenwartnicht
mehr zu tun vermögen als sonstwo, daß wir sie nämlich, so wie sie ist,
zum Drehpunkt unsererBeweisführungnehmen.Dabei mag uns dann
die Aufgabe zufallen, den geringen Abstand ihr gegenüberzu techt-
fertigen.
Jedenfallstechne ich mit ihrem \Tohlwollen, wenn ich es für ausge- 79t
macht halte, daß die Bedingungen einer'V7issenschaft nicht im Empi-
rismus liegen können.
In zvreiter Linie stoße ich auf jene Disziplin, die unter wissenschaftli-
chem Etikett bereits als Psychologiefirmiert.
Diese lehnen wit ab. Und zwar genau aus dem Grund, weil, wie wir
zeigenwerden, die Subjekdunktion, die die FreudscheErfahrung her-
ausatbeitet,radikal disqualifiziert,was unter diesemNamen allein eine
akademischeDisziplin verewigt, in welche Form man ihre Prämissen
auch einkleidenmag.
Ihr Kriterium ist die Einheit desSubjekts,und dieseEinheit bestimmt
alle VoraussetzungendiesetArt Psychologie,wobei symptomatischist,
daß sie mit zusehendswachsendemNachdruck thematisiert und her-
ausgehobenwird, als ginge es um die \fiederkeht eines bestimmten
Subjektsdet Etkenntnis oder als müssesich das Psychischeals Ver-
doppelungdesOrganismuszur Geltung bringen.
Man muß sich hier an die Vorstellung halten, in welchet eine ganze
übcrkommeneDenkungsart zum Ausdruck kommt, die nicht ohne
Grund sich um den Begriff des Erkenntnisstandesdreht. Es mag sich
dabci um die verschiedenenStufen des Enthusiasmusbei Platon han-
r68
deln, um die StufendesrarzadbiimBuddhismus odet um das<Edebnis >
beim Genuß halluzinogenerDrogen, es geht einzig und allein darum,
was eine Theorie von alledemauthentifiziert.
Von alledemauthentifiziertin dem Registerdessen,was die Erkenntnis
an Konnatunlität mit sich führt.
Es ist klar, daßdasHegelscheWissenim Logizismus der <Aufhebung )),
auf den es sich gründet, um diese Stufen sich ebensowenigkümmert
wie die moderne STissenschaft, die hier ein Versuchsobjekt sieht, an
dem sie bestimmte Koordinaten definieten kann, aber in keinem Fall
eine Askese,die, sagenwir, epistemogenoder noophor wäre.
Eben deshalbaber ist der Bezug auf sie für uns von Bedeutung.
Wit nehmen an, man weiß über die FreudschePraxis gut genug Be-
scheid,um zu erkennen,daßjene < Stufen> in ihr keinedei Rolle spielen
- man läßt jedoch meistensaußeracht, daß die sogenannteTiefenpsy-
chologie nicht einmal daran denkt, aus ihnen eine Edeuchtung zum
Beispielzu bekommen, und sie nicht einmal als Wegzeichenanerkennt
auf der Bahn, die sie einschlägt.
Dies ist genaudie Bedeutung desAbstands, den Freud den hypnoiden
Zuständengegenüberwahrt und den man keineswegsgenug würdigt.
Der Abstand, der eingehaltenwird auchdann, wenn eslediglich um die
Erklärung der Phänomeneder Hystede geht. Es ist in der Tat überaus
bemerkenswert:Freud zieht hier den Diskurs desHysterikersvor.
796 l y'aswir in unsererBestimmung paranoischerErkenntnis <fruchtbare
Momente > genannt haben,bezieht sich nicht auf Freud.
Nicht wenig Mühe macht es uns, in einem Milieu, das sich mit den
unglaublichstenIllogismen brüstet, deutlich zu machen,was dasheißt:
das Unbewußte zu befragen, so wie wir das tun, das heißt, zu fragen,
bis es eine Antwort gibt, die nicht auf der Ebene der Verzückung
liegt und auch nicht niederschmetterndwäre, sondern eher zu fragen,
bis <essagtwarum>>.
Wenn wir das Subjekt überhaupt irgendwohin fühten, so zu einer
Entzifferung, die im Unbewußten bereitsdie Ärt Logik voraussetzt:in
welcher sich beispielsweiseeine fragende Stimme erkennen läßt oder
das Sichanbahneneiner Ärgumentation.
Die ganzepsychoanalytischeTradition ist aufgeboten,zu z€rgen,daß
die unsere nur dann intervenieren darf, wenn es am rechten Ort ge-
schieht, und daß sie, wenn sie auf jene Logik vorgriffe, nur deren
Verschluß ereichte.
'Worten,
Mit andem eine Psychoanalyse,die sich Freud verpflichtet
r69
weiß, kann sich in keinem Fall als ein Ritual darstellen,das auf eine
archetypischeoder auf eine irgendwie nicht aussprechbareErfahrung
hinführt: An dem Tag, wo jemandan dieserOrdnung etwashörbar
machenwird, das kein Minus wäre, werden alle Grenzen aufgehoben
sein. Davon sind wir aber noch weit entfernt.r
Sovielnur alsAnnäherungan unserSujetSubjekt.Es geht nun darum,
näher an das heranzukommen,was Freud selber in seiner Lehre als
<kopernikanische> \7ende bezeichnet.
Reicht dafür, daß ein Vorrecht vedorengeht, in unseremFall dasVor-
recht, die Erde als Zentntmanzusehen?Die darauffolgendeAbsetzung
des Menschenvon einer analogenStelledurch den Triumph desEvo-
lutionsgedankensweckt in uns das Geftihl, es könnte da um einen Ge-
winn gehen,der sich durch Beständigkeitauszeichnet.
Ist man sich aber so sicher,daß da ein Gewinn ist oder ein wesentlicher
Fortschritt? Gibt es da irgendeine Andeutung, daß die andere\Vahr-
heit, wenn wir die geoffenbartelüTahrheiteinmal so nennen dürfen,
darunter ernsthaft gelitten habe? Meint man nicht, daß der Heliozen-
trismus, der das Zentrum in den Himmel hebt, keineswegsweniger
trügerisch ist, als die Erde an dieser Stellezu sehen,und daß das Fak-
tum der Ekliptik ein zweifellos recht anregendesModell für unsereBe-
ziehung zum Wahren darstellte,bis sie dann ebenfallsan Interessever-
lor, da sie doch nicht mehr darstellte als eine Erde, die nickend ihr
Einverständnisgab?
Jedenfallskann man esDarwin kaum als Verdienst antechnen,daß die
Menschen sich nicht länger für die Creme der Kreatur halten, denn
genaudavon hat er sie ja überzeugt.
Daß der Name des Kopernikus fällt und in der Spracheseine sugge-
stive Wirkung tut, hat verborgenere Quellen; sie rühren an das, was
unsererFeder bereits entfloß als Bezug aufs STahre:jenesAuftauchen
' Nie wird es dem vulgärsten Marktschreier, der mit denPsi-PhänomenenAufmerk-
samkeit erregefl möchte für die Telepathie, d. h. für jene ganz gothische Psycholo-
gic, die ein Myers von den Toten wiedererweckt hat, nie wird der vulgärste
Marktschreier über das Feld hinauskommen, in das ihn Freud von vornherein
cingewiesen hat, als er mit Blick auf die genannten Phänomene ein für allemal
bcstimmt hat, daß man sie im strengen Sinn eigentlich übersetzen müßte in die
lVirkungen, die an den Schnittstellen zeitgenössischerDiskurse entstehen.
l)ie psychoanalytischeTheorie bleibt selbst da noch prüde, wo sie sich prostituiert
(was ia am Bordell ein bekannter Z:ugist). Sie ist eben ehrbar, wie man mit Sarre
sagt : Ir)sist ihr durchaus nicht gleichgültig, auf welcher Seite der Straße sie auf den
Strich geht (Anmerkung von r966).
t70
der Ellipse, der jener Ort gebührt, von dem die sogenanntenhöheren
'WahrheitenihrenNamenhaben.
Die Revolution, die sichnurauf <himm-
lische Revolutionen>>bezieht,ist darum nicht minderen W'erts.
Sich damit aufzuhalten,hat von diesem Moment an nicht länger aus-
schließlichdie BedeutungeinesS7iderrufseiner Dummheit der religiö-
sen Übedieferung, welcher es darüber offensichtlich nicht schlechter
geht, sondern verfolgt dasZiel, die Herrschaft des Wissensenger mit
der Herrschaft der Wahrheit zu verknüpfen.
Denn wenn, wie andereschon zu bedenkengegebenhaben, das Werk
des Kopernikus durchausnicht so kopernikanischist, wie man meint,
dann eben deshalb,weil in ihm die Lehte von det doppelten Wahrheit
immer noch einem S7issenZuflucht bietet, dasbis dahin, wie man sagen
muß, sichmit einer solchenganzoffensichtlichzufriedengegeben hatte.
Damit wären wir an jener Grenze, die spürbar'W'ahrheitund Wissen
scheidet,wobei man doch sagenmuß, daß unsere'STissenschaft, wie es
scheint, in einer ersten Annäherung auf die Lösung, sie zu schließen,
zurückgegriffenhat.
Wenn uns abet die Geschichte der Wissenschaft,bei ihrem Eintritt
in die Welt, noch so lebendig gebliebenist, daß wir wissen,an dieser
Grenzehat sich etwasbe'üregt,so kündigt sich die Psychoanalyseviel-
leicht an als ein neuesErdbeben, das da hochkommt.
Nehmen wir also von dieser Seiteabermalsdie Hilfe in Anspruch, die
uns Hegels Phänomenologiebietet. Sieentwirft eineidealeLösung, die
Lösung eines,wenn man so sagenkann, permanentenRevisionismus,
wo die S7ahrheitkonstant aufgehtin der Funktion, zu verwirren, nichts
anderesdarstellendan sich als das, w'aszur Verwitklichung des STis-
798 sensfehlt. Die von der Scholastikfür prinzipiell gehalteneAntinomie
wird hier als gelöst betrachtet,weil sie imaginät ist. Die Wahrheit ist
nichts anderesals das,wovon zu wissen das Wissen erst lernen kann,
'wennesseinUnwissenwirken läßt. Eine tealeKrise, in der, um unsefe
Kategoden zu verwenden, das Imaginäre sich auflöst, indem es eine
neue symbolischeForm hervorbringt. Diese Dialektik ist konvergent
und läuft hinausauf eineVereinigung, die definiert ist alsabsolutes\7is-
sen.In diesetDeduktion kann sienur die Verbindung desSymbolischen
mit einem Realendarstellen,von dem nichts mehr zu erwartenist. Und
was wäre dies,wenn nicht ein Sublekt, dasvollendet wäre in der Iden-
tität mit sichselbst.'Woraussichentnehmenläßt, daßdiesesSubiektbe-
reits vollkommen da ist und die GrundhypothesediesesganzenPro-
zessesdarstellt. Es ist in der Tat bestimmt als dessenSubstratund
I7I
nennt sich "Selbstbewußtsein',,dasseinerselbstbewußte,all-bewußte
Sein.
Der Himmel wolle, daßdem so sei!Doch die Geschichte der'Wissen-
schaft,wir meinenunserer\Tissenschaft,und zwar seitihrer Geburt -
ihr:eersteGeburt sehenwir in der griechischenMathematik- präsen-
tiert sicheherin LJmwegen,die ganzund garnicht gleichzusetzen sind
mit jenemImmanentismus,und die Theoden - man täuschesich da ja
nicht durch die Übernahmerestringierter Theorie in eine allgemeine-
halten sich durchausnicht an die Dialektik von These, Antithese und
Synthese.
Daß esda übrigens ab und zu knackt, was ziemlich konfus zu hören ist
bei den großen Geistern, denenwir einige grundlegendeAnderungen
in der Physik verdanken,erinnert uns ebenfallsdaran,daßfür diesewie
für die anderen V7issenschaften die Stunde der Wahrheit anderswo
schlägt.
Und warum sollten wir nicht sehen,daß die erstaunlich vorsichtige
Behandlung,die dem psychoanalytischenRummel in der Vfissenschaft
zuteil wird, sich dem Umstand verdankt, daß dieseeine theoretische
Hoffnung anzeigt,die nicht bloß Verwirrung ist?
Wir sprechenwohlgemerkt nicht von jenem außerordentlichenSeiten-
strom, über den die Kategorien einer Psychologiean der Psychoanalyse
wieder zu Kräften kommen wollen, einer Psychologie,die die Psycho-
analyseauf die Zwecke gesellschaftlicherAusbeutung herabdrücken
möchte. Aus den genanntenGründen halten wir dasLos der Psycholo-
gie für unwiderruflich besiegelt
\V'iedem auchsei,esverschafftuns unserdoppelterBezugauf Hegels
absolutesSubjektwie auf das zerstörteSubjekt der'Wissenschaftdie
notwendige Aufklärung, mit deren Hilfe wir Freuds Dramatik in
ihrem wahren Ausmaß formulieren können als Rückkehr der'S7ahr-
heit auf dem Feld der rüfissenschaft
mit ebendem Schritt, mit dem sie
sich auf dem Feld ihrer Praxis behauptet:verdrängt, kehrt sie dort
wieder.
\(er sieht nicht, was dasunglückliche Bewußtsein,das man - so profi-
liert esbei Hegel aucherscheinenmag - ersteinmal nicht andersdenn als
SuspendierungeinesWissensbeschreibenmuß, von dem Unbehagenin
dcr Kultur bei Freud trennt, selbst wenn Freud nur im Hauch eines
gleichsam desavouiertenSatzesuns zu verstehengibt, was sich, liest
man es,nur so wie die Querbeziehungausdrückenläßt (im Englischen
würde mantkey dafür sagen),die dasSubjekt vom Geschlechttrennt!
r72
Nichts also auf unseremSchrägwegzu einer Situierung Freuds könnte
iener richterhaften Astrologie gleichkommen, in welcher der Psycho-
loge bis über den Kopf versinkt. Nichts was sich der Qualität, der In-
tensität verdankt oder irgendwelcher Phänomenologie könnte dem
IdealismuseineBeruhigung sein.Auf dem FreudschenFelde sucht das
Bewußtsein, trotz der Wörter, ebensovergeblich das Unbewußte auf
seineNegation zu gründen (diesUnbewußtestammtvom heiligen Tho-
mas),wie der Affekt unfähig ist, die Rolle desprotopathischenSubjekts
zu übernehmen,handelt es sich doch um ein Amt, das keinen Träger
hat.
Das Unbewußte ist seit Freud eine Signifikantenkette, die irgendwo
(auf einem andern Schauplatz,schreibt er) sich wiederholt, hartnäckig
sich wiederholt und in jenen Einschnitten interferiert, die ihr der tat-
sächlicheDiskurs anbietetund auch die grübelndeReflexion,die dieser
mit Information versieht.
In dieser Formel, die allein unsere,weil sie sowohl dem Text von
Freud wie auchder Erfahrung,die diesererschlossen hat, konform ist,
ist zentral der Begriff des Signifikanten, der aus der antiken Rhetodk
stammt und den die moderneLinguistik wieder zum Leben erweckt hat
in einer Theorie, derenverschiedeneEtappen wir hier nicht nachzeich-
nen können, über die wir aberimmerhin sagenkönnen, daßdie Namen
Ferdinand de Saussureund Roman Jakobson füt ihte Morgenröte
beziehungsweisefür ihren gegenwärtigen Höhepunkt stehen, wobei
wir daran erinnern wollen, daß die Führungswissenschaftdes Struktu-
ralismusihre abendländischenWurzeln in Rußland hat, v/o der Forma-
lismus aufgeblühtwar. Genf r9ro, Petersburgrgzo - dassagt genug,
weshalbFreud diesesInstrument gefehlt hat. Es wird abet durch dieses
Manko der Geschichtenur noch interessanter,daß die dasUnbewußte
regierenden,von Freud als PrimärptozeßbeschriebenenMechanismen
sich genau mit den Funktionen decken, die dieser Schule zufolge be-
stimmend sind für die radikalstenSprachwirkungen,namentlichfür die
Metapher und füt die Metonymie, anders gesagt für die Effekte der
Substitution und der Verbindung des Signifikanten in den Dimensio-
nen, in welchensieim Diskuts auftauchen:in Synchronieund Diachro-
nie.
Ist die Struktur der Spracheim Unbewußten erkannt, stellt sich die
Fragenach ihrem Subjekt.
Methodisch hätten wir die Möglichkeit, auszugehenvon der strikt
linguistischenDefinition desIch als Signifikanten:Nach dieserDefini-
t73
tion wäre das Ich nichts anderesals jener $if*r oder Indikativ, der im
Subjektder AussagedasSubjektbezeichnetals aktual sprechendes.
Das heißt, daß es das Subjekt des Aussagensbezeichnet,aber nicht
bedeutet.Dies erhellt aus dem Umstand, daß in der Aussagejeder
Signifikant des Subjekts des Aussagensfehlen kann, ganz abgesehen
davon, daß esja noch welchegibt, die sich vom Ich unterscheiden,und
zwar nicht bloß die, die man mit einemsehrungenauenAusdruck alsdie
Fälle der erstenPersonSingularbezeichnet,selbstnoch mit Einschluß
der Pluralanredenoder desSicbder Autosuggestion.
'V7ir
glaubendasSubjektdesAussagens erkanntzu habenbeispielsweise
in dem Signifikantenneim Französischen, dasvon den Grammatikern
als expletivesne bezeichnetwird, ein Begriff, in dem bereits jene un-
glaublicheAuffassungzum Ausdruck kommt, der nicht die Dümmsten
anhängen,daßnämlichdie Form diesesexpletivennealsvöllig willkür-
lich zu betrachtensei. Möge das Gewicht, das wir unsererseitsihm
beimessen,bewirken, daß sie ihre Fassungwiederfinden, bevor sich
womöglich herausstellt,daß sie keine Ahnung davon haben (auantqu'il
ne soit audriqa'il n'1 conprennent rien - nehmen Sie hier dasne heraus,
und mein Aussagenvediert den Wert einesAngdffs, weil ich mich dann
im Unpersönlichenvedierc). Maisje craircqu'ilsn'enuiennent ä meltonnir-
ich befürchteabet, daßsiedann über mich herfallenwürden (gleiten Sie
über diesesn'hinweg, und seinNichtvorhandenseinnimmt, indem es
die Befürchtung, die in der Mitteilung meiner Abneigung anklingt, auf
eine ängstlicheVersicherungreduziert,meinem Aussagendie Spitze
und siedeltmich in der Aussagean.
Wenn ich aber sagetue,töte, weil siemir auf den W'eckergehn,wo siedle
ich mich dann an wenn nicht im tu,Du, mit dem ich sie mustere (dontje
hs toise) ?
Nun habenSiesichnicht so! Ich versucheja hier nur um die Ecke herum
an dasheranzukommen,was ich nicht länger mit der überreiztenKarte
der Klinik ausspielenwill.
'Vfer
Eine richtige Antwort zu finden nämlich auf die Frage: spricht?
wenn es um das Subjektdes Unbewußtengeht. Von ihm selbstkann
dieseAntwort ja nicht kommen, weiß es doch nicht, was es sagt, ja
nicht einmal, daß es spricht, was die ganzeE{ahrung der Analyse uns
zeigt,
Daraus folgt, daß der Ort des Unter-sagten (inter-dit), den die Zwi-
schen-rede( intra-dit) eines Zwischen-zwei-Subjektenbildet, eben der
Ort ist, an dem sich die TransparenzdesklassischenSubjektsaufspaltet
r74
und in jenefading-Effekteübergeht, die die Besonderheitdes Freud-
schenSubjektsdamit begründen,daßesdurch einenzunehmendreinc-
8or ren Signifikanten abgedecktwird: Führen uns diese Effekte dann an
jeneGrcnzeheran,wo Versprecherund Witz sichmiteinandervermen-
gen, oder gar, wo die Auslassungeines Worts so voll Anspielung ist,
daß sie die Gegenwart auf ihr Lager zwirrgt, kann man sich nur wun-
dern, daß die Jagd aufs Dasein*'hier nicht mehr Profit herauszuschla-
gen vefstandenhat.
Damit für uns Analytiker die Jagd nicht umsonst ist, müssenwir alles
auf die Funktion des Einschnitts im Diskurs zurückführen, wobei der
stärkste der ist, der einen Strich zieht zwischen Signifikantem und
Signifiziertem.Hier ist dasSubjekt zu überraschen,dasuns interessiert,
denn indem es sich in die Bedeutung verwickelt, ist es im Stand des
Vorbewußten. Das führt zu dem Paradox, daß der Diskurs in der
analytischenSitzung nur Geltung hat, sofern er strauchelt oder sogar
unterbrochen wird. Möglicherweiseist die Sitzung selbstals Bruch in
einem falschenDiskurs zu verstehen,sagenwir: in dem, was der Dis-
kuts realisieft, wenn er sich als Sprechenentleert und nichts anderes
meht ist als iene abgegriffeneMünze, die, nach einem Bild von Mal-
larm6, <stillschweigend> von Hand zu Hand geht.
Dieset Einschnitt der signifikanten Kette allein veißziert die Struktur
des Subjektsals Diskontinuität im Realen.Wenn die Linguistik den Si-
gnifikanten darstellt als das, was das Signifikat mit Bestimmtheit vet-
sieht, so offenbart die Analyse erst die Wahrheit dieser Beziehung,
wenn sieausden Löchern desSinnsdie DeterminantenihresDiskurses
macht.
Auf diesem$7egdann setztsichder Imperativ durch, den Freud in der
ganzenlü(ürdevorsokratischerGnomik formuliert hat: "\7o Es war,
soll Ich werden,',was wir bereitsmehr alseinmal kommentierthaben
und sofort andersverstehenlassenwollen.
Indem wir uns mit einem Schritt in seinerGrammatik begnügen: \7o
'War
Es war... was heißt das? es nur das,was einmal gewesenist (im
Aorist), wie sollte ich dann dorthin kommen, um mich werdefl zu
lassen,indem ich es jetzt aussage?
Das Französischesagtabet I) oi c'dtait.. . nutzenwir denVorteil, den es
uns mit diesemdistinkten Imperfekt bietet. Da, wo Es im Augenblick
noch waf, wo Es gerade noch war, zwischen diesem Edöschen, das
17J
noch nachleuchtet,und jenem Aufgehen, das noch zögett, kann Ich
zum Seinkommen,indem ich ausmeinerAussageverschwinde.
Ein Aussagen,das sich anzeigt, eine Aussage, ein Ausgesagtes,das
sich vedeugnet, ein Nichtwissen, das sich zerstreut, eine Gelegenheit,
die vodbergeht - was bleibt hier wenn nicht die Spur von etwas, das
wohl sein muß, wenn es aus dem Seinfallen soll!
