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Z
ornig stürmten General
© Willfried Gredler-Oxenbauer
Hariboto und seine Samu-
rais durch den staubigen
Hof des Zen-Kloster Sho-
bodo. Jeder, der sich ihnen entgegen-
stellte oder nicht schnell genug weg
kam, wurde niedergemetzelt. Mit ge-
zücktem Langschwert und blutüber-
strömt rannte General Hariboto in
die Haupthalle des Klosters. Schnau-
fend blieb er stehen, schaute sich um
und sah den alten Abt vor dem
Hauptaltar in Meditation sitzen. Ha-
riboto stürmte auf ihn zu, baute sich
vor ihm auf und fuchtelte mit sei-
nem Schwert in der Luft herum. Kei-
ne Reaktion des Abtes. Irritiert schrie
Hariboto: „Hast du keine Angst?
Weißt du nicht, dass ich derjenige
bin, der dir deinen Bauch aufschlitzt,
ohne mit der Wimper zu zucken?“
Der Abt öffnete sein linkes Auge,
schaute einen Moment und erwider-
te: „Und weißt du nicht, dass ich
derjenige bin, der von dir aufge-
schlitzt werden kann, ohne dass ich
mit der Wimper zucke?“
Aus den vagen mittelalterlichen
Aufzeichnungen wird nicht klar, ob
der Abt mit dem Leben davon kam
oder getötet wurde. Auch wird nicht
klar, was der Abt in dieser Situation
fühlte und wie er damit umging. Klar
ist jedoch, dass nach dem 11. Sep-
tember viele Menschen im Westen
Angst, Wut und Ohnmacht spüren.
In wenigen Sekunden wurde das Ge-
fühl der westlichen Welt, in Sicher-
heit zu leben, massiv erschüttert.
dern lehne dich zurück und beobachte, das eigene Leben retten. meister. Er übte den ganzen Nachmittag,
wie sie auftauchen und nach einer Weile Mitten im Gewühl des Marktes in der wie er das Schwert halten muss, bevor ihm
wieder von selbst verschwinden.“ Nach so kleinen japanischen Stadt Kamakura, ir- der Kopf abgeschlagen wird. Bei Sonnen-
viel geballter Weisheit taucht natürlich die gendwann im Mittelalter, rannte der bud- aufgang stürmte der Samurai mit erhobe-
Frage auf: Aber wie soll ich das machen, dhistische Mönch Daisetsu einen Samurai nem Schwert los. Daisetsu zog sein gelie-
mit meinem dreißigjährigen Training in über den Haufen. Der Samurai rappelte henes Schwert und im nächsten Augen-
unheilsamem Verhalten? Doch auch hier sich auf, klopfte den Dreck aus seiner blick blieb der Samurai wie angewurzelt
gibt es eine buddhistische Antwort: Üben, nicht mehr so glänzenden Rüstung, und stehen. Er sah, wie Daisetsu das Schwert
üben, üben. Es beginnt mit dem Bewusst- nachdem er seine Fassung wiedergewon- zog, ohne an Morgen oder Gestern zu
werden eigener unheilsamer Gewohnheits- nen hatte, schrie er Daisetsu an: „Pass auf, denken. Die Geschichte endet damit, dass
muster und dem Einüben heilsamer du Idiot. Das wird dich dein Leben ko- der Samurai sich vor Daisetsu in den
Handlungen. Ist es nicht viel besser, den sten!“ Daisetsu versuchte, sich zu entschul- Staub schmiss und sein Schüler wurde.
Moment in seinem Reichtum zu bejahen, digen, doch der Samurai bestand auf ei- Wie in all diesen Geschichten erreichte er
unabhängig davon, was im eigenen Geist nem Duell, um seine Ehre wieder aufzu- irgendwann auch die Erleuchtung.
auftaucht? Meditation kann helfen, innere polieren. „Morgen bei Sonnenaufgang an
Ruhe und Klarheit zu kultivieren. Wir der Brücke“, schrie er Daisetsu nach. Dai-
können lernen, uns ganz dem Augenblick setsu war verzweifelt. Sein ganzes Leben Frank Zechner ist Diplom-Psychologe und ar-
zu öffnen, ohne wenn und aber. Einfach übte er, sich dem Augenblick hinzugeben, beitet als Supervisor und Kommunikationstrai-
offen und weit. doch vom Schwertkampf hatte er keine ner mit Pflegekräften aus dem Gesundheitsbe-
Ahnung. Es blieb ihm nichts anderes reich. Außerdem lehrt er seit einigen Jahren
Meditation in der Theravada-Schule der Öster-
Auf dem Marktplatz übrig, als seinen bevorstehenden Tod zu reichischen Buddhistischen Religionsgesell-
Manchmal kann diese Fähigkeit, voll- akzeptieren. Doch er wollte mit Stil ster- schaft und veröffentlichte das Buch Die vier ed-
kommen im Hier und Jetzt zu sein, sogar ben und ging zu einen bekannten Schwert- len Wahrheiten des Buddha im Piper Verlag.