Und irgendwo, in weiter Ferne manifestierte sich Trauer, zum greifen fast, und in der
Unendlichkeit des Todes vergoss mein unbekannter Freund eine Träne.
Es war getan!
2. Nigel der Niederträchtige
Der alte Mann zupfte an seinem zotteligen, vergilbten Bart herum, obwohl er die letzte Laus
dort schon vor drei Wochen entfernt und gegessen hatte. "Du suchst tatsächlich Nigel den
Niederträchtigen ?" frage er skeptisch den Ritter, der ihm gegenüberstand. "Ja, werter Herr."
erwiderte dieser knapp, aber freundlich. Der alte Mann schwieg eine Weile und murmelte
dann, als hätte er Angst, daß es jemand hören könnte "Mmh mmh, ich erinnere mich
tatsächlich an ihn.". "Exzellent !" freute sich der Ritter, dessen Plattenrüstung in der Sonne
unentwegt blitzte, "nachdem ich in Trinsic lange, aber vergeblich nach jemanden gesucht
habe, der ihn kennt, ist dies die beste Nachricht seit langen. Ich würde gerne von Ihnen
wissen, alter Mann, ob... " "Tsschhhhtt. " zischte der Alte, bevor ihn der Ritter mit seinen
Fragen bombardieren konnte, "nicht so laut. Wir gehen besser rein". Damit zeigte er auf eine
nahestehende Baracke, die genauso schäbig wie die restlichen Hütten des kleinen Nestes
westlich von Trinsic war. Als sie hinter der Tür in das Zwielicht der Behausung eingetreten
waren, fuhr der Ritter etwas leiser fort. "Ich würde gern wissen wo Nigel sich aufhält". "Das
wollt ihr wirklich ? Wieso eigentlich ?" fragte der Alte skeptisch. "Nun, er heißt nicht
umsonst Nigel der Niederträchtige. Ich und viele andere in Britain auch meinen, daß er den
Orks hilft, die Handelskarawanen zwischen Britain, Minoc und Vesper ausfindig zu machen
und zu überfallen. Er scheint einige Freunde in Cove zu haben, die ihm helfen. Die von den
Orks erbeuteten Waren werden von ihnen verschifft, südlich von Trinsic an Land und dann
irgendwo hier in die Gegend zu Nigel gebracht. Nigel verkauft sie stückweise an Händler aus
Buccaneer's Den und an einige Gilden. Für die Orks besorgt er aus einem Teil des Erlöses
Waffen und wer weiß was noch". Zornesröte machte sich im Gesicht des ehrbaren Ritters
breit, als er wieder über Nigels Taten nachdachte. "Nun sagt mir schon, wo ich ihn finden
kann". "Wenn ihr das unbedingt wollt...",murrte der Greis. "Hinter den Hütten beginnt ein
Weg, der durch die hohen Hecken gut versteckt ist. Ihr dürftet ihn aber zweifellos finden.
Diesem folgt ihr bis ins Moor. Haltet euch halbrechts, folgt dem Weg und geht dann über die
kleine Holzbrücke zu eurer Linken. Auf diesem Weg geratet ihr zu einem Turm, der auf dem
ersten Blick unbewohnt ist. Ist er aber nicht ! Ich würde auf jeden Fall nicht anklopfen". Der
alte Mann bekann plötzlich seltsam zu kichern, und der Ritter konnte nicht eindeutig
feststellen, ob es beginnender Wahnsinn oder Schadenfreude war. "Und jetzt geht. Geht
schnell !". Mit diesen Worten schubste der Alte den Ritter heraus und schmiss die Tür zu,
worauf zwei Ziegeln vom Dach fielen.
Der Weg durch das Moor war lange und anstrengend. Sein Pferd hatte er in Trinsic zur
Finanzierung seiner Reise verkaufen müssen, nachdem es vor der Bank einen unangenehmen
Zwischenfall gegeben hatte und er einen beträchtlichen Teil seiner Vorräte verloren hatte. Es
wurde immer nebeliger, und mit dem Nebel verstummten auch die Geräusche der Tiere. Nur
eine spezielle, unangenehme Spezies hatte einen Weg gefunden, ihre Schreie kilometerweit
hörbar zu machen. Die Hände des Ritters waren klamm, und die Füße hatten längst aufgehört,
dem eindringenden Wasser und Schlamm Widerstand zu leisten.
Es mochte Abend sein, als er endlich die kleine, baufällige Brücke erreichte. Diesmal
überprüfte er nicht, ob irgendwelche Brückentrolle zu entdecken waren, dazu hatte er jede
Lust verloren. Mit schweren Schritten ging er über die morschen Bretter und geriet auf einen
mit vielen Wurzeln von abgestorbenen Bäumen übersäten Weg. Diesem folgte er eine Weile,
und auf einmal bemerkte er, daß sich zu seiner Linken ein Turm von der allgegenwärtigen
Dunkelheit absetzte. Verwundert nahm er zur Kenntnis, daß der Turm früher vielleicht einmal
freundlich ausgesehen haben mochte, da er aus einem hellen Stein gefertigt war und große
Fenster besaß. Er schlich zuerst zum Eingang und lauschte vergeblich nach verdächtigen
Geräuschen. Danach wandte er sich der Rückseite des höchstens sechs Meter hohen Turmes
zu und entdeckte eine Art Kellereingang, den er vorsichtig öffnete und mit gezücktem
Schwert betrat. Er konnte fast nichts sehen, und er hätte auch eine Fackel angezündet, wenn er
nicht Nigel hätte überraschen wollen. Es gab zu dieser Zeit noch keinen Beweis für Nigels
Machenschaften, und er wollte zuerst nach Beweisen suchen. Als er Jahre später darüber
nachdachte, fand er diese Entscheidung dennoch sehr töricht, denn nach zwei Schritten
rutsche er auf blankem Moos aus und rutsche in die Tiefe. Es war stockdunkel, und der Ritter
versuchte zuerst, aufzustehen. "In Lor" ertönte aufeinmal eine etwas kratzige Stimme. "So so,
ein Ritter besucht mich hier. Wie nett !". Der Ritter fluchte, daß er nichts dabei hatte, um
schnell Licht zu machen. "Seid ihr Nigel, den man den Niederträchtigen nennt ?" "Oh, daß ist
aber gar nicht nett", kicherte die Stimme, "so weit sind schon die Sitten in Britannia verfallen,
daß Gäste den Gastgeber beschimpfen. Nennt mich doch einfach nur Nigel de Nujel`m, denn
der bin ich". "Ein wenig Licht könnte sicher nicht schaden." "Aber natürlich" säuselte Nigel,
und Sekunden später flackerte eine Fackel auf. Jetzt sah der Ritter, daß Nigel nicht alleine
war. Neben ihm standen zwei Halunken, die genauso schäbig wie der alte Mann im Dorf
aussahen. Nigel dagegen hatte seinen eigenen Stil gefunden, den der Ritter später als
"verrückter Kaufmann" beschrieb: schwarze Schuhe, weiße Strümpfe, bis zu den Knien
reichende dunkelrote Hosen, ein rot-goldener Wams aus Samt mitsamt Rubinen an den
Knöpfen und als Krönung ein irrer Hut, den selbst ein durchgedrehter Magier nie angerührt
und der jedem Hofnarr in das nächste Verlies gebracht hätte.
Der Ritter stand auf und verkündete mit nur leicht bebender Stimme "Nigel aus Nujel`m, ihr
werdet der Anstiftung zu Überfällen auf Karawanen und der Hehlerei bezichtigt. Was sagt ihr
dazu ?". Für einen Moment kehrte die unheimliche Stille des Sumpfes zurück. Die Miene von
Nigel verfinsterte sich. "Dies" antwortete Nigel knapp und machte eine kurze Handbewegung,
worauf sich hinter dem Ritter etwas rührte. Wer es war, konnte der Ritter nicht mehr
feststellen, denn ein dumpfer Schlag brachte ihn zurück auf den Boden, von dem er gerade
erst tapfer aufgestanden war.
"Ihr könnt hier nicht den ganzen Tag liegen bleiben" sagte eine vertraute Stimme, als der
Ritter mit den Augen blinzelte. Es war heller Tag, und sein Kopf dröhnte. Er fühlte sich
ansonsten ziemlich erleichtert. "Los los, aufstehen, ihr seid doch ein Ritter.". Der Ritter raffte
sich auf und sah etwas verschwommen den Alten, den er im Dorf getroffen hatte. "W-Was,
nein, wo bin ich, und was ist geschehen ?" "Nun ihr lagt hier am Boden am Rande des
Waldes, und ich habe euch gefunden. Was passiert ist, müsstet ihr besser wissen als ich, aber
da ihr gestern nach Nigel fragtet, denke ich, daß ihr ihn, oder besser gesagt, er euch getroffen
hat". Langsam kehrte die Erinnerung des Ritters zurück. Mit einem Mal wachte er endgültig
auf und schaute sich um. Seine Erleichterung betraf in erster Linie seine Ausrüstung,
insbesondere seine Rüstung, um die ihn Nigel erleichtert hatte. An ihrer Stelle befand
sich...Oh nein ! Beschämt merkte der Ritter, daß er eine giftgrüne Hose und ein hellblaues
Hemd trug. "Ihr kommt besser mit ins Dorf" meinte der alte Mann und führte ihn aus dem
Wald zurück an den Ausgangspunkt dieses "Abenteuers". Dank der Hilfe eines Edelmannes in
Trinsic (der herzlich über die Geschichte lachte, obwohl er über die Machenschaften von
Nigel weniger erfreut war) konnte der Ritter würdevoll und mit angemessenerer Kleidung
zurück nach Britain zurückkehren, wo er einen weiteren Plan schmiedete. Aber dies ist eine
andere Geschichte.
