und
das Schöne aus Deutschland
Einige Mutmaßungen
Peter Pörtner
„Gefährliche Deutsche!
Sie ziehen plötzlich ein Gedicht aus der Tasche
oder beginnen ein Gespräch über Philosophie.“ (Heinrich Heine)
http://www.dijtokyo.org/doc/JS1_Lewin.pdf.!
Zuerst!erschienen!in:!Deutsches!Institut!für!Japanstudien!(Hrsg.)!Japanstudien.!Jahrbuch!
des!Deutschen!Instituts!für!Japanstudien!1,!1989:!271–296.!
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Vom Schönen ist im Abendland viel und auf sehr ver-
schiedene Weise gesprochen und geschrieben worden.
Und oft auf ziemlich opake Art. Gerade den deutschen
Dichtern und Denkern, dafür müssen wir ihnen dankbar
sein, sind Formulierungen gelungen, die wohl niemals
erfasst werden können. Denken wir etwa, um einige der
bekanntesten Exempla zu nennen, an R. M. Rilkes Ver-
dikt am Anfang der Ersten Duineser Elegie: „...Denn
das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang“;
oder gar an G. W. F. Hegels Bestimmung, dass das
Schöne das „sinnliche Scheinen der Idee“ sei, am deut-
lichsten im dritten Abschnitt, „Die Idee des Schönen“,
der „Vorlesungen über die Ästhetik“: „Das Schöne
bestimmt sich dadurch als das sinnliche Scheinen der
Idee. Denn das Sinnliche und Objektive überhaupt be-
wahrt in der Schönheit keine Selbständigkeit in sich,
sondern hat die Unmittelbarkeit seines Seins aufzu-
geben, da dies Sein nur Dasein und Objektivität des
Begriffs und als eine Realität gesetzt ist, die den Begriff
als in Einheit mit seiner Objektivität und deshalb in
diesem objektiven Dasein, das nur als Scheinen des
Begriffs gilt, die Idee selber zur Darstellung bringt.“ –
Freilich erinnert Hegel schon in der Einleitung zu den
„Vorlesungen über die Ästhetik“ daran, dass „die Idee
als das Kunstschöne nicht die Idee als solche ist, wie sie
eine metaphysische Logik als das Absolute aufzufassen
hat, sondern die Idee, insofern sie zur Wirklichkeit
! 2!
fortgestaltet und mit dieser Wirklichkeit in unmittelbar
entsprechende Einheit getreten ist. Denn die Idee als
solche ist zwar das an und für sich Wahre selbst, aber
das Wahre erst seiner noch nicht objektivierten Allge-
meinheit nach; die Idee als das Kunstschöne aber ist die
Idee mit der näheren Bestimmung, wesentlich indi-
viduelle Wirklichkeit zu sein sowie eine individuelle
Gestaltung der Wirklichkeit mit der Bestimmung, in
sich wesentlich die Idee erscheinen zu lassen.“ - Diese
wesentlichen Modifikationen, die der Begriff der Idee
im Zusammenhang mit dem Schönen als dem Kunst-
schönen hier erfährt, hat die Rezeption nicht immer her-
meneutisch gewürdigt, was das Verständnis der Ästhe-
tik Hegels erschwert und auch verfälscht hat.
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Wer achtet sein? // Was aber schön ist, selig scheint es
in ihm selbst.“
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struieren können. Es bleiben uns nur Mutmaßungen
über Text und Kontext.
https://archive.org/details/vorschulederaest12fechuoft.!
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3!!In!der!Auflage!von!1886!abzurufen!unter:!
https://archive.org/details/aesthetik01hart.!
Zuletzt!aufgerufen!am!7.!Januar!2014!
