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2015
Harrassowitz Verlag · Wiesbaden
Fernhändler, Dynasten, Kleriker
Die piastische Herrschaft
in kontinentalen Beziehungsgeflechten
vom 10. bis zum frühen 13. Jahrhundert
Herausgegeben von
Dariusz Adamczyk und Norbert Kersken
2015
Harrassowitz Verlag · Wiesbaden
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.dnb.de abrufbar.
CHRISTOPH KILGER
Mitqal, Gewichte und Dirhems – Aspekte monetärer Praxis
in der frühmittelalterlichen Silberökumene des Ostseeraumes ............................... 17
MAREK JANKOWIAK
Wer brachte im 10. Jahrhundert die Dirhems in die polnischen Gebiete und warum? . 41
PETER ILISCH
Die Pfennigströme aus dem römisch-deutschen Reich im Spiegel der Funde
aus Pommern, Masowien und Großpolen (ca. 980-1050) ...................................... 55
DARIUSZ ADAMCZYK
Von exogener Abhängigkeit zu endogener Ressourcenabschöpfung.
Der letzte Silberstrom aus Sachsen, einheimische Münzprägung
und der Wandel der piastischen Herrschaft im späten 11. Jahrhundert. ................. 67
DYNASTISCHE NETZWERKE
NORBERT KERSKEN
Heiratsbeziehungen der Piasten zum römisch-deutschen Reich ............................. 79
JOANNA SOBIESIAK
Mulier suadens und andere Damen. Dynastische Heiraten in der Geschichte
der polnisch-böhmischen Beziehungen des 10.-12. Jahrhunderts .......................... 107
JAKUB MORAWIEC
Die Piasten und die skandinavischen Dynastien des 10.-12. Jahrhunderts ............ 125
DÁNIEL BAGI
Genealogische Beziehungen zwischen Piasten und Árpáden
im 11. und frühen 12. Jahrhundert .......................................................................... 135
6 Inhalt
DARIUSZ DĄBROWSKI
Piasten und Rjurikiden vom 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts ....................... 155
KLERIKALE NETZWERKE
ANNA ADAMSKA
Die frühpiastische Kanzlei im „Netzwerk“
der mittelalterlichen pragmatischen Schriftlichkeit ................................................ 193
MARZENA MATLA
Kirchliche Außenkontakte und die Anfänge des historischen Schrifttums in Polen ... 217
DARIUSZ ANDRZEJ SIKORSKI
Die Rolle der Geistlichen ausländischer Herkunft in der polnischen Kirche
des 10.-12. Jahrhunderts ......................................................................................... 241
KRZYSZTOF SKWIERCZYŃSKI
Intellektuelle Kontakte Polens mit dem Ausland.................................................... 263
Unser Wissen über Geistliche ausländischer Herkunft – wie des Klerus überhaupt –
in den ersten beiden Jahrhunderten der Geschichte der Kirche in Polen ist aufgrund
der Quellenbasis äußerst dürftig.1 Informationen über den Klerus in diesem Zeitraum
beschränken sich gewöhnlich auf den Namen und enthalten meistens nicht einmal
die wichtigsten Angaben zur Person und somit auch keine Hinweise, die eine Fest-
stellung ihrer Herkunft ermöglichen könnten. Außerdem betreffen selbst diese spär-
lichen Informationen grundsätzlich Mitglieder des Episkopats, während die Zahl der
Angaben über den niederen Klerus oder die Ordensgeistlichkeit so niedrig ist, dass
diese ganz sicher nicht repräsentativ für das Ganze sind und daher auch nicht erlau-
ben, verbindliche Schlüsse daraus zu ziehen. Deshalb werde ich mich im Folgenden
grundsätzlich auf die Zusammensetzung des polnischen Episkopats beziehen, weil
die Anzahl der Quelleninformationen nur für diese Gruppe eine vorsichtige Formu-
lierung bestimmter Verallgemeinerungen erlaubt.
Da uns in der Quellennotiz meistens nur der Name selbst zur Verfügung steht,
sind wir, um auf dieser Grundlage die Herkunft der betreffenden Person zu erschlie-
ßen, gezwungen, uns allein auf das Namenskriterium zu beziehen. Es wird ange-
nommen, dass eindeutig nichtslawische und nichtchristliche Namen generell auf
fremde Ankömmlinge verweisen. Christliche Namen, die nicht nur bei der Taufe
verliehen, sondern im Verlauf des Lebens auch in anderen Situationen angenommen
werden konnten, z.B. beim Eintritt ins Kloster, haben einen solchen Wert nicht
mehr, weil ihre Beweiskraft in Bezug auf die Herkunft ihres Besitzers nicht eindeu-
tig ist. Erkennbar ist jedoch die Tendenz, alle Besitzer christlicher Namen, zumin-
dest in der Anfangszeit, ebenfalls als Ankömmlinge aus dem Ausland zu betrachten,
weil Personen mit christlichen Namen mit festgestellter familiärer Herkunft in den
Quellen erst relativ spät in Erscheinung treten. Aus diesem Grunde deutet nur die
slawische Form des Namens eindeutig auf polnische Wurzeln hin. Dies sind recht
allgemeine Prämissen, deren Schwäche aus der in der Historiografie gut erforschten
Unzuverlässigkeit des Namenskriteriums resultiert. Ein Beispiel dafür ist der hl.
Wojciech-Adalbert, dessen Herkunft aus Böhmen bekannt ist, aber außer einer ein-
zigen Quellenerwähnung seines ihm von seinen Eltern verliehenen Namens tritt er in
den Quellen immer nur als Adalbertus in Erscheinung. Ohne dieses uns dank zwei
umfangreicher Viten zugängliche zusätzliche Wissen, d.h. ohne diese Informationen
über seine Verankerung in böhmischen Zusammenhängen, könnte die Form seines
Namens eine deutsche oder sogar rheinische Herkunft suggerieren, ja sich im größe-
ren Radius fast auf das gesamte damalige lateinische Europa beziehen. Sein Bruder
Gaudentius wäre, falls wir über keine anderen Informationen verfügen würden, we-
gen der christlichen Form seines Namens für die Historiker eine Person mit nicht
feststellbarer Herkunft. Und Bruno-Bonifatius könnte, würden wir nicht ausrei-
chende Details seiner Biografie kennen und allein über die Namensform Bonifatius
verfügen, wohl als Italiener angesehen werden, wenn sich die erhaltenen Quellen-
angaben zufällig allein auf den italienischen Zeitraum seines Lebens beziehen wür-
den, ähnlich wie seine Gefährten Benedikt und Johannes, welche tatsächlich aus
Italien stammten. Ihre Schüler in der polnischen Einsiedelei mit den Namen Isaak
und Matthäus waren mit Sicherheit Polen, aber das wissen wir nur deshalb, weil
Bruno – völlig am Rande und einzig aus rhetorischen Gründen – ihre slawische
Abstammung hervorgehoben hat. Bei einer weniger günstigen Quellenlage würden
ihre biblischen Namen sowie der Kontext, dass sie Mönche aus Italien begleitet
haben, ebenfalls ihre italienische Herkunft suggerieren. Bereits diese Beispiele zei-
gen, wie ungewiss die Schlussfolgerungen hinsichtlich der ethnischen Herkunft der
in der Anfangszeit der Kirche in Polen wirkenden Geistlichkeit sein müssen.
Eine Verifizierung des Namenskriteriums kann auch auf quellenmäßig besser be-
zeugte Angaben über die ethnische Herkunft von Mitgliedern des Episkopats aus
späteren Zeiten gestützt werden, wie sie unlängst Jacek Maciejewski für die Zeit von
1180 bis 1320 zusammengestellt hat.2 Für diese Zeit erlaubt eine reichere Quellen-
basis, diejenigen Bischöfe als Polen zu identifizieren, die über privaten Immobilien-
besitz verfügten, weil ausländische Ankömmlinge ja keine Grundstücke erwerben
konnten.3 Manchmal lässt sich eine Verwandtschaft mit Personen feststellen, über
deren Herkunft keinerlei Zweifel besteht. Dann sehen wir, dass in den sozialen
Gruppen in Polen, aus denen sich die höhere Geistlichkeit rekrutierte, christliche
Namen immer populärer wurden.
2 JACEK MACIEJEWSKI, Episkopat polski doby dzielnicowej 1180-1320 [Der polnische Episkopat
in der Zeit der Teilfürstentümer 1180-1320], Kraków–Bydgoszcz 2003.
3 Alexander von Malonne gilt als der Stifter des Klosters der Regularkanoniker in Czerwińsk,
obwohl sein Anteil nicht präzisiert wird und die Quellenüberlieferung aus dem 15. Jahrhundert
an der Richtigkeit dieser Attribution zu zweifeln erlauben, vgl. Spominki płockie [Plozker
Erinnerungen], in: Annales S. Crucis, hg. von ANNA RUTKOWSKA-PŁACHCIŃSKA (MPH NS
12), Kraków 1996, 127-129, hier S. 128.
