Juli 2019 19
DER BLUES UND SEINE VERWANDTEN HALTEN HOF IN DER STADT DER SCHENKEN
Kleiner Mann mit großer Stimme und dem Jazz in den Fingern: Guy King, in Chicago lebender gebürtiger Israeli,
hat sich mit Nachdruck in die Annalen des Bluesfestes eingeschrieben. Fotos: Horst Ettensberger, Mathias Welz
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ford zeigt sich bei seinem zweiten von Kenny Wayne Shepherd, spielt
Bluesfest-Auftritt souverän und un- n der heimlichen Hauptstadtfrage ist Gail- mit einer Ausnahme-Band. King hat den Blues er Samstag beginnt richtig und wich- ten und ein unerhörter Gitarrist, ist nicht mehr sein Instrument offenbar gerne et-
geheuer vielseitig. dorf an den ersten Juli-Wochenenden der im Blut, und den Jazz in den Fingern: seine Soli, tig: Kai Strauss feiert sein Bluesfest-De- von dieser Welt und er will auch nicht mehr in was tiefer gelegt (rechts).
ungeraden Jahre konkurrenzlos. Das Ran- deren Wucht ihn oft geradezu verbiegen, sind büt, und bringt in Erinnerung, was die- diese Welt zurück. Nach der energiegeladenen
king der Städte, in denen der Blues eine Rol- Grenzgänge, Tänze im Rausch der Möglichkei- ses Festival ausmacht. Der Osnabrü- Show wird er zum nächsten Auftritt abtrans-
le spielt, scheint manche Leute ernsthaft zu be- ten. Alle Bluesfeste haben ihre Momente, ihre cker Sänger und Gitarrist zählt mittlerweile zu portiert, und zurück bleiben beseelte, verwirr-
schäftigen – wobei die Bewertungskriterien völ- unvergesslichen Augenblicke, und an diesem den besten Bluesmusikern Europas. In Gaildorf te und zornige Gesichter. Genau das Gleiche,
lig diffus sind. Wenn man aber die Menge der Freitag liefert ihn Guy King. tobt er sich aus, in einem wuchtigen, energie- sagt Einer kopfschüttelnd, kriegst du morgen
Bluenotes oder der Zwölftakter nimmt, die in Ein zweiter folgt auf dem Fuß: Der Blues- geladenen, zuletzt regelrecht ausgelassenen in Amsterdam zu hören und übermorgen in Bar-
einem bestimmten Zeitraum in einer Stadt ge- harp-Virtuose Billy Branch hält die Bluesfahne Konzert. Paul Lamb kommt dazu, er ist die bri- celona oder wo auch immer.
spielt werden, und sie durch die Zahl der Be- hoch. Es ist ihr CD-Release-Tag und Branch und tische Bluesharp-Größe schlechthin, füllt gute Solche Ausreißer „nach oben“ aber, wo sich
wohner teilt, dann erreicht Gaildorf an diesen „The Sons Of Blues“ sind in Hochform. Branch Laune nach und liefert Kabinettstückchen in die Pop- und Rockgottheiten tummeln, braucht’s
besagten Wochenenden einen Rekordwert. kann alles, kann hart und härter und im nächs- Serie. Zuletzt setzt sich dann noch der Gail- hin und wieder fürs Bluesfest-Narrativ. Und des-
ten Moment glitzernde Harpkaskaden durchs dorf-Veteran Christian Rannenberg zu Nico halb liefern die Bluesfest-Macher um Werner
Auch am Gaildorfer Samstag spielt der Blues Zelt jagen. Der bald 68-Jährige feiert seine Wur- Dreier ans Klavier – jetzt ist Bluesfest. Eichele an diesem Abend ihr Meisterstück, in-
Das liegt an der bluesnärrischen Kulturschmie- zeln, den Chicago-Blues, zeigt dem Publikum dem sie zum Finale die Mike Zito Big Blues Band
de, einer „Generation Blues“, welche die Stadt aber auch dessen Wurzeln auf, die nun einmal Nicht mehr von dieser Welt auf die Bühne schicken – und ein paar Num-
seit Jahrzehnten kulturell prägt. Und es liegt an bei den weißen Jungs liegen, die der Blues groß Hamilton Loomis, Gitarrist, Sänger und Harp- mern später die erst ungläubig schauende, dann
den Bluesfesten, die alle zwei Jahre gefeiert wer- gemacht hat. „Sympathy For The Devil“ kann spieler aus Texas, hat ein anderes Konzept: Funk begeistert und schließlich glücklich strahlende
den und mittlerweile auch in die Stadt hinein als Statement verstanden werden, vor allem aber und Soul dominieren in transparenten und prä- Sängerin und Europa-Debütantin Whitney Shay
metastasieren. Am Freitag und Samstag wurde ist es eine einvernehmliche Soundorgie, der um- zisen Arrangements, und mit den Saxophon-So- hinterher. Es ist der musikalisch mindestens
das 26. Bluesfest gefeiert und wer nach dem ers- standslose Abruf musikalischer Prägungen. li von Fabian Hernandez tröpfelt auch der Jazz gleichrangige Gegenentwurf: Zito ist bereits
ten Festivaltag unausgeschlafen durchs Städt- ins Zelt. Und man hört zu – weil der zurück- zum dritten Mal in Gaildorf, und weiß genau,
chen taperte, um auch den „Gaildorfer Sams- Publikum in Nehmer-Laune haltende Loomis etwas zu erzählen hat und weil wo er ist: unter Freunden nämlich, unter Blues-
tag“ mitzunehmen, der konnte den Blues an al- Die Sugaray-Rufe schlagen schnell um in ein er einen spüren lässt, aus welchen Tiefen er sei- fans, auf einem Ausnahmefestival – und der
len Ecken und Enden hören. kleines Pfeifkonzert. Die Ursache ist techni- ne Musik holen muss. Blues ist sein Gastgeschenk.