Ein Traum, von dem Freud in seinemAufsatz <Formulierungen über
die zwei Prinzipien despsychischenGeschehens> berichtet, liefert uns,
verbunden mit dem Pathos,dasdie Gestalt einesverstorbenen,hier als
Geist auftretendenVaters auszeichnet,den Satz:Er wußte nicht, daßer
tot wat3.
\flir habendamit schoneinmal die Beziehungdes Subjektszum Signifi-
kantenillustriert: anhandeinesAussagens,dasin seinemSflesenerzit-
tert durch das,wasvon seineteigenenAussage,demAusgesagten auf es
zurückwirkt.
'S7enn
die Figur nur dadurchfortbesteht, daßman ihr die Wahrheit, die
sienicht weiß, nicht sagt,wie verhält essich dann mit demlch, von dem
diesesFortbestehenabhängt?
Es wußte nicht... Schon eher wußte es, ah!, daß dies nie eintreten
möge. Eher als eswüßte, daß Ich sterbe. Ja, genauso komme Ich hin,
dorthin, wo Es war: Wer wußte denn, daß Ich tot war!
Sein von Nicht-Seiendem,so kommt Ich als Subiekt herauf, das sich
vereinigt mit der doppeltenAporie eineswahrhaftenFortbestehens,das
sich durch seinWissenliquidiert, und einesDiskurses,in dem der Tod
die Existenz aufrechterhält.
Sollen wir nun diesesSein ausbalancierenmit dem, das Hegel als Sub-
jekt konzipiert,wobei diesesSubjektebendasist, was den Diskurs des
absolutenN7issensüber die Geschichtehält? Man entsinnt sich der
Bemerkung Hegels,er habe hier die Versuchungdes Wahnsinnsge-
spürt. Führt denn unser Weg nicht darüber hinaus, wenn er bis zu der
Wahrheit vorstößt, daß jenerDiskurs ganzund gar eitel ist?
Es geht uns hiet nicht um unsere Lehre über den Wahnsinn. Die
eschatologischeAbschweifung hat nur den Zweck, die Kluft deutlich
werden zu lassen,die zwischender Freudschenund der Hegelschen
Auffassungdet Beziehungdes Subjektszum $Tissenbesteht.
Auch zu zeigen,daß es dafür keine besserenFundamentegibt als die
Weisen,nach denensichhier die Dialektik desBegehrensabhebt.
tt6
Denn eben der Begierde* ist bei Hegel die Last ienes Minimums an
Bindung überantwortet, die das Subjekt bezüglich der antiken \üTisscn-
schaftbewahrenmuß, damit die Wahrheit der Verwirklichung desWis-
senseinwohne. Nichts anderesbedeutetdie List det Vernunft, als daß
das Subjekt von Anfang bis Ende weiß, was es will.
An diesemPunkt erschließtFreud der Beweglichkeit,ausder die Revo-
lutionen hervorgehen,neu die Verbindung von Wahrheit und Vfissen.
Darin, daß dasBegehrensich hier an dasBegehrendesAndern knüpft,
und zwar so, daß in dieserVerknüpfung die Vißbegierde liegt.
8o3 Dabei hat der Biologismus Freudsnichts zu tun mit jener predigthaften
Niederträchtigkeit, die Ihnen wie Dampfwolken aus der psychoanaly-
tischen Oftzin entgegenschlägt.
Den Todestrieb, den man an diesen Orten für verabscheuenswürdig
hält, mußten wir in Ihnen lebendig werden lassen,damit Sie den Te-
nor der Biologie von Freud mitkriegen. Wer nämlich den Todestrieb
aus seinerLehre wegläßt, verkennt diesetotal.
Sie können ietzt von dem Zugang aus, den wir für Sie erschlossen
haben,in dem Bild von der Rückkehrin den Zustandder Leblosigkeit,
mit welcher Freud iedenlebendenKörper affiziert,iene Spannejenseits
des Lebens erkennen, die die Sprache dem Sein galo:ntiertaus der
Tatsacheheraus, daß es spricht. Es ist die Spanne,in der diesesSein
nicht allein dasin Signifikantenpositionbringt, rvasan seinemKörper,
weil esaustauschbarist, sich dazuanbietet,sonderngeradeden Körper
selbst.Damit ist klar, daß die BeziehungdesObjekts zum Körper sich
dutchausnicht als solcheeiner partiellen Identifikation definierenläßt,
die darin totalisiert werden soll, sondern vielmehr ist diesesObiekt
geradeder Prototyp der SignifikanzdesKörpers alsEinsatzdesSeins.
'$7ir
greifen hier den Fehdehandschuhauf, den man uns hingeworfen
hat, als man Freuds <Trieb > mit dem Wo ft instittctübersetzte: englisch
driue wäre als Übersetzvng ganzgut, ist aber nicht gebräuchlich,und
so bleibt uns als letzte Ausfucht im Französischendas \Xlort diriue+,
falls es uns nicht gelingt, demWortbastardpalsiondoch noch eine Stelle
zuzuweisen,von der aus er eine durchschlagende \Tirkung ausüben
könnte.
Von daher behauptenwir mit Nachdruck, daß, ob nun auf biologische
Beobachtunggegründetoder nicht, der Instinkt unter allen Erkennt-
nisweisen,die die Natur dem Lebewesenzu Zweckender Bedürfnisbe-
s Gemeint ist der Freund, der uns zu diesem Kolloquium einlud, nachdem er ein
paat Monate vorher aus seiner persönlichen Ontologie heraus seineBedenken gegen
die <Psychoanalytiker> veröffentlicht hatte, die seiner Meinung nach zu sehr an
rr8
Denn weit davon entfernt, einer logizistischenReduktion das Feld zu
räumen,wo esums Begehrengeht, finden wir in dem Umstand, daßdas
Begehrennicht auf den Anspruch zu reduzierenist, den Grund auchfür
die Unmöglichkeit, in ihm lediglich das Bedürfnis zu erkennen.Ellip-
tisch ausgedrückt:Artikuliert ist das Begehren,geradeweil es nicht
artikulierbar ist. Gemeint ist: in dem ihm gemäßenethischenDiskurs,
nicht in einem psychologischen.
Dataus folgt nun, daß wir hier vor Ihnen die Topologie, die wir in
diesemletztenLustrum für unsereLehre ausgearbeitethaben,ein gutes
Stück weiter vorantreiben müssen,d. h. wir wollen einen bestimmten
Graphen einführen, über den wir zum vornherein sagenmüssen,daß
die folgende Anwendung nur eine unter andern darstellt, da wir ihn
vor aller Augen entworfen und hergerichtet haben mit dem Ziel, in
8o5 seinemAufbau die im weitestenSinnepraktische Struktur unsererEt-
fahrungsdatenzu definieren.Er wird uns hier eine Vorstellung davon
verschaffen,wo das Begehrensich situieren läßt in bezug auf ein Sub-
jekt, dasdefiniert ist durch seineArtikulation durch dasSignifikante.
Dies alsodie ElementarzelledesVorgangs, wie man sagenkönnte (vgl.
Graph r). Hier artikuliert sich der von uns so genannteSteppunkt,
Graph r
Hegel orientiert sind - als ob einer außer uns dazu die geringste Veranlassung
geboten hätte in dieset Gesellschaft.
Dies in einem Impromptu auf Seiten seinesJoutnals, die in den Wind (des Zufalls
sicher) geworfen waren, der sie ihm entrissen hatte.
Vir haben ihm in dieser Angelegenheit vorgehalten, daß wir, wenn er seineOntolo-
gie mit ienen unterhaltenden tVorten, mit welchen er sie in vertraulichen l\{itteilun-
gen ausstafFert, hier hereinzieht, daß, wenn er das macht, wit also sein Vorgehen
,<nicht unbedingt, aber doch vielleicht > als einesansehen,das die Geister verwitren
kann.
r79
durch den der Signifikant das Gleiten der Bedeutung, das sonst unbe-
gtenzt wdre, anhält. Die signifikante Kette ist ausgedrücktdurch den
Vektor S.S'.Ohne auf die Feinheiteinzugehen,daßsiein rückläufigem
Sinnezweimaldutch denVektor A.S durchschnittenwird, sehemanin
diesemletztefen nur den Fisch, den der efste an den Haken nimmt. Er
eignet sich weniget dazu, darzustellen, was er in seinem lebhaften
Dahinschwimmen demZugriff entzieht, als vielmehr die Intention, die
ihn im Strom desvorgegebenenTextes6ertränkenmöchte,dasheißt die
Realität,die im ethologischenSchemader Wiederkehr desBedürfnisses
darstellbarist.
Was nun den genanntenSteppunkt angeht, interessiertseinediachro-
nischeFunktion im Satz,insofern nämlich der SatzseineBedeutungerst
mit seinemletzten Term fixiert, wobei ein leder Term in der Konstruk-
tion der übrigen antizipiert wird und umgekehrt deren Sinn dadurch,
daß er auf sie zurückwirkt, besiegelt.
Versteckterist die synchronischeStruktur, sie bringt uns an den Ur-
sprung.Mit der Metapher,insofernsichin ihr jeneersteAttribuierung
konstituiert, die aussagt:"Der Hund machtmiau, die Katzewauwau>,
erhöht das Kind mit einemStreich,dasDing von seinemSchreitren-
nend, dasZeichenzur Funktion desSignifikantenund die Realitätzur
Sophistereider Signifikationund erschließt,sichüber die \üahrschein-
lichkeit hinwegsetzend,den ganzenReichtum aller verifizierbaren
Objektivationen ein und derselbenSache.
Erfordert nun dieseMöglichkeit die Topologie desKinderspiels <Reise
nach Jerusalem>7? Das ist so eineFrage,die nach nichts aussieht,die
cinem aber ganz schön zu schaffen machen kann, soll von ihr die
folgende Konstruktion abhängen.
Wir ersparen Ihnen die einzelnen Etappen und geben Ihnen gleich
schon die Funktion der zwei Kreuzungspunkte in diesemersten Gra-
phen. Der eine mit der BezeichnungA bildet den Hot des Signifi-
kanten, was nicht heißt: den Ort desKodes, denn esgeht hier nicht um
die univoke EntsprechungvonZeichen und Sache,sonderndarum, daß
sich das Signifikante allein konstituiert in einer synchronischenund
abzählbarenAnsammlung von einzelnen Gliedern, deren jedes nur
durch seineprinzipielle Opposition zu allenandernvon Bestandist. Der
r8o
zweitemit der Bezeichnungs(A) stehtfür das,wasman die Interpunk-
tion nennenkönnte, in der sich die Bedeutungals endlichesProdukt
konstituiert.
Halten wir die Dissymmetde der beiden Punkte fest: Der erste stellt
einen Ort dar (ehereine Stelleals einen Raum), der zweite ein Moment
(ehet eine Skandierungals eine Dauer).
Beidepartizipierenan demAngebot für den Signifikanten,dasdasLoch
im Realenbildet, der einealsHehlerversteck,der andrealsBohdoch für
den Äusgang.
Die auf der Bahn von r(A) zu A und von Ä zurück zu r(A) stattfindende
Unterwerfung des Subjekts unter den Signifikanten bildet eigentlich
einenKreis, weil nämlich die Assertion,die so entsteht,die aufnichts als
aufihre eigeneSkandierunghinausläuft- andersgesagt:bei der ein Akt
fehlt, in dem sie sich ihrer selbstvergewissernkönnte -, allein auf ihte
eigeneAntizipation in der Komposition desSignifikantenverweist, die
in sich insignifikant ist.
Soll die Quadratut diesesKreisesmöglich werden, ist nut die Vollstän-
digkeit der in A installierten signifikantenBatterieerfordetlich, die von
da an den Ort des Anderen symbolisiert. Daran sieht man, daß dieser
Andere nichts anderesist als dasreine Subjekt der modernen Spieltheo-
rie und als solchesvoll und g nz vom Konjekturkalkül erfaßbar,vor-
ausgesetztdaß dasteale Subjekt, um seineAngelegenheitenzu regeln,
keiner wie man gewöhnlich sagt: subfektiven, d.h. psychologischen
Abirrung Rechnung tragen muß und dafür allein einer Kombinatorik
folgt, deren Äusschöpfung möglich ist.
Gleichwohl ist diese Quadratur unmöglich, jedoch allein aus dem
Grund, daß das Subjekt, um sich konstituieten zu können, sich ihr
8o7 entziehenund an ihre Vollständigkeit entscheidendrühren muß, muß es
doch gleichzeitig sich einerseitsdazurechnenund andererseitsals Man-
gel fungieren.
Das Andere alsvorgegebenerSitz desreinen SubjektsdesSignifikanten
hält dabei die Position des Herrn, auch schon bevor es, um mit und
gegenHegel zu teden, als absoluterHett zut Existenz kommt. Denn -
und das fehlt in den Plattitüden der modernen Informationstheorie -
von Kode kann man eigentlicherst sprechen,wenn essichum den Kode
desAndern handelt. Um etwasdurchausanderesgeht esbei der Mittei-
lung, denn von ihr her konstituiert sich das Subjekt, wonach also das
Subfekt noch vom Andern her die Mitteilung empfängt, die esaussen-
det. Also sind die BezeichnungenA und r(A) gerechtfertigt.
r8r
Kodemitteilungen und Mitteilungskodes unterscheidensich in terner
Form im Subjektder Psychose, dem Subjekt,dasalleinauf jenesvorge-
gebeneAndere angewiesenist.
Wir wollen in Klammern die Bemerkung hinzufügen, daß diesesAn-
dere,dasals Ort desSprechensunterschiedenist, sich ebensoals Zeuge
der Nfahrheit bemerkbar macht. Würde durch es nicht eine besondere
Dimension aufgetan,würden sich die Täuschungender Sprachenicht
von der Finte unterscheiden,die im Kampf oder beim geschlechtlichen
Imponierverhalten ihretseits etwaseigenesdarstellt. Sichinnerhalb der
imaginärenVerhaftung entfaltend,gehört die Finte g nzzlrjenem Spiel
aus Annäherung und Entfernen, das den Uftanz bildet, in welchem
diesezwei vitalen Situationen sich ausformenund wo die Partner, die
hier eineOrdnung eingehen,finden, waswir, etwasgewagt,ihte <<Tanz-
heit >8nennenwollen. DiesselbeFähigkeit zeigt dasTier, dasin die Enge
getriebenist; esgelingt ihm, einenVerfolget von seinerSpur abzubrin-
gen, indem eszunächsteine Spur anlegt, die täuschensoll. Dies kann so
weit gehen,daß man meinen kann, dasTier vermöchte seinerseitseiner
Schaujagdeinen Reiz abzugewinnen.Ein Tier ist jedoch außerstande,
vofzutäuschen,daß es vortäuscht. Es legt keine Spur an, deren Täu-
schungdarin bestehenwürde, daß sie sich für die falscheausgibt und in
rVirklichkeit die richtige ist, dasheißt die richtige Fährte anzeigt.Auch
löscht esseineSpurennicht, wasnämlich für esbereitsbedeutenwürde,
daß es sich zum Subiekt des Signifikanten macht.
Dies alleswurde nur sehrunscharfformuliert von Philosophen,die hier
immerhin alsprofessionellgelten dürfen. Klar ist jedoch, daßdasSpre-
chen erst beginnt mit dem Übergang von der Finte zur Ordnung des
Signifikanten und daßder Signifikant einen andern Ort erfordert - den
Ort des Andern, des Andetn als Zeugen, der Zeuge Anders als jedet
der Partner sein könnte -, damit das Sprechen,das er stützt, lügen
kann, dasheißt sich als tü(ahrheitsetzen.
So ist also die Süahrheit von andetswo her ganntieft als von der
Realität, die sie betrifft: aus dem Sprechen.Aus diesemauch trägt sie
das Merkmal davon, dassie in einer Fiktionsstruktur ansiedelt.
Der erste Spruch dektetiert, gibt Gesetze,aphorisiert,ist Orakel, er
verleiht dem realenandern seineobskure Autorität.
Nehmen Sienur einenSignifikantenzumZeichensolcherAllmacht, was
rllz
bedeutet: dieserganz und gar potentiellen Machtc, dieser Geburt der
Möglichkeit, und Sie haben den einzigen Ztg, der, indem er das un-
sichtbare Merkmal zuschüttet, das das Subfekt vom Signifikanten
davonträgt, eben diesesSubiekt entfremdet in der Primäridentifizie-
rung, die das Ichideal bildet.
Niedergeschriebenist dies in der Notierung I(A), die wir in diesem
Stadium dem d, dem von dem rückläufigen Vektor durchstrichenenS,
substituieren und das wir dabei von seiner Spitze zu seinem Anfang
verschiebenmüssen.$rgl. Graph z.)
Ein Umkehrungseffekt, dutch den das Subiekt auf jeder Stufe zu dem
witd, was es wie von votnherein schon war, und sich allein im Futu-
fum exactum - es v/ifd gewesensein - kundgibt.
Hier schleicht sich die Ambivalenz einesVerkennens (näeornaltre)ein,
das dem Sich-Kennen (me conruitre.)wesentlich ist. Denn das Subjekt
kann sich in dieserRückschauallein einesBildes vergewissern,im Mo-
ment, wo es ihm gegenübersteht:des antizipierten Bildes, das es sich
von sich selber macht in seinemSpiegel.VTir lassenhier die Funktion
unseres< Spiegelstadiums> auf sich beruhen,esbildet den erstenstrate-
gischen Punkt, von dem aus wir unsere Einwände geltend gemacht
habengegenden Votzug, den das angeblichautonome fchinder Theode
genießt. Der Widersinn einer Stärkung diesesIch wurde akademisch
restauriertin einer Kur, die fortan nur noch Anpassungserfolgezeitigen
sollte: Solche geistige Kapitulation hing wohl mit dem Altern der
c A.d.Ü.: pottr intigne de celle toule-pdttancc, cc qui aeat dire de ce ponoir toüe en ptit-
r8,
Gruppe in der Diaspora des Kriegs zusammen,in ihr sah sich eine
außergewöhnlichePraxis reduziert auf ein Label, dasman der Ausbeu- 8o9
tung des Americanwa-yof ltfe 'o aufdrücken konnte.
tü7iedem auch sei,das Subjekt findet in diesemverfälschtenBild seines
I(örpers dasParadigmafür alldie Formen von Ahnlichkeit, die nun auf
alle Objekte einenHauch von Feindseligkeitübertr gen,weil sieauf sie
die Verwandlung des narzil3tischenBilds projizieren, das ausgehend
von dem Jubel, der seineBegegnungim Spiegelbegleitet,im Zusam-
menstoß mit seinesgleichenzum Sammelbeckenfür die allerintimste
Aggressivität wird.
DiesesBild, dasIdealich,fixiert sichvon demPunkt aus,wo dasSublekt
als Ichideal stehenbleibt.Nun ist das Ich Herrschaftsfunktion, Prunk-
gebärde,festverankerteRivalität. In der Verhaftung, der esvon seiner
imaginärenNatur her untediegt, maskiert es sein Doppelwesen,die
Tatsachenämlich, daß das Bewußtsein,worin es sich einer unleugba-
ren Existenz vergewissert(ein naiver Schluß,den die Meditation eines
Fönelon ausbreitet),ihm in keiner lfeise immanent ist, sehr wohl aber
transzendent,denn seineganzeStützeist der einzigeZug desIchideals
(was dasCartesianischeCogito nicht verkennt) ". Dadurch wird selbst
das transzendentaleEgo relativiert, da es ja mit einbegriffenist in der
Verkennung, in der sich die Identifikationen des Ich herstellen.
Dieser imaginäte Prozeß,der vom Spiegelbildhin zur Konstituierung
des Ich auf dem \7ege der Subjektivierung durch den Signifikanten
verläuft, ist in unseremGraphen bezeichnetdurch den Vektor i(a) .n'
der einbahnig verläuft, aber doppelt artikuliert ist, ein erstesMal kurz-
schlüssigüb; g{ö, ein zweitesMal wiederkehrendtiber r-@7. Dat-
auserhellt, daß dasIch nur dadurch zu einem Abschluß kommt, daß es
nicht alslch (Je) desDiskursesartikuliert wird, sondernals Metonymie
seinerBedeutung(Damourette und Pichon habendafür den Begriffder
stoffiichenPetson, die sie der subtilen entgegensetzen, die nichts ande-
res darstellt als die Funktion, die wir weiter oben als sbifterbezeichnet
haben).
Daß dasBewußtseinin det historischenNachfolge deskartesianischen
Cogitoalswesentlichfür das Subjekt dargestelltwutde, betont in unse-
ren Augen auf tdgerische Weise die Transparenzdes lch (Je) in actu
'o lVir lassen diesen Absatz nur stehen als Gedenkstein eines Kampfes, der längst
überholt ist (Änmerkung von r96z: \ü7ohatten wir da nur unseren Kopf!).
' Die hier eingefügten Klammern notieren spätere Ausführungen zur Identifika-
tion (r962).
r84
auf Kosten der opaken Qualität desSignifikanten,der esbestimmt, und
das Gleiten, wodurch dasBewußtsein* die Konfusion des Selbst* zu-
8r o decken soll, zeigt getadein der <<
PhänomenologiedesGeistes>, an He-
gels Rigorismus, den Grund für seinenIrrtum auf.
Noch die Bewegung,die dasPhänomendesGeistesausder Achse hebt
hin auf die imaginäreBeziehungzum andern (zum andern,dasheißt zu
seinesgleichen,mit klein a zu bezeichnen)bringt dessenWirkung an
den Tag: nämlich die Aggressivität, die zum Balken der'Waagewird,
um die hetum sichdasGleichgewichtzwischenGleichenauflöstin jener
Beziehungvon Herr und Knecht, die voller List steckt, und durch die
die Vernunft sich Bahn bricht für ihre unpersönlicheHerrschaft.
Iüfleilwir sieenthüllt habenwie nie zuvor, können wir zeigen,was diese
Knechtschaft verbirgt, die der Freiheit den ITeg bahnt, Mythos viel
eher als tatsächlicheGenese.
Der Kampf, der die Knechtschaft instauriert, ist, wie man mit Recht
sagt, ein Kampf um die reine Geltung, und der Einsatz - es geht dabei
ums Leben- entspricht der Gefahr, die in der generischenVorzeitigkeit
der Geburt liegt, die Hegel nicht erkannt hat, die wir aber zur
dynamischenTriebfeder des Verhaftetseinsim Spiegelbildgemacht
haben.
Der Tod aber, der hier auch als Einsatz fungiert - wobei es um eine
aufrichtigere Wette geht als die Pascals,obschonesauchhier nicht ohne
Pokernabgeht,istdoch dem ÜberbieteneineGrenzegesetzt-,derTod
nun zeigt auf den selbenSchlag,daßEinschränkungenzu machensind,
sowohl was eine Eingangsregelals auch was ein abschließendes Regle-
ment betrifft. Denn schließlichdarf der Besiegte,soll er Sklavewerden,
nicht draufgehn. Mit anderen Worten, der Pakt geht allenthalbender
Gewalt voraus, die er dann verewigt, und das von uns so genannte
Symbolischebeherrscht das Imaginäre, woraus folgt, daß man sich
fragen kann, ob der Mord tatsächlichder absoluteHerr ist.