Die Rolle der Geistlichen ausländischer Herkunft in der polnischen Kirche 243
Für den hier besprochenen Zeitraum nicht außer Acht gelassen werden darf die
Frage einer eventuellen Rekrutierung von Mitgliedern des Episkopats unter Nach-
kommen ausländischer Ritter, die an der Seite polnischer Herrscher politische Kar-
riere gemacht hatten, dann Grundbesitz erwarben, Vertreterinnen der politischen
Elite Polens heirateten und schnell in die lokale Gemeinschaft hineinwuchsen. Die
Kinder aus solchen Eheverbindungen konnten noch in den darauffolgenden Genera-
tionen nichtpolnische Namen tragen, gemäß der Tradition ihrer Väter und Groß-
väter. Zwar ist dieses Phänomen bis zum 12. Jahrhundert quellenmäßig praktisch
nicht erfassbar, aber die in Polen sesshaft gewordenen Nachkommen fremder Krie-
ger könnten wir als heimische anerkennen, auch wenn ihre Namen ausländisch sein
können.4
Einen anderen Weg der Übernahme von Bischofsämtern durch Ausländer bilde-
ten die sich in Polen bereits entwickelnden Karrieren des niederen Klerus fremder
Herkunft. Ein Beispiel dafür bietet Bischof Pean5, der wahrscheinlich – auf der
Grundlage des Namenskriteriums (was in diesem Falle wegen der untypischen Na-
mensform ein recht starkes Argument darstellt) – mit dem aus herzoglichen Urkun-
den etwa aus der Mitte des 12. Jahrhunderts bekannten Kanzler Pean identisch ist.6
Für die spärlichen Überlieferungen, die sich auf Ausländer unter der niederen Geist-
lichkeit beziehen, muss auf den Kreis der Fremden – ihren Namen nach zu urteilen –
Hannibal, Amilieus, Valentinus und Wibert verwiesen werden, die im Krakauer
Domkapitel saßen oder bis in die siebziger Jahre des 12. Jahrhunderts dort Ämter
bekleideten.7 Auf ähnliche Weise können wir den Plozker Bischof Werner mit dem
früheren Kanoniker der Stiftskirche St. Peter in Kruschwitz identifizieren.8 Es ist
nicht auszuschließen, dass sie über eine bessere Ausbildung verfügten und vielleicht
auch die in ihrer Heimat erworbenen Erfahrungen im Ausüben von Ämtern mit-
brachten, was sie zu guten Kandidaten für Bischofsämter machte.
4 Ein Beispiel dafür bietet die aus der Oberlausitz stammende Familie Kittlitz, deren Mitglieder
sich seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Schlesien ansiedelten und dem Heinrich
Kittlitz (Henryk Kietlicz, 1199-1219), einer der bedeutendsten Gnesener Erzbischöfe, ent-
stammte, vgl. TOMASZ JUREK, Obce rycerstwo na Śląsku do połowy XIV wieku [Ausländische
Ritter in Schlesien bis zur Mitte des 14. Jhs.], Poznań 1996, S. 241f.
5 ANTONI GĄSIOROWSKI, Pean, in: PSB, Bd. 25, Wrocław 1980, S. 534.
6 Wenn wir die von Zeit zu Zeit neu vorgebrachte These über irgendwelche Verbindungen der
Posener Bischöfe mit dem Kanzleramt akzeptieren, dann wäre der Fall Pean für einen Auslän-
der nichts Besonderes, da die polnischen Nominaten ja vorher Kanzler waren. Aber diese
Konstellation können wir ignorieren. Siehe hierzu JÓZEF DOBOSZ, Monarcha i możni wobec
Kościoła w Polsce do początku XIII wieku [Die Einstellung des Monarchen und der Magnaten
gegenüber der Kirche in Polen bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts], Poznań 2002, S. 333ff.,
dort weitere Literaturangaben.
7 Najdawniejsze roczniki krakowskie i kalendarz = Annales Cracovienses priores cum
kalendario, hg. von ZOFIA KOZŁOWSKA-BUDKOWA (MPH NS 5), Warszawa 1978, S. 63f.
8 ANTONI Gąsiorowski, Werner, in: Słownik Starożytności Słowiańskich, Bd. 6, Teil 2, Wrocław
1980, S. 381.
244 Dariusz Andrzej Sikorski
Das Namenskriterium berücksichtigt auch die Möglichkeit nicht, dass sich ein
Teil des in Polen tätigen fremdländischen Klerus aus der slawischen Bevölkerung im
Osten des Reiches – den Elb- und Ostseeslaven – rekrutieren konnte. Aufgrund ihrer
Ausbildung in kirchlichen Zentren des Reichs und ihrer Beherrschung eines der
westslawischen Dialekte [Sprache?] stellten sie geeignete Kandidaten für eine Tä-
tigkeit unter ihren heidnischen Stammesverwandten dar. Dabei konnten sie sowohl
christliche Namen annehmen als auch solche, die für die das betreffende Gebiet
bewohnende deutschsprachige (oder auch andere) Bevölkerung typisch waren.9 Aber
es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Teil von ihnen ihre heimischen Na-
mensformen beibehielt, die in Polen dann vielleicht sogar leicht an das polnische
„Ohr“ angepasst werden konnten.
Wenn man sich also mit dem Thema der Rolle ausländischer Geistlicher in der
polnischen Kirche beschäftigt, dann muss man einen hohen Grad an Unsicherheit in
Bezug auf die Quellen in Rechnung stellen; diese Schwierigkeiten nehmen mit der
Vertiefung seiner Untersuchungen noch zu. Aber es lohnt sich, diese Mühe auf sich
zu nehmen und wenigstens zu versuchen, den Anteil fremdländischer Geistlicher
abzuschätzen, insbesondere in bedeutsamen kirchlichen Ämtern, denn die Resultate
können unser Verständnis des Funktionierens der Kirche in Polen in der Anfangszeit
wesentlich beeinflussen. Dies betrifft besonders solche Fragen wie:
a. die Quellen des Christentums in Polen,
b. das Tempo des Christianisierungsprozesses,
c. die Herausbildung der kirchlichen Organisationsstrukturen,
d. die Rolle der Geistlichkeit in der polnischen Gesellschaft und in ihren politischen
und administrativen Strukturen, besonders was den Umfang der Bekleidung hö-
herer Ämter durch Ausländer betrifft,
e. die finanzielle Basis für die Aufrechterhaltung der kirchlichen Strukturen und
den Grad ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit.
Es ist allerdings ein gewisser Rückkopplungseffekt zu bedenken, denn die in der
Geschichtsschreibung bereits formulierten Vorstellungen über die Geschichte der
polnischen Kirche in den ersten beiden Jahrhunderten beeinflussen die Bestimmung
der Rolle, die ausländische Geistliche bei ihrer Gestaltung gespielt haben sollen. Die
Gefahr eines solchen Zirkelschlusses in der Argumentation kann nur vermieden
werden, wenn man sich ausschließlich auf Angaben, die durch die Quellen gesichert
sind, bezieht.
Den einzigen festen Bezugspunkt bildet die unbestrittene, wenn auch nie bewie-
sene Tatsache, dass die erste Generation von Missionaren in allen uns bekannten
Fällen grundsätzlich aus Ausländern bestand, die höchstens von bereits früher chris-
tianisierten Autochthonen begleitet wurden, welche sich früher in christlichen Län-
9 Der gewählte Name des hl. Wojciech – Adalbert – knüpft nicht an irgendeinen Heiligen an,
sondern ist ein in dieser Zeit recht populärer Name. Ob diese Wahl aus der vermuteten Tatsache
resultierte, dass er vom späteren Magdeburger Erzbischof Adalbert gefirmt wurde, bleibt eine
bloße Vermutung.
Die Rolle der Geistlichen ausländischer Herkunft in der polnischen Kirche 245
dern aufgehalten hatten. Aber es wird angenommen, dass die recht früh in Erschei-
nung tretenden polnischen Geistlichen nur eine kleine Gruppe bildeten und in der
entstehenden Kirche keine größere Rolle spielten, und dass erst ungefähr ein Jahr-
hundert nach der Annahme der Taufe durch den polnischen Fürsten Bedingungen
entstanden waren, die erste Nominierungen polnischer Geistlicher für wichtigere
kirchliche Positionen und Ämter einschließlich des Bischofsamtes ermöglichten.
Die in der polnischen Historiografie stark verwurzelte Konzeption einer relativ
schnellen Christianisierung Polens setzt voraus, dass von Anfang an eine beträchtli-
che Zahl von Geistlichen und Missionaren fremdländischer Herkunft tätig war.
Diese hätten verhältnismäßig schnell Bedingungen für die Ausbildung eines Perso-
nenkreises in der einheimischen Bevölkerung geschaffen, der dann die erste Gene-
ration der Missionare ersetzen konnte. Dies erfolgte aus dem Umstand, dass eine
Ortskirche ohne einheimische Personalbasis längerfristig nicht überdauern oder sich
entwickeln konnte. Der Fortschritt der Christianisierung erforderte nicht nur die
Schaffung von Möglichkeiten einer „Reproduktion“ von Priestern, sondern in der
Entfaltungszeit war auch eine beträchtliche Zunahme an Geistlichen notwendig.10
Aber die Befürworter der These einer schnellen Christianisierung ziehen ein ernstli-
ches Hindernis nicht in Betracht: der Zugang zu den Kaderressourcen in Ländern
mit gefestigten kirchlichen Strukturen war tatsächlich beschränkt, und es bestanden
nur geringe Möglichkeiten einer Mobilisierung ausländischer Geistlicher für die
Missionsaktion in Polen, selbst wenn es Unterstützung durch die Herrscher und die
Ortsbischöfe gab. Die Hypothese von den böhmischen Wurzeln des Christentums in
Polen, die sich unter den Historikern großer Popularität erfreut, geht davon aus, dass
die ersten Missionare zusammen mit Dubrawka (Dobrawa) aus Böhmen nach Polen
kamen und dass deren breit angelegte Aktion zur sehr schnellen Festigung einer aus
Böhmen stammenden christlichen Terminologie geführt hat. Gerade die christliche
Terminologie soll ein dauerhaftes Erbe der böhmischen Missionseinflüsse im großen
Maßstab in der ältesten Zeit gewesen sein. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch
deutlich, dass die personelle Ausstattung der Kirche in Böhmen viel zu schwach
war, um eine Missionsaktion in so großem Maßstab durchführen zu können, so dass
ergänzend angenommen wurde, dass vielleicht auch Missionare aus dem bayeri-
schen Teil der Diözese Regensburg, die bis zur Mitte der siebziger Jahre des 10.
Jahrhunderts für Böhmen zuständig war, nach Polen gekommen sein konnten. Somit
sollten die Bayern die zahlenmäßig kleine Gruppe der in Polen tätigen böhmischen
Geistlichen unterstützt haben, und die Unterweisung soll in Tschechisch und der in
dieser Sprache ausgearbeiteten kirchlichen Terminologie stattgefunden haben. Es
zeigt sich jedoch, dass die Sprachprämisse dieser böhmisch-bayerische Konzeption
auf sehr brüchigen Quellengrundlagen beruht.11
10 Vgl. die Kritik dieses Standpunktes bei DARIUSZ ANDRZEJ SIKORSKI, Kościół w Polsce za
Mieszka I i Bolesława Chrobrego [Die Kirche in Polen unter Mieszko I. und Bolesław
Chrobry], Poznań 2011, S. 87ff.
