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Quantenmechanik
Braunschweig, 2011
Inhaltsverzeichnis
2 Doppelspalt-Experimente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2 Entdeckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
3.2 Linienspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.5 Schwarz-Körper-Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.7 Radioaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
1 Experimente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3 Materiewellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
IV Wellenmechanik 41
1 Grundgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
8 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
9 Der Bahndrehimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
1 Axiome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
2 Dirac-Formalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
2.1 Hilbertraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
3 Kompatible Observablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
VI Darstellungen 93
2 Darstellungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
4 Besetzungszahldarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
1 Schrödinger-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
2 Heisenberg-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
3 Dirac-Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
VIIIStörungstheorie 123
3 Stern-Gerlach-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
6 Pauli-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
2 Quanten-Zeno-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
XI Verschränkung 169
3 EPR-Paradoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Satz:
Bilder:
Thorsten Bagdonat
Michael Dorn
Willi Fröhlke
Kapitel I
In seinem Buch Sechs physikalische Fingerübungen widmet Richard P. Feyman einen Abschnitt
auch den Quanten [R. Feynman, Sechs physikalische Fingerübungen, Piper, 2002] Am Doppelspalt-
Experiment macht er deutlich, dass in der Quantenwelt Phänomene auftreten, die zunächst einmal in
krassem Widerspruch zu unserer Alltagserfahrung stehen. Das liegt aber nur daran, dass wir makroskopi-
sche Beschreibungsweisen und Gesetze einfach nur herunter skalieren, aber das geht schief. Die Quanten
haben eigene Gesetze, was aber nicht heißt, dass es keine Brücken zwischen der Makros- und Mikrowelt
gibt. Und diesen Brücken zu folgen ist ebenso interessant, wie die Quantenwelt selbst.
2 Doppelspalt-Experimente
Interferenz: P1 + P2 6= P12
10 I. Verhalten der Quanten
• Experimentelle Beantwortung der Frage: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Kugel, die
durch die Öffnungen dringt, an einer Position x am Kugelfang ankommt?
n(x)
• Wahrscheinlichkeit P (x) = N in bestimmter Zeit
• P1 + P2 = P12
2.2 Interferenzexperiment mit Wasserwellen 11
• Flaches Wasserbecken
• I1 : 1 offen, 2 geschlossen
• I2 : 2 offen, 1 offen
• I1 + I2 6= I12
3. These B
• Manche Elektronen gehen erst durch 1, dann auf ’verschlungenem’ Weg durch 2. Durch
Abdecken von 2 wird Wahrscheinlichkeit für ein ursprünglich durch 1 laufendes Elektron
geändert.
• Somit: Es gibt x, wo sehr wenige Elektronen auftreffen, wenn 1 und 2 offen sind. Abdecken
von 2 lässt durch 1 kommende Elektronen ansteigen
• Aber: Es gibt andere x, wo sehr viele Elektronen auftreffen, wenn 1 und 2 offen sind, z.B. x=0.
Abdecken von 2 lässt jetzt durch 1 kommende Elektronen abnehmen. These B somit auch
nicht erfolgreich, da Beliebigkeit in Absinken oder Ansteigen der Elektronenzahl bei Abdecken
einer Öffnung.
• Ausnutzen der Streuung von Licht durch elektrische Ladung (Sichtbarmachen des Weges des
Elektrons)
1. Bei jedem Tick im Detektor ist gleichzeitig ein Lichtblitz zu sehen - entweder nahe 1 oder nahe 2,
nie gleichzeitig - unabhängig von Detektorposition x.
• Schlussfolgerung:
Bei Beobachtung der Elektronen kommen diese entweder durch 1 oder 2. Experiment legt
nahe, dass These A wahr ist.
2. Variation für viele x ergibt P10 und P20 . P10 sehr ähnlich P1 , P20 sehr ähnlich P2
• Schlussfolgerung:
Keine verschlungenen Wege, da P1 durch Abdeckung von 2 und P2 durch Abdeckung von
1 erhalten wurde. Beobachtung der Elektronen bestätigt den erwarteten Weg. Elektronen
durch 1 verteilen sich gleich, unabhängig ob 2 offen oder geschlossen ist - wenn das Elektron
beobachtet wird.
3. Gesamtwahrscheinlichkeit unabhängig vom Weg durch 1 oder 2 : Ignorieren der Lichtblitze und
0
Zählen aller Ticks ergibt P12 = P10 + P20 6= P12
0
4. Wenn die Lichtquelle ausgeschaltet wird, gilt wieder P12 statt P12 .
• Schlussfolgerung:
Wenn Elektronen beobachtet werden, ist ihre Verteilung anders.
• Befürchtung:
Beobachtung stört Elektronen und führt zur beobachteten Veränderung.
1. Wiederholung des Experimentes mit Photonen geringerer Energie (rötere Photonen, Mikrowellen,
Radiowellen, . . . )
2. zunächst keine Änderung bei Energieverringerung der Photonen
3. Wenn die Wellenlänge des Lichtes die Größenordnung des Abstandes 1-2 erreicht, wird Lichtblitz
so ausgedehnt, dass er nicht mehr 1 oder 2 zugeordnet werden kann. D.h. der Weg des Elektrons
0
kann nicht mehr beobachtet werden und P12 geht in P12 über
2.4 Ein anderes Elektronenexperiment 15
Frage: Stimmt es oder stimmt es nicht, dass das Elektron entweder durch 1 oder durch 2 kommt?
Antwort: Wird eine Vorrichtung benutzt, mit der bestimmt wird, ob das Elektron durch 1 oder durch 2
kommt, dann kann man sagen, es passiert 1 oder 2. Wird eine derartige Vorrichtung nicht benutzt, darf
man nicht sagen, das Elektron geht durch 1 oder 2 ; das Elektron nimmt alle Wege.
2 Entdeckungen
Chemie des 19. Jh.: Materie besteht aus Atomen und Molekülen
1865: Loschmidtsche Zahl L = 6, 025 × 1023 mol−1
Strahlung des Schwarzen Körpers“: 1899: Messungen durch Lummer & Pringsheim
”
An der Wende zum 20. Jh. waren folgende Erscheinungen im Rahmen der klassischen Theorie nicht zu
erklären.
7. Radioaktivität
Die Elektronen im Rutherfordschen Atommodell müssen auf ihren Bahnen um den Atomkern zentripetal
beschleunigt sein. Aus den Maxwellschen Gleichungen folgt, daß jede beschleunigte Ladung Energie aus-
strahlt. Die Elektronen würden also ständig Energie verlieren, sich auf spiralförmigen Bahnen dem Kern
nähern und in diesen stürzen, denn nach dem Larmorschen Theorem gilt:
2 1 e2 2
dt U = − hv̇ i (II.1)
3 4πε0 c3
Die charakteristische Zeit dafür wäre τ ∼ 10−10 s (vgl. ÜA).
3.2 Linienspektren
Die beobachtbare atomare Strahlung sollte ein kontinuierliches Spektrum darstellen, so wie es im Bereich
der Bremsstrahlung innerhalb des Röntgenspektrums vorzufinden ist. Linien sind klassisch unverständlich;
die kinetische Energie sollte proportional zur Lichtintensität sein.
Wenn die Elektronen auf Bahnen um den Kern kreisen wie die Planeten des Sonnensystems, sollte jedes
Atom individuell sein. Die exakte Gleichheit ist klassisch unverständlich.
Läßt man Licht auf eine Metallplatte fallen, so werden aus dem Metall Elektronen ausgelöst. Die Anzahl
der austretenden Elektronen ist proportional zur Lichintensität, ihre kinetische Energie aber proportional
der Frequenz und unabhängig von seiner Intensität. Nach der Maxwellschen Theorie ist dies unverständ-
lich.
3.5 Schwarz-Körper-Strahlung 19
3.5 Schwarz-Körper-Strahlung
Ein Schwarzer Körper hat ein Absorptionsvermögen a = 1. Ein solcher Körper läßt sich näherungsweise
als Hohlraum mit thermisch isolierten Wänden realisieren, in dessen Wand ein kleines Loch gebohrt
wurde.
Die Schwächung des Strahls infolge der bei jeder Reflexion auftre-
tenden Absorption führt zu a = 1. Die Schwarz-Körper-Strahlung
wird deshalb auch Hohlraumstrahlung genannt. Die Strahlungs-
dichte der Hohlraumstrahlung ist unabhängig von der Art des
Materials und der Oberflächenbeschaffenheit der Wände. Die ex-
perimentell meßbare Strahlungsdichte muß daher eine universelle,
ω
allein von der Temperatur T und der Frequenz f = 2π abhängige
Funktion sein, die aus allgemeinen physikalischen Prinzipien her-
zuleiten sein müßte.
T2 > T1
T1
• Stefan-Boltzmann-Gesetz: u = uω dω ∝ T 4
R
1 2
In der klassischen Physik gilt der Gleichverteilungssatz. Demnach beträgt die mittlere kinetische Energie
je Freiheitsgrad 12 kB T , wenn das die Freiheitsgrade tragende System mit einem Reservoir der Temperatur
T gekoppelt ist.
Für Teilchen in einem Potential Vb trägt auch die mittlere potentielle Energie zur Gesamtenergie bei.
Insbesondere kommt beim harmonischen Oszillator noch einmal 12 kB T je Freiheitsgrad für die mittlere
potentielle Energie hinzu.
Hierin erkennen wir auch den Virialsatz für harmonische Schwingungen hTbi = hVb i wieder.
20 II. Grenzen der klassischen Physik
Welcher Zusammenhang besteht aber nun zur Hohlraumstrahlung? Wie zählt man deren Freiheitsgrade
und welche Relation ergibt sich für deren kinetische und potentielle Energie?
Wir nehmen die Wände des Hohlraums als ideal leitend an,
so daß dort immer Knoten des elektrischen Feldes vorliegen.
t0 Ein Wellentyp ist dann eine stehende räumliche Struktur.
Allerdings kann die Amplitude zeitlich oszillieren, wie in
den nebenstehenden Abbildungen für die Zeitpunkte t0 , t1
und t2 skizziert.
∂x × E = −∂t B (II.4)
∂x × H = ∂t D (II.5)
∂x E = 0 (II.6)
∂x B = 0 (II.7)
D = ε0 E (II.8)
B = µ0 H (II.9)
zu lösen. Es folgt
ω2
q
k2 = , k = (k1 , k2 , k3 ), k = |k| = k12 + k22 + k32 (II.13)
c2
3.5 Schwarz-Körper-Strahlung 21
und der Polarisationsbedingung k · E = 0, k⊥E. Die Randbedingungen schränken nun die Lösungsvielfalt
ein. Nur transversale ebene Wellen von der Form
mit
π
k1 = m1 , m1 = 0, 1, 2, · · ·
L
π
k2 = m2 , m2 = 0, 1, 2, · · · (II.15)
L
π
k3 = m3 , m3 = 0, 1, 2, · · ·
L
sind erlaubt. Da an den Hohlraumwänden Knoten auftreten, ist auch anschaulich klar, daß ganzzahlige
Vielfache der halben Wellenlänge die Gesamtausdehnung des Hohlraums ergeben; umgestellt folgt nun
wegen ki = 2π
λi
λ1 λ2 λ3
m1 = L; m2 = L; m3 = L (II.16)
2 2 2
Die Dispersionsrelation geht über in
cπ
q
ω = ck = m21 + m22 + m23 (II.17)
L
Jedem Tripel natürlicher Zahlen (m1 , m2 , m3 ) entsprechen zwei Wellenmoden (Freiheitsgrade); Zwei, da
es zu jedem erlaubten ω zwei unabhängige Polarisationsrichtungen gibt.
Für den Vergleich mit den experimentellen Befunden ist es nun notwendig, die Anzahl der Moden in
einem Frequenzintervall dω anzugeben. ω ist offensichtlich proportional zum Radius m im vom m1 , m2 , m3
aufgespannten Raum. Wir bezeichnen
q m2
m := m21 + m22 + m23 (II.18)
cπ cπ
ω= m, dω = dm (II.19)
dm
L L
m ist natürlich i. A. keine ganze Zahl mehr. Liegen nun in einem In-
m
Für alle Moden, die in einem Intervall dm liegen, ist über ϕ und θ abzuintegrieren:
π π
Z2 Z2
N (m)dm = 2 dϕ sinϑ dϑ m2 dm , (II.22)
0 0
π
N (m)dm = 2 m2 dm . (II.23)
2
22 II. Grenzen der klassischen Physik
uω = kB T (II.28)
c3 π 2
ω2
ab (Rayleigh-Jeans-Gesetz). Der Faktor c3 π 2 entspricht der Mo-
dendichte n(ω) = N (ω)/V .
Ein Vorschlag Plancks zur Beseitigung der UV-Katastrophe stellt die Geburtsstunde der Quantenmecha-
nik dar.
Plancks Ansatzpunkt für eine Abänderung war der Gleichverteilungssatz; die Modendichte findet keine
Abänderung. Rufen wir uns den Gleichverteilungssatz für einen harmonischen Oszillator noch einmal in
Erinnerung. Seine mittlere Energie je Freiheitsgrad beträgt kB T , wenn er sich im thermodynamischen
Gleichgewicht mit einem Reservoir der Temperatur T befindet. Diese Formel kam folgendermaßen zu-
stande. Die Energiezustände, die ein eindimensionaler (ein Freiheitsgrad) harmonischer Oszillator der
Frequenz ω einnehmen kann, sind
p2 ω2 2
ε(p, q) = + q . (II.30)
2 2
Bei Kopplung mit einem Reservoir der Temperatur T ist die Wahrscheinlichkeit P , daß ein bestimmter
Wert ε eingenommen wird, proportional zum Boltzmann-Faktor, also
ε(p,q)
−
P ∝e kB T
. (II.31)
3.5 Schwarz-Körper-Strahlung 23
Das Reservoir sind die Wände des Hohlraums. Die mittlere Energie hεi des Oszillator ist dann
ε(p,q)
R −
ε(p, q)e kB T dpdq
hεi = R − ε(p,q) . (II.32)
e kB T dpdq
1
Zum Ausrechnen ist es geschickt β = kB T einzuführen und umzuschreiben zu
Z
d
hεi = − ln e−βε dpdq . (II.33)
dβ
Es folgt
Z∞ Z∞
d p2 ω2
q2
hεi = − ln e−β 2 dp e−β 2 dq . (II.34)
dβ
−∞ −∞
Mit r r
β ω2
v= p, x= β q (II.35)
2 2
und
Z∞
2 √
e−v dv = π (II.36)
−∞
d 1
hεi = ln (βω) = = kB T . (II.38)
dβ β
Nun gilt
∞ ∞
X X l 1
e−βl~ω = e−β~ω = (II.43)
1 − e−β~ω
l=0 l=0
und somit
d 1 d
ln 1 − e−β~ω
hεi = − ln = (II.44)
dβ 1 − e−β~ω dβ
~ωe−β~ω ~ω
hεi = −β~ω
= β~ω (II.45)
1−e e −1
~ω
hεi = ~ω . (II.46)
e kB T − 1
Die spektrale Energiedichte uω erhält man durch Multiplikation mit der Modendichte ω 2 /c3 π 2 zu
ω2 ~ ω3
uω = hεi = . (II.47)
c3 π 2 c3 π 2 e k B T − 1
~ω
~ω
• Für ~ω kB T gilt e kB T ' 1 + ~ω
kB T und somit
~ω
hεi = = kB T (II.48)
1+ ~ω
kB T −1
ω2
uω = kB T (II.49)
c3 π 2
• Das Wiensche Verschiebungsgesetz leitet sich aus dem Planckschen Strahlungsgesetz wie folgt ab.
Für das spektrale Maximum gilt
∂ω uω = 0 (II.50)
bzw.
x3
∂x =0 mit x = ~ω/kB T , (II.51)
ex − 1
also
3x2 (ex − 1) − x3 ex = 0 (II.52)
−x
3 − 3e −x=0 . (II.53)
Z∞
~ (kB T )4 x3 dx π 2 kB4
u= 3 2 = T4 (II.56)
c π ~4 ex − 1 15 c3 ~3
0 | {z }
=π 4 /15
an.
3.6 Spezifische Wärmekapazität fester Körper 25
Das Wiensche Verschiebungsgesetz und das Stefan-Boltzmann-Gesetz liefern zwei unabhängige Gleichun-
gen für kB und ~; damit sind kB und ~ experimentell bestimmbar. Die heute gültigen Werte lauten:
Hier tritt ein ähnliches Problem auf wie bei der Hohlraumstrah-
lung. Die klassische Vorstellung gilt nur für hohe Temperaturen,
versagt aber für niedrige Temperaturen.
CV
Die spezifische Wärme cV ist definiert durch cV = ∂U
∂T V .
T
3.6.1 Klassische Theorie
Die Atome führen Schwingungen um ihre Ruhelage aus. Die Temperatur ist ein Maß für die hiermit
verbundene kinetische Energie. Die mittlere kinetische Energie je Freiheitsgrad beträgt 12 kB T .
Wenn die Auslenkungen der Atome nicht zu groß sind, verhalten sie sich wie harmonische Oszillatoren.
Die potentielle Energie je Freiheitsgrad beträgt dann im Mittel ebenfalls 21 kB T .
Im realen Körper sind die Oszillationen miteinander verkoppelt. Die Entkopplung ist jedoch auf folgende
Art möglich:
3N
X mi
Kinetische Energie Tb = ẋ2i (II.59)
i=1
2
3N 3N
X 1 X
Potentielle Energie Vb (x1 , .., x3N ) = Vb0 + (∂xi Vb )xi + (∂xi ∂xj Vb )xi xj (II.60)
i=1
2 i,j=1
Diese Reihenentwicklung wird um die Potentialminima ausgeführt, so daß ∂xi Vb = 0 gilt. Außerdem
schreiben wir aij = ∂xi ∂xj Vb und setzen Vb0 = 0.
3N 3N
X mi 1 X
Gesamtenergie U= ẋ2i + aij xi xj (II.61)
i=1
2 2 i,j=1
3N
X √
Hauptachsentransformation xi = Sir qr mi q̇i = pi (II.62)
r=1
26 II. Grenzen der klassischen Physik
Folglich gilt
3N
ω2
X 1
U= p2i + i qi2 . (II.63)
i=1
2 2
Der feste Körper aus N Atomen kann als 3N ungekoppelte harmonische Oszillatoren aufgefaßt werden.
Dann gilt
U = 3N hεi. (II.64)
Wegen hεi = 12 kB T + 12 kB T folgt
U = 3N kB T (II.65)
und
∂U
cV = = 3N kB . (II.66)
∂T V
Diese als Dulong-Petit-Gesetz bekannte Relation gilt aber nur für hohe Temperaturen.
Einstein setzt in seinem Modell voraus, daß alle Oszillatoren die gleiche Frequenz ω haben. Die mittlere
Energie je Oszillator sei wie im Hohlraum gemäß (II.46)
~ω
hεi = ~ω . (II.67)
e kB T
−1
Zugrunde liegen hier die gleichen Vorstellungen wie bei der Hohlraumstrahlung. Die Energie der Oszilla-
toren ist quantisiert:
εl = l~ω (II.68)
~ω
Sei D = kB , dann ist
2 D
D eT
cV = 3N kB i2 (II.72)
T
h D
D D
e 2T e 2T − e− 2T
2
D 1
cV = 3N kB . (II.73)
2T sinh2 D
2T
DT
D 1 D
sinh ≈ e 2T (II.75)
2T 2
2
D D
cV = 3N kB e− T → 0 (II.76)
T
CV
D
T
3.7 Radioaktivität
Der spontane Zerfall von Atomkernen, die eine gewisse Zeit stabil vorlagen ist klassisch nicht erklärbar.
Im Rahmen der Quantentheorie gab Gamow später eine Erklärung aufgrund des Tunneleffektes.
28 II. Grenzen der klassischen Physik
Kapitel III
Bei einigen unter II.3 behandelten Phänomenen wurde offensichtlich, dass bis dahin sichere Wellenerschei-
nungen nun einer Teilchenbeschreibung bedurften, um die Ergebnisse verständlich machen zu können. Die
Schwarz-Körper-Strahlung und der Photoelektrische Effekt konnten im Bild elektromagnetischer Wellen
nicht erklärt werden. Erst eine Teilchenvorstellung - das Photon - schien brauchbar.
Umgekehrt gibt es Experimente mit Teilchen, die offensichtlich Wellencharakter hatten. Einige sollen
genannt sein.
1 Experimente
• 1927, Davisson u. Germer:
Bragg-Reflexion von Elektronen an Ni-Einkristall-
oberflächen Θ
Θ
d
• 1928, Thomson u.a.:
Debye-Scherrer-Ringe durch Beugung von Elektronen an polykristallinem Material
• 1929, Stern
Kristallbeugungsexperimente mit monoenergetischen Strahlen von He-Atomen und H2 -Molekülen,
Bestätigung der de Broglie-Beziehung
Die Experimente zeigen klar, dass die Wellenstruktur nicht auf Elektronen beschränkt ist, sondern dass
es sich um eine allgemeine Eigenschaft materieller Objekte handelt.
Die dualistischen Ergebnisse sind im Rahmen der klassischen Theorien nicht geeignet beschreibbar. Bei
scheinbar offensichtlichen Teilchenexperimenten versagt die Teilchentheorie (Mechanik), und bei scheinbar
offensichtlichen Wellenexperimenten versagt die Wellentheorie (Elektrodynamik), während die jeweils
andere Theorie besser zur Interpretation geeignet scheint.
Eine neue Theorie, die beides umfaßt, muß erraten“ werden. Um dieses Erraten“ zu erleichtern, suchen
” ”
wir nach Ansätzen für Teilchenbeschreibungen in der Elektrodynamik sowie für Wellenbeschreibungen in
der Mechanik.
30 III. Dualismus von Teilchen und Wellen (m0 6= 0)
Innerhalb der Elektrodynamik ist es die geometrische Optik, die mit ihren Strahlen die Trajektorien
von Teilchen assoziiert. Innerhalb der Mechanik ist es die Hamilton-Jacobi-Beschreibung, die mit ihrer
Wirkungsfunktion eine Wellenfront assoziiert.
Um die geometrische Optik anwenden und von der Ausbreitung eines Strahls sprechen zu können, ist
es notwendig, dass die Eigenschaften des optischen Mediums zeitunabhängig und räumlich nur schwach
veränderlich innerhalb einer Wellenlänge λ sind. Somit gilt
ε µ
∂t ε = 0, ∂t µ = 0, |∂x ε| , |∂x µ| . (III.1)
λ λ
∂x × H = ∂t D, ∂x B = 0 (III.2)
∂x × E = −∂t B, ∂x D = 0 (III.3)
und die Materialgleichungen
D = ε0 εE, B = µ0 µH, (isotrop) (III.4)
ergeben
n2 2
∂x2 E − ∂ E = −∂x (E∂x ln ε) − ∂x ln µ × ∂x × E . (III.5)
c2 t
Die rechte Seite ist aber von der Ordnung O λ1 während die linke Seite O 1
λ2 ist. Folglich gilt die
Wellengleichung wie in homogenen und isotropen Isolatoren
n2 2
∂x2 E − ∂ E=0 . (III.6)
c2 t
und
Ei = Ei0 eik0 (nŝ x−ct) , i = 1, 2, 3 (III.12)
2.2 Die Hamilton-Jacobi-Gleichung der klassischen Mechanik 31
Die Größe L = nŝ x ist die optische Weglänge oder das Eikonal .
Im schwach inhomogenen Medium wird nun für den optischen Weg allgemein L(x) angesetzt und die
Amplitude wird ebenfalls variabel zugelassen, so dass
zu schreiben ist. Die reelle Amplitude wird substituiert durch A = ln Ei0 , so dass
und somit
n2 2 n o
∂x2 Ei − ∂ E i = ∂ 2
A + ik 0 ∂ 2
L + (∂x A)2
+ 2ik 0 ∂x A∂x L − k 2
(∂ x L)2
+ k 2 2
n eA+ik0 (L−ct) = 0
c2 t x x 0 0
(III.17)
Wir benutzen nun die schwache Abhängigkeit von A und L von x. Mathematisch wird dies durch λ0 → 0
beschrieben, was gerade dem Bild der geometrischen Optik entspricht. So folgt die Eikonalgleichung
der geometrischen Optik
2
∂ x L = n2 , (III.18)
bzw.
∂x L = n, ∂x L = nŝ (III.19)
oder
ZP2 ZP2
L= nŝ dx = n ds . (III.20)
P1 P1
Die optische Weglänge L ist damit wie eine Trajektorie auffaßbar, entlang der sich die Photonen quasi-
mechanisch ausbreiten.
Beweis: siehe M. Kline, J.W. Kay, Electromagnetic theory and geom. Opt., p. 70-72
Wir rufen uns die wichtigen Schritte der Theorie in Erinnerung und setzen dazu bei den Hamiltonschen
Kanonischen Gleichungen
ṗk = −∂qk H, q̇k = ∂pk H (III.21)
mit X
H(pk , qk , t) = q̇k pk − L(qk , q̇k , t) (III.22)
k
1 Erzeugende bzgl. der kanonischen Transformationen, auf die hier nicht eingegangen werden soll.
32 III. Dualismus von Teilchen und Wellen (m0 6= 0)
an.
Zt Zt X
!
δ L dt = δ q̇k pk − H dt0 = 0 . (III.23)
t0 t0 k
Der Integrand ist nicht eindeutig festgelegt; eine additive totale zeitliche Ableitung einer Funktion S ist
ohne Einflußauf das Extremum, solange die Variationen bei t0 , t verschwinden. Wir setzen
X dS
q̇k pk − H = , (III.24)
dt
k
wobei S = S(qk , t, qk0 , t0 ) ist. Bei t0 und t verschwinden die Variationen der qk0 , qk beim Hamilton-Prinzip
immer. Ausführen der totalen Ableitung ergibt
X X
q̇k pk − H(qk , pk , t) = ∂qk S · q̇k + ∂t S . (III.25)
k k
S hat die Dimension einer Wirkung; sie wird durch diese partielle Differentialgleichung 1. Ordnung be-
stimmt.
Von besonderem Interesse ist die Hamilton-Jacobi-Gleichung wenn die Hamiltonfunktion nicht explizit
von der Zeit abhängt, also
∂t S + H(qk , ∂qk S) = 0 (III.29)
gilt. Der Separationsansatz
S(qk , t) = W (qk ) − βt, β = const. (III.30)
führt auf
H(qk , ∂qk W ) = β . (III.31)
Wenn das System konservativ ist, ist eine der Integrationskonstanten die Energie U . Dann gilt U = β
und somit
H(qk , ∂qk W ) = U . (III.32)
S und W sollen nun interpretiert werden für ein System aus einem Teilchen, bei dem H nicht explizit
von der Zeit abhängt, also
S(x, t) = W (x) − U t . (III.33)
S=const. beschreibt Flächen im R3 , die sich ausbreiten. Die Flächen können wir als Wellenfronten auf-
fassen. W =const. beschreibt feststehende Flächen im R3
p2
H= + Vb , pi = ∂qi S = ∂xi W (III.37)
2m
und weiter
1 2
(∂x W ) + Vb = U (III.38)
2m
2
(∂x W ) = 2m(U − Vb ) = 2mTb = p2 , p = |p| . (III.39)
Es folgt
U U U
vs = p = = , vT = Teilchengeschwindigkeit. (III.40)
2mTb p mvT
Besonders beachten wollen wir hier die Analogie in den Gleichungen zur Wirkungsausbreitung und der
Eikonalgleichung der Geometrischen Optik, die die Strahlausbreitung beschreibt:
2
(∂x W ) = p2 , (III.41)
2
(∂x L) = n2 . (III.42)
Die Hamilton-Jacobi-Gleichung wird mitunter auch als die Eikonalgleichung des Materiefeldes bezeichnet.
Zusammenfassend zu diesem Abschnitt ist festzustellen, dass die Hamilton-Jacobi-Theorie neben der
Teilchengeschwindigkeit vT eine weitere charakteristische Geschwindigkeit vS beinhaltet:
U
vS = q (III.43)
2m(U − Vb )
r
2
vT = (U − Vb ) (III.44)
m
34 III. Dualismus von Teilchen und Wellen (m0 6= 0)
Die Vermutung liegt nahe, dass diese Geschwindigkeiten mit der Phasen- bzw. Gruppengeschwindigkeit
ihr Gegenstück im Wellenbild finden.
3 Materiewellen
Nach den Vorbereitungen in den beiden vorhergehenden Abschnitten, in denen die Teilchentrajektorien in
Form der Eikonalgleichung aus den Maxwell-Gleichungen auf der einen Seite und Wellenfronten aus der
Hamilton-Jacobi-Gleichung für ein Teilchen auf der anderen Seite ableitet wurden, soll nun der nächste
Schritt zur Zusammenführung gegangen werden.
Wir betrachten dazu ein kräftefreies Teilchen (z.B. ein Elektron). Wir suchen nach einer Beschreibung,
die der Dualität gerecht wird, also sowohl der Korpuskel- als auch der Wellenvorstellung Rechnung trägt.
Die spezielle Struktur der räumlichen Verteilung wird durch die spezielle Wahl von A(k 0 ) bestimmt.
Für eine ebene Welle wäre A(k 0 ) eine δ-Funktion bei k. Wir betrachten jetzt ein A(k 0 ), das auch in
einer Umgebung von k nicht verschwindet.
3 Materiewellen 35
A(k’)
Z
00
Ψ(x, t) = Ã(k 00 )eik (x−∂k ωt) 3 00 i(k x−ω(k)t)
d k e (III.54)
(x,t)
Dieses Paket besteht aus einer Trägerwelle ei(k(x−vP h t)) mit
der Phasengeschwindigkeit
ω
vP h = · k̂, (III.57)
k
und einer Amplitude A(x, t), die die Trägerwelle moduliert
und damit die räumliche Lokalisierung des Wellenpaketes
beschreibt. x
Die Einhüllende A bewegt sich aber mit der Gruppenge-
schwindigkeit
v G = ∂k ω . (III.58)
vG = vT (III.59)
vP h = vS (III.60)
Betragsbildung liefert
vG = vT (III.61)
vP h = vS (III.62)
ω
wobei vPh = und vG = ∂k ω.
k
Die letzte Formel ergibt sich aus
∂ω ∂ω ∂k ∂ω
vG = = = k̂ . (III.63)
∂k ∂k ∂k ∂k
36 III. Dualismus von Teilchen und Wellen (m0 6= 0)
Setzen wir die aus der Mechanik bekannten Größen ein, so folgt
p
∂k ω = , (III.64)
m
ω p
= . (III.65)
k 2m
p
Elimination von m ergibt eine Differentialgleichung für ω(k) zu
ω
∂k ω = 2 (III.66)
k
dω dk
=2 (III.67)
ω k
1 1
ln ω = 2 ln k + ln , ln = Integrationskonstante. (III.68)
2µ 2µ
mit der Lösung
k2
ω(k) = (Dispersionsrelation kräftefreier Materiewellen). (III.69)
2µ
p = ~k, U = ~ω , (III.73)
m
wenn man µ = ~ setzt.