Es genügt nämlich nicht, daß man hier nur nach dem Endeffekt urteilt:
dem Tod. Wissenmuß man auch noch, welcher Tod'r: der, den das
Leben in sich rägt, oder der, der diesesselbstträgt.
Ohne der HegelschenDialektik Abbruch zu tun durch die Feststellung
einesMangels(die ja seiteiniger Zeit schongetroffenwurde in Hinblick
t2 STir beziehen uns auch an dieser Stelle auf das, was vrir in unserem Seminar zur
Ethik der Psychoanalyse(195916o)über den zweiten Tod gesagt haben. Mit Dylan
Thomas wollten wir allerdings, es gäbe nicht zwei. Ist aber der absolute Herr der
einzige Tod, der bleibt?
r8t
auf die Fmge nach dem Band, das die Gesellschaftder Herrschenden
zusammenhält)wollen wir hier nur hervorheben,was uns von unsefef
Erfahrung her alssymptomatischerscheint,dasheißt als Einrichtung in
der Verdrängung. Dies wäre eigentlich das Thema der List der Ver- 8 r r
nunft, deren oben dargestellterIrrtum ihre Verführungskräfte durch-
aus nicht schmälert.Die Atbeit, heißt es da, der der Sklavesich unter-
zog, alser aus Ängst vor dem Tod Verzicht tat auf den Genuß, weist
genauden Weg, auf dem er die Fteiheit verwirklichen wird. Es gibt im
politischen und auch im psychologischenSinne keine offensichtlichere
Täuschung. Der Sklave ist leicht zu befriedigen, und so bleibt es bei
der Sklavenarbeit.
Die List der Vernunft verführt durch genau das, was hier anklingt
von einem wohlbekannten individuellen Mythos, dem Mythos des
Zwangsneurotikers, der seiner Struktur nach nicht selten ist in der
Sobaldaberder Zwangsneurotikersichnur um ein weniges
intelligentsia.
der professoralenPerfidie zu entziehenvermag, kann er sich nur noch
schwer der Täuschung hingeben, daß seineAtbeit ihm Zugang zum
Genuß verschaffenmüsse.Im eigentlichen Sinne unbewußt der von
Hegel geschriebenenGeschichtehuldigend, findet er nicht seltensein
Alibi im Tod des Herrn. Vfie abet steht es mit diesem Tod? Ganz
einfach,et wartet auf ihn!
Tatsächlichfolgt er dem Spiel vom Ort desAndetn aus,an dem er sich
einrichtet; er schaltet so jedes Risiko aus, speziell das Risiko eines
Kampfes,und wiegt sichin einem < Selbstbewußtsein >, für dasder Tod
nur zum Spaßexistiert.
Die Philosophendüden also nicht glauben,jener gewaltige Einbruch,
den Freuds Ausführungen über das Begehren darstellen, sei auf die
leichteSchulterzu nehmen.
Etwa auch noch untef dem Vorwand, der Anspruch mitsamt den Wir-
kungen der Frustration habe alles überschwemmt mit dem Zeug, das
sie aus einer Praxis beziehen,die zu einer erziehlichenBanalität ver-
kommen ist, an der auch ihre Anwandlungen von Milde nichts zwän-
dern vermögen.
In der Tat, die rätselhaften Traumata, die Freud entdeckte, sind da
nichts anderesmehr als heimgekehrteGelüste. Und die Psychoanalyse
zchrt von der Beobachtung von Kindern wie vom Infantilismus der
l]cobachtungen. Schenkenwir uns hier die Berichte, so erbaulich sie
auch seinmögen.
Und so schrecklichhumorlos wie sie sind.
r86
Sorgen machen sich die Autoren dann nur noch um ihre honorigcn
Positionen, und den unheilbar tollen Einschlag, den das Unbewußte
von seinenlinguistischenWuzeln her hat, nehmensie überhaupt nicht
meht zur Kenntnis.
Es ist aber ein Ding der Unmöglichkeit, daß die, die behaupten,durch
das Hereinnehmen des Anspruchs komme Zwietracht in die Bedürf-
nisse,die am Ursptung des Subjektsstehensollen, den Umstand außer
acht lassenkönnen, daß es schlechterdingskeinen Anspruch gibt, der
nicht irgendwie durch die Engführungen des Signifikanten hindurch-
müßte.
Und wenn auch die somatischeanarkä,durch die der Mensch für eine
bestimmte Zeit nach seinerGebutt in seinerBeweglichkeit gehindert
8rr ist, a fortiori gehindert ist, aufeigenen Füßen stehenzu können, einer
Psychologieder Abhängigkeit den Boden bereiten mag, so kann diese
doch nicht einfachan der Tatsachevorbeisehen,daß die Abhängigkeit
sich auf ein Universufn aus Sprachestützt, und zwar in der'Weise,daß
durch seineHilfe und durch es hindurch die Bedürfnisseeine Diversi-
fikation und Übersetzungerfahren mit dem Ergebnis, daß ihre Trag-
weite nun offenbar von ganz anderer Art ist, egal ob sie sich auf das
Subjekt oder die Politik erstreckt. Ich will esaussprechen:Das Ergeb-
nis ist, daß die Bedürfnissenun auf der Stufe desBegehrensetscheinen
mit all den Konsequenzen,mit denensich nun unsereneue Erfahrung
konfrontiert sieht, eine Erfahrung, die für einen Motalisten immet
schon ein Paradoxdargestellthat und an der die Theologen das Merk-
mal des Unendlichen herausstreichen,ja sogar jenen prekären Status,
der im letztefl Schreiiener Formulierung erscheint,die ihr Sartregege-
ben hat: dasBegehren,eine unnütze Leidenschaft.
tü7asdie Psychoanalyseuns an der Funktion des Begehrenszeigt, die
man die allernatüdichstenennenkann, hängt von iht doch dasFortbe-
stehender Art ab, ist nicht nur, daß es in seinemDrängen, seinembe-
sitzergreifendenCharakter,in seinerNormalität, um alleszu sagen,den
Z:ufällender Geschichtedes Subjektsausgeliefertist (Begriffdes Trau-
masals Kontingenz), sondernviel mehr, daßebendiesdie Mitwirkung
von strukturellen Elementen erfordert, die, wenn sie eingreifen, sich
durchaus nicht an diese Zufälle halten, wobei dann dieser unharmo-
nische, unervartete und schwer reduzierbare Einfall der Erfahrung
ein Residuum übriglaßt, das Freud das Geständnis abgenötigt hat,
in der Sexualität müsse es die Spur eines kaum natüdichen Risses
geben.
r87
Man hätte unrecht, wollte man glauben, der FreudscheMythos von
Ödipus liefe hier auf eineTheologie hinaus.Es genügt in der Tat nicht,
nur den Hanswutst der sexuellenRivalität zu schwenken. Man tut
besserdaran,nachzulesen,was Freud hier in seinenKoordinaten unse-
rer Refexion auferlegt; dieseführen nämlich zurück auf die Frage, von
der er selberausging: Was ist ein Vater ?
- Es ist der tote Vater, ist die Antwort Freuds,aber niemand will das
hören, und wenn Lacan unter dem Titel des Namen-des-Vaters auf
dieseFrage zurückgreift, ist esnur bedauedich,daß eine Situation, die
mit Wissenschaftso gut wie nichts zu tun hat, ihn permanentum seine
nortnale Hörerschaft bdngt. Ir
Trotzdem, die analytischeReflexion hat sich, wenn auch vage, mit 8 r l
jenem problematischenVerkennen der Funktion des Erzeugers be-
schäftigt, das bei bestimmten Primitiven feststellbarist, ja sogar eine
Diskussion fand statt über die Formen der Autotität, und zwat unter
der Schmugglerflagge des <Kulturalismus>,wobei, wie man betonen
muß, kein einziger Zweig der Anthtopologie bisher eine halbwegs
befriedigendeDefinition von Autorität zu liefern vermochte.
Müssen wir erst von der Praxis eingeholt werden, die vielleicht eines
TagesUsuswird, daßnämlich alle die Frauen,die den phallischenBann
durchbrechen, künstlich besamt werden mit dem Sperma eines gro-
ßen Mannes, um uns ein Urteil über die vätediche Funktion abzu-
ringen!
Allerdings dürfte sich der Ödipuskomplex nicht mehr lange halten in
Gesellschaften,in denen sich mehr und mehr der Sinn fürs Tragische
vediert.
Gehen wir aus von der Auffassungdes Andern als Ort des Signifikan-
ten. Keine Aussagevon Autorität kann hier anders ganntiert sein als
in ihrem Aussagenselbst,vergeblich würde sieihre Gatantien in einem
andern Signifikantensuchen,der unter keinenUmständenanderswoer-
schcintalsan diesemOrt. UnsereFormel dafür ist: Es gibt keineMeta-
sprache,die man sprechenkönnte, oder aphoristischer:Es gibt keinen
Andern desAndern. Der Gesetzgeber,also det, der vorgibt, dasGesetz
'r Daß wir seinerzeit, wenn auch mit kräftigeren rVorten, unsere Meinung zu dem
Punkt auf diesem Umweg gesagthaben, nimmt die Bedeutung eines Rendezvous an.
f)rci Jahre später nämlich haben wir, weil die Situation sich nicht verändert hatte, als
Sanktion ausgerechnetunsete Thesen zum Namen-des-Vaters, die wir in unserem
Untctricht vorstellen wollten, dem Schlaf übergeben. Ä.d,Ü.: Vgl. unten <Die
Visscnschaft und die rVahrheit>. Änm. ro.
r ll8
aufzurichten,stapelthoch, wenn er sich darstellt als einer, der hier Ab-
hilfe wüßte.
Nicht aber das Gesetz selbst,oder derjenige, der seineAutorität von
ihm ableitet.
Wollen wir den Vater als den ursprünglichen Reprisentanten dieser
gesetzlichenAutorität bestimmen, müssen wir genauer angeben, in
welcher besonderenArt von Präsenzer sich behauptet jenseits des
Subjekts,das gehaltenist, den Platz desAndern realiter einzunehmen,
den der Mutter nämlich. Damit ist die Frage zurückgestellt.
Es ist wohl befremdlich, daß wir, wenn sich hier der unermeßliche
Raum auftut, den jeder Anspruch einschließt: weil er Vedangen nach
Liebe ist, der genanntenFrage nicht mehr Platz einräumen.
Sie vielmehr daraaf konzentrieren, vras sich, vermöge derselbenAn-
spruchswirkung, diesseitszuschließt,um recht eigentlich den Platz des
Begehrensauszumachen.
Das Begehrendes Menschengewinnt in der Tat recht einfach Gestalt
(und wir werden noch sagen, in welchem Sinn) als Begehren des
Andern, zunächst aber so, daß es lediglich eine subjektive Opazität
bewahrt, in der es dasBedürfnis repräsentiert.
Eine Opazität,von der wir späternoch sagenmüssen,um welcheEcken
hetum sie gewissermaßenzur SubstanzdesBegehrenswird.
8r4 Das Begehrengewinnt Gestaltin der Spanne,in der der Anspruch sich
vom Bedürfnis losreißt: wobei die Spanne eben die ist, die der An-
spruch (dessenAppell bedingungslosnur an den Andern sich richten
kann) auftut in Form einesmöglichen Fehlens,das das Bedürfnis hier
beitragen kann, weil es keine universaleBefriedigung kennt (was man
Angst nennt). So linear diese Spanneauch sein mag, sie bringt ihren
Taumel zum Ausdruck, wenn nur nicht der Elefantentritt eineslauni-
schenAndern sie einebnet.Desungeachtetführt aber dieseLaune das
Phantom der Allmacht ein zsvatnicht des Subjekts,aber des Andern,
in dem sich sein Anspruch einnistet (es wäre an der Zeit, dzß dieses
schwachsinnigeKlischee ein für allemal und einmal für alle an seinen
rechten Platz gerückt würde) - und mit diesemPhantom entstehtauch
die Notwendigkeit seinerBezähmungdurchs Gesetz.
Aber wir unterbrechenhier noch einmal und wenden uns zurück zum
StatusdesBegehrens,welchessich alsautonom ausgibtbezüglicheiner
solchen Vermittlung über das Gesetz, und zwar darum, weil dieses
seinerseitsausihm entspringt in dem Umstand,daßdasBegehrendurch
eine besondere Symmetrie die Bedingungslosigkeit des Liebesan-
r89
spruchs,in dem dasSubjekt dem Andern unterworfen bleibt, umkehrt,
um es der Gevralt der absolutenBedingung auszuliefern(absolut dann
auchin der Bedeutungvon <losgelöst>).
\fas den Sieg angeht, den man so über die Angst erringt in bezug auf
dasBedürfnis, kann eine solcheLoslösung bereitsin der bescheidend-
sten Form als gelungengelten, bereitsin der Form nämlich, die ein ge-
wisser Analytiker ip seinerKinderpraxis erkannt und <Übergangsob-
jekt> genannthat: dasStückchenWindel, der geliebteFetzen,die we-
der vom Mund noch aus der Hand gelassenwerden.
Sprechenwir es aus, es ist hier nur emblematisch: die Vorstellungs-
repräsentanzin der absolutenBedingung hat ihren Platz im Unbewuß-
ten, wo sie dasBegehrenkausiert gemäßder Struktur desPhantasmas,
daswir ausihm herauslesen.
Hier läßt sicherkennen,daßdie Unwissenheit,det der Menschin bezug
auf sein Begehren verhaftet bleibt, weniger eine Unwissenheit ist in
bezugauf das,waser beansprucht(dasläßt sich ia letztlich ausmachen),
als vielmehr eine Unwissenheithinsichtlich des Punkts, von wo aus er
begehrt.
Eine Antwort darauf stellt unsere Formel dar, daß das Unbewußte
Diskurs des Andern isq besser:über den Anderen im Sinne des latei-
nischen (als obiektive Bestimmung): deAlio in oratione(tua resogttn '
wie man ergänzenkönnte).
Dem wäre aber hinzuzufügen, daß das Begehren des Menschen das
Begehrendes Andern ist, wobei diesmaldas <des> in dem Sinn zu
nehmen ist, den die Grammatiker subjektiv nennen, d.h. daß der
MenschalsAnderer begehrt (worin die wahre Tragweite der menschli-
chen Leidenschaftliegt).
Darum ist die FragedesAndern, die zum Subjektzurückkommt von 8 t t
dem Platz aus, wo es ein Orakel erwartet - in der Form eines Cäe
uuoi?,V aswillst du ?-, die Frage,die am allerbestenauf den Weg seines
eigenen Begehrens füht - wenn es sie, dank dem Geschick eines
Partners mit dem Namen <Psychoanalytiker>,wjederaufnimmt, sei es
auch,ohne es so recht zu wissen,im Sinneeines:Was will er mit?
r92
Vollständiger
Graph
I(A)
's I)ies habenwir in der Folge ausgewiesenan einem topologischen Modell aus der
'l'hcoric
der Oberflächenin det analtsitsitut (Anm, von r96z).
t94
Was will mir der Andere? wobei wir, Analytiker, Wortträger sind?
Gevrißnicht, und geradedeshalbnicht, weil unserAmt durchausnichts
Doktrinäresan sichhat. Wir tragenfür keineArt von letzter\üTahrheit
die Verantwortung, speziellweder für noch gegen irgendeineReli-
gion.
Es ist bereitsnicht wenig, daßwir hier in den FreudschenMythos den
toten Vater einzuführenhaben. Aber ein Mythos genügt sich nicht
darin,keinenRituszu begründen;und die Psychoanalyse ist nun einmal
nicht der Ritus desÖdipuskomplexes- worauf wir noch zurückkom-
men.
Ohne Zweifel, der Leichnamist ein Signifikant,jedochist dasGrab des
Mosesfür Freud so leer wie dasGrab Christi für Hegel. Keinem von
beidenhat Abraham seinGeheimnispreisgegeben.
8r9 STir selbstwerden ausgehenvon dem, was artikuliett ist in der Sigle
S(Ä), die zunächstein Signifikant ist. lJnsereDefinition des Signifi-
kanten- esgibt keineandere- lautet: Ein Signifikantist, wasfür einen
anderenSignifikantendas Subjektvorstellt'6.Dieset Signifikantwird
alsoder Signifikantsein,für den alle andernSignifikantendasSubiekt
vorstellen:dasheißt, daß ohne diesenSignifikantenalle andernnichts
vorstellenkönnten. Denn nichts wird vorgestellt,wenn nicht für et-
was.
Da nun die Batterieder Signifikantenschondadurchvollständigist, daß
sie ist, kann dieserSignifikantnur ein Zug sein,der von ihrem Kreis
aus abzweigt, ohne zu ihm gezähltwerden zu können. Das Symbol
dafür wäre, daß ein (-r) der Menge der Signifikanteninhärent ist.
Es ist als solchesunaussprechbar, nicht aber seinWirken, denn dieses
bestehtin dem, was sich jedesmal zuttägt,wenn ein Eigennameausge-
sprochenwird. DessenAussageist gleichzusetzen mit seinerBedeu-
rung.
Darausfolgt, wenn man dieseunsererAlgebrazufolgein einemKalkül
darstellenwill. daß
S(Signifikant)
; setztmanS: (-r),ergibt dm r s : t/J.
: s (dieAussage)
s (Signifikat)
Es ist das,was dem Subiektfehlt, wenn es sich als von seinemCogito
'6 A.d. Ü.: An dieser Stelle, notwendig wäre es an vielen andern auch, soll betont
werden, daß frrnzös. sujet auch < SujeoI ( : Sto{ Vorwurf ) bedeutet. Hier also : Ein
Signilikant ist das, was den Vorwurf darstellt füt einen anderen Signifikanten.
r9,
ausgeschöpftvorstellenv/ill, d. h. das,wasesan Undenkbatemist. Äber
woher kommt dann diesesSein,dassozusagenals Nichtvorhandensein
im Meer der Eigennamenauftaucht?
Diese Frage können wir dem Subjekt als Ich (entant queJe) nicht stel-
len. Das zu wissen,fehlt es ihm an allem, denn wenn diesesSubjekt,
wenn also Ich tot wäre, es würde dies,wie wir schon gesagthaben,
nicht wissen.Es weiß mich alsonicht lebend. VTiealsowerde Ich esmir
beweisen?
Ich kann nämlich bestenfallsdem Andern beweisen,daß er existiert,
gewiß nicht auf die Art, wie man die Existenz Gottes zu beweisen
versucht hat und womit die Jahrhunderteihn getötet haben, sondern
nur, indem ich ihn liebe, eine Lösung, die ihren Ursprung in der
christlichen Verkündigung hat.
Eine allerdingsallzu heikle Lösung, daßwir darandenkenkönnten, hier
über einenUmweg an unserProblemheranzukommen, nämlichan das:
Was bin Ich?
Ich bin an dem Ort, von dem der Schreiaufsteigt,daß <dasUniversum
einenFehlerin der ReinheitdesNicht-Seinsdarstellt>.
Und dies nicht ohne Grund, denn hütet man sich, so läßt dieser Ort
sogar das Sein schmachten.Er nennt sich Lusterfüllung. Und deren
Nichworhandensein würde das ganzeUniversum überflüssigmachen.
Ist das aber meine Aufgabe? Ja, ohne allenZureifel. Ist solche Lust-
erfüllung, deren Fehlen den Andern in seinerKonsistenz auföst, also 8zo
meine Lusterfüllung? Die Erfahrung beweist,daß sie mir für gewöhn-
lich untersagt ist, und das nicht nur, wie die Schwachköpfe gerne
meinen, aufgrund der schlechtenEinrichtung der Gesellschaft,son-
dern, wie ich sagenwürde, durch die Schuld desAndern, wenn er exi-
stiert: wenfi der Andere nicht existiert, bleibt mir nur noch, die Schuld
aufs Ich zu nehmen,d.h. an daszu glauben,wohin die Erfahrung uns
alle füht, Freud allen voraus: zur Erbsünde. Denn selbst wenn wir
nicht jenesausdrücklicheund bittere GeständnisFreuds die Erbsünde
betreffendbesäßen,so bliebe, daßder Mythos, den wir seinerFederver-
danken,der letztgeborenein der Geschichte,zunichts anderemnütz ist
als der Mythos desverfluchten Apfels, mit dem einen Unterschied je-
doch, der nicht auf die Rechnung des Mythos geht, daß er, weil er
bündiger ist, erheblich weniger verdummt.
Kein Mythos ist aber, was Freud so früh wie den Ödipuskomplex
fbrmuliert hat: der Kasttationskomplex.
Im Kastrationskomplex sehenwit den hauptsächlichenGrund für die
t96
Subversion, die wir hier in ihrer Dialektik zum Ausdruck bringen
wollen. Völlig unbekannt bis Freud, der ihn in die Formierung des
Begehrenseinführt, kann der Kastrationskomplexvon keiner Reflexion
über das Subjekt länger ignoriert werden.
In der Psychoanalysehat man sich, daran besteht kein Zweifel, weit
entfernt davon, seine nähere Bestimmung versucht zw haben, gerade
datum bemüht, sich nicht mit ihm auseinanderzusetzen. So wird dieser
gewaltige Leib, einem Samsongleich, darauf reduziert, die Mühle zu
treten für die Philister der allgemeinenPsychologie.
Da ist allerdingsSandim Getriebe,wie man so sagt.Damit er genaudas
ist, was uns hier interessiert,strukturbildend für das Subjekt, konsti-
tuieft er wesentlich iene Spanne,die alles Denken vermieden, über-
sprungen, umgangen oder zugepappt hat, so oft es ihm offensichtlich
geglückt ist, sich in einem Zirkel zu behaupten,egal ob essich nun um
dialektischesoder mathematischesDenken handelt.
Datum ziehenwir esvor, die, die uns folgen, an Orte zu führen, wo die
Logik durcheinandergerät durch die Disjunktion, die vom Imaginäten
zum Symbolischenhiq aufbricht, und zwar nicht, weil wir unsern Spaß
hätten an den hier entstehendenParadoxienoder an der sogenannten
Krisis des Denkens, sondern vielmehr, weil wir ihren falschenSchein
zurückführen wollen auf die Kluft, für die sieeinstehen,und die füt uns
immer erbaulichwar, vor allem abef, um zu versuchen,in methodischer
Absicht hier eineArt Kalkül aufzustellen,durch dessenUnangemessen-
heit geradedas Geheimnis aufgelöstwerden könnte.
8zr So etwa jenesPhantomeinet Ursache,daswir in der reinstenSymboli-
sierung des Imaginären durch dasAlternieren zwischendem Gleichen
und dem Ungleichenrzverfolgt haben.