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3. Die Drachenritter
Die fähigsten und tapfersten Ritter des Landes treten in den Bund der Drachenritter. Dieser
Bund besteht lediglich aus acht Ritter, die Ihre persönliche Ehre längst bewiesen haben, und
für die höchsten Güter kämpfen. Drachenritter haben den Ruf einer Legende erhalten, und
viele sehen sie auf einer Stufe mit Dämonen und Geschöpfen der Magie, unwirklich, wie in
einem Märchen in einen Ewigen Krieg verfallen..
Von was für einer Rasse sie kommen ist gleich, ob Zwerg oder Elf ist einerlei, und Ihr
Glauben an die Ehre und Tugenden sind so groß, dass sie den persönlichen Hass nicht
kennen. Sie sind die besten aller
Krieger, gelehrt nach den alten Werten, Kämpfer für die Götter und die Drachen.
Sie ziehen durchs Land um das Böse zu bekämpfen. Ein richtige Heimat haben sie nicht. Sie l
assen sich
nieder wo sie gebraucht werden und ziehen weiter wenn sie ihren Auftrag erledigt haben. Jede
r von ihnen
besitzt magische Fähigkeiten und sie können einen Drachen heraufbeschwören, wenn sie woll
en. Sie
haben sich den Göttern verpflichtet und kämpfen, wie die Drachen, für diese und den Glauben
an sie. Sie
sind den Drachen eng verbunden man sagt sich das man sie schon mit ihren blinkenden Rüstu
ngen auf
Drachen hätte fliegen sehen.
Es sind nur Gerüchte wie selbst sie fast nur ein Gerücht sind da sie nie lange an einem Ort ver
weilen. Sie
sind wie ein Traum der kurz in den Köpfen der Menschen herumtoben und dann so schnell wi
eder
verschwinden als wären sie nie da
gewesen. Ihre Rüstungen sollen selbst Magische Fähigkeiten haben,
aber dies ist glaube ich nicht wahr. Man stellt sich das nur so vor aber es ist schon beeindruck
end.
Nie sah man einen Ritter ohne seine Rüstung. Sie sind alle gleich.: Silbern, aufwendig verziert
mit
Drachenbildern und Hörnern an Kopf , Schulter Rücken. Ihre Schilder tragen alle samt das Bil
d eines
feuerspuckenden Drachens in Rotschwarzer Farbe und ihre Schwertgriffe sind aufwendig ges
chwungen
so das man nie weiß wo sich ihre Hand befindet. Und selbst nach dem härtesten Kämpf, dem
wildesten
Ritt und dem stürmischen Regen sah man auch nur einen Kratzer oder Schmutzfleck auf ihrer
Rüstung.
Auch sah man noch nie eine schwere Verletzung an einen von ihnen als wenn sie sich währen
d dem
Kampf selbst Heilen würden. Ihre Pferde sind so schwarz wie die Nacht und mit Rüstungen
verziert, wie Ihre Reiter
und ihnen sind Flügel an den Seiten aufgemalt. Man sagt sich das sich diese Pferde selbst im
Kampfe in
einen Drachen verwandeln.
Ihre Waffen sind die Schwerter die sie immer bei sich tragen, und Streitäxte die an ihren Pferd
en
festgemacht sind. Ihr Schwerte leuchten beim Kampf in hellem Rot, als ob sie aus Feuer
wären, und Ihre Axt streift durch die Luft wie ein Vogel, bis sie die Körper der Feinde
durchfährt wie ein Drache die Lüfte.
Sie sind phantastische Einzelkämpfer und mit Gegner nicht aufzuwiegen. Sie sind schnell
und präzise, doch wenn man sie mal in der ganzen Truppe kämpfen hat sehen kommt man sic
h vor wie ein
schmächtiger Wurm. Es ist eine Tanz aus blitzenden Schwertern, blinkenden Schildern und fu
nkelnden
Rüstungen, sie arbeiten so zusammen als wäre es nur ein einzelner Kämpfer der seine Arme u
nd Beine
steuert. Es ist ein wahrhaftiges Schauspiel nur wenig Gegner sind ihnen ebenbürtig und man h
at noch nie
von jemanden gehört der Ihre Begegnung überlebt hätte.
Doch trotz all dem suchen sie keinen Kampf und sie sind es nie die den ersten Schlag tun. Vor
jedem
Kampf versucht ihr Anführer die Gegner vom Guten zu überzeugen. Sie kämpfen ausschließli
ch für das
Gute, sie verlangen keinen Lohn außer die Anerkennung Ihrer Ehre. Aber man ist selbst
so überwältigt wenn einer bei ihm einkehrt das man ihm alles geben würde. Wenn du mal in
Not bist
kannst du ja mal Probieren nach ihnen zu rufen vielleicht kommen sie ja auf Ihren Drachen
geflogen und helfen dir...
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4. Die Bewahrer
„....es ist nun schon viele Monde her, aber dennoch lassen mir die Erinnerungen an diesen Tag
keine Ruhe. Obwohl manche von mir behaupten, ich sei ein weiser Mann, komme ich mir
dennoch unwissend und klein vor. Über meine Träume, die mich sogar bei Tage heimsuchen,
habe mit noch niemandem gesprochen, wo sich das Geschehene, und im Besonderen dieser
eine Augenblick, immer wieder abspielt. Vielleicht sollte ich das Ganze niederschreiben, um
herauszufinden ob es nun ein Fluch oder Segen war, der über mich gekommen ist.....nun ja,
vielleicht...
Es war einer dieser heißen Tage, an denen Tadoryn’s Macht unbarmherzig alles und jeden zu
umfangen schien. Obwohl jeder jammerte, wie heiß es doch sei, hatte alles seinen gewohnten
Gang genommen, und der Dorfplatz lebte förmlich vor Menschen. Die Sonne mag wohl
gerade im Zenit gestanden sein, als ein Schrei von der westlichen Seite der Straße, die durch
unser Dorf führte, ertönte. Soweit meine Erinnerungen zurückreichen, schlenderte ich zu
diesem Zeitpunkt gedankenverloren über den Platz....oder vielleicht hielt ich auch nur nach
einem schattigen Plätzchen Ausschau, um meinem wohlgenährten Bauch etwas Ruhe zu
gönnen....ist ja auch egal, was soll’s.
Ich war mir sicher, daß der Schrei, der mich herumfahren lies, von Yarick zu kommen schien.
Was dieser Nichtsnutz wohl jetzt wieder verbrochen hatte? Vermutlich hat ihn Haruthil, der
Wirt, ihn wieder mal aus der Taverne geworfen, weil sich Yarick wieder einmal vollaufen hat
lassen. Meine Neugier war jedoch geweckt, obwohl ein betrunkener Mann namens Yarick
nichts Neues, geschweige denn Aufregendes war. Aber das lag eher daran, daß sich einige
Männer und Frauen mit eiligen Schritten in diese Richtung bewegten, welches bei einem von
Yarick’s Anfällen normalerweise nicht der Fall ist. Als ich schlussendlich zu der Quelle des
kleinen Auflaufs, der sich mittlerweile gebildet hatte, vorstoßen konnte, bot sich mir ein
seltsamer Anblick: Ein in eine schlichte Robe gehüllter Mann, zur Rechten gestützt auf seinen
Stab und zur Linken auf Yarick. Es waren zwar keine Wunden oder andere offensichtliche
Verletzungen zu sehen, doch konnte man klar erkennen, daß dieser Mann am Ende seiner
Kraft war, da sich gerade noch auf den Beinen halten konnte, und von Yarick regelrecht
mitgeschleift wurde.