Zur Eröffnung spielt der französische Gitar- scher Natur, die Zwangspausen tun dem Kon- Bei Kenny Wayne Shepherd spürt man das
rist und Sänger Nico Duportal mit „The Spark“. zert des Sängers Sugaray Rayford nicht gut, und eher nicht. Seit Jahrzehnten sei man hinter ihm Zum Schluss wird eine Blues-Messe gelesen
Der Sound im Zelt ist noch suppig, Duportal das Publikum ist in Nehmer-Laune. Und kriegt, her gewesen, sagt Bluesfest-Ansager Siggi Kar- Zito hat exklusiv den Saxophonisten Eric Dem-
aber weiß, wo die Reise hinführen soll. Der als die Probleme behoben sind, eine Rund- cher in der Ankündigung. Den Gitarristen und mer und den Trompeter James Boulet dabei; ge-
Blues ist das Fundament dieser Musik, die sich um-Show geboten: harten Soulfunk zumal, zwi- Sänger von damals aber gibt’s nicht mehr: She- wiefte Solisten und kongeniale Begleiter, die den
zwischen Soul und Rockabilly bewegt, viele schendrin geht Sugaray singend eine Cola trin- pherd zählt jetzt zu der Kategorie von Musi- Sound mit breiten Klangflächen und schnellen
Wohlfühlnummern enthält und massiv auf In- ken und am Schluss werden die Genres aufge- kern, denen nach jedem Solo eine frisch ge- Akkordstößen strukturieren und es verstehen,
Mike Zito mit dem Saxophonisten teraktion setzt. Und das alles ist wie wegge- fächert: Country, Reggae, Funk und eine Pink- stimmte Gitarre gereicht wird wie dem Sultan den Blues zur Hymne und das Konzert zur Mes- Ein Schnappschuss vom Blues-
Eric Demmer von den B. B. King-All- wischt, als Guy King die Bühne betritt. Floyd-Nummer. Sugaray darf das. Er darf auch im Märchen die nächste Sklavin. se zu machen, in der Arrangements und Abspra- fest-Publikum gehört in jedes Blues-
Bildergalerie stars. Auch Demmer war schon ein- Der Mann ist die Hingabe, in jeder Beziehung, a capella „What a wonderful world“ singen. Her- Für sich wäre das spaßig, aber es ist auch chen keine Rolle mehr spielen, weil die Musik musiker-Fotoalbum. Mike Meade,
vom Bluesfest auf mal in Gaildorf zu hören: 1999 mit ein begnadet-ausdrucksvoller Sänger, ein Aus- nach trotten die Leute gänsehäutig und fried- Ausdruck einer Haltung, die nicht zum Blues- aus sich heraus funktioniert – und dann auch Bassist der Hamilton-Loomis-Band,
www.swp.de/gaildorf Clarence Gatemouth Brown. nahmegitarrist und ein Ausnahme-Bandleader lich hinaus in die Nacht. fest passt. Shepherd, ein Bluesrocker vom Feins- nicht mehr aufhören will. klickt sich eine Erinnerung.
SO GESAGT SEELEN-SCHMERZ SO GEZÄHLT PETZ-PRESSE PFAND-SAMMLER SO GESEHEN LOB-GESANG SO GESAGT RÜCK-SICHT SO GESAGT SPÜL-MITTEL
„Gaildorf ist das Da schwärmt man jahrelang von der Bluesfestprägend bleibt Kenny Der Stand der Nepal-Hilfe Govinda Beim Spaziergang über das Gelände
„Ich habe heute Sie ist die einzige Frau im Musiker- „Beim Bluesfest Fachfragen muss man auch mal stel-
Niedrigschwelligkeit des Bluesfestes, Wayne Shepard in Erinnerung, zumin- steht gleich neben der Pfandrückga- vor dem Konzertzelt schnappt der Re- tross des diesjährigen Bluesfestes: Die len dürfen. Guy King steht nach sei-
wichtigste und größte zum ersten Mal passiert nichts
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das seinen Ausdruck auch im nicht dest was die Ausstattung anbelangt. be. Wer mag, kann seine Pfandgläser porter viel Lob für die Macher Sängerin Whitney Shay steht vor nem Konzert am Plattenstand und si-
Blues-Festival in vorhandenen Abstand zwischen Publi- Der Gitarrist, Sänger und Schwieger- auch dort als Spende abgeben. Und vom Bluesfest auf. „Das ist so gut or-
in Europa gesungen. ihrem Auftritt neben der Bühne, sie ohne Grund.“ gniert CDs und T-Shirts. Vorher hat er
kum und Bühne findet. Und dann sohn des Schauspielers Mel Gibson davon wird regen Gebrauch gemacht. ganisiert hier, auch der Campingplatz. trägt ein langes buntes Kleid mit frei- einen alten Albert-King-Klassiker ge-
Deutschland. Klar, trabt man vorfreudig ins Bluesfestzelt beziehungsweise sein Management So wird am Ende eine schöne Summe Das habe ich so noch nicht erlebt“, Es war fantastisch.“ em Rücken und deshalb ereignen sich sungen: „If The Washing Don’t Get You
dass wir dabei sind.“ und findet eine Absperrung vor der
Bühne. Dahinter stehen Boxen auf
agieren dem Vernehmen nach in der
gleichen Kategorie wie vor einigen
für die Projekte des Aalener Hilfsve-
reins zusammen kommen. „Wir freuen
sagt eine Frau mittleren Alters zu
ihrem Partner. „Das war eine gute
hinter ihr auch allerlei Heimlichkeiten.