Beobachtenwir alsogenau: Was spricht denn dagegen,unserenSignifi-
kanten S(Ä) als dasMana zu erkennen oder als etwas Ahnliches. Wir
können uns nämlich nicht damit zufrieden geben, ihn allein von der
Misere der gesellschaftlichenUmständehet zu artikulieren, und würde
dieseauch als Totalität ausgegebenwerden.
Zweifellos war es die Absicht von Claude Ldvi-Strauss,Mauss kom-
mentierend,darin die Wirkung einesNullsymbols zu erkennen.Uns
aber scheint es sich in unseremFalle eher um den Signifikantengerade
tz Aktueller in der umgekehrten Richtung bei dem.Versuch, topologisch defnierte
Flächen mit den hiet ins Spiel gebtachten Termini der subjektiven Ärtikulation in
Übereinstimmung zu bringen. Ja sogar bei der einfachenViderlegung desangebli-
chen Paradoxons<Ich lüge> (Änmerkung von r96z).
197
des MangelseinessolchenNullsymbols zu handeln.Aus dem Grund
auch habenwir, selbstauf die Gefahr hin, daß wir uns dadurch bei
einigenunbeliebtmachen,genauangegeben, bis zu welchemPunkt wit
die Umbiegungdesmathematischen Algorithmus zu unserenZwecken
-t
treibenwollen : Das Symbol1/ ,in der Theorieder komplexenZahlen
auchals i geschrieben,läßt sich selbstverständlich nur dann rechtferti-
gen, wenn es keinemAutomatismusin seinerfolgendenVerwendung
Vorschub leistet.
An das Folgende muß man sich halten: Lusterfüllung ist dem, der
spricht,als solchemschonuntersagt;oder: Sie kann für jeden,der als
Subjekt dem Gesetz unterworfen ist, nur zwischenden Zeilen aus-
gedrückt werden, weil das Gesetzsich auf eben jene Untersagung
gründet.
Würde nämlich das Gesetz befehlen: Joais, genieße,so könnte das
Subjektnicht andersantwortenalsmit einemJ'ouis,ich höre,wobei der
Gedankean Genuß nur noch der Hintergedankewäte.
Indessenversperrt nicht das Gesetz selbstdem Subjekt den Zugang
zum Genuß, es macht nur aus einer beinahe natürlichen Barriere ein
gebarrtesSubjekt. Denn die Lust setzt dem GenießenGrenzen, die
Lust als inkohärentesBand des Lebens,bis daß eine andere,diesmal
nicht anfechtbarelJntersagungaus jener Regulierung entsteht, die
Freud als Primärprozeßund entsprechendals Gesetz der Lust ent-
deckt hat.
Man hat behauptet,Freudseidanur den VTeggegangen,aufdembereits
die WissenschaftseinerZeit, ja sogar die Überlieferun g seitlanger Zeit
schonvorangegangen war. Doch will man die I(ühnheit seinesSchritts
erkennen,so brauchtman sich ja nur die Quittung vor Augen halten,
die nicht auf sich warten ließ: das Scheiternan der Heteroklisiedes
Kastrationskomplexes.
Allein der Hinweis auf das Genießenin seiner Unendlichkeit schließt 8zz
Zeichen seinet Untersagung ein und impliziert, zur Konstituierung
diesesZeichens,ein Opfet: dasjenige,dasin ein- und demselbenAkt
mit der Wahl seinesSymbols(desPhallus)verknüpft ist.
Möglich wird dieserüfahl dadurch, daß der Phallus, d. h. das Bild des
Penis, an seinem Platz im Spiegelbild negativiert wird. So ist det
Phallusdazuvorherbestimmt,dasGenießenzu verkörpernin der Dia-
lektik desBegehrens.
Vom Prinzip desOpfers,dasein symbolisches ist, muß alsodie imagi-
näreFunktion unterschiedenwerden, die sichzwar dazuzurYetfügung
rg8
stellt, die es aber in dem Moment verschleiert,wo sie ihm ihr Instru-
ment leiht.
Die imaginäre Funktion bestimmt nach der Formulierung Freuds die
Objektbesetzungals eine nanißtische. Darauf haben wir unsererseits
zurückgegriffen,als wir zeigten, daß das Spiegelbildden Kanal bildet,
durch den die Transfusion der Libido desKörpers zum Objekt stattfin-
det. Aber wenn auch nur ein Teil vor dieserÜberfutung bewahrt und
so das Allerintimste an Autoerotik auf sich vereinigt, ist dieser Teil
durch seine< Spitzen>position in der Form zu jenemVergänglichkeits-
phantasmaprädisponiert, in dem sich sein Ausschlußvom Spiegelbild
vollendet,seinAusschlußvom Spiegelbildund vom Muster,dasdieses
für die \7elt der Objekte darstellt.
SoalsosymbolisiertdaserektionsfähigeOrgan denPlatz desGenießens,
nicht alses selbst,nicht mal alsBild, sondernalsder dem begehrtenBild
fehlendeTeil: darumauchist esdem/-- der weiter obenproduzierten
Bedeutunggleichzusetzen,desGenießens,den esdurch den Koeffizien-
ten seinerAussageder Mangelfunktion des Signifikantenwiedererstat-
tqt: (-r).
Nfenn es auf diese Weise die Untersagung des Genießensbinden soll,
so geschiehtdies trotzdem nicht aus solchenformalen Gründen, son-
dern deshalb,weil deren Übertretung das bedeutet,was jedesange-
strebte Genießen kurzerhand auf den Autoerotismus zurückführt.
Tatsächlich hat man es nicht verschmäht,jene durch die anatomische
BeschaffenheitdessprechendenW'esensbereitsvorhandenenWege,die
weiter perfektionierte Affenhand also, in bestimmter philosophischer
Askese als Wege einer mißbräuchlich als zynisch definierten S7eisheit
anzusehen.GewisseLeute von heute,die von einet solchenErinnerung
fraglos besessensind, waren, indem sie sich an urls ausgerichtetha-
ben, der Auffassung, Freud selber mit dieser Tradition verbinden zu
dürfen: Körpertechnik,wie Mausssagt.Bleibt, daßdie analytischeEr-
823 fahrung uns den ursprünglichenCharakterdesSchuldgefühlslehrt, das
ihre Praxis hervorruft.
Schuldgefühl,dasverbundenist mit der Erinnerung an den Genuß, den
der Dienst am realenOrgan verfehlt, und Konsekration der Funktion
des imaginären Signifikanten,über die Obiekte ein Verbot zu verhän-
gen.
So sieht in der Tat die radikale Funktion aüs,deren mehr akzidentelle
(edukative) Ursacheneine wildere Epoche der Psychoanalyseaufge-
deckt hat, wie sieauchdie anderenFormen,um derenEntdeckungsie
t99
sich verdient gemacht hat, von der Sakralisierungdes Organs (Be-
schneidung)weg zum Trauma hin umbog.
Der Übergang des(-9) ftlein Phi) desphallischenBildes von der einen
zur anderenSeiteder Gleichung, vom Imaginären zum Symbolischen,
positiviert esin jedemFall, selbstwenn eseinenMangel ausfüllensoll.
Wie auchimmeresdas(-r) unterstützt,eswird dabeizum@ (groß Phi),
zum symbolischenPhallus,der nicht negativierbarist, Signifikantdes
Genießens.Eben dieserCharakterdes@erklärt sowohl die Besonder-
heit desweiblichen Zugangszur Sexualitätals auch die Gründe, die aus
dem männlichen Geschlechtdas schwacheGeschlechthinsichtlich der
Perversionmacht.
Wir werden hier nicht dasThema der Perversionenanschneiden,da sie
nur schlechtdie Funktion desBegehrensbeim Mann herausstellen, so-
fern diesesam hervorgehobenenOrt desGenießensdie Dominanz des
Objekts a des Phantasmasinstituiert, mit dem es das A ersetzt.Die
Perversionfügt hiet eine Rückgewinnung desg hinzu, die gar nicht als
originell auftreten könnte, würde diesesnicht den Andern als solchen
auf ganz besondereWeiseangehen.Allein die Formel, die wir für das
Phantasmagefundenhaben,edaubt uns herauszustellen, daß das Sub-
jekt sich in ihm zum Instrument desGenussesdesAndern macht.
Philosophenwerden eher daran interessiertsein, den Geltungsbereich
dieserFormel beim Neurotiker zu erfassen, weil diesersieverfälscht.
Der Neurotiker nämlich, der hysterische,zwanghafte oder radikaler:
der phobischeNeurotiker ist jemand,der den Mangel desAndern mit
seinemAnspruch identifiziert, @mit D.
Dataus folgt, daß det Anspruch des Andern in seinem Phantasma
Objektfunktion übernimmt, d.h., daß sein Phantasma(dank unserer
Formeln wissenwit es sofort) sich auf den Trieb reduziert: (SOD).
Darum war esmöglich, am Neurotiker den Katalog der Triebe abzule-
sen.
Dieser Vorzug aber, den der Neurotiker dem Anspruch einräumt, und
der in einer Analyse, die es sich bequem macht, die ganzeKur zur 8:'4
Manipulation der Frustration hat verkommen lassen,verbirgt seine
Angst vor dem Begehrendes Andern, die man unmöglich verkennen
kann, wenn sie nur mit dem phobischenObjekt verdeckt ist, die aber
schwererzu verstehenist bei den zwei andern Arten von Neurose, wo
man nicht den Faden besitzt, der das Phantasmaals Begehren des
Andern ztrsetzenedaubt.Man 6ndet dann die zwei Termini wie aufge-
borsten vor: den einen beim Zwangsneurotiker,insofern dieser das
BegehrendesAndern negiert,indem er seinPhantasmaso gestaltet,daß
er mit ihm die Unmöglichkeit eines Schwindensdes Subjekts hervor-
hebt, den andern beim Hysteriker, sofern dasBegehrensich bei diesem
nur durch Nichtbefriedigung aufrecht erhalten kann, die man hier
hinzuträgt, indem man sich als Objekt entzieht.
Diese Züge werden bestätigt durch das- fundamentale- Bedürfnis des
Zwangsneurotikers,sichfür den Andem zu verbürgen, wie auch durch
den Aspekt von Un-Glauben bei der hysterischenIntrige.
In der Tat ist das Bild des idealenVaters ein Neurotikerphantasma.
Jenseitsder Mutter, des realen And"ern des Anspruchs, von dem
man wünscht, daß er das Begehren(das heißt ihr Begehren)stillt,
wird das Bild eines Vaters sichtbar, der angesichtsder Begierden
beideAugen zudrückte.Dadurch wird die wahre Funktion desVaters
eher geprägtals geoffenbart,siebestehtdurchausdarin, eineBegierde
mit dem Gesetz in Einklang zu bringen (und nicht entgegenzu-
setzen).
Der Vater, den der Neurotiker wünscht, ist ganz klar, wie man sehen
kann,der tote Vater. Ein Vater indessen,der vollkommen auch Herr
seinesBegehrenswäre, was für das Subjekt gleichviel gälte.
Man erkennt da eine der Klippen, die der Analytiker umfahren muß,
und man erkennt dasPrinzip der Übertragung ebenan dem,wasesda an
Unendlichem auf sich hat.
Deshalbkönnen für eineHysterikerin kalkulierte Schwankungenin det
<Neutralität> des Analytikers mehr bedeutenals alle Deutungen,auf
die Gefahr hin, daßdarauseineArt Betörung entstehenkann. Untet der
Votaussetzung wohlgemerkt, daß solche Betörung nicht einen Ab-
bruch nach sichzieht, und daßdasSubjektin der Folge zu der Überzeu-
gung gelangt, daß dasBegehtendesAnalytikers sich hier für nichts in
die Affäre einmischt.Diese Bemerkungist wohlverstandenkein techni-
scherRat, sondernein offenerAusblick auf die Frage nach dem Begeh-
ren desAnalytikers, für alle die, die anderskeineVorstellung davon sich
verschaffenkönnten: Wie der Analytiker für den andern die imaginäre
Dimension seiner Nicht-Meisterschaft, seiner notwendigen Unvoll-
kommenheit bewahrenkann, dasbedarf ebensodringlich einet Feststel-
lung, wie die Unwissenheit, die er freiwillig von sich bekräftigt in
Hinblick auf jedes Subjekt, das zu ihm in die Analyse kommt, seiner
immer wieder neu sich darstellendenlJnwissenheitund seinerimmer
neuenÜberzeugung, daß keiner ein Fall ist.
Wenn wir aufs Phantasmazurückkommen, so wollen wir festhalten,
daß der Perverse sich einbildet, er sei der Andere, um sich seines 8 z t
Genießenszu vergewissetn,und daß eben dies der Neurotiket an den
Tag bringt, wenn ir sicheinbildet,er seipervers:er, um sichdesAndern
zu vergewissern.
Das wäre der Sinn der vermeintlichen, zum Prinzip der Neurose erho-
benen Perversion. Sie ist im Unbewußten des Neurotikers als Phan-
tasma des Andern. Aber dies heißt nicht, daß das Unbewußte beim
Perversenoffen daliegt. Auch er schützt sich auf seineArt in seinem
Begehren.Denn das Begehrenist eine Abwehr, die Abwehr dagegen,
eine Grenze im Genießenzu überschreiten.
Das Phantasmain der von uns definiettenStruktur umschließtdas(-g),
die imaginäre Funktion der Kastration in versteckter Form, die um-
kehrbar ist von dem einen seinerTerme auf den andern. Das heißt, es
imaginarisiert wie eine komplexe Zahl abwechselndden einen dieser
zwei Terme in bezugauf den andern(wenn wir dasV/ort <imaginarisie-
ren > gebrauchendürfen).
Eingeschlossenim Objekt a ist es dasdya)"pa,der unschätzbarcThe-
saurus, von dem Alkibiades sagt, er sei eingeschlossenin die rauhe
Schale,die ihm zu formen schiendie Gestalt des Sokrates.Halten wir
nur fest, daß esmit dem Zeichen(-) versehenist. Weil er den Schwanz
des Sokratesnicht gesehenhat (man edaube uns, dies Platon nachzt-
sprechen)preist Älkibiades, der Verführer, das dya),pa in ihm, das
'tüunder,
das Sokratesnach seinemVfunsch ihm abtreten sollte, indem
er seinBegehreneingesteht:wobei die Teilung desSubjekts,die er in
sich selbstträgt, bei der Gelegenheitsich mit einem Schlagzu erken-
nen gibt.
Eine solcheGelegenheitist die Frau hinter ihrem Schleier: die Abwe-
senheitdes Penismacht sie zum Phallus,zum Objekt des Begehrens.
EvozierenSie diesesFehlendeutlicher,indem Sie sie einenhübschen
Zopf unter einet Ballmaskierungtragen lassen,und ich glaube, Sie -
oder eher: sie - werden uns Wunderdingezu sagenwissen:Die \Vir-
kung ist rooprozentig garantiert,wie man Männet ohne Umschweife
sagenhören kann.
So geschieht,daß Alkibiades,indem et seinObjekt kastriertzeigt (die
Sacheentgeht Sokratesnicht), sich als Begehrenderfür einenanderen
unterdenAnwesenden,Agathon nämlich,aufspielt,den Sokrates,Vor-
läufer der Analyse und selbstredendin dieserfeinen tX/eltseiner Sache
sicher, ohne Zögern zum Übertragungsobjekterklärt, wobei er die
'l'atsache
ins Licht einer Deutung rückt, die von vielen Analytikern
immer noch verkannt'wird: daß die Haß-Liebe-Wirkungenaus der
analytischenSituationverbanntsind.
Alkibiadesist aber durchauskein Neurotiker. Und geradeweil er der
826 Begehrende par excellence ist und auchder Mann, der im Genußso weit
wie nur möglich geht, ist er imstande(wenn auchnut mit Hilfe eines
instrumentalen Rauschs)im Vergleich mit allen die zentraleArtiku-
lation der Übertragung.vor nzttreiben, in Gegenwartdes mit ihrem
Widerscheinausgeschmückten Objekts'
Er hat aber nichtsdestowenigerSokratesprojektiv zum Idealbild des
vollkommenen Meistershochstilisiertund hat diesendurch Wirkunq
des (-9) vollkommen imaginarisiert.
Beim Neurotiker schleichtsich das (-E) unter das I des Phantasmas,
wobei esdie ihm eigeneImagination,die desIch, begünstigt.Denn die
imaginäreKastrationhat der Neurotiker gleichvon vornhereineditten,
sieist es,die jenesstarkelch, dasseine,unterstützt,dasso starkist, kann
man sagen,daß sein eigenerName ihm zur Last wird, daß also der
Neurotiker im Grunde ein Namenloserist.
Ja, diesesIch, dasgewisseAnalytiker noch dazu stärkenmöchten,ist
das, worunter der Neurotiker die Kastration, die er vedeugnet, zu-
deckt.
An dieserKastration aberhält er gegendiesenAnscheinfest.
Was der Neurotiker nicht will und was er bis zum Ende der Analyse
heftig von sich weist, ist: seineKastration dem GenießendesAndern
aufzuopfern, indem er diesehier dienen läßt.
Gewiß ist er nicht im Unrecht,denn kommt er sichauchim Grunde als
die allervergeblichsteExistenz vor, als ein Seinsverfehlenoder auch
als ein Zuviel, warum sollte er denn seine Differenz (alles, bloß das
nicht) dem Genießeneines Andern aufopfern, der, vergessenwit das
nicht, ja gar nicht existiert. Ja, aber existierte er doch, per Zufall, so
würde et seinergenießen.Und ebendaslehnt der Neurotiker ab.Denn
er bildet sich ein, der Andere vedangeseineKastration.
Wie die analytische Erfahrung beweist, reguliert die Kastration in
jedemFall dasBegehren,im Normalen wie im Abnormalen.
Unter der Bedingung, daß sie im Phantasmaalternierendvon $ nacha
hin schwingt, macht die Kastration aus dem Phantasmaiene zugleich
geschmeidige und undehnbare Kette, durch die der Stillstand der
Objektbesetzung,die kaum bestimmtenatüdicheGrenzenüberschrei-
ten kann, die ttanszendentaleFunktion übernimmt, das Genießendes
Andern, der mir dieseKette ins Gesetzübedeitet, zu garantieren.
zo,
Ifer sich v'irklich diesemAndern stellenwill, dem öffnet sich der Weg,
zwar nicht dessenAnspruch,szohlaberdessen'Willen zu erfahren.Und
dann gilt es, entweder sich als Objekt zu tealisieten, sich zut Mumie
dieser oder jener buddhistischenInitiation zu machen, oder dem im
Andern eingeschriebenenKastrationswillen zu willfahren, was bis in
den höchstenNarzißmus der vedorenen Ursache (Cause)hineinführt
(dies zrl der Weg der griechischen Tragödie, den Claudel in einem 827
Christentum der Verzweiflung wiederaufnimmt).
Die Kastration besagt,daßdasGenießenmit Notwendigkeit nur als ein
verweigertes erreichbar ist auf der umgekehrten Skala, die für das
GesetzdesBegehrensgilt.
'Wir
wollen hier nicht weiter gehen.
Dieser Äufsatz erscheint hier zum ersten Mal: eine unerwattete Knappheit der
Mittel, die ja, wenn es um die Veröffentlichung, und zwa.t integtale Veröffent-
lichung solcher Art Kolloquien geht, ftir gewöhnlich reichlich fließen, hat ihn zu-
sammen mit all den schönen Sachen, die sein Dekorum bildeten, unededigt ge-
lassen.
Bemerken wir, damit alles seine Ordnung hat, daß die <kopernikanischen> Aus-
führungen eine Hinzufqgung darstellen, und daß der Schluß über die Kastration
aus Zeitmangel nicht zum Vortrag kam, statt dessenübrigens eine knappe Skizze
über die Maschine im modernen Sinn, womit der Bezug des Subjekts zum Signi6-
kanten sich materialisieren Iäßt.
In den sympathetischen Kontext, den eine iede Diskussion bildet, wollen wir auch
hereinnehmen, vras uns ein Mißklang damals eingegeben hat. Es vermochte uns
nämlich die Bezeichnung <rahuman>r,mit der ein Teilnehmer unsere Rede qualifi-
zierte, durchaus nicht zu Boden zu schlagen, denn das Neue, das in dieser Kate-
gorie zum Ausdruck kommt, schmeichelt uns eher, haben wir doch die Gelegen-
heit gehabt, es entstehen zu lassen. Mit kaum geringerem Interesse haben wir
hierauf registriert, wie dann in knisternder Atmosphäre das liüort <Hölle> ge-
fallen ist, zumal der Mund, aus dem es kam, sich noch auf den Marxismus betief,
was der Sache eine gewisse Kontur gab. Offen gestanden, wir sind in der Tat
cmpfindlich gegen einen Humanismus, der von einer Seite kommt, wo ef, wenn
auch kaum weniger listig als anderswo, so einen treuherzigen Ton annimmt: <wenn
der Bergarbeiter nach Hause kommt, dann schrubbt ihn seine Frau . . . > Da sind wir
wehrlos.
ln einer petsönlichen Unterredung fragte uns einer der Unseren, ob (und das war die
Form seiner Frage) das Predigen für taube Ohren den Glauben an einen ewigen
Schreiber impliziere. Den btaucht esnicht, war unsere Antwort, bei all denen, denen
cs bckannt ist, daß ein jeder Diskurs seineVirkungen aus dem Unbewußten bezieht.
204
rI,qDIE STELLUNG DES UNBE$TUSSTEN
auf dem Kongreß von Bonneval t96o,
wiederaufgenommen r 964
Eingeladen hatte Henry Ey kraft seinet ganzenÄutorität, mit der er das psychiatrl-
scheMilieu in Frankreich dominiert, und es waren (vom 3,o.Okt. bis z. Nov. I96o)
in seiner Abteilung im Ktankenhaus von Bonnevzl zahl'eiche Spezialisten zusam-
mengekommen, zum Thema des Freudschen Unbewußten.
Unsere Schüler Laplanche und Leclaire stellten bei det Gelegenheit eine Konzeption
unserer Arbeiten vor, die, nachdem sie in den Tempt moderner erschienenist' seit der
Zeitals ein Zeugnis gilt, obschon sie zeigt, daß es eine Divergenz zwischen dcm
einen und dem anderen gibt.
Die situative Bedeutung von Interventionen, zu denen man sich während eincs
solchen Kongresses versteht, erfordert, steht in der Debatte überhaupt etwas auf
dem Spiel, gelegentlich ebensoviel Kommentar.
Es genügt, daß die bereffenden Texte von allen wiederhergestellt werden, und die
Aufgabe wird schwierig.
Dazu kommt, daß dieseihr Interessevetliert mit der Zeit, die solche Viederherstel-
lungen in Anspruch nehmen, Ihm wäre zu substituieren, was in dieser Zeit,vetstan.'
den als logische Zeit, sich auttägt.