Yarick könnte man nicht unbedingt als kräftig bezeichnen, höchstens sein rechter Arm war
gut durchtrainiert.....vom Stemmen der Bierkrüge in der Taverne. Und so geschah das
Unvermeidliche, der Fremde stolperte, wobei weder der Stab, noch Yarick, den er mit sich
riss, den Sturz verhindern konnten. Bei dem daraus entstehenden Tumult, löste sich ein
kleines Objekt aus der Robe des Fremden, das unweit von meinen Füßen landete. Ein
seltsames Ding, das da vor mir lag. So seltsam, daß ich es in diesem Buch nicht beschreiben
mag. Die anderen Anwesenden konzentrierten sich so sehr auf den gestürzten Mann, der
anscheinend im Begriff war in Bewusstlosigkeit zu versinken, daß niemandem dieses kleine
Kleinod auffiel. Ohne nachzudenken, meine Neugier war schon seit meinem Kindesalter
unstillbar und brachte mich auch in so manche unerwünschte Situation, griff ich nach dem
Objekt. Als sich meine Finger um das Kleinod schlossen, geschah es. Nur für einen
Herzschlag, einen Augenblick, nicht zu messen nach weltlichen Maßstäben, und doch
wiederum eine Ewigkeit lang, durchfuhr es mich. Dieses unsagbare, nicht erklärbare Gefühl
von Schmerz und zugleich Erfüllung, auf magische Art und Weise ineinander verschmolzen,
durchflutete mich. Erfüllung, anders kann ich das Ganze nicht beschreiben. Lange war es her,
daß es so etwas verspürte. Magie!
Ohne Zweifel war dieses Kleinod magischer Natur, und obwohl mich die Kraft schon lange
verlassen hatte, erinnerte ich mich in diesem Moment, wie es war....damals. Irgendetwas
lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf der realen Welt. Jemand, ich glaube es war Barahn,
schlug vor „Ich denke, das es das Beste ist, wenn wir den Fremden in das Haus von Illion
bringen!". Illion war der Heiler des Dorfes, er war nur um ein paar Jahre jünger als ich, aber
wurde nichtsdestotrotz wegen seiner Gutmütigkeit und Weisheit respektiert. Leider war Illion
an diesem Tage unterwegs, bei der Frau eines Bauern, dessen Hof an das Dorf grenzt, setzte
die Geburt ihres Kindes ein. Das hieß, daß der Heiler nicht vor dem nächsten Tag wieder
zurück sein würde.
Da lag er nun, dieser Fremde, auf einer Bahre in Illion’s Haus. Ein Großteil der Leute war
verschwunden, gingen wahrscheinlich wieder ihren Beschäftigungen nach. Keiner wagte
etwas zu sagen, man spürte die Anspannung, die die Anwesenheit des Fremden verursachte,
regelrecht in den Nackenhaaren, und daß, obwohl sein Geist noch immer in Bewusstlosigkeit
trieb. Die Sonne war am Firmament noch nicht sehr weit gewandert, als der Mann plötzlich
die Augen aufriss und seinen Oberkörper aufrichtete, das Gesicht immer noch von der
Entkräftung gezeichnet. Er starrte einen Moment lang ins Leere, murmelte ein paar seltsame
Worte, nur um anschließend wieder in sich zusammenzusacken. Trotz der vielen Reisen in
meiner Jugend waren die Worte des Mannes fremd für mich, ich will schon gar nicht an die
anderen denken....als ob Yarick überhaupt denken kann! Vorsichtig näherten wir uns dem
leblosen Körper, untersuchten ihn irgendwelche Lebenszeichen. Barahn hielt seinen Zeige-
und Mittelfinger auf den Hals, schüttelte jedoch nach ein paar Sekunden traurig den Kopf.
Wer immer dieser Mann war, seine Geheimnisse behielt er wohl für immer bei sich.
Als ich mich fragte, wer er gewesen sein wird, beobachtete ich ihn das erste Mal intensiver,
vielleicht konnte ich dadurch Aufschlüsse über seine Herkunft erfahren. Aber das Ergebnis
war ernüchternd. Der Mann besaß keine nennenswerten Sachen kein Geld, nur ein paar
Rationen getrockneter Früchte und ein Wasserschlauch. Lediglich die linke Hand wies einen
mit einem kleinen Edelstein, ich vermute ein Smaragd, besetzten Ring auf. „Nun, ich finde
wir sollten ihm zumindest eine entsprechende Beisetzung geben. Leider scheint er aber ein
besitzloses Leben geführt zu haben, obwohl...", dabei fixierte Yarick den Ring, „...dieses
kleine Schmuckstück würde die Unkosten sicherlich decken!"
„Und wer wird dem Leichnam diese letzte Ehre geben, DU etwa?" „Warum nicht?" zischte
Yarick zurück zum Gegenüber, der ihn mit einem scharfen Blick fixierte. „Schließlich habe
ich ihn gefunden, ihn hierher geschafft, und das er stirbt, das ist ja nicht meine Schuld. Ich
habe also alles Recht der Welt." Bei diesen letzten Worten machte sich Yarick bereit daran,
den Ring vom Finger zu streifen, welches sich aber zu einem hoffnungslosen Unterfangen
entwickeln schien, da sich der Ring beharrlich weigerte, seinen Besitzer sogar nach dessen
Tode zu verlassen. Angewidert von Yarick’s Verhalten, verließ ein Teil das Haus, nur
Yarick‘s sogenannten Freunde blieben zurück, welche aber regungslos vor sich hingafften,
und natürlich ich, der unscheinbare Alte. Den anderen fiel nichts auf, selbst mir wäre dieses
kleine Detail beinahe entgangen. Die rechte Hand des Fremden wies auf der Hand eine kleine
Tätowierung auf, welche die Form eines Kreises hatte...oder war es vielleicht ein Ring, der
dargestellt werden sollte? Ich kam jedenfalls nicht mehr dazu, diese eingehender zu studieren,
da sich Yarick daran machte, den Finger mit einem Dolch von der Hand zu trennen, um auf
diese Art und Weise an den Ring zu gelangen. „Bist du jetzt vollkommen übergeschnappt,
Yarick? Willst du unbedingt die Götter erzürnen, und ihre Aufmerksamkeit auf unser Dorf
lenken, bei Tadoryn?!" hörte ich mich brüllen, besonders die Erwähnung Tadoryns verfehlte
nicht die beabsichtigte Wirkung. Als mein Zorn zum Teil verraucht war, verließ ich
kopfschüttelnd und angeekelt das Haus, denn an solchen verruchten Taten wollte ich weder
teilhaben, noch zusehen.
Bis zum Abend war es nicht mehr weit, welcher die Hitze vertreiben und etwas Abkühlung
bringen würde. Vielleicht kühlte auch die Gemüter einiger Hitzköpfe, andererseits bezweifle
ich stark, daß man durch Frischluft oder ähnliches bei Yarick jemals irgendetwas positives
erreichen würde. Da saß ich nun. Der Brunnen, der sich in der Mitte des Dorfes befand und
sich harmonisch mit meinem Rücken verstand, spendete zumindest ein wenig Schatten. Über
die Vorfälle grübelnd, saß ich im Schatten meines Gönners, behielt aber meine Blick auf
Illion’s Haus gerichtet. Meine harschen Worte mussten sie ziemlich eingeschüchtert haben,
denn keiner kam seit meinem Verlassen aus dem Haus heraus.
Die Sonne war schon im Begriff ihre tägliche Runde am Firmament zu beenden, als sich ein
weiterer Schatten zu dem des Brunnen gesellte. „Man sagte mir, daß ein Freund von mir in
das Haus des hiesigen Heilers gebracht wurde. Ich wäre euch verbunden, wenn ihr mir den
Weg dorthin weisen könntet!?" Die Stimme war mir unbekannt, und doch, auf eine Art und
Weise vertraut, freundlich und doch distanziert. Im nachhinein betrachtet, denke ich, daß der
Unbekannte, der plötzlich aus dem Nichts aufzutauchen schien, irgendeinen Zauber wirkte.
Denn ohne jeglichen verräterischen Gedanken, der mich warnte, plapperte ich wie ein kleines
Kind munter drauf los. „Ihr könnt das Haus nicht verfehlen, es befindet sich gleich dort
drüben!" wobei ich mit meinem Finger Richtung Illion’s Haus wies.
Plötzlich durchfuhr mich einer von Allsun Blitzen. Das Kleinod! „Wartet!" schoss aus mir
heraus, wobei der Fremde gerade ansetzte, sich gen Haus zu bewegen. Während ich mich, auf
meine Holzstock aufstützend, aufrichte, drehte sich der Mann bedächtig um, wartete einen
kurzen Augenblick und überwand die 2 Meter weite Kluft, die zwischen uns beiden herrschte,
mit einem Schritt. Angesicht zu Angesicht fiel mir auf, daß dieser Unbekannte vor mir, mit
einer ähnlich schlichten Robe bekleidet war, wie der Fremde im Haus. Mit meiner linken
Hand griff ich in meine kleine Gürteltasche, hielt in einem Moment der Unschlüssigkeit aber
kurz inne. Als ich jedoch seinen smaragdgrünen Augen begegnete, umfingen mich diese
regelrecht, fragend und neugierig. In diesem Augenblick war alles klar, kein Zögern mehr.