~ 2 p2
ω(k) = k , p = ~k, U = ~ω = . (III.74)
2m 2m
Der Ansatz eines Wellenpaketes Ψ(x, t) zur Beschreibung der Dualität scheint erfolgversprechend. Der
tatsächliche Erfolg ist daran zu messen, ob eine Materiefeldgleichung für Ψ zu finden ist.
4 Konzept für die Materiefeldgleichung (Schrödinger-Gleichung) 37
Für die Konstruktion der Schrödinger-Gleichung stehen folgende Anhaltspunkte zur Verfügung.
3. Einfachheit: Die Differentialgleichungen der Mechanik und Elektrodynamik sind von 2. Ordnung.
Es wird versucht, für die Schrödinger-Gleichung auch auf höhere Ordnungen zu verzichten.
4. Grenzfälle: Als gewisse Grenzfälle sollen die Hamilton-Jacobi-Gleichung als Eikonalgleichung des
Materiefeldes sowie die Erhaltung des Materieflusses enthalten sein.
Zwischenrechnungen:
∂xa ∂xb Ψ = (∂x ∂x A + i∂xa ∂xb G · A + i∂xa G∂xb A + i∂xa A∂xb G − ∂xa G∂xb G · A) eiG (III.81)
a b
2
∂t2 Ψ = ∂t2 A + i∂t2 G · A + 2i∂t G · ∂t A − (∂t G) A eiG (III.82)
∂xa ∂t Ψ = (∂xa ∂t A + i∂xa ∂t G · A + i∂xa G∂t A + i∂xa A∂t G − ∂xa G∂t G · A) eiG (III.83)
Realteil:
1 1 1
a0 + b0a ∂x A − b00a ∂xa G + b00 ∂t A − b000 ∂t G + c0ab ∂xa ∂xb A − c0ab ∂xa G∂xb G
A a A A
1 1 1
− c00ab ∂xa ∂xb G − c00ab ∂xa G ∂xb A − c00ab ∂xa A∂xb G + c0k0 ∂xa ∂t A − c0k0 ∂xa G∂t G
A A A (III.84)
1 1 1 2
− c00k0 ∂xa ∂t G − c00k0 ∂xa G ∂t A − c00k0 ∂xa A∂t G + c000 ∂t2 A − c000 (∂t G)
A A A
1
− c0000 ∂t2 G − 2c0000 ∂t G ∂t A = 0
A
38 III. Dualismus von Teilchen und Wellen (m0 6= 0)
Imaginärteil:
1 1 1
a00 + b00a∂xa A + b0a ∂xa G + b00 ∂t G − b000 ∂t A + c0ab ∂xa ∂xb G + c0ab ∂xa G ∂xb A
A A A
0 1 00 1 00 0 0 1
+ cab ∂xa A∂xb G + cab ∂xa ∂xb A − cab ∂xa G∂xb G + ck0 ∂xa ∂t G + ck0 ∂xa G ∂t A
A A A (III.85)
0 1 00 1 00 0 2 0 1
+ ck0 ∂xa A∂t G + ck0 ∂xa ∂t A − ck0 ∂xa G∂t G + c00 ∂t G − c00 2∂t G ∂t A
A A A
00 1 2 00 2
+ c00 ∂t A − c00 (∂t G) = 0
A
• Die dimensionslose Phase G soll im Grenzfall kleiner Wellenlängen mit dem Eikonal S des Mate-
riefeldes, das der Hamilton-Jacobi-Gleichung genügt, verknüpft werden. Da S die Dimension einer
Wirkung hat, liegt im Grenzfall die Entsprechung
1
G(x, t) = S(x, t) (III.86)
~
nahe.
1 2
∂t S + ∂x S + Vb (x) = 0 (III.87)
2m
bzw.
~2 2
~∂t G + ∂x G + Vb = 0 (III.88)
2m
Diese Gleichung wird als ein Grenzfall erwartet.
• Die Erhaltung des Materieflusses wird durch eine Kontinuitätsgleichung für die Dichte ρ(x, t) und
die Flußdichte j(x, t) beschrieben. Sie lautet
∂t ρ + ∂x j = 0 . (III.89)
Ψ∗ Ψ = A2 = const. · ρ (III.92)
A2 2 ~
2A∂t A + ~∂ G + 2A∂x A∂x G = 0 (III.93)
m x m
4 Konzept für die Materiefeldgleichung (Schrödinger-Gleichung) 39
bzw.
1 ~2 2 ~2 1
− ~ ∂t A − ∂x G − ∂x A · ∂x G = 0 (III.94)
A 2m mA
gelten. Diese Gleichung wird somit als zweite Grenzfallgleichung erwartet.
Wenn man nun die Koeffizienten des Ansatzes wie folgt wählt
~2
c0kl = − δkl c00kl = 0 c0k0 = 0 c00k0 = 0 (III.96)
2m
c000 = 0 c0000 = 0 a00 = 0 (III.97)
so reduziert sich der Realteil auf
!
~2 ∂x2 A
~∂t G − − (∂x G)2 +V =0 (III.98)
2m A
1 2
Die Grenzfallgleichungen werden damit bereits weitgehend dargestellt bis auf den Term A ∂x A in der
ersten Gleichung. Im Grenzfall λ → 0 wird aber
∂2A 2
x
∂x G (III.100)
A
2 2π 2
da G = k x − ωt und ∂x G = k 2 = λ → ∞ gilt. Die obige Koeffizientenwahl ist also mit dem
Grenzfall konsistent.
Setzen wir die ermittelten Koeffizienten in den Ansatz ein, so folgt die Schrödinger-Gleichung
~2 2
− i~∂t Ψ − ∂ Ψ + Vb Ψ = 0 (III.101)
2m x
für das komplexe Materiefeld Ψ.
Bemerkungen:
• Die Überlegungen des Abschnitts sind keine Herleitung der Schrödinger-Gleichung. Unser
Konzept könnte falsch sein, insbesondere (3.) ist nicht scharf faßbar. Vielleicht ist obige
Gleichung doch zu einfach.
• Die Brauchbarkeit der Schrödinger-Gleichung hat sich bisher an einer Vielzahl von An-
wendungen herausgestellt. Die Lösungen der Schrödinger-Gleichung stimmen hochpräzise
mit experimentellen Aussagen überein.
• Unklar ist zunächst noch die Interpretation von Ψ.
40 III. Dualismus von Teilchen und Wellen (m0 6= 0)
Kapitel IV
Wellenmechanik
1 Grundgleichung
HΨ = i~∂t Ψ . (IV.1)
Sie ist das Axiom der Wellenmechanik. H ist der Hamilton-Operator des Systems. Ψ ist die Wellenfunk-
tion.
Die Interpretation von Ψ war lange Zeit ein Gegenstand heftiger Kontroversen. Heute vertreten die
Physiker mehrheitlich die unten angegebene Form der Interpretation. Die Auseinandersetzung über die
Interpretation der Quantentheorie generell ist nach wie vor in vollem Gange.
Die heutige Interpretation geht auf Max Born (1926) zurück, die durch die Kopenhagener-Schule um
Niels Bohr weiter ausgebaut wurde. Born schlug vor
2
|Ψ(x, t)| dV (IV.2)
als Wahrscheinlichkeit zu betrachten, dass durch Ψ(x, t) beschriebene Teilchen zur Zeit t bei x im Volumen
dV = dx1 dx2 dx3 zu finden, also
2
P (x, t)dV = |Ψ(x, t)| dV . (IV.3)
Damit diese Deutung stimmt, muss Z
2
|Ψ(x, t)| dV = 1 (IV.4)
gelten, also das Teilchen mit Sicherheit irgendwo im Universum sein. Ψ muss eine quadratisch integrable
Funktion sein. Sie muss insbesondere für |x| → ∞ genügend schnell abfallen.
Die Phasen der komplexen Wellenfunktion Ψ scheinen in dieser Überlegung keine Rolle zu spielen. Dies
trifft allerdings nicht zu.
Wir betrachten zwei Lösungen Ψ1 (x, t) = R1 eiθ1 und Ψ2 (x, t) = R2 eiθ2 . Da die Schrödinger-Gleichung
linear ist, ist auch Ψ = Ψ1 + Ψ2 Lösung. Dann gilt
2
2 2
|Ψ(x, t)| = |Ψ1 (x, t) + Ψ2 (x, t)| = R1 (x, t)eiθ1 (x,t) + R2 (x, t)eiθ2 (x,t) (IV.5)
2
= eiθ1 R1 + R2 ei(θ2 −θ1 ) (IV.6)
42 IV. Wellenmechanik
Ein insgesamt wirkender Phasenfaktor geht nicht ein, jedoch die relative Phase θ2 − θ1 . Diese beschreibt
gerade die Interferenz.
Es ist noch zu zeigen, dass die Normierungsbedingungen für jeden Zeitpunkt erfüllt ist, wenn sie für t = 0
erfüllt ist.
Es ist
∂t P (x, t) = ∂t Ψ∗ · Ψ + Ψ∗ ∂t Ψ (IV.9)
~2 2
1
∂t Ψ = − ∂ + V̂ Ψ (IV.10)
i~ 2m x
~2 2
1
∂ t Ψ∗ = − − ∂x + V̂ Ψ∗ (V̂ = V̂ ∗ ) (IV.11)
i~ 2m
2
~2 2
1 ~ 2 ∗ ∗ 1
∂t P = − − ∂ Ψ ·Ψ +Ψ − ∂ Ψ (IV.12)
i~ 2m x i~ 2m x
~
∂x ∂x Ψ∗ · Ψ − Ψ∗ ∂x Ψ
= (IV.13)
i2m
Wenn die Schrödinger-Gleichung gelöst ist und somit auch P (x, t) bekannt ist, können Erwartungswerte
physikalischer Größen bestimmt werden. Für den Erwartungswert hf i einer Größe f (x) gilt allgemein
Z
hf i = f (x)P (x, t)dV. (IV.19)
Für die Berechnung des Erwartungswertes hpi des Impulses eines Teichens, kann diese Formel nicht
unmittelbar angewandt werden. Zunächst gilt
dx
p = mv = m . (IV.21)
dt
2 Interpretation der Wellenfunktion 43
Nun folgt Z Z
d d
hpi = m hxi = m ∗
Ψ xΨdV = m (∂t Ψ∗ · xΨ + Ψ∗ x∂t Ψ) dV (IV.22)
dt dt
~2 2 ~2 2
Z
1
= −m − ∂x + V Ψ∗ xΨ − Ψ∗ x − ∂x + V Ψ dV (IV.23)
i~ 2m 2m
2 Z n
1 −~ o
= −m ∂x2 Ψ∗ · xΨ − Ψ∗ x∂x2 Ψ dV (IV.24)
i~ 2m
Z n o
~
= ∂x2 Ψ∗ · xΨ − Ψ∗ x∂x2 Ψ dV . (IV.25)
2i
mit
1 0 0
δ = δij = 0 1 0 . (IV.27)
0 0 1
Somit folgt unter Verwendung des Gaußschen Satzes und der gleichen Argumentation wie oben
Z Z
~ ~
hpi = 2Ψ∗ ∂x ΨdV = Ψ∗ ∂x ΨdV . (IV.28)
2i i
Wir gehen noch weiter und definieren für einen beliebigen Operator A die Eigenschaft
Z
hAi = Ψ∗ AΨdV , (IV.32)
wobei A vom Ort, Impuls und ggf. weiteren Teilchen- oder Systemparametern abhängen kann.
Kommen wir noch einmal zum Impulsoperator p = ~i ∂x zurück. Die Schrödinger-Gleichung (III.101)
können wir damit auch schreiben als
!
p2
+ V̂ (x) Ψ(x, t) = i~∂t Ψ(x, t) . (IV.33)
2m
Aufgrund der Analogie zur Hamilton-Funktion eines Teilchens liegt es nahe, die Größe
2
p2 ~
i ∂x ~2 2
H= + V̂ = + V̂ = − ∂ + V̂ (IV.34)
2m 2m 2m x
44 IV. Wellenmechanik
HΨ = i~∂t Ψ (IV.35)
zu schreiben. Damit ist auch der Weg vorgezeichnet, die Schrödinger-Gleichung für Mehrteilchensysteme
und komplexere Systeme zu verallgemeinern. Sie gilt in der angegebenen Form mit dem entsprechenden
Hamilton-Operator des Systems. Ψ ist dann das Materiefeld des Gesamtsystems. Bei einem N-Teilchen-
System ersetzen wir die Teilchenkoordinaten
Der Phasenraum“ umfaßt offensichtlich nur die Ortskoordinaten der Teilchen. Seine Dimension ist halb
”
so großwie die des klassischen Phasenraumes.
In der Quantenmechanik wird eine physikalische Größe durch einen Operator repräsentiert. Ein Operator
kann dabei durchaus eine Funktion wie in der klassischen Mechanik sein. Als Beispiel sind Ort x oder
das Potential Vb (x) zu nennen, in dem sich ein Teilchen bewegt. Der Impuls p hingegen ist wie in IV.2
dargelegt durch einen Differentialoperator in der Form
~
p= ∂x (IV.37)
i
darzustellen. Der Hamilton-Operator für ein Teilchen der Masse m ergibt sich zu
~2 2 b
H=− ∂ + V (x) (IV.38)
2m x
und ist eine Kombination der genannten Operatoren. Operatoren sind allgemeinere Abbildungen als
multiplikative Funktionen.
Einer der wichtigen Unterschiede ist, dass zwei Operatoren i. a. nicht mehr unabhängig von der Reihenfolge
ihrer Wirkung das gleiche Resultat erzeugen. Exemplarisch betrachten wir dazu zwei Operatoren A und
B, die wir speziell
A=x (IV.39)
~
B=p=
∂x (IV.40)
i
wählen, und nacheinander auf Ψ wirken lassen. Es folgt
~ ~
ABΨ = x ∂x Ψ = x∂x Ψ , (IV.41)
i i
~ ~
BAΨ = ∂x xΨ = ((∂x x)Ψ + x∂x Ψ) , (IV.42)
i i
somit (AB − BA)Ψ = i~Ψ
oder AB − BA = i~I .
Definition:
Die Größe [A, B] := AB − BA heißt Kommutator der Operatoren A und B. I ist der
identische Operator .
4 Das Ehrenfestsche Theorem 45
Der Kommutator ist selbst wieder ein Operator; um dies zu unterstreichen wird ggf. der identische
Operator I angefügt.
Insbesondere gilt
~
[xa , xb ] = 0, [pa , pb ] = 0, [pa , xb ] = Iδab , a, b = 1, 2, 3. (IV.43)
i
Zur Beschreibung eines quantenmechanischen Vielteilchensystems benutzen wir die generalisierten Ko-
ordinaten qk und Impulse pk , die natürlich Operatoren darstellen. Dann gelten analog die Kommutator-
oder Vertauschungsregeln
~
[qk , ql ] = 0, [pk , pl ] = 0, [pk , ql ] = δkl I , (IV.44)
i
wobei k, l = 1, 2, ..., f für ein System mit f Freiheitsgraden. Ist A ein Operator, der funktional von den
p’s und q’s abhängt, also
A = A (p1 , · · · , pf , q1 , · · · , qf ) (IV.45)
oder kurz geschrieben
A = A(pk , ql ) , (IV.46)
dann gilt
[qk , A] = i~∂pk A , (IV.47)
[pk , A] = −i~∂qk A . (IV.48)
Beweisskizze:
A wird in eine Potenzreihe nach pk und qk entwickelt. Die Kommutatorregeln für die Potenzen
der pk und qk sind durch vollständig Induktion zu beweisen (üA).
Hier bietet sich der Vergleich mit der klassischen Mechanik an. In Poisson-Klammern-Schreibweise lauten
die Hamiltonschen Gleichungen
{qk , H} = ∂pk H = q˙k , (IV.51)
{pk , H} = −∂qk H = p˙k , (IV.52)
wobei die Poisson-Klammern wie folgt definiert sind:
X
{A, B} := (∂qk A∂pk B − ∂pk A∂qk B) (IV.53)
k
A sei der einer physikalischen Größe zugeordnete Operator. Dann gilt nach (IV.32) für den Mittelwert
Z
hAi = Ψ∗ AΨdV . (IV.54)
1 1
∂t Ψ∗ = − HΨ∗ , ∂t Ψ = HΨ (IV.56)
i~ i~
ergibt
Z Z
dhAi 1 ∗ 1
=− HΨ AΨdV + Ψ∗ AHΨdV + < ∂t A > . (IV.57)
dt i~ i~
~2
Z Z Z
HΨ∗ AΨdV = − ∂x2 Ψ∗ AΨdV + V Ψ∗ AΨdV (IV.58)
2m
~2
Z Z
=− Ψ ∂x AΨdV + Ψ∗ V AΨdV
∗ 2
(IV.59)
2m
Z
= Ψ∗ HAΨdV (2× partiell integriert) . (IV.60)
So folgt
Z
dhAi 1
= Ψ∗ [A, H]ΨdV + h∂t Ai . (IV.61)
dt i~
Wir wenden diese Form jetzt auf A = qk und A = pk an, die nicht explizit zeitabhängig sind. Dann ergibt
sich
dhqk i
Z
1
= Ψ∗ [qk , H]ΨdV (IV.62)
dt i~
dhpk i
Z
1
= Ψ∗ [pk , H]ΨdV . (IV.63)
dt i~
Die Kommutatoren werden durch die in IV.3 ausgerechneten Ausdrücke (IV.49) und (IV.50) ersetzt mit
dem Ergebnis
dhqk i
Z
= Ψ∗ ∂pk HΨdV = h∂pk Hi (IV.64)
dt
dhpk i
Z
= − Ψ∗ ∂qk HΨdV = −h∂qk Hi . (IV.65)
dt
Diese Bewegungsgleichungen für die Mittelwerte der Koordinaten qk und der kanonisch konjugierten
Impulse pk eines Quantensystems stellen das Ehrenfestsche Theorem dar. Es ist allgemein nicht richtig
zu sagen, dass die Mittelwerte hqk i und hpk i den Gesetzen der klassischen Mechanik gehorchen. Die
Mittelwerte hqk i und hpk i genügen den klassischen Bewegungsgleichungen nur in dem Maße, wie man auf
der rechten Seite die Mittelwerte der Funktionen durch die Funktionen der Mittelwerte ersetzen kann,
d. h.
h∂pk H(ql , pm )i durch ∂hpk i H(hql i, hpm i) (IV.66)
usw.
Das gilt streng aber nur, wenn H ein Polynom höchstens zweiten Grades in pk und qk ist. Näherungsweise
ist das Ersetzen gerechtfertigt, wenn die Schwankungen um die Mittelwerte hqk i und hpk i klein sind, d. h.
bei makroskopischen Systemen.
5 Die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation 47
Bevor wir die wohl bekannteste Beziehung der Quantentheorie - die Heisenbergsche Unbestimmt-
heitsrelation - ableiten, sollten einige Vorbetrachtungen vorangestellt werden.
Im Abschnitt III.3 haben wir ein Teilchen durch ein Wellenpaket dargestellt. Unser Ansatz (III.51) war
Z
0 0
Ψ(x, t) = A(k 0 )ei[k x−ω(k )t] dk10 dk20 dk30 . (IV.67)
Wir interessieren uns jetzt für die räumliche Struktur und setzen deshalb t = 0. Außerdem ist eine
eindimensionale Betrachtung ausreichend, also
Z
0
Ψ(x) = A(k 0 )eik x dk 0 . (IV.68)
Die Breite beim Abfall der spektralen Intensität |A|2 auf 1/e ergibt sich zu
2
∆k = √ . (IV.70)
2α
1/e
Die Substitution k = k 0 − k0 liefert
Z
2 k
Ψ(x) = A0 e−αk eikx dk eik0 x . (IV.71)
Somit folgt r
π − x2 ik0 x
Ψ(x) = A0 e 4α e . (IV.73)
α
Damit ist
π x2
|Ψ(x)|2 = A20 e− 2α (IV.74)
α
ein um x = 0 lokalisiertes Wellenpaket. Die Breite des Wellenpaketes messen wir dort, wo die Intensität
auf 1/e abgefallen ist: √
∆x = 2 · 2α . (IV.75)
Der exakte Wert der rechten Seite ist nicht wichtig, da bei der Breitenmessung sowieso eine gewisse
Willkür gegeben ist. Wichtig ist die Größenordnung
∆k · ∆x = O(1) . (IV.77)
Für eine ebene Welle gilt insbesondere ∆k → 0. Somit ist ∆x → ∞; eine ebene Welle ist nicht lokalisierbar
und somit haben wir sie auch nicht zur Beschreibung eines lokalisierten Teilchens herangezogen.
2
| | Betrachten wir noch die de Broglie-Beziehung
p = ~k , (IV.78)
x
Die Unschärfen des Ortes und des Impulses eines ein Teilchen darstellende Wellenpaketes sind somit nicht
unabhängig, sondern beziehen sich aufeinander.
Extremfälle:
Ebene Welle: ∆k → 0, ∆x → ∞
δ-Impuls: ∆k → ∞, ∆x → 0
Wir leiten nun die Unbestimmtheitsrelationen für ein eindimensionales Ein-Teilchen-Problem aus der
Schrödinger-Gleichung ab. Dazu wird die Varianz des eindimensionalen Ortsoperators x bzw. des eindi-
mensionalen Impulsoperators p eingeführt über
rD E rD E
2 2
∆x := (x − hxiI) , ∆p := (p − hpiI) . (IV.80)
bzw: rD E
2
∆A := (A − hAiI) . (IV.82)
Es ergibt sich
Es gilt
~
[A, B] = [x, p] = − I, hA2 i = ∆x2 , hB 2 i = ∆p2 (IV.86)
i
.
5 Die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation 49
gilt
Z
J(λ) := dxΦ∗ Φ ≥ 0
Z
= dx(AΨ + iλBΨ)∗ (AΨ + iλBΨ) (IV.88)
Z
dx (AΨ)∗ (AΨ) + λ2 (BΨ)∗ (BΨ) + iλ(AΨ)∗ (BΨ) − iλ(BΨ)∗ (AΨ) .
=
Ziel ist es nun, die Operatoren A und B so in ihren Positionen zu verändern, dass sie immer zwischen Ψ∗
und Ψ stehen. Multiplikative Operatoren sind einfach umzustellen, Differentialoperatoren werden durch
partielle Integration in Position gebracht.
Zusammengefasst folgt
J(λ) = ∆x2 + λ2 ∆p2 + iλh[A, B]i = ∆x2 + λ2 ∆p2 + iλh[x, p]i ≥ 0. (IV.93)
d. h.
h[x, p]i
λ = −i . (IV.95)
2∆p2
1
∆x2 ∆p2 ≥ − h[x, p]i2 (IV.98)
4
1 2
∆x2 ∆p2 ≥ ~ (IV.99)
4
~
∆x∆p ≥ (IV.100)
2
Diese Beziehung ist wie folgt zu interpretieren: Bei der gleichzeitigen Bestimmung des Ortes x und des
Impulses p eines Teilchens existiert eine Genauigkeitsgrenze, die nicht unterschritten werden kann. Je
genauer der Ort x bestimmt wird, desto ungenauer ist der Impuls p bekannt und umgekehrt. Für ein
klassisches Teilchen sind natürlich Ort und Impuls bei gleichzeitiger Messung beliebig genau bestimmbar.
Die Genauigkeitsgrenze ist apparativ, aber nicht prinzipiell gegeben.
Die Unbestimmtheitsrelation trägt gerade dem Dualismus Rechnung. Ein quantenmechanisches ”Teil-
chen” erscheint in dem einen Experiment mehr als Welle, in dem anderen Experiment mehr als Teilchen.
Betrachten wir noch einmal die Beugungsexperimente mit freien Elektronen. Die Elektronen zeigen Wel-
leneigenschaften und sind deshalb prinzipiell nicht lokalisierbar (∆x 6= 0). Ihr Impuls entspricht nicht
einem singulären Wert, da für ein Wellenpaket mehrere Wellenlängen und damit Impulsanteile überla-
gert sind. Würde im Grenzfall der Impuls tatsächlich scharf bestimmt werden können (∆p → 0), hätte
dies ∆x → ∞ zur Folge. Das Elektron würde sich in diesem Grenzfall wie eine ebene Welle verhalten,
diese hat gerade eine scharfe Wellenlänge und damit einen scharfen Impuls, ist aber nicht lokalisierbar.
Wir betrachten ein Ein-Teilchen-System, das durch das stationäre Potential V̂ (x) und somit durch die
Schrödinger-Gleichung
i~∂t Ψ(x, t) = HΨ(x, t) (IV.101)
mit
~2 2
H=− ∂ + V̂ (x) (IV.102)
2m x
bestimmt ist.
Der Hamilton-Operator ist somit für ein stationäres Potential explizit zeitunabhängig. Wir lösen die
Schrödinger-Gleichung mit dem Separationsansatz
und erhalten
~2 2
i~ϕ∂t T = −
∂x ϕ + V̂ · ϕ T (IV.104)
2m
~2 2
∂t T 1
i~ = − ∂ ϕ + V̂ · ϕ = U (= const) (IV.105)
T ϕ 2m x
woraus zum einen
∂t T Ut Ut
i~ =U , T = T0 e−i ~ = e−i ~ (IV.106)
T
(wir setzen T0 = 1, da konstante Faktoren zu ϕ geschlagen werden können) und zum anderen
~2 2
− ∂ + V̂ ϕ = Hϕ = U ϕ (IV.107)
2m x
6 Die zeitfreie Schrödinger-Gleichung 51
folgt. Die Gleichung für ϕ ist die zeitfreie Schrödinger-Gleichung. Sie ist eine Eigenwert-Gleichung für den
Hamilton-Operator H. U ist ein Eigenwert und ϕ ist eine Eigenfunktion. I.a. hat H mehrere Eigenwerte
und Eigenfunktionen, also
Hϕn = Un ϕn , n = 1, 2, . . . (IV.108)
Das Ausrechnen der Eigenwerte und Eigenfunktionen ist eine der Hauptaufgaben der Quantenmechanik.
Analytisch funktioniert die Lösung nur für relativ einfache Hamilton-Operatoren. Für komplexe H’s
sind zahlreiche Näherungsmethoden entwickelt worden. Wegen ∂t |ϕ|2 = ∂t |Ψ|2 = 0 heißen die Lösungen
stationär. Da Z Z
|ϕ|2 dV = |Ψ|2 dV = 1 (IV.109)
gilt, kommen für die ϕn quadratisch integrierbare Funktionen in Frage. Offensichtlich fügt sich das ma-
thematische Problem bestens in das Kalkül des Hilbertraumes L2 (V ) ein. Da
Z Z
(Hϕ1 ) ϕ2 dV = ϕ∗1 Hϕ2 dV
∗
(IV.110)
wobei ∂n Φ die Ableitung von Φ in Richtung der Normalen von dS bedeutet. Auf der
Oberfläche S des Volumens V , d.h. am Rand des Volumens, der auch im Unendlichen
liegen kann, verschwinden aber Φ1 und Φ2 . Somit gilt
Z Z
Φ1 4Φ2 dV = 4Φ1 Φ2 dV (IV.112)
V V
bzw. Z Z
Φ∗1 4Φ2 dV = (4Φ1 )∗ Φ2 dV . (IV.113)
V V
q.e.d.
3. Das Orthonormalsystem der Eigenfunktionen ist vollständig. Eine beliebige Funktion Ψ(x, t) kann
nach den ϕn ‘s entwickelt werden:
i
X
Ψ(x, t) = An ϕn (x) e− ~ Un t . (IV.115)
n
52 IV. Wellenmechanik
Damit bildet das System der ϕn ’s eine Basis. Wir werden später bei der abstrakten Formulierung der
Quantenmechanik noch gewisse Erweiterungen vornehmen, die insbesondere das kontinuierliche Spektrum
der Eigenwerte einschließen.
R0 F n V̂ I
V̂ I 6= V̂ II
h
V̂ II
h
Frage: Wie verhält sich die Wellenfunktion ψ an einem Potentialsprung, d.h. wenn V̂ I 6= V̂ II ?
Lässt man nun Höhe und Radius des Quasi-Zylinders gegen Null gehen, so ergibt sich
h→0 : jnI = jnII (IV.121)
bzw.
R0 → 0 : jnI = jnII . (IV.122)
Mit Gleichung (IV.118) folgt dann
ψ I = ψ II (IV.123)
und
∂n ψ I = ∂n ψ II . (IV.124)
Die Wellenfunktion und ihre Normalen-Ableitung sind stetig an Potentialsprüngen.
7.2 Übergangsbedingung an einem δ-Potential 53
h h
x
1 x0 2
~2 2
i~∂t ψ = − ˆ
∂ + V0 δ(x − x0 ) ψ (IV.125)
2m x
Z2 Z2 Z2
~2
i~∂t ψdx = − ∂x ψdx + Vˆ0 δ(x − x0 )ψdx
2
(IV.126)
2m
1 1 1
~2
∂x ψ − ∂x ψ + Vˆ0 ψ(x0 )
=− (IV.127)
2m 2 1
!
2
~
+ Vˆ0 ψ(x0 )
lim : 0=− ∂x ψ − ∂x ψ
(IV.128)
h→0 2m x0 +0 x0 −0
V̂
ψ
ψ
x
x0
54 IV. Wellenmechanik
8 Anwendungen
∞ x<0
V̂ (x) = 0 0<x<a (IV.130)
V
∞ x>a
Wir sehen, dass ϕ(x) = 0 für x < 0 und x > a. Wegen der Stetigkeit
0 x a
von ϕ gelten diese Werte als Randbedingungen
~2 2
− ∂ ϕ = Uϕ (IV.132)
2m x
2m
∂x2 ϕ + Uϕ = 0 . (IV.133)
~2
q
Fall 1: U < 0, κ2 = − 2m
~2 U , κ = + − 2m
~2 U
∂x2 ϕ − κ2 ϕ = 0 (IV.134)
ϕ(0) = 0 = d2
ϕ(a) = 0 = d1 sin ka (IV.138)
y ka = nπ, n = 1, 2, . . .
~2 π 2 2
Un = n (IV.139)
2ma2
nπx
ϕn = d1 · sin (IV.140)
a
Za Za a
nπ x 1 a nπ
2
|ϕn | dx = 1 = d21 sin2 x dx = |d1 |2 − sin 2 x (IV.141)
a 2 4 nπ a 0
0 0
a
1 = |d1 |2 (IV.142)
2
r
2 nπx
ϕn = sin . (IV.143)
a a
8.1 Ein Teilchen im Potentialkasten 55
Die mögliche Phase von d1 wurde null gesetzt, da eine globale Phase ohne Bedeutung ist, vgl. dazu auch
(IV.5)–(IV.8).
gilt. Damit bilden die ϕn ‘s ein Orthonormalsystem im L2 [0, a]. Das Orthonormalsystem ist vollständig,
so das es eine Orthonormalbasis bildet.