11 DERS., O rzekomej czeskiej proweniencji polskiej terminologii chrześcijańskiej [Zur angebli-
246 Dariusz Andrzej Sikorski
Aber das löst das Problem nicht, das mit der Aufrechterhaltung einer solchen
Mission über eine längere Zeit, die für die Einrichtung von Schulen zur Ausbildung
heimischer geistlicher Kader notwendig war, verbunden ist. Wir finden keinerlei
Spuren solcher Bemühungen, weder von Seiten der Regensburger und erst recht
nicht von Seiten der Prager Kirche, deren Klerus – soweit die spärlichen Quellen
dies festzustellen erlauben – in ausländischen Zentren wie Magdeburg (der hl. Adal-
bert) oder Regensburg (wie Strachkvas) ausgebildet wurde. Es ist also anzunehmen,
dass die Böhmen selbst Schwierigkeiten mit der Ausbildung eines eigenen geistli-
chen Personals hatten. Jede im großen Maßstab, aber ohne eine feste (rein kirchliche
oder auch politische) Basis durchgeführte oder nicht mit der Gründung von Schulen
für die Ausbildung einheimischer Geistlicher abgeschlossene Missionsaktion musste
in längerer Perspektive angesichts des Mangels von einheimischen Geistlichen in
einem Misserfolg enden (eine Ausnahme bildet die angelsächsische Mission in
Skandinavien im 10.-11. Jahrhundert).12 Das schwächste Glied in der Konzeption
einer schnell fortschreitenden Christianisierung – was die meisten Historiker nicht
zu erkennen scheinen oder geradezu ignorieren – besteht in der Frage nach der
Möglichkeit der Rekrutierung von Missionaren. In jedem Zentrum konnte man mit
einem Kreis von Freiwilligen rechnen, die geradezu darauf brannten, eine so ehren-
volle Aufgabe wie die Verkündigung des Evangeliums unter den Heiden zu über-
nehmen, aber die bescheidenen Ressourcen dieser Freiwilligen erlaubten keine lang-
fristige und großformatige Aktion. Ein Bischof, aus dessen Diözese eine Mission im
10. Jahrhundert aufbrechen sollte, besaß praktisch keine Handhabe, die ihm erlaubt
hätte, den lokalen Klerus zur Teilnahme an der Mission zu zwingen, ganz zu
schweigen von einer über mehrere Jahre dauernden Mission. Bischof Otto von Bam-
berg verfügte über beträchtliche Mittel, die es ihm erlaubten, mit einem Dutzend
Geistlichen zu zwei Missionsreisen aufzubrechen, die insgesamt ein gutes Jahr
dauerten, wonach er mit den ihn begleitenden Priestern wieder in seine Diözese
zurückkehrte. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass ihm das Bamberger Kloster St.
Michael mit zum Gehorsam verpflichteten Mönchen unterstand und dass dies in der
ersten Hälfte des 12. und nicht in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts geschah.
Der dem Bischof tatsächlich unterstehende Diözesanklerus war in den meisten
Diözesen zahlenmäßig recht schwach und beschränkte sich auf die mit der Kathe-
drale selbst verbundenen Priester sowie diejenigen, die den kirchlichen Institutionen
chen böhmischen Provenienz der polnischen christlichen Terminologie], in: DERS., Początki
Kościoła w Polsce. Wybrane problemy, Poznań 2012, S. 223-271.
12 Das Wirken der angelsächsischen Missionare im 10. und 11. Jahrhundert in Skandinavien war
über einen längeren Zeitraum hinweg nur möglich dank der Spezifik des angelsächsischen
Monastizismus, der sich damals üppig entwickelte, und dank den angelsächsischen Bischöfen,
die diese Mission u.a. durch die unmittelbar ihrer Herrschaft unterstellten Klöster sowie durch
die bischöflichen Monasterien an den Kathedralen unterstützten, vgl. LESLEY J. ABRAMS,
Eleventh-Century Missions and the Early Stages of Ecclesiastical Organisation in Scandinavia,
in: Anglo-Norman Studies 17 (1995), S. 21-40; DERS., The Anglo-Saxons and the
Christianisation of Scandinavia, ebd. 24 (1995), S. 213-249.
Die Rolle der Geistlichen ausländischer Herkunft in der polnischen Kirche 247
zugerechnet wurden, welche den Bischöfen nach dem Prinzip der „Eigenkirchen“
unmittelbar unterstanden. Ein beträchtlicher Teil der Geistlichen solcher Privatkir-
chen befand sich außerhalb der Reichweite der realen Macht des Bischofs. Einige
Bischöfe übten die Herrschaft über – nicht unbedingt in der eigenen Diözese gele-
gene – Klöster aus und konnten dadurch eventuell über deren Personalreserven ver-
fügen; sie konnten dabei mit dem Eifer der Mönche rechnen, der sicher größer war
als bei vielen Weltpriestern, wozu noch der Einfluss der Stifterfamilie gezählt wer-
den muss, die Einfluss auf den Abt hatte. In der Forschung werden verschiedene
Gründe angegeben, warum Bolesław Schiefmund außerhalb des eigenen Episkopats
nach einem Leiter der Mission in Pommern suchen musste. Meiner Überzeugung
nach deutet die Tatsache, dass zuerst die Dienste Bernhards, eines zufällig an die
Ostsee pilgernden Bischofs aus Spanien, in Anspruch genommen wurden, eher auf
tatsächliche Schwierigkeiten beim Organisieren der Mission mit eigenen Mitteln hin
als auf weitreichende politische Ziele, die mit der Person Ottos von Bamberg in
Verbindung stehen.13 Die Schwierigkeiten Bolesław Schiefmunds, der keinen der
ihm unterstehenden Bischöfe bewegen konnte, die Mission in Pommern zu über-
nehmen, konnten ganz einfach aus dem tatsächlichen Personalmangel der polnischen
Kirche noch im frühen 12. Jahrhundert resultieren.
Nicht ohne Grund stammten die Missionare des frühen Mittelalters hauptsächlich
aus dem monastischen Milieu, denn dort war es leichter, eine Missionsaktion zu
mobilisieren, sei es auf Anordnung des Abtes oder geradezu des Besitzers des
Klosters – eines an der Durchführung der Mission interessierten Herrschers bzw. des
Bischofs. Nicht vergessen werden dürfen auch die Initiativen der Magnaten, wofür
die von Hausklöstern unterstützten angelsächsischen Missionen vom 7./8. bis zum 9.
Jahrhundert ein Beispiel liefern.14
Wohl niemand stellt sich vor, dass die ersten polnischen Bistümer hinsichtlich
der zahlenmäßigen Stärke des Diözesanklerus den Bistümern in Gebieten mit langer
christlicher Tradition gleich kamen. Auch wenn wir über keine Quellenangaben
verfügen, die eine annähernde Einschätzung der Zahl des Diözesanklerus im ersten
oder zweiten Jahrhundert nach der Christianisierung erlauben würden, bin ich der
Meinung, dass ihr Personalbestand außerordentlich bescheiden und noch dazu vor
allem auf die Kathedrale als dem Hauptzentrum kirchlichen Lebens konzentriert
gewesen sein muss. Die spärlichen Relikte der archäologisch untersuchten ge-
mauerten Kirchen (alle bekannten sind in den Herrschaftszentren situiert) scheinen
für die geringe Dichte des Netzes der Dorfkirchen repräsentativ zu sein, selbst wenn
man berücksichtigt, dass die meisten Sakralobjekte damals aus Holz bestanden und
keine heute noch erkennbaren Spuren hinterlassen konnten. Daher wird der Perso-
nalbedarf für die Besetzung aller kirchlichen Institutionen nicht so bedeutsam gewe-
sen sein und konnte über längere Zeit in beträchtlichem Grade durch ausländische
Kräfte befriedigt werden.
Die langanhaltenden Verbindungen der Piasten mit Bamberg, die schon für die
Zeit Mieszkos II. bezeugt und aus der Zeit Władysław Hermans bekannt sind, sich
unter Bolesław Schiefmund besonders intensiv gestalteten und durch Kontakte des
polnischen Klerus im gesamten 12. Jahrhundert bestätigt werden, lassen annehmen,
dass einige westeuropäische kirchliche Zentren als Quellen für die langfristige
Rekrutierung von Priestern und Kandidaten für höhere kirchliche Würden fungier-
ten. Möglicherweise – auch wenn dies völlig unmöglich zu verifizieren ist – bildeten
sich recht starke Bindungen mit zwei oder drei solcher Zentren heraus, die freilich
quellenmäßig aufgrund der Feststellungen über die Herkunft der Bischöfe und
Priester aus diesen konkreten Zentren nicht nachgewiesen werden können; aber
wenn man davon ausgeht, dass zusammen mit den Menschen auch immer Ideen,
Bücher, Produkte des lokalen Handwerks „wanderten“, dann würden die in der
Kunst zu beobachtenden lothringischen Einflüsse suggerieren, dass neben Bamberg
auch noch ein konkretes lothringisches Zentrum (sicher im „kaiserlichen“ Teil Loth-
ringens, oder einige aus dieser Region) als Basis für die junge Kirche in Polen die-
nen konnte.15 Für diejenigen Geistlichen, die in ihren Heimatländern keine Perspek-
tive sahen, ihre kirchlichen Karrieren mit der Bischofswürde zu krönen, oder die
sich im eigenen Milieu nicht wohlfühlten, konnte eine Karriere in Polen eine attrak-
tive Alternative und die Perspektive der Bekleidung eines Bischofsamtes in Polen
eine hinreichende Verlockung darstellen.16
Wenn wir von der auf unser bisheriges Wissen gestützten Prämisse ausgehen,
dass die Kirche des Reiches als Vorbild für die Gestaltung der Kirche in Polen
diente und dass ein Großteil des polnischen Klerus ausländischer Herkunft war,
dann wird auch die Vermutung nicht unbegründet sein, dass die Kirche in Polen
nach Maßgabe der lokalen Bedingungen die aus dem Reich bekannten Lösungen
nachgeahmt und übernommen hat. Zwar gab es im Rahmen der Kirche des Reiches
in vielerlei Hinsicht regionale Unterschiede, wobei die nordöstlichen Diözesen des
Reichs in vieler Hinsicht den ersten polnischen Diözesen geähnelt haben dürften, im
Unterschied zu den viel weiter entwickelten im Rheinland oder in Bayern, aber der
Mechanismus des Handelns und seine Rolle in den Herrschaftsstrukturen war
überall ähnlich, während in Polen, wegen des späteren Eintreffens der gregoriani-
schen Idee, noch lange solche Lösungen wie z.B. die weltliche Investitur funktio-
nierten, welche im 12. Jahrhundert im Reich bereits als archaisch empfunden wur-
den.