Meine Finger schlossen sich um das Artefakt, holte es aus dem Beutel und streckte das
Kleinod dem Fremden entgegen, in der Sicherheit das Richtige zu tun. Unserer beider Augen
waren immer noch durch ein seltsames, irgendwie magisches Band verbunden, als er mit
beiden Händen meine Hand mitsamt dem Kleinod umfasste. In den vergangenen und auch
zukünftigen Tagen und Nächte werde ich diesen Augenblick nie vergessen. Es war wie eine
gewaltige Flut, ähnlich dem Erlebnis, das ich hatte, während ich das Artefakt das erste Mal
berührte. Jedoch war dieses Erlebnis ungleich intensiver, während das Gefühl, das durch das
Artefakt hervorgerufen wurde, mit einem Bach vergleichbar wäre, so war dies jetzt ein
tosendes Meer, welches mich bis in den hintersten Winkel meines Körpers, meiner Seele
durchflutete. Dieses Prickeln, als würde wie früher wieder die Magie durch mich strömen! Ein
Augenblick, vereint mit der Ewigkeit, war die Dauer dieses Unfassbaren.
Ich stand noch einige Zeit lang so da, die leere Hand ausgestreckt, gedankenverloren.
Nachdem ich meine Sinne wieder gesammelt hatte, machte ich mich zu der kleinen
Menschentraube auf, die sich vor Illion’s Haus gebildet hatte. Wie sich herausstellte, war der
leblose Körper des Fremden, und alles was er mit sich führte, verschwunden! Noch seltsamer
ist wohl, daß sich Yarick und seine ‘Freunde‘ an nichts mehr erinnern, was den Fremden
betraf. Weder seine Ankunft im Dorf, sein anscheinendes Ableben, noch sein Verschwinden.
Ledigleich eines ist zurückgeblieben, das auffiel....oder sollte ich vielleicht eher sagen
‘verschwunden‘. An Yarick’s linker Hand fehlte der Ringfinger! Obwohl es für mich
sicherlich eine Tragödie größeren Ausmaßes wäre, einen Teil meiner Hand zu verlieren, so
versetzte mich diese Situation doch in ein gewisses Entzücken......"
„....Nachdem ich das Geschriebene des letzten Tages noch einmal Revue passieren lies,
erscheint mir so einiges klarer. Kein Fluch war es, den der Fremde auf mich rief, vielmehr
erkenne ich jetzt klar und deutlich, daß er mir mein Leben zeigte, daß ich vor so langer Zeit
verlor. Noch hier und jetzt, in dieser Nacht, werde ich aufbrechen und mein Leben suchen,
das lange verloren galt. Ich werde diese Fremden suchen, die einen Blinden wieder sehend
machten.....vielleicht können SIE mir Antworten geben.....können mir helfen, Aranyl
Loreander wieder zu finden....vielleicht!"
Auszug aus dem Tagebuch von Orymar, einem alten Mann aus Ethin;
130 nach dem Ringkrieg
So mystisch wie die Artefakte selber, die sie suchen und aufbewahren, so mystisch sind die
Bewahrer. Zum Teil werden die Bewahrer ins Reich der Legenden abgetan, dennoch
existieren einzelne, teilweise bruchstückhafte Schriften, die auf die Existenz dieser Geheimen
Gesellschaft hinweisen. Die Spekulationen über die Gründung des Ordens und ihres Zwecks
gehen weit auseinander: So besagt eine der Verbreitesten, daß der Orden von Gorgard oder
einem seiner Schüler gegründet wurde. Was die Aufgabe der Bewahrer angeht, so besagen
Gerüchte, daß sie die mächtigsten magischen Gegenstände suchen, unter anderem auch den
RING, und diese aufbewahren, um eventuellen Missbrauch durch dunkle Mächte zu
verhindern.
Es gibt aber auch Vermutungen, daß es sich dabei ‘lediglich‘ um eine Gruppe von mächtigen
Magiern handelt, die sich das Ziel gesetzt hat, verloren geglaubtes Wissen aufzubewahren.
5. Die Schlacht um Utasgarth
Die varenischen Truppen haben in den vergangenen 20 Jahren, in denen der Krieg, der überall
als der zweite Götterkrieg bezeichnet wird, tobt, schon fast den gesamten Kontinent besetzt.
Nur die Länder der Sindarin, geschützt durch die Naturgewalten und uralte Magie, die Wüste
von Yorelion, die Nordländer und die Stadt Utasgarth sind noch nicht vollkommen von der
Finsternis verschlungen.
Doch die Sindarin werden von Angriffen durch ihre uralten Feinde, den Drachen der tiefen
See, geschwächt, die Nordlande von den Kriegern Arktis', der Göttin des Eises, überrannt.
Die Wüste Yorelion wird von den Katsin verteidigt, doch mit der Erschaffung der Sandrose
sind auch sie von einem übermächtigen Feind bedroht.
Die Stadt Utasgarth wird seit fünf Jahren belagert, von einer Armee die ein vielfaches ihrer
Einwohnerzahl beträgt. Seit fünf Jahren hat die Sonne nicht mehr über der Stadt geschienen.
Nur ihr natürlicher Schutz und ihre günstige Lage haben sie bisher vor der Eroberung
bewahrt. Doch langsam scheint sich das Schicksal gegen die Stadt zu wenden.
Die Belagerten haben beinahe all' ihre Hoffnung verloren, sie halten sich nur noch, weil sie
fürchteten, daß sie bei einer Eroberung den Untoten überlassen werden.
Inmitten dieser Hoffnungslosigkeit sitzt ein junger Mann, seine Kleidung verschlissen, seine
Waffen schartig. In seiner Hand hält er eine Leier, ein einfaches Instrument.
Nicht sonderlich verziert, aber sorgfältig gepflegt, so als wäre sie von unschätzbaren Wert.
In Gedanken verloren starrt er das Instrument an, denkt an die Hoffnungslosigkeit, denkt an
seine verlorenen Träume, denkt daran, wie er in diese Stadt, wie er zu der Leier kam.
In seiner Erinnerung sieht er wieder ein brennendes Haus, nein mehrere brennende Häuser,
ein brennendes Dorf. Sein Heimatdorf.
Er weiß nicht, warum die Wesen in das Dorf kamen, warum sie es zerstörten. Er kann sich nur
noch daran erinnern, wie sie aussahen: Widerlich, wie Menschen, aber als ob sie
auseinanderfallen.
Mit ihrem Kommen war die Sonne vom Himmel verschwunden. Sie töteten alles, jedes
Lebewesen, das sie sahen. Die Bewohner wehrten sich, doch die Wesen starben nicht, sie
schienen die Wunden gar nicht zu spüren.
Er sah sie aus seinem Versteck in der Scheune, in dem er im frisch eingefahrenen Heu
gespielt hatte. Von dort sah er, was passierte, aber er hatte zuviel Angst, er konnte nicht
schreien, nicht weinen, nicht laufen.
Eines der Wesen kam in die Scheune und sah ihn an, er konnte es genau erkennen. Langsam
hob es seine Axt, hob sie über den Kopf. Wie versteinert saß er da und wartete auf den
Schlag. Das Wesen musste jeden Moment zuschlagen. Doch bevor es dazu kam, erklang
plötzlich eine seltsame Melodie.
Diese Melodie schien die Scheune mit Licht, mit Wärme und mit Geborgenheit zu füllen. Er
vergaß seine Angst, schöpfte Mut und sah erstaunt, wie das Wesen, dieser scheinbar
unverletzbare Mensch, von diesem Licht eingehüllt und in Staub verwandelt wurde. Dort, wo
das Wesen vor einem Wimpernschlag noch stand, lag nur noch die Axt, und auf dem Boden
wuchs eine kleine Blume, ein Schneeglöckchen.
Verwundert starrte er auf die Blume. Auf einmal hörte er eine Stimme neben sich. Erschreckt
drehte er sich um. Doch dort war nichts zu sehen.
"Keine Angst, ich tue dir nichts", sprach die Stimme weiter. Dann trat aus dem Nebel eine
Gestalt hervor, doch keine unheimliche, bösartige, sondern scheinbar ein Mensch.
Aber er sah seltsam aus, anders als die Leute aus seinem Dorf. Er trug eine Hose und eine
Weste, beide in Rot und Braun, aber seltsamerweise immer von einem Grauschleier umgeben.
Das seltsamste war der Umhang, er hatte die Farben des Regenbogens, aber wie durch einen
Nebel betrachtet. Noch etwas anderes war seltsam, die Flöte, die der Fremde in der Hand trug,
sah komisch aus. Sie war zwar braun, wenn auch mehr gelbbraun, aber auch irgendwie
durchsichtig, und das Material war auch kein Holz oder Metall, sondern etwas anderes, ihm
unbekanntes.
Der Fremde sprach weiter: "Komm mit, Kleiner, ich bringe dich erst einmal an einen
angenehmeren Ort. Unter den ganzen Toten ist es doch recht ungemütlich. Außerdem wird es
mir hier zu kalt." Der Fremde nahm ihn auf den Arm, sprach weiter beruhigend auf ihn ein,
summte dabei eine leise Melodie. Kurz darauf schlief er ein.