1. Der Zustand niedrigster Energie, der Grundzustand, ist durch ϕ1 beschrieben und hat die Energie
~2 π 2
U1 = . (IV.145)
2ma2
während
~2 π 2 n 2
hp2n i = 2mUn = . (IV.147)
a2
3. Die allgemeine Lösung der Schrödinger-Gleichung ergibt sich als überlagerung der Eigenlösungen
zu X iUn
Ψ(x, t) = An ϕn (x)e− ~ t . (IV.148)
n
Za
Am = ϕ∗m (x)Ψ(x, 0)dx (IV.150)
0
Wegen
Za
|Ψ|2 dx = 1 (IV.151)
0
56 IV. Wellenmechanik
folgt
Za X X XX Za XX
A∗m ϕ∗m An ϕn dx = A∗m An ϕ∗m ϕn dx = A∗m An δmn (IV.152)
0 m n m n 0 m n
und somit X
|An |2 = 1 . (IV.153)
n
Die Beziehung interpretieren wir wie folgt. Bei der Messung von H werden als einzelne Ereignisse
die Eigenwerte Un realisiert. |An |2 gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass der allgemeine Zustand
Ψ(x, t) bei einer Energiemessung den Eigenwert Un hat. (Analoge Interpretation im Energieraum,
wie im Ortsraum.)
Wenn das System z. B. im Eigenzustand ϕk ist, dann wird die Energiemessung notwendigerweise
Uk liefern. Da eine wiederholte Messung das gleiche Ergebnis liefern muss, müssen wir daraus fol-
gendes schließen: Sobald eine Energiemessung eines allgemeinen Zustandes Ψ durchgeführt worden
ist und den Wert Uk geliefert hat, verändert die Messung den Zustand in ϕk . Eine Messung in der
Quantenmechanik ist somit von der Wirkung her gesehen ein Sortierungsprozeß.
Diese Interpretation gilt nicht nur für dieses Beispiel, sondern allgemein.
Wir werden wieder eine Vielzahl von Lösungen erhalten, die durch den Index n unterschieden werden.
Substitution liefert r r
2 mk 2 2 2 mk
ξ = 2
x , ∂x = ∂ξ (IV.160)
~ ~2
r r !
~2 mk 2 k ~2 2
− ∂ + ξ − Un ϕn = 0 (IV.161)
2m ~2 ξ 2 mk
8.2 Harmonischer Oszillator 57
r r r !
2m ~2 mk ~2 ~2 2
∂ξ2 + 2 Un − 2 ξ ϕn = 0 (IV.162)
~ mk ~ mk mk
∂ξ2 + bn − ξ 2 ϕn = 0
(IV.163)
q R∞ ∗
= 2U
pm 1 k
mit bn = 2Un k ~ ω~ , ω =
n
m, ϕ ϕ dx = 1.
−∞ n n
|ϕn | −→ 0 . (IV.164)
|x|→∞
Die zu lösende DGL ist zwar linear (klar, da Schrödinger-Gleichung linear), aber enthält nichtkonstante
Koeffizienten. Zur Lösung ist die Sommerfeldsche Polynom-Methode geeignet.
Folglich gilt
Für beliebige ξ muss jeder einzelne Term verschwinden, woraus die Rekursionsformel
cν+2 2ν + 1 − bn
= (IV.176)
cν (ν + 2)(ν + 1)
cν+2 2
−→ (IV.177)
cν ν→∞ ν
∞ ∞
2 X 1 2 µ X 1 2µ
eξ = ξ = ξ (IV.178)
µ=0
µ! µ=0
µ!
2µ = ν (IV.179)
∞ 0 ∞
2 X 1 ν X0
eξ = ν ξ = aν ξ ν . (IV.180)
ν=0 2 ! ν=0
P0
summiert nur jedes zweite Glied.
ν ν ν
aν+2 2! 2! 2! 2
= = = −→ (IV.181)
aν ν+2
2 !
( ν2 + 1)! ( ν2 + 1)( ν2 )! ν→∞ ν
Ohne Beweis geben wir an, dass die Polynome gerade die Hermiteschen Polynome Hn ergeben:
2
ϕn (ξ) = Bn e−ξ /2
Hn (ξ) (IV.189)
8.2 Harmonischer Oszillator 59
2 2
mit Hn (ξ) = (−1)n eξ dnξ e−ξ .
Die Normierungskonstante Bn ergibt sich aus
Z∞ r Z∞
~ 2
1= ϕ2n dx = Bn2 dξe−ξ Hn2 (ξ) . (IV.190)
mω
−∞ −∞
| {z }
√
=2n n! π
Z∞
An = Ψ(x, 0)ϕ∗n (x) dx . (IV.195)
−∞
1
U0 = ~ω (n = 0), (IV.196)
2
die Nullpunktsenergie! Die Nullpunktsenergie ist rein quantenmechanisch; es gibt kein klassisches
Analogon. Sie hat eine äquivalenz zur Heisenbergschen Unbestimmtheitsrelation. Wir benutzen die
Schwingungsdauer T der harmonischen Oszillation (ω = 2π/T ) und erhalten
U0 T = ~π. (IV.197)
Zwischen Energie und Zeit besteht eine ähnliche Unschärfe wie zwischen Ort und Impuls.
Die Nullpunktsenergie hält z. B. Helium auch nahe des Temperaturnullpunktes (≈ 10−3 K) flüssig.
Für schwere Atome sind ω bzw. U0 kleiner, weshalb man den Effekt z. B. für Stickstoff nicht beob-
achtet.
60 IV. Wellenmechanik
Bemerkung: Wir werden später im Rahmen der abstrakten Behandlung der Quantenmecha-
nik noch einmal auf den harmonischen Oszillator zurückkommen und dann die Eigenwerte Un
wesentlich schneller ausrechnen.
1. Energiestufen ∆Un = ~ω sind äquidistant. Ziel sei die Messung der Energie des Systems. Welche Er-
wartung an die zu messende Energie wird gehegt? Aussage macht der Erwartungswert zur Messzeit
t: Z
hHi = ψ ∗ (x, t)Hψ(x, t)dx (IV.198)
mit
∞
X Un t
Ψ(x, t) = An ϕn (x)e−i ~ (IV.199)
n=0
Z
An = ϕ∗n (ξ)ψ(ξ, 0)dξ , (IV.200)
mit
∞
X
|An |2 = 1 .
n=0
Dieses Ergebnis interpretieren wir genau so wie das analoge Ergebnis beim Potentialkasten:
Beispiel:
Bei einer Energie-Messung wird die Energie-Messung wird die Energie U3 = ~ω 72 gemessen.
Danach liegt das System im Zustand 3 vor. Wir wählen diesen Zeitpunkt als neuen Zeit-
Nullpunkt t = 0. Dann ist
ψ(x, 0) = ϕ3 (x) .
Im Weiteren entwickelt sich das System weiter (solange es nicht durch eine erneute Messung
gestört wird):
∞
X Un t
Ψ(x, t) = An ϕn (x)e−i ~ .
n=0
= δn3 , (IV.206)
d.h.
A3 = 1 , An = 0 n 6= 3 . (IV.207)
Folglich gilt
U3 t
ψ(x, t) = ϕ3 (x)e−i ~ . (IV.208)
∆p2 mω 2
U= + ∆x2 (IV.209)
2m 2
gilt. Es soll nun das minimale U bestimmt werden unter der HUR als Nebenbedinung. Die HUR
wird im Grenzfall
~
∆x∆p − = 0 (IV.210)
2
62 IV. Wellenmechanik
betrachtet. Mit dem Lagrange-Multiplikator λ setzen wir an eine Funktion F (∆p, ∆x, λ) zu
∆p2 mω 2
~
F (∆p, ∆x, λ) = + ∆x2 − λ ∆x∆p − (IV.211)
2m 2 2
und variieren:
∂F ∆p
= − λ∆x = 0 (IV.212)
∂∆p m
∂F
= mω 2 ∆x − λ∆p = 0 (IV.213)
∂∆x
∂F ~
= −∆x∆p + = 0 (IV.214)
∂λ 2
Multiplikation der ersten Gleichung mit ∆p, der zweiten mit ∆x und Differenzbildung liefert
∆p2
= mω 2 ∆x2 . (IV.215)
m
Einarbeitung der dritten Gleichung ergibt
~2 1
∆p2 = m2 ω 2 (IV.216)
4 ∆p2
~
∆p2 = mω (IV.217)
2
2
∆p 1 ~
∆x2 = 2 2 = (IV.218)
m ω mω 2
und schließlich
1 ~ω 1 ~ω ~ω
U= + = . (IV.219)
2 2 2 2 2
Beim so bestimmten extremalen U handelt es sich offensichtlich um ein Minimum. Die HUR erlaubt
∆x und ∆p beliebig groß, was U beliebig großwerden lässt.
Somit kann die Energie den Wert ~ω/2 nicht unterschreiten:
~ω
U≥ . (IV.220)
2
π 2 ~2
U1 =
2ma
ebenfalls als Folge der HUR zu diskutieren. Hier ist die Energie ausschließlich kinetisch:
p2
U= . (IV.221)
2m
Exakt bestimmt kann p nicht sein, insbesondere p = 0 ist nicht möglich. Mindestens muss also
∆p2
U= (IV.222)
2m
gelten. Die minimale Impuls-Varianz ∆p wird bei maximaler Orts-Varianz ∆x und der HUR als
Nebenbedingung erreicht. Allerdings setzt die Endlichkeit des Potentialkastens eine weitere Rand-
bedingung. Wir schätzen ab, dass ∆x maximal von der Skalenlänge a ist, also
∆x . a . (IV.223)
8.2 Harmonischer Oszillator 63
Wir betrachten wiederum die Grenzfälle und benutzen die Gleichungen statt der Ungleichungen.
Mit den Lagrange-Multiplikatoren λ und µ setzen wir
∆p2
~
F (∆p, ∆x, λ, µ) = − λ ∆x∆p − − µ (∆x − a) (IV.224)
2m 2
und variieren:
∂F ∆p
= − λ∆x = 0 (IV.225)
∂∆p m
∂F
= −λ∆p − µ = 0 (IV.226)
∂∆x
∂F ~
= −∆x∆p + =0 (IV.227)
∂λ 2
∂F
= −∆x + a = 0 . (IV.228)
∂µ
~
∆p = (IV.229)
2a
∆x = a (IV.230)
und somit
~2 1 π 2 ~2
U= = . (IV.231)
8ma2 4π 2 2ma2
Bis auf den Faktor 1/4π 2 wurde die minimal mögliche Energie bereits getroffen. Offensichtlich haben
wir ∆x zu großzügig abgeschätzt. Setzen wir
a
∆x . (IV.232)
2π
kommt als minimale Energie genau der Grundzustand U1 heraus.
• Annahme: in beiden Fällen steht dem Harmonischen Oszillator eine bestimmte Gesamtener-
gie zur Verfügung. Im Falle des quantisierten Harmonischen Oszillators muss U mit einem
bestimmten Eigenwert Un zusammenfallen.
• klassisch: U begrenzt die maximale Elongation
V̂
U
x
xmax
V̂ = U V̂ = 0 V̂ = U
T̂ = 0 T̂ = U T̂ = 0
64 IV. Wellenmechanik
U0 (z. B.)
x
xmax
Das Wasserstoff-Atom ist einer der wichtigsten Spezialfälle des Zentralpotentials V̂ (x), das nur von r =
p
x21 + x22 + x23 abhängt. Es handelt sich um ein Zwei-Teilchen-System.
p21 p22
H= + + V̂ (|r1 − r2 |) (IV.233)
2m1 2m2
an.
- r1 - r m1 r1 + m2 r2
2 RS = , r = r1 − r2 (IV.234)
+ m1 + m2
m1 p2 − m2 p1
r2 P S = p1 + p2 , p= . (IV.235)
r1 m1 + m2
Es folgt
0
P 2S p2
H= + + V̂ (|r|) , (IV.236)
2M 2µ
p2
H= + V̂ (|r|) . (IV.239)
2µ
M → m1 , µ → m2 und p → p2 (IV.240)
8.3 Das Wasserstoff-Atom 65
gilt. Das Schwerpunktsystem stimmt mit dem Kernsystem fast überein und wir können
r1 = 0, r2 = −r (IV.241)
setzen.
mit
1 e2
V̂ (r) = − und den Eigenfunktionen χ(r) . (IV.243)
4πε0 r
Die Randbedingungen im Unendlichen fordern ein hinreichend schnelles Abklingen der Eigenfunktionen,
so dass die Normierung möglich ist. Wir beschränken uns zunächst auf die gebundenen Zustände.
1. Schritt: Separation
Division durch RY führt auf den alleinigen Winkelterm ΛY /Y , der absepariert werden kann und
deshalb konstant ist. Wir setzen
ΛY = −λY (IV.251)
mit der Separationskonstanten −λ. Als Radialanteil verbleibt
1 2µ λ
∂r r2 ∂r R + 2 (U − V̂ )R − 2 R = 0 . (IV.252)
r2 ~ r
2. Schritt: Winkelanteil
1 1 2
ΛY = ∂θ sin θ∂θ + ∂ϕ Y = −λY (IV.253)
sin θ sin2 θ
Separation: Y (θ, ϕ) = Θ(θ)Φ(ϕ)
1 Θ 2
∂θ sin θ∂θ Θ · Φ + ∂ϕ Φ = −λΘΦ (IV.254)
sin θ sin2 θ
66 IV. Wellenmechanik
∂ϕ2 Φ + m2 Φ = 0 (IV.255)
m2
1
∂θ sin θ∂θ Θ + λ − Θ=0 . (IV.256)
sin θ sin2 θ
Die Lösung für Φ lautet
Φ = eimϕ . (IV.257)
und die Lösungen sind abgesehen von der Normierung die zugeordneten Legendreschen Funk-
tionen Plm (ξ), d. h.
s
m
m+|m| 2l + 1 (l − |m|)! |m|
Θl (θ) = (−1) 2 · P (cos θ) , (IV.265)
2 (l + |m|)! l
|m| |m| d|m|
Pl (ξ) = (1 − ξ 2 ) 2 Pl (ξ) (zugeordnete Leg. Fkt.), (IV.266)
dξ |m|
1 dl 2
Pl (ξ) = (ξ − 1)l (Legendre Polynom). (IV.267)
2l l! dξ l
Der ausführliche Beweis findet sich vielfach in der mathematischen Literatur. Wir beschränken uns
deshalb hier auf die Beweisidee. Die zugeordnete Legendresche Differentialgleichung wird dann mit
einem Potenzreihenansatz gelöst. Reguläre Lösungen ergeben sich nur, wenn die Potenzreihe nach
endlich vielen Gliedern abbricht. Abbruchkriterium ist gerade λ = l(l + 1).
Die l‘s heißen Nebenquantenzahlen oder Drehimpulsquantenzahlen. Die l‘s und m‘s sind nicht
beliebig frei wählbar. Wenn wir vereinbaren, dass
l = 0, 1, 2, . . . (IV.268)
läuft, dann folgt aus der Konstruktion der zugeordneten Legendreschen Funktionen
|m| d|m|+l 2
Pl ∝ (ξ − 1)l , (IV.269)
dξ |m|+l
8.3 Das Wasserstoff-Atom 67
|m|
dass für Pl 6≡ 0
|m| + l ≤ 2l (IV.270)
gelten muss, also
m = −l, −l + 1, . . . , l − 1, l . (IV.271)
Auf die Drehimpuls- und magnetischen Quantenzahlen kommen wir noch einmal zurück,
wenn die Drehimpulsquantisierung besprochen wird.
Die Lösung für den gesamten Winkelanteil ergibt sich schließlich zu
m+|m|
s
(−1) 2 2l + 1 (l − |m|)! imϕ |m|
Ylm (θ, ϕ) = √ e Pl (cos θ) . (IV.272)
2π 2 (l + |m|)!
Die Ylm (θ, ϕ) heißen Kugelflächenfunktionen. Sie bilden ein Orthonormalsystem auf der Ein-
heitskugel des R3 , also im L2 (Ω):
Z2πZπ
0
Ylm∗ Ylm
0 sin θ dθ dϕ = δmm0 δll0 . (IV.273)
0 0
3. Radialanteil:
1 2 2µ e2 ~2 l(l + 1)
∂r r ∂ r R + U+ − R=0 (IV.274)
r2 ~2 4πε r 2µ r2
| {z0 } | {z }
Coulomb-Potential Zentrifugalpotential
Wir betrachten U < 0; dies fährt auf die sogenannten gebundenen Zustände. Als Abkürzungen
benutzen wir
1 2µ 2µ e2
− 2 = 2 U, 2B = 2 (IV.275)
r0 ~ ~ 4πε0
Folglich gilt
2 1 2B l(l + 1)
∂r2 R + ∂r R + − 2 + − R=0 . (IV.276)
r r0 r r2
e2 1
α= ' . (IV.283)
4πε0 ~c 137
2 l(l + 1)
R00 + R0 − R=0 . (IV.287)
ρ ρ2
R = ργ (IV.288)
2 l(l + 1) γ
γ(γ − 1)ργ−2 + γργ−1 − ρ =0 , (IV.289)
ρ ρ2
woraus
γ(γ − 1) + 2γ − l(l + 1) = γ(γ + 1) − l(l + 1) = 0 (IV.290)
folgt. Als Lösung für γ folgt
γ=l und γ = −l − 1 , (IV.291)
wovon die zweite divergent ist und für uns somit unbrauchbar; es verbleibt also
R = ρl . (IV.292)
Für die vollständige Differentialgleichung überlagern wir beide Grenzfall-Lösungen mit einem Po-
tenzreihenansatz:
∞
ρ X
R = ρl e− 2 aν ρν (IV.293)
ν=0
Dann folgt
∞
0
X 1 ρ
R = (l + ν)aν ρν+l−1
− aν ρ ν+l
e− 2 (IV.294)
ν=0
2
∞
X 1 ρ
= (l + ν + 1)aν+1 − aν ρl+ν e− 2 (IV.295)
ν=−1
2
Weiterhin folgt
∞
(
00
X 1
R = (l + ν + 1)(l + ν)aν+1 − aν (l + ν) ρl+ν−1
ν=−1
2
)
1 1 ρ
+ − (l + ν + 1)aν+1 + aν ρl+ν e− 2 (IV.296)
2 4
∞
X 1 ρ
R00 = (l + ν + 2)(l + ν + 1)aν+2 − aν+1 (l + ν + 1) + aν ρl+ν e− 2 . (IV.297)
ν=−2
4
Cν+1 ν! 1 1
= = ∼ . (IV.303)
Cν (ν + 1)! ν+1 ν
Die Potenzreihe verhält sich wie eρ und R(ρ) ist damit nicht quadratintegrierbar. Zur Gewährlei-
stung der Quadratintegrierbarkeit muss die Potenzreihe abbrechen, so dass ein Polynom entsteht.
Es muss gelten
κ
ρ X
R(ρ) = ρl e− 2 a ν ρν (IV.304)
ν=0
aκ+1 = 0 , (IV.305)
l+κ+1−ε=0 (IV.306)
bzw.
ε=l+κ+1=n . (IV.307)
Wegen κ = 0, 1, . . . gilt n = l + 1, l + 2, . . ..
Eingesetzt folgt mit r
µ 1 e2
r
1 µc2 α
ε= √ = √ =n (IV.308)
2 ~ 4πε0 −U 2 −U
µ 1 e4 1 µc2 α2
Un = − = − . (IV.309)
2 ~2 (4πε0 )2 n2 2 n2
70 IV. Wellenmechanik
Bisherige Zählweise:
l = 0, 1, 2, . . .
& κ = 0, 1, 2, . . .
y n = l + 1, l + 2, . . .
n = 1, 2, 3, . . . Hauptquantenzahl
y l = 0, 1, . . . , n − 1 Drehimpulsquantenzahl
& m = −l, −l + 1, . . . , l − 1, l Magnetische Quantenzahl
Für ein festes l ergeben sich somit 2l + 1 magnetische Zustände. Für ein festes n gibt es 0, . . . , n − 1
Drehimpulszustände. Zusammen ergeben sich
n−1
X
(2l + 1) = n2 (IV.310)
l=0
Zustände für ein festes n. Die Entartung ist n2 -fach. Berücksichtigt man noch Elektronenspins, ist
die Entartung sogar 2n2 .
In der Spektroskopie sind folgende Bezeichnungen üblich:
n= 1 K-Schale des Atoms
2 L-Schale des Atoms
3 M-Schale des Atoms
.. ..
. .
l= 0 s (scharf)
1 p (prinzipal)
2 d (diffus)
3 f (fundamental)
4 g (alphabetisch)
.. ..
. .
m= 0 σ
1 π
2 δ
.. ..
. .
Da in die Energieniveaus die reduzierte Masse µ eingeht, ergibt sich ein geringer Effekt der Kern-
masse auf die Spektren:
m1 · m2 m2
µ= = m2 . (IV.311)
m1 + m2 1+ m 1
Auf diese Weise wurde 1932 das Deuterium von Urey u. a. entdeckt.
Die radialen Eigenfunktionen nehmen die Form
κ
ρ X
R(ρ) = e− 2 ρl a ν ρν (IV.312)
ν=0
8.3 Das Wasserstoff-Atom 71
an.
Aus der Rekursionsformel entnehmen wir, dass die aν ‘s von n und l abhängen. Beim Polynom-Anteil
handelt es sich gerade um die verallgemeinerten Laguerre-Polynome L2l+1 n+l , so dass man schreibt
s
1 2 (n − l − 1)! − ρ l 2l+1
Rnl (ρ) = p 3 2 e 2 ρ Ln+l (ρ) (IV.313)
a0 n [(n + l)!]3
mit
~2
ao = 4πε0 (' Bohrscher Radius, µ → m2 ) , (IV.314)
µe2
r s
r 2µ 2µ µ 1 e4 1 2
ρ = 2 = 2r −U 2 = 2r 2 2 2 2
= r , (IV.315)
r0 ~ ~ 2 ~ (4πε0 ) n na0
di dj
(i)
Lj (ρ) = eρ j (ρj e−ρ ) . (IV.316)
dρi dρ
Die Wahrscheinlichkeitsdichte
∗
P (r) = r2 R10 R10 (IV.318)
hat ihr Maximum bei
r 2 −2 ar
∂r P = 0 = ∂r (r2 e−2 a0 ) = (2r − r2 )e 0 (IV.319)
a0
d. h. bei r = a0 ; a0 entspricht gerade dem Bohrschen Radius, wenn µ = m2 .
Die Eigenwerte der gebundenen Zustände (U < 0) lassen sich im Energieniveau-Schema darstellen.
Betrachten wir nun den Fall U > 0 noch etwas genauer. In der Gleichung für den Radialanteil R
ist jetzt mit umgekehrten Vorzeichen zu substituieren:
1 2µ
+ = 2U . (IV.320)
r02 ~
Dann folgt
2 1 2B l(l + 1)
∂r2 R + ∂r R + 2 + − R=0 . (IV.321)
r r0 r r2
Asymptotisch (r → ∞) gilt
1
∂r2 R + R=0 . (IV.322)
r02
U =0 n=∞
n=3
U <0 n=2
n=1
U + 21 ∆U
Z
1 i 0
Ψ(x, t) ≈ √ dU 0 χ (x, U 0 ) e− ~ U t
. (IV.324)
∆U
U − 12 ∆U
x steht hier für eine beliebige räumliche Koordinate. Nachteilig ist nun, dass keine echten
stationären Zustände χ(x, U, ∆U ) ableitbar sind; Stationarität gilt nur näherungsweise, denn
U + 12 ∆U
Z
− ~i U t 1
Ψ(x, t) ≈ e √ dU 0 χ(x, U 0 ) (IV.325)
∆U
U − 12 ∆U
| {z }
χ(x,U,∆U )
i
Ψ(x, t) ≈ e− ~ U t χ(x, U, ∆U ) . (IV.326)
χ(x, U, ∆U ) repräsentiert keine ebene Welle mit scharfer Energie U bzw. Frequenz ω mehr,
sondern ein Wellenpaket mit der Energiebreite ∆U bzw. der entsprechenden Frequenzbreite
∆ω. Ein Wellenpaket ist aber normierbar:
Z
χ∗ (x, U, ∆U )χ(x, U, ∆U )dx = 1 . (IV.327)
Diese χ‘s gehören nicht zum L2 , sondern zu einem entsprechend erweiterten Hilbertraum. Hier
ist es zunächst ausreichend, die χ(x, U ) als Grenzwerte der χ(x, U, ∆U ) zu verstehen:
1
χ(x, U ) = lim √ χ(x, U, ∆U ) . (IV.329)
∆U →0 ∆U
Bei dieser Bildung ist klar, dass die Anwendung des Mittelwertsatzes folgendes liefert:
Z
1 1 1
χ(x, U ) = lim √ √ χ(x, U 0 )dU 0 = lim χ(x, Ũ )∆U = lim χ(x, Ũ ) .
∆U →0 ∆U ∆U ∆U →0 ∆U ∆U →0
(IV.330)
Diese Konstruktion korrespondiert mit der Linearkombination (b), denn es gilt
Z
χ∗ (x, U, ∆U )χ(x, U, ∆U )dx
U + 12 ∆U U + 21 ∆U
Z Z Z
1 1
= dx √ χ∗ (x, U 0 )dU 0 √ χ∗ (x, U 00 )dU 00
∆U ∆U
U − 21 ∆U U − 21 ∆U
U + 12 ∆U U + 21 ∆U
Z Z Z
1 0 00
= dU dU dxχ∗ (x, U 0 )χ(x, U 00 ) (IV.331)
∆U
U − 12 ∆U U − 21 ∆U | {z }
δ(U 0 −U 00 )
U + 12 ∆U U + 21 ∆U
Z Z
1 1
= dU 0 dU 00 δ(U 0 − U 00 ) = ∆U = 1 .
∆U ∆U
U − 12 ∆U U − 21 ∆U
| {z }
=1
Mit der Hinzunahme der uneigentlichen Eigenfunktionen betrachten wir das H-Atom als vollständig
beschrieben. Die detaillierte Struktur der Radialfunktionen für die ungebundenen Zustände bei
r < ∞ ist nicht sonderlich interessant.
74 IV. Wellenmechanik
9 Der Bahndrehimpuls
Die Untersuchung des Wasserstoff-Atoms zeigte, dass der Winkelanteil (θ, ϕ) ein völliges Eigenleben führt.
Es gilt
ΛYlm (θ, ϕ) = −l(l + 1)Ylm (θ, ϕ), l = 0, 1, 2, · · · (IV.332)
Der Operator Λ erweist sich nun im wesentlichen als der Operator des Bahndrehimpuls-Betragsquadrates
L2 . Wir betrachten dazu den Drehimpuls-Operator
~
L=x×p=x× ∂x (IV.333)
i
und berechnen seine Komponenten in kartesischen und sphärischen Koordinaten.
kartesisch:
~
L1 = (x2 ∂x3 − x3 ∂x2 ) (IV.334)
i
~
L2 = (x3 ∂x1 − x1 ∂x3 ) (IV.335)
i
~
L3 = (x1 ∂x2 − x2 ∂x1 ) (IV.336)
i
Die Berechnung von L2 führt auf recht längliche Formeln, so dass es vorteilhaft ist, den Indexkalkül
einschließlich der Summenkonvention anzuwenden. Es gilt
~
Lk = εklm xl ∂xm (IV.337)
i
Da dieses Ergebnis für beliebige orthogonale Koordinatensysteme gilt, kann elegant die Darstellung von
L2 in Kugelkoordinaten gefunden werden.
9.1 Die Richtungsquantisierung 75
sphärisch:
x = r · er (IV.347)
1 1
∂x = grad = er ∂r + eθ ∂θ + eϕ ∂ϕ (IV.348)
r r sin θ
1 1 1
∂x2 = div grad = 4 = 2 ∂r r2 ∂r + 2 ∂θ sin θ∂θ + 2 2 ∂ϕ2 (IV.349)
r r sin θ r sin θ
Folglich gilt
x∂x = r∂r (IV.350)
1 1
x2 ∂x2 = r2 4 = ∂r r2 ∂r + ∂θ sin θ∂θ + ∂ϕ2 = ∂r r2 ∂r + Λ (IV.351)
sin θ sin2 θ
und damit
Damit ist der Zusammenhang von L2 und Λ gefunden. Für L2 gilt die Eigenwertgleichung
Die Eigenwerte von L2 sind gerade ~2 l(l + 1) und die Eigenfunktionen die Kugelflächenfunktionen Ylm .
Ein Eigenwert von L2 zu einem festen l ist (2l + 1)-fach entartet, denn m kann die Werte −l, . . . , +l
annehmen. Es gibt also 2l + 1 durch m unterschiedene Eigenfunktionen zum gleichen Eigenwert.
Die Funktionen Ylm erweisen sich auch als Eigenfunktionen des Operators L3 (z-Komponente von L). Es
gilt
~ ~
L3 = (x1 ∂x2 − x2 ∂x1 ) = ∂ϕ . (IV.354)
i i
Beweis:
x1 = r sin θ cos ϕ
x2 = r sin θ sin ϕ
x3 = r cos θ
∂x1 ∂x2 ∂x3
∂ϕ = ∂x + ∂x + ∂x
∂ϕ 1 ∂ϕ 2 ∂ϕ 3
∂ϕ = −x2 ∂x1 + x1 ∂x2 + 0 q.e.d.
Die Eigenwert-Gleichungen
L2 Ylm = ~2 l(l + 1)Ylm (IV.356)
L3 Ylm = ~mYlm (IV.357)
bringen die sogenannte Richtungsquantisierung zum Ausdruck. Bei vorgegebenem l und damit festem
Betrag des Drehimpulses, kann die L3 -Komponente nur die Werte 0, ±~, ±2~, . . . annehmen.
76 IV. Wellenmechanik
~
[pi , xj ] = δij (IV.358)
i
ermitteln wir auf einfache Weise die Vertauschungsregeln für den Bahndrehimpuls. Zunächst gilt
x2 p3 −x3 p2
L = x × p = x3 p1 −x1 p3 = εklm xl pm ek , (IV.359)
x1 p2 −x2 p1
wobei εklm den total antisymmetrischen Tensor ( Levi-Civita-Symbol“) bezeichnet. In klassischer Auf-
”
fassung könnte auch geschrieben werden
L = −p × x , (IV.360)
9.2 Kommutatoren des Bahndrehimpulses 77
in der Quantenmechanik gilt dies aber nicht. In der Quantenmechanik bedeutet das Vektorprodukt nicht
mehr ein Produkt von Faktoren, sondern die Hintereinanderausführung von Operatoren, wobei die Kom-
bination der Komponenten analog zum Vektorprodukt erfolgt.