Festzustellen bleibt der Grad dieser Nachahmung, der durch die – sich beträch-
tlich voneinander unterscheidenden – lokalen Bedingungen beschränkt gewesen sein
muss. Ich denke, dass die Position der Bischöfe vor dem Ende des 12. Jahrhunderts
in der polnischen Historiografie entschieden überspitzt dargestellt wird. Den Bischö-
fen wird eine ihren faktischen Möglichkeiten und ihrer faktischen Bedeutung völlig
unangemessene Rolle zugeschrieben, wobei – meist stillschweigend – die Position
der Bischöfe des Reiches zum Vorbild genommen wird, ohne die völlig anderen
Realitäten in Polen in Betracht zu ziehen. Vor allem konnte sich die Investitur der
polnischen Herrscher bis zum Ende des 12. Jahrhunderts halten, und der Kathedral-
klerus war sowohl zahlenmäßig als auch in politischer Hinsicht schwach – wahr-
scheinlich verfügte er über keine größere Unterstützung durch familiäre Verbindun-
gen mit den Magnaten. Dagegen war die Position der Bischöfe im Reich im 10.-12.
Jahrhundert zwar veränderlich, jedoch immer ein Resultat der von Seiten der ottoni-
schen Dynastie beabsichtigten Stärkung der Kirche durch Übergabe beträchtlicher
Ländereien und der damit verbundenen militärischen Verpflichtungen in die Hände
eines Teils des Episkopats, der Stärkung der persönlichen Position jedes einzelnen
Bischofs und seines Stellenwertes im regionalen Adel sowie der Möglichkeiten und
des Besitzstandes der einzelnen Diözesen. Allein schon in Anbetracht dieser Tat-
sachen wird leicht erkennbar, dass der Episkopat des Reiches hinsichtlich der Be-
deutung seiner einzelnen Mitglieder sehr differenziert war: von den mächtigen –
weil mit großen militärischen und finanziellen Mitteln ausgestatteten – Bischöfen
etwa von Mainz, Köln oder Trier bis hin zu Bischöfen mit nur geringem politischem
Gewicht in den nordöstlichen Gebieten des Reichs, sogar im Erzbistum Bremen-
Hamburg. Im Falle des polnischen Episkopats verfügten die Bischöfe über keinen
größeren Grundbesitz und hatten daher auch einerseits keine damit verbundenen
militärischen Verpflichtungen wie ihre Amtsbrüder im Reich, andererseits aber
verfügten sie dann auch über keine Kräfte, welche ihnen die Chance geboten hätten,
sich eine starke Position an der Seite des Herrschers zu erarbeiten. Daher stellten
weder die Bischöfe im Einzelnen noch der polnische Episkopat als Ganzes für lange
Zeit eine reale politische Kraft dar, besonders da es sich bei ihnen zum großen Teil
um ausländische Ankömmlinge ohne ein eigenes materielles und politisches Hinter-
land handelte. Aus diesem Grunde muss ihre Position auf rein kirchliche Angele-
genheiten beschränkt gewesen sein.
Das Problem der schwachen Besitzausstattung des Episkopats wird von der For-
schung durch die Vermutung gelöst, dass der allgemeine Zehnte in Polen relativ
schnell eingeführt wurde und eine unabhängige Finanzierungsquelle der Kirche
darstellte. Die Zehntvergabe anlässlich der Stiftung neuer kirchlicher Niederlassun-
gen, Dorfkirchen oder Klöster wird als reale materielle Mitbeteiligung an der Stif-
tung von Seiten des Bischofs verstanden. Da die Bischöfe fremde Stiftungen un-
250 Dariusz Andrzej Sikorski
terstützten, verfügten sie – mutmaßlich – sogar über Überschüsse.17 Die Frage nach
der Genese des allgemeinen Zehnten in der polnischen Kirche stellt einen historio-
grafischen Streitgegenstand dar. Zwar sprechen sich die meisten Forscher für seine
frühe Einführung aus – manche sehen geradezu einen Zusammenhang mit der Ein-
führung des Christentums –, ohne jedoch erklären zu können, wie ein so bescheide-
ner kirchlicher Apparat diese direkt von der Bevölkerung hätte eintreiben können.
Falls die polnische Kirche tatsächlich über den Zehnten von den Einkünften der
Bevölkerung verfügt hätte, selbst bei nicht vollständiger Eintreibungsmöglichkeit
und einer in Wirklichkeit geringeren Größe als 10 Prozent, dann müsste sie riesige
finanzielle Ressourcen besessen haben. Jedoch sind die ganz bescheidenen frühen
Sakralbauten ein Indiz dafür, dass diese Ressourcen in Wirklichkeit viel geringer
waren und dass die großen Stiftungen – soweit die Quellen dies festzustellen erlau-
ben – von den Herrschern und seit dem 12. Jahrhundert auch von Magnaten finan-
ziert wurden. Wir haben keine Hinweise darauf, dass die Bischöfe – wie oft in West-
europa – als Investoren mit selbständigen Finanzierungsquellen aufgetreten wären.
Wie ich an anderer Stelle zu zeigen versucht habe, lässt sich die Ansicht von einem
allgemeinen Zehnten in Polen nicht mit dem Stand der Forschungen über die
Einführung des Zehnten in Ländern vereinbaren, die hinsichtlich der Entwicklung
des Christentums viel weiter fortgeschritten waren und über besser entwickelte
kirchliche Verwaltungsstrukturen verfügten.18 Im Unterschied zu den Bistümern von
der Größe westlicher Diözesen war der polnische Episkopat lange auf die Gnade und
Ungnade der Herrscher angewiesen, die die Finanzierung der Tätigkeit der Bischöfe
auf sich nahmen, indem sie ihnen den Zehnten von ihren eigenen Einkünften über-
ließen. Aber da dies ein freiwilliger Akt war, war auch das reale Höhe des Zehnten
nicht verlässlich und dauerhaft. Ein ähnliches System erkennen wir übrigens auch in
den neuen Bistümern östlich der Elbe, die seit dem 10. Jahrhundert ebenfalls aus den
Einkünften der deutschen Herrscher versorgt wurden.19
17 In diesem Geiste äußert sich die überwiegende Mehrheit der Historiker; die neueste
zusammenfassende Synthese dieser Sicht bildet das Buch von DOBOSZ, Monarcha (wie Anm.
6). Kritische Stimmen dazu ANDRZEJ RADZIMIŃSKI, O kościele, fundatorach i warsztacie
historyka [Über die Kirche, die Stifter und die Werkstatt des Historikers], in: Roczniki
Historyczne 68 (2002), S. 205-209; MAREK DERWICH, Relacje między monarchią i możnymi a
Kościołem czy: kto, kiedy i gdzie fundował najstarsze instytucje kościelne w Polsce? [Die Be-
ziehungen zwischen Monarchie und Magnaten und der Kirche, oder: Wer, wann und wo stiftete
die ältesten kirchlichen Institutionen in Polen?], in: Roczniki Historyczne 68 (2002), S. 195-
205; DARIUSZ A. SIKORSKI, Kościół polski X-XII wieku we władzy monarchy i możnych [Die
polnische Kirche des 10.-12. Jahrhunderts in der Gewalt des Monarchen und der Magnaten], in:
Nasza Przeszłość 100 (2003), S. 455-482.
18 SIKORSKI, Kościół polski (wie Anm. 17), S. 469ff.
19 Vgl. HEINRICH FELIX SCHMID, Die Entstehung des kirchlichen Zehntrechts auf slavischem
Boden, in: Księga pamiątkowa ku czci Władysława Abrahama, Bd. 2, Lwów 1931, S. 23-46;
DERS., Die rechtlichen Grundlagen der Pfarrorganisation auf westslavischem Boden und ihre
Entwicklung während des Mittelalters, Weimar 1938, S. 923-975 sowie WALTER
SCHLESINGER, Die deutsche Kirche im Sorbenland und die Kirchenverfassung auf westslawi-
Die Rolle der Geistlichen ausländischer Herkunft in der polnischen Kirche 251
Die Behandlung der Bistümer Eigenkirchen war in Polen wohl stärker ausgebil-
det als im Reich, wo auf Bistumsebene die aus dem Eigentumsrecht resultierende
kaiserliche Macht über sie nicht so effektiv war wie andere Titel, die den Herrschern
das Recht auf Oberhoheit über die Kirche verliehen. In Polen kam es erst durch das
Statut von Lentschiza aus dem Jahre 1180 zu ersten Veränderungen.20
Diese Überlegungen lassen nur den Schluss zu, dass der polnische Episkopat
ökonomisch und politisch ausgesprochen schwach war. Aus diesem Grunde mag der
Posten eines Bischofs den Vertretern der polnischen Magnaten in der Anfangszeit
nur wenig attraktiv erschienen sein, wobei nur diese soziale Gruppe es sich leisten
konnte, einzelne ihrer Söhne für eine kirchliche Ausbildung und Karrieremöglich-
keit zur Verfügung zu stellen.