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geben müssen, „dass die Ästhetik überhaupt in das Feld
empirisch beobachtbarer Tatsachen hineinreiche. Sie
stehe vielmehr „ganz und gar auf der der Physik entge-
gengesetzten Seite der Welt“ und sei „ohne Rest eine
philosophische Disziplin, wie die Naturphilosophie es
auch ist“: Die „Aesthetik als solche“ fange erst da an,
wo über „die Grundlagen der blossen Erfahrung hinaus
und zur Erklärung derselben fortgeschritten wird“. Die
„sogenannte ‚experimentelle Aesthetik’“, wie von Hart-
mann die Lehre Fechners nennt, sei gar keine Ästhetik,
sondern könne „höchstens Material für die selbe her-
beischaffen, übrigens ein Material von sehr untergeord-
netem Werthe, ohne welches die Aesthetik sehr gut fer-
tig werden kann.“ Die Auseinandersetzung mit der
Ästhetik war für von Hartmann offensichtlich etwas
sehr Prinzipielles („ohne Rest eine philosophische Dis-
ziplin“). Die künstlerische Praxis lag nur am Rand sei-
nes ästhetischen Interesses.
https://archive.org/details/aesthetik01hart.!
Zuletzt!aufgerufen!am!7.!Januar!2014.!
! 8!
werden braucht und der Psychologie überlassen werden
kann.“ – Es ging ihm also darum, den „wahren“ Wert
des Schönen vor subjektiven Urteilen oder gar Gefühlen
zu schützen. Von Hartmann geht tatsächlich, man
möchte sagen: auf philosophisch mutwillige Weise, so
weit, zu sagen, dass wer anders (als er selbst) wahr-
nimmt, nicht „normal organisiert“ sei: Was von der
ästhetischen Norm, schaffend oder rezipierend, ab-
weicht, ist in den Augen von Hartmanns pathologisch. -
Es wundert folglich nicht, dass von Hartmann – so-
zusagen als normativ-regulative Direktive an die Adres-
se der Künstler als Diener und Hersteller des Schönen -
auch die Darstellung von „Rothaarigen, Schielenden
und Buckligen“ als eine „pathologisch abnorme Kunst“
denunziert. Und damit kunstferne grundsätzliche Über-
legungen zu normativen Anweisungen ummünzt.
Japan“,!in:!!Gottfried!Magerl!und!Reinhard!Nick!(Hg.),!Evolution!–!Entwickling!und!
Dynamik!in!den!Wissenschaften,!Böhlau!Verlag!Wien!Köln!Weimar,!2010,!1070124.!
! 10!
Zweitens fehlt – folgerichtig – auch das Konzept eine
„Schöpfung“ im prägnanten Sinne der creatio ex nihilo
durch einen Schöpfergott, der in der Tradition ja auch
conditor mundi genannt wurde. Die Welt ist hier nicht
geschaffen, sie ist irgendwie plötzlich, wenn auch ohne
einen big bang, plötzlich „da“; wofür der sinojapanische
Terminus , kaibyaku, steht: Sie ist ihrem Wesen
nach „Hervorkommnis“; insofern unterscheidet sie sic
nicht von Natur im Sinne des shizen, , all dessen,
was „von selbst“ (ist, sozusagen). Dieser (östliche)
mundus increatus zeigt sich als ein geschlossenes Kon-
tinuum; außerhalb dessen keine „zweite“ Welt, weder in
einem platonischen Sinne (als ein adamantines Reich
der Ideen), noch nach einer wie auch immer gearteten
jüdischen oder christlichen Vorstellung. Es gibt nur die
manbutsu, , die Zehntausend Dinge, die alles sind.
Ludwig Wittgensteins berühmte Bestimmung variie-
rend, kann man sagen: Die Welt ist hier alles, und als
solches genau nur all das, was der Fall ist. - Also durch-
aus kompatibel mit dem, was Darwin „a web of com-
plex relations“ genannt hat. Natürlich entwickelt eine
solche Welt auch entsprechende Wahrnehmungsformate
für das Schöne; aber keinesfalls eine Idee vom Schönen,
auch nicht im abgeschwächten Sinne Hegels; - mono no
aware, sabi, wabi, yûgen, fûga no makoto, mezurashi,
omoshiroshi, okashi etc. sind keine Ideen; auch Zeami
Motokiyos viel beschworene „Blüte“, , hana, gehört
! 11!