Als er wieder aufwachte, schien die Sonne. Er lag in einem bequemen Bett, ordentlich
zugedeckt. Am anderen Ende des Zimmers saß eine Person, ein alter Mann mit einem langen
weißen Bart und fragte ihn: "Na Kleiner, gut geschlafen?" Etwas verwundert rieb er sich die
Augen und sah sich um. Wie kommt er hierher? Wo ist die seltsame Gestalt geblieben? Der
Weißbart sprach weiter: "Nebelwanderer hat dich hier abgesetzt. Er bat mich, auf dich
aufzupassen, bis du alt genug bist um auf dich selbst aufzupassen. Aber ruh' dich erst noch
mal etwas aus, das Ganze muss dich doch ganz schön mitgenommen haben. Iß erst mal
etwas."
Immer noch verwundert stand er auf. Gehorsam zog er sich an und setzte sich an den Tisch.
Das Essen sah zwar seltsam aus, schmeckte aber gut. Nach dem Essen hatte sich der erste
Hunger gelegt, und auch die Angst wurde langsam von der Neugier verdrängt.
Er fragte: "Was ist passiert?" Der alte Mann erwiderte: "Darf ich mich erst einmal vorstellen:
Ich bin Tewes. Und wie heißt du?" Sofort sprang er auf, verneigte sich und sagte: "Mein
Name ist Fjodor, Herr." Tewes musste schmunzeln: "Nicht so förmlich, mein Kleiner. Du bist
hier unter Freunden. Du wunderst dich sicher, warum du hier bist, nicht wahr?"
"Ja", er nickte zu dieser Antwort.
"Gestern Nacht wurde dein Dorf von einer Horde Untoter zerstört. Ein guter Freund von mir
kam noch gerade rechtzeitig, um dich zu retten."
Mit einem Schlag fiel ihm wieder ein, was in der vergangenen Nacht passiert war. Sofort sah
er wieder trauriger aus. Nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte, fragte er: "Dann war es
kein Traum? Dann sind alle tot?"
Tewes schaute ihn freundlich an und sagte: "Deine Eltern sind tot, Kleiner. Für sie kam jede
Hilfe zu spät." Fjodor fing unkontrolliert an zu schluchzen, Tränen liefen über sein Gesicht.
Tewes nahm ihn in die Arme und tröstete ihn, so gut er konnte, bis er schließlich wieder
einschlief.
Am nächsten Morgen wachte er wieder auf. Er guckte aus dem Bett, sah, daß er immer noch
an diesem seltsamen Ort war und sagte enttäuscht: "Dann sind sie wirklich alle tot. Ich habe
es nicht nur geträumt." Tewes nickte erst, schüttelte dann den Kopf. "Leider, kleiner Fjodor.
In Zukunft wirst du wohl bei mir wohnen müssen."
Zuerst sah es so aus, als ob er gleich wieder losweinen möchte, doch dann setzte er sich auf
und machte den tapfersten Gesichtsausdruck den er zustande bringen konnte. Dann nickte er.
"Na also", meint Tewes, "dann werden wir erst einmal etwas essen. Danach zeige ich dir dein
neues Zuhause."
Die nächsten Tage vergingen wie im Fluge. Über all das Neue, was er sah, vergaß er
schließlich seine schlimmen Erlebnisse. Und immer, wenn sie doch einmal wiederkamen und
er nicht schlafen konnte, setzte sich Tewes zu ihm und sang ein Lied und spielte auf seiner
Harfe. Er verstand niemals ein Wort dieses Liedes, doch jedes Mal, wenn er es hörte,
verschwand seine Angst wieder, und er konnte weiterschlafen.
Eines Tages fragte er Tewes:" Du Tewes, kannst du mir auch beibringen, wie man so schöne
Lieder singt? Und wie man Harfe spielt?"
Tewes sah ihn lange an, nickte schließlich und meinte: "Ich denke schon. Aber es dauert
lange, es zu lernen, und es ist schwierig. Aber wenn du willst, bringe ich es dir bei." Er tanzte
vor Freude: "Ja, ja, ich möchte auch Musik machen können. Danke Tewes!" Dieser
antwortete: "Nun, dann las uns gleich anfangen."
Fast 10 Jahre lang lernte er dann den Umgang mit der Leier, derselben Leier, die er noch
heute besitzt. Er lernte die Leier zu spielen, er lernte dazu zu singen, genauso wie es andere
Musiker auch lernten. Aber er lernte noch mehr.
Er lernte, wie die Musik aussieht, wie sie sich anfühlt.
Er lernte, daß man mit Musik heilen kann, daß man mit Musik sprechen kann und daß man
mit ihr Hoffnung geben kann.
Doch daneben bildete ihn Tewes auch im Umgang mit dem Stab und dem Dolch aus. Er
erzählte niemals warum, doch es schien ihm wichtig zu sein.
Eines Tages sah Tewes ihn an und sagte: "Ich habe dir vieles beigebracht, aber nun ist es
soweit. Unsere Wege müssen sich trennen. Während du hier bei mir warst, ist die Finsternis,
die einst dein Dorf vernichtete, weitergezogen. Sie hat sich ausgebreitet, so wie eine
entzündete Wunde sich ausbreitet.
Dir wurde geholfen, aber nun bedürfen andere deiner Hilfe. Du musst dieses sichere Haus
verlassen und hinausziehen. Du musst den Menschen helfen sich zu wehren, du musst ihnen
Hoffnung geben, wo alles verloren scheint. Nun, Lebewohl."
Mit diesen Worten ging Tewes davon, einfach in den Wald hinein. Er sah ihm lange nach,
doch als er sich umdrehte, um in das Haus zu gehen, war es verschwunden. Anstatt des
Hauses war dort ein Dorf zu sehen, oder vielmehr das, was noch davon übrig war. Er drehte
sich nochmals um, doch dort war kein Wald mehr, sondern eine weite Ebene.
Er war etwas verwirrt, doch da er nicht wusste was er tun soll, beschloss er, zuerst in das Dorf
zu gehen und dort nach Menschen zu suchen.
Das Dorf war verlassen, keine Menschenseele zu sehen. Nur Ruinen, aber nichts was auf
Leben hinwies.
Lange stand er vor den Ruinen, unentschlossen was er tun soll. Erst nach einer ganzen Weile
entschloss er sich, der Straße zu folgen, die aus dem Dorf herausführte.
Die Straße war leer und schien in die Unendlichkeit zu führen. Weit und breit nichts außer
unbestellten Feldern, Hecken, Bächen und gelegentlich einigen Bäumen.
Geraume Zeit wanderte er so dahin, bis er plötzlich aufmerkte. Nicht weit von ihm, unter
einem der Bäume saß eine Gestalt. Scheinbar hatte sie ihn noch nicht bemerkt, zumindest
schien sie nicht in seine Richtung zu blicken.
Unentschlossen wartete er. War es ein Freund oder ein Feind?
Auf einmal sprach die Person ihn an, und er hörte, daß es offensichtlich ein Mann war, noch
nicht allzu alt. "Willst du dahinten Wurzeln schlagen, oder überlegst du wie du mich am
besten hinterrücks überfallen kannst?"
Nun war er wirklich überrascht. Er stammelte ein "Nein, ich..." vor sich hin, bis es dem
Anderen wohl zu dumm wurde. "Was ist nun? Wenn du noch lange wartest, ist meine Suppe
alle, dann kann ich dich nicht mehr einladen."
Das genügte um ihn wieder auf klare Gedanken zu bringen. Er hatte nichts zu essen, zu
trinken und keine Ahnung, wo er war. Er ging auf die Person zu.
Als er näher kam, konnte er sie genauer erkennen. Es war tatsächlich ein junger Mann, wenn
auch etwas älter als er. Er trug die übliche Kleidung eines Schäfers, schien aber Hund und
Stab vergessen zu haben. Sein Gegenüber hatte kurzes, braunes Haar und einen zur Zeit recht
amüsierten Gesichtsausdruck.
"Wenn du noch lange wartest wird die Suppe kalt", spöttelte sein Gegenüber, "Aber erst
einmal Hallo und Herzlich Willkommen an diesem wunderschönen Fleckchen Erde. Ich heiße
übrigens Targon."
Mit diesen Worten reichte er ihm die Hand. Nun riss sich auch Fjodor wieder etwas
zusammen. "Ich bin Fjodor. Danke für die Einladung." Er schüttelte die angebotene Hand.
"Ist doch gern geschehen. In diesen Zeiten freut man sich über jedes freundliche Gesicht. Und
jetzt iss erst mal, du siehst ja schon ganz verhungert aus."
Dankbar nahm er die Suppe entgegen, die Targon ihm reichte. Dieser grinste auffordernd und
fing an zu essen. Auch er ließ sich nicht lange bitten und aß die Suppe. Sie war schon recht
kühl und schmeckte etwas eigenartig. Als er Targon dementsprechend ansah, zuckte dieser
verlegen mit den Schultern und meinte: "Nun ja, ein Meisterkoch bin ich nun nicht unbedingt.
Aber besser als hungern ist es allemal." Und nach einer kleinen Pause fügte er hinzu: "Du
kannst nicht zufällig kochen, oder?"
Verlegen schaute er auf den Boden: "Na ja, nicht sonderlich gut, aber ein bisschen hat Tewes
mir beigebracht."