Die Kommutatoren zwischen je zwei Komponenten von L können wir darstellen in der Form
L2 L3 −L3 L2 [L2 ,L3 ]
L × L = L3 L1 −L1 L3 = [L3 ,L1 ] = εqrs Lr Ls ; q = 1, 2, 3 (IV.361)
L1 L2 −L2 L1 [L1 ,L2 ]
~ ~
= − εqlm xl pm = − Lq (IV.362)
i i
Diese Beziehungen enthalten das L2 mit allen drei Komponenten von L kommutiert, denn es gilt z.B.
1 Axiome
1. Der Zustand eines physikalischen Systems zu einem Zeitpunkt t0 wird beschrieben durch den nor-
mierten Quantenzustand |Ψ(t0 )i, wobei dieser Quantenzustand |Ψ(t0 )i Element eines Hilbertraumes
HR ist.
2. Eine meßbare physikalische Größe A wird beschrieben durch einen selbstadjungierten Operator Â.
A heißt Observable und  wirkt im Hilbertraum HR.
3. Die Messung von A kann nur einen Eigenwert von  ergeben.
4. an sei ein nichtentarteter Eigenwert des Operators  und |ni sei die zugehörige normierte Eigen-
funktion. Das physikalische System befinde sich unmittelbar vor der Messung im Quantenzustand
|Ψi. Dann ist die Wahrscheinlichkeit bzw. Wahrscheinlichkeitsdichte P (an ) den Eigenwert an bei
der Messung von A zu erhalten
P (an ) = |hn|Ψi|2 . (V.1)
5. Die Dynamik des Systems wird durch die Schrödinger-Gleichung
Ĥ|Ψ(t)i = i~ dt |Ψ(t)i (V.2)
beschrieben.
Bemerkungen:
1. Die physikalische Größe A kann skalaren, vektoriellen oder tensoriellen Charakter haben. Das gleiche
gilt für den zugehörigen Operator Â. Z. B. ist B̂ ein Vektoroperator.
2. Die Begriffe selbstadjungiert und hermitesch sind synonym.
3. Von jetzt an werden Operatoren durch ein Dachˆmarkiert.
4. P (an ) ist eine Wahrscheinlichkeit, wenn die an ’s diskret von n abhängen.
P (an ) ist eine Wahrscheinlichkeitsdichte, wenn die an ’s kontinuierlich von n abhängen.
2 Dirac-Formalismus
2.1 Hilbertraum
Ein Hilbertraum ist ein linearer Vektorraum. Die Elemente dieses Raumes werden ket-Vektoren
genannt und mit
|Ψi, |ai, |ni, |mli, . . . (V.3)
80 V. Axiomatischer Aufbau der Quantenmechanik
Zum Hilbertraum gehört immer ein dualer Hilbertraum, dessen Elemente bra-Vektoren genannt und
die mit
hΨ|, ha|, hn|, hml|, . . .
bezeichnet werden. Jedem ket |Ψi ist in eindeutiger Weise ein bra hΨ| zugeordnet. Die Zuordnungsope-
ration heißt Konjugation und wird mit
(|Ψi)+ = hΨ| (V.6)
bezeichnet. Es gilt
((|Ψi)+ )+ = (hΨ|)+ = |Ψi (V.7)
+ ∗
(c|Ψi) = hΨ| · c . (V.8)
Zur Analogie werden oft Vektoren vorgeschlagen. So sei ein Bra ein Zeilen-, ein Ket ein Spaltenvektor.
Wendet man die Vektoren aufeinander an, ergeben sich zwei mögliche Varianten. Im Hilbertraum ist
ein Skalarprodukt definiert. Das Skalarprodukt ordnet jedem Paar von bra und ket, hΨ| und |χi, eine
komplexe Zahl c zu, geschrieben
c = hΨ|χi (V.9)
und es gilt
c∗ = hΨ|χi∗ = hχ|Ψi , (V.10)
hΨ| c1 |χ1 i + c2 |χ2 i = c1 hΨ|χ1 i + c2 hΨ|χ2 i (V.11)
sowie hΨ|Ψi ≥ 0. Falls hΨ|Ψi = 0, ist |Ψi = |nulli, d. h. das Null-Element im Hilbertraum.
Im Hilbertraum ist eine Norm existent und diese ist über das Skalarprodukt definiert:
p
k|Ψik = hΨ|Ψi (V.12)
Statt k|Ψik schreibt man auch kΨk, also k|Ψik ≡ kΨk. Ein Hilbertraum ist somit ein normierter Raum.
Insbesondere gilt k|nullik = 0.
Das Skalarprodukt verknüpft einen Bra und einen Ket in der Reihenfolge Bra-Ket. Es besteht aber auch
die Möglichkeit einer Verknüpfung in der Reihenfolge Ket-Bra. Diese Bildung ist analog zum Dyadischen
Produkt, das aus der linearen Algebra bekannt ist. In der linearen Algebra ist die äußere Form einer
solchen Bildung eine Matrix und dementsprechend wirksam wie ein Operator. Das Dyadische Produkt
der Vektoren a und b schreibt sich als
a◦b
Die Anwendung auf einen Vektor c schreibt sich als
a ◦ b · c,
wobei zwangsläufig ein Skalarprodukt ergeben als Gesamtergebnis ein Vektor proportional zu a verbleibt.
Im Hilbertraum ist eine Ket-Bra-Konstruktion ebenfalls operator-wertig. Dazu betrachten wir die Dyade
|ψihφ|
|ψihφ|πi
Diese Ket-Bra-Ket-Konstruktion ist wie folgt zu interpretieren: hφ|πi stellt ein Skalarprodukt da und der
verbleibende Gesamtausdruck ist ein mit dem Skalar multiplizierter Ket |ψi.
Ein Hilbertraum ist ein vollständiger Raum. Jede Cauchyfolge hat ihren Grenzwert in diesem Raum.
D. h. für eine Folge |Ψn i, die im Cauchy-Sinne konvergiert, also ∀ε > 0 ∃N (ε), so dass kΨm − Ψn k < ε
für m, n > N , und es existiert ein Grenzwert |Ψi, der wieder im Hilbertraum liegt.
Fassen wir die genannten Eigenschaften des Hilbertraumes zusammen, kommen wir zu folgender Defini-
tion.
Ein vollständiger, normierter, linearer Vektorraum, in dem die Norm durch ein Skalarpro-
dukt erzeugt wird, heißt Hilbertraum.
Bemerkungen:
1. Der duale Hilbertraum wird auch dualer Kovektorraum oder konjugierter Raum genannt.
Dementsprechend sind bra-Vektoren die Kovektoren zu ket-Vektoren oder die konjugier-
ten Vektoren.
2. Die Bezeichnungen bra und ket sind aus bracket abgeleitet.
3. Der bra-ket-Formalismus des Hilbertraumes ist besonders bei den Physikern in Gebrauch.
In der Mathematik werden die Elemente des Hilbertraumes (Vektoren) einfach Ψ, χ, ξ,
. . . bezeichnet und das Skalarprodukt mit (Ψ, χ). Diese Notation kommt ohne den dualen
Raum aus.
• L2 (G)
G ⊂ Rn , |f i = f (x), x ∈ G
Z
L2 (G) = {f : f (x) : G → C1 , f messbar, L |f |2 dV < ∞} (V.14)
G
g ∗ (x)f (x)dV
R
Skalarprodukt: hg|f i = L G
• L2 (−∞, ∞)
G = R1 , |f i = f (x)
Z∞
1 1
L2 (−∞, ∞) = {f : f (x) : R → C , f messbar, L |f |2 dx < ∞} (V.15)
−∞
R∞
Skalarprodukt: hg|f i = L −∞
g ∗ (x)f (x)dx.
Für die in der Physik auftretenden Funktionen kann häufig das Lebesgue-Integral durch das
Riemann-Integral ersetzt werden.
82 V. Axiomatischer Aufbau der Quantenmechanik
• l2
∞
xn ∈ C, |ξi = {xn }n=0
∞
( )
∞
X
1 2
l2 = {xn }n=0 , xn ∈ C , |xn | < ∞ (V.16)
n=0
P∞
Skalarprodukt: hη|ξi = n=0 yn∗ xn
Operator: Wenn jedem |Ψi ∈ HR ein |χi ∈ HR zugeordnet ist, dann schreibt man die
Zuordnungsvorschrift
|χi = Â|Ψi (V.17)
und nennt  Operator.
gilt. Es gelten folgende Eigenschaften (mit |nulli als neutrales Element der Addition):
• Â + B̂ = B̂ + Â
• Wenn |χi = Â|Ψi und B̂|χi = |Ψi ∀|χi, |Ψi, dann ist B̂ = Â−1 , ÂB̂ = B̂ Â = Iˆ
Ein Operator  kann gegebenenfalls auf eine Teilmenge des HR - den Definitionsbereich von  - einge-
schränkt sein.
Formal kann Â, der angewendet auf |Ψi gerade |χi erzeugt, als
Adjungierter Operator:
Â+ ist der adjungierte Operator zu Â, wenn gilt
Die Zuordnung, die  im Hilbertraum beschreibt, wird von Â+ im dualen Hilbertraum beschrieben, denn
mit
|ξi = Â|Ψi (V.22)
folgt
hΨ|Â+ |χi = hχ|ξi∗ = hξ|χi (V.23)
und somit
hΨ|Â+ = hξ| . (V.24)
also +
Â|Ψi = hΨ|Â+ . (V.26)
Bemerkung:
Die Konjugation von Vektoren wird mitunter auch als Adjungation bezeichnet. Wir trennen
die Bezeichnungen hier und reservieren Adjungation für die Operatoren.
Selbstadjungierte Operatoren:
Wenn Â+ =  gilt, heißt  selbstadjungiert oder hermitesch.
Dynamische Variable:
Eine dynamische Variable ist eine physikalische Größe L, die durch einen Operator L̂ beschrie-
ben wird. Für L̂ existiert eine Bewegungsgleichung der Form
L̂|Ψi = |Ψ0 i . (V.31)
Observable:
Eine Observable ist eine dynamische Variable, die direkt beobachtbar ist, reelle Messwerte
liefert und durch einen hermiteschen Operator beschrieben wird (vgl. Axiom Nr. 2). Später
werden wir die Definition einer Observablen noch ergänzen. (Das Eigenvektorsystem einer
Observablen ist vollständig.)
Unitäre Operatoren:
Ein Operator Û heißt unitär, wenn bei Anwendung von Û auf |Ψ1 i und |Ψ2 i, also
Û |Ψ1 i = |χ1 i (V.32)
Û |Ψ2 i = |χ2 i , (V.33)
das Skalarprodukt erhalten bleibt:
hχ1 |χ2 i = hΨ1 |Ψ2 i . (V.34)
84 V. Axiomatischer Aufbau der Quantenmechanik
Eine Zahl a ∈ C ist ein Eigenwert des Operators Â, wenn es einen ket |ei gibt, so daß
gilt. |ei heißt Eigenvektor oder Eigenket. Mit |ei ist auch λ · |ei Eigenvektor, da
mit
|e0 i := λ|ei . (V.41)
Ein selbstadjungierter Operator  = Â+ hat nur reelle Eigenwerte, denn aus
folgt
he|Â|ei he|Â+ |ei he|Â|ei∗
a= = = = a∗ . (V.43)
he|ei he|ei he|ei
Eigenvektoren eines selbstadjungierten Operators Â, die zu verschiedenen Eigenwerten gehören, sind
orthogonal. Denn aus
Â|e1 i = a1 |e1 i
Â|e2 i = a2 |e2 i, a1 6= a2
folgt
a1 he2 |e1 i = he2 |Â|e1 i = he2 |Â+ |e1 i = he1 |Â|e2 i∗ = a∗2 he1 |e2 i∗ = a2 he2 |e1 i (V.44)
(a1 − a2 )he2 |e1 i = 0 (V.45)
he2 |e1 i = 0 . (V.46)
Eine Linearkombination der Eigenvektoren |ei i ist wieder Eigenvektor, denn für
X
|ẽi = λi |ei i , λi ∈ C (V.48)
i
2.3 Eigenwerte und Eigenvektoren hermitescher Operatoren 85
gilt
X X X X
Â|ẽi = Â λi |ei i = λi Â|ei i = λi a|ei i = a λi |ei i = a|ẽi . (V.49)
i i i i
Die |ei i spannen den Eigenraum von a auf. Sie müssen nicht immer unmittelbar orthogonal sein; sie
sind aber per definitionem linear unabhängig und können damit mit dem Schmidtschen Verfahren ortho-
normiert werden. Dann gilt
hei |ei0 i = δii0 . (V.50)
Die Menge aller Eigenwerte eines Operators  heißt Spektrum von Â. Das Spektrum kann diskret sein,
die Mächtigkeit eines Kontinuums annehmen oder beide Anteile enthalten.
Projektionsoperatoren:
|ai sei ein normierter Eigenvektor von  zum nichtentarteten Eigenwert a, also
Der Operator
P̂a = |aiha| (V.53)
heißt Projektionsoperator auf den Unterraum HRa des Hilbertraumes HR; HRa wird von
|ai aufgespannt. Anwendung von P̂a auf einen beliebigen Zustand |Ψi ergibt
def ∗
hψ|P̂a+ |χi = hχ|P̂a |ψi∗ = (hχ|aiha|ψ) = hχ|ai∗ ha|ψ ∗ (V.55)
def
= ha|χiψ|ai = hψ|aiha|χi (V.56)
2. P̂a2 = P̂a , da
P̂a2 = |ai ha|aiha| = |aiha| = P̂a . (V.60)
| {z }
=1
86 V. Axiomatischer Aufbau der Quantenmechanik
Sei p ein Eigenwert und |pi ein Eigenvektor von P̂ . Dann gilt
Basis:
Ein Satz von Vektoren |bi i, i = 1, 2, . . . , n, . . . heißt Basis des Hilbertraumes, wenn die |bi i
linear unabhängig sind und der Satz vollständig ist. D.h., jeder Vektor |Ψi muß sich darstellen
lassen in der Form X
|Ψi = ci |bi i . (V.69)
i
Ein Satz von Vektoren |ei i, i = 1, 2, . . . , n, . . . heißt Orthonormalbasis, wenn die |ei i eine
Basis bilden und wenn gilt
hei |ej i = δij . (V.70)
Mit Hilfe einer Orthonormalbasis läßt sich der Identische Operator Iˆ darstellen als
X
Iˆ = |ei ihei | . (V.71)
i
Es gilt X X
ˆ
|Ψi = I|Ψi = |ei ihei |Ψi = ci |ei i (V.72)
i i
2.3 Eigenwerte und Eigenvektoren hermitescher Operatoren 87
mit ci = hei |Ψi; ein beliebiger Vektor |Ψi wird nach der Basis |ei i entwickelt.
Wenn der Satz |ei i nicht vollständig ist, geht Iˆ über in einen Projektionsoperator auf den entsprechenden
Unterraum.
Zur Verdeutlichung sei hier wiedereinmal die Analogie zur linearen Algebra im <3 angeführt. Mit einer
Orthonormalbasis {e1 , e2 , e3 } lässt sich ein beliebiger Vektor x darstellen als
x = x1 e1 + x2 e2 + x3 e3
xi = x · ei
wobei die Vektoren auf der rechten Seite über das Skalarprodukt verknüpft sind. Einsetzen liefert
3
X
x= (x · ei )ei
i=1
3
X
x= ei (ei · x)
i=1
oder
3
X
x= ei ◦ ei x
i=1
Basiswechsel:
Seien |ei i und |fi i zwei verschiedene Orthonormalbasen im Hilbertraum. Dann gilt
X X
Iˆ = |ei ihei | = |fj ihfj |. (V.73)
i j
Ein Vektor |Ψi kann nach beiden Orthonormalbasen entwickelt werden, also
X X
ˆ
|Ψi = I|Ψi = hei |Ψi|ei i = εi |ei i (V.74)
i i
X X
ˆ
|Ψi = I|Ψi = hfj |Ψi|fj i = ϕj |fj i . (V.75)
j j
88 V. Axiomatischer Aufbau der Quantenmechanik
X X
εi = hei |fj i ϕj = Uij ϕj (V.77)
j
| {z } j
≡Uij
εi = Uij ϕj . (V.78)
Beweis:
Graphisch:
Ψ
φ1 cos α − sin α
U= (V.82)
φ2 e2
sin α cos α
f2
f1
e1 ε1
Kontinuierliches Spektrum:
Für kontinuierlich verteilte Eigenwerte und Eigenvektoren können vorangegangene Überlegungen nicht
mehr unmittelbar gelten. Insbesondere wird die Orthonormalitätsrelation
problematisch, wenn n und n0 nicht abzählbar sind, wie die folgenden Ausführungen zeigen. Es gibt zwei
Methoden, um das kontinuierliche Spektrum zu erfassen.
1. von Neumann-Methode
In der streng mathematischen Hilbertraum-Theorie gibt es zu den kontinuierlichen Eigenwerten
keine Eigenvektoren. Man kommt ohne die Eigenvektoren mit der sogenannten Spektraldarstellung
aus.
Diesen Weg verfolgen wir nicht.
2.3 Eigenwerte und Eigenvektoren hermitescher Operatoren 89
2. Dirac-Methode
In dieser Beschreibung existieren Eigenvektoren |αi zu den kontinuierlichen Eigenwerten α; es gilt
die Eigenwertgleichung
Â|αi = α|αi . (V.84)
Hier gelten die vorangegangenen Überlegungen entsprechend; für die Teilspektren gilt
Um die Schreibweise zu vereinfachen, führt man mitunter eine übergreifende Symbolik ein:
a und |ai können sowohl diskret als auch kontinuierlich sein. Man schreibt
(
0 00 0 00 δa0 a00 diskret
ha |a i = δ(a , a ) ≡ 0 00
(V.94)
δ(a − a ) kontinuierlich
Z
X X Z
Iˆ = |aiha| ≡ |aiha| + da|aiha| . (V.95)
a a
Wir betrachten nun einen Operator Â, der nur ein nichtentartetes diskretes Spektrum besitzt. Die Eigen-
vektoren |ni bilden dann ein Orthonormalsystem, von dem wir voraussetzen, daß es vollständig sei, also
eine Basis bildet. Dann gilt X
Iˆ = |nihn|, hn|mi = δnm . (V.96)
n
Gemäß dem Axiom Nr. 4 beträgt die Wahrscheinlichkeit P (an ) bei der Messung den Meßwert an zu
erhalten
P (an ) = |hn|Ψi|2 . (V.97)
90 V. Axiomatischer Aufbau der Quantenmechanik
Folglich gilt
X
hÂi = an |hn|Ψi|2
n
X
= an hΨ|nihn|Ψi
n
X
= ˆ
hΨ|an I|nihn|Ψi
n
X
= hΨ|Â|nihn|Ψi
n
X
= hΨ|Â |nihn|Ψi
n
ˆ
= hΨ|ÂI|Ψi
= hΨ|Â|Ψi . (V.99)
Die Bildung des Erwartungswertes korrespondiert mit der in Kapitel 2 benutzten Definition
Z
hÂi = Ψ∗ ÂΨdV , (V.100)
G
bei der das Skalarprodukt des L2 (G) Anwendung fand. Der Erwartungswert hÂi hängt somit nur vom
Systemzustand |Ψi vor der Messung ab.
Der Meßprozeß an einem quantenmechanischen System unterscheidet sich erheblich von einer Messung
an einem klassischen System. Beim klassischen System kann man davon ausgehen, daß der Meßprozeß
i. d. R. das System selbst nicht beeinflußt.
Ein quantenmechanisches System wird grundsätzlich durch den Meßvorgang beeinflußt. Die Messung ist
ein Prozeß der Wechselwirkung mit dem System, und diese Wechselwirkung kann nicht vernachlässigt
werden. Wenn sich das quantenmechanische System vor der Messung in einem beliebigen Zustand |Ψi
befunden hat, überführt der Meßprozeß das System in einen Eigenzustand |ni. Ergebnis der Messung ist
ein Eigenwert an des Operators  der meßbaren physikalischen Größe (Observablen) A (Axiom Nr. 3).
Axiom Nr. 2 sichert, daß der Eigenwert und damit die Meßgröße eine reelle Zahl ist.
|Ψi −→ |ni
↑ ↑ ↑
vor der Messung Messung der Observablen  nach der Messung:
Eigenzustand von Â
Meßwert an
3 Kompatible Observablen 91
Der Zustand |ni nach der Messung ist nicht sichtbar, aber aus dem Meßwert an kann geschlossen werden,
daß sich das System nach der Messung genau in diesem Zustand |ni befindet. Der Messprozess ist ein
Eingriff in die dynamische Entwicklung des Quanten-Systems. Die innere Dynamik des Quanten-Systems
beschrieben durch die SGL wird zur Messzeit gestoppt. Nach der Messung entwickelt sich das Quanten-
Systems wieder vermöge der SGL mit dem neuen Anfangszustand, der als Ergebnis der Messung vorliegt.
Der Meßprozeß kann auch als Projektion von |Ψi in einen durch den jeweiligen Eigenvektor |ni aufge-
spannten Unterraum verstanden werden. Der Projektionsoperator dafür ist
3 Kompatible Observablen
Zwei Observablen heißen kompatibel (verträglich), wenn ihre Operatoren (Â, B̂) vertauschbar sind, also
wenn gilt
[Â, B̂] = ÂB̂ − B̂ Â = 0 . (V.104)
Die (hermiteschen) Operatoren Â, B̂ zweier kompatibler Observablen besitzen die gleichen Eigenvektoren,
wie der folgende Beweis zeigt.
Beweis:
Es gilt [Â, B̂] = 0, Â = Â+ , B̂ = B̂ + .
{|ai i} kann mit dem Schmidtschen Verfahren in ein Orthonormalsystem gebracht werden.
92 V. Axiomatischer Aufbau der Quantenmechanik
Jede Linearkombination der Eigenvektoren aus dem Eigenraum von a ist wieder ein Eigen-
vektor (vgl. 2.2). Insbesondere ist das Orthonormalsystem {|ai i} eine Orthonormalbasis des
Eigenraumes. Diese Orthonormalbasis ist aber nicht eindeutig. Die unitäre Transformation U
vermöge (Summenkonvention!)
+ + ∗
|αj i = Uji |ai i mit Uji Uik = Uij Uik = δik . (V.110)
|ai i = Uik |αk i (V.111)
Der Satz der Entwicklungskoeffizienten βin als Matrix aufgefasst ist hermitesch, da
Nun wird versucht, die Orthonormalbasis im Eigenraum so zu wählen, daß die rechte Seite
diagonalisiert. Wir setzen nach (V.111)
Die unitäre Transformation U kann, wegen der Hermitezität von βin , immer so gewählt wer-
den, daß die rechte Seite diagonalisiert, also
+
Uji βin Unl = γjl (Diagonalmatrix) (V.120)
= γ(j) δjl ( (j)“ verhindert Summenkonvention) (V.121)
”
gilt. Die Klammer am Index j soll hier die Anwendung der Summenkonvention verhindern.
Dann folgt weiter
B̂|αj i = γj |αj i (V.122)
und somit ist |αj i Eigenvektor von  und B̂.
Kapitel VI
Darstellungen
Im Dirac-Formalismus treten völlig abstrakte Zustände |Ψi auf, in denen sich das quantenmechanische
System befindet. Diese Zustände |Ψi sind Elemente eines abstrakten Hilbertraumes und mit einer Meß-
vorschrift im R3 zunächst nicht verbunden. Ganz ähnlich fehlt bisher auch ein Zusammenhang zwischen
|Ψi und der Wellenfunktion Ψ(x, t), die in Kapitel III erfolgreich berechnet und interpretiert wurde. Die
Verwendung einer Darstellung“ stellt diese Verbindung gerade her.
”
Wir betrachten eine Orthonormalbasis {|ai}, die z. B. aus den Eigenvektoren des hermiteschen Operators
 gebildet wird. Die Orthonormalbasis kann aber auch auf andere Art erzeugt worden sein. Dann gilt
Ein quantenmechanischer Zustand |Ψi kann mit Hilfe der gewählten Orthonormalbasis in der Form
XZ
|Ψi = |aiha|Ψi . (VI.3)
dargestellt werden.
Wir schreiben
Ψ(a) ≡ ha|Ψi (VI.4)
und somit Z
X
|Ψi = Ψ(a)|ai . (VI.5)
Ψa ≡ ha|Ψi . (VI.6)
|Ψi ist mittels der Basis {|ai} dargestellt. Die Entwicklungskoeffizienten Ψ(a) sind komplexe Koeffizienten
bzw. Funktionen und damit bereits weit weniger abstrakt als die Hilbertraumelemente |Ψi.
Später werden wir sehen, daß die Entwicklungskoeffizienten Ψ(a) gerade in die bekannten Wellenfunk-
tionen Ψ(x) übergehen, wenn als Orthonormalbasis die Eigenfunktionen des Ortsoperators x̂ gewählt
werden. Diese Darstellung heißt Ortsdarstellung . Diese Basis des Ortsoperators x̂ ist kontinuierlich.
94 VI. Darstellungen
Unter der Darstellung eines Operators B̂ in der gewählten Orthonormalbasis versteht man die Gesamtheit
der Elemente
Ba0 a00 = ha0 |B̂|a00 i . (VI.7)
Ist die Orthonormalbasis diskret, stellen die i.a. komplexen Koeffizienten Ba0 a00 eine Matrix dar. Die
ursprünglich Heisenbergsche Matrizenmechanik beruht auf einer bestimmten derartigen Darstellung
mittels einer diskreten Orthonormalbasis.
Wird als Orthonormalbasis gerade die Eigenbasis {|bi} des Operators B̂ gewählt, gelangt man zur Spek-
traldarstellung . Dann gilt
Bb0 b00 = hb0 |B̂|b00 i = b00 hb0 |b00 i (VI.8)
Wenn sich das quantenmechanische System im Zustand |Ψi befindet, ist der Erwartungswert einer Ob-
servablen B̂
hB̂i = hΨ|B̂|Ψi . (VI.11)
Zur Darstellung des Zustandes und des Operators benutzen wir eine beliebige Orthonormalbasis {|ai}.
Dann gilt Z Z
X X
hB̂i = hΨ| |a0 iha0 |B̂| |a00 iha00 |Ψi (VI.12)
a0 a00
Z X
X Z
hB̂i = hΨ|a0 iha0 |B̂|a00 iha00 |Ψi (VI.13)
a0 a00
Z X
X Z
hB̂i = Ψ∗ (a0 )Ba0 a00 Ψ(a00 ) . (VI.14)
a0 a00
erhalten.
2 Darstellungswechsel 95
2 Darstellungswechsel
Wir betrachten einen Operator Ĉ und zwei verschiedene Orthonormalbasen {|li} und {|λi}; die lateinische
bzw. griechische Basis. Beide Orthonormalbasen können zur Darstellung von Ĉ benutzt werden. Dann
gilt
C̃lk = hl|Ĉ|ki (VI.16)
sowie
C̃˜λκ = hλ|Ĉ|κi . (VI.17)
Beide Darstellungen können ineinander überführt werden. Dazu stellen wir die Zustände |λi der griechi-
schen Orthonormalbasis mittels der Zustände |li der lateinischen Orthonormalbasis dar. Wegen
XZ Z
X
Iˆ = |lihl| = |kihk| (VI.18)
folgt
Z
Z X
C̃˜λκ
X
= hλ|Ĉ|κi = hλ|lihl|Ĉ|kihk|κi (VI.19)
l k
Z X
X Z
= hλ|liC̃lk hk|κi (VI.20)
l k
Die Koeffizienten hλ|li und hk|κi erweisen sich als die Elemente einer unitären Transformationsmatrix.
Wir bezeichnen (vgl. dazu auch (V.77))
+
Uλl ≡ hλ|li (VI.21)
Ukκ ≡ hk|κi . (VI.22)
bzw. kompakt
C̃˜ = U + C̃ U . (VI.25)
Die oben behauptete Unitarität von U folgt aus
Z
X Z
X
+
δ (λ, κ) = hλ|κi = hλ|lihl|κi = Uλl Ulκ (VI.26)
l l
Somit gehen C̃˜ und C̃ durch eine unitäre Transformation auseinander hervor.
96 VI. Darstellungen
Wir entwickeln hier die Grundgedanken für ein eindimensionales Einteilchensystem mit den skalaren Ope-
ratoren x̂ und p̂. Verallgemeinerungen auf mehr Dimensionen und mehrere Teilchen sind leicht möglich.
Der Ortszustand des Systems wird durch |xi beschrieben, wenn sich das Teilchen am Ort x befindet; x
ist dann gerade der Eigenwert. Es gilt die Eigenwertgleichung
Das System der Eigenfunktionen {|xi} muß vollständig sein, d. h. die Gesamtheit aller Projektionswahr-
scheinlichkeiten muß das sichere Ergebnis ergeben, da das Teilchen ja irgendwo auf der x-Koordinate zu
finden sein muß. Folglich gilt Z
Iˆ = dx|xihx| . (VI.30)
Da die Eigenzustände kontinuierlich verteilt sind (ohne Beweis), normieren wir auf die δ-Funktionen:
Das System der Eigenfunktionen des Ortsoperators bildet somit eine Orthonormalbasis. Ein beliebiger
Zustand |Ψi kann nach dieser Basis entwickelt werden:
Z
|Ψi = dx|xihx|Ψi . (VI.32)
oder Z
Ψ(x0 ) = dxhx0 |xiΨ(x) . (VI.35)
Diese Notation bringt uns zurück zur wellenmechanischen Formulierung des Kapitels IV. So gilt
Z Z
hΨ1 |Ψ2 i = dxhΨ1 |xihx|Ψ2 i = dxΨ∗1 (x)Ψ2 (x) . (VI.37)
3.2 Eigenfunktionensystem des Impulsoperators 97
Die linke Seite stellt das Skalarprodukt in abstrakter Formulierung dar; die rechte Seite ist das entspre-
chende Skalarprodukt im L2 (G) - im Hilbertraum der quadratisch integrierbaren Funktionen.
es handelt sich um eine verallgemeinerte Diagonalmatrix. Es liegt gerade die Spektraldarstellung des
Ortsoperators x̂ vor. Für Potenzen gilt analog
Das Matrix-Element von  = A(x̂) mit zwei beliebigen Elementen |gi und |f i des Hilbertraumes berechnet
sich zu
hg|Â|f i = hg|A(x̂)|f i
Z Z
hg|Â|f i = dx0 dx hg|x0 ihx0 |A(x̂)|xihx|f i (VI.42)
Der Impulszustand des Systems wird durch |pi beschrieben, wenn das Teilchen den Impuls p einnimmt;
p ist dann der Eigenwert. Es gilt die Eigenwertgleichung
Die weitere Schlußweise ist analog zur Ortsdarstellung. Es gelten Vollständigkeits- und Normierungsrela-
tion Z
Iˆ = dp|pihp| , (VI.45)
Ein beliebiger Zustand |Ψi kann mit Hilfe dieser Orthonormalbasis dargestellt werden zu
Z
|Ψi = dp|pihp|Ψi , (VI.47)
Das Matrixelement von  = A(p̂) mit zwei beliebigen Elementen |gi und |f i des Hilbertraumes berechnet
sich zu
hg|Â|f i = hg|A(p̂)|f i
Z Z
0
hg|Â|f i = dp dp hg|p0 ihp0 |A(p̂)|pihp|f i (VI.54)
Skalarproduktbildung ergibt
Z
hx0 |xi = δ(x0 − x) = dphx0 |pihp|xi . (VI.57)
Wir vergleichen diese Beziehung mit der bekannten Integraldarstellung der δ-Funktion in der Form
Z
0 1 0
δ(x − x) = dk eik(x −x) . (VI.58)
2π
Die Darstellungen der Zustände gehen durch eine Fouriertransformation auseinander hervor.
