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Philosophie
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen.
Mit besonderer Berücksichtigung von Vaihingers Philosophie des Als Ob.
Von
Inhaltsübersicht.
I. Der Begriff der Fiktion und der Gegenstand rechtswissenschaftlicher Er-
kenntnis. Der Widerspruch zur „Wirklichkeit". Die Natur-Wirklichkeit und die
Hechts-Wirklichkeit. Die Erweiterung des Vaihingerschen Fiktionenbegriffes.
Echte Fiktionen der Rechts théorie. Das Rechtssubjekt.
II. Pie sogenannten „Fiktionen" der Rechtspraxis. Die Pßeudofiktionen
des Gesetzgebers, Ihr prinzipieller Unterschied gegenüber den erkenntnistheo-
retischen Fiktionen; Mangel des Erkenntniszwecks und des Widerspruchs zur
Wirklichkeit der Natur wie des Rechtes. Der Art. 347 des Deutschen Handels-
gesetzbuches. Die praesumptio juris. Die prätorischen Fiktionen.
III. Die „Fiktionen" der Rechtsanwendung. Die Analogie. Ihr unkorrigier-
barer Widerspruch zur Rechts-Wirklichkeit und ihre juristische Unzulässigkeit.
Die rechtlich gebotene Analogie.
IV. Rechtstheorie und Rechtspraxis. Die moralische Fiktion der „Freiheit".
Ihre Entbehrlichkeit bei Aufhebung des fehlerhaften Synkretismus von Seins- und
Sollens-Betrachtung. Die Fiktion des ,, Staatsvertrages". Ihre Entbehrlichkeit
vom Standpunkte des Rechtspositivismus.
V. Die Souveränität der Rechtsordnung. Die Unabhängigkeit des Rechts
von der Moral. Der angeblich fiktive Charakter dieser Isolierung. Die „prak-
tischen" Fiktionen Vaihingers. Die Rechtsnorm und die Rechtspflicht keine
Fiktionen.
I.
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. 63 1
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632 Hans Kelsen:
x) a. a. 0. S. 257.
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. Ö33
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634 Hans Kelsen:
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. 63 tj
*) a. a. O. S. 50.
*) Hier muß daran erinnert werden, daß Schloß mann (Persona und Tiçoaconor
im Recht und im christlichen Dogma. Kiel, 1906.) auch den Begriff der Rechtsperson
auf die Systematik des 17. Jahrhunderts zurückführt.
3) a. a. O. S. 52.
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636 HaDs Kelsen:
*) a. a. O. s. 223.
*) a. a. O. S. 173.
d) a. a. ü. S. 297.
4) a. a. S. S. 197.
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. 637
*) a.a. 0. S. 230.
2) ,jEine Lösung des sogenannten Welträtsels wird es nie geben, weil das
meiste, was uns rätselhaft erscheint, von uns selbst geschaffene Widersprüche sind,
die aus der spielenden Beschäftigung mit den bloßen Formen und Schalen der Er-
kenntnis entstehen." Vaihinger, a. a. O. S. 52.
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638 Hans Kelsen:
II.
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. gjç)
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64O Hans Kelsen:
x) a. a. O. S. 258.
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. 64 1
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642 Hans Kelsen:
x) a. a. 0. S. 70.
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. 643
2) a. a. 0. S. 697.
4i~
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644 Hans Kelsen:
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. 645
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646 Hans Kelsen:
III.
Schon aus dem eben Gesagten ergibt sich, daß in bezug auf
die Möglichkeit einer Fiktion - die von der Möglichkeit eines
Widerspruches zu der Rechtsordnung abhängt - die Rechts-
anwendung sich von der Rechtssetzung unterscheidet. Der Rechts-
anwender befindet sich den Rechtsnormen gegenüber tatsächlich
in einer ganz ähnlichen Situation, wie das mathematische Denken
gegenüber den Begriffen des Kreises, der Ellipse, der Krummen,
der Geraden usw. Der Richter, der Geschäftsmann, kann die
Normen nicht willkürlich ausdehnen oder einschränken, mit anderen
Worten: er kann nicht an beliebige Tatbestände beliebige Rechts-
folgen knüpfen. Wünscht er also einen Tatbestand unter eine
Rechtsnorm zu subsumieren, die diesen Fall nicht umfaßt, dann
ist allerdings die Fiktion nahegelegt: Den Fall so zu betrachten,
als ob er unter die Rechtsnorm fiele. Bedroht das Gesetz die
Beschädigung des Staatstelegraphen mit Strafe, läßt es aber die
gleiche Beschädigung des Staatstelephons unbestraft, oder setzt
es auf dieses Delikt eine - nach Ansicht des Rechtsanwenders -
zu milde Strafe, dann bedeutet es eine Fiktion, wenn der Richter
über den Telephonbeschädiger Strafe verhängt, die das Gesetz
dem Telegraphenzerstörer zugedacht hat, indem er die den Tele-
graphen schützende Norm zum Schütze des Telephons verwendet;
nicht als ob Telegraph und Telephon dasselbe wäre, das behauptet
ja der Richter nicht und will es nicht behaupten, sondern als ob
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. 647
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648 Hans Kelsen:
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. 64 q
IV.