Kurz, wir sind nach dreieinhalb Jahren, in welchen wit kaum die Muße fanden, auf
den Zeitraum zu achten, zu einem Standpunkt gekommen, den Henry Ey in dem
Buch über den Kongreß, das bei Descl6ede Brouwer etscheinen soll, folgenderma-
ßen präsentiert:
<Dieser Text >, schreibt er, <faßt die Interventionen von JacquesLacan zusammen,
die durch ihr Gewicht schlechthin die Achse aller Diskussionen bildeten.
Eine Redaktion dieser Intetventionen mit dem Zieldet Kondensierung wurde von
Jacques Lacan auf diesen Seiten vorgenommen, die er ry64 auf meine Bitte hin
schrieb.>
Der Leser möge gestatten, daß für uns iene besagte logische Zeit die Umstände
einzuschränken vermochte aufdie Erwähnung, die ihrer ein Text tut, der sich durch
eine intimere Zusammenstellung auszeichnet.
(re66)
zr6
(für den Tourismus wird dieserPlatz nie da sein),und daseinzige Mit-
tel, damit er sich öffne, bestehtdarin, daßman von innen herausruft.
Das Problem ist nicht unlösbar,wenn das SesamdesUnbewußten dar-
in besteht,Sprechwirkung zu haben- ist esdoch Sprachstruktur-, vom
Analytiker aber fordert, auf den Modus seinesAbschließenszurückzu-
kommen.
Ein Aufklaffen, ein Pulsieren,ein Ein- und Aussaugen,um gewissen
Hinweisen Freuds zu folgen, genau dies haben wir zu beachtenund
genau so weit sind wir gekommen'in unseren Vetsuchen, es in einer
Topologie zu begründen.
Die Struktur dessen,was sich schließt,schreibt sich tatsächlichin eine
Geometrieein, wo der Raum sich auf eine Kombinatorik reduziert: Sie
ist genau das,was man in diesereinen <<Rand ) nennt.
Indem man siedann formal studiert, in den Konsequenzender Nichtre-
duzierbarkeit ihres Schnitts, wird man einige zwischen Asthetik und
Logik angesiedelteFunktionen, die zu den interessantestengehöten,
neu einordnen können.
Dabei wird man gewahr, daß das Abschließen des Unbewußten der
Schlüsselist zu seinemRaum, und namentlich auch der Schlüsseldazu,
wie unangemessenes ist, aus ihm ein Drinnen zu machen.
Es demonstriert auch den Kern einer reversivenZeit, die notwendig in
jedemWirken desDiskursesmitzudenkenist; hinlänglich deutlich sieht
man das an der Rückwirkung - schon seit langem legen wir großen
rüflertauf sie- des Sinneffektsim Satz,wobei eben dieserSinneffektzur
Einkreisung seinesletzten $Tortesbedarf.
8lg Das <Nachträglich> (wir erinnern dar.an,daß wir als erste das ITort
aus dem Text von Freud herausgelösthaben),demzufolgedasTrauma
sich ins Symptom kleidet, weist eine Zeitstruktur höheren Ranges
auf.
Die Erfahrung ienesAbschließenszeigt abervor allem, daßdie Psycho-
analytiket nicht umsonst die Debatte über die Ursache, die carca,wie-
der aufgreifenwütden, ein Phantom, dasunmöglich durch dasDenken
zu beschwörenist, egal ob kritisch oder nicht. Denn die Ursacheist
nicht, wie man esauch vom Seinsagt,ein Trug, der den verschiedenen
Formen des Diskursesinnewohnt - den hätte man längst ausgeräumt.
Sie perpetuiert den Grund, der das Subjekt der l7irkung des Signifi-
kantenunterstellt.
AusschließlichalsInstanz desUnbewußten,desFreudschenUnbewuß-
ten,wird dieseUrsachefaßbarauf der Ebene,von der ein Hume siever-
treiben wollte und auf der allein sie doch Konsistenzannimmt: die
Rückwirkung des Signifikanten in seinem S7irken, die man durchaus
von det Zweckursachezu unterscheidenhat.
Sie aufzeigend als die einzige und wahre prima cauta,könnte man
beobachten,wie die augenscheinlicheDisharmonie der vier Ursachen
bei Aristotelesneu sichordnet, wobei die Analytiker von ihrem Feld aus
zu einer solchen Sfiederaufnahmebeitragen könnten.
Ihre Belohnung bestünde darin, daß sie sich nun des Fteudschen
Terminus der Überdeterminierung zu anderen Zwecken bedienen
könnten als nur, um mit ihm ein eitel Rad zu schlagen.Im Folgenden
sprechenwir von dem Merkmal, dasdie Relation bestimmt, in welcher
dieseFormen miteinander funktionieren: ihre zirkuläre, ledoch nicht
reziproke Artikulation.
Wenn es Abschließenund Eingang gibt, so ist nicht gesagt,daß diese
trennen: Siegebenzwei Bereichenihren Konjunktionsmodus.Es sind
dies jeweils das Subjekt und dasAndere; dieseBereichegewinnen hier
nur Substanzvon unserenThesenzum Unbewußtenher.
Das Subjekt,dasCattesianische Subjekt,bildet die Voraussetzungdes
Unbewußten, was wir an seinemOrt gezeigt haben.
Das Andete ist die Dimension, die erfordedich ist dadurch, daß das
Sptechensich in Wahrheit behauptet.
Das Unbewußte liegt zwischenihnen als ihr Schnitt in actu.
er8
'Vfenn
wir dem Signifikanten diese Vorherrschaft über das Subjekt
einräumen,so tragenwir damit nur der Erfahrung Rechnung,die Freud
uns eröffnet hat: daß der Signifikant spielt und gewinnt, wenn wir so
sagenkönnen, bevor das Subjektdas metkt, und zwar so, daß er das
Subjekt im Spiel des Witzes3zum Beispielüberrascht.Durch seinen
fash+beleuchteter die Teilung desSubjektsmit sich selbst.
Jedochdaßer sieihm enthüllt, darf uns nicht darüberhinwegtäuschen,
daß dieseTeilung durch nichts anderesgeschiehtals durch eben dies
Spiel, das Spiel des Signifikanten... der Signifikanten,nicht derZei-
chen.
Zeichen sind mehrwertig: Sie tepräsentierenohne Zweifel etwas für
iemanden;diesetJemandindessen,seinStatus,ist ungewiß,soungewiß
wie der Status einer sogenanntenSprache bei bestimmten Tieren,
Zeichensprache,die weder die Metapher kennt noch die Metonymie
hervorbringt.
Im Grcnzfall kann dieserJemand das Universum sein, soweit in ihm,
wie man sagt,Information zirkuliett. JedesZenttum, in dem Informa-
tion sich totalisiert,kann <Jemand>heißen,jedochnicht Subjekt.
Das RegisterdesSignifikantenentstehtdadurch,daßein Signifikant ein
Subjekt für einen anderen Signifikanten repräsentiert. Dies ist die
Struktur- Ttaum, Lapsus,Witz - sämtlicherGebilde desUnbewußten.
Es ist auch die Struktur, die die ursprüngliche Teilung des Subiekts
erklärt. Am Ort des noch nicht ausgezeichnetenAndern entstehend,
läßt der Signifikant das Subjekt des Wesensauftauchen,dasnoch nicht
über das Sprechenverfügt, um den Preis allerdings, es stocken zu
machen.Was da nahe dran war zu sprechen(ceqa'il y avait lä depr4t ä
parler) - dies in dem doppelten Sinn, den das französischeImperfekt
demi j auaitgibt, indem esdiesesin den Augenblick davor versetzt: Es
war da und esist nicht mehr da,aberauchin den Augenblick danach:Es
war ein wenig mehr da, indem es hätte da sein können - was also <da
war>>(ceqa'il y avait lä) , verschwindet, da es nur noch ein Signifikant
ist.
84r DiesesTun ist alsonicht deswegenEntfremdung,weil es seinenAus-
gang im Andern nimmt. Daß der Andere für das Subjekt Ort seiner
signifikantenUrsacheist, ist hier nur der Grund dafür, daßkein Subjekt
Ursacheseinerselbstseinkann.Dies ist so,nicht alleinweil dasSubiekt
I A. d. U.: Deutsch im Original.
+ Ä.d.Ü.: Das Fremdwo* flasb bedeutet im Französischen<Blitz> und kurze
Nachricht.
2r9
nicht Gott ist, sondernweil Gott selbstnicht Ursacheseinerselbstsein
kann, wenn wir ihn uns als Subjekt denken sollen - was der heilige
Augustinus klar gesehenhat, alser dem persönlichenGott dasAttribut,
Ursacheseinerselbstzu sein,absprach.
Die Entfremdung sitzt in der Teilung desSubjekts,die wir ebenin ihrer
Ursachebestimmt haben. Gehen vrir weiter in der logischen Struktur.
Die Struktur ist die einesuel,das hier neu seineUrsprünglichkeit pro-
duziert. Es ist aus diesemGrunde von dem abzuleiten,vrasman in der
sogenanntenmathematischenLogik eine Vereinigung nennt (die ia be-
reits anerkanntermaßenein bestimmtesaeldefiniert).
Diese Vereinigung ist so beschaffen,daß das ael,das wir ein uel der
Entfremdung nennen,einelü7ahlzwischenseinenTermen nur insofetn
aufedegt,alseseinender beideneliminiert, und zwar immet denselben,
welchesauch die Wahl sei. Der Einsatz ist offenbar limitiert und geht
nur auf Konservierung oder Nichtkonservierung des anderenTerms,
wenn die Verbindung binär ist.
Diese Disjunktion inkarniert sich auf sehr illustrative, wenn nicht gar
dramatischeAtt, wenn der Signifikant sichauf einer mehr personalisier-
ten Ebene in Nachfrage/Anspruch und Angebot inkarniet: in jenem
<Geld oder Leben> oder in <Freiheitoder Tod>>.
Hier geht es nur darum, ob Sie das Leben erhalten oder den Tod
zurückweisenwollen oder nicht (sic alt non), denn was den anderen
Term der Alternative angeht: Geld oder Freiheit, so wird Ihre \fahl in
jedem Fall eine Enttäuschung sein.
Man darf nie aus den Augen verlieren, daß das, was bleibt, in jeder
'Weise
angeschlagenist: Ein Leben ohne Geld - und auch,weil man den
Tod von sich wies, ein Leben, das ein wenig inkommodiert ist durch
den Preisder Freiheit.
Dies ist die Stigmatisierung,die dashier dialektischfunktioniercndeael
wohl auf dasaelder logischen Verbindung überträgt, das bekanntlich
einem et (sicet non) gleichbedeutendist. Das zeigt sich daran, daß man
letztenEndes dasLeben nach dem Geld fahren lassenmuß und schließ-
lich nur noch die Freiheit hat zu sterben.
libenso ist unser Subjektauf dasaelgestellteinesbestimmtenSinns,den
es annehmensoll, odet der Versteinerung. Behält es aber den Sinn, so
grcift auf diesesFeld (des Sinns) der Un-sinn über, der aus seinerVer-
wandlung in einenSignifikantenentsteht.Und wenn er auchalsEklipse 8 4 2
des Subjektssich herstellt, so gehört dieserUn-sinn doch auf das Feld
dcs Andern.
Die Sacheist es wert, daß man sie ausspricht,denn sie qualifiziert das
Feld desUnbewußtendazu,sich niederzulassen, wie wir sagenwürden,
auf dem Platz des Änalytikers, verstehenwir es wörtlich: auf seinem
Fauteuil. Das führt soweit, daßwir ihm diesenFauteuil in einet (sym-
bolischenGeste> übedassensollten.Dies der gängigeAusdruck, um zu
sagen:eineGestedesProtests,und diesehätte dann die Tragweite eines
Einspruchs gegen die Order, die sich so hübsch verrät in der plumpen
Devise, demfrancglaire,bilden wir doch das lü7ort,direkt entsprungen
det apaSia,deren Inkarnation in der französischenPsychoanalyseeine
Prinzessinwar, die an die Stelle des präsokratischenTons in Freuds
<S7oEs war, soll Ich werden>sdas Gequakeeines <Das Ich (ohne
Zweifel das des Analytikers) soll das Es ausquartieren>(wohlverstan-
den das desPatienten)gesetzthat.
!ilenn man es S.Leclaire zum Vorwurf macht, daß er die Einhorn-
Sequenz6 für unbewußthält, wo er selbstdoch sichihrer bewußt sei,so
heißt dies, daß man nicht sieht, daß das Unbewußte nur auf dem Feld
desAndern Sinn hat - und noch weniger, was datausfolgt: daß nicht
der Sinneffektin der Interpretation wirkt, sonderndie Artikulation der
Signifikanten im Symptom (ohne feglichen Sinn), die sich hier gefaßt
sehenT.
Kommen wir zur zweiten Operation, in der sich die Kausierung des
Subjektsschließt.!üir erkennenin ihr die Struktur desRandsin seiner
Grenzfunktion, aber auch in der Drehung, die die Beeintdchtigung
desUnbewußtenmotiviert. Wir nennendieseOperation<Trennung).
Darin erkennen wir, was Freud Ichspaltungsoder Subiektspaltung
nennt, und wit erfassen,u/arum Freud in dem Text, der ihrer Einfüh-
rung dienensoll, sieaufeine Spaltungnicht des Subjektssonderndes
Objekts (namentlich des phallischen)gründet.
Die logische Form, die diesezweite Operation dialektisch modifiziert,
heißt in der symbolischenLogik <Durchschnitt>,oder auchErgebnis
z2l
einer Zugehörigkeitzu- und zu-. Diese Funktion erfährt eine Modifi-
kation durch eine Teilhabe des Mangels am Mangel, durch die das 8 + 3
Subjektim BegehrendesAndern seinAquivalent zu dem wiederfinden
soll, was esals SubjektdesUnbewußtenist.
Auf diesemWegerealisiertsichdasSubjektin demVedust, in welchem
es als unbewußt auftauchte, durch den Mangel, den es im Andern
erzevgt, der Schneisefolgend, die Freud aufdeckt als den radikalsten
Trieb und den et <Todestdeb))nennt. Bin nichtqu- sollhier ein anderes
nichtqu- ausfüllen. Die Tat des Empedokles, die hierauf antwortete,
bringt zum Ausdruck,daßessichhierbeium ein Wollenhandelt.Dasael
kehrt zurück in demuelle.Dieswäre dasEnde der Operation.Kommen
wir nun zum Vedauf.
,feparare,trennen, läuft hier hinaus auf ein separere,sich selbsthervor-
bringen. Verzichten wir hier, wo der Sinn von einem Verb aufs andere
gleitet, ruhig auf gewisseHilfen, wie wir sie bei den Etymologen der
lateinischen Sprache finden könnten. Man halte sich lediglich vor
Augen, daßdiesesGleitenseinenGrund hat in der gemeinsamenZuge-
hörigkeit zur Funktion derpars.
Der Teil (la partie) ist nicht dasGanze,wie man so sagt,freilich meist
ohne zu übedegen. Hervorzuheben wäre nämlich, daß er mit dem
Ganzennichts zu tun hat. SeinePartei habenwir zu ergreifen, denn er
spielt seinePartie ganz alleine.Ausgehendvon seinerPartitur schreitet
das Subjekt voran zu seinet Geburt, dem Partus. Und dies impliziet
nicht die groteske Metapher, daß es sich neu in die V7elt setzt. Die
Spracheverfügt übrigens über keinen originären Ausdruck dafir,zu-
mindest im indoeuropäischenRaum nicht, in dem alle in dieserBezie-
hung gebrauchtenWörter juridischenoder sozialenUrsprungs sind.
Parereheißt zunächst <beschaffen>(ein Kind dem Mann). Deshalb
kann dasSubjektsich dasverschaffen,waseshier angeht,einenStand,
den wir als Zivilstand bezeichnen.Nichts im Leben einesjeden ent-
fesseltmehr Eifet, zu diesemzu gelangen.Um pars zu sein,würde er
wohl einengutenTeil (part) seinetlnteressenopfern,und diesdurchaus
nicht, um sichder Totalität zu integrieren,die übrigenskeineswegs von
clen Interessender anderengebildet wird, und noch weniger vom
allgemeinenInteresse,das sich von ihr ganz andercunterscheidet.
.\'eparare,v parare: um sich mit dem Signifikanten zu schmücken (se
parcr),demesuntediegt,kommt dasSubjektauf die Kette, die wir, was
ihren Intervallspunkt angeht, sehr genau auf eine Zweiheit reduziert
haben.Das sichwiederholendeIntervall, radikalsteStruktur der signifi-
kanten Kette, ist der Ort, an dem die Metonymie ihr l7esen treibt,
Vehikel, wie wir lehten, des Begehrens,
Es geschiehtjedenfallsunter der Einwirkung, in der das Subjekt in
diesemIntervall erfährt, daßAnderes ( Autre cbose ) esmotiviert als die
t44 Sinneffekte,mit denen es ein Diskurs umwirbt, daß es tatsächlichauf
dasBegehrendesAndern trifft, sogarnoch bevor esdiesesBegehrenso
nennenkann noch auch sich seinObjekt vorzustellenvermag.
Es bringt nichtsanderesan dieseStellealsseineneigenenMangelin der
Form jenesMangels, den esbeim Andern hervorriefe durch sein eige-
nesVerschwinden. Ein Verschwinden,das es,wenn wir so sagenkön-
nen, in der Hand hat von lenemTeil seinerselbstaus,der ihm aussei-
ner erstenEntfremdung wiederersteht.
STases aber damit ausfüllt, ist nicht die Kluft, der es im Andern
begegnet,es ist zuerst die des konstituierendenVerlusts einer seiner
Teile, durch den es sich dann in zwei Teilen konstituiert findet. Hier
liegt die Drehung, durch die die Trennung die Wiederkehr der Ent-
fremdung repräsentiert.Daß es ait seinemeigenenVedust operiert,
bringt esan seinenAusgangzurück.
Mit Bestimmtheitist das <kann er mich vedieren> seineZufucht vor
der Undurchddnglichkeitdessen,wasesam Ort desAndern alsBegeh-
ren antrifft, doch nur darum, um dasSubjekt zur Undurchdringlichkeit
desSeinszudckzuführen, die ihm ausseinemSubjektwerdenwiederer-
stand,so wie essich zuerstausder Aufforderung desandernherstellte.
Es ist dies eine Operation, deren Grundmuster man in der Technik
wiederfinden wird. Man wird sehen,wie auf die SkandierungdesDis-
kurses des Patienten, sofern hier der Analytiker eingreift, diesesPul-
sierendes Randssich einstimmt, durch welchesdas Sein entspringen
muß, dasdiesseitswohnt.
Die Erwartung der Ankunft diesesSeinsin seinerBeziehungzu dem,
waswir als BegehrendesAnalytikersbezeichnenin dem,wasdiesesan
Unvermerktem an sich hat, seine Stellung betreffend, wenigstensbis
heute noch, ist die wahre und letzte Triebfeder zur Konstituierung der
übertragung.
Deswegenist die ÜbertragungeineBeziehung,die wesentlichmit der
Zeit verknüpft ist und dem Umgang mit dieser.Vfasaber ist das Sein,
das,indem esuns vom Feld desSprechens und der Spracheaushervor-
bringt, von diesseitsdes Höhleneingangsaus antwortet? ITir geben
ihm den Körper der Höhlenwändeselbst,die damit zum Lebengelan-
gen oder vielmehr sich beseelenkönnten durch ein Beben, dessen
22'
I-ebensregungetfaßbargeworden ist, nachdemwir Funktion und Feld
des Sprechensund der Sprachein ihrer Bedingung bestimmt haben.
Wir sehennicht ein, daß man uns zu Recht vorwerfe, wir vernachläs-
sigten die Dynamik in unsererTopologie: Wir gebenihr eine Rich-
tung, und das heißt mehr, als aus ihr einen Gemeinplatz zu machen
(daswörtlichste ist nicht, wo man es gerne sagenmöchte).
\ü7asnun die Sexualitätangeht,wo man uns daranerinnern möchte, daß 8qs
siedie Kraft ist, mit der wit's zu tun haben,und auch,daßsiebiologisch
ist, gebenwir zurück, daß die Analytiker vielleicht nicht in dem Maß
zur Erhellung ihrer Gründe beigetragenhaben,wie man eineZeiilang
geglaubt hat, es sei denn, man zählt all die Versuche, das Natüdiche
der Sexualitäthymnisch zu feiern oder gar zu begurren. Wir wollen da
doch etwas Neueres beitragen und greifen zu einer Form, die Freud
hinter sich gelassenzu haben nie behauptethat: zu der des Mythos.
Wir folgen alsoden Spurenvon Aristophanesim schonzitierten <Gast-
mahl > und erinnernuns seinesprimitiven Tiers mit den zwei Rücken,in
dem zwei deckungsgleicheHälften sichvereinigenwie bei einer Magde-
burger Kugel, zwei Hälften, die dann, in einer zweiten Phasedurch
einen chirurgischen Eingriffdes eifersüchtigenZeus getrennt, die We-
senvorstellen, die wir - voll Hunger nach einer unauffindbarenErgän-
a)ng - in der Liebe geworden sind.
Hält man sich dieseKugelhaftigkeit desursprünglichen Menschenwie
auch seineTeilung vor Augen, so denkt man unwillküdich an das Ei,
das womöglich nach Platon in verdrängter Form weitedebte in jener
beherrschendenStellung, die man in der von den Naturwissenschaften
sanktioniertenHierarchie der Formen Jahrhundertehindurch der Ku-
gel eingeräumthat.
Sehenwit uns diesesEi an im lebendgebärendenBauch, wo es keiner
Schalenbedarf, und erinnern wir uns, daß ein jedes Mal, wenn die
Membranenbrechen,ein Teil desEis veiletztwird, denn die Membra-
nen beim befruchtetenEi sind die Töchter desselbenso gut wie dasLe-
bewesen,dasdurch ihre Perforationzutagetritt. Darausfolgt, daß,was
das Neugeborenebeim Abschneiden der Nabelschnur vediert, nicht,
wie die Analytiker meinen,seineMutter ist, sondernseineanatomische
Ergänzung. 1ü7as die Hebammenin Frankreich ddliareenennen.
Älso! Stellenwir uns vor, daß ein jedes Mal, wenn die Membranen
brechen, durch eben diesen Ausgang ein Phantom davonfliegt, das
224
Phantom einer unendlich ursprünglicherenForm desLebens,welches
kaum die Bereitschaft zeigenwürde, die rü7eltmikrokosmisch zu ver-
doppeln.
Wenn dasEi bricht, entstehtder Mensch,ftanzösischl'Horume,fedoch
auch die Homnelette.
Denken wir uns dieseals einen breiten Eierkuchen, der sich wie eine
Amöbe fortbewegt, ultraflach, so daß sie unter den Türen durchkann,
so allwissend,daß sie vom reinen Lebensinstinkt angeleiteterscheint,
unsterblich,weil sie sich durch Teilung fortpfanzt. Also etwas,das Sie
nicht gern übers Gesicht laufen ließen, welches es, geräuschlosund
während Sie schlafen,zupappenwürde.