Mittels dieser Relation läßt sich der Zusammenhang zwischen Orts- und Impulsdarstellung eines Opera-
tors  herstellen.
 kann sowohl von x̂ als auch p̂ abhängen. Doppeltes Einfügen der Vollständigkeitsrelation
Z
Iˆ = dp|pihp| (VI.67)
ergibt
Z Z
hx0 |Â|xi = dp0 dphx0 |p0 ihp0 |Â|pihp|xi
i 0 0 i
e~p x 0 e− ~ px
Z Z
0
= dp dp √ hp |Â|pi √ (VI.68)
2π~ 2π~
Z Z
1 0 i 0 0
= dp dphp |Â|pie ~ x −px)
0 (p
2π~
bzw. die Umkehrrelation
Z Z
1 i 0 0
hp0 |Â|pi = dx0 dxhx0 |Â|xie− ~ (p x −px) . (VI.69)
2π~
Diese Zusammenhänge wenden wir an, um die Ortsdarstellung des Impulsoperators und die Impulsdar-
stellung des Ortsoperators zu berechnen.
Dies ist keine Diagonalmatrix. Das Ergebnis ist zu verallgemeinern für Potenzen und Funktionen von p̂:
n
~
hx0 |p̂n |xi = ∂x0 δ(x0 − x) (VI.71)
i
0 ~
hx |A(p̂)|xi = A ∂x0 δ(x0 − x) . (VI.72)
i
Die Kombination der Darstellung von Zuständen |Ψi und Operatoren  ergibt schließlich für
−Â = Â(x̂)
Z
0
hx |Â|Ψi = dxhx0 |Â|xihx|Ψi
Z
= dxÂ(x)δ(x0 − x)Ψ(x) (VI.76)
= A(x0 )Ψ(x0 )
Z
0
hp |Â|Ψi = dphp0 |Â|pihp|Ψi
Z
= dp{Â(i~∂p0 )δ(p0 − p)}Ψ(p) (VI.77)
= A(i~∂p0 )Ψ(p0 )
−Â = Â(p̂)
Z
hp0 |Â|Ψi = dphp0 |Â|pihp|Ψi
Z
= dpA(p)δ(p0 − p)Ψ(p) (VI.78)
= A(p0 )Ψ(p0 )
Z
hx0 |Â|Ψi = dxhx0 |Â|xihx|Ψi
Z
~
= dxA ∂x0 δ(x0 − x)Ψ(x) (VI.79)
i
~
= A ∂x0 Ψ(x0 )
i
Das Matrix-Element von A(p̂) in Ortsdarstellung bzw. von A(x̂) in Impulsdarstellung, jeweils gebildet
mit beliebigen Elementen |gi und |f i des Hilbertraumes, berechnet sich zum einen zu
Z Z
hg|A(p̂)|f i = dx0 dx hg|x0 ihx0 |A(p̂)|xihx|f i
Z Z
0 ∗ 0 ~
= dx dx g (x )A ∂x0 δ(x0 − x)f (x)
i
Z
∗ ~
= dx g (x)A ∂x0 f (x) (VI.80)
i
und zum anderen zu
Z Z
0
hg|A(p̂)|f i = dp dp hg|p0 ihp0 |A(p̂|pihp|f i
Z Z
= dp0 dp g ∗ (p0 )A (i~ ∂p0 ) δ(p0 − p)f (p)
Z
= dp g ∗ (p)A (i~ ∂p0 ) f (p) . (VI.81)
102 VI. Darstellungen
zu i~ ∂p .
p̂2
Ĥ|ϕi = U |ϕi, Ĥ = + V̂ (x̂) (VI.85)
2m
ist in eine konkrete Darstellung zu überführen.
Ortsdarstellung:
Projektion auf |x0 i und Einfügen der Vollständigkeitsrelation ergibt
Z
dxhx0 |Ĥ|xihx|ϕi = U hx0 |ϕi (VI.86)
Z
dxhx0 |Ĥ|xiϕ(x) = U ϕ(x0 ) (VI.87)
1
hx0 |Ĥ|xi = hx0 |p̂2 |xi + hx0 |V̂ (x̂)|xi (VI.88)
2m
2
1 ~
= ∂x0 δ(x0 − x) + V̂ (x) δ(x0 − x) (VI.89)
2m i
Z ( 2 )
1 ~ 0 0
dx ∂x0 δ(x − x) + V̂ (x) δ(x − x) ϕ(x) = U ϕ(x0 ) (VI.90)
2m i
( 2 )
1 ~
∂x0 + V̂ (x ) ϕ(x0 )
0
= U ϕ(x0 ) (VI.91)
2m i
3.5 Translationsoperator 103
Impulsdarstellung:
Projektion auf |p0 i und Einfügen der Vollständigkeitsrelation ergibt
Z
dphp0 |Ĥ|pihp|ϕi = U hp0 |ϕi (VI.92)
Z
dphp0 |Ĥ|piϕ(p) = U ϕ(p0 ) (VI.93)
1 0 2
hp0 |Ĥ|pi = hp |p̂ |pi + hp0 |V̂ (x̂)|pi (VI.94)
2m
p2
= δ(p0 − p) + V̂ (i~∂p0 ) δ(p0 − p) (VI.95)
2m
p2
Z
dp δ(p0 − p) + V̂ (i~∂p0 ) δ(p0 − p) ϕ(p) = U ϕ(p0 ) (VI.96)
2m
02
p
+ V̂ (i~∂p ) ϕ(p0 ) =
0 U ϕ(p0 ) (VI.97)
2m
3.5 Translationsoperator
Wir führen hier einen Operator ein – den Translationsoperator D̂(ξ) – mit dessen Hilfe das gesamte
System der Eigenvektoren des Ortsoperators x̂, also die Orthonormalbasis {|xi}, aus einem Eigenvektor
|x = 0i ≡ |0i aufgebaut werden kann. D̂(ξ) bewirkt folgendes:
D̂(ξ)|xi = |x + ξi (VI.98)
Dann gilt
D̂(ξ1 )D̂(ξ2 ) = D̂(ξ1 + ξ2 ) . (VI.99)
4 Besetzungszahldarstellung
Wir führen zunächst einen Operator â als Linearkombination von x̂ und p̂ ein:
r
mω 1
â = x̂ + i √ p̂ . (VI.102)
2~ 2m~ω
â+ heißt Erzeugungsoperator , â heißt Vernichtungsoperator . Das Produkt â+ â heißt Besetzungs-
zahloperator N̂ . N̂ ist hermitesch. Es gilt
r r
+ mω 1 mω 1
N̂ = â â = x̂ − i √ p̂ x̂ + i √ p̂ (VI.104)
2~ 2m~ω 2~ 2m~ω
mω 2 1 1
N̂ = x̂ + p̂2 + i (x̂p̂ − p̂x̂) . (VI.105)
2~ 2m~ω 2~
ersetzt. Als Basis für die Darstellung soll jetzt das System der Eigenvektoren von N̂ benutzt werden. Da
N̂ hermitesch ist, sind die Eigenvektoren orthogonal; im nächsten Abschnitt werden wir sehen, daß N̂
mit einer Observablen kompatibel und damit das Eigenvektorsystem vollständig ist.
Zur Bestimmung der Orthonormalbasis aus den Eigenvektoren von N̂ betrachten wir jetzt das Eigen-
wertproblem
N̂ |ni = n|ni . (VI.107)
n sind die Eigenwerte, |ni die normierten Eigenfunktionen. Es werden nun diverse Eigenschaften der n
und |ni abgeleitet.
Aus
n = n∗ = hn|N̂ |ni = hn|â+ â|ni = kâ|nik2 (VI.108)
folgt
n≥0 (VI.109)
da
kâ|nik2 ≥ 0 . (VI.110)
Aus dem Kommutator [x̂, p̂] läßt sich der Kommutator [â, â+ ] berechnen zu
bzw.
N̂ â − âN̂ = −â = [N̂ , â] . (VI.113)
4.2 Orthonormalbasis des Besetzungszahloperators 105
Analog folgt
ˆ = â+ (N̂ + I)
N̂ â+ = â+ ââ+ = â+ (â+ â + I) ˆ (VI.114)
bzw.
[N̂ , â+ ] = â+ . (VI.115)
d. h. â|ni ist Eigenvektor zum Eigenwert n − 1. Eigenvektor zum Eigenwert (n − 1) ist aber auch |n − 1i.
Also sind beide proportional
â|ni = c · |n − 1i . (VI.117)
Folglich gilt √
|c| = n . (VI.120)
und somit √
â|ni = n|n − 1i . (VI.122)
Für p = n folgt √
ân |ni = n!|0i . (VI.124)
|0i ist hier aber nicht der Nullvektor, sondern der normierte Eigenvektor zum Index n = 0. Es gilt hier
also
h0|0i = 1 . (VI.125)
Er beschreibt einen physikalischen Systemzustand - das Quantenvakuum. Die weitere Anwendung von
â auf |0i führt dann tatsächlich zum Nullvektor, den wir mit |nulli kennzeichnen wollen und dessen Norm
verschwindet
hnull|nulli = knullk2 = 0 . (VI.126)
der Vektor, dessen Norm verschwindet, ist aber der Nullvektor, also
Wir folgern, daß der Zustand |0i zum Eigenwert n = 0 der normierbare und damit physikalische Zustand
ist. Da die Eigenwerte aber um 1er-Schritte voneinander entfernt sind, gilt für die Eigenwerte von N̂
n = 0, 1, 2, . . . (VI.130)
Wegen
N̂ |n + 1i = (n + 1)|n + 1i (VI.132)
folgt
â+ |ni = d · |n + 1i . (VI.133)
also √
|d| = n+1 (VI.136)
führt, und bei Außerachtlassen einer Phase
√
d= n+1 (VI.137)
Der n-te Eigenzustand läßt sich somit aus dem Grundzustand n = 0 (niedrigster Zustand) durch wieder-
holte Anwendung des Erzeugungsoperators â+ generieren:
1
|ni = √ â+n |0i . (VI.142)
n!
Aus der Konstruktion der Eigenvektoren |ni ist klar, das ihre Gesamtheit ein Orthonormalsystem bildet.
Zum Test prüft man leicht, daß
hm|ni = δmn (VI.143)
5 Wiederbesuch des harmonischen Oszillators 107
gilt (ÜA, Beweis mit vollständiger Induktion). Offen bleibt z. Zt. noch die Vollständigkeit.
Die Eigenwerte n und Eigenzustände |ni des Besetzungszahloperators N̂ können wir wie folgt symboli-
sieren.
a a a a
null 0 1 2 n
0 1 2 n
a
a a
Bemerkungen:
Beweis:
N̂ ist mit dem Hamiltonoperator des harmonischen Oszillators Ĥ = ~ω(N̂ + 21 I) ˆ ver-
tauschbar (vgl. VI.5). Damit haben N̂ und Ĥ das gleiche Eigenfunktionensystem.
Die Eigenwerte von Ĥ sind bekanntlich nicht entartet. Die Eigenwerte von N̂ stimmen mit
den Eigenwerten von Ĥ bis auf eine multiplikative und eine additive Konstante überein.
Damit sind die Eigenwerte von N̂ ebenfalls nicht entartet.
Es ist auch ein Beweis ohne die Verwendung von Ĥ möglich. Vgl. dazu Nolting, Quantenmechanik.
Den in Abschnitt IV.8.2 behandelten eindimensionalen harmonischen Oszillator wollen wir noch einmal
im Lichte verschiedener Darstellungen betrachten.
mit
p̂2 mω 2 2
Ĥ = + x̂ . (VI.145)
2m 2
5.1 Ortsdarstellung
Wir benutzen
p̂2 mω 2 2
hx|Ĥ|x0 i = hx| + x̂ |x0 i
2m 2
1 mω 2
= hx|p̂2 |x0 i + hx|x̂2 |x0 i (VI.147)
2m | {z } 2 | {z }
2
( ~i ∂x ) δ(x−x0 ) x02 δ(x−x0 )
2
mω 2 02
1 ~
= ∂x δ(x − x0 ) + x δ(x − x0 ) ≡ Ĥxx0
2m i 2
und erhalten
Z
hx|Ĥ|ϕi = dx0 Ĥxx0 ϕ(x0 ) (VI.148)
( 2 )
mω 2 02
Z
0 1 ~ 0
= dx ∂x δ(x − x ) + x δ(x − x ) ϕ(x0 )
0
(VI.149)
2m i 2
5.2 Impulsdarstellung
folgt. Der explizite Nachweis der Äquivalenz von Orts- und Impulsdarstellung ist an diesem Beispiel
besonders einfach, da der Hamiltonoperator in p̂ und x̂ bis auf einen Skalenfaktor symmetrisch ist.
5.3 Besetzungszahldarstellung 109
5.3 Besetzungszahldarstellung
mω 2 1 1
N̂ = x̂ + p̂2 + i (x̂p̂ − p̂x̂) (VI.157)
2~ 2m~ω | 2~ {z }
− 12 Iˆ
und finden
1 1
N̂ = Ĥ − Iˆ (VI.158)
~ω 2
bzw.
1ˆ
Ĥ = ~ω(N̂ + I) . (VI.159)
2
ω erweist sich hier als Oszillatorfrequenz. Als Basis für die Darstellung soll jetzt das System der Eigen-
vektoren von N̂ benutzt werden. Da [Ĥ, N̂ ] = 0, ist das Eigenvektorensystem von N̂ auch vollständig.
bzw. X
Ĥn0 n ϕn = U ϕn0 (VI.161)
n
mit
1
Ĥn0 n = hn0 |Ĥ|ni = ~ω(n + )δn0 n . (VI.162)
2
wobei die 1 an der j-ten Position steht; Die Zählung beginnt mit der nullten Position. Konkret heißt das
1 0
0 1
ϕ0 = 0 , ϕ1 = 0 , usw. (VI.171)
.. ..
. .
Der in Abschnitt VI.2 beschriebene allgemeine Darstellungswechsel wird hier konkret durchgeführt, kon-
kret in zweifacher Hinsicht: Zum einen wird speziell die Schrödinger-Gleichung des harmonischen Os-
zillators betrachtet, und zum anderen werden die beiden genannten speziellen Darstellungen ineinander
überführt.
1 2 m 2 2 1ˆ
Ĥ = p̂ + ω x̂ = ~ω(â+ â + I) (VI.173)
2m 2 2
und erzeugen zunächst die Besetzungszahldarstellung durch Projektion auf einen beliebigen Vektor |ni
aus der Orthonormalbasis des Besetzungszahloperators, woraus
folgt. Wir markieren noch die verschiedenen Eigenwerte und Eigenvektoren in der vereinbarten Weise mit
einem oberen Vektor-Index: X
Ĥnn0 ϕjn0 = Uj ϕjn (VI.177)
n0
6 Transformation der Besetzungszahldarstellung in die Ortsdarstellung 111
Die Ortsdarstellung ergab sich analog durch Projektion der abstrakten Formulierung auf einen beliebigen
Vektor |xi aus der Orthonormalbasis des Ortsoperators, woraus
folgte. Verschiedene Eigenwerte und zugehörige Eigenvektoren markieren wir in gleicher Weise wie bei
der Besetzungszahldarstellung:
Z
dx0 Ĥ(x, x0 )ϕj (x0 ) = Uj ϕj (x) . (VI.181)
Entsprechend Abschnitt VI.2 entwickeln wir jetzt die Eigenvektoren ϕj (x) in Ortsdarstellung mit Hilfe
der Eigenvektoren ϕjn in Besetzungszahldarstellung, also
X X
ϕj (x) = hx|ϕj i = hx|nihn|ϕj i = hx|niϕjn . (VI.182)
n n
Die ϕjn werden als bekannt angenommen, die ϕj (x) sind zu berechnen. Die gesuchten Koeffizienten hx|ni
entsprechen gerade den Elementen Ulλ = hl|λi der unitären Transformation aus Abschnitt VI.2 Im jetzigen
Fall ist der erste Index kontinuierlich (l → x) und der zweite diskret (λ → n).
Zur Bestimmung der hx|ni gehen wir sukzessiv vor und schreiben die ersten Eigenvektoren explizit auf.
X
ϕ0 (x) = hx|niϕ0n = hx|0i (VI.183)
n
X
1
ϕ (x) = hx|niϕ1n = hx|1i (VI.184)
n
..
.
X
ϕj (x) = hx|niϕjn = hx|ji (VI.185)
n
Wegen der speziellen Gestalt der Eigenvektoren ϕjn in Besetzungszahldarstellung sind die Transformati-
onskoeffizienten hx|ji bereits unmittelbar die Eigenvektoren ϕj (x) in Ortsdarstellung.
Wir beginnen mit der Bestimmung von hx|0i und betrachten dazu das Element hx|â|0i. Wegen
gilt
hx|â|0i = 0 . (VI.187)
Mit r
mω 1
â = x̂ + i √ p̂ (VI.188)
2~ 2mhω
liefert dies r
mω i
hx|x̂|0i + √ hx|p̂|0i = 0 . (VI.189)
2~ 2mhω
Einfügen von Z
Iˆ = dx0 |x0 ihx0 | (VI.190)
112 VI. Darstellungen
ergibt weiter r Z Z
mω i
dx0 hx|x̂|x0 ihx0 |0i + √ dx0 hx|p̂|x0 ihx0 |0i = 0 . (VI.191)
2~ 2mhω
Aus Abschnitt VI.3.1 bzw. VI.3.3 übernehmen wir die Glg. (VI.38) und (VI.70)
ξ2
lnhx|0i = − +c (VI.199)
2
ξ2
hx|0i = B0 · e− 2 . (VI.200)
Die Integrationskonstante legen wir dadurch fest, daß ϕ0 (x) normiert sein muß, also
Z r Z
~ ξ2
0 2
dx|ϕ (x)| = B0 2
dξe− 2 2 = 1 , (VI.201)
mω
r
mω 1
B02 = √ , (VI.202)
~ π
r
mω 1 − ξ2
hx|0i = 4 √ e 2 . (VI.203)
~ 4π
Die Berechnung der weiteren Eigenvektoren ϕ1 (x), ϕ2 (x), . . . erfolgt mit Hilfe des Erzeugungsoperators
â+ . Wegen
r
0 mω 0 ~
+
hx|â |x i = x −√ ∂x δ(x − x0 ) (VI.207)
2~ 2m~ω
r j
mω 0 ~
hx|â+j |x0 i = x −√ ∂x δ(x − x0 ) (VI.208)
2~ 2m~ω
woraus
r
mω ~
hx|1i = x− √ ∂x hx|0i (VI.209)
2~ 2m~ω
1
hx|1i = √ (ξ − ∂ξ ) hx|0i (VI.210)
2
bzw.
1 1
hx|ji = √ √ (ξ − ∂ξ )j hx|0i (VI.211)
j! 2j
r
j 1 j
2
− ξ2 mω
ϕ (x) = hx|ji = p √ (ξ − ∂ξ ) e
4
. (VI.212)
2j j! π ~
mω (−1)j
r
ξ2 2
j
ϕ (x) = hx|ji = 4
p √ e 2 ∂ξj e−ξ (VI.213)
~ j
2 j! π
mω (−1)j − ξ2
r
4
= p √ e 2 Hj (ξ) , (VI.214)
~ 2j j! π
Die Lösung wurde jetzt auf einem völlig anderem Weg gefunden: Die recht einfache Lösung in Besetzungs-
zahldarstellung wurde durch eine unitäre Transformation in Ortsdarstellung gebracht. Die Hermitesche
Funktionen wurden reproduziert, ohne die Sommerfeldsche Polynommethode zu bemühen.
Die Interpretation der Eigenvektoren in Orts- und Besetzungsdarstellung weichen natürlich voneinander
ab; die ϕ’s sind Wahrscheinlichkeitsamplituden in ihren jeweiligen Räumen. Somit ist ihre Interpretation
wie folgt vorzunehmen:
• |hx|ϕj i|2 dx = |ϕj (x)|2 dx ist die Wahrscheinlichkeit dafür, ein Teilchen der Energie Uj im Intervall
[x, x + dx] anzutreffen.
• |hn|ϕj i|2 = |ϕjn |2 ist die Wahrscheinlichkeit dafür, ein Teilchen der Energie Uj im Besetzungszustand
|ni vorzufinden, d. h. im Zustand n angeregter Energiequanten. Diese Wahrscheinlichkeit ist 1, wenn
n = j Quanten angeregt sind, oder sie ist 0, wenn n 6= j Quanten angeregt sind.
114 VI. Darstellungen
7 Ergänzung: Umkehrtransformation
Hier sind die Eigenfunktionen in Ortsdarstellung ϕj (x) gegeben und zu berechnen sind die Eigenfunktio-
nen in Besetzungszahldarstellung ϕjn . Es ist zu bilden
Z
ϕjn = hn|ϕj i = dxhn|xihx|ϕj i (VI.215)
Z
ϕjn = dxhn|xiϕj (x) , (VI.216)
und die Koeffizienten hn|xi sind zu berechnen. Berücksichtigt man zum einen, daß
gilt und zum anderen, daß die Hermiteschen Funktionen ein Orthonormalsystem bilden, also daß
Z
0
dxϕj (x)ϕj (x) = δj 0 j (VI.218)
gilt, so folgt
hn|xi = ϕn (x) = hx|ni . (VI.219)
Kapitel VII
Bisher haben wir nur stationäre Quantenzustände untersucht, die durch die zeitfreie Schrödinger-Gleichung
Ĥ|ϕi = U |ϕi (VII.1)
beschrieben werden. Jetzt sollen auch zeitlich veränderliche Quantensysteme untersucht werden, die durch
die allgemeine Schrödinger-Gleichung
Ĥ|ψi = i~dt |ψi (VII.2)
erfaßt werden.
Die zeitliche Entwicklung wird durch zwei verschiedene Methoden beschrieben, die von zwei unterschied-
lichen Vorstellungen ausgehen. Die erste Vorstellung - das sogenannte Schrödinger-Bild - geht davon
aus, daß sich die Zustandsvektoren im Hilbertraum zeitlich verändern können, also |Ψ(t)i. Die zweite
Vorstellung - das sogenannte Heisenberg-Bild - geht davon aus, daß die Zustandsvektoren zeitlich un-
veränderlich sind und die Dynamik des Systems durch die Operatoren getragen wird. Ein drittes Bild -
das sogenannte Dirac-Bild - kombiniert die beiden vorherigen Bilder.
1 Schrödinger-Bild
Die zeitliche Entwicklung eines quantenmechanischen Systems wird durch die Angabe des Zustandsvektors
zu jedem Zeitpunkt t beschrieben. Es gilt
|Ψi = |Ψ(t)i . (VII.3)
Sei das System bei t1 durch |Ψ(t1 )i und bei t2 durch |Ψ(t2 )i charakterisiert, so nehmen wir an, es existiere
ein Operator Û (t2 , t1 ), der die beiden Vektoren ineinander überführt:
|Ψ(t2 )i = Û (t2 , t1 )|Ψ(t1 )i (VII.4)
• Û (t, t) = Iˆ
• Û (t3 , t1 ) = Û (t3 , t2 )Û (t2 , t1 )
• Û ist unitär; Û + = Û −1
Die Unitarität ist zu fordern, damit ein normierter Zustand |Ψ(t1 )i während der Zeitentwicklung auch
normiert bleibt:
kΨ(t2 )k2 = hΨ(t2 )|Ψ(t2 )i = hΨ(t1 )|Û + (t2 , t1 )Û (t2 , t1 )|Ψ(t1 )i
= hΨ(t1 )|Ψ(t1 )i = kΨ(t1 )k2 . (VII.5)
116 VII. Zeitliche Entwicklung von quantenmechanischen Systemen
mit
k̂ = dt0 Û (t0 , t)|t0 =t . (VII.7)
Koeffizientenvergleich liefert
dt |Ψ(t)i = k̂|Ψ(t)i . (VII.8)
woraus
k̂ + = −k̂ (VII.10)
folgt; k̂ ist ein antihermitescher Operator. Vergleich mit der Schrödinger-Gleichung liefert
i
k̂ = − Ĥ . (VII.11)
~
Statt der zeitabhängigen Schrödinger-Gleichung kann man auch eine Bewegungsgleichung für Û betrach-
ten. Einsetzen von
|Ψ(t)i = Û (t, t0 )|Ψ(t0 )i (VII.12)
liefert
Ĥ Û (t, t0 )|Ψ(t0 )i = i~dt Û (t, t0 )|Ψ(t0 )i (VII.13)
Dieses Anfangswertproblem kann mit Hilfe der sukzessiven Approximation gelöst werden. Zunächst wird
die Differentialgleichung in eine Integralgleichung überführt:
Zt
i
Û (t, t0 ) = Iˆ − dt1 Ĥ(t1 )Û (t1 , t0 ) . (VII.16)
~
t0
und schließlich
Zt 2 Z t Zt1 3
i i i
Û (t, t0 ) = Iˆ − dt1 Ĥ(t1 ) + − dt1 dt2 Ĥ(t1 )Ĥ(t2 ) + − ...
~ ~ ~
t0 t0 t0
Zt Zt1 tZ
n−1
∞ n
X i
= Iˆ + − dt1 dt2 . . . dtn Ĥ(t1 )Ĥ(t2 ) . . . Ĥ(tn ) . (VII.18)
n=1
~
t0 t0 t0
Das Produkt der Hamilton-Operatoren muß gerade entsprechend dieser Zeitordnung ausgeführt werden.
Um dies sicherzustellen, führt man den Dysonschen Zeitordnungsoperator T̂D ein über
(
0 00
Â(t0 )B̂(t00 ) t0 > t00
T̂D Â(t )B̂(t ) = (VII.20)
B̂(t00 )Â(t0 ) t00 > t0 .
Außerdem wollen wir alle oberen Zeitintegrationsgrenzen bis t ausdehnen, müssen den n-ten Summanden
1
dann aber um n! korrigieren. Für n = 2 gilt z. B.
Zt Zt1 Zt Zt
1
dt1 dt2 Ĥ(t1 )Ĥ(t2 ) = dt1 dt2 Ĥ(t1 )Ĥ(t2 ) . (VII.21)
2
t0 t0 t0 t0
t2
t2
=
Zt Zt1 Zt Zt
t1
1
dt1 dt2 (. . .) = dt1 dt2 (. . .)
2
t0 t0 t0 t0
t1
t0 t
Allerdings ist in dieser Gleichung die Zeitordnung von Ĥ(t1 ) und Ĥ(t2 ) z. T. verletzt. Wir schauen uns
die rechte Seite genauer an. Wir spalten die Integration auf in
Zt Zt Zt Zt1 Zt Zt
dt1 dt2 Ĥ(t1 )Ĥ(t2 ) = dt1 dt2 Ĥ(t1 )Ĥ(t2 ) + dt1 dt2 Ĥ(t1 )Ĥ(t2 ) . (VII.22)
t0 t0 t0 t0 t0 t1
Im rechten Term ist die Zeitordnung verletzt, da dort t2 ≥ t1 gilt. Also muß es für die gesamte rechte
Seite heißen
Zt Zt1 Zt Zt
dt1 dt2 Ĥ(t1 )Ĥ(t2 ) + dt1 dt2 Ĥ(t2 )Ĥ(t1 ) . (VII.23)
t0 t0 t0 t1
Unter Anwendung von T̂D lassen sich beide Teile wieder zusammenfassen zu
Zt Zt
T̂D dt1 dt2 Ĥ(t1 )Ĥ(t2 ) . (VII.24)
t0 t0
118 VII. Zeitliche Entwicklung von quantenmechanischen Systemen
Die Konvergernz der Reihe ist damit natürlich nicht automatisch gesichert, sondern ist im konkreten Fall
gesondert zu betrachten. Wenn Ĥ nicht explizit von der Zeit abhängt, kann die Integration ausgeführt
werden, und es ergibt sich
i
Û (t, t0 ) = e− ~ (t−t0 )Ĥ . (VII.27)
2 Heisenberg-Bild
Da im Schrödinger-Bild die Dynamik des Systems durch die Zustände |ΨS (t)i getragen wird, kann eine
Zeitabhängigkeit des Operators ÂS nur eine explizite äußere Zeitabhängigkeit darstellen; um dies zu
markieren, haben wir ∂t statt dt benutzt. Aus dem Schrödinger-Bild übernehmen wir
i
dt Û = − ĤS Û (VII.35)
~
i +
dt Û + = Û ĤS (VII.36)
~
3 Dirac-Bild 119
und erhalten
i +
dt ÂH = (Û ĤS ÂS Û − Û + ÂS ĤS Û ) + Û + ∂t ÂS Û (VII.37)
~
i +
dt ÂH = (Û ĤS Û Û + ÂS Û − Û + ÂS Û Û + ĤS Û ) + Û + ∂t ÂS Û (VII.38)
~
i
dt ÂH = (ĤH ÂH − ÂH ĤH ) + ∂t0 ÂH (VII.39)
~
i
dt ÂH = [ĤH , ÂH ] + ∂t0 ÂH . (VII.40)
~
Wir vereinbaren, daß ∂t0 nur auf eine explizite Zeitabhängigkeit von ÂS wirkt. Für konservative Systeme
wurde im vorhergehenden Abschnitt wegen
∂t ĤS = 0 (VII.41)
− ~i (t−t0 )ĤS
Û = e (VII.42)
gefunden. Dann folgt
i i
ĤH = e ~ (t−t0 )ĤS ĤS e− ~ (t−t0 )ĤS = ĤS . (VII.43)
3 Dirac-Bild
Das Dirac-Bild wird auch Wechselwirkungs-Bild genannt und stellt eine zweckmäßige Kombination
aus Schrödinger- und Heisenberg-Bild dar.
angesetzt. Ziel des Ansatzes ist es, die Zeitentwicklung in Û 0 nur durch ĤS0 herbeizuführen und die in
Û W durch ĤSW . Als Anfangsbedingung ist festgelegt
|ΨS (t)i = Û (t, t0 )|ΨS (t0 )i = Û 0 (t, t0 )Û W (t, t0 )|ΨS (t0 )i . (VII.55)
ein. |ΨD i ist gerade charakteristisch für das Dirac-Bild. Wie man sieht, gilt
Nun sind die Operatoren Û 0 und Û W zu ermitteln. Es wird definiert, daß Û 0 der Gleichung
i
dt Û 0 = − ĤS0 Û 0 (VII.58)
~
gehorchen soll. Die Gleichung ist i. a. durch sukzessive Approximation zu lösen. Besonders einfach ist die
Lösung für ∂t ĤS0 = 0, wo gilt
i 0
Û 0 (t, t0 ) = e− ~ (t−t0 )ĤS . (VII.59)
Z. B. ist das ein Zweckmäßigkeitsargument, wie ĤS0 von ĤS abgetrennt werden kann. Es vebleibt die
Bestimmungsgleichung für Û W abzuleiten. Aus
i
dt Û = − ĤS Û (VII.60)
~
folgt
i 0
dt Û 0 Û W + Û 0 dt Û W = − ĤS + ĤSW Û 0 Û W (VII.61)
~
i 0 0 i
0 W 0
Û dt Û = − dt Û + ĤS Û Û W − ĤSW Û 0 Û W (VII.62)
~ ~
| {z }
=0
i
dt Û W = − Û 0+ ĤSW Û 0 Û W . (VII.63)
~
Damit ist das Ziel erreicht: Die Dynamik von Û 0 wird durch ĤS0 bestimmt und die von Û W durch ĤD
W
.