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OCO Hans Kelsen:
x) a. a. O. S. 259.
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. gtji
als frei fingiert werden, damit das Sollurteil und mit ihm die
Pflicht zu handeln und eventuell anders zu handeln, als man
wirklich handelt, handeln muß und kann, möglich sei. Ein metho-
discher Fehler führt zu der Fiktion der Freiheit, die mit Erkenntnis
dieses Fehlers überflüssig wird. Nur so ist es zu erklären, daß
der Widerspruch zwischen der Freiheit der Ethik und Jurisprudenz
und der Unfreiheit der Naturwissenschaft überhaupt möglich wurde
und von beiden Seiten ignoriert werden konnte. Die ethische
Fiktion der Freiheit ist somit nur insolange nützlich und notwendig,
als es an der nötigen methodischen Einsicht fehlt. Und insofern
paßt auf sie Vaihingers zweites Hauptmerkmal der Fiktion:
„Ist ein Widerspruch gegen die Wirklichkeit da, so kann die
Fiktion eben nur Wert haben, wenn sie provisorisch gebraucht
wird. Bis die Erfahrungen bereichert sind, oder bis die Denk-
methoden so geschärft sind, daß jene provisorischen Methoden
durch definitive ersetzt werden können."1)
Die Fiktion des Staats Vertrages charakterisiert Vaihinger
nicht ganz richtig, wenn er behauptet: ,,Der Staat will sein fak-
tisch ausgeübtes Strafrecht nicht auf die Macht gründen, auch
nicht bloß utilitaristisch, sondern als wirkliches Recht nachweisen:
Das ist aber nur möglich durch Fiktion eines Vertrages: Denn
andere Rechte als aus Verträgen hervorgegangene kennt der Jurist
nicht. " Die Fiktion des Staats Vertrages dient wie die der Freiheit
nicht eigentlich zur juristischen Rechtfertigung der staatlichen
Straf- und Zwangsfunktion. Eine solche bedeutete ja nur: Be-
gründung auf einen Rechtssatz. Es gilt vielmehr, den Rechtssatz,
das heißt ja nichts anderes als die zwangsanordnende Norm selbst
zu begründen. Diese Begründung erfolgt durch eine höhere außer-
rechtliche Norm: Das' moralische oder „natürliche" Grundprinzip:
Pacta sunt servanda. Darum muß ein Vertrag fingiert werden,
nicht aber, weil der Jurist angeblich keine anderen Rechte kennt,
als solche, die aus Verträgen hervorgegangen sind. Das ist überdies
ein tatsächlicher Irrtum. Der Vertrag ist nur einer der vielen
Tatbestände, an die die Rechtsordnung Rechte und Pflichten knüpft.
Der Staats vertrag ist somit eigentlich keine rechtstheoretische,
sondern eine ethische Fiktion, die Fiktion einer moralischen Welt-
anschauung. Eine rechtstheoretische Betrachtung muß gerade diese
Fiktion - mit der Vorstellung einer sittlichen Begründung des
Rechts - fallen lassen.
x) a. a. O. S. 17.
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6ç2 Hans Kélsen:
V.
') a. a. O. S. 375-
2) a. a. O. S. 375.
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. 653
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6^4 Hans Kelsen:
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. 655
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656 Hans Kelsen:
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Zur Theorie der juristischen Fiktionen. 657
Gera
Geset
zum
*) a. a. 0. S. 70.
2) a.a.O. S. 171 ff.
Annalen der Philosophie. I. 42
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6j8 Hans Kelsen: Zur Theorie der, juristischen Fiktionen.
sich bei näherer Betrachtung gar nicht als solche Denkgebilde er«?
wiesen, deren Wesen und Erkenntniswert zu entdecken, das große
Verdienst Va i h i n g e r s ist . Dagegen weist die Rechtswissenschaft
andere, durchaus analoge Hilfsbegriffe auf. Doch fällt das Licht
auf diese Fiktionen nicht eigentlich aus der Rechtswissenschaft
- wie Vaihinger meint - # sondern umgekehrt: Die echten,
theoretischen Fiktionen der Rechtswissenschaft werden verständ-
lich durch die Fiktionen der Mathematik und der anderen Wissen-
schaften. Die Fiktionen der Rechtstheorie haben gar nichts spezi-
fisch Juristisches an sich, sie sind keine für die Jurisprudenz
charakteristische Methode.
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