Eine zweite Quelle der Stärke und des Einflusses der Bischöfe in der damaligen
Gesellschaft – die ideologische Macht der Kirche – war vom Grad der Christianisie-
rung der Eliten und danach auch größerer Gruppen der Bevölkerung abhängig, wo-
bei in Polen das Tempo der Christianisierung recht langsam verlief. Selbst die Eliten
des Piastenstaates eigneten sich die christliche Ideologie nur schrittweise an, und für
eine tatsächliche Implementierung christlicher Ansichten und Gebräuche war wohl
die Arbeit von mehr als einer Generation vonnöten, denn erst nach der Verwurze-
lung des christlichen Glaubens in den höheren sozialen Schichten konnte dieser
gesellschaftliche Stärke entwickeln. Auch aus diesem Grunde wird das Bischofsamt
für die polnischen Eliten anfangs nicht attraktiv gewesen sein.
Diese Einstellung zur Bischofswürde unterlag sicher einer allmählichen Verän-
derung, trotz der unveränderten Besitzverhältnisse, denn gerade die sozialen Eliten
rezipierten nicht nur die äußeren Formen des christlichen Kultes am schnellsten,
sondern auch seine geistige Botschaft. Die Aufwertung des religiösen Ranges des
Bischofsamtes und dessen daraus resultierende moralische Autorität verlieh dem
Episkopat eine vom Herrscher unabhängige Stärke, welche leicht in politische Akti-
vitäten umgesetzt werden konnte, so dass die Position des Bischofs für die heimi-
schen Eliten attraktiver werden konnte. Da wir nicht einmal im geringsten Grade
imstande sind, die Dynamik des hier vermuteten Mechanismus zu erfassen, da dieser
selbst hypothetisch ist, waren die Herrscher vielleicht seit dem Augenblick, als die
heimischen Eliten die Attraktivität der Bischofswürde erkannten, bemüht, gezielt
Ausländer zu fördern (z.B. in der Angelegenheit des hl. Stanisław), um ohne Wider-
stand die uneingeschränkte Herrschaft über die Kirche ausüben zu können.
Wenn man obige Voraussetzungen zusammenfasst, die mich zu der Annahme
verleiten, dass die polnischen Bischöfe noch lange Zeit nach der formalen Errich-
tung von Diözesen im Jahre 1000 in finanzieller Hinsicht völlig von den Herrschern
abhängig waren, dann blieb ihre Rolle in politischer Hinsicht wegen der ideologi-
schem Boden, in: Zeitschrift für Ostforschung 1 (1952), S. 345-371 [ND in: DERS., Mitteldeut-
sche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Göttingen 1961, S. 133-
157].
20 SIKORSKI, Kościół polski (wie Anm. 17), S. 464f.
252 Dariusz Andrzej Sikorski
dert stammen, dessen Informationen über die älteste Geschichte Polens und auch der
polnischen Kirche voller Erfindungen, Verdrehungen oder Amplifizierungen sind.
Manchmal lässt sich Długoszs Glaubwürdigkeit für diesen frühen Zeitraum auf der
Grundlage unabhängiger Überlieferungen bestätigen, aber in überwiegender Mehr-
heit haben wir es mit Angaben zu tun, die nur von ihm stammen. Aufgrund der dif-
ferenzierten Einstellungen zu Długoszs Schaffen glauben ihm manche Historiker
gern (besonders wenn er ihre eigenen Hypothesen unterstützt), während andere ihm
die Glaubwürdigkeit absprechen, vor allem dann, wenn Długoszs Überlieferung ihre
eigenen Forschungsideen infrage stellt – dann sind sie ihm gegenüber viel kritischer
eingestellt.23
Die erste Generation des polnischen Episkopats bestand ausschließlich aus Aus-
ländern, was für Missionsgebiete gewöhnlich typisch ist. Im Erzbistum Gnesen
regierte bekanntlich als erster Gaudentius, der Bruder des hl. Adalbert – ein Böhme.
Die weiteren Erzbischöfe aus dem 11. Jahrhundert waren, nach dem Namenskrite-
rium zu urteilen, ebenfalls Ausländer, insofern die historische Tradition überhaupt
glaubwürdig ist. Nur in Bezug auf Bossuta, der vielleicht mit Stephan identisch ist,
entstand die auf keine andere Quellenüberlieferung als auf Długoszs Bericht ge-
stützte Vermutung, er könne ein Pole gewesen sein.24 Diese Ansicht wird von keiner
soliden Argumentation gestützt außer der von Władysław Semkowicz unterstützten
Konzeption von Pierre David, der Name Bossuta sei mit den später bekannten Na-
men Gnesener Erzbischöfe, welche Bodzęta (Bożęta) lauteten, identisch gewesen.25
Ähnlich besitzt auch die vermutete polnische Herkunft des Erzbischofs Piotr (Peter,
gest. 1092) keinerlei Stütze in den Quellen, und auch die Existenz des ersten Erzbi-
schofs Bogumił nach dem politischen Zusammenbruch des 11. Jahrhunderts, dessen
Name seine polnischen Wurzeln verraten soll, ist strittig. Zwar bezeichnet Długosz
den ersten uns dank der Chronik von Gallus Anonymus besser bekannten Gnesener
Erzbischof Martin (um 1092-1115/1116) als Polen, aber die Herkunft dieser Infor-
mation bleibt unklar. Gerard Labuda spricht sich auf der Grundlage des Namenskri-
teriums für seine ausländische Herkunft aus.26 Erst das Auftauchen mehrerer Erzbi-
schöfe polnischer Herkunft nacheinander: Jakobus von Znin (von den dreißiger
Jahren des 12. Jahrhunderts bis etwa 1148),27 Janik (Johann Gryfita) (1149-nach
23 Długoszs Kataloge der polnischen Bischöfe wurden im ersten Band seiner Werke herausgege-
ben (Joannis Dlugossi, Opera, Bd. 1, Kraków 1887). Viele Informationen, die oft nicht mit die-
sen Katalogen übereinstimmen, sind in den Partien seiner „Annalen“ enthalten, welche sich auf
den uns interessierenden Zeitraum beziehen (JOANNIS DLUGOSSI Annales seu Cronicae incliti
regni Poloniae, lib. 1-6, Warszawa 1961-1973).
24 Długosz behandelt Bossuta und Stephan als zwei verschiedene Personen und leitet sie von zwei
verschiedenen polnischen Geschlechtern ab, aber die Quellen dieses „Wissens“ von Długosz
sind unbekannt, vgl. KRZYSZTOF RAFAŁ PROKOP, Arcybiskupi gnieźnieńscy w tysiącleciu [Die
Gnesener Erzbischöfe im Jahrtausend], Kraków 2000, S. 21f.
25 WŁADYSŁAW SEMKOWICZ, Bossuta, in: PSB, Bd. 2, Kraków 1936, S. 375.
26 GERARD LABUDA, Marcin, in: PSB, Bd. 19, Kraków 1974, S. 557f.; ähnlich PROKOP,
Arcybiskupi gnieźnieńscy (wie Anm. 23), S. 33f.
27 PROKOP, Arcybiskupi gnieźnieńscy (wie Anm. 23), S. 39ff.
254 Dariusz Andrzej Sikorski
1167),28 Zdzisław aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts (gest. nach 1180)29
sowie Bogumił?-Piotr vom Ende des 12. Jahrhunderts,30 deutet auf das Interesse der
Herrscher hin, das wichtigste Amt mit Polen zu besetzen. Janiks Translation von
Breslau auf den Gnesener Erzstuhl lässt vermuten, dass der Kreis der geeigneten
Polen verhältnismäßig klein war und dass der Herrscher nicht über freie Personalbe-
stände verfügte, wenn er die kirchlichen Schlüsselpositionen mit Landsleuten beset-
zen wollte, aber diese Translation kann auch die politischen Turbulenzen in der Zeit
des Kampfes Władysław des Vertriebenen mit den Junioren widerspiegeln und das
Ergebnis einer Belohnung Janiks für dessen Unterstützung im Kampf mit dem
Senior darstellen.
Der erste Posener Bischof war Jordan, dessen Herkunft unbekannt ist. Sein
Nachfolger war Bischof Unger, der wahrscheinlich mit Unger, dem Abt von
Memleben, identisch ist, einem der ottonischen Dynastie gehörenden Kloster; sein
Name könnte auf eine ungarische Herkunft hindeuten.31 Die unmittelbaren Nachfol-
ger Ungers kennen wir nicht, und Długoszs Überlieferungen in dieser Sache sind
sicher Erfindungen. Zwar berücksichtigte Józef Nowacki Długoszs Katalog der
Posener Bischöfe, aber gleichsam nur aus Pflichtgefühl.32 Die Erstellung eines
Kataloges der Posener Bischöfe bis zum Ende des 12. Jahrhunderts ist strittig, und
die Angeben sind in den Einzelheiten unterschiedlich.33
In westeuropäischen Quellen finden sich gelegentlich Bischöfe, die als „aus
Polen“ stammend charakterisiert werden. Sie werden häufig der Diözese Posen zu-
geschrieben, obwohl es dafür keinerlei Anhaltspunkte gibt. Möglich ist aber, dass
der besondere Status, den das Bistum Posen während der Amtszeit Ungers im Jahr
1000 aus Anlass der Organisation der Kirche in Polen erhielt, dieses enger mit dem
Reich verband, und vielleicht unterstanden die Bischöfe in Posen ja auch der kaiser-
lichen Investitur. Irgendwie würde dies die Notizen über die polnischen Bischöfe
erklären, die in einem auf ihre Verbindung mit dem Kaiserreich verweisenden Kon-
text gefunden wurden. Tadeusz Wasilewski hielt den im Nekrologium von Welten-
burg als episcopus de Polania bezeichneten Ederamm für einen Posener Bischof.34
Da sich im Nekrologium aus dem Kloster St. Emmeram in Regensburg unter dem
gleichen Tagesdatum eine – von einem vor 1045 entstandenen Verzeichnis über-
28 ZOFIA BUDKOWA, Jan (Janik), in: PSB, Bd. 10, Wrocław 1964, S. 428ff.
29 DOBOSZ, Monarcha (wie Anm. 6), S. 304f.
30 Ebd., S. 178ff.
31 Zu beiden siehe SIKORSKI, Kościół w Polsce (wie Anm. 10), S. 182ff.
32 JÓZEF NOWACKI, Dzieje archidiecezji poznańskiej [Die Geschichte der Erzdiözese Posen], Bd. 1,
Poznań 1964, S. 41ff.