Bemerkungen:
3 Dirac-Bild 121
W
• ĤD ist i. d. R. explizit zeitabhängig, selbst wenn ĤSW nicht explizit zeitabhängig ist.
• Die Gleichung für Û W ist deshalb durch sukzessive Approximation zu lösen.
• Wenn ĤSW nicht explizit zeitabhängig ist, kann die Lösung für Û W durch sukzessive
Approximation umgangen werden. Im Schrödinger-Bild ist Û (t, t0 ) unmittelbar angebbar
und im Dirac-Bild ist Û 0 (t, t0 ) unmittelbar angebbar. Es folgt somit
Für einen allgemeinen Operator Â, der im Schrödinger-Bild höchstens eine explizite Zeitabhängigkeit
aufweisen darf, definieren wir jetzt völlig analog zum Heisenberg-Bild
|ΨS (t)i = Û (t, t0 )|Ψ(t0 )i |ΨH i = |Ψ(t0 )i |ΨD (t)i = Û W (t, t0 )|Ψ(t0 )i
dt0
Rt W
− ~i ĤD
Û W (t, t0 ) = T̂D e t0
0
∂t ĤS = 0 ĤH = ĤS ĤD = ĤS0 , ĤD
W
6= ĤSW
i i 0
Û = e− ~ (t−t0 )ĤS Û 0 = e− ~ (t−t0 )ĤS
i 0 i
Û W = Û 0+ Û = e ~ (t−t0 )ĤS e− ~ (t−t0 )ĤS
Kapitel VIII
Störungstheorie
Die Kenntnis der Eigenwerte Uj des Hamilton-Operators Ĥ ist von fundamentaler Bedeutung für das
Verständnis quantenmechanischer Systeme und für die Interpretation von Messungen an diesen Systemen.
Strenge analytische Lösungen des Eigenwert-Problems sind aber nur für einfache Hamilton-Operatoren,
die meist idealisierte Modellsysteme beschreiben, möglich. Bei realen quantenmechanischen Systemen
sind strenge Lösungen in der Regel nicht zu finden. Zu brauchbaren Lösungen führt dann ggf. folgendes
Verfahren: Der Hamilton-Operator Ĥ des realen Systems wird aufgespalten in einen Anteil Ĥ0 und einen
Anteil Ĥ1 , genannt Störung. Für Ĥ0 sei das Eigenwertproblem gelöst und Ĥ1 störe dieses Eigenwert-
problem nur schwach. Dann ist es möglich, mit Näherungsverfahren das reale Problem Ĥ = Ĥ0 + Ĥ1
zu lösen. Es gibt zahlreiche Näherungsverfahren; die Auswahl ist vom konkreten Problem abhängig zu
machen.
1 Stationäre Störungstheorie
∂t Ĥ = 0 . (VIII.1)
Insbesondere gelte
∂t Ĥ1 = 0 . (VIII.2)
1.1 Rayleigh-Schrödinger-Methode
U0i
gilt. j zählt die Eigenwerte und Eigenfunktionen. Die |ϕj0 i bil- ϕ i Ui
den eine Orthonormalbasis. Die Störung λĤ1 sei hinreichend
0
ϕi
klein, so daß sich die Eigenwerte und Eigenfunktionen des gestörten
Problems nur wenig verändern.
Für die gestörten Eigenwerte und Eigenfunktionen wird nun eine Reihenentwicklung nach Potenzen von
λ vorgenommen. Dabei ist zu unterscheiden, ob das Problem nullter Ordnung Entartung aufweist oder
nicht.
124 VIII. Störungstheorie
und hϕjn |ϕj0 i = 0 für n = 1, 2, . . . gefordert. |ϕj i ist i. a. nicht normiert. Das Energie-Eigenwert-
Problem stellt sich dann dar in der Form
X ∞ X∞ ∞
X
Ĥ0 + λĤ1 λn |ϕjn i = λm Umj λn |ϕjn i . (VIII.7)
n=0 m=0 n=0
Jede Gleichung wird jetzt mit hϕj0 | multipliziert. Alle linken Seiten der Gleichung verschwinden, da
hϕj0 | Ĥ0 − U0j Iˆ |ϕjn i = hnull|ϕjn i = 0 (VIII.9)
gilt. Es verbleibt
Unmittelbar ausrechnen läßt sich aus dieser Beziehung aber nur U1j zu
da |ϕj0 i bekannt ist. Für n > 1 werden die noch nicht bekannten |ϕjn−1 i benötigt. Formal läßt sich
sogar Uj angeben. So folgt
∞
X ∞
X
Uj = λn Unj = U0j + hϕj0 |Ĥ1 λn |ϕjn−1 i
n=0 n=1
∞
X
Uj = U0j + hϕj0 |λĤ1 λm |ϕjm i = U0j + hϕj0 |λĤ1 |ϕj i (VIII.12)
m=0
Benutzt wurde
hϕj0 |ϕj0 i = hϕj0 |ϕj i = 1 . (VIII.13)
Die Beziehung (VIII.12) ist aber nur die Reproduktion des ursprünglichen gestörten Eigenwertpro-
blems. Zum Ausrechnen von Uj wird das noch unbekannte |ϕj i benötigt.
Wir wenden uns jetzt der Berechnung der Eigenfunktionen |ϕj i bzw. deren Anteilen |ϕjn i zu. Wir
kehren noch einmal zu den aus dem Koeffizientenvergleich gewonnenen Gleichungen (VIII.8) zurück
und multiplizieren jetzt mit dem bra hϕi0 | aber nicht mit hϕj0 |. Somit folgt
n
X
hϕi0 | Ĥ0 − U0j Iˆ |ϕjn i = −hϕi0 |Ĥ1 |ϕjn−1 i + Umj hϕi0 |ϕjn−m i
m=1
= (U0i − U0j ) hϕi0 |ϕjn i (VIII.14)
und weiter
n
hϕi0 |Ĥ1 |ϕjn−1 i X hϕi |ϕj i
hϕi0 |ϕjn i = − Umj 0 n−m . (VIII.15)
U0j − U0i m=1
U0j − U0i
Multiplikation dieser Beziehung mit |ϕi0 i, Summation über i und Beachtung von
X X
|ϕjn i = |ϕi0 ihϕi0 |ϕjn i = |ϕi0 ihϕi0 |ϕjn i (VIII.16)
i i6=j
liefert ( )
n
X hϕi0 |Ĥ1 |ϕjn−1 i X hϕi |ϕj i
|ϕjn i = − Umj 0 n−m |ϕi0 i . (VIII.17)
U0j − U0i m=1
U0j − U 0i
i6=j
Da auf der rechten Seite nur Terme bis maximal der Ordnung |ϕjn−1 i auftreten, können die |ϕjn i
rekursiv berechnet werden.
Exemplarisch anwenden wollen wir diese Rekursion für die Berechnung der Korrektur 2. Ordnung
des Energie-Eigenwertes. Wir übernehmen zunächst aus (VIII.10)
und erhalten 2
j
X hϕ0 |Ĥ1 |ϕi0 i
U2j = . (VIII.20)
U0j − U0i
i6=j
Abschließend zu diesem Abschnitt soll die Normierung der gestörten Zustände untersucht werden.
Bereits beim Ansetzen der Potenzreihe für den gestörten Zustand
∞
X
j
|ϕ i = λn |ϕjn i (VIII.21)
n=0
stellten wir fest, daß |ϕj i nicht normiert ist. Die Zustände nullter Ordnung wurden als normiert
vorausgesetzt, also
kϕj0 k = 1 ∀j , (VIII.22)
und außerdem sollte
hϕjn |ϕj0 i = 0 ∀n>0 (VIII.23)
126 VIII. Störungstheorie
gelten. Wir betrachten jetzt Störungen bis zur zweiten Ordnung in den Zuständen. Dann gilt
|ϕj i = |ϕj0 i + λ|ϕj1 i + λ2 |ϕj2 i . (VIII.24)
Die Renormierungskonstante soll nun bis zur 2. Ordnung in λ genauer ausgewertet werden. Zunächst
gilt wegen
X hϕi |Ĥ1 |ϕj i
|ϕj1 i = 0 0
|ϕi i (VIII.29)
U0j − U0i 0
i6=j
die Gleichung
X X hϕi0 |Ĥ1 |ϕj i∗ hϕi |Ĥ1 |ϕj i 0
hϕj1 |ϕj1 i = 0 0 0 0
hϕi0 |ϕi0 i
0
U 0j − U 0i 0 U0j − U0i
i6=j i 6=j
X |hϕi |Ĥ1 |ϕj i|2
0 0
= (VIII.30)
(U0j − U0i )2
i6=j
bzw.
X |hϕi |Ĥ1 |ϕj i|2 1
0
hϕj |ϕj i = 1 + λ2 0
= . (VIII.31)
(U0j − U0i )2 Z
i6=j
Die rechte Seite kann aber auch ausgedrückt werden in der Form ∂Uj /∂U0j , da
j i 2
∂Uj ∂ X |hϕ |Ĥ |ϕ
1 0 i|
= U0j + λhϕj0 |Ĥ1 |ϕj0 i + λ2 0
∂U0j ∂U0j U0j − U0i
i6=j
Ĥ0 |ϕjr jr
0 i = U0j |ϕ0 i , r = 1, . . . , R (VIII.35)
mit 0 0
hϕj0 r |ϕjr
0 i = δjj 0 δrr 0
. (VIII.36)
n o
Die |ϕjr0 i, r = 1, . . . , R spannen den Eigenraum von U0j auf. Nun wissen wir allerdings aus Ab-
n o
schnitt V.2.3, daß eine Basis im Eigenraum nicht eindeutig bestimmt ist. Wenn |ϕjr 0 i, r = 1, . . . , R
eine Orthonormalbasis n im Eigenraum zu U
o 0j darstellt, ist jede aus einer unitären Transformation
hervorgehende Basis |ϕ̃jr
0 i, r = 1, . . . , R ebenfalls wieder eine Orthonormalbasis des Eigenrau-
mes und es gilt
R
X 0 0
|ϕ̃jr
0 i= cjr r |ϕjr
0 i , (VIII.37)
r 0 =1
0
wobei die cjr r die Koeffizienten der unitären Transformationsmatrix darstellen. Welche |ϕ̃jr0 i die
geeignetsten sind, werden wir anschließend ermitteln. Weiterhin ist zu bemerken, daß es im Entar-
tungsfall nicht mehr so leicht möglich ist, geschlossene Formeln für eine beliebige Ordnung anzu-
geben. Wir betrachten deshalb zunächst nur die 1. Ordnung. Wenn in 1. Ordnung die Entartung
aufgehoben ist, geht es weiter wie im nichtentarteten Fall. Die Überlegungen legen folgenden Ansatz
nahe
00
Multiplikation mit hϕjr
0 | bringt die linken Seiten zum Verschwinden. Insbesondere für die 1. Ord-
nung erhalten wir jetzt
R n
00
jr 0
X o 0
λ1 : hϕjr
0 |Ĥ1 |ϕ0 i − U1jr δr 00 r 0 c
jr r
=0 . (VIII.43)
r 0 =1
0
Es handelt sich um ein lineares Gleichungssystem für die cjr r . Die Lösbarkeitsbedingung (Säkular-
n o
0
gleichung) liefert die U1jr . Mit den cjr r ist dann auch die bevorzugte Orthonormalbasis |ϕ̃jr 0 i
128 VIII. Störungstheorie
des Eigenraumes bekannt, die Ĥ1 diagonalisiert. Die Freiheit der Wahl einer Orthonormalbasis im
Eigenraum ist also offensichtlich genutzt worden, um die Darstellung von Ĥ1 in die Spektraldar-
stellung zu transformieren. Die Säkulargleichung
00
jr 0
n o
det hϕjr
0 |Ĥ1 |ϕ0 i − U1jr δr 00 r 0 = 0 (VIII.44)
liefert R Lösungen für die Energiekorrekturen erster Ordnung U1jr . Tatsächlich verschiedene U1jr
heben damit die entsprechende Entartung von U0j auf.
Beispiel:
0. Ordnung 1. Ordnung
U0j + λ U 1j1
nicht entartet
U0j
U0j + λ U 1j2 = U0j + λ U 1j3
R=3: 3-fach entartet
2-fach entartet
Für jeden Wert U1jr lassen sich aus dem oben angegebenen linearen Gleichungssystem die unitären
0
Transformationskoeffizienten cjrr berechnen. Damit ist auch die im Eigenraum von U0j transfor-
mierte Orthonormalbasis
R
X 0 0
|ϕ̃jr
0 i = cjr r |ϕjr
0 i (VIII.46)
r 0 =1
bekannt. Ist die Entartung in 1. Ordnung vollständig aufgehoben, ist weiter vorzugehen, wie im
nichtentarteten Fall. Sind gewisse bis zur 1. Ordnung korrigierte Energieniveaus weiterhin entartet,
ist für diese das Verfahren zu wiederholen.
Bemerkungen:
1. Die Rayleigh-Schrödinger-Methode wird nur selten über die 2. Ordnung hinaus angewen-
det, da die Formeln zunehmend unhandlicher werden. Praktisch ist die Methode nur für
wirklich kleine Störungen λĤ1 geeignet.
2. Grundsätzlich muß λĤ1 nicht klein sein. Hauptsache, die Reihenentwicklungen konver-
gieren.
3. Es gibt andere Methoden, die der Rayleigh-Schrödinger-Methode ähnlich sind und jeweils
ihre eigenen Vorzüge haben. Beispiele sind die Wigner-Brillouin-Methode, die Resolventen-
Methode u. a.
1.1 Rayleigh-Schrödinger-Methode 129
e3 E = E 0 e3
e2
Unter dem Einfluß des elektrischen Feldes verschie-
ben sich die Energieeigenwerte des H-Atoms.
e1
E
Über
K = −∂x λĤ1 (VIII.48)
folgt
λĤ1 = eE0 x3 . (VIII.49)
• Grundzustand (j = 1)
2
α2
– 0. Ordnung: U01 = − µc2 12 , nicht entartet (ohne Spin)
l=0 , m=0
j : Hauptquantenzahl
l : Drehimpulsquantenzahl
m : magnetische Quantenzahl
−2 r 1
ϕ10 (x) ≡ ϕ100 (x) = R10 (r)Y00 (ϑ, ϕ) = p 3 e− a0 √ (VIII.54)
a0 4π
Z
4 1 2r
U11 = 3 e− a0 r cos ϑr2 sin ϑ drdϑdϕ = 0 (VIII.55)
a0 4π
130 VIII. Störungstheorie
wegen
Zπ
cos ϑ sin ϑdϑ = 0 (VIII.56)
0
b {l = 0, m = 0}
r=1 = ;
b {l = 1, m = 0} ;
r=2 =
b {l = 1, m = +1} ;
r=3 =
b {l = 1, m = −1}
r=4 =
n 00
o
2r 0
– 1. Ordnung: det hϕ2r
0 |Ĥ1 |ϕ0 i − U12r δ r 00 r 0 =0
00 0
Abkürzung: σr00 r0 = hϕ2r 2r
0 |Ĥ1 |ϕ0 i
Erinnerung:
1 r r 1
ϕ21
0 (x)
200
≡ϕ (x) = R20 (r)Y00 (ϑ, ϕ) =√ 3 e− 2a0 √
2− (VIII.57)
2a0 a0 4π
r
1 1 r r 3
ϕ22
0 (x) ≡ ϕ
210
(x) = R21 (r)Y10 (ϑ, ϕ) = √ √ 3 e− 2a0 cos ϑ (VIII.58)
3 2a0 0a 4π
r !
1 1 r − 2ar 3
ϕ23
0 (x) ≡ ϕ
211
(x) = 1
R21 (r)Y1 (ϑ, ϕ) = √ √ 3 e 0 − sin ϑeiϕ (VIII.59)
3 2a0 a0 8π
∗
ϕ24
0 (x) ≡ ϕ
21−1
(x) = R21 (r)Y1−1 (ϑ, ϕ) = ϕ230 (VIII.60)
Zπ
σ11 = hϕ21 21
0 |Ĥ1 |ϕ0 i ∝ sin ϑ dϑ cos ϑ = 0 (VIII.61)
0
Zπ
σ22 = hϕ22 22
0 |Ĥ1 |ϕ0 i ∝ sin ϑ dϑ cos3 ϑ = 0 (VIII.62)
0
Zπ
σ33 = hϕ23 23
0 |Ĥ1 |ϕ0 i ∝ sin ϑ dϑ sin2 ϑ cos ϑ = 0 (VIII.63)
0
σ44 = hϕ24 24
0 |Ĥ1 |ϕ0 i = 0 (VIII.64)
Z2π
σ13 = hϕ21 23
0 |Ĥ1 |ϕ0 i ∝ dϕ eiϕ = 0 (VIII.65)
0
Z2π
σ14 = hϕ21 24
0 |Ĥ1 |ϕ0 i ∝ dϕ e−iϕ = 0 (VIII.66)
0
1.1 Rayleigh-Schrödinger-Methode 131
Z2π
σ23 = hϕ22 23
0 |Ĥ1 |ϕ0 i ∝ dϕ e+iϕ = 0 (VIII.67)
0
Z2π
σ24 = hϕ22 24
0 |Ĥ1 |ϕ0 i ∝ dϕ e−iϕ = 0 (VIII.68)
0
Z2π
σ34 = hϕ23 24
0 |Ĥ1 |ϕ0 i ∝ dϕ e−2iϕ = 0 (VIII.69)
0
Folglich:
U121 = −3a0 , U122 = 3a0 , U123 = 0 , U124 = 0 (VIII.74)
Die Entartung wird teilweise aufgehoben:
0. Ordnung 1. Ordnung
- µ c2 α2 /8 +3a0 eE0
- µ c2 α /82
- µ c2 α2 /8 (2-fach entartet)
- µ c2 α2 /8 -3a 0 eE0
0 0
Korrespondierende Eigenfunktionen |ϕ̃jr cjr r |ϕjr
P
0 i= r0 0 i:
4
X 0
(σr00 r0 − U1jr δr00 r0 ) cjr r = 0 (j = 2) (VIII.75)
r 0 =1
132 VIII. Störungstheorie
r = 1: 211
3a0 −3a0 0 0 c
−3a0 3a0 0 0 c221
U121 = −3a0 =0 (VIII.76)
0 0 3a0 0 c231
0 0 0 3a0 c241
| {z }
≡c1
1
1 1
y c1 = √ (VIII.77)
2 0
0
1 21
|ϕ̃21 |ϕ0 i + |ϕ22
y 0 i= √ 0 i (VIII.78)
2
r = 2: 212
−3a0 −3a0 0 0 c
−3a0 −3a0 0 0 c222
U122 = +3a0 =0 (VIII.79)
0 0 −3a0 0 c232
0 0 0 −3a0 c242
| {z }
≡c2
1
1 −1
y c1 = √ (VIII.80)
2 0
0
1 21
|ϕ̃22 |ϕ0 i − |ϕ22
y 0 i= √ 0 i (VIII.81)
2
r = 3: 213
0 −3a0 0 0 c
−3a0 0 0 0 c223
U123 = 0 =0 (VIII.82)
0 0 0 0 c233
0 0 0 0 c243
| {z }
≡c3
0
0
y c3 =
1
(VIII.83)
0
y |ϕ̃23 23
0 i = |ϕ0 i (VIII.84)
r = 4 analog:
0
0
c4 =
(VIII.85)
0
1
y |ϕ̃24 24
0 i = |ϕ0 i (VIII.86)
1.2 Variationsverfahren 133
1
|ϕ̃21 √ |ϕ200 i + |ϕ210 i
0 i = (VIII.87)
2
1
|ϕ̃22 √ |ϕ200 i − |ϕ210 i
0 i = (VIII.88)
2
|ϕ̃23
0 i = |ϕ211
i (VIII.89)
|ϕ̃24
0 i = |ϕ 21−1
i (VIII.90)
0. Ordnung 1. Ordnung
√1
l=0 & l=1, m=0
2
|ϕ200 i − |ϕ210 i
j=2 l=1, m=+
- 1
|ϕ200 i, |ϕ210 i |ϕ211 i, |ϕ21−1 i |ϕ211 i, |ϕ21−1 i
l=0 & l=1, m=0 √1
2
|ϕ200 i + |ϕ210 i
1.2 Variationsverfahren
Wenn vom Hamiltonoperator Ĥ des quantenmechanischen Systems kein Störanteil“ Ĥ1 in einfacher Wei-
”
se abgespalten werden kann, eignet sich ein Variationsverfahren i. a. besser zur näherungsweisen Lösung
des Energieeigenwertproblems.
Zunächst betrachten wir den Grundzustand des Systems mit der Energie Umin .
Satz:
Beweis:
Die Gesammtheit der |ϕj i bildet eine Orthonormalbasis. Die Spektraldarstellung von Ĥ
lautet dann Z
X
Ĥ = Uj |ϕj ihϕj | . (VIII.93)
Es folgt Z
X
1 = hχ|χi = |hχ|ϕj i|2 (VIII.95)
134 VIII. Störungstheorie
weiter gilt
Z
X
Ĥ|χi = hϕj |χiĤ|ϕj i (VIII.96)
Z
X
= hϕj |χiUj |ϕj i (VIII.97)
Z XZ
X 0 0
hχ|Ĥ|χi = hχ|ϕj ihϕj |χiUj hϕj |ϕj i (VIII.98)
| {z }
j j0 =δ(j,j 0 )
Z
X
= |hχ|ϕj i|2 Uj (VIII.99)
j
Z
X
≥ |hχ|ϕj i|2 Umin = Umin q. e. d. (VIII.100)
j
Auf diesen Satz wird ein Variationsverfahren aufgebaut. Der Zustandsvektor des Grundzustandes wird
geschätzt, wobei in der Schätzung freie Parameter αi enthalten sind, also
|χ, α1 , . . . , αi , . . .i . (VIII.101)
Ein spezielles Verfahren ist das Ritzsche Variationsverfahren. Hier wird der lineare Ansatz
q
X
|χ, αi i = αk |Ψk i (VIII.105)
k=1
mit vorgegebenen |Ψk i gemacht. Die notwendige Bedingung für ein Minimum führt auf ein lineares
Gleichungssystem für die αk , da hχ, αi |Ĥ|χ, αi i eine Bilinearform darstellt.
Anwendung:
Z Z
F (αi ) ≡ hχ, αi |Ĥ|χ, αi i = dV 0 hχ, αi |xihxĤx0 ihx0 |χ, αi i
dV (VIII.107)
2
e2 1
Z
∗ ~ 2
= dV χ (x, αi ) − ∂x − χ(x, αi ) (VIII.108)
2µ 4πε0 r
1.2 Variationsverfahren 135
mit
1 1
∂x2 = 2
∂r r2 ∂r + 2 Λ (VIII.109)
r r
mit Z
Y ∗ Y sin ϑ dϑ dϕ = 1 , ΛY = 0 . (VIII.111)
Es verbleibt 2
e2 1
Z
~ 1
F (αi ) = r dr R∗ (r, αi ) − ∂ r r 2
∂r − R(r, αi ) (VIII.112)
2µ r2 4πε0 r
1. Ansatz
R = c · e−αr (VIII.113)
√
y R = 2 α3 e−αr (VIII.115)
2 2 2 2
∂r r ∂r R = −α∂r r R = −2αrR + α r R (VIII.116)
2
e2 1 −αr
Z
~ 1
F (α) = 4α3 r2 dr e−αr − (−2αr + α 2 2
r ) − e (VIII.117)
2µ r2 4πε0 r
∞
2 Z
4~
= 8α re−2αr dr
2µ
0
Z∞
~2
−4α 5
r2 e−2αr dr (VIII.118)
2µ
0
2 Z∞
e
−4α 3
re−2αr dr
4πε0
0
~2 1 5~
2
2! 3 e
2
1
F (α) = 8α4 − 4α − 4α (VIII.119)
2µ 4α2 2µ 8α3 4πε0 4α2
~2 2 e2
= α − α (VIII.120)
2µ 4πε0
~2 e2
∂α F (α) = α− =0 (VIII.121)
µ 4πε0
e2 µ 1
α = 2
= (VIII.122)
4πε0 ~ a0
2 2 2
~2
2
1 e µ e µ
y Umin = F( ) = 2
− (VIII.123)
a0 2µ 4πε0 ~ 4πε0 ~2
2 2
µ e
= − 2 (VIII.124)
2~ 4πε0
136 VIII. Störungstheorie
∂r R = −2α2 rR (VIII.136)
2 2 3 2 2 2 3 2
∂r r ∂r R = −2α ∂r r R = −6α r R − 2α r (−2α rR) (VIII.137)
2 2 4 4 2 2 4 4
= −6α r R + 4α r R = (−6α r + 4α r )R (VIII.138)
1.2 Variationsverfahren 137
√ Z∞
8 2α3
2
e2 1 −α2 r2
2 2 ~
F (α) = √ r2 dr e−α r − (−6α2 + 4α4 r2 ) − e (VIII.139)
π 2µ 4πε0 r
0
√ Z∞
48 2α5 ~2 2 2
= √ r2 e−2α r dr
π 2µ
0
√ Z∞
32 2α7 ~2 2 2
− √ r4 e−2α r dr (VIII.140)
π 2µ
0
√ Z∞
8 2α3 e2 2 2
− √ r e−2α r dr
π 4πε0
0
√ 5 2 √
48 2α ~ π 1 2 −3/2 32 2α7 ~2 π 3
= √ (2α ) − √ (2α2 )−5/2 (VIII.141)
π 2µ 2 2 π 2µ 2 4
√
8 2α3 e2 1
− √
π 4πε0 2 2α2
√
48 ~ 2 96 ~2 2 8 2 1 e2
2
= α − α − α (VIII.142)
8 2µ 32 2µ 4 π 4πε0
√
~2 2 2 e2
= 3 α2 − √ α (VIII.143)
2µ π 4πε0
√
~2 2 e2
∂α F (α) = 6 α− =0 (VIII.144)
2µ π 4πε0
√ √
e2 µ 2 2 1 2 2
α = √ = √ (VIII.145)
4πε0 ~2 3 π a0 3 π
√ !
1 2 2
Umin = F √ (VIII.146)
a0 3 π
2 2 2 √ 2 2 √
~2 e µ 4·2 2 2 e µ 2 2
= 3 − √ √ (VIII.147)
2µ 4πε0 ~4 9π π 4πε0 ~2 3 π
2 2
e µ 4 8
= − (VIII.148)
4πε0 ~2 3π 3π
2 2
e µ 4
Umin = − (VIII.149)
4πε0 ~2 3π
Beim exakten Minimalwert der Energie ist 4/3π durch 1/2 zu ersetzen; der approximierte Wert unter-
scheidet sich nur recht wenig davon.
Das Variationsprinzip kann auch auf die Berechnung angeregter Zustände angewendet werden. Es ist
dann sicherzustellen, daß der Ansatz für den angeregten Zustand auf dem Grundzustand senkrecht steht.
Sei |χ1 i der oben ermittelte normierte Grundzustand. |χ2 i sei zunächst ein von |χ1 i linear unabhängiger
Ansatz für den angeregten Zustand, der jedoch i. a. nicht orthogonal zu |χ1 i ist. Durch Anwendung des
Schmidtschen Orthogonalisierungsverfahrens kommt man jedoch leicht zu einem Orthogonalen |χ0 2 i. Es
ergibt sich
|χ0 2 i = |χ2 i − hχ1 |χ2 i|χ1 i . (VIII.150)
138 VIII. Störungstheorie
wird.
Das Verfahren läßt sich beliebig fortsetzen. Sei |χ3 i zunächst ein von |χ1 i, |χ0 2 i linear unabhängiger
Vektor. Nun sichert
|χ0 3 i = |χ3 i − hχ0 2 |χ3 i|χ0 2 i − hχ1 |χ3 i|χ1 i , (VIII.153)
daß |χ0 3 i sowohl orthogonal zu |χ1 i als auch zu |χ0 2 i ist. Jetzt ist
zu erreichen usw.
2 Zeitabhängige Störungstheorie
2.1 Übergangswahrscheinlichkeiten
Wir betrachten nun quantenmechanische Systeme, die durch einen Hamiltonoperator von der Form
liefert die Eigenwerte U0j und Eigenvektoren |ϕj0 i, die als bekannt angenommen werden können.
Die zeitabhängige Störung Ĥ1 (t) kann etwa durch ein zeitlich veränderliches elektromagnetisches Feld
hervorgerufen werden. Wir gehen davon aus, daß die Störung Ĥ1 (t) erst zur Zeit t0 eingeschaltet wird;
vorher wirke nur Ĥ0 . Nach einer gewissen Zeit wird die Störung wieder abgeschaltet. Es ergibt sich nun
folgendes Problem: Wenn bei t ≤ t0 das quantenmechanische System in einem Zustand |ϕi0 i vorliegt,
dann verändert Ĥ1 (t) diesen Zustand; es kommt zur Zeitentwicklung des Systems. Nach Abschalten der
Störung befindet sich das System i. a. in einem anderen Zustand. In diesem Abschnitt soll die Frage
beantwortet werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit das System vom Zustand |ϕi0 i in einen Zustand |ϕf0 i
übergeht, wenn zunächst eine Störung wirkt und dann eine Messung erfolgt.
Für die Behandlung dieses Problems ist das Dirac- oder Wechselwirkungsbild besonders geeignet (vgl.