8ar Nimmt man an, daß an diesemPunkt der Verdauungsvorgangbe-
ginnt, kann man begreifen, daß die Hommelette eine lange Zeit daran
sich sättigenkönnte (erinnern wir uns daran, daß es,Organismengibt,
sogat sehr differenzierte,die keinen Verdauungsappant besitzen).
Ich brauchenicht hinzuzufügen,daß der Kampf gegenein so schreckli-
chesWesenschnellaufzunehmen,wenn auch schwierigzu führen wäre.
Man muß nämlich annehmen,daßdie Hommelette, der ein sensorischer
Apparat fehlt und die sich daheran nichts alsam reinen Realenorientie-
ren kann, ebendadurchuns Menschengegenübereinenentscheidenden
Vorsprung hat, da wir ja immer einen Homunculus in unsermKopf
brauchen,um aus diesemRealeneine Realität zu machen.
Ihren Angriffen zu steuern,wäre in der Tat nicht leicht, zumal sie un-
möglich vorhersehbarsind, denn siekennt auchhier keineHindernisse.
Unmöglich, siezu erziehenund unmöglich auch,ihr Fallen zu stellen.
rü7asnun die Zerstörung der Hommelette angeht, so nehme man sich
davot in acht, daß sie nicht zu wuchern beginnt; sie anschneidenheißt
nämlich, ihrer Reproduktion vorarbeiten,und der geringsteihrer Able-
ger würde, wollte man ihn auchins Feuerwerfen, alle seineschädlichen
Kräfte bewahren,um zu übedeben. Sieht man ab von den Wirkungen
tödlicher Strahlen,die aber noch nicht erprobt sind, bleibt als einziger
Ausweg, sie einzusperren,sie beispielsweiseeinzuklemmen zwischen
den Hälften einer Magdeburger Kugel, die sich hier wiederum wie
durch Zufall als einzigesInstrument nahelegt.
Sie müßte dann aber ganz und ganz alleine dorthin gelangen.Denn
wenn man sie mit den Fingern anrührt, sie anstößt als ein Nichts, das
überfließt, dann würde der Tapferste Grund haben, zweimal hinzuse-
hen, er müßte fürchten, daß sie ihm durch die Finger glitte, und wo
würde sie sich dann niededassen?
rt
Bei ihrem Namen, den wir dutch den dezenterenNamen <Lamelle>
ersetzenwollen (zu dem das Wott Omelettenur eine Metastaseroist),
scheinenuns Bild und Mythos hinreichend geeignet,das;was wir Li-
bido nennen,nicht nur darzustellen,sondetn auch an den rechtenPlatz
zu rücken.
Das Bild stellt:unsdieLibido vor alsdas,wassiein der Tat ist, ein Organ.
Sie steht einem solchendurch ihre Eigenschaftenweit nähet als einem
Kraftfeld. Wir können auch sagen:Sieorganisiertein solchesKraftfeld
als Oberfläche.Diese Konzeption läßt sich überprüfen, wenn man die
Montagestruktur, die Freud dem Trieb zuerkannt hat, erkennt und
ihn in einer solchenartikuliert.
Der Bezug auf den Elektromagnetismusund namentlichauf dasSto- 8+7
kesscheTheorem würde esuns ermöglichen,den Grund für die Kon-
stanzdesDrangesdesTriebes,auf welcherFreud so sehrinsistiert,in
der Bedingungzu sehen,daßjene Oberflächesich auf einengeschlos-
senenRand stützt, der die erogeneZone darstellt.lt
Man sieht auch, daß das,was Freud den Triebcschub>" nennt, nicht
die Entladung desTriebs meint, sondernviel eher zu beschreibenwäte
als das Evaginieren hin und zurück einesOrgans, dessenFunktion in
den vorausgehendensubjektiven Koordinaten zu situieren wäre.
Dies Organ muß irreal genannt wetden in dem Sinne, daß das Irteale
nicht das Imaginäte ist und dem Subfektiven, das es bedingt, voraus-
geht, da es im direkten Zusammenhangmit dem Realensteht'
Genau dem will unser Mythos, wie ieder andere Mythos, zu symboli-
scherAttikulation eher als zu bildhaftem Ausdruck verhelfen.
Io Es ist uns zu Ohten gekommen, daß man sich voll der Milch der ftommen
Denkart lustig macht über unsere Bezugnahme auf Metastaseund Metonymie (sic !).
In der Tat gibt der nur selten was zu lachen, dessenGesicht den Slogan illustriert,
aus dem vrir sein Markenzeichen machen: einen lachenden Kuhfladen.
!I Es ist bekannt, was dieses Theorem über den Rotationsfluß aussagt. Es setzt
ein stetiges und difrerenzierbaresVektorfeld voraus. In einem solchen Feld, in dem
die Rotation eines Vektors definiert ist durch die Äbleitungen der Komponenten
desselben,läßt sich zeigen, daß die Zirkulation diesesVektors auf einer geschlos-
senen Linie gleich ist dem Rotationsfluß, der gebildet wird aus der Oberfläche,
die sich auf diese Linie als auf einen Rand stützt. Damit ist gesagt: Nimmt man
diesen Fluß als invariant, dann erlaubt das Theorem den Begriff eines Stromes
(quer) zum Kteisen um eine Öffnung, nämlich so, daß die Ausgangsoberfäche
hicr nicht in Änschlag zu kommen braucht.
rrürTopotoge",f a*.ü : lf ä3.no,. ü.
'' A.d.U.: <Schub>im Original deutsch.
zzG
Unsere Lamelle stellt hier jenen Teil des Lebenden dar, der sich ver-
liert, wenn diesessich auf den Wegen des Geschlechtsproduziert.
Dieser Teil kommt gewiß nicht ausohne jene"käger,die die mikrosko-
pischeAnatomie materialiterin jenenzweiphasigausgestoßenen Tröpf-
chen nachweistbei den Erscheinungen,die sich um die chromosoma-
tische Reduktion bei der Reifung einer Geschlechtsdtüsegruppieren
lassen.
Indem er hier repräsentiertist durch ein sterbliches'Wesen, bezeichnet
er die Beziehung,an der das Subjekt sein Teil hat von der, im Indivi-
duum spezifizierten,Sexualitätbis zu seinemTod.
DasErstaunlichean dem,wassichdabeiim Subjekttepräsentiert,ist die
Form desanatomischenSchnitts(hier wird der etymologischeSinn des
Wortes <Anatomie>wieder lebendig),in welchemsich die Funktion
gewisserObjekte entscheidet,gewisserObjekte,die man nicht partiell
nennensollte, weil sie vielmehr eine Lage ä part, eine durchausbeson-
dere Lage haben.
tiai Die Brustt3,wenn wir siehier alsBeispielfür die Problemenehmen,die
dieseObjekte aufwerfen,ist nicht nur Quelle einer <regressiven> Sehn-
sucht, weil sie für eine geschätzteNahrung einsteht.Sie ist mit dem
müttedichen Körper verbunden, wie man uns sagt, mit seinerWärme,
das heißt mit der liebenden Fürsorge. Das ergibt freilich noch nicht
den hinreichendenGrund für ihren erotischenV7ert,den ein Gemälde
von Tiepolo (in Berlin), dasdie hl. Agathe nach ihrer Marter darstellt,
in seiner übersteigerten Gräßlichkeit viel besser veranschaulichen
kann.
Tatsächlichhandeltessich nicht um den Schoßim Sinnevon <Gebär-
mutter), wenn man auch gerneAnklänge mit hereinnimmt,in denen
der Signifikant voll mit der Metapher spielt. Es handelt sich um Brust
odet Schoßin der Funktion der Entwöhnung alseinerPräfiguration der
Kasttation.
Indessenist die Entwöhnung seit den ForschungenMelanie Kleins
allzusehr mit dem Phantasmader Teilung des mütterlichen Kötpers
verknüpft, als daß wir nicht annehmen sollten, daß die Ebene der
Trennung, die aus der Brust das im Begehren witkende vedorene
Objekt macht,zwischenBrust und Mutter durchgeht.
Denn wenn man sich daran erinnert, in welch parasitäreBeziehungdie
Otganisation der Säugetieredas Junge beim Übergang vom Embryo
227
zum Neugeborenenin bezug auf den Köryer der Mutter bringt, wird
die Brust als dieselbeArt, als Ektopie von einem Individuum auf ein
andereszu betrachtendesOrgan erscheinen,das die Plazentain der er-
sten Zeit des Wachstums eines bestimmten Typs Organismus reali-
siert, der durch diesenSchnitt spezifrziettbleibt.
rr Heben wir trotzdem hervor, daß, wenn wit hier in ironischer Form die Funktion
des <Partial>obiekts ienseits der Beziehung auf die Regression wiederherstellen,
mit der man sie für gewöhnlich verschleiert (wohlverstanden: diese Beziehung
entsteht erst von der Struktur aus, die diesesObjekt definiert - das wir das Obiekt a
nennen), so haben wir sie doch nicht bis zu dem Punkt vorantreiben können, der iht
zentralesInteressedarstellt, nämlich das Objekt (-9) als <Ursache> des Kastrations-
komplexes.
(4.d.Ü: Lacan verweist nun auf den Äufsatz Dn <Trieb>de Fread et dtt detir da
ptyehanajste,der in den Ecrits unmittelbar folgt und diesesObiekt (-9) zum Thema
hat. Dann fährt er fott:)
Der Kastrationskomplex aber, der im Zentrum unseref gegenwärtigen Entwicklun-
gen steht, führt über die Grenzen hinaus, die der Theorie durch iene Tendenzen
gesetztwurden, die sich in der Psychoanalysekurz vor dem Krieg als neu abzeichne-
ten und von denen sie als ganze noch affiziert bleibt,
Velche Hindernisse wir hier zu überwinden haben, laßt sich an der Zeit sehen,die
wir brauchten, um diesen Text der Rede von Rom folgen lassenzu können, ebenso
an dem Umstand, daß im Äugenblick, wo wir ihn korrigieren wollen, die ursprüng-
liche Kollationierung immer noch auf sich warten läßt.
210
I iS iDI E $ t r I SS E N S C H Ä F T U N D D IE
NTÄHRHEIT
2tt
risch definiertes,von Descartesuntet dem Namen descogitoinauguriet-
tes Moment, dessenstrikter Wiederholbarkeit in der Erfahrung uns zu
vergewissernvielleicht nötig sein wird.
DiesesKorrelat, als Moment, ist die Engführung, an der jedesWissen
zurückgewiesen wird, jedochbeanspruchtes,dem Subjekteinegewisse
Verankerung im Sein zu vedeihen, die nach unseremDafürhalten das
Subjekt der Wissenschaftin seiner<Definition > im Sinnevon Engpaß
allererstkonstituiert.
DieserFadenhat uns nicht vergebensgeführ, habenwir doch am Ende
desJahresdie uns in der Edahrung gegebeneTeilung des Subjektsals
Teilung zwischendem Wissenund der Wahrheit formulieren können,
unter Verwendung einestopologischen Modells, des Moebiusbandes,
an dem verständlichwird, daßdie Teilung, woraus sich die Verbindung
dieserbeidenBegriffeergibt, keineswegsauseiner Unterscheidungdem
Ursprung nach hervorgehenmuß.
Wer Freud gerechtwerden will, wenn er ihn so liest, wie ich esmußte,
um jedeneinzelnenseinerBegriffe in ihre synchroneOrdnung zu brin-
gen, muß vonder lcbtpaltung*,auf die der Tod schonseineHand senkt,
zurückgehenzu den Aufsätzenüber den FetischismusQ9z) und über
den Realitätsverlust(rgr+); er wird dort feststellen,daß die Umarbei-
tung der Lehre, die man in der zweiten Topik sieht, mit der Einfüh-
rung der Begliffelch+, übericb*und.Er* keineswegs psychischeAppa-
ratebestätigt,sonderndie tüTiederaufnahme der Erfahrung gemäßeiner
Dialektik vorstellt, die sich wohl am bestenals dasbestimmenläßt, was
der Strukturalismusseitdemlogisch zu erschließenedaubt: dasin einer
konstituierendenTeilung begriffeneSubiekt.
Wonach dasRealitätsprinzip jene Unstimmigkeit verliert, die ihm bei
Freud anhaftete,stellte man bloß Texte nebeneinander:es müßte sich
dann nämlich in zwei Begriffe der Realität teilen: einen, der die psy-
chische Wirklichkeit miteinbegreift und einen anderen, der sie zum
Korrelat des SystemsWahrnehmung/Bewußtsein macht.
l)och es muß gelesenwerden, wie es sich tatsächlichdarstellt: als die 8sz
vom Subjekt der'STissenschaft verfügte Erfahrungslinie.
Bedenktman das,so nehmenjeneüberlegungen, die man sichaufgrund
ihrer Selbstverständlichkeituntersagt, sogleich das ihnen gebührende
Feld ein.
Daß es zum Beispielundenkbarist, die Psychoanalyse als Praxis,das
Llnbewußte- dasFreudsche- als Entdeckung hätten ihren Platz finden
können vor der Geburt der Wissenschaftim rT.Jahrhundert, dem
2r4
sogenanntenJahrhundert des Genies- einer \üflissenschaft in dem so-
ebenangedeutetenabsolutenSinn, der keineswegszum Verschwinden
bringt, was unter dem gleichen Namen vormals bestand, darin aber
auch nicht seinenArchaismus sieht, sondern vielmehr ausihm den Fa-
den zu sich in einer Weise aufnimmt, die seineDiffetenz zu jedem an-
derennut besserzeigt.
Einesist sicher:Wenn alsodasSubjektim Knoten der Differenzda ist,
wird jede humanistischeReferenzdarauf überfüssig, denn gerade sie
unterbindetes ja.
\7ir haben bei diesenAussagenüber die Psychoanalyseund die Ent-
deckung Freuds nicht einen Zufall im Auge, derart, daß er mit der
Entdeckung des Unbewußten nur deshalberfolgreich die Psychoana-
lyse habe begründen können, weil seine Patienten zu ihm kamen im
'Vüissenschaft
Namen der und des Ansehens,das sie zu Ende des
r9. Jahrhundertsihren auchunbedeutendeten Dienern verlieh.
1ü7irbehaupten,entgegenden Auslassungenüber einen vorgeblichen
Bruch Freudsmit dem Szientismus seinerZeit, daßgeradedieserSzien-
tismus ihn dazugeführt hat - das zeigenuns seineSchriften-, den Weg
zu etschließen, der auf immer seinenNamenträgt; ein Szientismus, den
man doch wohl als den Idealen eines Brücke verpfichtet bezeichnen
muß, die selbstwiederum überkommen sind von Helmholtz und Du
Bois-Reymond,die sich der Aufgabe verschriebenhatten,die Physiolo-
gie und die in sie einbezogenenDenkfunktionen in die mathematisch
bestimmtenTerme der zuihrerZeit schonnahezuvollständig entfalte-
ten Thermodynamik einzubringen.
rü7irbehaupten,daßdieserITeg niemalsabgewichenist von den Idealen
desnun einmal so genanntenSzientismus,und daß die Markierung, die
er durch sie erfahren hat, nicht zufällig ist, sondern ihm wesentlich
bleibt.
Daß er dank dieser Markierung vertrauenswürdig gebliebenist trotz
der Abwege, zu denensie vedeitete; Freud hat sich diesenAbwegen
immer mit einer Bestimmtheit ohne Säumnis und mit unbeugsamer
Strengeentgegengestellt.
858 Davon zeugt der Bruch mit seinemblendendstenSchüler,Jung, alsdie-
ser sich auf etwas einließ, was seinerFunktion nach nicht andersdenn
als Versuch bestimmt werden kann, ein Subjekt zu restaurieren,dasin
den Tiefen gründet, dieserletzte Begriffim Plutal, was daraufverweist,
daß essich um ein Subjekt handelt, dasauseinem sogenanntarchetypi-
schenVerhältnis zum Wissenbesteht,dasnicht teduzierbarist auf jenes,
23t
<lasdic moderne\Wissenschaft unter Ausschlußeinesjedenanderenihm
crlaubt, und das wir letztes Jahr als punktuell und flüchtig bestimmt
haben: lenesVerhältnis zum S7issen,dem von seinerhistorischenInau-
guration der Name cogitogebliebenist.
Dank diesem, in der ganzenArbeit Freudsoffenkundigen,unbezweifel-
baren Ursprung, dank dieser Lektion, die er uns als Chef der Schule
erteilt hat, bleibt der Versuch des Marxismus, sein Denken im Namen
seinerhistorischenBedingtheiten in Frage zu stellen, ihm den Prozeß
zu machen,unzureichend- abgesehendavon, daßmir kein Marxist be-
kannt ist, der dies mit einigem Nachdruck versucht hätte.
Ausdrücklich möchte ich nennen: seineBedingtheit durch die Gesell-
schaft der Doppelmonarchie, wegen der judaisierenden Schtanken,
in denen Freud mit seinengeistigenAbneigungen befangenbleibt;
durch die kapitalistischeOrdnung, die seinenpolitischen Agnostizis-
mus bedingt (wer von Ihnen schreibt uns einen Essayüber die Indiffe-
renzin SachenPolitik, der Lamennais'würdig ist ?); und lassenSiemich
hinzufügen: durch die bürgerliche Ethik, für die uns die Dignität sei-
nes Lebens einen Respekt eingeflößt hat, der die Einsicht verhindert
hat, daß sein \7erk - entgegenallem Mißverständnisund aller Verwir-
rung - zum Schnittpunkt für die einzigenuns verbleibendenMenschen
der Wahtheit geworden ist: den revolutionären Agitator, den Schrift-
steller, dessenStil die Spracheprägt - ich weiß, an wen ich denke -,
und jenes das Sein erneuerndeDenken, von dem wir den Vodäufer
haben.
Man spürt die Hast, mit der ich all dieseVorkehrungen hinter mir lassen
möchte, getroffen, um die Psychoanalytikerzu den für sie über alle
Zweifel erhabenenGewißheiten zurückzuführen.
Dennoch muß ich sie noch einmal durchgehen,und seiesum den Preis
einiger Schwerfälligkeiten.
Daß das Subjekt, mit dem die Psychoanalyseoperiert, nur das Subjekt
der Wissenschaftsein kann, dieseAussagemag paradox anmuten. Und
doch muß geradehier eine Abgrenzung vorgenommen werden, ohne
die alles sich vermengt und jene Unehrlichkeit beginnt, die man wo-
anders objektiv nennt: was aber nur Mangel an Mut beweist und
zeigt, daßes nicht gelungen ist, das entgleitendeObfekt festzuhalten.
Für unsereSubjekt-Positionsind wir immer verantwortlich. Man mag
das, wo man will, Terrorismus nennen. Darüber lache ich, zu Recht, I t g
denn in einem Rahmen,wo die Lehre offen Verhandlungsgegenstand
ist, braucheich nicht zu befürchten, jemandemmit der Formulierung
2t6
zu mißfallen, daß der Irrtum aus Gutgläubigkeit der unverzeihlichste
von allen ist.
Die Position des Psychoanalytikersläßt keine Ausflucht, schließt sie
doch die Zärtlichkeit der SchönenSeeleaus. rüüennauch dieseAussage
ein Paradoxist - ist es dann nicht vielleicht dasgleiche?
ITie dem auch sei,ich behaupte,daß ieder Versuch, jedeVersuchung -
worin die gängige Theorie sich immer wieder verfängt -, die Inkarna-
tion des Subiektsweiter vorzulagern, in die Irre geht - immer schwan-
ger geht mit Irrtum und als solchefehlgeht. Ebensoverhält es sich mit
seinerInkarnation im Menschen,der damit zum Kind wird.
So wird dieser Mensch nämlich der Primitive sein, und das verfälscht
alles am Primärprozeß, wie umgekehrt das Kind dann das Unterent-
wickelte vorstellt, und dasverschleiertdie Wahrheit dessen,was sichim
Verlauf der Kindheit an Ursprünglichem begibt. Kurz: die archaische
Illusion, vor der ClaudeLdvi-Strausswarnt, ist in der Psychoanalyse
nur dann zu vermeiden, wenn man sich in der Theorie eng an das so-
ebenformuliete Prinzip hält, nämlich daß in ihr nur ein einzigesSub-
jekt als solcheszugelassen wird: dasjenige,welchesihre V7issenschaft-
lichkeit ermöglicht.
Das mag genügen,um zu zeigen,daßwir keinenWert darauflegen,der
Psychoanalysehier irgendeinenVorzug einzuräumen.
Es gibt keine STissenschaft des Menschen,was etwa so aufzufassenist
wie: ausnichtswird nichts.Es gibt keinelfissenschaftdesMenschen,
weil esnur dasSubjekt,nicht abetden Menschender'lfissenschaftgibt.
Bekanntlich hege ich seit je eine Abneigung gegen die Bezeichnung
Humanwissenschaften;sie scheint mir der Appell der Unterwerfung
schlechthinzu sein.
DieserÄusdruck ist nun einmalfalsch,außerfür die Psychologie,die
Mittel und V/egegefundenhat, in den Diensten fortzuleben,die sieder
Technokratieerweist; bessernoch: in einerTobogganfahrtvom Pan-
th6on zur Polizeipräfektur2,wie mit wahrhaft SwiftschemHumor ein
aufsehenerregender Artikel von Canguilhemschließt.Aber ebensosi-
cher ist, daß die Psychologiein der Ausleseschöpferischer'Wissen-
schaftler, dem Aufbau und dem Unterhalt der Forschung scheitern
wird.
Alle anderenSfissenschaftendieserKlassebilden, wie man sich leicht
klarmachen kann, keine Anthropologie. Man sehe sich etwa Ldvy-
t A.d.Ü.:Titeleines\TerkesvonCl.Lövi-Strauss:.flrartaresälämentairesdelaparentä,
P.U.F., Paris r949.
I A, d. Ü,: Cl. Lövi-Strauss:Le craet le cuit, Plon, Paris r964; deutscheÜbersetzung
von llva Nfoldenhauer: Das Rohe und das Gekochte, Suhtkamp, Frankfurt r97o.
s A.d.U.: Essalinaidof aGrammarof Asrcnt (r87o);deutschals <Entwurf einer
T,ustimmungslehre>, DutchgeseheneNeuausgabeder Übersetzung von Theodor
llaccker (r9zr und r9z7), M.Grünewald-Vetlag,Münz t96t.
240
Newman hat ihre Stärken, obwohl zu abscheulichenZwecken verfer-
tigt - darauf werde ich vielleicht noch einmal zurückkommen müssen.)
Das Objekt der Mythogenie ist also weder an eine Entwicklung noch
an einen Stillstand desverantwortlichen Subjektsgebunden.Nicht mit
ihm, sondernmit dem Subjekt der Wissenschaftsteht es in Relation.