33 Vgl. die Zusammenstellung verschiedener Vorschläge für das 12. Jahrhundert bei DOBOSZ,
Monarcha (wie Anm. 6), S. 318ff.
34 Necrologium Weltenburgense, in: Necrologia Germaniae, Bd. 3: Dioeceses Brixinensis,
Frisingensis, Ratisbonensis, hg. von FRANZ LUDWIG BAUMANN (MGH Necr.), Berlin 1905, S.
369-383, hier S. 382; vgl. TADEUSZ WASILEWSKI, Kościół monarszy w X-XII wieku i jego
zwierzchnik biskup polski [Die monarchische Kirche im 10.-12. Jahrhundert und ihr Oberhaupt,
der polnische Bischof], in: KH 92 (1985), S. 747-768, hier S. 751.
Die Rolle der Geistlichen ausländischer Herkunft in der polnischen Kirche 255
nommene – Eintragung über den Tod eines Ederamm befindet, muss dies einer der
ersten Bischöfe in Polen gewesen sein.35 Aleksander Gieysztor erinnerte an einen
gewissen, früher dem italienischen Poli zugeschriebenen Bischof Eckhard, der zwi-
schen den dreißiger Jahren des 11. und dem Ende dieses Jahrhunderts in Polen ge-
wirkt haben muss.36 Ehe er Bischof in Polen wurde, war er Propst in Goslar, wobei
dieses Stift die Funktion einer Art von „bischöflichem Seminar“ erfüllte, denn ihm
entstammten gleich 27 Bischöfe, die in der Zeit Heinrichs III. und Heinrichs IV.
ernannt worden waren. Ein Bischof – unus de regione quae dicitur Bolani – nahm
im Jahre 1057 an der Konsekration Gundekars zum Bischof von Eichstätt teil.37
Nach der Erneuerung der Kirche unter Bolesław dem Kühnen (Bolesław
Szczodry) scheinen die weiteren Posener Bischöfe auf der Grundlage des Namens-
kriteriums Ausländer gewesen zu sein. Der nicht näher bekannte Bischof Franco riet
Władysław Herman, Geschenke zum Kloster Saint-Gilles zu schicken, um die Ge-
burt eines männlichen Nachkommen zu erbitten. Diese Tatsache und sein Name –
vielleicht ein von seiner Herkunft zeugender Beiname – würde auf seine französi-
sche Herkunft hindeuten. Aus dem deutschen Kloster in Siegburg stammt der zwi-
schen 1105 und 1113 verstorbene Heinrich, ein weiterer vermutlicher Posener Ober-
hirte (Henricus sacerdos et monachus eiusdem loci et episcopus Poloniensis).38
Aus der Zeit von Bolesław Schiefmund sind die Nachrichten knapp. Ob zu den
mit Sicherheit in Polen wirkenden Bischöfen – den angenommenen Posener Ober-
hirten – der namentlich unbekannte Bischof gezählt werden muss, der sich in Pöhlde
bei der kaiserlichen Regentin und dem noch unmündigen Heinrich IV. aufhielt, ist
ungewiss. Tadeusz Wasilewski erklärt die in den Nekrologien deutscher kirchlicher
Institutionen enthaltenen Notizen über Bischöfe aus Polen mit deren Position als
Kanzler und der daraus resultierenden Tatsache ihrer weitreichenden ausländischen
Kontakte. Meiner Ansicht nach lassen sich diese Notizen eher mit der Herkunft des
betreffenden Kandidaten aus dieser oder einer verwandten deutschen kirchlichen
Institution erklären und mit ihrer Einbeziehung in die lokalen Memorialbücher. Mit
einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit war Paul von 1107/1109 bis etwa 1113
35 Das Martyrolog-Necrolog von St. Emmeram zu Regensburg, hg. von ECKHARD FREISE /
DIETER GEUENICH, JOACHIM WOLLASCH (MGH Libri mem. N.S. 3), Hannover 1986, S. 73.
36 Notiz aus einem vom Beginn des 16. Jahrhundert stammenden kleinen Werk von Hieronymus
Emser: WALTER GESLER, Der Bericht des Monachus Hamerslebiensis über die „kaiserliche
Kapelle“ S. Simon und Juda in Goslar und die Beförderung ihrer Mitglieder, Diss. Bonn 1914;
hierzu ALEKSANDER GIEYSZTOR, O kilku biskupach polskich z XI wieku [Über einige polni-
sche Bischöfe aus dem 11. Jahrhundert], in: Europa – Słowiańszczyzna – Polska. Studia ku
uczczeniu Profesora Kazimierza Tymienieckiego, Poznań 1970, S. 311-326, hier S. 321ff.;
HANS-WALTER KLEWITZ, Königtum, Hofkapelle und Domkapitel im zehnten Jahrhundert, in:
Archiv für Urkundenforschung 16 (1939), S. 102-156, hier S. 141f.
37 Gundechari liber pontificalis Eichstetensis, hg. von LUDWIG KONRAD Bethmann, MGH SS VII,
Hannover 1847, S. 239-253, hier S. 246; GIEYSZTOR, O kilku biskupach polskich, S. 324.
38 GIEYSZTOR, O kilku biskupach polskich (wie Anm. 36), S. 316; JOSEF SEMMLER, Die Kloster-
reform von Siegburg. Ihre Ausbreitung und ihr Reformprogramm im 11. und 12. Jahrhundert,
Bonn 1959, S. 228.
256 Dariusz Andrzej Sikorski
Bischof von Posen. Ihm folgte wahrscheinlich Michael (gest. 1114/1115), der Gallus
zufolge Kanzler des Herzogs und sein Mitarbeiter war. Über diesen ist eine Notiz im
Bamberger Nekrologium erhalten (Michahel episcopus Polonie) sowie in der aus-
führlicheren Version: obit de quo dantur IV. unciae de Lubendorf.39 Wenn er dem
Geschlecht der Awdaniec (Abdank) zugeschrieben wird, dann basiert dies lediglich
auf unbegründeten Annahmen.40 Auf Michael folgte einigen Historikern zufolge
Benedikt bis etwa 1130, und nach diesem dann Boguchwał. Letzterer war sicher ein
Pole, während wir über Benedikts Herkunft nichts wissen. Die Bischöfe Pean (1146-
1152) und Stephan (gest. 1159) sind uns völlig rätselhaft. Bernhard kam mit
Salomea von Berg nach Polen und war von etwa 1159 bis 1164 Bischof von Posen.
Die nächsten Bischöfe, Radwan (etwa 1164-1172) und wahrscheinlich Cherubin
(1172-1180), waren bereits einheimischer Herkunft, auch wenn die Annahme der
Zugehörigkeit des letzteren zur polnischen Magnatenfamilie Sulima auf schwachen
Füßen steht. Das Namenskriterium der beiden nächsten, Arnold (gest. etwa 1186)
und Benedikt (gest. 1193), könnte ihre ausländische Herkunft nahelegen, obwohl im
Falle des letzteren dessen Schenkung des Dorfes Rogerowo bei Trebnitz als ein
Beweis für seine schlesische Abstammung interpretiert wird.41 Allerdings kann der
nichtslawische Name suggerieren, dass dieses Dorf ein Erwerb des Ritters Roger,
des Anführers der privaten Mannschaft von Peter Wlast (Piotr Włostowic), für des-
sen Dienste war, und dass Benedikt ein Nachkomme oder Verwandter von ihm sein
konnte, der das Dorf geerbt hatte.42
Reinbern, höchstwahrscheinlich der einzige Bischof von Kolberg, der 1015 in
ruthenischer Gefangenschaft starb, stammte, wie es scheint, aus Sachsen und war
Thietmar gut bekannt. Wir wissen nicht, ob er einen Nachfolger erhielt. Reinberns
Aufenthalt außerhalb dieser Diözese wird als Hinweis dafür gedeutet, dass das
kirchliche Leben in der Diözese Kolberg in Wirklichkeit nicht in Gang kam.43
Verhältnismäßig gut bekannt sind uns die Krakauer Bischöfe, weil die Krakauer
Bischofskataloge erhalten sind.44 Auf der Grundlage des Namenskriteriums waren
39 GERHARD SAPPOK, Die Anfänge des Bistums Posen, Leipzig 1937, S. 82.
40 WŁADYSŁAW SEMKOWICZ, Ród Awdańców w wiekach średnich [Die Familie Abdank im
Mittelalter], Poznań 1917, S. 159ff.
41 Kodeks dyplomatyczny Śląska. Zbiór dokumentów i listów dotyczących Śląska = Codex
diplomaticus nec non epistolaris Silesiae, hg. von KAROL MALECZYŃSKI, Bd. 1: Obejmujący
lata 971-1204, Wrocław 1956, Nr. 68.
42 Zu Roger siehe JUREK, Obce rycerstwo (wie Anm 4), S. 9.
43 STANISŁAW ROSIK, Reinbern – Salsae Cholbergiensis aecclesiae episcopus, in: Salsa
Cholbergiensis. Kołobrzeg w średniowieczu, hg. von LECH LECIEJEWICZ / MARIAN RĘBKOWSKI,
Kołobrzeg 2000, S. 85-93.
44 Siehe die grundlegende Edition aller Kataloge: Catalogi episcoporum Cracoviensium =
Katalogi biskupoẃ krakowskich, hg. von JÓZEF SZYMAŃSKI (MPH NS 10/2), Warszawa 1974,
mit den ausführlichen Rezensionen: ZOFIA KOZŁOWSKA-BUDKOWA in: KH 82 (1975), S. 424-
429 und GERARD LABUDA, O katalogach biskupów krakowskich przed Długoszem [Über die
Kataloge der Krakauer Bischöfe vor Długosz], in: Studia Źródłoznawcze 27 (1983), S. 83-96.