"Das ist hervorragend!" jubelte Targon. "Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mich dir
anschließe, nicht wahr?"
Nun war es an seiner Reihe zu schmunzeln. "Nein, eigentlich nicht. Aber ich weiß noch gar
nicht, wo ich hin will."
"Das ist nicht weiter schlimm. Mit einem kochendem Musikus würde ich fast überall
hinziehen. Aber wenn ich einen Vorschlag machen darf, las uns erst einmal nach Hüttenstein
gehen, das liegt ganz in der Nähe. Gegen Abend könnten wir schon dort sein."
Er stimmte zu und so machten sie sich gemeinsam auf den Weg.
Sie marschierten so eine Weile durch die Landschaft, und die bisherige Hügellandschaft
begann in Wald überzugehen. Schon wurde es dämmrig, was Targon beunruhigte. "Es wird
schon früh dunkel für diese Jahreszeit. Ich hoffe, wir erreichen Hüttenstein bevor es richtig
dunkel wird, ich habe nämlich absolut keine Lust im Finstern durch diesen Wald zu irren.",
murmelte er vor sich hin.
Sie beschleunigten ihren Schritt etwas. Irgendwie lag eine unruhige Stimmung über den
Wald, er hatte das Gefühl, als würde irgend etwas nicht stimmen. Als er zu Targon blickte,
konnte er sehen, daß dieser ähnliche Gefühle hatte. Auf einer Lichtung wurde das Gefühl
übermächtig, sein Herz raste, ihm wurde beinahe übel, dabei war nichts gefährliches zu sehen.
Der Wind schien ihm eine Warnung zuzuflüstern. Er blieb stehen.
Targon drehte sich zu ihm um und fragte: "Was ist los? Warum.."
Er kam nicht dazu die Frage auszusprechen, denn Fjodor war leichenblass geworden und
zeigte auf einen Punkt hinter Targons Rücken.
Dieser drehte sich um und erstarrte ebenfalls. "Eine Wolfsleiche!" Mit heiserer Stimme rief er
dieses Wort, tastete nach seiner Waffe. "Die kommen nie alleine!"
Er behielt recht. Sechs weitere dieser seltsam aussehenden Wölfe traten aus den Schatten
hervor und begannen, sie langsam zu umkreisen.
Er und Targon stellten sich Rücken an Rücken, er hielt seinen Kampfstab in den Händen,
Targon hatte irgendwoher eine Peitsche und einen Dolch hervorgezogen.
Er dachte daran zurück, wie sein Dorf von Untoten überfallen wurde, wie es unmöglich
schien sie zu verletzen. Zwar waren es hier untote Wölfe und keine untoten Menschen, doch
er fürchtete, daß das keinen großen Unterschied machen würde.
"Vorsicht!", mahnte Targon, "las dich auf keinen Fall von ihnen treffen. Es ist möglich sie zu
verletzen, aber die vertragen mehr als du. Bleib also besser in der Defensive."
Er nickte und konzentrierte sich auf die Wolfsleichen.
Aus den Augenwinkeln sah er wie eine auf Targon zusprang, doch dieser wich geschickt zur
Seite und versetzte ihr einen Schlag mit seiner Peitsche. Doch anstatt, wie Fjodor es erwartete,
wirkungslos abzuprallen, schlug sie eine tiefe Wunde.
Doch mehr konnte er nicht mehr beachten, denn nun griffen ihn gleich drei der Bestien an.
Den Angriff der ersten und der zweiten Bestie wich er aus und parierte die Dritte mit seinem
Stab. Dabei traf er sie so glücklich, daß er ihr den Schädel spaltete, sie fiel fast sofort
zusammen. Doch er hatte keine Zeit, sich über diesen Triumph zu freuen, denn die beiden
Anderen setzten ihre Angriffe fort. So kämpfte er eine Zeit lang gegen die beiden
Wolfsleichen, wobei er sie auch einige Male traf, vor allem aber alle ihre Angriffe parieren
konnte.
Voll auf den Kampf gegen die beiden verbliebenen Gegner konzentriert, bemerkte er die
Bewegung in seinem Rücken zu spät, er versuchte noch zur Seite zu springen, wurde aber von
der anspringenden Wolfsleiche erwischt. Dabei hatte er diese doch tot umfallen sehen!
Nun war sie aber wieder in Bewegung. Eine panische Angst kroch in ihm hoch: Diese Wesen
waren nicht mit Waffen zu töten!
Auf einmal stand ihm wieder seine erste Begegnung mit einem Untoten vor den Augen, wie
er vor Angst wie gelähmt dagesessen hatte, und darauf wartete daß der Andere zuschlug.
Die Angst in ihm wurde immer stärker, er starrte die Bestie nur an und wartete auf ihren Biss.
Sein Blick war so auf die kalten, leeren Augen der Leiche gerichtet, daß er nichts anderes
mehr mitbekam. Er wartete nur noch auf den Biss.
So bekam er auch nicht mit, wie Targon sich einen Gegenstand von seinem Hals nahm, damit
auf die Bestie zielte und ihn dann warf. Er bekam auch nicht mit, wie dieser Gegenstand
durch die Luft flog und die Kreatur traf.
Er bekam auch nicht mit, wie die Kreatur zusammenzuzucken schien, wie sie krampfhaft
versuchte etwas abzustreifen und wie von einem Gegenstand auf der Kreatur ein silbernes
Leuchten ausging, durch welches sie verbrannte.
Er bekam nur mit, wie plötzlich das Gewicht von seinem Körper verschwand. Danach verlor
er das Bewusstsein.
Als er wieder zu sich kam, lag er in einer dunklen Hütte. Um sich herum sah er die
seltsamsten Sachen liegen, hängen und stehen, und Tausende verschiedene Gerüche stiegen
ihm in die Nase.
Eine bekannte Stimme sagte neben ihm: "Er kommt wieder zu sich." Er wollte sich drehen,
um den Sprecher anzusehen, da spürte er plötzlich einen stechenden Schmerz in seiner linken
Schulter.
Eine mütterliche Stimme sagt: "Nein, nicht bewegen. Bleib ganz ruhig liegen. Dann tut es
auch nicht weh." In seinem Gesichtsfeld tauchte eine alte Frau auf, mit weißen Haaren und
einem freundlichem Gesicht. Neben ihr erschien Targons Kopf.
Er sah besorgt aus. "Wie fühlst du dich?", wollte er wissen.
"Schlecht. Mir tut alles weh.", antwortete er, "aber was ist eigentlich passiert." Targon begann
zu erzählen: "Wir wurden im Wald von ein paar Wolfsleichen angegriffen. Du hast eine
niedergeschlagen und dich dann gegen die beiden Anderen gewehrt. Du konntest ja nicht
wissen, daß sie nur mit besonderen Waffen zu töten sind. Die von dir totgeglaubte ist dir dann
in den Rücken gesprungen und hat dich am Arm verletzt."
"Und wie komme ich dann hierher?"
"Ich hatte ein heiliges Symbol dabei, mit dem ich sie vernichten konnte. Nachdem ich die
Viecher zerstört hatte, habe ich mir dich auf den Rücken geladen und hier hergetragen. Hier
wurdest du von Mutter Lina", mit diesen Worten wies er auf die Frau, "verarztet. Und jetzt
warten wir hier darauf, daß du wieder gesund wirst."
In den nächsten Tagen erfuhr er, daß Mutter Lina eine Priesterin Gajas ist, und daß er sich in
einem versteckten Gajatempel im Wald befand.
Er erfuhr, daß die varenischen Truppen alle anderen Religionen als ihre verboten hatten, und
daß fast alle Priester getötet worden waren, die sich dem widersetzten. Die Überlebenden
flohen, um ihr Werk im versteckten fortzuführen, viele aber wechselten auch die Seite.
Er erfuhr, daß die varenischen Truppen in der Zwischenzeit schon das Kaiserreich erobert
hatten, daß es nur im Norden des Reiches noch Widerstand gäbe.
Und er erfuhr, daß es fast keine Hoffnung mehr gäbe. Sollte Utasgarth fallen, könnte sich
niemand mehr den Varenern in den Weg stellen.
In jenem Augenblick, als er das hörte, beschloss er nach Utasgarth zu gehen. Tewes hatte
gesagt, er müsse den Menschen Hoffnung bringen, also war sein Platz dort, wo die letzten
Hoffnungen ruhten. In Utasgarth.
Einige Tage später, als es ihm wieder besser ging, teilte er Targon seinen Entschluss mit.
Dieser nickte und sagte: "Nun, dann werden sich unsere Wege bald trennen. Ich muss nach
Osten, während dein Weg dich nach Nordwesten führt. Ich wünsche dir viel Glück. Ich hoffe,
wir sehen uns bald gesund und lebendig wieder."
Gleich am nächsten Tag machte Targon sich auf den Weg, nicht ohne sich noch einmal zu
verabschieden.