Abschnitt VII.3). Wir identifizieren die Operatoren und Zustände wie folgt:
0
ĤD = ĤS0 ≡ Ĥ0 (VIII.158)
ĤSW = Ĥ1 (VIII.159)
W
ĤD = Û 0+ ĤSW Û 0 = Û 0+ Ĥ1 Û 0 (VIII.160)
i
Û 0 = e− ~ (t−t0 )Ĥ0 (VIII.161)
dt0
Rt W
W − ~i HD
Û = T̂D e t0
(VIII.162)
W
|ΨD (t)i = Û (t, t0 )|ϕi0 i (VIII.163)
Nach Axiom Nr. 4 ist die Wahrscheinlichkeit zur Zeit t bei einer Messung den Zustand |ϕf0 i zu erhalten
Pif = |hϕf0 |ΨD (t)i|2 . (VIII.164)
Die Aufgabe besteht offensichtlich in der Berechnung der Matrix-Elemente hϕf0 |Û W |ϕi0 i. Zunächst erhal-
ten wir
− i t Ĥ W dt0
R
hϕf0 |Û W |ϕi0 i = hϕf0 |T̂D e ~ t0 D |ϕi0 i . (VIII.166)
Nun wird gefordert, daß die Störung Ĥ1 gegenüber Ĥ0 hinreichend schwach ist, so daß Û W bzw. die e-
Funktion in eine Reihe entwickelt und nach endlich vielen Gliedern abgebrochen werden kann. Tatsächlich
betrachten wir nur das erste Glied und beschränken uns somit ähnlich wie im Abschnitt VIII.1 auf
Störungen 1. Ordnung. So sei die Approximation
Zt
i
Û W
(t, t0 ) = Iˆ − W 0
ĤD dt (VIII.167)
~
t0
Wir setzen i 6= f voraus, damit der identische Operator keinen Beitrag leistet. Das Matrix-Element des
Integranden ergibt sich nun zu
hϕf0 |ĤD
W
|ϕi0 i = hϕf0 |Û 0+ Ĥ1 Û 0 |ϕi0 i (VIII.169)
i i
= hϕf0 |e ~ (t−t0 )Ĥ0 Ĥ1 e− ~ (t−t0 )Ĥ0 |ϕi0 i (VIII.170)
i i
= hϕf0 |e ~ (t−t0 )Û0f Ĥ1 e− ~ (t−t0 )Û0i |ϕi0 i (VIII.171)
i
= e ~ (t−t0 )(U0f −U0i ) hϕf0 |Ĥ1 |ϕi0 i (VIII.172)
Als Anwendungsbeispiel der zeitabhängigen Störungstheorie betrachten wir den äußerst wichtigen Fall
der Wechselwirkung eines quantenmechanischen Ein-Elektronen-Systems mit einer elektromagnetischen
Welle. Ein derartiges quantenmechanisches System ist z. B. das Wasserstoffatom.
e3 E, B ∝ ei(kx−ωt) + cc.
x
(cc. meint konjugiert komplex“)
e2 ”
e1
Wir betrachten das Ruhesystem des Kerns. In nullter Ordnung sind die Eigenwerte und Eigenfunktionen
bekannt. Sie folgen aus dem ungestörten Problem
1 2
Ĥ0 = p̂ + V̂ . (VIII.175)
2m
Die Störung werde jetzt durch eine transversale elektromagnetische Welle verursacht. Sie wird dargestellt
durch ihr Vektorpotential A und es gilt
Ein skalares Potential, das ein longitudinales elektrisches Feld beschreiben würde, tritt nicht auf. Die
Hamiltonfunktion dieses Systems lautet dann
1 2
H= p − qA + V̂ . (VIII.177)
2m
Für eine Elektron gilt q = −e (e > 0). Das Potential V̂ hat mit der Welle nichts zu tun. Für schwache
Felder kann der quadratische Term (∝ A2 ) vernachläßigt werden und wir schreiben
p2 q
H= + V̂ − pA . (VIII.178)
2m m
Die Welle wird klassisch betrachtet, so daß sich aus der Hamiltonfunktion H der Hamiltonoperator Ĥ in
der Form
p̂2 q
Ĥ = + V̂ − p̂A (VIII.179)
2m m
ergibt. So ist offensichtlich
q
Ĥ1 (t) = − p̂A(t) . (VIII.180)
m
Für die Welle fordern wir lineare Polarisation mit dem Polarisationsvektor n, so daß gilt
n o
A(t) = n A0 ei(k x−ωt) + A∗0 e−i(k x−ωt) . (VIII.181)
Aus der Eichgleichung folgt n⊥k. Da das Feld A am Ort des Elektrons interessiert, ist im weiteren für x
der Ortsoperator x̂ zu benutzen.
2.2 Wechselwirkung mit einer elektromagnetischen Welle 141
Nach diesen Vorbereitungen wenden wir uns nun der Berechnung der Übergangswahrscheinlichkeit Pif ,
verursacht durch die Einstrahlung der beschriebenen elektromagnetischen Welle zu. Zunächst gilt
t 2
Z
1 hϕf |Ĥ1 (t0 )|ϕi0 ieiωf i t0 dt0
Pif = 0 (VIII.182)
~2
0
2
Zt n
1 q f ik x̂ i −iωt 0 f ∗ ik x̂ i iωt0
o
iωf i t 0
0
= hϕ0 |p̂nA0 e |ϕ0 ie + hϕ0 |p̂nA0 e |ϕ0 ie e dt (VIII.183)
~2 m
0
Zt
1 q f
hϕ |p̂nA0 eik x̂ |ϕi0 i ei(ωf i −ω)t0 dt0
= m 0 (VIII.184)
~2
0
2
Zt
q 0
+ hϕf0 |p̂nA∗0 e−ik x̂ |ϕi0 i ei(ωf i +ω)t 0
dt , (VIII.185)
m
0
Zt ω ∓ω
i(ωf i ∓ω)t0 0 ei(ωf i ∓ω)t − 1 ωf i ∓ω sin fi
t
e dt = = ei 2 t ωf i ∓ω 2
(VIII.186)
i(ωf i ∓ ω) 2
0
fi
fi- fi+
Die beiden Zeitintegrale sind stark lokalisiert und überlappen sich nur äußerst schwach. Der bei der
Bildung des Betragsquadrates in Pif auftretende Produktterm aus beiden Zeitintegralen kann deshalb
vernachlässigt werden. So verbleibt
( ωf i −ω
)2
1 q
f
2 sin t
Pif = hϕ0 |p̂nA0 eik x̂ |ϕi0 i 2
ωf i −ω
~2 m 2
( ωf i +ω
)2
1 q
f
2 sin t
+ 2 hϕ0 |p̂nA∗0 e−ik x̂ |ϕi0 i 2
. (VIII.187)
ωf i +ω
~ m 2
Die beiden Anteile in der Übergangswahrscheinlichkeit haben eine unterschiedliche Bedeutung. Der erst
Term
2 sin ωf i −ω t 2
( )
abs 1 q f ik x̂ i 2
Pif = 2 hϕ0 |p̂nA0 e |ϕ0 i ωf i −ω (VIII.188)
~ m 2
abs
beschreibt einen Absorptionsprozeß. Pif ist offenbar besonders groß, wenn die Wellenfrequenz ω = ωf i =
U0f −U0i
~ erfüllt.
142 VIII. Störungstheorie
Aus ω > 0 bzw. ωf i > 0 folgt U0f > U0i . Damit ist klar, daß es sich um einen Absorptionsprozeß handeln
muß. Der zweite Term
2 sin ωf i +ω t 2
( )
em 1 q f ∗ −ik x̂ i 2
Pif = 2 hϕ0 |p̂nA0 e |ϕ0 i ωf i +ω (VIII.189)
~ m 2
em U0i −U0f
beschreibt einen Emissionsprozeß. Pif wird maximal bei ω = −ωf i = ~ .
Hier gilt ωf i < 0, wodurch wiederum ω > 0 erfüllt ist. Ein spontaner Emissions-
Absorption prozeß wird durch diesen Term jedoch nicht beschrieben, sondern nur der durch
die eingestrahlte Welle stimulierte Emissionsprozeß.
U0f
Ein nachdrückliches Argument für die Interpretation der beiden Terme liefert die in
dieser Vorlesung nicht behandelte Quantenelektrodynamik. Innerhalb dieser wird
U0i
auch das hier noch klassisch betrachtete Strahlungsfeld quantisiert. A0 geht dann
über in einen Vernichtungsoperator Â0 für ein Photon und A∗0 entsprechend in
Emission
einen Erzeugungsoperator Â+0.
U0i Die weitere Aufgabe besteht nun darin, die Matrixelemente hϕf0 |p̂nA0 e+ik x̂ |ϕi0 i
und hϕf0 |p̂nA∗0 e−ik x̂ |ϕi0 i weiter zu vereinfachen. Zunächst kann A0 bzw. A∗0 vor
das Skalarprodukt gezogen werden, da es sich um konstante Faktoren handelt. Die
U0f Terme e±ik x̂ werden in der sogenannten Dipol-Näherung berücksichtigt.
Dipolnäherung:
x̂ beschreibt den Ort des Elektrons. Damit ist |x̂| in der Größenordnung der Atomausdehnung,
also |x̂| ∼ 1 Å = 10−10 m. k beschreibt den Wellenzahlvektor der eingestrahlten Welle mit
|k| = 2π/λ. Betrachten wir den sichtbaren Spektralbereich, dann gilt die Größenordnung
λ ∼ 500 nm= 5 · 10−7 m. Somit gilt
10−10
k x̂ ∼ 2π ∼ 10−3 (VIII.190)
5 · 10−7
und es kann approximiert werden in der Form
e±ik x̂ = Iˆ ± ik x̂ ± . . . (VIII.191)
Die 1“ beschreibt die elektrische Dipolstrahlung während ik x̂“ die magnetische Dipolstrah-
” ”
lung oder die elektrische Quadrupolstrahlung ergibt. Wir beschränken uns hier auf die elek-
trische Dipolstrahlung und setzen
e±ik x̂ ≈ Iˆ . (VIII.192)
Weiter auszuwerten ist das verbleibende Element hϕf0 |p̂ n|ϕi0 i. Wir befinden uns im Dirac-Bild und be-
nutzen deshalb
dx̂ i
p̂ = m = m [Ĥ0 , x̂] . (VIII.193)
dt ~
Den Index D“ zur Bezeichnung des Dirac-Bildes an p̂ und x̂ haben wir dabei unterdrückt; Ĥ0 ist sowieso
”
in allen Bildern gleich. Damit folgt
i
hϕf0 |p̂ n|ϕi0 i = m nhϕf0 |[Ĥ0 , x̂]|ϕi0 i (VIII.194)
~
x y
i
= m nhϕf0 |(Ĥ0 x̂ − x̂Ĥ0 )|ϕi0 i (VIII.195)
~
U0f − U0i
= mi nhϕf0 |x̂|ϕi0 i (VIII.196)
~
= miωf i nhϕf0 |x̂|ϕi0 i . (VIII.197)
2.2 Wechselwirkung mit einer elektromagnetischen Welle 143
Man vergleiche dies mit der klassischen Definition des Dipolmomentes 1 . Somit ergibt sich
( ωf i −ω
)2
abs
ωf2 i 2 2 sin 2 t
Pif = 2
|A0 | n df i ωf i −ω (VIII.200)
~ 2
( ωf i +ω
)2
em
ωf2 i 2 2 sin 2 t
Pif = 2
|A0 | n df i ωf i +ω . (VIII.201)
~ 2
2
Die Amplitude |A0 | wird im weiteren ersetzt durch die Strahlungsintensität I(ω) bei der Frequenz ω.
I(ω) ist identisch mit dem Betrag des zeitgemittelten Poyntingvektors |π(t)|. Die Elektrodynamik liefert
den Zusammenhang
1 1
π =E×H = E × B = − ∂t A × ∂x × A , (VIII.202)
µ0 µ0
woraus mit
zunächst
1 2
π = 4 ωn × (k × n) |A0 | sin (k x − ωt + ϕ) (VIII.207)
µ0
1 2
= 4 ωk |A0 | sin (k x − ωt + ϕ) (VIII.208)
µ0
2
Umstellen nach |A0 | und einsetzen in die Übergangswahrscheinlichkeit liefert
( ωf i −ω
)2
ε0 1 ωf2 i sin t
r
abs 1 2 2
Pif = n df i I(ω) ωf i −ω (VIII.213)
2 µ0 ~2 ω 2 2
( ωf i +ω
)2
ε0 1 ωf2 i sin t
r
em 1 2 2
Pif = n d f i
I(ω)
ωf i +ω . (VIII.214)
2 µ0 ~2 ω 2 2
Das Verhalten des zeitabhängigen Terms ist sehr selektiv. Er wird sogar δ-artig, denn eine Darstellung
der δ-Funktion hat die Form 2
1 sin xε
1
δ(x) = lim x . (VIII.215)
π ε→0 ε ε
2
Somit folgt mit ε = t
( ωf i −ω
)2 ( ωf i −ω
)2
sin 2 t t sin 2 t
ωf i −ω = 2t ωf i −ω (VIII.216)
2
2 2 t
( ωf i −ω
)2
1 sin ε
= 2t ωf i −ω (VIII.217)
ε ε
t
−→1
2tπδ(ωf i − ω) . (VIII.218)
2 = ε →∞
Folglich kommt es zu einem Übergang i → f nur, wenn ωf i ≈ ω erfüllt ist. Es ist dann von Vorteil, die
abs
Übergangsrate dPif /dt einzuführen, und man erhält FermiŽs Goldene Regel
abs
dPif
r
ε0 π 2
= 2
n df i I(ωf i )δ(ωf i − ω) . (VIII.219)
dt µ0 ~
2.4 Auswahlregeln 145
2.4 Auswahlregeln
kann für bestimmte Kombinationen von Ausgangs- und Endzuständen (i bzw. f ) verschwinden. Dann
gibt es derartige Übergänge nicht. Die erlaubten Übergänge, d. h. die Übergänge mit nichtverschwinden-
dem Dipolmatrixelement bezeichnet man als ausgewählt. Sie folgen bestimmten Auswahlregeln. Einige
Auswahlregeln sollen für das Wasserstoffatom abgeleitet werden.
Anfangszustand |ϕi0 i =
b Quantenzahlen ni , li , mi (VIII.221)
Endzustand |ϕf0 i =
b Quantenzahlen nf , lf , mf (VIII.222)
Z∞ Zπ Z2π
mf ∗
ξ ≡ hϕf0 |x̂|ϕi0 i = r2 dr sin ϑdϑ dϕ Rn∗ f lf Ylf x Rni li Ylm
i
i
. (VIII.223)
0 0 0
Mit
r sin ϑ cos ϕ
x = r sin ϑ sin ϕ (VIII.224)
r cos ϑ
Z∞
Zπ sin ϑ Z2π cos ϕ
m
ξ = Rnf lf Rni li r3 dr Plf f Plm
i
i
sin ϑ sin ϑdϑ ei(mi −mf )ϕ sin ϕ dϕ . (VIII.225)
0 0 cos ϑ 0 1
| {z }| {z }| {z }
≡ξr ≡ξ ≡ξ
ϑ ϕ
• ξ ϕ1 :
Z2π
ξ ϕ1 = ei(mi −mf )ϕ cos ϕdϕ
0
Z2π Z2π
1 i(mi −mf +1)ϕ 1
= e dϕ + ei(mi −mf −1)ϕ dϕ
2 2
0 0
1 1
= 2πδmf mi +1 + 2πδmf mi −1
2 2
= π δmf mi +1 + δmf mi −1 ; (VIII.226)
• ξ ϕ2 :
Z2π
ξ ϕ2 = ei(mi −mf )ϕ sin ϕdϕ
0
Z2π Z2π
1 i(mi −mf +1)ϕ 1
= e dϕ − ei(mi −mf −1)ϕ dϕ
2i 2i
0 0
π
= δmf mi +1 − δmf mi −1 ; (VIII.228)
i
es gilt ebenfalls
∆m = mf − mi = ±1 . (VIII.229)
• ξ ϕ3 :
Z2π
ξ ϕ3 = ei(mi −mf )ϕ dϕ = 2πδmi mf ; (VIII.230)
0
Für die Auswertung der Komponenten von ξ ϑ sind einige Eigenschaften der Legendre-Polynome auszu-
nutzen. Ohne Rechnung geben wir an, daß die Auswahlregel
∆l = lf − li = ±1 (VIII.232)
folgt. Der Radialanteil ξr verschwindet nicht systematisch; es ergibt sich keine weitere Auswahlregel.
Alle anderen Übergänge, die den Auswahlregeln ∆l = ±1, ∆m = 0, ±1 nicht gehorchen, sind verboten.
2.4 Auswahlregeln 147
Bemerkungen:
h ω1 h ω1
i f
Raman-Streuung
h ω2
f
h ω1
i
• Für Mehr-Photonen-Prozesse gilt entsprechendes.
148 VIII. Störungstheorie
Kapitel IX
L̂ = x̂ × p̂ (IX.1)
Die abgeleiteten Vertauschungsregeln beruhen letztendlich auf der Isotropie des Raumes. Es sollen deshalb
im weiteren allein die Vertauschungsregeln zur Charakterisierung eines beliebigen Drehimpulses - also
nicht nur des Bahndrehimpulses - herangezogen werden. Zur Unterscheidung bezeichnen wir diesen mit
Ĵ. Es wird somit gefordert, daß
~ ~ ~
[Jˆ1 , Jˆ2 ] = − Jˆ3 , [Jˆ2 , Jˆ3 ] = − Jˆ1 , [Jˆ3 , Jˆ1 ] = − Jˆ2 (IX.6)
i i i
gilt und folglich auch
[Jˆ2 , J]
ˆ =0 . (IX.7)
sowie
(Jˆ+ )+ = Jˆ− , (Jˆ− )+ = Jˆ+ . (IX.12)
Wegen der Vertauschbarkeit von Jˆ2 und Jˆ3 haben beide Operatoren eine gemeinsame Eigenbasis. Die Ei-
2
genwerte von Jˆ zählen wir mit dem Index j und die von Jˆ3 mit m, so daß die gemeinsamen Eigenvektoren
sowohl von j als auch von m abhängen. Wir schreiben
Jˆ2 |j, mi = aj |j, mi (IX.20)
Jˆ3 |j, mi = bm |j, mi . (IX.21)
|j, mi sei normiert. Noch ist nicht klar, ob j und m diskret oder kontinuierliche Indizes darstellen. Wir
werden ihre Eigenschaften durch die Anwendung von Operatormethoden herauspräparieren.
Wir stellen nun eine Relation zwischen j und m her. Dazu wird Jˆ+ Jˆ− und Jˆ− Jˆ+ auf |j, mi angewendet.
Es folgt
h i
Jˆ− Jˆ+ |j, mi = Jˆ2 − Jˆ3 (Jˆ3 + ~I)
ˆ |j, mi = ~2 [j(j + 1) − m(m + 1)] |j, mi (IX.29)
h i
Jˆ+ Jˆ− |j, mi = Jˆ2 − Jˆ3 (Jˆ3 − ~I)
ˆ |j, mi = ~2 [j(j + 1) − m(m − 1)] |j, mi . (IX.30)
1 Eigenwerte von Jˆ2 und Jˆ3 151
Projektion auf hj, m| und Beachtung der Adjungiertheit von Jˆ+ und Jˆ− zueinander liefert
hj, m|Jˆ− Jˆ+ |j, mi = hj, m|(Jˆ+ )+ Jˆ+ |j, mi = kJˆ+ |j, mik2
~2 [j(j + 1) − m(m + 1)] ≥ 0
= (IX.31)
hj, m|Jˆ+ Jˆ− |j, mi = hj, m|(Jˆ− )+ Jˆ− |j, mi = kJˆ− |j, mik2
= ~2 [j(j + 1) − m(m − 1)] ≥ 0 (IX.32)
(a)
j−m≥0 & j+m+1≥0 (IX.35)
y m≤j & −j−1≤m (IX.36)
y −j − 1 ≤ m ≤ j (IX.37)
oder
(b)
j−m≤0 & j+m+1≤0 (IX.38)
y j≤m & m ≤ −j − 1 (IX.39)
y j ≤ m ≤ −j − 1 (IX.40)
Wegen j ≥ 0 ist (b) auszuschließen.
(c)
j+m≥0 & j−m+1≥0 (IX.41)
y −j ≤ m & m≤j+1 (IX.42)
y −j ≤ m ≤ j + 1 (IX.43)
oder
(d)
j+m≤0 & j−m+1≤0 (IX.44)
y m ≤ −j & j+1≤m (IX.45)
y j + 1 ≤ m ≤ −j (IX.46)
Wegen j ≥ 0 ist (d) auszuschließen.
152 IX. Drehimpuls und Spin
−j ≤m≤j . (IX.47)
Damit ist eine Relation zwischen j und m gefunden. Im folgenden werden weitere Eigenschaften von j
untersucht.
Für m = j gilt
kJˆ+ |j, jik = 0 . (IX.48)
Folglich ist
Jˆ+ |j, ji = |nulli . (IX.49)
Für m < j wenden wir auf Jˆ+ |j, mi die Operatoren Jˆ2 und Jˆ3 an und erhalten unter Beachtung der
Kommutatorregeln von (IX.16), (IX.27), (IX.13) und (IX.28)
Jˆ2 Jˆ+ |j, mi = Jˆ+ Jˆ2 |j, mi = ~2 j(j + 1)Jˆ+ |j, mi (IX.52)
Jˆ3 Jˆ+ |j, mi = ~Jˆ+ + Jˆ+ Jˆ3 |j, mi = ~(m + 1)Jˆ+ |j, mi . (IX.53)
Folglich ist Jˆ+ |j, mi Eigenvektor von Jˆ2 zum Eigenwert ~2 j(j + 1) und von Jˆ3 zum Eigenwert ~(m + 1).
Jˆ+ |j, mi beschreibt einen Drehimpulszustand zu den Quantenzahlen (j, m + 1). Jˆ+ |j, mi muß deshalb zu
|j, m + 1i proportional sein:
Jˆ+ |j, mi = cm |j, m + 1i . (IX.54)
Jˆ+
2
|j, j − 1i = cJˆ+ |j, ji = |nulli . (IX.55)
p
Für m < j − p wenden wir auf Jˆ+ |j, mi die Operatoren Jˆ2 und Jˆ3 an und erhalten
p p−1
Jˆ2 Jˆ+ |j, mi = Jˆ+ Jˆ2 Jˆ+ |j, mi = . . .
p ˆ2 p
= J+ J |j, mi = ~2 j(j + 1)Jˆ+
ˆ |j, mi (IX.57)
p p−1
Jˆ3 Jˆ+ |j, mi = ~Jˆ+ + Jˆ+ Jˆ3 Jˆ+ |j, mi
p−2
= ~Jˆ+2
+ Jˆ+
2 ˆ
J3 + Jˆ+ ~Jˆ+ Jˆ+ |j, mi
p−2
= 2~Jˆ+ 2
+ Jˆ+2 ˆ
J3 Jˆ+ |j, mi
..
.
p p ˆ
= p~Jˆ+ + Jˆ+ J3 |j, mi
p
= ~(m + p)Jˆ+ |j, mi . (IX.58)
1 Eigenwerte von Jˆ2 und Jˆ3 153
p
Somit ist Jˆ+ |j, mi Eigenvektor zu Jˆ2 zum Eigenwert ~2 j(j + 1) und Eigenvektor von Jˆ3 zum Eigenwert
~(m + p). p kann dabei den Bereich p = 0, 1, 2, . . . , j − m durchlaufen.
Somit ist Jˆ− |j, mi Eigenvektor von Jˆ2 zum Eigenwert ~2 j(j + 1) und Eigenvektor von Jˆ3 zum Eigenwert
~(m − 1). Jˆ− |j, mi muß deshalb zu |j, m − 1i proportional sein:
Jˆ− |j, mi = dm |j, m − 1i . (IX.62)
q
Somit sind die Vektoren Jˆ− |j, mi mit q = 1, 2, . . . , j + m Eigenvektoren von Jˆ2 zum Eigenwert ~2 j(j + 1)
und Eigenvektoren von Jˆ3 zu den Eigenwerten ~(m − q).
Zwischenbilanz:
Für m = j − p sind
p p
Jˆ+ |j, mi = Jˆ+ |j, j − pi ; p = 1, 2, . . . (IX.65)
Eigenvektoren von Jˆ2 und Jˆ3 und
für m = −j + q sind
q q
Jˆ− |j, mi = Jˆ− |j, −j + qi ; q = 1, 2, . . . (IX.66)
ebenfalls Eigenvektoren von Jˆ2 und Jˆ3 . Weitere Eigenvektoren gibt es nicht (ohne Beweis).
Jeder Eigenvektor von Jˆ2 und Jˆ3 korrespondiert damit zu einer Kombination
m=j−p (IX.67)
oder
m = −j + q . (IX.68)
Da p und q ganzzahlig sind und oben bereits j ≥ 0 und −j ≤ m ≤ j gezeigt wurde, erhält man für j und
m folgende möglichen Werte:
1 3
j = 0, , 1, , 2, . . . (IX.71)
2 2
m = −j, −j + 1, . . . , j . (IX.72)
154 IX. Drehimpuls und Spin
Neben den ganzzahligen Quantenzahlen j und m, die bereits vom Bahndrehimpuls L̂2 , L̂3 bekannt sind,
gibt es offensichtlich halbzahlige Quantenzahlen.
Wir betrachten einen Eigenvektor |j, mi als vorgegeben. Für festes j können aus
alle 2j + 1 normierten Eigenvektoren des zugehörigen Unterraumes konstruiert werden. Imgrunde sind
nur noch die cm und dm zu berechnen. Normbildung liefert
q q
kJˆ+ |j, mik = |cm | = hj, m|Jˆ+
+ ˆ
J+ |j, mi = hj, m|Jˆ− Jˆ+ |j, mi . (IX.77)
Es folgt
p p
cm = ~ j−m j+m+1 . (IX.79)
Analog gilt
q
kJˆ− |j, mik = |dm | = hj, m|Jˆ+ Jˆ− |j, mi (IX.80)
mit
hj, m|Jˆ+ Jˆ− |j, mi = ~2 (j + m)(j − m + 1) (IX.81)
und somit
p p
dm = ~ j + m j − m + 1 = cm−1 (IX.82)
liefern die p + q = 2j weiteren Eigenvektoren, um den 2j + 1-dimensionalen Unterraum für ein festes j
aufzuspannen.
3 Stern-Gerlach-Effekt 155
3 Stern-Gerlach-Effekt
Ein quantenmechanisches Ein-Teilchen-System der Ladung q und der Masse µ im Potential V̂ (x̂) und im
äußeren Magnetfeld B wird durch den Hamilton-Operator
ˆ2
(p̂ − qAI)
Ĥ = + V̂ (x̂) (IX.85)
2µ
(vgl. ÜA, Normaler Zeemann-Effekt). Dem Bahndrehimpuls L̂ wird auf diese Weise ein magnetisches
Moment µ̂L über
q
µ̂L = L̂ (IX.87)
2µ
zugeordnet. Da für die ausgezeichnete Komponente L̂3 die Eigenwert-Gleichung
In einem inhomogenen Magnetfeld B(x) = (0, 0, B(x)) wirkt auf das System die Kraft
K = ∂x (mµB B) . (IX.91)
Bei einer Messung sind m = −l, . . . , +l Indikationen zu erwarten. Wenn kein Bahndrehimpuls (l = 0)
vorliegt, wirkt auch keine Kraft.
Beim Stern-Gerlach-Versuch wird ein Strahl von Alkali-, Wasserstoff-, Silber-, Kupfer-, oder Goldatomen
durch ein stark inhomogenes Magnetfeld geleitet. Alle genannten Atome haben ein Valenzelektron und
sind damit in guter Näherung Ein-Teilchen-Systeme. Im Grundzustand, in dem sich ein Valenzelektron
unter den gegebenen Bedingungen überwiegend befindet, gilt aber l = m = 0 (s-Zustand). Es liegt kein
Bahndrehimpuls und damit auch kein magnetisches Moment vor. Im Experiment kommt es jedoch zu
einer Aufspaltung in zwei Teilstrahlen.
monochromatischer
Ag-Strahl
Schlußfolgerung:
Das Elektron besitzt ein magnetisches Eigenmoment - genannt Spin - vekoppelt mit einem
Eigendrehimpuls, der nichts mit der Bahnbewegung zu tun hat. Es gilt
1 1 1
j= ; m = − ,+ . (IX.92)
2 2 2
Um zum Ausdruck zu bringen, daß der Spin und nicht ein allgemeiner Drehimpuls betrachtet wird, ersetzt
man die allgemeine Drehimpulsquantenzahl j durch die Spinquantenzahl s
1
j→s= , (IX.93)
2
die magnetische Quantenzahl m durch die magnetische Spinquantenzahl ms
1 1
m → ms = ,− , (IX.94)
2 2
und die Operatoren entsprechend
Jˆ2 → Ŝ 2 , Jˆ3 → Ŝ3 , usw. (IX.95)
4 Paulische Spinmatrizen
2
σi = S (IX.113)
~ i
zu
0 1 0 −i 1 0
σ1 = , σ2 = , σ3 = (IX.114)
1 0 +i 0 0 −1
2
σ̂ = Ŝ . (IX.116)
~
σ 2+ = σ 2− = 0 , (IX.117)
wobei
σ ± = σ 1 ± iσ 2 (IX.118)
ist, oder
h i 2
σ1 , σ2 = − σ3 etc. (IX.119)
i
158 IX. Drehimpuls und Spin
Durch den Spin ist die Anzahl der unabhängigen Variablen, die das Elektron beschreiben, erhöht worden:
Neben Orts- und Impulsoperator x̂ bzw. p̂ tritt der Eigendrehimpulsoperator Ŝ, der sich im Unter-
schied zum Bahndrehimpulsoperator L̂ auch nicht auf x̂ und p̂ zurückführen läßt. Damit ist klar, daß die
Schrödinger-Gleichung in der bis jetzt benutzten Form den Spin nicht zu beschreiben vermag.
Es stellt sich heraus, daß der Spin in der relativistischen Verallgemeinerung der Schrödinger-Gleichung,
der sogenannten Dirac-Gleichung, streng beschrieben wird. Die Dirac-Gleichung wird im Rahmen der
Fortsetzungsvorlesung Quantenmechanik II“ behandelt. Hier soll sie nur angegeben, aber nicht ausge-
”
wertet werden. Die Dirac-Gleichung hat die Form
(γ j pj − mc)Ψ = 0. . (IX.120)
Die Dirac-Gleichung liefert neben dem Spin selbst auch einen Wechselwirkungsterm zwischen dem Spin
und dem Bahndrehimpuls des Elektrons - die sogenannte Spin-Bahn-Kopplung . Die Spin-Bahn-Kopplung
macht die Energieniveaus des Wasserstoffatoms nicht nur von der Hauptquantenzahl n, sondern auch von
der Drehimpulsquantenzahl l abhängig. Die damit verbundene Aufspaltung der Energieniveaus führt auf
die Feinstruktur des Spektrums. Die Niveauaufspaltung wird maßgeblich durch die Sommerfeldsche
Feinstrukturkonstante α festgelegt.