Der Katalog I erfuhr im Rahmen der Herausgabe der Annalen durch KOZŁOWSKA-BUDKOWA,
Die Rolle der Geistlichen ausländischer Herkunft in der polnischen Kirche 257
die ersten Krakauer Bischöfe Ausländer. Mit Ausnahme von Prochor und Prokulf,
die jedoch nicht als Krakauer Bischöfe ausgeschlossen werden können,45 stammte
der erste sichere Bischof Poppo höchstwahrscheinlich aus dem Reich, aber wir wis-
sen nicht aus welcher Region. Die folgenden überlieferten Namen (Gompo,
Lambert, Rachelin) sind unsicher, und es ist sogar fraglich, ob es sich tatsächlich um
historische Persönlichkeiten handelt.46 Erst die Person des Bischofs Aaron, der aus
dem Rheinland stammte, ist durch andere Aufzeichnungen bezeugt. Pole war mit
einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit Bischof Lambert II. Suła (etwa 1061-
1071). Zwar könnte sein heimisch klingender Beiname auch einem Ausländer gege-
ben worden sein, aber genauso gut hätte er auch seinen christlichen Namen Lambert
später bekommen können. Zwar gab es Versuche, ihn aufgrund des Namenskrite-
riums (der Name Lambert kam in dieser Zeit bei den Piasten vor) als einen Vertreter
der Dynastie anzusehen, aber diese Hypothese fand keine Akzeptanz. Mit Sicherheit
war der hl. Stanisław (gest. 1079) ein Kleinpole. Nach langer Vakanz übernahm
Lambert (III.) (1082-1101), über dessen Herkunft die Ansichten geteilt sind, den
Krakauer Bischofssitz. Bischof Czesław (1101-1103), dessen Name eindeutig seine
Polonität zu erkennen gibt, wurde vom päpstlichen Legaten Gwalon eingesetzt.
Ebenfalls aufgrund des Namenskriteriums wird angenommen, dass Bischof Balduin
(1102-1109) Franzose war, aber genauso gut konnte er auch aus dem Rheinland oder
aus Flandern stammen.47 Der Fall des Bischofs Maurus (etwa 1110-1118), der mit
Sicherheit Ausländer war,48 zeigt, dass viele Bischofsnamen auf dem Gebiet Polens
Beinamen waren oder auf ihren Herkunftsort (Franco: aus Frankreich oder aus Fran-
ken) bzw. auf äußere Merkmale verwiesen (Maurus – dunkelhäutig oder von dunkler
Hautfarbe). Der Nachfolger von Maurus war Radogost (gest. 1142), für dessen Her-
kunft wir keinerlei Hinweise haben, aber aufgrund seines polnisch klingenden Na-
mens sind die Forscher geneigt, ihm mit Długosz polnische Herkunft zuzuschrei-
ben.49 In vielen Fällen von Zweinamigkeit bei Bischöfen kann jedoch nicht entschie-
den werden, welcher Name der ursprüngliche Geburtsname und welcher der sekun-
däre christliche Name ist. Es ist nicht auszuschließen, dass gerade der Name
Gaudentius der ursprüngliche und Radost der spätere Name war. Ein ähnliches Vor-
gehen, nur in umgekehrter Richtung, erkennen wir bei Długosz, der aus dem ihm
bekannten Radost einen Gaudentius machte. Das nur kurze Pontifikat des Auslän-
ders Robert, der zuvor – seit 1126 – Bischof von Breslau war, ist mit der Weihe der
Kathedrale im Jahre 1142 verbunden. Ob Matthäus ein Pole war, ist schwer zu sa-
gen. Sein mit einem Brief an Bernhard von Clairvaux dokumentierter „Schliff“ in
der Welt kann seinen eigenen Weg so erklären, dass er seine Bildung im Ausland
erhielt und von dort nach Polen kam.50 Von den beiden letzten Krakauer Bischöfen
im 12. Jahrhundert war Gedko (1166-1185) ganz sicher Pole.51 Was die Herkunft
seines Nachfolgers Pełka (1186-1207), dessen lateinische Namensform Fulco lautet,
so steht uns nur Długoszs Überlieferung zur Verfügung, dass dieser der Adelsfamilie
Lis angehörte.52 Seine fremde Herkunft würden außer dem Namenskriterium (Fulco)
krakowski Maur [Der Krakauer Bischof Maurus], in: Scriptura custos memoriae, hg. von
DANUTA ZYDOREK, Poznań 2001, S. 49-55, sprechen sich für seine Herkunft aus romanischen
Ländern aus.
49 ZOFIA KOZŁOWSKA-BUDKOWA, Radost, in: PSB, Bd. 29, Wrocław 1986, S. 747; RYSZARD
GRZESIK, Radost, in: SSS, Bd. 8, Teil 2, Wrocław 1996, S. 541 sprach sich für seine polnische
Herkunft aus.
50 MARIAN PLEZIA, List biskupa Mateusza do św. Bernarda [Der Brief von Bischof Matthäus an
den hl. Bernhard], in: Studia z dziejów polski feudalnej ofiarowane Romanowi Grodeckiemu,
Warszawa 1960, S. 124-128; TERESA MICHAŁOWSKA, Średniowiecze [Das Mittelalter], Warszawa
1996, S. 99ff.
51 ROMAN GRODECKI, Gedko, in: PSB, Bd. 7, Kraków 1948-1958, S. 366f. Die Informationen
über seine polnische Herkunft und Geschlechtszugehörigkeit entstammen erst Überlieferungen
aus dem 15. Jahrhundert (dem III. Katalog der Krakauer Bischöfe und Długoszs Katalog), aber
die „Annalen des Krakauer Kapitels“ (Rocznik kapituły krakowskiej) enthalten Notizen über
den Tod zweier Brüder des Bischofs, die polnische Namen tragen, vgl. Najdawniejsze roczniki
(wie Anm. 7).
52 JÓZEF MITKOWSKI / STANISŁAW TRAWKOWSKI, Pełka, in: PSB, Bd. 25, Kraków 1980, S. 571-
574, sprechen sich für seine ausländische Herkunft aus. Die Glaubwürdigkeit der Überlieferung
Długoszs zu verteidigen, bemüht sich BŁAŻEJ ŚLIWIŃSKI, Ród Lisów. Problem pochodzenia
wojewody krakowskiego Mikołaja i biskupa krakowskiego Pełki [Die Familie Lis. Zum
Problem der Herkunft des Krakauer Wojewoden Nikolaus und des Krakauer Bischofs Pełka],
in: Genealogia – studia nad wspólnotami krewniaczymi i terytorialnymi w Polsce
średniowiecznej na tle porównawczym, hg. von JACEK HERTEL / JAN WRONISZEWSKI, Toruń
1987, S. 33-46; DERS., Ród Lisów w „Rocznikach“ Jana Długosza – przyczynek do
zagadnienia zaginionej kroniki dominikańskiej z pierwszej połowy XIII wieku [Die Familie Lis
in den „Annalen“ von Jan Długosz – ein Beitrag zur Frage der verschollenen dominikanischen
Die Rolle der Geistlichen ausländischer Herkunft in der polnischen Kirche 259
auch die Umstände bestätigen, wie er seine Bischofsweihe in Rom erlangte, denn in
dieser Zeit benötigten die Bischöfe keine Bestätigung ihrer bischöflichen Nominie-
rungen durch den Papst. Pełkas häufige Kontakte mit der römischen Kurie konnten
aus der Notwendigkeit resultieren, bei einer anerkannten Autorität Unterstützung für
sein Wirken zu finden, und sollten nicht nur als Ausdruck seiner Bildung interpre-
tiert werden, wie dies Krzysztof Ożóg annehmen möchte.53 Zwar spricht eine späte
Tradition von Gedkos Bischofsweihe in Rom, aber die den Ereignissen näherstehen-
den Quellen, vor allem die Annalen des Krakauer Kapitels (Rocznik kapituły
krakowskiej), die Brygida Kürbis zufolge unter der „Aufsicht“ von Gedko geführt
wurden, wissen davon nichts. Andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass
es um 1185/1186 eine Vakanz in Gnesen gab, weil die Chronologie der Pontifikate
der Gnesener Erzbischöfe Zdzisław und Bogumił unsicher ist.54
Die Liste der Breslauer Bischöfe, besonders im 11. Jahrhundert, ist bescheiden und
recht unsicher.55 Der erste Breslauer Bischof Johann, über den wir nichts weiter
wissen, geriet in Vergessenheit, aber wir können davon ausgehen, dass er ähnlich wie
die übrigen Bischöfe um das Jahr 1000 fremder Herkunft war. Wir haben keinen
Grund, der uns von Długosz übermittelten Liste der Breslauer Bischöfe Glauben zu
schenken. Erst der in anderen Quellen bestätigte Bischof Hieronymus aus der Mitte
des 11. Jahrhunderts scheint eine historische Persönlichkeit gewesen zu sein.56 Seine
Nachfolger sind unbekannt. Erst das lange Pontifikat von Bischof Peter (1074-1111?)
bringt eine gewisse Stabilisierung mit sich. Długosz zufolge war er ein Pole (genus
inter Polonos ducens nobili ex familia Vulpium) aus der Adelsfamilie Lis, aber wie für
unseren Krakauer Geschichtsschreiber typisch, ist der Wert dieser Mitteilung
zweifelhaft. Im Fall von Żyrosław I. (Siroslaus, 1112-1120) sind die Ansichten geteilt,
was nichts an der Tatsache ändert, dass die Quellenangaben ganz einfach unzurei-
chend sind und wir uns auf Długosz nicht verlassen können; seine Herkunft bleibt
ungeklärt. Ebenfalls wissen wir nichts über die Herkunft von Bischof Haymo (1120-
1126), aber Długoszs Information über seine Abstammung vom Geschlecht Leszczyc
muss abgelehnt werden. Eher wahrscheinlich ist seine Herkunft aus Lothringen oder
Flandern.57 Obwohl Długosz die polnische Herkunft des Bischofs Robert I. (1126-
1140) unterstreicht – ex domo et familia militum Poloniae – wird in der Literatur eher
Chronik aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts], in: Studia Źródłoznawcze 34 (1993), S. 41-
49.