Und seineBestimmungwird um so korrekter sein, ie besseres dem
Informanten gelingt, seineeigenePräsenzauf die Präsenzdes Subjekts
der Wissenschaftzu reduzieren.
Ich glaubenur, Cl.Livi-Strausswird Vorbehaltedagegenäußern,eine
von der Psychoanalyseinspirierte Befragung mit der ganzenvon ihr
unterhaltenen Übertragungsrelation, beispielsweiseeine Folge von
Ttäumen,in die Dokumentensammlungaufzunehmen.\Teshalbabet?
Ich kann ihm versichern,daßunserePraxis,ohne dasSubjektder Wis-
senschaft, von dem allein er etwaswissenkann und will, im geringsten
zu entstellen,daß diesePraxis rechtenskeinen Eingriff vornimmt, der
nicht gerade seine befriedigende Realisierung genau in dem Feld an-
strebte,dasihn interessiert.
863 Heißt das nun, daß ein nicht saturiertes, dafür aber berechenbares
SubjektdasObjekt ausmachte, welches- gemäßdenFormendet klassi-
schenEpistemologie denKorpus der tüissenschaften
- versammelt,die
konjektural zu nennenwären - ein Ausdruck, den ich gegenüberdem
der Humanwissenschaftenvorgeschlagenhabe?
Ich haltediesfür um so wenigerangezeigt,alsdiesesSubjektselbstTeil
det Konjunktur ist, die die Wissenschaft in ihrer Gesamtheitausmacht.
Die Entgegensetzung von exaktenund koniekturalenWissenschaften
ist in dem Moment nicht mehr aufrechtzuerhalten, wo die Koniektur
einer exakten Berechnung (\fahrscheinlichkeit) zugänglich wird und
wo die Exaktheit sich ausschließlichauf einen Axiome und Symbol-
gruppierungsgesetze trennendenFormalismusgründet.
Wir sollten uns jedoch nicht damit zufriedengeben,den meht oder
wenigergroßenErfolg einesFotmalismuszu konstatieten,gehtesdoch
in letzterInstanzdarum,seineZurechtlegungzu begründen,die ja nicht
wie durch ein Wundet entsteht,sondern sich im Gefolge außerordent-
lich wirksamer Krisen immet wieder etneuert, nachdem einmal eine
gewisseRichtschnurgefundenscheint.
ITir wiedetholennoch einmal: Es gibt etwasim StatusdesObjektsder
'Wissenschaft,
dasuns, seit der Entstehungder Wissenschaft,noch nicht
erhellt scheint.
Und esseidaranerinnert:wenn wir jetzt die FragenachdemObjekt der
r6 24r
Psychoanalysestellen und damit die Frage nach det Position der Psy-
choanalyse:innerhalboder außethalbder'S7issenschaft wiederaufneh-
men, die wir, seitdemwir auf dieseTribüne gestiegensind, gestellt
haben,so tun wit diesnun mit dem Hinweis darauf,daß siezweifellos
nicht zu lösenist, ohne daß die Fragenach dem Objekt in der -'J7issen-
schaftüberhauptmodifiziertwird.
Das Objekt det Psychoanalyse (ich bekennemeineFarbeund, wie Sie
sehen,siekommt mit ihm !) ist nichtsanderesalsdas,wasich schonüber
die Funktion, die dasObjekt a in thr spielt,vorgebrachthabe.So wäre
alsodas\Tissenüber dasObfekt a die Wissenschaftder Psychoanalyse?
GenaudieseFormulietung gilt es zu vermeiden,denn diesesObiekt a
ist, wie wir wissen,in die Teilung desSubjektszu inserieren,wodurch -
und hiervon sind wir heute wieder ausgegangen - das psychoanaly-
tischeFeld sich in spezifischer Weisestrukturiert.
Deshalbwar eswichtig, zunächstdie von der Frage, ob die Psychoana-
lyse eine V7issenschaftsei (ob ihr Feld wissenschaftlichsei) zu unter-
scheidendeTatsacheherauszustellen,daßihre Praxis kein anderesSub-
jekt impliziert als dasSubjektder Wissenschaft.
Soweit muß teduziert werden, was ich mit einemBild einführen möch- 86+
te als die Öffnung des Subjektsin der Psychoanalyse,wenn erfaßt wer-
den soll, was es in ihr von det Wahrheit empfängt.
Ein - man spürt es - gewundenesVorgehen, das mit der Zähmung
zusammenhängt. Das Objekt a ist nicht ruhig, oder könnte esvielmehr
sein, daß es Sie nicht ruhig läßt? Am wenigstendie, die mit ihm am
meistenzu tun haben: die Psychoanalytiker,die ich durch meinen
Diskurs demnachbesondersfestzulegenversuchenwürde' Das stimmt'
Der Punkt, an demich mich für heutemit Ihnen verabredetund an dem
ich Sie letztes Jahr verabschiedethabe, der Punkt der Teilung des
SubiektszwischenWahrheitund'Wissenist Ihnen ,a vertraut.Es ist der
Punkt, an dem Freud die Psychoanalytiker unter dem Ruf versammelt:
lVoEs war,nll lcb aerden*, was ich noch einmal übetsetze,um eshiet zu
betonen: lä oü c'dtait,lä commesujetdois-jeaduenir(da wo's war, da soll
ich, als Subjekt,ankommen).
Ich zeigelhnen, wie absondediches ist, diesenPunkt rücklings anzu-
gehen,indem ich Siehier vielmehran seineFront führe. Wie vermöch-
te sich, was mich von einem dunklen Sein seit ie erwartet hat, zu tota-
lisierenmit einem Strich, der nur gezogenwerden kann, wenn es da-
<lurchnur um so saubetervon dem abgetrenntwird, was ich von ihm
wissenkann?
242
Die Frage der doppelten Inschrift stellt sich aber nicht bloß in der
Theode, bedenkt man die Perplexität, die sie bei meinen Schülern
Laplancheund Leclaire hervorgerufen hat, aus der die beiden in ihrer
eigenen Sezessionbei der Annäherung an das Problem wohl seine
Lösung hätten herauslesenkönnen. Sie ist weder gestalttheoretischer
Art, noch kann siein jenem Teller mit dem in den Baum eingeschriebe-
nen Kopf Napoleons gesucht werden. Sie liegt ganz einfach in der
Tatsache,daß die Inschrift, je nachdem sie von der Druckplatte der
Wahrheit oder der des l7issens stammt, die Urkunde nicht auf der
gleichen Seiteprägt.
Das Ineinander dieset Inschriften war in der Topologie leicht aufzulö-
sen: eineOberfäche,auf der Vorderseiteund Kehrseitesichallenthal-
ben berühren, lag hier auf der Hand.
Damit dieseTopologie den Analytiker aberergreifenkann, muß sieihn
nicht bloß in ein intuitives Schema,sondernweit mehr: muß sieihn -
wenn ich so sagendarf - in sein Sein einschließen.
Deshalb kann, wenn er sie anderswohin verschiebt, das nur in einer
puzzleartigenAufsplitterung geschehen,die iedenfalls vedangt, auf
jener Basiswieder zurechgelegtzu werden.
Weshalbesnicht fruchtlosist, erneutzu sagen,daß,wenn manschreibt:
86s ichdenke,<<ako binich>>,
mit Anführungsstrichenum den zweiten Satzteil,
sichdasliest : dasDenken begründetdasSeinnur insofern,alsessichins
Sprecheneinknüpft, wo jede Operation an das Wesen der Sprache
rührt.
'Wenn
Heidegger uns irgendwo das cogitoJam zu eigenen Zwecken
bietet, so bleibt anzumerken,daß er den Satzalgebraisiert,so daß wir
mit Recht seinenRest hervorhebendürfen : cogitoergo,wotin zum Aus-
druck kommt, daß ohne Berufung auf die Ursachenichts gesprochen
wird.
GenaudieseUrsacheaberdeckt dasnll lch* der Freudschen Formulie-
rung, die in ihrer Umkehrung das ParadoxeinesImperativs heraus-
sptingen läßt, der mir die Bürde meiner eigenen Ursächlichkeit auf-
lädr.
Dennoch bin ich nicht Ursachemeiner selbst,nicht etwa deshalb,weil
ich dasGeschöpfbin. Mit dem Schöpferverhältessichnicht anders.Ich
kann Sie da auf Augustinus und den Prolog zu seinem De Trinitate
vetweisen6.
z4t
Spinozascausasui kann den Namen Gottes annehmen.Sie ist Etwas
Anderes (Aatre Chose).Aber überlassenwir das dem Spiel dieset
beiden W'orte, mit dem wir nur einfangen möchten, daß sie auch Et-
wasanderes (Cltoseautre) als das Ganze (le Tout) ist und daß dieser
Gott als derart anderes (autre) insofern nicht der Gott des Pantheis-
mus ist.
In jenem ego,demDescartesin einigen seinerlateinischenTexte gerade
durch seinefunktionelle Überflüssigkeit einenbesonderenAkzent vet-
leiht ( was auszulegenich hier den Spezialistenüberlasse),muß genau
der Punkt erfaßt wetden, wo es bleibt, was es sich zum Sein gibt:
nämlich abhängig zu sein vom Gott der Religion. Das egoist - ein
befremdlicherAbfall desergo- diesemGott verpflichtet. Descartesläßt
es sich besondersangelegensein, es vor dem trügerischen Gott zu
behüten: aber damit hütet er geradeseinenMitspieler - und geht dabei
so weit, ihn mit dem außerordentlichenPrivileg auszustatten,nur als
Schöpferder ewigen l7ahtheiten dieseauch verbürgen zu können.
Diese Schicksalsgemeinschaft zwischendem egound Gott, die wir hier
angemerkthaben,ist die gleiche,die in den mystischenBeschwörungen
zum Ausdruck kommt, die Angelus Silesius,ein ZeitgenosseDescat-
'!7eise
tes', auf eine so herzzerteißende bekennt und die ihnen dort die
Form desDistichons vedeiht.
Meine Zuhörer würden gut tun, sich datanzu erinnern, wie hilfreich es
war, diese Stoßgebetedes cherubinischen Wandersmannesauf der
Fährte der Einfühtung in den Natzißmus aufzunehmen,der ich seiner-
zeitinmeinem Kommentar über den Präsident Schreber auf meineW'eise
folgte.
Man kann ja hinken bei dieserDrehung - esist der Schönheitsschdtt! -
nur muß man richtig hinken.
Und sich vor allem sagen:die beiden Seitenklinken nicht fugenlos in-
einander.
Ich werde mir alsoerlauben,esfür einenAugenblick dabeibewendenzu
lassen,um noch einmal auszugehenvon einemWagestückmeinerseits,
dessen\fliederholung heute nur zur Erinnerung dient. Andernfalls
hieße das, es zweimal zu wiederholen, bis repetitain dem rechten Sinn
nicht einer bloßen lfiedetholung.
Es handelt sich um La Chose freudienne, einen Diskurs, dessenText seit
ienem Male der eines zweiten Diskurses ist, da ich ihn wiederholt hatte'
Das erstemal (möge dieseInsistenz in ihrer Trivialität Ihnen klarma-
chen, daß die Wiederholung eine Gegenspur in der Zeit hervorruft)
244
wurde er für jenesrü7iengehalten, dem ich meine erste Begegnung -
mein Biograph wird das festzuhaltenhaben - mit dem verdanke, was
man den heruntergekommenstenTeil der Welt der Psychoanalysenen-
nen muß. Insonderheit mit einer Person,die ihrer Bildung und Vefant-
wortlichkeit nach einem Leibwächter glich? - aber was schertemich
das, ich sprach in die Luft. Ich wünschte damalsbloß, es möge von
hiet auszum hundertsten Geburtstag von Freud meine Stimme zu eh-
rendemGedenkenvernommen werden. Nicht etwa, um die Stelleeines
vedassenenOrtes zu bezeichnen,sondern jene andere, um die heute
mein Diskurs kreist.
Man weiß, daß der von Freud eröffneteWeg nut den einen, von mir
wieder aufgenommenenSinn hat: das Unbewußte ist Sprache- und
daß, was heute als geriichertgilt, für mich schon damalssicherwar. So
kam mir in einer Bewegung, die vielleicht spielerischdie Herausforde-
rung Saint-Justswiederholt, der, umgebenvon der Öffentlichkeit einer
Versammlung, das Geständniszum Himmel richtete, daß er nichts an-
deressei als was zu Staubwerdenwird, und dazu,wie er sagt, <einer,
det zu euch spricht > - da kam mir also die Eingebung, ich würde für
ihn sprechen,indem ich'auf dem Weg von Freud eine allegorischeGe-
stalt seltsamaufeben und die Nacktheit schimmern sahin neuem Ge-
wand, in das sich hüllt, die aus dem Brunnen steigt.
<Ich, die Wahrheit,ich spreche. . .>,und weiter geht die Personifikation.
Denken Sie an die unnennbareSache,die, vermöchte sie dieseWote
auszusprechen,ans Sein der Spracherührte, und Sie vernehmen sie,
wie sie ausgesprochen werden müssen:im Schrecken.
Aber in diese Enthüllung legt jeder, was er hineinlegen kann. Halten
867 wir ihr die gedämpfte,obgleich darum nicht weniger lächerlicheDra-
matik des tempotzugute, mit dem jener Text zu Ende geht, den Sie in
L'Eaolution pslchiatrique,Nummer r, 1956,unter dem Titel La Chose
freadiennes fi nden können.
Ich glaubenicht, daß esam Edebnis jenesSchreckensliegt, wenn mein
Auditorium die in diesem{ext abgedruckteWiederholung des Vor-
trags eherkühl aufnahm.Und wenn esüberhaupt realisierenwollte, wie
7 und die später mitwirkte bei dem Unternehmen, unsere Lehrtätigkeit zu destruie-
ren, Dessen Ausgang ist dem anwesendenAuditorium bekannt; den Leser berührt
er nur insofern, als die Zeitschfift La Psltchana[ueverschwand und ich auf den Stuhl
berufen wurde, von dem aus diese Vorlesung gehalten ist.
8 Vgl, die letzten Zeilen auf S.4o8 der Ecrits. (4. d. Ü. : Dieser Äufsatz ist nicht in
die vorliegende Ausrvahl aufgenommen.)
24t
sehr der Vortrag ihm entgegenkam,so erwies sich seineTaubheit da-
bei als von ganz besondererÄrt.
Nicht daß die Sache(die Cbose,die im Titel steht) es schockiert hätte,
diesesAuditorium - nicht so sehrwie manchemeiner Rudergefährten,
damals,Ruderer auf einem Floß, auf dem ich durch ihre Vermittlung,
zur narzTßtischen NotspeisungunsererMitschiffbrüchigen, während r o
Jahren geduldig in wilder Ehe verbrachtemit dem JaspetschenVerste-
hene, mit einem zukurz kommendenPersonalismus, mit allenSchmer-
zen der'!0elt, um es uns allen zu ersParen,mit dem Teer der liberalen
Seelengemeinschaft bestrichenzu werden. Die Sache:kein hübsches
W'ort, hat man mir wörtlich gesagt; nun, vielleicht verditbt es g nz
einfach jenes allerfeinsteAbenteuer der Einheit der Psychologie, wo
man wohlgemerkt nicht darandenkt, zu versachlichen,nein ! Wem wäre
da zu trauen?Kamerad,wir glaubtenSiein der Vorhut desFortschritts.
Man sieht sich nicht, wie man ist, und noch weniger' wenn man sich
näherkommt unter den Masken der Philosophie.
Aber lassenwk das. Um das Mißverständniszu messen,wo es von
Gewicht ist, auf der Ebene meinesAuditoriums von damals,will ich
den Vorschlaghennziehen, der etwa zu ienem Zeitpunkt vorgebracht
wurde; man könnte ihn rührend finden angesichtsdes Enthusiasmus'
den er vofaussetzt:<<'Warum>>, verbreitetesich iemand - und das ist
heute noch im Gespräch- (warum sagt er nicht das Wahte über das
'Wahre?
>
Das beweist, wie vergeblich sie beide zusammenwaren, meine Lehr-
fabel und ihre Personifikation.
'Wotten:
Diesen unerträglichen <Ich, die V7ahrheit,ich spreche...>
meine Stimmezu leihen,geht über die Allegorie hinaus.Besagtschlicht
alles,was es vorl der'Wahrheit, der einzigen,zu sagengibt, will sagen,
daß es keine Metasprachegibt (eine Behauptung, die den ganzenlogi-
schenPositivismuszu situierenedaubt), daßkeine Spracheie das\7ahre
über daslü7ahresagenkann; denn die Wahrheit begründet sich daher, 858
daßsiespricht, und daßihr kein anderesMittel zur Verfügung steht' um
dieszu tun.
Geradedeshalbist dasUnbewußte,dases- dasWahre über dasWahre-
sagt,wie eine Sprachestrukturiert, und deshalbsageich, wenn ich dies
lehre, das\fahre über Freud, der esverstandenhat, die Wahrheit unter
dem Namen des Unbewußten sprechenzu lassen.
246
Dieser Mangel desWahren über das S7ahre,der alle Stürzenotwendig
macht, für die die Metasprachemit ihrer Verstellung und ihrer Logik
konstitutiv ist, ist eigentlich der Platz der Urverdrängurg*,die alle
weiteren an sich zieht, ohne jene anderen rhetorischen Wirkungen
mitzuzählen, die zu erkennen uns nur das Subjekt der Wissenschaft
ermöglicht.
Deshalb verwenden wit, um damit zurechtzukommen,andere Mittel.
Entscheidendist dabeijedoch,daßdieseMittel jenesSubjektnicht aus-
zuweiten vermögen. Zweifellos stößt ihr Ertrag an das, was ihm ver-
borgen ist. Aber um diesenspringendenPunkt zu decken,gibt es kein
anderesWahresüber dasWahre, als Eigennamen,den von Freud, oder
auch den meinen - oder dann Ammenmärchen, mit denen man ein
nunmehr unauslöschlichesZeugnis entwürdigt: eine Wahrheit näm-
lich, die etwasSchrecklicheshat, daszurückzuweisen- wo nicht, sofern
es nicht zurückgewiesenwerden kann, das heißt, wenn man Psycho-
analytikerist, es unter dem Mühlstein zu zermalmen- Schicksalaller
ist. Mit dieserMetapherhabeich bei Gelegenheitdurch einenanderen
Mund daranerinnert,daß die Steine,wenn es seinmuß, auchschreien
können.
Vielleicht witd man es einesTagesfür gerechtfertigtansehen,daßich
die mich betreffendeFrage: <'Watumsagt er nicht. . . ?> nicht rührend
gefundenhabe- eineFrage,die von einemkam, der in den Büros einer
Wahrheits-Agenturzuhauseist, wasseineNaivität verdachtigmachte-
und daßich esseithervorgezogenhabe,auf Dienstezu verzichten,die er
mir in meiner eigenenangetragenhat, in der eskeine Kantoren braucht,
die von einer Sakristeiträumen.. .
Muß gesagtwerden,daßwir zur BehandlungdesrüTissenstriebs andere
Arten von Wissenals dasder Wissenschaftkennenmüssen?
Muß ferner auf das zurückgekommenwerden, worum es geht: zu
ertragen,daß wir in der Psychoanalyse daraufverzichtenmüssen,daß
auf jede\Tahrheit ihr Wissenantv/ortet?Das ist die Bruchstelle,an der
wir auf dasHeraufkommen der Wissenschaftangewiesensind. Zs ih-
ter Vereinigung ist uns nicht mehr als jenesSubjektder'V7issenschaft
gegeben.
tr9 Freilich edaubt es uns das auch; indem ich weiter vordringe in das
\Wie - lasseich meine Chose ganz allein offen mit dem noumenon
sprechen, was mir rasch abgetan scheint: denn eine \üTahrheit,die
spricht, hat wenig gemein mit einem noumenon, das,als bloß Gedach-
tes, sieverschließt.
247
Dieser Hinweis hat seineTriftigkeit: Sie werden bemerkt haben, daß
ich das Medium, das uns an diesem Punkt dienlich sein wird, eben
herangezogenhabe.Es ist die Ursache:die Ursache,nicht alsKategorie
clerLogik, sondernals die ganze$Tirkung verursachend.Die \Tahrheit
als Ursache- können Sie,als Psychoanalytiker,sich weigern, die Frage
danachaufzunehmen,wenn Ihre Karriere davon ihren Ausgang nahm?
Wenn esüberhaupt Praktiker gibt, für die die \Tahrheit schlechthinals
agierendevorausgesetzt ist, sind es dann nicht Sie?
Daran sollten Siejedenfallsnicht zweifeln: nur weil dieserPunkt in der
Wissenschaft verschleiertist, halten Siediesenso erstaunlichgesicher-
ten Platz innerhalb dessen,was jene allen gemeinsameHoffnung auf-
rechterhält in dem vagabundierendenBewußtsein, das die Revolu-
tion desDenkensbegleitet.
!7enn Lenin auch schrieb: <Die Theorie von Marx ist allmächtig,
weil sie wahr ist >, so läßt er doch die ungeheureV7eiteder Frage leer,
die sein'Wort eröffnet: I7enn man annimmt, daß die Wahrheit des
Materialismusstumm ist in seinenbeiden Seiten,die nur eine sind:
Dialektik und Geschichte,warum sollte dann seineMacht wachsen,
wenn seine Theorie ausgearbeitetwird? Die Antwort mit dem prole-
tarischenBewußtseinund der Aktion der marxistischenPolitik scheint
uns ungenügend.Immerhin deutet sich hier die Gewaltenteilung zwi-
schender l(ahrheit als Ursacheund dem zur Anwendung gebrachten
\üTissenan.
Eine $Tirtschaftswissenschaft, die vom Kapital inspiriert ist, führt nicht
notwendig dazu,daßvon ihr alsrevolutionäre Kraft Gebrauchgemacht
witd, und die GeschichtescheintandereNachhilfe zu erfordern als eine
prädikative Dialektik. Über diesenbesonderenPunkt hinaus, den ich
hier nicht entwickeln werde, ist es nämlich so, daß die Wissenschaft,
wenn man genau hinsieht, kein Gedächtnis hat. Sie vergißt, einmal
konstituiert, die Peripetien,ausdenensie hervorgegangenist, also eine
Dimension der Wahrheit, die die Psychoanalysein hohem Maße in
Anwendungbringt.
Doch ich muß präzisieren.Man weiß, daß die physikalischeoder die
mathematische Theorie - nach jeder Krise, die sich in die Form einer
verallgemeinertenTheotie auflöst, wobei dieser Terminus auf keinen
Fall so aufzufassen ist, als bedeuteer: Übergangzum Allgemeinen-
häufig in seinemRang und in seinerfrüheren Struktur konserviert, was
sieverallgemeinert. Nicht darüberredenwir. Sondernüber dasDrama, 87o
das subjektiveDrama, dasjede dieserKrisen kostet.DiesesDrama ist
ztB
'STissenschaftlers.
das Drama des Es hat seine Opfer, die in nichts
erkennenlassen,ob ihr Schicksalsichin denÖdipusmythoseinschreibt.