Jeder, der vorbeikommt, muss ein
The Rinsing Will“. Da kann man also
endlich mal nachhaken, was der alte
dem Boden, die, so lautet die erste freiwillige Helfer, eher ein paar Jahren die „Fabulous Thunderbirds“, uns, dass wir so viel Unterstützung Idee, hier hinzufahren.“ Lob hören Foto machen von diesem Rücken – Albert damit wohl sagen wollte. King
Begründung für die Änderung, ge- mehr, haben die Kulturschmiede beim die das Organisationsteam mit allerlei durch die Kulturschmiede bekom- Männer ja auch mal ganz gern. Ein mit dem Handy, mit der Kamera, was stutzt und erklärt dann geduldig, wie
schützt werden müssten. Außerdem, diesjährigen Bluesfest unterstützt, Ansprüchen unter Druck gesetzt ha- men“, sagt Govinda-Mitglied Erik Es- paar Meter weiter tanzen zwei junge grad zur Hand ist. Als der erste Auslö- eine Waschmaschine funktioniert. Der
zweite Begründung, habe man festge- hinzu kommen Dienstleister wie Feu- ben und richtig kiebig wurden, wenn sers. Derweil wird ein offenbar spen- Frauen Anfang 20 zu den Klängen von ser klickt, denkt man sich noch nichts, Text ist natürlich metaphorisch ge-
stellt, dass man notorisch gegen die erwehr, DRK und Security. Die Zahl ist was nicht klappte. Zu diesen Ansprü- denwilliger Gast beobachtet, wie er Mike Zito. „Ist das schön hier“, jauchzt als es aber mehr und mehr werden, meint, ein hübsches Bild aus der
Landesbauordnung verstoßen habe. so konstant wie die der Besucher: chen gehört auch, dass Details nicht sich zunächst für eine Biermarke, die eine. Der überwiegende Gesichts- kommt einem die Sache schon ein Siggi Karcher, Ansager, kündigt Ha- Bluesabteilung für Beziehungsfragen:
Manche finden’s gut – endlich sieht zwar liegt noch keine finale Abrech- verpetzt werden, vor allem nicht der dann für ein Bier und dann an der ausdruck der Besucher unterstreicht Whitney Shay, Sängerin aus San bisschen respektlos vor und so guckt milton Loomis an. Dieser habe bei ei- Wenn du dich daneben benimmst und
Thomas Ruf, Chef und Gründer von man auch was, wenn man seitlich der nung vor, allerdings dürften wie schon Presse. Das ist auch einzusehen. Dass Pfandrückgabe anstellt. Dort wird er Ein Schrannen Anhänger gehört zum Bluesfest-Service. Die Besucher bedienen sich dann halt die Aussage: So viele glücklich lä- Diego und Bluesfest-Debütantin. Sie man dann auch. Einem fällt’s auf, und nem Konzert im Häberlen dermaßen nicht auf meine Ermahnungen hörst
Ruf Records, einem der großen inter- Bühne steht. Andere jammern: „Das in den Vorjahren zwischen 4000 und eine Mohrrübe verlangt wurde, muss freundlich belehrt: „Junge, Du musst und irgendwann ist die Freifläche vor dem Bluesfest-Zelt so etwas wie ein gemütlicher Biergarten. chelnde Menschen sieht man selten trat als „Special Guest“ der Mike Zito er weiß auch gleich, um was es geht. abgeräumt, dass man ihn unbedingt (Kopfwaschen), bist du halt irgend-
nationalen Blues-Labels. Bluesfest hat seine Seele verloren!“ rif 5000 Besucher gekommen sein. rif freilich vermeldet werden. rif erst mal austrinken!“ noa/ms Manche Besucher sollen an den beiden Tagen kein einziges Mal im Zelt gewesen sein. an einem Ort. noa Big Blues Band auf. Ich konnte nicht anders, sagt er. rif beim Bluesfest haben wollte. wann mal weg (Spülen). rif