Er blieb noch einige Tage bei der Priesterin, bis seine Wunde endlich ausgeheilt war. Es sah
gut aus, nur eine kleine Narbe war zurückgeblieben.
Zum Abschied schenkte sie ihm noch ein Symbol. "Nimm dies. Es ist das heilige Symbol der
Gaja oder Ganya, wie die Sindarin sie nennen. Der Stab symbolisiert ihren heiligen
Rosenstab, das Artefakt ihrer Hohepriesterin. Die Blätter, die aus ihm hervorsprießen,
symbolisieren ihre Heilkräfte, die Rose zeigt ihre Liebe zu den Sterblichen, zu deren Schutz
sie sich verwandelte. Ich hoffe, es beschützt dich vor der Finsternis und Kälte, die heute in der
Welt herrschen. Viel Glück auf deinen weiteren Wegen!"
Er bedankte sich noch bei ihr, versprach auf dem rechten Pfad zu bleiben und wanderte
davon, Richtung Utasgarth.
Die Reise war lang, doch er hatte keine Probleme mehr mit irgendwelchen Bestien. So kam er
zügig voran und hatte nach zwei Wochen schon gut die Hälfte des Weges zurückgelegt.
An jenem Abend fand er Unterkunft in einer Mühle, wo ihn die Müllersleute freundlich
aufnahmen. Er sang, wie üblich, einige Lieder als Dank für Speise und Trank und das
Nachtlager, legte sich dann aber früh schlafen, um am nächsten Morgen früh losziehen zu
können.
Doch mitten in der Nacht wachte er auf. Er glaubte, ein Geräusch gehört zu haben, dabei hatte
er sonst doch einen festen Schlaf. Wieder kam es ihm vor, als würde der Wind ihm eine
Warnung zuflüstern, aber er konnte nichts entdecken.
Vorsichtig stand er auf, nahm den Dolch in seine rechte Hand und schlich aus dem Zimmer.
Er wollte gerade die Tür zur Küche öffnen, als ihm eine Gestalt entgegenkam. Er erkannte
den Knecht des Müllers und wollte gerade erleichtert aufatmen, als er plötzlich ein Gefühl der
Wärme auf seiner Brust spürte, dort wo das Amulett hing. Es schien, als wollten das Amulett
und der Wind ihn warnen. Er sah genauer hin und sah eine Blutspur, und jetzt fiel ihm auch
der eigentümliche Gang des Knechts aus. Irgend etwas stimmte nicht.
Er hörte hinter sich ein leises Krächzen und fuhr herum. Dort im Dunkeln flatterten vier
Tauben. Doch kaum drehte er sich um, griffen sie ihn auch schon an.
Nur knapp konnte er ihnen ausweichen, eine von ihnen sogar mit seinem Dolch
zerschmettern. Sie waren keine Gegner für ihn, er hatte sie schnell alle erschlagen.
Doch durch den Kampfeslärm wurde auch der Müller geweckt. Plötzlich erschien jener in der
Tür und sah seinen Knecht, welcher ihn sofort angriff. Überrascht wich der Müller zurück,
konnte aber dem Angriff nicht entgehen und wurde von dem Messer seines Gegenüber am
Bauch verletzt. Er stieß einen Schrei aus. Er drehte sich um, sah den Müller, sah den Knecht
und sah wie dieser zu einem zweiten Stich ausholte. Der Müller war viel zu überrascht um
sich zu wehren, er musste ihm helfen.
Da fiel ihm ein, was Targon ihn über heilige Symbole und ihre Wirkung auf Untote erzählt
hatte. Schnell nahm er das Zeichen der Ganya in seine Hand und warf es auf den Knecht. Als
dieser von dem heiligen Symbol berührt wurde, begann es zu leuchten. Ein matter, goldgelber
Schein breitete sich von ihm über den gesamten Körper des Untoten aus und löste ihn auf.
Staunend sah er dieser Verwandlung zu. Damit hatte er nicht gerechnet. Er staunte noch über
die Zerstörung des Untoten, da hörte er ein Flattern neben seinem Kopf. Die Tauben waren
wieder aufgewacht!
Doch nun wusste er, wie er sie besiegen konnte. Er schlug die Erste mit seinem Dolch weg
und lief zu seinem Symbol. Er nahm es in die Hand und wartete auf die erste Taubenleiche.
Sie ließ nicht lange auf sich warten, gleich alle vier flogen aus dem Gang und griffen ihn an.
Sie waren langsam und einfach zu treffen, schnell hatte er wieder alle vier zerschmettert.
Doch diesmal wartete er nicht ab, bis sie wieder aufstanden, sondern berührte sie gleich mit
dem Amulett. Bei jedem Kontakt mit einem Leichnam glühte es kurz auf, verwandelte die
Leichen in Staub. Nachdem er die letzte Taubenleiche vernichtet hatte, atmete er erleichtert
auf, auch der Wind beruhigte sich wieder. Die Gefahr war vorüber.
Erst jetzt dachte er wieder an den Müller, der offensichtlich unter Schock stand. Der saß
schwer atmend auf dem Boden und betrachtete den Blutfleck auf seinem Hemd, der immer
größer wurde. In der Zwischenzeit hatten auch die Müllerin und ihre Tochter den Raum
betreten und waren über den Anblick entsetzt. Schnell nutzte er die Überraschung der beiden
aus und befahl ihnen, sich um die Wunde des Müllers zu kümmern. Noch unter Schock
machten sie sich sofort an die Arbeit.
Es dauerte einige Zeit, bis sie wieder zu sich kamen. Und noch länger dauerte es, ihnen zu
erzählen, was passiert war.
Am nächsten Morgen verabschiedeten die Müllersleute ihn freundlich, aber man konnte ihnen
doch ansehen, wie froh sie waren, daß er wieder ging.
Von nun an verlief seine Reise Richtung Utasgarth ohne weitere Zwischenfälle und nur
wenige Tage später erreichte er die Stadt, nur kurz vor den varenischen Truppen.
Damals war sie ihm uneinnehmbar erschienen, mit ihren hohen Mauern im Osten, den
natürlichen, schier unbesteigbaren Klippen im Norden, im Süden und im Westen, ihrem
eigenen Wasserzufluß und ihren Feldern innerhalb der Stadtmauern.
Doch die varenische Armee kam nicht alleine, die Finsternis und die Angst reisten in ihrem
Gefolge. Mit ihrem Erscheinen verdunkelte sich der Himmel, kein Sonnenstrahl erreichte
nach Beginn der Belagerung noch den Boden.
Die varenischen Truppen bestanden zum größten Teil aus Untoten, und selbst wenn er schon
gegen diese widernatürlichen Wesen gekämpft hatte, jagte ihm ihre bloße Masse kalte
Schauer über den Rücken. Wie sollte man diese Heerscharen nur besiegen?
In den ersten Tagen versuchten die Varener mehrere Sturmangriffe, die aber alle, wenn auch
unter hohen Verlusten, zurückgeschlagen wurden.
Danach setzten sie ihre schrecklichsten Waffen ein, die Verzweiflung und den Hunger.
Mit jedem Tag der Belagerung sank der Mut der Verteidiger, sank ihre Hoffnung, wurden
Nahrung und Wasser knapper.
Fünf Jahre hielt die Stadt nun schon stand, doch alle waren mit ihren Kräften am Ende. Die
Verzweiflung schien sie zu erdrücken.
Da schießt ihm wieder sein Auftrag durch den Kopf: "Dir wurde geholfen, aber nun bedürfen
andere deiner Hilfe. Du musst den Menschen helfen, sich zu wehren, du musst ihnen
Hoffnung geben, wo alles verloren scheint." Er erinnert sich an das Lied, das Tewes ihn
gelehrt hatte, das Lied mit dem er ihn beruhigt hatte, wenn er nicht schlafen konnte. Die
Melodie, welche ihn vor dem Untoten gerettet hatte. Und auf einmal versteht er seinen
Auftrag.
Er soll den Menschen Hoffnung machen. Er soll das Lied spielen. Langsam nimmt er die
Leier in seine Hand. Mit der anderen umfasst er das Symbol der Ganya. "Bitte Ganya, gib mir
Kraft", murmelt er. Eine Zeit lang sammelt er sich. Dabei scheint er eine Stimme in seinem
Kopf zu hören: "Rufe die Stärke des Sturmes, des Zerstörers aus Norden, rufe die Hoffnung
des Frühlings, den sanften Hauch aus Süden, rufe die Erfrischung eines Regenschauers, den
frischen Wind aus Osten, rufe die Wärme des Sommers, den geheimnisvollen Wind aus
Westen. Werde eins mit ihnen, verstehe ihre Melodie. Denn du bist Windwanderer, der
Botschafter und Sänger der Winde. Nun rufe ihre Macht!"
Lange hallen die Worte in seinem Kopf nach. Dann beginnt er zu spielen, zaghaft erst, doch
dann voller Überzeugung. Dazu singt er, singt in jener Sprache, die jeder kennt, die aber nur
wenige verstehen, in der Sprache des Windes.