Freilich, die Frage ist nicht sehr eingehenduntersucht. Ich habe nicht
vor, eineEhrenlistedieserDramen - J. R. Mayer, Cantor -, die zuweilen
bis zum Wahnsinn führten, aufzustellen,wo wit dann bald bei Namen
von Lebendenwären: Hier halte ich das Drama von dem, was in der
Psychoanalyse vor sich geht, ftir exemplarisch.Und ich behaupte,es
könnte selbernicht in den Ödipus einbezogenwerden- esseidenn,es
würde ihn dabei in Frage stellen.
Sie sehen,welches Programm sich hier abzeichnet.Es ist noch lange
nicht abgedeckt.Eher seheich esblockiert.
Ich machemich mit Vorsicht ans'S7erk,und bitte Siefür heute,sichin
den Lichtern wiederzuerkennen,die an einer solchenAnnäherung sich
reflektieren.
Das heißt, wir werden sie auf andeteFelder als daspsychoanalytische
werfen, die ebenfallsdie Wahrheit für sich in Anspruch nehmen.
Die beiden Positionen dieserArt, Magie und Religion, unterschei-
den sich soweit von der'V7issenschaft, daß man sie,im Verhältnis zu
ihr, als falscheoder mindere Süissenschaftim Falle der Magie, als die
Grenzen der'Wissenschaft übersteige{'d,ja im lüTahrheitskonfiktmit
ihr stehendim Falle der Religion hat einstufenkönnen. Für das Sub-
'l7issenschaft
jekt der gilt wohl, daß die einewie die anderenichts als
Schatten sind - nicht aber für dasleidendeSubjekt,mit dem wir es zu
tun haben.
Regt sich hier einer auf; <Da haben wir'sl Das ist doch genau das
leidendeSubjekt, aus dem wir dann unserePrivilegien ableiten,und
überhaupt:welchesRechtauf eskönnenSiedennmit Ihren Intellektua-
lisierungengeltendmachen?>
Ein Philosoph, der jüngst mit allen akademischenEhren gesegnet
wurde, gibt mir da an die Hand, wovon ich in meinerAntwort ausge-
hen kann. Er schreibt: <Die Wahrheit des Schmerzes ist der Schmerz
selbst.>Ich werde auf diesenSatz,den ich für heute in der Domäne
belasse, in der er sichbewegt,noch zurückkommen,um zu zeigen,wie
die Phänomenologieals Votwand für die Gegen-\Tahrheit und ihren
Statusgeraderecht kommt.
Ich greifeihn nur auf,um Ihnen,alsAnalytikern,die Fragezu stellen:Ja
oder nein, hat, was Sietun, den Sinn, zu bestätigen,daß die \üTahtheit
des neurotischenLeidens darin besteht, die \Tahrheit zur Ursachezu
haben?
z49
Mein Vorschlag:
Die Anschauung,von der ich, was die Magie anbelangt,zunächstaus-
gehe, läßt keinen Zwelfel, wem ich wissenschaftlichverpflichtet bin,
doch begnügt sie sich mit einer strukturalistischenDefinition. Sie un- 8 7 t
terstellt,daß der Signifikantals solchetdem Signifikantenantwortet.
Der Signifikant in der Natur wird durch den Signifikantendes Zauber-
spruchesangerufen.Er wird metaphorischmobilisiert. Die Chose,in-
soweit sie spricht, gibt Antwort auf unserenAnruf.
Darum läßt jene Ordnung natürlicherKlassifikation,die ich aus den
Studienvon ClaudeLdvi-Straussherangezogen habe,in ihrer struktura-
len Definition die Brücke der Entsprechungenerahnen,mit derenHilfe
die wirkende Operationnach dem gleichenModus denkbarwird, wo-
nachsie konzipiert worden ist.
Und doch habenwir es hier.mit einer Reduktion zu tun, die dabeidas
Subjekt vernachlässigt.
Jederweiß, daßdie Versetzungin den StanddesSubjekts,desschama-
nisierendenSubjektshier wesentlichist. Beachtenwir, daß der Scha-
mane,sozusagen mit Fleischund Blut, Teil derNatur ist und daßdaszur
Operation korrelative Subjekt sich in dieset körpedichen Untedage
überschneiden muß. Aber geradedieserModus der Überschneidungist
dem Subjekt der'S7issenschaft vetschlossen. Erschließenkann esnur -
-
aberdann exakt derenstrukturaleKorrelative in der Operation.
Nun erscheint,was in der Natur zu mobilisierenist - Donner und
Regen, Meteore und Vfunder - tatsächlich nach dem Signifikanten-
Modus.
Alles ist hier zu ordnen nach den antinomischenRelationen,wodurch
sich die Sprachestrukturiert.
Wir müsseninfolgedessen die Wirkung desAnspruchsdaraufhin prü-
fen, ob die durch unsereGraphik definierteRelationmit demBegehren
hier wiederzufindenisr.
Allein auf diesem-noch weiterzu beschreibenden - Weg einerAnnähe-
rung, die nicht einfach von der Art eines groben Rekursesauf die
Analogie ist, kann sich der Psychoanalytikerdie nötige Sachkenntnis
erwerben,um seinWort über die Magie zu sprechen.
Der Hinweis, Magie sei immer sexuelleMagie, hat hiet seinen'W'ert,
reicht aber nicht aus,ihn dazuzu autorisieren.
Ich möchteIhre Aufmerksamkeitschließlichauf zvreiPunkte lenken:
die Magie ist die Wahrheit als Ursacheunter dem Aspekt der \Tirkur-
'to^o ffiiens) '
"r^r'on'
Hier ist das Sfissennicht allein dadutch charakterisiert,daß esfür das
Subjekt'der Wissenschaftverschleiertbleibt, sondern dadurch, daß es
sich als solchesverbirgt, in der operatorischenÜberlieferung ebenso
wie in ihrem Vollzug. Das ist eine Bedingung der Magie.
Bei dem, was ich über die Religion sagenwill, handelt es sich lediglich
darum, die gleiche strukturale Annäherung anzudeuten; und ebenso
822 summarischseidarauf hingewiesen,daßdieseSkizzein der Gegenüber-
stellung von struktunlen Zidrgenbesteht.
Ist die Hoffnung berechtigt, daßdie Religion in der Wissenschafteinmal
einen etwas offenerenStatuseinnehme?Seit einiger Zeit gibt es näm-
lich Philosophen, die seltsamerweisedie Beziehungenzwischenihnen
äußerstverschwommendefinierenund im Grund die Auffassungver-
treten, beide entfalteten sich in der gleichen V7elt,in der die Religion
dann die umfassendeStellungeinnimmt.
An diesem heiklen Punkt, wo gewisse Leute erwarten würden, wir
verschanztenuns hinter der analytischenNeutralität, machenwir das
Prinzipgeltend:Aller rü7eltFreundzu sein,reichtnicht aus,den Platzzu
schützen,von dem ausman zu operierenhat.
In der Religion erfolgt jenesvorherigeIns-Spiel-Bringender tüTahrheit
als Utsachedurch das Subjekt- dasreligiöse,verstehtsich -, in einer
vollständig anderenOperation. Die Analysevom Standpunkt des Sub-
iekts der \Tissenschaftbdngt notwendig dieienigen Mechanismendadn
zum Vorschein,die wir von der Zwangsneuros€ her kennen.Freud hat
diese Mechanismenin einem Lichte gesehen,das ihnen eine über jede
traditionelle Kritik hinausgehendeTragweite gibt. Zu behaupten,die
Religion sei von keinem andeten Kaliber, dürfte nicht unangemessen
sein.
Ohne auszugehen von Bemerkungenwie der folgenden:daßdie Rolle,
die die Offenbarung in der Religion spielt, aufzufassenist als eineVer-
neinung der'Wahrheit als Ursache,daß sie nämlich verneint, was dem
Subjekt Grund gibt, sich als an ihr teilhabendzu verstehen- besteht
wenig Aussicht darauf, der sogenanntenGeschichteder Religionen ir-
gendwelcheGrenzenzu ziehen,und dasheißt, ihr eine gewisseStrenge
zu vedeihen.
Anders gesagt:der religiöseMenschbürdet Gott die Last der Ursache
auf - und versperrt sichdamit den eigenenZugangzurWahrheit. In der
Folge sieht er sich veranlaßt, auch die Ursache seinesBegehrensin
GottesHand zu legen:Das machtia geradeden Kern seinesOpfersaus.
25r
Von nun an ist sein Anspruch vom angenommenenBegehten eines
Gottes abhängig, den es also zu verführen gilt. Und hier beginnt das
Spiel der Liebe.
So versetztder religiöse Menschdie rüTahrheitin den Standder Schuld-
haftigkeit. Daraus resultiert jenesMißtrauen in bezug auf dasWissen,
dassich bei den Kirchenvätern um so bemerkbarermacht, je übedege-
ner sie in SachenVernunft auftreten.
Hier wird die Wahrheit auf Endzweckeverwiesen,die man eschatolo-
gisch nennt, dasheißt sieerscheintnur als Zweckursache(caasa fnalis) ,
insofem sie auf ein JüngstesGericht bezogenwird.
Daher jenet Hauch von Obskurantismus,der sich über jeden wissen-
schaftlichenGebrauch der Finalität legt.
Ich habeen passantbemerkt, wieviel wir ausden Schriftender Kirchen- 873
väter und nicht zuletzt auch aus den ersten Konzilsentscheidungen
über die Struktur der Relation des Subjektszur Wahrheit als Ursache
zu lernen haben.Der dastheologischeDenken organisierendeRationa-
lismus ist keineswegs, wie platterweise angenommen wird, bloße
Phantasterei.
'Wenn
hier ein Phantasmavodiegt, dann in dem strengsten Sinn der
Institution einesRealen,das die \Tahrheit deckt.
Es scheint uns auf keinen Fall wissenschaftlicherBehandlung unzu-
gänglich, daß die christliche'STahrheitdas Unhaltbare der Formulie-
rung einesDreieinigen Gottes durchmachenmußte. Hier nimmt sich
die Kirchengewalt dann einer gewissenEntmutigung desDenkens aufs
bestean.
Die Notwendigkeit der Artikulierung eines solchen Mysteriums vor
der Betonung seiner Sackgassen ist ftir das Denken heilsam.Daran
kann es sich messen.
Anzusetzensind die Fragen auf der Ebene,wo dasDogma in Häresien
umschlägt- und esscheintmir möglich, geradedie Frage desFilioqaein
topologischen Termini zu behandeln.
Zuerstmuß die Sachestruktural angegangenwerden: dasallein edaubt
eineexakteBeurteilung der Funktion der Bilder. De Trinitatebesitztalle
Merkmale eines theoretischenWerkes: wir können es als ein Modell
heranziehen.
Wäre dasnicht so, dann würde ich meinen Schülernraten, sichmit einer
Tapisserieaus dem r6. Jahrhundert zu beschäftigen,die ihre Blicke im
Eingang des Mobilier National auf sich ziehen wird. Sie hängt dort
noch für einen oder zwei Monate und wartet auf ihren Besuch.
2t2
Die Drei Personen,dargestelltin absoluterFormgleichheit, wie siesich
mit vollendeter Anmut an den frischen Ufern der Schöpfungunterhal-
ten, sind ganz einfachbeängstigend.
Und was ein ebensogut gemachterApparat verbirgt, wenn er dasPaar
Adam und Eva in der Blüte ihrer Sündeaffrontiert, ist gut und gerne so
beschaffen,daß es der gewöhnlich nicht über die Dualität hinauskom-
mendenVorstellung von der menschlichenBeziehungzu denkengeben
könnte.
Doch meine Hörer mögen sich zunächstmit Augustinus vertraut ma-
chen...
2J'
Ich macheden Anfang mit der befremdlichenBemerkung, daß zu prü-
fen ist, ob die ungeheureFruchtbarkeitunserer'Wissenschaft in ihrer
Beziehungzu jenem Aspekt begründet liegt, aus dem die S7issenschaft
dann lebenwürde: nämlichnichts-wissen-zu-wollen von der Wahrheit
als Ursache.Hier erkennt man meineFormel von der Verwerfung*wie-
der - sie ließe sich lückenlos anschließenan die Verdrängang*,an die
Verneinang*,derenFunktion in der Magie und der Religion Sievorhin
kennengelernthaben.
Gewiß steht das, was 'urir über die Relationen der Verwerfung* zur
Psychose,besonders als Verwerfung*des Namens-des-Vatefsgesagt
habenrl,demVersucheinerstrukturalenAbsteckung,den wir hier un-
ternehmen,scheinbarentgegen.
Wenn man sich jedoch bewußt wird, daß eine geglückte Paranoia
ebensogutauchalsAbschlußder Wissenschaft erscheinen würde,wenn
ausgerechnetdie Psychoanalysedazuberufen wäre, dieseRolle zu spie-
len - wenn man andererseitsanerkennt,daß es zum Wesender Psycho-
analysegehört, den Namen-des-Vaterswieder in die wissenschaftliche 8zs
Betrachtung einzuführen, dann findet man hier die gleiche, offensicht-
liche Sackgassewieder, aber man hat das Gefühl, gerade von dieser
Sackgasse ausweiterzukommenund sehenzu können,wie dasChiasma,
dasdem entgegenzustehen scheint,sich irgendwo auflöst.
Vielleicht ist der gegenwärtigePunkt, an dem dasDrama der Entste-
hung der Psychoanalyse sich befindet, und die List, die sich darin
verbirgt, daß sie ihr Spiel treibt mit der bewußten List der Autoren -
vielleicht sind siehier zu berücksichtigen,bin esdoch nicht ich, der die
Formel von der geglückten Paranoiaeingeführt hat.
Sicher werde ich zeigen müssen, daß die lnzidenz der Wahrheit als
Ursachein die l7issenschaftunter dem Aspekt der Formursache(causa
fornalis) zu sehenist.
t.Dezembett965,
Personenre
gister
Die römischen Zahlen beziehen sich auf den Band, die arabischen auf die Seite
der vorliegenden Ausgabe, Namen, die in den Anmerkungen der Ubersetzer ste-
hen, sind nicht aufgenommen.
/tg
Caillois, Roget I, 66 Fontenelle, Bernhard Le Bovier II, r 53
Campanella, Thomas I, r9 Ftxral., Kg. v. Frankreich II, r y6
Canguilhem,G,lI,47 Franz von SalesI, zo5
Cannon, V. I, r63 Freud, Anna I,68f., ry3, 237
Cantor, Geotgll,249 Friedan, Betty II, zro
Casari,Otto II, 9z Frisch, Karl von I, r4o
Chamfort, Nicolas-S6bastienI, r9
Champollion, Jean-FrangoisII, 36 Galilei, Galileo I, rz8f.
Chandra Pandey,Kanti I, r38 Gargon, Maurice II, r5o
Charcot, Jean-Baptiste II, 83 Gavarni, Paul (eigentl. Chevalier, Sul-
Chateaubriand, Ren6 de I, 34 pice) II, 9z
Choisy, Äbbö de I, 1y Gellius, Äulus I, 74, rt6
Chomsky, Noam II, 239 Gide, Ändrd II, 52, r ro
Christus I, ro3, II, 44, 16o, r95 Glover, Edward \, r44, r8z,238
Chtysostomos,JohannesII, r5o Gödel, K, II, 219
Cicero, Marcus Tullius I, r9 Goethe, Johann Volfgang von I, toz,
Claudel,Paul II, 16r, zo4 t64,Il, 3r
Cocteau,Jean II, r I r Goya, FranciscoJos6 de I, 45, ro6
Comte, Auguste I, 99 Green, Andr6 II, r ro
Cr6billon, pöre (eigentl. Crais-Billon,
Prosper Jolyot de) I, rz Haeckel, Ernst II, 9z
Halle, Morris II, r9
Damourette II, r84, r9z Hartmann, Heinz I, r88, 238
Darwin, CharlesRobert II, r7o Hegel, Georg \Tilhelm Friedrich I,
Davenant (d'Avenant), Sir Villiam II, 69, rzz, t34f., t6o, 164, t85, z3o,
t, 11, 153,167, ß9, qrf., 176-179,
Descartes,Ren6II, r84, zog,2)4,244 r8r, r85, r95, zogf.,zr5f.
Deutsch, Helene II, rz1 Heidegger, Matin l, zo,94, 164,II,
Devereux, Georges I, 237 g, 14,24,267
Dostojewski, Fedor I, r6r Helmholtz, Hermann Ludwig Ferdi-
Du Bois-Reymond, Emil II, 215 nand von II, 235
Dwelshauwers II, zo8 Heraklit II, 94
Heuyer, G. II, 69
EmpedoklesI, 164, t66,1I,41, zzz Fleymann, Ernst II, r6r
d'Eon (Chevalier)I, z6 Hielmslev,L.lI,49
Erasmus,Desiderius II, 53 Hobbes, Thomas II, 33
Ey, Henry II, ro8, zo7 Höldedin, Friedrich II, 4y
Horney, Karen II, r23, r2t
Fechner, Gustav Theodor II, 8r Hudgins, C.V. I, rr4
F€nelon, Frangois de Salignac de la Hugo, Victor II, 3rf.
Mothe II, r84 Hume, David II, zr7
Fenichel, Otto I, gg,II, 47,98 Hunter, Richard II, 68
Fcrenczi, Sandor 1 8o, t97f., zor,2t7 Huygens, ChristiaanI, rz8f., r58
Flechsig,Anton II, j7, gr, rrt, r r4, r r t
Fließ, Vilhelm 7, 45, zrr,1l,9r Jakobson, Roman I, r89, II, 19, 3o,
Fliess,Robert I, r45 67, r73,261
z6o
Janet, Pierre I, r48, 15r Loewenstein,R. M, I, 238
Janin, Jules II, ryo Longus II, rzz
Jaspers,KaAI, zz8,II, 69, 246 Lukrez, Titus Lucretius Carul l, r 9
Jarry, Älfred I, r99 Luther, Martin I, r y4
Jaworski I, ror
Jespersen,O. II, r8, 67 Macalpine, Ida I, zo8, 218,1I,6t,
J o n e s ,E r n e s t I , r 3 7 , I I , 8 8 f , , r z 1 76-79,88,9j,9J,97,ro7, r14
Joyce, JamesI, z4 MacBrunswick, Ruth I, r57
Jung, Cad Gustav I, r3o, r8z, II, 81, Machiavelli, Niccolo I, r9
2tj Malebranche, Nicole II, 96
Mallarm€, St€phaneI, 58, 89, II, r71
Kant, ImmanueLI, rz7,II, 114-116, Markow, Ä. I, 5o
r 3 8 , r 4 r , r 4 3 , r 4 5 f , ,r y z f . , r 5 y f . Marx,Karl1,9g,lI,z48
Karl V,, Dt, Kaiser II, r;6 Massermann,Jules H. I, r r 3f.
Katan, M. II, 7y Matthäus I, ro3
Kietkegaard, Sören I, 45, 136,1I,45 Matussek,Paul II, tzo, zGr
Klein, MelanieI, zo4, 23o,1I,87, tz3, Mauriac, Frangoisl, z15,II, 11
r2g, 227 Mauss, Marcel II, r97, rgg
Klossowski, Pierre II, r6rf. Mayer, J.R. II,249
Kopetnikus, Nikolaus lI,4z, qof. Moebius, A.II,46239
Koyr6, Älexandre l, rzg, t58,II, 43 Moliäre, Jean Baptiste Poquelin (gen,)
Kris, Ernst I, r39, II, r39, r88-r9o, II, 16o
t99, 238 Moses II, r95
Münchhausen, Freiherr von I, roz
Labre (Saint Benoit) II, 16r Myers, F.\7.H. II, r7o
La Bruyöte, Jean de I, r9
Lagache,Daniel I, tgt, 218 Napoldon I.
Lamennais, Hugues Fölicit6 Robert II, Newman, John Henry, Kardinal II,
\36 24r
La Mothe le Vayer, F. II, r;9 Niededand, \f. G. II, to6, tt3f,
Laplanche,Jean II, 2o7,212,24t Nietzsche,Friedrich II, 8o
La Rochefoucauld,Frangoisde I, 19, Nodet, Ch.-H. I, r75
IO'
z6r
Platon I, tz6, 136, 164,1I,49, 168, Schreber,Daniel Paul I, 8o, r5z, II,
zr4, z16,zz4 63-tr7,244
Poe, Edgar Allan I, 9-4r, 56,6o Schreber, Johann-Christian Daniel
Poincar6,Henri I, 5o von II, 9y
Ponge, Francis I, 169 Shakespeare, Villiam I, r 38, II, r 5o
Pope, ÄlexandteII,33, t6o Sharpe,EllaI, zo3,218
Pr6vert, JacquesI, r r 5 Silberer, Herbert II, ;o
Sokratesl, r34, 136,I1, 13, t6o, zozf.,
Quilletll,3r 2r4
Quincey I, r53 Spinoza,Baruch deII,244
Quintilian, Marcus Fabius II, 3o, 47 Stalin, Jossif Vissarionowitsch
Dschugaschwili II, zo
Rabelais,FrangoisI, rr9 Starobinski, Jean II, z8
Racine, JeatII, z7 Strachey,I,I, rgl
Regnault, Frangois II, 56 Strauss, Löoll, yf.
Reich, lVilhelrnl, rzz, t6z Swift, Jonathanll,25, 231
Reik, Theodor I, 9z
Renan,Ernest II, r48, 16o Tardieu, JeanII, 1z
Retz (Jean Frangois Paul de Gondi, Thomas, Dylan II, r81
Kardinal von) I, roo Tiepolo, Gian Domenicoll, zz7
Richards, J.A. II, z1 Tiresiasvon Theben I, 186
Rickmann I, r49 Tudal, Antoine I, r 3r
Riguet, JacquesI, zr
Rimbaud, Arthur I, 84 Vergil, Publius Vergilius Maro I, 17,
Ruwet, Nicolas II, r9 2or
Villon, FangoisI, rz3
Sade,(Louis) Donatien-Älphonse- Vinci, Leonardo da I, rc6, z35,II, t7
Frangois, Marquis deII, r34-t63
Saint-Just,Äntoine deI, zzt,I[, r57 \üälder, Robert I, 75
Salel,Hugues II, 97 Vahl, Jean II, 166
Samson II, r97 \fartburg, Valther von I, zo
Sapir II, r8 Vhitehead, Älfred North II, r49
Sartre,Jean-PaulII, r7o, r87 !flilkins, John I, ez
Saussure,Ferdinand deI, zt4,1l, zr, S7innicott, D. V. I, zoz
z 7 f. $ , 4 t , r 7 3 , z r 3 , 2 6 5
Schmideberg, Melitta I, t89, 239 Zilbootg, Gregory I, 7J
t.I.rO*, Daniel Gottlob Moritz II,
z(tz