53 KRZYSZTOF OŻÓG, Formacja intelektualna biskupów krakowskich w średniowieczu [Die
Bildung der Krakauer Bischöfe im Mittelalter], in: Cracovia – Polonia – Europa. Studia z
dziejów średniowiecza ofiarowane Jerzemu Wyrozumskiemu, Kraków 1995, S. 159-180, hier
S. 164.
54 Mistrz Wincenty, Kronika polska [Magister Vinzenz, Polnische Chronik], polnische
Übersetzung und Einführung von BRYGIDA KÜRBIS, Wrocław 1992, S. xviif.
55 WOJCIECH KĘTRZYŃSKI, Die Kataloge der Breslauer Bischöfe, in: Zeitschrift des Vereins für
Geschichte und Alterthum Schlesiens 28 (1894), S. 273-287.
56 Joannis Dlugossi opera, Bd. 1, Kraków 1887, S. 448.
57 Ebd., S. 452 f.; Cronica et numerus episcoporum Wratislaviensium, hg. von WOJCIECH
KĘTRZYŃSKI, in: MPH, Bd. 6, Kraków 1893, S. 576-584, hier S. 577.
260 Dariusz Andrzej Sikorski
58 Joannis Dlugossi opera, Bd. 1, Kraków 1887, S. 453f.; JÓZEF DOBOSZ, Monarcha (wie Anm.
6), S. 238.
59 TOMASZ JUREK, Robert I; Robert II, in: SSS, Bd. 8, Teil 2, Wrocław 1996, S. 549.
60 TOMASZ JUREK, Konrad, in: SSS, Bd. 8, Teil 2, Wrocław 1996, S. 365
61 ANDRZEJ WĘDZKI, Walter, in: SSS, Bd. 6, Wrocław 1980, S. 303.
62 MAREK CETWIŃSKI , Żyrosław II, in: SSS, Bd. 7, Wrocław 1982, S. 276f.
63 Joannis Dlugossi opera, Bd. 1, Kraków 1887, S. 545ff. Den neuesten Forschungsstand
präsentiert MAREK SZYMANIAK, Biskup płocki Gedko (1206-1223). Działalność kościelno-
polityczna na tle procesu emancypacji Kościoła polskiego spod władzy książęcej [Bischof
Gedko von Plozk (1206-1223). Sein kirchenpolitisches Wirken vor dem Hintergrund des Eman-
zipierungsprozesses der polnischen Kirche von der herzoglichen Macht], Toruń 2007, S. 44-92.
64 Joannis Dlugossi opera, Bd. 1, Kraków 1887, S. 548.
65 An dieser Stelle will ich nicht näher auf die Frage der Entstehung des Bistums im Einzelnen
eingehen, welches mit Sicherheit im letzten Viertel des 11. Jahrhunderts entstand.
66 Galli Anonymi Cronicae et gesta ducum sive principum Polonorum, hg. von KAROL
MALECZYŃSKI (MPH NS 2), Cracoviae 1952, II, 49, S. 119.
67 SZYMANIAK, Biskup płocki Gedko (wie Anm. 63), S. 74ff. bezeichnet ihn als ersten Bischof
außerhalb des deutschen Umkreises.
Die Rolle der Geistlichen ausländischer Herkunft in der polnischen Kirche 261
Die meisten Plozker Bischöfe aus dem 12. Jahrhundert waren nach dem Na-
menskriterium höchstwahrscheinlich fremder Herkunft. Ausländer waren ganz si-
cher Alexander von Malonne (1129-1156)68 sowie der aus Bayern, vielleicht aus
Bamberg stammende Werner (gest. etwa 1170), der vorher wahrscheinlich Bischof
von Breslau war.69 Aufgrund des spärlichen Quellenmaterials besitzen wir eine
solche Gewissheit nicht für die Herkunft von Lupus (gest. etwa 1186),70 während
Wit (1187-1206) mit Sicherheit Pole war.
Die Erstellung einer Liste der Breslauer Bischöfe ist keine einfache Aufgabe,
aber ihre Namen sind eindeutig nicht-slavisch, was beweist, dass fast alle von ihnen
(Swidger, Honold, Rudger, Werner, Unelf / Onolf, Oger / Ogier) Fremde waren. Nur
Stephan (1191-1197) könnte ein Pole gewesen sein, aber auch das ist zweifelhaft.71
Die Quellenüberlieferungen erlauben nicht, diese Personen mit der einheimischen
Magnatenschicht in Verbindung zu bringen, aber sie enthalten auch keine direkten
Angaben, welche auf ihre Herkunft Bezug nehmen würden.
Dieser Überblick zeigt – unter Berücksichtigung der angesprochenen quellenkri-
tischen Probleme – recht deutlich eine bestimmte Tendenz, die in allen Bistümern
mehr oder weniger in Erscheinung tritt. Seit dem frühen 11. Jahrhundert, in dem wir
es ausschließlich mit Ausländern zu tun haben, nahm der Anteil von Personen ein-
heimischer Herkunft nur sehr langsam zu. Die erste größere Welle ist zu Beginn des
12. Jahrhunderts zu beobachten, eine zweite gegen Ende dieses Jahrhunderts – und
seit dieser Zeit überwiegen im Episkopat dann eindeutig die Polen. Eine Ausnahme
bildet das Bistum Krakau, wo der Anteil heimischer Bischöfe entschieden früher
zunahm, aber dies lässt sich damit erklären, dass der Sitz gerade dieses Bistums,
ähnlich wie der des Erzbistums Gnesen, für die polnischen Magnaten aus politischen
Gründen am schnellsten attraktiv wurde und dass diese Ämter darüber hinaus zu
einem Element des politischen Spiels der Herzöge mit den Magnaten wurden. Aller-
68 MIECZYSŁAW GĘBAROWICZ, Aleksander, in: PSB, Bd. 1, Kraków 1935, S. 65f.; SZYMANIAK,
Biskup płocki Gedko (wie Anm. 63), S. 76ff.
69 ANTONI GĄSIOROWSKI, Werner, in: SSS, Bd. 6, Teil 2, Wrocław 1980, S. 381f., schließt nicht
aus, dass es sich um zwei verschiedene Personen handeln kann, die als Bischöfe in Leslau
(Włocławek) und Plozk residierten und zufällig denselben Namen trugen. Ausführlicher dazu
SZYMANIAK, Biskup płocki Gedko (wie Anm. 63), S. 82ff.
70 Die neuere Historiografie ist bemüht, aus Bischof Lupus einen zur Familie Abdank gehörenden
polnischen „Wilk“ (polnisch für „Wolf“) zu machen, vgl. CZESŁAW DEPTUŁA, Lupus, in: PSB,
Bd. 17, Wrocław 1973, S. 133f.; JÓZEF DOBOSZ, Działalność fundacyjna Kazimierza
Sprawiedliwego [Die Stiftungstätigkeit Kasimirs des Gerechten], Poznań 1995, S. 201ff. Die
Hypotese von JANUSZ BIENIAK, Polska elita polityczna XII wieku: cz. 3D: Arbitrzy książąt –
zmierzch [Die politische Elite Polens im 12. Jahrhundert, Teil 3D: Die Herzöge als Schlichter
der Fürsten – Niedergang], in: Społeczeństwo Polski średniowiecznej, Bd. 9, Warszawa 2001,
S. 9-53, hier S. 27f., über seine polnische Herkunft basiert auf einer großen Anzahl von
Prämissen von zweifelhaftem Wert.
71 Catalogi episcoporum Wladislaviensium, hg. von WOJCIECH KĘTRZYŃSKI, in: MPH, Bd. 4,
Lwów 1884, a. 16-30; Joannis Dlugossi opera, Bd. 1, Kraków 1887, S. 515-544. Eine handli-
che Zusammenstellung für das 12. Jahrhundert findet sich bei DOBOSZ, Monarcha (wie Anm. 6),
S. 329ff.
262 Dariusz Andrzej Sikorski
dings muss unterstrichen werden, dass wir es erst seit dem Beginn des 13. Jahrhun-
derts mit einer Besetzung der Bischofssitze fast ausschließlich durch Polen zu tun
haben. Ich denke, dass dies ganz einfach die reale Zunahme der Stärke der Kirche
als Institution widerspiegelt, sowohl in ökonomischer als auch in politischer Hin-
sicht, wobei die zweite Tatsache mit dem Durchbruch der christlichen Ideologie in
der Gesellschaft in Verbindung steht. Die Bischöfe und der Klerus gewannen immer
mehr an Einfluss und Macht, auch auf der Ebene der gewöhnlichen Priester in den
Dorfkirchen, die in der Zeit, als sich das Patronatsrecht verbreitete, immer mehr zu
Untertanen der realen Macht des Ortsbischofs wurden.
Zusammenfassend können wir feststellen, dass der fremde Klerus für die Ent-
wicklung der polnischen Kirche eine Schlüsselrolle gespielt hat, denn darauf verwei-
sen alle Prämissen. Dies betrifft insbesondere die Zeit von der Taufe Polens bis hin
zur Zeit Bolesławs III. Schiefmund. Im Laufe des 12. Jahrhunderts vergrößerte sich
der Anteil der Bischöfe heimischer Herkunft dann allmählich, auch wenn es Bi-
schofssitze gab (in Breslau), wo der Ausländeranteil überwog. Welche Rolle die
Ausländer spielten, muss im Bereich der Vermutungen bleiben, denn außer der all-
gemeinen Konstatierung ihres Anteils am organisatorischen Leben der Kirche kön-
nen wir aufgrund der spärlichen Quellenlage nicht viel mehr sagen.