Er singt vom Südwind, der das Eis bricht und den Frühling bringt, davon, wie er nach einem
langen Winter alles zum Leben erweckt, singt vom Regen der Mensch und Tier das nötige
Wasser bringt, getragen von den Ostwinden, singt davon wie der Wind aus Westen die
Wolken zerstreut um den Menschen die Sonne zu zeigen, singt vom Spaß der Kinder im
Schnee, den der Nordwind bringt. Einer der Umstehenden sieht plötzlich ein Bild aus seiner
Kindheit vor sich, wie er mit seinen Freunden einen Drachen steigen lässt. Nach ihm sehen
auch andere Bilder aus ihrer Erinnerung, Bilder die sie längst vergessen glaubten. Und sie
erinnern sich wofür sie kämpfen.
Mit der Rückkehr ihrer Erinnerung wächst ihr Mut, kehren ihre Träume zurück.
Und mit einem Mal scheint ein Windhauch die Wolken der Finsternis, die seit Jahren über der
Stadt liegen, aufzureißen. Ein Sonnenstrahl findet seinen Weg durch die Wolken, trifft auf
den Boden. Ihm folgen weitere. Die Finsternis beginnt von der Stadt zu weichen.
Einer der Verteidiger sieht auf, bemerkt das Licht, ruft auf. Andere sehen auf, bemerken es
ebenfalls. Und wie sie das Licht ansehen, kehrt die Hoffnung in ihre Herzen zurück. Das ist
zuviel für die Macht, welche die Finsternis aufrechterhielt, sie beginnt zu weichen und
zerstreut sich schließlich.
Plötzlich ein Schrei von der Stadtmauer. "Die Untoten. Seht nur! Das Licht vernichtet sie!"
Alles eilt zur Mauer. Tatsächlich. Überall, wo die Untoten von den warmen, hellen Strahlen
der Sonne getroffen werden beginnen sie zu verfallen.
Binnen kurzer Zeit sind alle Untoten vernichtet, die varenischen Truppen auf ein Achtel ihrer
vorherigen Größe geschrumpft. Zwar sind sie besser ernährt und ausgerüstet als die
Verteidiger, doch im gleichen Maße wie bei diesen die Hoffnung zurückkehrt wächst unter
ihnen die Angst.
Während er spielt hört Fjodor wieder die Stimme in seinem Kopf: "Du hast die Hoffnung zu
den Menschen zurückgebracht, doch nun musst du kämpfen. Vernichte die Überbringer der
Finsternis."
Er nickt. Langsam steht er auf, spielt weiter. Er geht zum Stadttor. Während dieses Weges
verändert sich sein Aussehen. Seine Hose und sein Umhang verwandeln sich in blauen Samt,
sein Hemd in silbrigweiße Seide. Seine Leier, bisher ein gewöhnliches Stück, scheint nun aus
edlen Hölzern zu bestehen, die Saiten aus Silber. Sein Stab verwandelt sich in einen Bogen.
Ehrfurchtsvoll blicken ihn die Menschen an. Auf seinen Blick hin öffnen sie ihm das Tor. An
der Spitze der Menschen tritt er aus der Stadt.
Er stellt sich vor sie hin und ruft: "Ihr habt schon viel zu lange die Menschen gequält und
Trauer und Leid über das Land gebracht. Ihr sollt für eure Schandtaten mit dem Leben
bezahlen. Ich, Windwanderer, Botschafter und Sänger der Winde, fordere Euch und Eure
Gehilfen zum Duell, Erzmagier."
Der Geforderte blickt ihn höhnisch an und antwortet: "Du willst sterben? Nun gut, so sei es.
Ich, Gaius, Erzmagier und Mitglied des Zirkels der Sieben nehme deine Herausforderung an.
Als Geforderter sende ich Septiem als ersten Kämpfer."
Aus den Reihen der schwarzgekleideten Gestalten tritt eine hervor, verbeugt sich vor dem
Sprecher und sagt: "Wie ihr befehlt, mein Meister."
Er stellt sich gegenüber von Windwanderer auf und ruft: "Die Herausforderung kommt mir
gerade recht. Ich brauche sowieso noch eine Statue für mein Schlafzimmer."
Mit diesen Worten beginnt er einen Versteinerungszauber. Zu überheblich macht er einen
Fehler bei seiner Formel, anstatt seinen Gegner versteinert er sich selbst. "Damit hast du dein
Urteil gesprochen.", mit diesen Worten zieht Windwanderer seinen Bogen, legt an und schießt
einen Pfeil auf die Statue ab. Er trifft genau in den Kopf, welcher durch den Treffer
zersplittert.
Er blickt auf den Erzmagier: "Ich erwarte Euren nächsten Gegner."
Dieser macht eine Handbewegung, woraufhin sich ein weiterer seiner Schüler auf den Weg
macht.
Dieser hält sich nicht lange mit Reden auf, sondern wirft sofort einen Feuerball.
Windwanderer ruft die Kälte des Nordwindes, lässt einen Pfeil aus Eis entstehen und wirft ihn
dem Feuerball entgegen.
Der Eispfeil löscht den Feuerball, wird dabei von diesem zum Teil geschmolzen, hat aber
immer noch genug Energie, um das Herz des Schwarzmagiers zu durchbohren. Ungläubig
schaut dieser auf das Stück Eis in seiner Brust, daraufhin fällt er tot zu Boden.
"Nun reicht es mir. Ich werde persönlich gegen dich antreten." Mit diesen Worte nähert sich
Gaius dem Kampfplatz, gibt aber vorher seinen Schülern noch ein Zeichen.
Die beiden Kontrahenten beginnen ihre Zauber zu wirken, als Windwanderer auffällt, daß der
Wind die Gestalt seines Gegners seltsam umfließt, wie er eine Linie zu dessen Schülern
bildet.
Er versteht. Die Schüler schützen ihren Meister!
Windwanderer ruft den Zorn des Himmels, ruft die zerstörerische Kraft des Blitzes und lenkt
seine Macht auf die im Kreis stehenden Schwarzmagier.
Ein gewaltiger Blitz schlägt herab, genau in die Mitte des Kreises. Seine ungeheure Energie
verbrennt die Magier und zerstört damit das Schutzschild, das sie über ihren Meister gebildet
hatten.
Zornig über den Regelbruch des Erzmagiers will er sich jetzt seinem Feind entgegenstellen.
Doch es ist zu spät, auch dieser hat seinen Zauber beendet. Eine ungeheure Macht geht von
ihm aus, trifft Windwanderers Schutzamulett und lässt es explodieren.
Das letzte, was dieser in seinem Leben spürt ist ein brennender Schmerz auf seiner Brust, als
die Explosion ihm den Brustkorb zerreißt.
Der Erzmagier richtet sich auf, streckt seine Arme gen Himmel und ruft höhnisch: "Da seht
ihr wie schwach eure Hoffnung war. Er war meiner Macht nicht gewachsen! Nun ergebt euch,
oder ich werde euch alle töten!"
Aus dem versammelten Volk ertönt eine spöttische Stimme: "Nein, Windwanderer war eurer
Macht nicht gewachsen. Es ist auch unglaublich schwierig, jemanden im Zweikampf zu
besiegen, wenn man von anderen unterstützt wird!"
"Wollt ihr damit behaupten, ich hätte betrogen?", die Stimme des Magiers klingt empört.
"Ja."
"Ihr,", der Magier findet keine Worte, anstelle einer Erwiderung schleudert er mit einer
weitausholenden Bewegung einen Kugelblitz auf den Sprecher, welcher diesen auf der Stelle
tötet.
Plötzlich ist es ungeheuer still auf dem Platz. Keiner der Menschen sagt ein Wort. Gaius
glaubt bereits gewonnen zu haben, da ertönt plötzlich eine Stimme: "Rache für Ferdinand!
Rache für Windwanderer!" Zwei, drei weitere greifen den Satz auf. Schließlich ruft die ganze
Masse wie aus einem Mund: "Rache für Ferdinand! Rache für Windwanderer!"
Mit diesem Kampfschrei greifen sie die überraschten Varener an.
Der Erzmagier bündelt seine verbliebene Energie in einen gigantischen Furchtzauber, doch
der Hass der so lange Zeit Hoffnungslosen überwindet den Zauber.
Die anstürmende Horde überrennt ihn einfach. Die varenischen Truppen flüchten in Panik.
Es ist kein Kampf mehr, keine Schlacht. Die nun befreiten Belagerten kennen keine Gnade
mehr, sie morden rücksichtslos die fliehenden und um Gnade flehenden Varener.
Doch nur wenige Varener entkommen dem aufgestauten und nun ausgebrochenen Hass.
Am nächsten Morgen, als die Belagerten wieder zu sich kommen und auf das Schlachtfeld
blicken, sehen sie viele Tote mit Wunden im Rücken, Tote die regelrecht in Stücke gehackt
wurden.
Und einige fragen sich: "Was ist nun noch der Unterschied zwischen uns und ihnen? Wir
verfluchten sie ob ihrer Gnadenlosigkeit, doch haben wir Gnade walten lassen?"