Zwischen der Schrödinger-Gleichung und der Dirac-Gleichung ist die Pauli-Gleichung angesiedelt. Sie ist
eine nichtrelativistische Näherung der Dirac-Gleichung. Die Pauli-Gleichung hat die Form
Ĥ Ψ = i~∂t Ψ (IX.123)
und sieht damit formal aus wie die Schrödinger-Gleichung. Allerdings ist der Pauli-Hamilton-Operator
kein skalarer Operator mehr sondern der 2 × 2-Matrizen-Operator
1 2
Ĥ = (p̂ − qA) + V̂ (x̂) δ + µB σ B , (IX.124)
2µ
wobei σ ein dreidimensionaler Vektor“ ist, bei dem die 3 Komponenten die Paulischen Spinmatrizen
”
darstellen. Ψ ist zweikomponentig
Ψ+
Ψ= (IX.125)
Ψ−
und erfaßt gerade die beiden Spinquantenzahlen ms = + 21 und ms = − 21 .
6 Pauli-Prinzip
Mit der Einführung des Spins kommt zu den bisherigen Quantenzahlen (Hauptquantenzahl n, Drehim-
pulsquantenzahl l, magnetische Quantenzahl m) noch die Spinquantenzahl ms hinzu. Die Anzahl der
möglichen Zustände und ggf. die Entartung von Energieniveaus erhöht sich damit um den Faktor 2.
Zwei Elektronen eines quantenmechanischen Systems können nie in allen Quantenzahlen über-
einstimmen.
Dieses Prinzip ist nicht näher begründbar; es ist eine Erfahrungstatsache und wird für Mehrelektronensy-
steme zum Axiom erhoben. Es gilt nicht nur für Elektronen, sondern für alle Teilchen mit halbzahligem
Spin - die sogenannten Fermionen. Für Teilchen mit ganzzahligem Spin - die sogenannten Bosonen - gilt
das Ausschließungsprinzip nicht. In Bosonen-Systemen können sich beliebig viele Teilchen (z. B. Photonen
oder Phononen) im gleichen Zustand befinden.
160 IX. Drehimpuls und Spin
Kapitel X
Quantenmechanischer Messprozess
Zur Illustration der nachfolgenden Überlegungen wird ein Modellsystem herangezogen, das an das Wasserstoff-
Atom angelehnt ist, wir nennen es “abgerüstetes H-Atom“. Es bestehe nur aus den beiden niedrigsten
Niveaus mit den Energie-Eigenwerten U1 und U2 .
U1 |100i
U1 ist nicht entartet, U2 ist 4-fach entartet. Die Zustände |n l mi werden durch die Hauptquanten-
zahl n (n = 1, 2), die Drehimpulsquantenzahl l (l = 0, . . . , n − 1) und die magnetische Quantenzahl m
(m = −l, . . . , l) festgelegt. Der Spin wird nicht betrachtet. Der Hilbertraum des Modellsystems ist damit
5-dimensional. Der Eigenraum zum Energieeigenwert U1 ist 1-dimensional, der zu U2 4-dimensional.
Axiom Nr. 4 besagt, dass bei der Messung einer Observablen A ein Eigenwert an mit der Wahrschein-
lichkeit
P (an ) = |hn|Ψi|2 (X.1)
gemessen wird, wenn sich das System vor der Messung im Zustand |Ψi befand. Aber wie kann man den
Zustand |Ψi festlegen und das System damit präparieren?
Ein Messprozess selbst beinflusst das System und legt den Zustand des Systems fest. Ausgehend von
einem beliebigen Zustand |Ψi befindet sich das System nach der Messung im Zustand |ni, falls an als
Messgrösse angezeigt wird. Eine sofortige weitere Messung von A (“quasi-gleichzeitig“) muss natürlich
wieder an liefern; also ist zu fordern
P (an ) = 1 (X.2)
P (am ) = 0 für m 6= n . (X.3)
1. Messung 2. Messung
Zustand: |Ψi −→ |ni −→ |ni
Messwert: an an
Energie-Messung am abgerüsteten H-Atom: Die Energiemessung ergebe als Messergebnis den Ei-
genwert U1 . Dann befindet sich das System im reinen Zustand |100i. Wenn die Energiemessung
allerdings den Eigenwert U2 ergibt, ist unklar in welchem Zustand sich das System befindet. Es
könnte |200i oder |21-1i oder |210i oder |211i oder eine beliebige normierte Linearkombination
sein. Sicher ist nur, dass der Zustand im Eigenraum von U2 liegt. Ein solcher nur teilweise bekann-
ter Zustand heisst gemischter Zustand.
Wenn bei einer Messung ein entarteter Eigenwert ar angezeigt wird, befindet sich das System unmittelbar
nach der Messung im Eigenraum von ar und alle Zustände in diesem Eigenraum sind möglich. Das System
befindet sich dann in einem sog. gemischten Zustand. Auch sofortige wiederholte Messung der gleichen
Observablen liefert zwar wiederum den Messwert ar , aber zu einer eindeutigen Präparation des Systems
käme es dadurch nicht. Eine eindeutige Präparation ist dennoch möglich, nämlich durch die Messung
anderer kompatibler Observablen. Dies wird in nachfolgenden Abschnitten beschrieben.
Zunächst wird die Handhabung von Gemischen - d.h. Gemischen von Zuständen, nicht etwa Gemischen
von Systemen - untersucht. Wir nehmen an, das System kann sich in den Zuständen
befinden. Die Zustände |Ψα i müssen nicht gleichberechtigt sein, sondern die Zahlen
p1 , p2 , . . . , pα , . . .
Dann ist pα die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das System im Zustand |Ψα i vorliegt. Weiterhin wird
angenommen
hΨα |Ψα i = 1 .
Orthogonalität wird i.a. nicht vorausgesetzt,
hΨα |Ψβ i =
6 0 .
Der Erwartungswert einer Observablen A beschrieben durch den hermiteschen Operator  ist für ein
Gemisch wie folgt zu konstruieren. Der quantenmechanische Erwartungswert im Zustand |Ψα i ist be-
kanntlich
hÂiα = hΨα |Â|Ψα i . (X.5)
Diese Ergebnisse sind nun mit den Gewichten pα klassich zu mitteln, also
X
hÂi = pα hÂiα
α
X
hÂi = pα hΨα |Â|Ψα i . (X.6)
α
Das Gemisch ist eine inkohärente Überlagerung reiner Zustände, die verschiedenen |Ψα i interferieren
nicht. Die quantenmechanische Erwartungswertbildung hingegen geschieht mittels Wahrscheinlichkeit-
samplituden und führt zu Interferenztermen.
1.3 Statistischer Operator 163
Messung des entarteten Energieeigenwertes U2 am abgerüsteten H-Atom: Das System befindet sich
nach Messung von U2 in einem gemischten Zustand. Alle Zustände seien gleich gewichtet, also
1
p200 = p21−1 = p210 = p211 = .
4
Folglich ist der Energie-Mittelwert
1n o
h200|Ĥ|200i + h21 − 1|Ĥ|21 − 1i + h210|Ĥ|210i + h211|Ĥ|211i
4
1
= {U2 + U2 + U2 + U2 } = U2 .
4
Der Mittelwert des Drehimpuls-Quadrates ist
1n 2 2 2 2
o
h200|L̂ |200i + h21 − 1|L̂ |21 − 1i + h210|L̂ |210i + h211|L̂ |211i
4
1 3
= ~2 {0 + 1 · 2 + 1 · 2 + 1 · 2} = ~2 .
4 2
Für eine einheitliche Handhabung von reinen und gemischten Zuständen ist es vorteilhaft, den statisti-
schen Operator ςˆ einzuführen: X
ςˆ := |Ψα ipα hΨα | . (X.7)
α
Der statistische Operator des reinen Zustandes ist als Spezialfall in der Definition enthalten. Das Gemisch
wird zu einem reinen Zustand, wenn
p1 = 1, p2 = p3 = . . . = 0
gilt. Der Superscript 1 ist dann überflüssig und es schreibt sich für den reinen Zustand
ςˆ = |ΨihΨ| . (X.8)
Zk X
X
= hbk |Ψα ipα hΨα |Â|bk i
α
k
X Z
X
= pα hΨα |Â|bk ihbk |Ψα i
α
k
X
= p hΨα |Â|Ψα i
α
= hÂi q.e.d.
• ςˆ = ςˆ+
• Sp(ˆ
ς ) = 1, denn
Z
X Z X
X
hbk |ˆ
ς |bk i = pα hbk |Ψα ihΨα |bk i
α
k k
X Z
X
α
= p hΨα |bk ihbk |Ψα i
α
k
X
= pα hΨα |Ψα i
α
X
= pα
α
= 1 q.e.d.
• Sp ςˆ2 ≤ 1, denn
Z
X
Sp ςˆ2 ς 2 |bk i
= hbk |ˆ
Zk X X
X
= pα pβ hbk |Ψα ihΨα |Ψβ ihΨβ |bk i
α β
k
XX Z
X
= pα pβ hΨα |Ψβ i hΨβ |bk ihbk |Ψα i
α β k
XX
= p p hΨ |Ψ ihΨβ |Ψα i
α β α β
α β
XX
= pα pβ |hΨα |Ψβ i|2
α
| {z }
β
≤1
X X
α β
≤ p p
α β
= 1 q.e.d. (X.10)
Die Matrixelemente ςik von ςˆ in der Darstellung mit einer ONB {|bi i} bilden die sog. Dichtematrix
ςik = hbi |ˆ
ς |bk i . (X.11)
Die Diagonalelemente sind nichtnegativ, denn
ςii = hbi |ˆ
ς |bi i
X
= pα hbi |Ψα ihΨα |bi i
α
X
= pα |hbi |Ψα i|2 ≥ 0 q.e.d.
α
Wenn die Zustände |Ψα i zeitabhängig sind, also |Ψα (t)i, so wird auch ςˆ zeitabhängig. Im folgenden wird
die Bewegungsgleichung für ςˆ (t) abgeleitet. Die Betrachtung erfolgt im Schrödinger-Bild.
Voraussetzung: Im Zeitintervall (t0 , t) bleibt das System sich selbst überlassen und wird nicht gestört.
Dann gilt
dt pα = 0
α
|Ψ (t)i = Û (t, t0 ) |Ψα (t0 )i .
1.4 Verträgliche Messungen 165
Weiter gilt
X
ςˆ (t0 ) = pα |Ψα (t0 )ihΨα (t0 ) | ,
α
X
ςˆ (t) = pα |Ψα (t)ihΨα (t) |
α
X
ςˆ (t) = pα Û (t, t0 ) |Ψα (t0 )ihΨα (t0 ) |Û + (t, t0 )
α
Diese Gleichung heisst auch von-Neumann-Gleichung. Sie ist das quantenmechanische Analogon zur
Liouville-Gleichung.
Es soll nun die Frage behandelt werden, wie ein sich in einem gemischten Zustand befindliches System
weiter zu behandeln ist, um es schliesslich eindeutig zu präparieren, d.h. in einen reinen Zustand zu
überführen.
Betrachten wir zunächst das abgerüstete H-Atom, das bei einer Messung der Energie den Eigenwert
U2 lieferte und damit in einem gemischten Zustand vorliegt. Die Entartung lässt sich reduzieren,
wenn Drehimpuls gemessen wird. Ist das Ergebnis der Drehimpuls-Messung l = 0, ist ein reiner
Zustand bereits erreicht, denn nur |200i ist möglich. Ist das Ergebnis der Drehimpuls-Messung aber
l = 1, liegt wiederum ein Gemisch aus |21 − 1i, |210i, |211i vor. Diese Entartung lässt sich nun
vollständig aufheben, wenn zusätzlich noch die Bahndrehimpuls-Komponente L̂3 gemessen wird.
Als Ergebnis ergibt sich |21 − 1i oder |210i oder |211i. In jedem Fall liegt dann ein reiner Zustand
vor und das System ist eindeutig präpariert. Wichtig ist, dass die drei nacheinander ausgeführten
Messungen verträglich sind, d.h. dass bei den Messungen überhaupt die gleichen Eigenvektoren
2
erreicht werden. Das ist aber der Fall, da Ĥ, L̂ und L̂3 miteinander kommutieren und damit
verträglich sind und ein gleiches Eigenvektor-System besitzen:
h i h i h 2 i
Ĥ, L̂2 = 0 , Ĥ, L̂3 = 0 , L̂ , L̂3 = 0 . (X.13)
Die Vertauschbarkeit ergibt sich unmittelbar aus dem Satz von Schwarz.
Ĥ
|Ψi −→ |100i ist bereits reiner Zustand
oder
Ĥ
|Ψi −→ |2 . . .i Gemisch aus 4 Zuständen
L̂2
|2 . . .i −→ |200i reiner Zustand
oder
L̂2
|2 . . .i −→ |21 . . .i Gemisch aus 3 Zuständen
L̂3
|21 . . .i −→ |21 − 1i rein
oder
L̂
3
|21 . . .i −→ |210i rein
oder
L̂
3
|21 . . .i −→ |211i rein
Die Verallgemeinerung liegt nun auf der Hand. Für eine eindeutige Präparation eines Systems in einen
reinen Zustand sind hinreichend viele Observable in die Messung einzubeziehen, wobei diese Observable
untereinander verträglich sein müssen. Durch die Nacheinanderausführung der Messung aller verträglicher
Observablen wird die Entartung immer weiter eingeschränkt bis schliesslich ein reiner Zustand vorliegt.
Man sagt, dass ein vollständiger Satz von verträglichen Observablen notwendig ist, um ein System in
einen reinen Zustand zu präparieren.
Für zwei Observable, die nicht vertauschbar sind, gibt es kein gemeinsames Eigenvektorsystem. Es ist
somit nicht möglich, nicht vertauschbare Observablen gleichzeitig (oder quasi-gleichzeitig) zu messen.
Exemplarisch betrachten wir
h i ~
L̂2 , L̂3 = − L̂1 . (X.17)
i
Misst man L̂3 , dann wird ein Ausgangszustand |Ψi auf einen Eigenvektor von L̂3 projiziert. Für ei-
ne unmittelbar darauffolgende Messung von L̂2 kann man den sich einstellenden Messwert nur mit der
Wahrscheinlichkeit gemäss Axiom Nr. 4 erhalten. Der ursprüngliche Zustand (Eigenzustand von L̂3 ) wird
bei der Messung von L̂2 zunichte gemacht, denn es stellt sich ein Eigenzustand von L̂2 ein und der ist nicht
gleichzeitig ein Eigenzustand von L̂3 . L̂2 und L̂3 lassen sich nicht gleichzeitig messen - genauer gesagt,
nicht gleichzeitig scharf messen. Die Unschärfe wird gerade durch die Heisenberg’sche Unschärferelation
bestimmt, die in Gleichung (IV.100) für x̂ und p̂ forumuliert wurde und sich auf beliebige nichtkommu-
tierende Observable verallgemeinern lässt.
2 Quanten-Zeno-Effekt
Betrachtet werde ein quantenmechanisches diskretes System, dass unmittelbar nach der Messung der
Observablen A zur Zeit t0 im nichtentarteten Eigenzustand |ai vorliegt. Das System ist somit eindeutig
präpariert. Der Eigenwert sei a.
Das quantenmechanische System wird als ein zeitabhängiges System betrachtet; es darf sogar eine explizite
(äussere) Zeitabhängigkeit Ĥ (t) vorliegen. Dann entwickelt sich das System zeitlich und die zeitliche
Entwicklung wird durch einen Zeitentwicklungsoperator Û (t, t0 ) beschrieben, wobei Û durch Ĥ bestimmt
2 Quanten-Zeno-Effekt 167
Der Zustand |Ψ (t)i wird dann durch die Messung wieder auf |ai zurückprojiziert. Durch wiederholte
Messung kann somit die dynamische Entwicklung eines quantenmechanischen Systems vollständig unter-
bunden werden. Das Quantensystem wird in seinem Zustand |ai eingefroren“. Man nennt dies den
”
Quanten-Zeno-Effekt.
Zenon (490 - 430 BC), griechischer Philosoph, der das Paradoxon von Achilles und der Schildkröte
formuliert hat, nachdem jegliche Bewegung logisch unmöglich sein sollte.
In der klassischen Mechanik ist der Zeno-Effekt unmöglich; der Quanten-Zeno-Effekt ist demgegenüber
keine Paradoxie. Er ist experimentell nachgewiesen und eine direkte Folge der Besonderheiten des Mes-
sprozesses in der Quantenphysik.
Beispiel:
|a0 i
|Ψ (t)i
α (t)
|ai
|Ψ (t)i dreht sich entsprechend α (t) stetig aus |ai heraus. Wenn t genügend klein ist, gilt
P (a) = |ha|Ψ (t)i|2 = cos2 α (t) , (X.20)
0 0 2 2
P (a ) = |ha |Ψ (t)i| = sin α (t) , (X.21)
cos α (t) sin α (t), wenn α π/2 , (X.22)
P (a) P (a0 ) (X.23)
Die Gesamtdynamik des Systems wird damit durch zwei Anteile bestimmt:
Verschränkung
Betrachtet werde ein System, das aus zwei Untersystemen zusammengesetzt ist. Die Untersysteme werden
mit A und B bezeichnet. A und B stehen in Verbindung und wechselwirken miteinander. Beispiele:
A B
• System aus einem Atom mit einem Bahnfreiheitsgrad und einem Spinfreiheitsgrad
An den jeweiligen einzelnen Untersystemen können getrennt voneinander Messungen durchgeführt wer-
den.
Der Einfachheit halber betrachten wir Modell-Untersysteme, die sich je nur in 2 nichtentarteten Zuständen
befinden können. Folgende Bezeichnungen werden eingeführt:
Untersystem A Untersystem B
|1i |ui
|2i |vi
Am Untersystem A wird eine bestimmte Observable gemessen (die nicht weiter spezifiziert werden soll)
und als Eigenzustände ergeben sich |1i oder |2i. Am Untersystem B wird i.a. eine andere Observable
gemessen und als Eigenzustände ergeben sich |ui oder |vi. Alle Zustände sind normiert und es gilt
h1|2i = 0 , (XI.1)
hu|vi = 0 . (XI.2)
Alle Zustände seien rein. Nun werden die beiden Untersysteme zusammen als ein System (Gesamtsystem)
betrachtet. Bei einer Doppelmessung sind folgende Kombinationen möglich:
Die Zustände des Gesamtsystems nach einer Doppelmessung werden nun folgendermassen definiert:
Die rechten Seiten stellen sog. Produktzustände dar. Konjugation wird definiert durch
usw.
|Ψi = c1u |1ui + c1v |1vi + c2u |2ui + c2v |2vi . (XI.9)
Die c’s sind komplexe Zahlen. Befindet sich das System in einem allgemeinen Zustand |Ψi, so ist die Wahr-
scheinlichkeit, bei einer Doppelmessung z.B. Untersystem A im Zustand |1i zu erhalten und Untersystem
B im Zustand |ui gegeben durch
Das System geht in diesem konkreten Fall mit der angegebenenWahrscheinlichkeit in |1ui über:
Wird nur am Untersystem A gemessen und stellt sich dort z.B. der Zustand |1i ein, dann gilt für den
Gesamtzustand:
|Ψ0 i ist hier ein Produktzustand und muss natürlich normiert sein.
2 Verschränkte Zustände
Der allgemeine Zustand des Gesamtsystems wurde im Abschnitt XI.1 in der Form
|Ψi = c1u |1ui + c1v |1vi + c2u |2ui + c2v |2vi (XI.17)
dargestellt. Hierin sind u.a. auch Zustände enthalten, die sich nicht als Produktzustände schreiben lassen,
z.B.
1
|Ψi = √ (|1ui + |2vi) . (XI.18)
2
3 EPR-Paradoxon 171
Offensichtlich ist
1
|Ψi = √ (|1i|ui + |2i|vi) (XI.19)
2
nicht faktorisierbar. Solche nicht faktorisierbaren Zustände heissen verschränkte Zustände. Man sagt dann
auch, die beiden Untersysteme sind verschränkt. Für einen solchen verschränkten Zustand kann man ins-
besondere nicht mehr sagen, das Untersystem A befindet sich im Zustand |1i (oder |2i) und das Untersy-
stem B im Zustand |ui (oder |vi). Weder Untersystem A noch Untersystem B haben einen bestimmten
Zustand; ihre Zustände sind in bestimmter Weise überlagert und miteinander korreliert.
Nun werden Messungen am System ausgeführt, dass sich in einem verschränkten Zustand befindet. Ex-
emplarisch betrachten wir
1
|Ψi = √ (|1ui + |2vi) . (XI.20)
2
Zunächst wird die zugehörige Observable des Untersystems A gemessen. Das Untersystem A wird damit
auf |1i oder |2i projiziert. Das Gesamtsystem geht dann über in
oder
Das Untersystem B befindet sich dann im Zustand |ui unter der Bedingung, dass Untersystem A im
Zustand |1i angelangt ist. Das Untersystem B kann sich aber auch im Zustand |vi befinden, unter der
Bedingung, dass Untersystem A im Zustand |2i angelangt ist.
Wir wollen nun der Einfachheit halber voraussetzen, dass die Wahrscheinlichkeiten für das Eintre-
ten von |1i oder |2i gleich sind, also 1/2 und ebenso die Wahrscheinlichkeiten für |ui oder |vi auch
gleich 1/2 sind. In einem klassischen System wäre dann die Wahrscheinlichkeit dafür, das System z.B.
in |1vi vorzufinden, 12 · 21 = 14 . Im o.g. Quanten-Fall ist jedoch die Wahrscheinlichkeit 0, das Sy-
stem bei |1vi vorzufinden, wenn es sich vor der Messung im verschränkten Zustand befand. Im Ver-
schränkungs-Fall kommen bedingte Wahrscheinlicheiten zur Anwendung, im faktorisierbaren Fall kom-
men unabhängige Wahrscheinlichkeiten zur Anwendung. Diese Überlegung hat weitreichende Konsequen-
zen. Geht z.B. Untersystem B bei einer Messung an diesem Untersystem in Zustand |vi über, so geht
automatisch Untersystem A in Zustand |2i über, ohne dass dort direkt gemessen wird.
3 EPR-Paradoxon
EPR steht für Albert Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen, die 1935 ein Gedankenexperiment
vorschlugen, das von den Autoren zuungunsten der Quantentheorie konzipiert wurde. Hier wird eine
modifizierte Version dieses Gedankenexperiments vorgestellt. Das Gedankenexperiment mutet zunächst
seltsam an und kann zunächst durchaus Zweifel an der Quantentheorie aufkommen lassen. Mittlerweile
ist das Gedankenepxeriment jedoch als reales Experiment verwirklicht worden - und die Quantentheorie
wurde bestens bestätigt.
Betrachtet wird ein Versuchsaufbau wie in der Abbildung dargestellt. Im Zentrum der Anordnung wird
ein Paar von Photonen erzeugt, die in entgegengesetzte Richtung entlang z davon fliegen. Dieses Pho-
tonenpaar stellt das quantenmechanische System dar. Jedes einzelne Photon ist ein Untersystem. Die
Photonenquelle ist so beschaffen, das sie über einen speziellen atomaren Prozess
172 XI. Verschränkung
x x
y Quelle y
Analysator I Analysator II
Die Quelle erzeugt zwei verschränkte Photonen, die in positive und negative z-Richtung fliegen. Die
Analysatoren sind parallel ausgerichtet und messen die Polarisationsrichtung der Photonen. Die der Po-
larisationsrichtung entsprechende Observable sei PR und der zugehörige Operator P̂R . P̂R habe für das
Untersystem Linkes Photon“ zwei reine Eigenzustände: |xi und |yi. Für das Untersystem Rechtes
” ”
Photon“ gilt das gleiche. Der allgemeine Zustand des Gesamtsystems ist dann
|Ψi = cll |xxi + clr |xyi + crl |yxi + crr |yyi , (XI.21)
gilt.
die beiden Photonen verschränkt. Die Verschränkung besteht darin, dass die Polarisationen der beiden
Photonen im gleichen quantenmechanischen Zustand sind. Es werden mit gleicher Häufigkeit immer nur
die Messwertpaare (x, x) oder (y, y) registriert. x und y bezeichnen die jeweils gemessenen Polarisations-
richtungen. Der verschränkte Zustand ist
1
|Ψi = √ (|xxi + |yyi) . (XI.23)
2
In |xxi steht das linke x für das nach links fliegende Photon, das auf den Analyator I trifft und das rechte
x für das nach rechts fliegende Photon, das auf Analysator II trifft. Für |yyi gilt entsprechendes. Wir
können weder für das linke noch für das rechte Photon sagen, das es in x- oder in y-Richtung polarisiert
ist. Wären beide Photonen x-polarisiert, dann würde
gelten. So ist es aber nicht; die Photonen werden in keinem bestimmten Polarisationszustand x oder y
erzeugt, sondern in dem verschränkten Zustand. Dafür sorgt der atomare Prozess in der Quelle.
Die Projektion in eine bestimmte Polarisationsrichtung erfolgt beim Messprozess, d.h. wenn ein Photon
auf einen Analysator trifft. Wenn das linke Photon beim Messprozess am Analysator I in x projiziert
wird, wird auch das rechte Photon in x projiziert. Nun stellen wir uns vor, der Abstand des rechten
Analysators II von der Quelle sei geringfügig grösser als der des linken. Ausserdem seien die Abstände
gross, z.B. einige Km. Das linke Photon wird dann zuerst gemessen, also in x oder y projiziert. Das rechte
Photon zeigt dann unmittelbar danach den gleichen Messwert.
Paradoxon: Wie kann das rechte Photon so schnell (also mit Überlichtgeschwindigkeit) von der Pro-
jektion des linken Photons erfahren haben?
Einstein sprach von spukhafter Fernwirkung“ und zweifelte die Vollständigkeit der Quantentheorie an.
”
3 EPR-Paradoxon 173
Die Antwort ist aber: Die verschränkten Photonen bilden bis zur Messung ein gemeinsames Gesamtsystem
korrelierter Untersysteme, auch wenn sie weit voneinander entfernt sind, und wissen immer voneinan-
”
der“. Solche Quantensysteme sind nicht lokal!
Nun ja: Man könnte den Verdacht hegen, vielleicht wird den Photonen bei ihrer Erzeugung doch schon eine
gemeinsame Polarisationsrichtung aufgeprägt, die uns aber verborgen bleibt. Die Polarisation wäre dann
eine sog. verborgene Variable. Mit ausgeklügelten Experimenten konnte aber widerlegt werden, dass es
verborgene Variable gibt. Bei Existenz verborgener Variable müsste die sog. Bell’sche Ungleichung gelten.
Für die Situation der verschränkten Photonen ist die Bell’sche Ungleichung aber verletzt.
174 XI. Verschränkung
Kapitel XII
Dekohärenz (Decoherence)
In diesem Kapitel soll die Frage erörtert werden, warum zwischen Quantenobjekten und klassischen Ob-
jekten (Makroobjekten) unterschieden wird und zwei unterschiedliche Theorien zur Anwendung kommen.
Wann und wie gehen denn Quantenobjekte in Makroobjekte (und vice versa) über? Gibt es eine Schnitt-
stelle? Ist sie eine Frage der Ausdehnung; sind Quanten eben klein und klassische Objekte groß? Die Größe
kann es aber nicht wirklich sein, denn das Quantenobjekt Supraleiter“ hat makroskopische Ausdehnung!
”
Also woran liegt es, dass z.B. Katzen oder die Orbits von Planeten nicht durch eine Schrödinger-Gleichung
beschrieben werden?
1 Schrödingers Katze
Schrödinger hat Mitte der dreißiger Jahre die Frage nach dem Verhältnis von Quantenobjekten und
Makroobjekten in einem Gedankenexperiment auf die Spitze getrieben, dass den Namen Schrödingers
”
Katze“ erhielt. In diesem Gedankenexperiment verbindet er Zustände von Quantenobjekten unmittelbar
mit Zuständen von Makroobjekten (z.B. einer Katze). Die typische Eigenschaft von Quanten ist bekannt-
lich, dass sie sich in beliebigen Zuständen befinden können. Auf Eigenzustände werden diese allgemeinen
Zustände erst bei einer Messung projiziert. Die Übertragung der allgemeinen Zustände von Quantenob-
jekten auf Makroobjekte führt zu seltsamen Erscheinungen.
Gedankenexperiment:
• Radioaktive Substanz sei so beschaffen, dass im Mittel ein Zerfall pro Stunde
• Bei einem Zerfall spricht Geigerzähler an und löst einen Mechanismus aus, über den der Hammer
die Giftampulle zerschlägt und die Katze stirbt.
Problem:
|2i
|ti tot
|li lebend
|li
• |1i und |li korrespondieren unmittelbar miteinander, ebenso wie |2i und |ti
• Zeitentwicklung des Quantensystems wird durch den Zeitentwicklungsoperator Û beschrieben
• Bei t = 1 h gilt für den Atom-Zustand |ΨA (t)i des Quantensystems im Schrödinger-Bild
|ΨA (t)i = Û (t, 0) |1i , (XII.1)
wenn zur Startzeit t = 0 das Atom als nicht zerfallen präpariert wurde
|2i
|1i
|ti
|li
• Überlagerungszustände einer gleichzeitig lebenden und toten Katze sind nicht bekannt
Auf das Paradoxon mit Schrödingers Katze gibt es zwei Versionen der Erklärung.
• Grundidee: Allgemeine Quantenzustände werden bei einer Messung einer Observablen des Systems
auf einen Eigenzustand projiziert; Sprachgebrauch nach der Kopenhagener Schule ist Reduktion
auf einen Eigenzustand oder Kollaps in einen Eigenzustand hinein.
• Messung von ẑ liefert entweder |1i oder |2i mit den angenommenen Wahrscheinlichkeiten von je
1/2
• Messung von K̂ liefert entweder |li oder |ti ebenfalls mit den Wahrscheinlichkeiten 1/2
• Grundidee: Makroobjekte sind nicht wirklich von ihrer Umgebung isolierbar, Quantenobjekte schon;
die unvermeidbare Wechselwirkung von Makroobjekten mit ihrer Umgebung wirkt wie eine Vielzahl
von Messungen, die die Interferenz-Fähigkeit zerstört
• Für Modellsysteme bestehend aus einem Quantenobjekt + Umgebung kann eine Zeit ausgerechnet
werden, ab der die Interferierbarkeit von Überlagerungszuständen verloren geht