zur Spezies der Ideen, wenn man sie in einem Dar-
winschen Horizont so nennen darf. Sie verfolgen auch
keine Ideen. Stattdessen meinen sie prägnante Formen
der Wahrnehmung, in denen sich ein bestimmter Bezug
zu den Dingen und den Zeichen manifestiert. In diesem
Sinne deute ich auch Lewin, wenn er seinen Aufsatz
„Mori Ôgai und die deutsche Ästhetik“ folgendermaßen
beginnt: „Der Begriff des Schönen ( bi) und die Be-
schäftigung mit dem Schönen war dem älteren Japan
selbstverständlich nicht fremd; allein schon Termini wie
mono-no-aware, okashi, yügen, wabi, sui u.v.a. (vgl.
Hisamatsu 1963) beziehen sich auf Aspekte des Schö-
nen, die beispielsweise in der traditionellen Literatur
Japans entdeckt und beschrieben worden sind. Doch die
Wissenschaft vom Schönen (
bigaku) als philoso-
phische Disziplin ist wie so manches materielle und
immaterielle Gut in der Meiji-Zeit aus dem Westen nach
Japan verpflanzt worden.“ – Zu diesen nach Japan ver-
pflanzten (immateriellen) Gütern gehört eben auch die
„Idee“ von der die abendländischen Philosophen und
Ästhetiker reden.
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Aber nun endlich zurück zu von Hartmann, einem der
temporären Leitfiguren Mori Ôgais, - der übrigens sei-
nerseits in Japan schon mit evolutionistischen Gedanken
Bekanntschaft gemacht hatte. - Ich rekapituliere: Eduard
von Hartmann war ein sehr abendländischer Metaphy-
siker. – Diese Aussage ist in unserem Kontext nicht so
trivial, wie sie vielleicht klingen mag: Friedrich Nietz-
sche hatte schon im Jahr 1874 von Hartmanns „Philo-
sophie des Unbewussten“ scharf kritisiert, ja als naiv
denunziert und von Hartmann selbst als „Modephilo-
söphchen“ (dis)qualifiziert, womit er allerdings dessen
Popularität und Erfolg als Schriftsteller – nicht ohne
eine Prise Kollegenneid - bestätigte. – Zwischen 1869
und dem Aufenthalt Ôgais in Deutschland erlebte von
Hartmanns „Philosophie des Unbewußten“ 20 Auflagen.
- Das Wort „Modephilosöphchen“ findet sich schon in
einem Brief Nietzsches vom 14. Juni 1874 an den Leip-
ziger Hofrat Marbach, einem von Nietzsche geschätzten
Übersetzer aus dem Altgriechischen. Ich zitiere die
Stelle, weil Nietzsche sich hier explizit auf die
ästhetische Urteilskraft von Hartmanns bezieht. – Be-
merkenswert ist auch, in welchen Zusammenhang
Nietzsche seine Bemerkung stellt. Er schreibt: „Was
Shakespeare angeht – kennen Sie das ekelhafte Pam-
phlet unseres Modephilosöphchen E. von Hartmann
gegen Romeo und Julia? Wir leben in einer wunder-
lichen Zeit; die deutsche Gesinnung knarrt in ihren
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Angeln; und die Gefahr ist gross.“ - Nietzsche schrieb
dies in einer Zeit, als Komponisten, die gezielt für die
„Massen“ schrieben, Salonmusik komponierten, „Mode-
komponisten“ genannt wurden. Offensichtlich sah er in
von Hartmann und seiner Philosophie analoge Fälle.
Wir sollten also – neben dem abendländischen Meta-
physiker – auf unserer geistigen Hinterhand halten, dass
von Hartmann – auch - ein Modephilosoph war, weil
diese Tatsache Ôgais Rezeption zweifellos beeinflusst
hat. Zu von Hartmanns „Philosophie des Unbewussten“
hatte Nietzsche angemerkt: „Selten haben wir eine lu-
stigere Erfindung und eine mehr philosophische Schel-
merei gelesen als die Hartmanns.“ - - Auf dem Ehren-
grab von Hartmanns auf dem Berliner Friedhof Colum-
biadamm kann man lesen, dass von Hartmann da ganz
anders dachte: „Die Macht der Philosophie ist die größte
Macht unter den Mächten des Geistes.“ Diese Grab-
schrift, scheint mir, sagt viel über das Macht-Pathos von
Hartmanns und seines Denkens aus, ein Pathos von dem
auch Raphael von Koeber getragen wurde, dessen Ein-
fluss auf die moderne japanische Philosophie und Lite-
ratur nicht unterschätzt werden darf:
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6!!In!der!Ausgabe!von!1884!abzurufen!unter:!
http://de.scribd.com/doc/178056332/Koeber0Das0Philosophische0System0Eduard0
Von0Hartmanns.!
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In seiner – als stark autobiographisch geltenden – Er-
zählung „Môsô“, „Illusionen“, von 1911, nennt Ôgai ne-
ben Schopenhauer, Stirner, Mailänder und auch Nietz-
sche vor allem Eduard von Hartmann und seine „Philo-
sophie des Unbewußten“ (von 1869) als die Autoren, in
deren Schriften er sein Lebensgefühl während seines
Deutschlandaufenthalts gleichsam gespiegelt sah; was
sachlich gesehen sehr merkwürdig ist. Denn hatte er aus
Japan wirklich ein Lebensgefühl mitgebracht, das sich
in diesen Schriften spiegeln konnte? Musste er es durch
die Lektüre nicht vielmehr erst lernen? Von Hartmanns,
des „Modephilosöphchen“, „Ästhetik“ bezeichnet er in
„Môsô“ als die „damals vollkommenste und außerdem
reich an schöpferischen Einsichten“ 7 . Ich persönlich
glaube, dass er von Hartmanns „Ästhetik“ erst nach sei-
ner Rückkehr nach Japan wirklich gelesen hat. Ist es
nicht merkwürdig, dass der Naturwissenschaftler Mori
Ôgai, wenn er sich nach mehr als 25 Jahren an seine
Epoche in Deutschland erinnert, nicht von Denkern wie
dem bereits genannten Fechner oder Lotze oder Wundt
spricht, welche die zeitgenössischen neuen Naturwis-
senschaften in ihr Denken – auf je eigene Weise – zu
integrieren versuchten? - Nishi Amane, Ôgais Onkel
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
7!!Alle!Zitate!aus!Môsô/Môzô!aus!der!deutschen!Übersetzung!von!Peter!Pörtner,!
abzurufen!unter:!http://de.scribd.com/doc/139953552/Peter0Portner0Mori0Ogais0
Moso0Mozo.!
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und der andere große Sohn Tsuwanos, hingegen hatte
sich am positivistischen Denken englischer und fran-
zösischer Provenienz orientiert. Das deutsche – grob
gesagt spekulative und idealistische – Denken blieb in
den ersten zwei Jahrzehnten der Meiji-Zeit in Japan
praktisch unbekannt und fand auch kaum Interesse.
Offensichtlich hatte der junge im Aufbau begriffene
Meiji-Staat andere Probleme vor Augen als die Idee des
Weltgeistes oder die des Schönen.
! 20!
verglichen wurde, mitten auf dem Meer ein Floß zu
bauen.
Ist Ôgais Bemerkung aus dem Jahr 1902, dass seine Be-
schäftigung mit der deutschen Ästhetik ein „chronisches
Leiden“ sei, nur ein launischer Stoßseufzer; oder möch-
te er andeuten, dass er die Schmerzen der Aneignung
eines Fremden exemplarisch in seiner Auseinanderset-
zung mit der deutschen Ästhetik erfahren hat? - Im-
merhin diagnostiziert hier ein Arzt einen repräsentativen
Teil seines Lebens und seiner Arbeit in medizinischen
Termini. - In „Môsô“ insistiert Ôgai – auch hier bemer-
kenswerter Weise mithilfe sehr europäischer Metaphern
– nachdrücklich darauf, dass die Menschen, er sagt: das
Kind, der Bürokrat, der Student, der Stipendiat, alle nur
Rollen spielen. Könnte es sein, dass Ôgai gerade im
Versuch der Aneignung des Fremden dieses So-tun-als-
ob besonders schmerzlich empfand? Ist es zu gewagt
oder gar abwegig, jene recht berühmte Peitschen-Passa-
ge in Môsô auch auf seine Rolle als „Kulturvermittler“
zu beziehen und in dem „chronischen Leiden“ an der
deutschen Ästhetik eine Folge des Zwangs, des viel-
leicht selbst-auferlegten Zwangs zu sehen, eine Arbeit
zu leisten, mit der er sich nicht wirklich, wie wir sagen,
„identifizieren“ konnte?! -
https://archive.org/details/zuranalysisderw00liebgoog.!
Zuletzt!aufgerufen!am!7.!Januar!2014.!
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„Der Mensch ist die Seele der Dinge“ - im Jahr 1897 er-
schienen war. Sein Titel: „Kann man die Ästhetik als
Wissenschaft etablieren?“ Im deutschen Original lautet
der Titel: „Ist Aesthetik als Wissenschaft möglich?“
Heinrich von Stein nennt als seine Referenzen: Fechner,
Vischer, Semper und Richard Wagner. Seine „Ein-
leitung“ lässt sich als eine implizite Kritik an der
Ästhetik Eduard von Hartmanns lesen. Die Nähe zu
Fechner ist offensichtlich. Zugleich liegt aber über dem
Ganzen – bei aller Wesens- und Innerlichkeitsorien-
tiertheit – auch ein sensibel selbstkritisch-skeptischer, ja
fast sprachkritischer Ton. Ich finde es sonderbar und
bedenkenswert, dass gerade ein Text, der die Rückwen-
dung auf die konkrete Kunstäußerung propagiert, ten-
denziell also der „japanischen“ Wahrnehmung des
Schönen sich annähert, Ôgais letzter Beitrag zum The-
ma war. Heinrich von Stein schreibt: „Aesthetik be-
deutet `Lehre vom Gefühl´. Man hat das Wesen der
Aesthetik nur unvollständig erfasst, wenn man sie als
Lehre vom Schönen definiert und durch halblogische
Schematisierungen oder durch Deduktionen aus einem
metaphysischen System zu erschöpfen meint. Die Auf-
gabe der Aesthetik ist eine Kühnheit. Man muss gleich-
sam das Senkblei von der Oberfläche in die Tiefe hinab-
lassen. Denn es handelt sich um das innere Menschen-
wesen. Der einzelne Mensch aber kennt seine eigene
Tiefe nicht, mit Überraschung wird es oft gewahr, wenn
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sie sich als unerwarteter Entschluss ihm kund giebt. Sie
ist eigenartig, unmittelbar. Es erhebt sich daher die Fra-
ge: Giebt es überhaupt eine Zusammengehörigkeit der
Menschen in bezug auf das Innere? Sind wir nicht in
unseren Gefühlen, ebenso wie in unseren Launen, indi-
viduell verschieden? Wie können wir auch nur gewiss
sein, ob wir alle bei demselben Worte genau dasselbe
empfinden?“ - Welche Gedanken gingen beim Lesen
oder auch beim Übersetzen dieser Worte, die von Hart-
mann (und seine philosophische Entourage) niemals
hätte akzeptieren können, Ôgai durch den Sinn? – Hein-
rich v. Stein fährt fort: „Kann man hier von Gesetzen
sprechen? Ist eine Wissenschaft hierüber denkbar? Dem
entgegen ist zu behaupten: Es giebt `grosse Kund-
gebungen des Gefühls´, die dennoch eine Aesthetik
möglich machen. Dies sind die Kunstwerke. (...) Die
Kunstwerke sind prägnante Fälle, an denen die That-
sachen des menschlichen Innern für die Aesthetik
fassbar werden.“ -
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